Assisted Living

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Assisted Living Kathrin Vรถlker | Diplomarbeit


Universität Duisburg Essen Fachbereich Kunst und Design Industrial Design Diplomarbeit erstellt im Wintersemester 2009/10 Kontakt: Kathrin Völker Universitätsstr.19 45141 Essen kathrin_voelker@gmx.de Betreut durch: Prof. Dr. Marc Hassenzahl Prof. Anke Bernotat


Assisted Living



What makes your heart sing?



Inhaltsverzeichnis Die Zukunft ...............................................................................................................11 Assistive Technologien................................................................................................. 12 Schwerpunkt – Soziale Interaktion .............................................................................. 15 Soziale Interaktion und Gesundheit ............................................................................ 16 Kleine Studie ............................................................................................................. 19 Auswertung................................................................................................................ 24 Konzept...................................................................................................................... 52 Experience Prototyping ...............................................................................................54 Design ........................................................................................................................ 70 . Finales Konzept ..........................................................................................................72



Die Zukunft


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Die Zukunft Der demographische Wandel.

Die Herausforderungen.

Die gegenwärtige Bevölkerungsentwicklung ist durch zwei wesent-

Diese demographische Entwicklung wird das Gesundheits- und

liche Merkmale geprägt:

Sozialwesen vor vielfältigen Herausforderungen stellen.

Jugend-, Alten- und Gesamtquotient 100

Gesamtquotient89 80

80

1. Steigende Lebenserwartung.

Zum einen wird die Zahl der Pflegebedürftigen weiter ansteigen,

Wir werden immer älter. Dank guter sozialer Sicherungssysteme

weil immer mehr Menschen ein höheres Alter erreichen. Schät-

und dem ständig sich fortentwickelnden medizinischen Fortschritt

zungen gehen von einer Erhöhung von ca. 58 % bis zum Jahr 2030

steigt unsere Lebenserwartung stetig an.

aus. Demnach stiege die Zahl der Pflegebedürftigen von 2,1 Millio-

65 69

60

50 22

Altersquotient

40

nen auf 3,4 Millionen und die in Krankenhäusern behandelten Fälle 2. Rückläufige Geburtenziffer.

von 17 auf 19 Millionen.

Jugendquotient

20

Gleichzeitig bekommen die jüngeren Generationen immer weniger Kinder. Die Geburtenzahl

Da mit zunehmendem Alter auch das Risiko der Multimorbidität

ist seit Jahren rückläufig. Als einer der Gründe wird der Wertewan-

steigt, deren Behandlung sehr kostenintensiv ist, werden die Kosten

del innerhalb der Gesellschaft angesehen. Während früher Werte

im Gesundheitswesen enorm ansteigen.

2000

2010

28

30

33

2020

2030

2040

2050

Quelle: Statistisches Bundesamt (2006)

wie Familie und Ehe zählten, treten heute Werte wie Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit, beruflicher Erfolg in den Vordergrund.

Zu bedenken ist außerdem, dass sich die Zahl der Pflegebedürftigen

Abbildung 1

in stärkerem Maße erhöhen wird als die Zahl, der zur Verfügung Die steigende Lebenserwartung und die rückläufige Zahl der Ge-

stehenden pflegerischen und medizinischen Personals, da durch

burten führen allerdings zu gravierenden Veränderungen in der

den Geburtenrückgang nicht ausreichender Nachwuchs existiert.

Altersstruktur der Bevölkerung. Wie in Abbildung 1 zu sehen, ver-

Das bedeutet, dass eine immer geringer werdende Anzahl von Pfle-

schieben sich die Anteile von Jung und Alt ernorm.

gern und Ärzten, sich um eine ansteigende Anzahl älterer Patienten

In nur wenigen Jahren wird die Gesellschaft zum ersten Mal aus

kümmern muss.

mehr älteren als jüngeren Menschen bestehen. Die über 50-jährigen werden dann die größte Bevölkerungsgruppe ausma-

Aus diesen Gründen gilt es Lösungen zu finden, welche das Ge-

chen.Die Entwicklung lässt sich nicht nur in Deutschland, sondern

sundheits- und Sozialwesen zukünftig entlasten und die Versor-

in allen westlichen Industrienationen beobachten.

gung der alternden Gesellschaft sichern können. 11


Assistive Technologien

Assistive Technologien werden als eine mögliche Lösung für das

Assistive Technologien werden also mit dem Ziel entwickelt und ein-

Hüftprotektoren, Druckmatten, Türalarm, Bewegungsdetektoren,

Demographieproblem und seine Auswirkungen gesehen. Aber

gesetzt, um ältere Menschen in ihrem Alltagsleben zu unterstützen,

automatische Beleuchtungs- und Herdregelungen, Erinnerungshil-

was sind Assistive Technologien? Eine englische Definition von Ver-

damit sie möglichst lange ein selbstständiges und unabhängiges Le-

fen, z.B. zur Einnahme von Medikamenten und Alarmsysteme wie

za aus dem Jahre 1988 lautet:

ben führen können.

Sturz- und Notfallerkennung. Die Chancen, die sich mit dem tech-

Inzwischen gibt es bereits sehr viele Forschungs- und Entwicklungs-

nischen Fortschritt der letzten Jahre ermöglicht wurden, sind sehr

„Assistive technologies include any item, piece of equipment, or

gruppen, welche unter dem Namen Ambient Assisted Living (AAL)

vielfältig und oftmals auch sehr beeindruckend.

product system, whether acquired commercially off the shelf, mo-

zusammengefasst werden.

Allerdings gilt es an dieser Stelle eine wichtige Frage zu stellen: Was steht bei der Entwicklung von Assistiven Technologien im Vorder-

dified or customized, that is used to increase, maintain or improve the functional capabilities of individuals with disabilities“ (zitiert nach Verza u.a. 2006, S. 88).

AAL-Technik kann dabei helfen, die massiven Kostensteigerungen

grund – eine innovative Technologie oder die Bedürfnisse älterer

im Gesundheitswesen mit aufzufangen. Für die Volkswirtschaft

Menschen?

geht man von einem Einsparpotenzial von rund drei Milliarden Euro Mittlerweile wurde der Begriff erweitert. Während er früher nur

aus, wenn nur etwa ein Zehntel der älteren Menschen mithilfe von

Stromversorgung brauchen und zudem elektronisch oder compu-

auf Produkte bzw. Produktsysteme, die für Menschen mit Behinde-

Assistenzsystemen ein Jahr länger als bisher im eigenen Haushalt

tergesteuert sind, zählen das Monitoring von Gesundheitsdaten,

rungen entwickelt worden sind, angewandt wurde, werden heu-

verbleiben könnten.

Hüftprotektoren, Druckmatten, Türalarme, Bewegungsdetektoren, automatische Beleuchtungs- und Herdregelungen, Erinnerungshil-

te auch jene damit bezeichnet, welche altersbedingte EinschränAnwendungsbeispiele von Assitiven Technologien

fen, z.B. zur Einnahme von Medikamenten und Alarmsysteme wie

Anwendungsbeispiele Assistiver Technologien, welche häufig ge-

Sturz- und Notfallerkennung.

„Many oder people wish to remain in their own homes, but are

nannt werden, liegen vor allem im Bereich der Mobilität, Sicherheit,

Die Chancen, die sich mit dem technischen Fortschritt der letzten

faced with a slow deterioration in their abilities. Most of the time

Komfort und Unterhaltung.

Jahre ermöglicht wurden, sind sehr vielfältig und oftmals auch sehr

kungen ausgleichen. Dies entspricht der Definition:

beeindruckend.

they are fit enough to retain their independence but, on some occasions and for some tasks, they need help. For these people, the

Man unterscheidet zwischen low-tech und high-tech Geräten. Zur

use of assistive technologies may make the difference between

ersteren Gruppe gehören Gehhilfen und Rollstühle, Essens- und

Allerdings gilt es an dieser Stelle eine wichtige Frage zu Stellen:

retaining their independence and quality of life, and losing their

Anziehhilfen. Zu den high-tech Produkten, welche eine eigene

Was steht bei der Entwicklung von Assistiven Technologien im Vor-

homes, independence and self‐respect“

Stromversorgung brauchen und zudem elektronisch oder compu-

dergrund – eine innovative Technologie oder die Bedürfnisse älterer

tergesteuert sind, zählen das Monitoring von Gesundheitsdaten,

Menschen?

(Lansley 2001, S. 439).

12


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Zielsetzung Mir ist es bei meinem Gestaltungsprozess wichtig, nicht eine neue

haben. Dazu gehörten verschiedene Einrichtungen der AWO, die

Dies trug zu meiner Entscheidung bei, mich fortan in meiner Di-

Technologie, sondern den Nutzer und seine Bedürfnisse in den Mit-

MUNDUS Senioren-Residenzen GmbH sowie die Arkanum Wohnre-

plomarbeit mit dem Thema „Soziale Interaktion älterer Menschen“

telpunkt der Betrachtung zu stellen.

sidenz GmbH, welche sich allesamt im Essener Raum befinden.

näher auseinanderzusetzen. Folgende Fragestellung soll daher

Die Gespräche mit der Geschäftsleitung der jeweiligen Hauser, dem

Schwerpunkt meiner Arbeit werden:

Das bedeutet, dass ich mich zunächst mit älteren Menschen und

Pflegepersonal und den Senioren waren sehr aufschlussreich und

ihrem Alltagsleben beschäftigen möchte, um zu erfahren, wo ihre

halfen mir in eine mir bis dahin fremde Welt Einblick zu erhalten.

Wünsche und Bedürfnisse liegen, welche Herausforderungen sie

Darüber hinaus habe ich Gelegenheit erhalten an verschiedenen

begegnen und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben.

Aktivitäten und Veranstaltungen teilzunehmen, beispielsweise an

„Wie können soziale Interaktionen älterer Menschen verbessert und gefördert werden?“

der Lesestunde am Kamin, beim Gedächtnistraining, der GymnaErst in den darauffolgenden Schritten gilt es, eine technische Um-

stikstunde sowie an einigen Kaffeekränzchen.

setzung zunächst in einem Konzept und dann in einem Entwurf

Wichtige Punkte, welche dabei näher betrachtet werden sollen:

zu finden, welche die in Anforderungen übersetzten Nutzerbedürf-

Gerade in den direkten Gesprächen mit den Senioren selbst wurde

> psycho-soziale Bedürfnisse

nisse am besten erfüllt, um am Ende eine überzeugende Produktge-

deutlich, wie groß der Handlungsbedarf in allen Anwendungsbe-

> Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen,

staltung hervorzubringen, die ein positives Nutzererlebnis schafft.

reichen noch ist, sei es im Bereich der Gesundheit und Pflege, der

> Zugang zu neuen sozialen Kontakten

Sicherheit und Privatsphäre, im Haushalt und der Versorgung.

> Identifizieren und Abbau von Kommunikationsbarrieren > Erleichterung von Kontaktaufnahmen

Thema und Schwerpunkt

Insbesondere Themen im Bereich der Mobilität und dem sozialen

> Überwindung von Distanzen

Umfeld wurden immer wieder genannt. Dies zeigte mir, dass hier

> Unterstützung und Aufrechterhaltung bestehender Rollen

noch viel Potenzial für Produktkonzepte

> Finden neuer Rollen

Um ältere Menschen und ihr Leben kennenzulernen und besser ver-

liegt. Gerade wenn die eigene Mobilität abnimmt, das Umfeld sich

> Vermeidung bzw. Linderung von Einsamkeit und Isolation

stehen zu können, habe ich Kontakt zu verschiedenen Institutionen

immer mehr auf die eigene Wohnung beschränkt, fällt es zuneh-

> Unterstützung bei der Wahl und der Form der sozialen Interaktion

und Vereinen aufgenommen, die mit älteren Menschen zu tun

mend schwerer, unabhängig und selbstständig zu bleiben.

> Soziale Aktivitäten und Partizipation

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Gesundheit und soziale Interaktion „Die Gesundheit des Menschen ist ein Zustand des vollständigen

Happiness and self-reported well-being can have an impact on

perceived health, and social network characteristics (Okamoto &

körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur

mental and physical health. Loneliness is related to negative

Tanaka, 2004).

das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ (WHO 1947)

physical health outcomes in older adults, including higher systolic blood pressure, elevated hormone levels, and less restorative

Similar links were found in the Helsinki Aging Study. In that study,

sleep—in other words, sleep that is less effec¬tive in restoring al-

older adults (aged 75 years or older) who indicated that they felt

Ältere Menschen betrachten manchmal eine körperliche Beschwer-

ertness and in improving mood and per¬formance (Hawkley and

needed (vs those who did not) were less likely to die over a 10-

de oder Unwohlsein als ein Mittel, mit dem sie versuchen Kontakt

Cacioppo 2007).

year follow-up period and were less likely to enter into institutio-

aufbauen (Borowski, 19977; Gilbert, 1977).

nalized care over a 5-year follow-up period in models controlling

Schließlich ist es nicht einfach, die Tage in Einsamkeit zu verbringen

Some suggest that, as people age, health problems increase and

for sociodemographic and health status factors (Pitkala, Laakkonen,

oder das Gefühl zu haben, dass es niemanden gibt, der sich um

social networks decrease as peers die, making the elderly less happy

Strandberg, & Tilvis, 2004).

einen kümmert, einen vermisst. Eine körperliche Beschwerde kann

(George 2006).

mehr Aufmerksamkeit im Umfeld bewirken. Man wird belohnt

According to the broader social integration literature

mit aufmunternden Worten und warmen Umarmungen, bei psy-

An active social network of family and friends can pro¬mote heal-

(e.g., Berkman & Syme, 1979; Krause et al., 1990; Sugisawa

chischen Beschwerden ist die Gesellschaft weitaus weniger entge-

thy aging through a variety of mechanisms includ¬ing tangible and

et al., 2002), it is this lack of social integration that negatively

genkommend: Man wird relativ schnell als dement abgestempelt.

emotional support (Fiori, Antonucci, and Cortina 2006).

influences health.

Additionally, these researchers believe that high quality social relaKontaktmangel, Einsamkeit und soziale Isolation sind oftmals Pro-

tions may be associated with increased mental health. Individuals

Finally, we found that perceived support partially mediated

bleme ältere Leute, gerade, wenn sie alleine leben.

who have more restricted net¬works were most likely to exhibit

the association between network type and depressive symptoma-

signs of depression. Some researchers have suggested that the par-

tology,

In zahlreichen Studien wurde beschrieben und erklärt, dass verrin-

ticular family members who provide emotional and social support

as we predicted. This is consistent with research showing that the

gerte soziale Interaktionen sich ebenso schlecht auf die Gesundheit

in old age may be important.

quality of social relations may have a greater impact on well-being

aufwirken wie zu wenig Bewegung oder eine schlechte Ernährung.

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than do structural characteristics of socialnetworks (Antonucci, A study of older Japanese adults (aged 65 years or older) found

2001), and that support quality may vary by network type (Litwin

that, compared with participants who felt quite useful to others and

& Landau, 2000).

Es folgen ein paar Auszüge aus Aufsätzen und wissenschaftlichen

society, those who felt only a little or not at all useful were twice as

Veröffentlichungen, welche die Zusammenhänge zwischen Ge-

likely to die over a 6-year follow-up period in analyses adjusting for

sundheit und sozialer Interaktion darstellen.

sociodemographic factors, comorbidity, depression, self-


Wichtige Punkte, welche dabei näher betrachtet werden sollen: > psychosoziale Bedürfnisse > Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen, > Zugang zu neuen sozialen Kontakten > Identifizieren und Abbau von Kommunikationsbarrieren > Erleichterung von Kontaktaufnahmen > Überwindung von Distanzen > Unterstützung und Aufrechterhaltung bestehender Rollen > Finden neuer Rollen > Vermeidung bzw. Linderung von Einsamkeit und Isolation > Unterstützung bei der Wahl und der Form der sozialen Interaktion > Soziale Aktivitäten und Partizipation

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Kleine Studie

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Kleine Studie „Wie können soziale Interaktionen älterer Menschen verbessert und gefördert werden?“

Zielsetzung Wie können die sozialen Interaktionen älterer Menschen verbessert

Wie sehen ihre persönlichen Beziehungen aus?

und gefördert werden, um ihnen zu einem höheren Wohlbefinden

Wie sehen ihre sozialen Netzwerke aus?

zu verhelfen?

Wie werden diese aufrechterhalten und gepflegt? Gelingt ihnen das?

Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, wurde eine kleine

Wie können Kontaktaufnahmen erleichtert werden?

Studie angelegt, mit dem Ziel die sozialen Interaktionen der älteren

Welche Kontakte sind überhaupt wichtig?

Generation kennenzulernen und sie zu verstehen, um sich dann

Welche Bedürfnisse und Wünsche sind am stärksten vertreten?

intensiv mit ihnen auseinandersetzen zu können. Am Schluss soll

Welche Bedürfnisse sind überhaupt wichtig?

dann aus den gewonnenen Erkenntnissen ein Konzept generiert

In welchen Situationen sind diese Bedürfnisse am stärksten zu

werden, welches sie in der Wahl und Form der sozialen Interaktion

verspüren?

unterstützt. Welche sozialen Interaktionen beeinflussen das Es galt folgende Punkte herauszufinden:

Wohlbefinden positiv? Was gibt ihnen einen Lebenssinn, was macht sie zufrieden

Allgemein: Soziale Interaktionen

und glücklich, was bereitet ihnen Freude und Spaß?

Was stärkt oder erhält soziale Interaktion? Was sind persönliche Motive, was sind äußere Anreize? Was hemmt oder mindert soziale Interaktion?

Fokusgruppe

Was sind persönliche Hemmnisse, was sind äußere Barrieren?

Teilnehmerprofil der Fokusgruppe • Allein stehende/r, allein lebende/r Senior/in (ab 65+)

Wie sieht die Alltags-/Freizeitgestaltung aus?

• Mobil, selbstständig und unabhängig

Womit verbringen sie ihre Zeit?

• Guter gesundheitlicher Allgemeinzustand (körperlich und

Wie erleben sie ihren Alltag?

mental fit , leichte körperliche Einschränkungen)

Haben Sie besondere Kompetenzen oder Fähigkeiten,

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die Sie gerne einsetzen würden?

Warum dieses Teilnehmerprofil?

Was sind Wunschaktivitäten?

Allein Stehende, deren Zahl nicht nur wegen des demogra-


phischen Alterns, sondern auch infolge sinkender Heirats- und stei-

wurde erstellt, um in Gesprächen verschieden Themen abzuhan-

gender Scheidungsziffern in Zukunft weiter ansteigen wird, stellen

deln. Des Weiteren wurde eine Bedürfnisanalyse zu ausgewählten

eine Gruppe dar, die besonders unter Einsamkeitsgefühlen im Al-

Bedürfnissen durchgeführt.

ter leiden. Geringere Sozialkontakte aufgrund eines abnehmenden Freundes- und Bekanntenkreises steigen mit dem Älterwerden.

2. Tagebuch

Somit gilt es, diese Gruppe besonders darin zu unterstützen mit

Die Teilnehmer hielten ihren Tagesablauf (Aktivitäten, soziales Mit-

ihrem sozialen Umfeld verbunden zu bleiben.

einander) eine Woche lang in einem Tagebuch fest. Dies offenbarte einen tieferen Einblick und half die Alltagsgewohnheiten besser zu verstehen. Zusätzlich wurden Tagesabläufe und -geschehnisse von

Methodisches Vorgehen

ihnen reflektiert und bewertet.

Wie ist das Leben, wenn man alt ist? Welche Wünsche, welche

Zusätzlich wurde bei Begegnungen, Besuchen/ Treffen, Gesprächen

Bedürfnisse hat man? Was bereitet einem Sorgen und wo braucht

und Telefonaten vermerkt, ob diese initiiert oder empfangen

man Unterstützung? Und wo möchte man keine?

waren. Bewertung der Tätigkeiten, Aktivitäten, soziales Miteinander (F = Freudvoll, B = Bedeutsam, A = Angenehm, S= Spannend,

Um einen wirklichen Eindruck von der Lebenssituation älterer Men-

L= Langweilig,

schen zu erhalten und ihre soziale Interaktionen zu untersuchen, wurde die kleine Studie darauf ausgelegt, nicht quantitative sondern

3. Kameras

qualitative Ergebnisse hervorzubringen, welche durch folgende drei

Um herauszufinden, welche sozialen Interaktionen das Wohlbefin-

Methoden (Ethnographischer Ansatz) erlangt wurden:

den positiv beeinflussen, wurden sie gebeten, Fotos von dem zu machen, was ihnen Freude bereitet, ihnen bedeutsam erscheint

1. Ein gemeinsamer Tag

und ihnen Zufriedenheit und Glücksempfinden schenkt.

Die Teilnahme an ihrem Leben erlaubte, ihren Alltag ganz nah mitzuerleben, besondere Verhaltensweisen (Gewohnheiten, Rituale,

4. Follow-up Interview

natürliche Sprache, Bedeutungen von Aktivitäten und Artefakten)

Dieses Interview ermöglichte, noch einmal auf bestimmte Sachen

zu beobachten und versteckte Wünsche und Bedürfnisse zu finden.

näher einzugehen (z. B. Kommunikationsbarrieren) und zusätzlich die

Eine grober thematischer Leitfaden (siehe ergänzende Dokumente)

Kameraaufnahmen und Tagebuchaufzeichnungen zu hinterfragen. 21


Sechs Teilnehmer*

„Der Sonntag erwirbt, der Alltag verdirbt.“

„Den Rest meines Lebens so zu verbringen, dass es mir Freude macht und anderen hilft“ Verbringt keine nutzlose Zeit. Jeweils 1x in der Woche liest er in

Hat einen genau strukturierten Tagesablauf, setzt sich immer Ziele,

einem Kindergarten vor und betreut Gymnasialschüler in der Haus-

körperlich sehr agil. Ehrenamtlich in der Kirchengemeinde tätig. Sie

aufgabenstunde. Möchte jetzt niederländisch lernen und dann

pflegt ihre Kontakte und ist für jeden Tag, den sie ohne fremde Hilfe

promovieren (dann wäre er 85 Jahre). Sehr aufgeschlossen. Sucht

beendet, dankbar. Wünscht sich mehr Kontakt zur Jugend.

den Kontakt zur jüngeren Generation. Sieht seine Enkel nicht oft.

„Beklage nie den Morgen, der Müh´ und Arbeit gibt! Es ist so schön zu sorgen, für Menschen die man liebt!“ Möchte ihre Unabhängigkeit nicht verlieren. Lässt sich nichts aufzwingen, kann nein sagen. Möchten niemanden zur Last fallen. Versteht sich gut mit ihrer Familie. Sucht immer neue Herausforderungen. Leidenschaftliche Hobbymalerin. Gibt Malkurse. Hat einen großen Bekanntenkreis.

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„Ich bin gemütlich und bequem geworden.“ „Der Technik gegenüber bin ich dumm.“

„Im Moment habe ich keine Freude.“

Große Familie mit regelmäßigen Besuchen. Ist aber nur auf diese Besuche fixiert. Fallen diese mal aus, ist sie ohne Ziel und Antrieb.

Ist 50 Jahre aktive Geschäftsfrau gewesen, jetzt sehr eingeschränkt

Soziale Kontakte vorhanden, die sie aber nicht befriedigen. Möchte

Kaum Kontakte außer Haus. Der Fernseher läuft den ganzen Tag.

durch Alterserkrankungen. Verlässt kaum ihre Wohnung, dadurch

qualitative Zeit mit anderen verbringen, weiß aber nicht wie. Trauert

Tägliches Telefonat mit der besten Freundin.

hat sie keine sozialen Kontakte. Hadert sehr mit ihrem jetzigen

der Geselligkeit der früheren Jahre nach. Weiß nicht, wo sie Ange-

Leben. Kein Antrieb vorhanden. Erscheint missmutig.

bote für Senioren finden kann.

* Namen und Fotos wurden geändert.

23


24


25


Probleme

Design principle

> Zunehmende Abnahme der Teilhabe/ der Integration

Schaffung und Verbesserung von Interaktions- und Kommunikati-

am sozialen Leben

onskanäle, um die Teilnahme am sozialen Leben zu erleichtern und

> Geringer Interaktionslevel in der Wohnung

eine Integration zu gewährleisten. Dabei gilt es die Grenzen des

> Fehlen eines spontanen Sich-Mitteilen Könnens

Raumes zu überwinden und Distanzen zu überbrücken.

> Fehlen von persönlichen Begegnungen und Gesprächen:

2. Alltagsroutine. Alltagsmonotonie.

Reden laut in ihrer Wohnung mit sich selber.

Alle Teilnehmer haben ihre individuelle Alltagsgestaltung, welche

Auswertung Soziale Aktivitäten

(lacht resigniert) (Gerlinde)

stimmten Tagesrhythmus geprägt ist. Einige haben den Tagesrhythmus aus der Zeit, zu der sie, bzw. der Ehepartner noch berufstätig waren, beibehalten oder zumindest ein paar der alten Gewohnheiten aufrecht erhalten („in der Früh um sechse aufstehen“).

1. Alltag wird zum Wohnalltag.

Niemand lebt in den Tag hinein. Vielmehr war für viele die Einhal-

Bei den Teilnehmern war zu beobachten, dass die Wohnung Mittel-

tung eines festen Tagesrhythmus wichtig, weil man dann „weiß,

punkt des alltäglichen Lebens ist. Die Lebens- und Alltagsgestaltung konzentriert sich nur noch auf die eigenen vier Wände und auf die nähere Umgebung. Der Anteil des Tages, der zu Hause (Wohnung bzw. Haus und Garten) verbracht wird, ist bei einigen sehr hoch.

Redet über ihre Wohnsituation. „Was interessiert einen alten Menschen eine schöne Landschaft. Ein alter Mensch will Leben um sich haben.“ (Josephine)

was man zu tun hat. Und sich nicht sorgen muss, dass man nichts zu tun hat.“ Regelmäßige, zeitlich festgelegte Tagesabläufe sind: Einnehmen von Mahlzeiten, Ruhepausen, Hobbys, Rituale wie Friedhofsbesuche, Spaziergänge).

Aus den Tagebuchaufzeichnungen geht hervor, dass zwei Personen

Zu beobachten war außerdem, dass die Alltagsgestaltung in der

für zwei oder drei Tage die Wohnung nicht verlassen haben.

Gruppe der sozial weniger Aktiven sehr monoton war und sich je-

Darüber hinaus war zu beobachten, dass der Aktionsradius (Je nach Wohnsituation: vorzugsweise im Stadtgebiet oder Dorf plus angrenzende Dörfer) gering bis sehr gering ist. Nach Eintritt in den Ruhestand und dem Verlust des Partners nahm der Aktionsradius bei vielen ab. 26

„Nun sitze ich hier in der Wohnung. Ich habe zwar eine schöne Wohnung, die groß und gemütlich ist, aber das bringt nichts).“

fast immer von einer bestimmten Routine bzw. von einem be-

„Früher bin ich das Stück gelaufen. Aber jetzt, jetzt kann ich nicht mehr so weit laufen. Das ist ganz schön Schitt. Bei jeder Kleinigkeit muss ich jetzt den Bus nehmen.“ (Josephine)

der Wochentag im Ablauf wiederholte. Design principle Finden neuer oder Reaktiveren alter Aktivitätspotentiale, um die Alltagsmonotonie zu durchbrechen.


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„Nur eben damit ein bisschen Leben um einen ist.“ (Josephine)

3. Aktivitäten.

mitgestalten. Das bedeutet, sie haben immer etwas zu geben. Und

Bei der Alltags- und Freizeitgestaltung meiner Teilnehmer sind viel-

fühlen sich entsprechend gebraucht und nützlich. Durch die Mög-

fältige Aktivitäten und Betätigungsfelder zu finden.

lichkeit des Geben und Nehmens wird der soziale Austausch verein-

Angefangen bei den klassischen Aktivitäten zum Zeitvertreib und

facht. Und dadurch fällt es ihnen auch leichter, aktiv zu bleiben.

zur geistigen Fitness wie Kreuzworträtseln und Zeitungslesen über

Medien nehmen eine wichtige Rolle ein. Sie befriedigen das Be-

hauswirtschaftliche und sportliche Tätigkeiten wie Backen, Marme-

dürfnis nach Ablenkung, nach Unterhaltung, nach Erholung, nach

laden einkochen, Radfahren und Schwimmen, bis hin zu ehrenamt-

Entspannung, nach Sozialkontakten und nach Kommunikation.

„Wir haben uns die Geselligkeit ins Haus geholt! Früher musste man dafür in die Kneipe gehen.“ (Irmgard)

4. Der Fernseher.

>> Fernseher = einseitiges Medium, welches keine Interaktion

Und das Schlechte.

lichen Engagements wie Kinder- und Schülerbetreuung. Besonders interessant sind folgende Findings:

Überraschend war der hohe Fernsehkonsum bei fast allen Teilneh-

Diejenigen, die schon immer sportlich aktiv waren und es immer

mern. Zwei der Teilnehmer strukturieren sogar ihren Tagesablauf

noch sind, haben im Vergleich zu nicht sportlich aktiven Leuten ih-

nach dem Fernsehprogramm.

rer Altersgruppen weniger körperliche Einschränkungen und sind

Das „flimmernde“ Gegenüber hat einiges zu bieten:

wesentlich agiler.

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erlaubt (Sender/ Empfänger). „Man erlebt die Welt indirekt.“ >> Ersatz für soziale Kontakte bzw. zwischenmenschliche Kommunikation. >> Es mindert soziale Aktivität und fördert soziale Isolation und Einsamkeit.

Während andere sich kaum noch bewegen können und dadurch

Das Gute.

einen Autonomieverlust haben, sind sie gelenkiger. Alltagssituati-

Lässt am sozialen Leben teilnehmen. (Indirekt)

onen wie beispielsweise das Anziehen der Strümpfe oder das Bü-

Es bietet Gesprächstoff, man kann mitreden. (Ahorn)

5. Sinnvolle Beschäftigung

cken bereiten ihnen keine Probleme.

Es unterhält .Es bildet. Es informiert.

Findings

Es schafft Möglichkeiten zur Entspannung, zur Flucht.

Man möchte Zeit nicht vertun, sondern sinnvoll nutzen.

Gebende Tätigkeiten

Es lenkt ab und hilft, „überflüssige Zeit zu vernichten“

Nicht alles was man tut, befriedigt einen.

Auffällig ist, dass die Leute, die sozial sehr aktiv sind und gute so-

Im Hintergrund vermittelt es das Gefühl des „nicht Alleinseins.“

Aufgabe von Aktivitäten und Tätigkeiten, weil kein Sinn mehr

ziale Beziehungsnetzwerke pflegen, vor allem Aktivitäten nachge-

Lenkt ab. Hilft gegen Langeweile.

darin gesehen wird.

hen, die karitativer Art und nach außen gerichtet sind.

Unterhält. Man erlebt andere Menschen.

Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, die eher einer produktiven

Vermittelt das Gefühl des „nicht Alleinseins“

Art entsprechen wie Kuchen backen oder Wohltätigkeitsbazare

Kann er zwischenmenschlichen Kontakt ersetzen?

„Und bis vor ein paar Wochen hätten Sie mich hier nie ohne Handarbeit sitzen sehen. Alles was Sie hier sehen (Zeigt ihre Kis-


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sen, den Klingelzug und die Sessel) ist alles Handarbeit. Abends ohne Handarbeit ging nicht. Aber jetzt habe ich – wie sagt ihr heutzutage - keinen Bock mehr drauf. Und wofür? Auch vom Gefühl her. Gut, hätte ich jetzt noch Enkelkinder und die würden sagen, strick mir einen Pullover, dann würde ich es auch machen, aber da ist nicht mehr der Pfeffer hinter. So habe ich keinen Spaß mehr daran.“ (Josephine) „Die Vorbereitung fürs Vorlesen in der Kita oder für Weihnachtslesungen hier im Haus kostet Zeit, da bin ich froh drum. Ich bereite mich vor, ich gucke mir vorher an, was ich lesen will. Das ist auch wieder eine Zeit, die weg ist und nicht rumgesessen wird. Ich find das gut, dass man sich vorbereiten muss, man hat Zeit sinnvoll verbracht und nicht wieder vertan.“ (Friedrich) „Dann war sie bei der AWO. Aber das ist nichts für mich, da sind 25 Frauen. Fünf davon machen was und die anderen sitzen nur rum.“ (Irmgard) 30

Design principle >> Finden neuer Aktivitäten und Tätigkeitsfelder (Kompetenz, Anerkennungen) >> Bereitschaft zu ehrenamtlichen Engagement unterstützen >> Bereitschaft zu nachbarschaftlichen Tätigkeiten unterstützen z.B. Einsatz sozialen Engagements von zuhause aus (Unicef, AI) Nachbarschaftshilfen (soz. Unterstützung geben)

6. Wunschaktivitäten Jeder hat Wünsche. Manche sind utopisch und nicht erreichbar. Manche sind ganz nah und einfach zu erfüllen. Doch manchmal sind es auch die kleinen Wünsche, die sich plötzlich der Utopie annähern können.

„Ich habe da hinten einen so schönen Spazierweg an der Ruhr. Das wär´ was, nur noch einmal entlang der Ruhr spazieren zu gehen. Aber ich geh ja nicht raus.“ (Gerlinde) „Hatte mal vor ein Buch zu schreiben, aber heute packe ich das nicht mehr.“ (Gerlinde) „Was ich machen würde, wenn ich könnte, dann würde ich gerne etwas Ehrenamt-

liches machen (Stimme hat sich gehoben). Wenn ich das machen könnte, dann wäre ich noch unterwegs. Das würde ich noch machen. Egal was, Hauptsache beschäftigt. Essen austeilen, Leute ausführen, vorlesen. Egal. Aber leider geht das ja nicht. Nur weil ich nicht laufen kann. Das regt mich dann innerlich auf, weil ich das nicht mehr kann. Das, dass nicht mehr geht, das macht mich wütend.“ (Josephine) „Wenn ich das könnte, würde ich das machen wollen. Noch etwas Nettes zu sehen, das wäre sehr schön. Ich bin ja früher nicht viel rumgekommen. Ich war nur 6 Mal in meinem Leben im Urlaub.“ (Josephine) „Möglichst lange da bleiben. Was ich gerne nochmal machen würde, ist eine Wanderreise. Aber alleine ist natürlich auch ein wenig blöd. Es ist zu riskant.“ (Friedrich)


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Soziale Beziehungen A. Pflege und Aufrechterhalten von Kontakten 7. Das Telefon Für die Älteren stellt das Telefon das wichtigste Kommunikationsmedium dar, das ihnen dabei hilft mit anderen in Kontakt zu bleiben. Es hilft ihnen Kontakte zu pflegen und aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus hilft es ihnen auch über Einsamkeit und Langeweile hinweg.

„Das Telefon ist alles für mich.“ (Gerlinde)

Das Telefon steht neben dem Sessel. „Man kann ja auch nicht immer warten bis jemand anruft.“ (Josephine) Das Telefon steht neben dem Sessel. „Man kann ja auch nicht immer warten bis jemand anruft.“ (Josephine) Probleme • Tastengröße > Kurzwahlen

„Schöner ist natürlich persönlicher Kontakt. Aber das Telefon kann

• Vorwahlen von Mobilnummern > Preise nicht transparent

ja schon vieles ersetzen. Wobei ich da den Vorteil gegenüber E-

• Zu teuer oder alte Preise noch im Kopf und deshalb telefoniert

Mails sehe, da haben sie wenigstens die Stimme. Und Bildtelefon ist

man nur kurz.

Stelle sind, wenn man Unterstützung benötigt.

„Er guckt jeden Sonntag, was Muttern macht.“ (Josephine)

„Familie, aber auch die Leute in meiner Umgebung sind mir wichtig.“ (Frieda) „Meine Nachbarin hat mir sehr geholfen. Nach dem Tod von Papi. Sie hat mich mit Essen versorgt, als es mir schlecht ging. Dafür sind ja Nachbarn da. Die Verwandten haben ja immer einen Anfahrtsweg.“ (Frieda)

leider zu teuer. Und der andere muss es ja auch haben.“ Insights

„Lebst´e auch noch? Kannste ja selber anrufen! (Frieda) „Das ist es. Man vergisst´s so schnell, gell? Da denkste, ach den kannste mal wieder anrufen. Und dann kommt was dazwischen und dann ischt´s schon wieder weg. Man muss Sachen sofort machen. Das muss du gleich machen..“ (Frieda) 32

Design principle

Design principle

>> Das Telefon könnte motivationaler gestaltet sein. Es könnte ei-

>> Unterstützen bei der Pflege und Aufrechterhaltung der

nen motivieren jemanden anzurufen, mit dem man schon länger nicht telefoniert hat, indem die Kontakthäufigkeit visualisiert wird.

Kontakte, die einem wichtig sind. >> Aufrechterhaltung und Pflege von Kontakten, die weiter entfernt wohnen.

8. Familie, Freunde und Nachbarn Familie und Freunde sind für jeden sehr wichtig. Mit zunehmendem Alter werden sie besonders wichtig, weil sie die größte emotionale und auch instrumentale Unterstützung geben können. Leute aus der Nachbarschaft sind aber genauso wichtig, denn gerade wenn Familie und Freunde entfernt leben, dann sind sie es, die sofort zur


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9. Soziale Unterstützung

10. Distanzen

Um im Alter alleine zurechtzukommen ist ein Netz aus Leuten, die

Familie, Freunde und Bekannte leben nicht immer am gleichen

einen emotional als auch instrumentell unterstützen, unabding-

Ort. Manchmal ist man viele Kilometer voneinander getrennt.

bar. Ohne Hilfe von außen ist es schwer im Alter alleine zu recht zu kommen. Wenn man keinen hat, dann können schon die kleinsten Dinge zu einem großen Problem werden.

„Und dann habe ich noch in der Wiesenstraße ein nettes Ehepaar. Da muss ich mich unbedingt mal wieder melden. Der Mann hilft mir immer.“ (Maria) „Wenn ich Hilfe brauche, dann habe ich immer jemanden. Vor allem habe ich ein Ehepaar, das ich schon öfter hier zum Frühstück eingeladen habe oder zum Essen. Ich brauche nur anrufen, dann helfen sie mir immer. Neulich hat er mir meinen Wasserhahn gemacht.“ (Maria)

„Ich habe ja auch eine Tochter in Oberösterreich, aber dahin dauert es 10 Stunden. Ne, das ist mir zu viel. Dazu habe ich keine Lust zu. Das schaffe ich nicht.“ (Irmgard) (Verminderter Aktionsradius).

„Wir können nicht so oft kommen, weil wir soweit weg sind.“ (ihre Kinder) Design principle >> Es gilt Werkzeuge zu schaffen, welche Distanzen überbrücken und erlauben, ein Miteinander und zusammensein zu erleben.

„Die Gelegenheit dahin zu fahren ist nicht. Ich kann nicht dahin fahren. Ich würde gerne. Aber es geht nicht.“ (Maria) „Und bestehen heute noch Kontakte? Aber die sind ja auch alle gebrechlich heute. Und die haben auch alle noch Autos und dann trifft man sich nicht. Und sowieso nachher mit der Zeit lässt so was alles nach.“ (Josephine)

11. Andere besuchen. Andere empfangen.

Design principle

Das Problem ist für manche, dass ein Kaffeekränzchen mit Vor-

>> Wie können Distanzen überbrückt werden?

Design principle

bereitungen verbunden ist, die zu anstrengend sind. Aus diesem

>> Wie können Reisen (Zug, Bus, Flugzeug) erleichtert werden?

>> Werkzeuge schaffen, die die Interaktionen mit Nachbarn

Grunde wird dann gar nicht erst eine Einladung ausgesprochen.

>> Wie kann das Besuchen/ Empfangen erleichtert werden?

fördern und verstärken. Auch die Dunkelheit im Winter hält einen davon ab, andere zu besuchen. 34

„Man will es ja auch so schön machen. Da ist ja für manches zu sorgen. Tisch decken, Getränke besorgen. Da kommt manches dazu. Ein bisschen Aufregung ist es schon. Das man ja auch alles schön macht.“ (Maria)


35


B. Neue Kontakte finden Kommunikationsbarrieren Zwischen den älteren Leuten herrschen viele Kommunikationsbarrieren, die teilweise sehr überraschten.

1. Meiden von „Gleichaltrigen“ So meiden einige die Orte, wo sich nur ältere Menschen aufhalten. Man wünscht sich Kontakt zu jüngeren Menschen.

„Bei einer Verabredung zum Nachmittagskaffee sagte seine Bekannte: Ne, da sind nur alte Leute im hauseigenen Café. Da will ich nicht hin zum Kaffeetrinken.“ (Friedrich) 2. Gesprächsthemen anderer. Auch unterhalb der älteren Leute geht man sich aus dem Weg bzw. meidet man sich, wenn man ständig nur etwas über Krank-

„Ich habe mal jemand getroffen, der hat mir einen Rat gegeben: Setzen sie sich nie neben alte Weiber, die reden nur von ihren Krankheiten, setzen sie sich neben alte Kerle, die fragen immer nur, wie lange muss du denn noch? Krankheiten und dieses zurückdrehen, das mag ich nicht. Da habe ich wirklich Barrieren. Immer nur damals waren wir und so.“ (Friedrich) „Ach, die machen ja viel. Aber die Gruppen, die mag ich nicht. Ich mag das Getratsche nicht gerne „ Ach hast du die gesehen? Oder:„Schau, was die heute wieder an hat!“ Ne dazu habe ich keine Lust. Das geht nicht. Wir klatschen alle einmal, aber dass sind dann welche die tratschen auf der untersten Stufe. Aber da habe ich kein Spaß dran.“ (Irmgard)

Jetzt habe ich nur noch eine gute Freundin.“ (Maria)

„Alle meine Freundinnen sind schon tot. Und neue Kontakte aufbauen, fällt im Alter schwer. Jetzt habe ich nur noch meine Kindern.“ (Gerlinde) „Wenn jetzt hier ein paar Männer wären, mit denen ich Kontakt aufnehmen könnte, das würde ich schon gerne machen. Aber es gibt ja so wenige. Ein paar sind verheiratet, die haben also Beschäftigung genug. Manche sind gesundheitlich so runter, dass gar nichts mehr möglich ist.“ (Friedrich) 4. Verhalten anderer. Ein großes Problem für viele ist es, in bestehende Gruppen hinein zu kommen und sich unter ihnen auch wohl zu fühlen.

heiten erzählt bekommt. Die meisten finden das sehr schlimm und fühlen sich teilweise dadurch auch stark belastet, denn schließlich

3. Fehlen von Gleichgesinnten

ist im Alter das Risiko weitaus höher selbst zu erkranken. Aber

Das soziale Netz wird im Alter kleiner. Freunde sterben. Neue

auch Tratsch und Gerede hält viele davon ab, sich einer neuen

Kontakte aufzubauen fällt einem nicht mehr so einfach.

Gruppe anzuschließen.

36

„Meine beste Freundin ist leider schon tot.

„Sie können nicht einfach wen jemand mitbringen! Und seitdem wurde ich da (in der Skatrunde) auch nicht mehr gesehen.“ (Friedrich)


37


Wohlbefinden Menschen erleben Wohlbefinden als Freude und Glück, ‘gute Lau-

Wenn etwas gelingt. Wenn man etwas geschafft hat.

Schöne Erinnerungen an die Vergangenheit. Erinnerungs-

ne’ und positive Stimmung, als Ausgeglichenheit und Zufriedenheit

„…und dann fängt das Plätzchen backen an, das macht mir auch

freuden.

mit sich selbst sowie als ‘innere Stärke’ gegenüber Belastungen

immer ganz viel Freude.“

„Vergangene Familienereignisse.“

(vgl. Renate Frank).

„Ich war gestern bei meiner Tochter, sie hatte Geburtstag. Und ich

„Meine glückliche Kindheit.“

war so glücklich, dass ich ihr helfen konnte und alles so gut gelau-

„Was Namen betrifft, da habe ich manchmal Probleme mit. Dann

Wie kann man älteren Menschen nun zu einem höheren Wohl-

fen ist. Es ist nichts hingefallen und es ist nichts kaputt gegangen.“

hocke ich solange daran bis es mir wieder einfällt. Nachts werde ich

befinden durch Verbesserung und Förderung der sozialen Interak-

(Maria)

zum Beispiel plötzlich wach und denk jetzt hab ich´s. Da hat sich das

tion verhelfen? Um diese Frage beantworten zu können, galt es

„Ich gehe aber noch raus. Ich habe letztens auf die Uhr geschaut.

so festgesetzt im Gehirn und solange rotiert bis es einem wieder

zunächst einmal herauszufinden, welche sozialen Interaktionen

Eine Stunde schaffe ich.“

einfällt. Da bin ich dann sehr froh.“

Das tun zu können, was man gerne macht.

Vorfreude. Ein Ziel / Herausforderung/ Vorhaben zu haben.

Aus den Gesprächen mit ihnen haben ich viele Antworten auf Fra-

„Wenn ich malen kann, dann bin ich immer ganz glücklich.“

„Alle 14 Tage spielen wir Karten. Darauf freue ich mich besonders.

gen erhalten wie: Was sind besondere Glücksmomente für Sie?

„Freuen tu ich mich schon, wenn ich Zeit hab zu Malen. Malen tu

Wir unterhalten uns dabei auch ganz viel. Das macht Spaß.“

Was erheitert Sie? Wann fühlen Sie sich wohl?

ich ja schon gern.“ (Frieda)

„Wenn ich Besuch bekäme von einer Freundin.“

speziell bei ihnen ein Gefühl von positiven Wohlbefinden auslösen.

Zusätzlich bekamen die Teilnehmer eine Einwegkamera und wurden aufgefordert, alles zu fotografieren, was ihnen Freude bereitet,

„Im Garten zu arbeiten. Da kann ich mich ganz vergessen.“ (Frie-

„Auf den gemeinsamen Sommerurlaub mit meinen Kindern.“

da)

was sie Glück und Zufriedenheit empfinden lässt. Anderen Menschen helfen zu können. Und sich dadurch geHier eine Zusammenfassung der Antworten:

braucht fühlen.

Mit Menschen zusammen sein. Sich mit anderen verbunden

„Und vor allem macht es mir Freude, dem anderen zu helfen und

Im Wesentlichen sind es folgende drei Dinge, die ein positives

fühlen.

ihm beizustehen.

Wohlbefinden erleben lassen:

„Meine Kinder.“

Die Kinder sind ne Wucht. Die sind klasse. Die erzählen immer ganz

„Das ist immer eine große Freude für mich. Wir sechs sind auf einer

viel und fragen ganz viele Sachen. Und Bilder gucken ist natürlich

1. Mit anderen Menschen zusammen sein, sich verbunden wissen,

Höhe. Es ist immer schön.“

immer ganz wichtig. Richtig toll ist das.“

sich dazugehörig fühlen und dies auch immer wieder erfahren.

„Der Umgang mit den Kita-Kindern. Das erheitert mich unwahr-

Kindergärtnerinnen entlasten.

2. Für andere da sein und ihnen helfen können.

scheinlich. Da bin ich immer den ganzen Tag glücklich, wenn ich da gewesen bin.“

3. Das Erleben der eigenen Wirksamkeit, das einem SelbstbewusstEtwas bekommen.

sein und Anerkennung schenkt.

„Wenn ich hier und da was angeboten bekomme, dann freue ich Wenn etwas gelingt. Wenn man etwas geschafft hat. „…und dann fängt das Plätzchen backen an, das macht mir auch immer ganz viel Freude.“ 38

mich immer sehr.“ (Maria)

Diese Punkte sollen bei der Gestaltung der sozialen Interaktion berücksichtigt werden.


Kameraaufnahmen der Teilnehmer: Die Motive erzeugen Freude und Gl端cksempfinden bei ihnen. 39


Bedürfnisanalyse Um die Bedürfnisse älterer Leute besser kennen zu lernen und zu

Aus den davor stattgefundenen Gesprächen wusste ich bereits,

verstehen, wurde eine Bedürfnisanalyse durchgeführt. Dazu wurde

welche Bedürfnisse eher sehr sensible Themen darstellen würden

ein Interviewleitfaden zu einer Auswahl von Bedürfnissen, die im

und lieber nicht behandelt werden sollten. Nur einer meiner Teil-

Interview behandelt werden sollen (Literatur: Reiss, Sheldon und

nehmer konnte sich sehr gut selbst reflektieren

Deci & Ryan) in Zusammenarbeit mit Sarah Diefenbach entwickelt

Er konnte sehr gut seine Gefühle und Bedürfnisse darstellen

(siehe ergänzende Dokumente).

und die Situationen schildern, in denen er diese oder jene Befriedi-

Es galt vor allem herauszufinden, in welchen Situationen ältere

gung nicht erlebt.

Menschen bestimmte Bedürfnisse verspüren, was sie unternehmen,

Schlussendlich konnte ich die Bedürfnisanalyse nur bei drei Teilneh-

um das jeweilige Bedürfnis zu erfüllen und was sie daran hindert.

mern einsetzen. Aber dank der vielen Zeit, welche ich mit meinen

Ziel war es herauszufinden, welche Funktionen und Interaktionsei-

Teilnehmern verbringen konnte und die vielen intensiven

genschaften vorhanden sein müssen, um ein bestimmtes Bedürfnis

40

befriedigen zu können.

Gesprächen, ich mit ihnen geführt habe, konnte ich viele Bedürf-

Um den Einstieg in die Interviews zu erleichtern und den Leuten

nisse bzw. Bedürfnismängel identifizieren. Es zeigte sich, dass die

die eher abstrakten Bedürfnisse und Gefühle vorstellbar zu machen

Diskrepanz zwischen erfüllten und nicht befriedigten Bedürfnissen

und schneller näher zu bringen, wurden Bedürfniskarten gestaltet,

teilweise sehr hoch war. Bedürfnisse werden nicht wirklich ausrei-

welche die verschiedenen Bedürfnisse in ihren unterschiedlichen Di-

chend befriedigt, so z.B. das Bedürfnis nach Verbundenheit, das

mensionen visualisierten.

durch die oft „verspürte Einsamkeit in den Abendstunden“ zum

Schon bei dem ersten Interview zeigte sich, dass es für die ältere

Ausdruck kam oder das fehlende Erleben seiner eigenen Kom-

Person nicht so einfach war, sich mit ihren Bedürfnisse und Gefüh-

petenz, da man durch die zunehmenden körperlichen Einschrän-

len auseinanderzusetzen und so direkt darüber zu sprechen.

kungen in bestimmten Situationen von anderen abhängig wird.


Verbundenheit Autonomie

Stimulation

Einsamkeit

Selbstständigkeit

Neugier

Verbundenheit

Stimulation

Nähe

Spaß Bedürfniskarten 41


Ergebnisse 1. Autonomie Der Wunsch, möglichst lange selbständig im eigenen Haus bzw. in der Wohnung leben / bleiben zu können, wurde in den Gesprächen von allen Teilnehmern bestätigt.

„Ich bin froh abends im eigenen Bett zu liegen. Du kannst machen was du willst. Du musst nicht da und dorthin. Das ist mir wichtig.“ (Josephine)

Das Streben nach Selbstständigkeit und Unabhängigkeit ist bei manchen so stark, dass sie sogar Situationen meiden, die sie nicht mehr kontrollieren können oder in denen sie eine körperliche Schwäche offenbaren müssten. Es zeigte sich eine Angst davor nicht mehr alleine leben zu dürfen, wüssten Familienangehörige darum. So verschwieg eine der Teilnehmerin ihrer Familie, dass sie kaum noch etwas sieht und sie deswegen schon öfters gefallen war. Aber sie behält es für sich, da ihre Angst vor einer Unterbringung in

„Ich verlass mich auf mich selbst.“ (Josephine) „Ich möchte unabhängig sein. Nicht auf andere hören müssen. Ich möchte selbst Entscheidungen treffen. Ich möchte entscheiden, was ich esse und wann ich esse. Ich möchte immer selbst entscheiden können, was ich tue.“ (Josephine)

einem Altersheim zu groß ist.

„Ich will noch nicht ins Altenheim. Ich habe keine Angst vor dem Altenheim. Aber ein Altenheim kann noch so schön sein, es ersetzt niemals das Zuhause.“ (Maria) „Meine Freiheit möchte ich haben, das ist mir wichtig. Ich möchte tun was ich will, das ist mir sehr wichtig. Und ich lass mir nichts aufzwingen.“ (Frieda) 42

2. Kompetenz Das Erleben der eigenen Wirksamkeit ist wichtig. Doch mit zunehmendem Alter wird es immer schwieriger die eigenen Kompetenzen aufrechtzuerhalten. Kompetenz versus Komfort Es war zu beobachten, dass einige versuchen, ihre Fähigkeiten zu bewahren und darum kämpfen, diese so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. So stellte eine der Teilnehmerin ihre Wasserfla-


43


schen stets in den Keller und nicht in die Küche. Durch das Hinaufund Hinabgehen der Treppen, obwohl dieses ihr bereits schwer fällt, möchte sie sich beweglich halten, um länger mobil zu bleiben.

Hier stellte sich für mich folgende Frage: Warum lasse ich die Rollladen automatisch runter, wenn ich es auch noch selbst tun kann? - Aus Bequemlichkeit. Aber ist es gut, dass wir alles mit einem Knopfdruck steuern können? – Nein. „Das ist auch so eine wie ich, meine Nachbarin, die nicht ihre Hände in den Schoss legt und sagt macht´s mal alles.“ (Maria) „Ich freue mich, dass ich noch so viel selbst machen kann. Bevor ich jemanden anrufe, überlege ich erst immer zweimal, mmh, kann ich das vielleicht doch selbst.“ (Josephine)

„Das Verarbeiten dauert, das dauert! Wenn ich heute in einen Baumarkt gehe, dann überlege ich immer, was ich brauche. Bis ich dann ein Stück weitergehe und denke, du Kamel, du brauchst gar nichts mehr.“

rer greifen. Andere jedoch rufen in solchen Momenten ihre Kinder

„Ich sehe nicht, was ich getan habe, aber ich spüre es.“ (Friedrich)

„Viel Einsamkeit gibt es im Alter. Aber bei mir ist das so, man kann nicht warten bis anderekommen, man muss immer wieder auf den anderen zugehen. Man muss selbst arbeiten.“ (Frieda)

Design principle Bestehende Kompetenzfelder müssen „geschützt“ werden, um die Selbstständigkeit sowie die Selbstverantwortung erhalten zu können. Deshalb sollte nur ein Maß an Komfort zugelassen werden. (Gerade die zukünftigen Generationen werden damit Probleme bekommen, denn sie benutzen Geist und Körper nicht mehr so, wie es in vorherigen Generationen der Fall war. Sie besitzen Taschenrechner, Computer, Navigationsgeräte.) Neue Möglichkeiten aufzeigen, um verlorene Kompetenzen zu kompensieren. ( Kompensationsstrategie: Buch > Hörbuch)

„Alles was ich selber machen kann, selber machen! (Friedrich) 3. Verbundenheit

44

Kompensieren

Das Gefühl der Nähe und der Verbundenheit zu spüren ist sehr

Bei einem Verlust von Kompetenzen und den damit verbundenen

wichtig. Fast immer ist es die Familie oder sind es die Freunde, die

Verlust von Aktivitäten ist es wichtig, diese zu kompensiere. Aller-

einem dieses Gefühl schenken. Doch das Bedürfnis kann nicht im-

dings schaffen das nicht alle, denn es ist ein schwieriger Prozess,

mer ausreichend befriedigt werden. Gerade in den Abendstunden,

auf einmal zu erkennen, dass man nicht mehr in der Lage ist, alles

wenn man alleine vor dem Fernseher sitzt oder am Wochenende,

selbst zu bewältigen. Hat man dies jedoch geschafft zu akzeptieren,

wenn der Wochenalltag nicht die langen Stunden vergehen lässt,

können neue Kompetenzen erlernt oder alte Ressourcen aktiviert

dann fühlen sich einige besonders einsam. Manche kommen damit

werden.

klar und wissen sich selbst zu helfen, indem sie zum Telefonhö-

oder ihre Freunde nicht an, weil sie glauben sich aufzudrängen, wenn sie ohne einen Grund anrufen. Sie haben nichts Besonderes zu erzählen, möchten nur die Stimmen hören und die Nähe spüren. Aber statt anzurufen, schalten sie dann den Fernseher ein.

„Das Telefon ist alles für mich.“ (Gerlinde) „Ich sag mal so, ich kann sehr gut alleine sein. Stundenlang, wenn´s sein muss auch tagelang, aber ich brauche immer das Bewusstsein, da ist noch wer, der froh ist, wenn du da bist.“ (Friedrich) „Ich vermisse manchmal eine gesellige Runde.“ (Irmgard) Meinen Sohn anzurufen, fällt mir sehr, sehr schwer. Ich denke immer daran, dass ich auch mal jung war. (Irmgard) Er schimpft ja auch immer, „Mutter wofür hast du denn ein Telefon?“ Aber die Überwindung, wissen Sie! Ich denke immer, ich falle ihm zu Last. Ich kann ihm ja nichts geben.“ (Josephine)


45


Soziale Interaktionen - Motive und Barrieren

Persönliche Motive..

Äußere Anreize.. Spaß haben.

Nicht alleine sein.

+

Andere Menschen.

Zeitvertreib.

Soziale Einrichtungen.

Geselligkeit.

Werbung.

Sich verbunden fühlen.

Dienstleistungsangebot.

Sich ablenken.

Plakate.

Zufälle.

Aktivitätsverlust.

Antipathie.

Schwache Ressourcen. Angst vor Stürzen. Keine Offenbarung seiner Schwächen. Körperliche Beeinträchtigungen.

Kontrolle anderer. Haustier.

Persönliche Barrieren. 46

Ablehnendes Gruppenverhalten.

Fehlende Angebote.

Krankheiten anderer.

Angst vor Autonomieverlust. Gedächtnisstörungen.

Gruppenauflösung.

Verkehrsanbindung.

Äußere Barrieren.


Resümee Abgeleitet aus der Auswertung entstand folgende Liste, welche für die Gestaltung einer sozialen Interaktion zentrale Fragen aufführt. Wie kann der Wohnraum in einen besseren sozialen Raum verwandelt werden? Wie können „Interaktions- und Kommunikationskanäle“ verbessert/ erhöht werden? Wie kann das soziale Leben von draußen auch daheim erfahrbar gemacht werden? Wie kann ich von zuhause aus am sozialen Leben teilnehmen? Wie kann die Alltagsmonotonie durchbrochen werden? Welche Aktivitätspotentiale gibt es? Wo können ihre Fähigkeiten eingesetzt werden? Wie kann man Geben und Nehmen wieder ins Gleichgewicht bringen? Was kann man tun, damit sie nicht das Gefühl haben anderen zur Last zu fallen? Wie kann der soziale Austausch erhöht werden? Wie können Kontakte aufrechterhalten und gepflegt werden? Wie können Distanzen/ räumliche Entfernung überbrückt werden? Wie können neue Kontakte/ Beziehungen entstehen? 47


Das ausgewählte Problem Jeder hat das Bedürfnis, das Gefühl von Nähe und Verbundenheit

man möchte die Privatsphäre respektieren, schließlich war man

zu spüren, sich bedacht und dazugehörig zu fühlen. Für viele Ältere

selbst mal jung und weiß, wie das war. Oder man ruft nicht an,

ist das Telefon oft das einzige Kommunikationsmittel, das ihnen da-

weil es keinen Anlass gibt, man nichts Neues zu erzählen hat. Und

bei hilft, dieses Bedürfnis zu befriedigen, gerade wenn die eigenen

einfach so anzurufen empfinden sie als Aufdrängen.

Kinder und Freunde nicht in der Nähe wohnen und ein persönlicher

Es ist schlimm, dass einige Hemmungen davor haben, ihre Kinder

Besuch eher selten ist. Manchmal jedoch greifen sie zum Hörer und

anzurufen und dies gar für manche enorme Überwindung kostet.

lassen dann doch davon ab, eines ihrer Kinder anzurufen oder die

Fakt ist, dass viele sich wünschen öfters die Nähe ihrer Kinder zu

Freundin, obwohl sie gerne in diesem Moment die Nähe des ande-

spüren oder sich mich ihren Freunden verbunden zu fühlen. Viel

ren spüren möchten. Warum?

öfter, als dass man in der Lage wäre, ohne den anderen dadurch zu nerven oder ihm zur Last zu fallen.

Eine Teilnehmerin sagte: Meinen anzurufen, Sohn anzurufen, fällt mir mir sehr, sehr schwer. Ich denke immer „Meinen Sohn fällt sehr, sehr schwer. Ich denke immer daran, dass ich auch mal jung war.“ (Irmgard) Und eine weitere erzählte:

Er schimpft ja auch immer, „Mutter wofür hast du denn ein Telefon?“ Aber die Überwindung, wissen Sie! Ich Er schimpft auch immer, wofür hast denn einihm Telefon?“ denke immer, ich jafalle ihm „Mutter zu Last. Ichdukann ja Aber die Überwindung, wissen Sie! Ich denke immer, ich falle ihm zu (Josephine) nichts geben.“

48

Hier zeigt sich deutlich die Schwäche des Telefons, denn es erlaubt nur einen direkten Kontakt, der oftmals als aufdringlich und störend empfunden wird. Hier liegt die Chance, ein Kommunikationskanal bzw. –medium zu gestalten, dass… … weniger direkt ist. … die Kontaktaufnahme erleichtert, vielleicht sogar provoziert.

Last. Ich kann ihm ja nichts geben.“

… einen „leichten“ und ungezwungen Kontakt erlaubt,

Sie möchten sich ihrer Familie nicht aufdrängen. Sie möchten nicht

… welcher vielleicht sogar Spaß macht und

stören und da sie nicht wissen, ob sie gerade stören, rufen sie erst

... mehr Zeit miteinander verbringen lässt.

gar nicht an. Man weiß, dass sie ihr eigenes Leben haben und

… sowie den Tagesablauf und die Routinen des anderen nicht stört.


49


Beobachtung Sie sitzen alleine am Tisch. Wenn sie fr체hst체cken. Wenn sie zu Mittag essen. Und auch beim Abendbrot. Manchmal sitzen sie dort mit einer Tasse Kaffee. Manchmal mit einer Zeitung in der Hand. Oder es l채uft Musik im Hintergrund. Oftmals tun sie diese Dinge ganz alleine. Einsam. Nicht jeden Tag, aber an vielen Tagen. An zu vielen Tagen. Sitzen sie alleine am Tisch.

50


51


Tochter Vater

Konzeptideen Konzeptidee ist die Gestaltung eines neuen Kommunikationserlebnisses rund um die Tischsituation, welches Familie und Freunde

Die Tischdecke, die eine „ambient“ Kommunikation in Form des

einander näher zusammen bringen soll und ihnen erlaubt mehr

Spuren Hinterlassens beim Anderen, als auch eine direkte Kommu-

Zeit miteinander zu verbringen. Die Tischsituation bietet eine gute

nikation dank eines integrierten Sprachmoduls erlaubt, soll als Zei-

Grundlage für Kommunikationsmöglichkeiten, da sie einen sozialen

chen besonderer Verbundenheit für zwei Personen gestaltet wer-

Raum beschreibt, der in jedem Haushalt gegeben ist und mehrmals

den. Sie erlaubt, die Präsenz des anderen zu spüren, in Form der

am Tag aufgesucht wird. Die Wahrscheinlichkeit erhöhter Kontakt-

Spuren, welche bei den Mahlzeiten durch Hinterlassen von Tellern,

aufnahme ist somit schon von Grund auf gegeben.

Tassen, Besteck, etc. entstehen.

Ziele

52

1. Interaktive Tischdecke

>> Kreieren eines gemeinsamen Erlebnisses

>> Durch Schaffen neuer Kommunikationskanäle

>> Verbundenheitsgefühl stärken

>> Tischatmosphäre positiv verändern


Mikro Lautsprecher

Projektion Licht: Verfügbar.

2. Gucklochvase

3. Leuchte mit Projektor

Auswahl

Die Vase, hier in der Gestalt einer Analogie an einen Nistkasten,

Die Leuchte gibt nicht nur Licht ab, sondern projiziert die Tischflä-

Von den Konzepten erschien das Leuchten-Projektor - System das

ist ein typisches Tischobjekt, eigentlich für Blumensträuße. Doch

che des anderen auf den eigenen Tisch. Man kann also in den Topf

größte Potential zu besitzen, um neue Erlebnisse am Esstisch ent-

hier ist es mit einem Deckelchen versehen, dass aufleuchtet sobald

des anderen gucken und schauen, was es bei ihm Leckeres gibt.

stehen zu lassen. Während alle durch einen offenen Audiokanal

der andere sein Guckloch geöffnet hat. Dann kann man nämlich

Trifft man sich zufällig am Tisch, so ermöglicht ein offener Audio-

eine direkte Kommunikation zulassen, so unterscheiden sich die

zuschauen, was der andere in seinem „Nest“ so treibt. Sind beide

kanal, dass man miteinander reden kann während man vielleicht

Konzepte hinsichtlich ihrer visuellen Kommunikation.

Gucklöcher offen, so wird ein offener auditiver Kanal hergestellt,

zusammen isst, plaudert und gemeinsam Spiel spielt.

Während diese bei den ersten beiden Konzepten eher passiver und

der einem erlaubt miteinander zu sprechen.

indirekter ausfallen, erlaubt der visuelle Austausch beim dritten Konzept einen größeren explorativen Raum für neue Interaktionsgestaltungen an, welche für das Kreieren eines neuen Kommunikationserlebnisses mehr Möglichkeiten bietet. Aus diesem Grund und aufgrund der Anlehnung an die archaische Feuerstelle durch die Leuchte fiel die Entscheidung auf das dritte Konzept.

53


54


Experience Prototyping

55


Experience Prototyping Ein offener, audiovisueller Kommunikationskanal. Was für ein Erlebnis kann dieser erzeugen? Welche Gefühle werden bei den Personen hervorgerufen? Welche Interaktionen werden durch ihn am Tisch gefördert oder sogar blockiert? Um zu erfahren und besser verstehen zu können, wie ein solcher audiovisueller Kommunikationskanal die Interaktionen am Tisch zwischen Personen, die sich an unterschiedlichen Orten befinden, beeinflusst, wurde dieser in einer Installation prototypisch umgesetzt.

Laptop (Toshiba) Richtmikrofon (Vivanco EM 196) Software Skype 4 Der offene Kanal wurde in verschiedenen Tisch-Kontexten erprobt, wobei diese teilweise vorgeben waren (z.B. Ess- oder Spielsituationen). Nicht vorgeben waren jedoch die Interaktionen, denn schließlich galt es herauszufinden, was die Nutzer mit einem solchen System anstellen, wie sie es für sich nutzen und wie es sich in seinen Funktionen in der Anwendung anfühlt.

Die Installation bestand aus zwei identischen Setups. In zwei verschiedenen Haushalten wurden jeweils eine Webkamera und ein Projektor sowie ein Lautsprecher und ein Mikrofon über die Tisch-

Darüber hinaus sollte untersucht werden, inwieweit folgende Hypothesen zutreffen:

fläche montiert. Die Hardware war jeweils mit einem Laptop mit Internetzugang verbunden. Via Skype wurde dann eine Videokonferenz geschalten, der die beiden Haushalte bzw. die beiden Tischflächen miteinander verband.

Ein audiovisueller Kanal über dem Tisch positioniert … … erleichtert mit anderen in Kontakt zu treten … provoziert zufällige Begegnungen … schafft neue Kontaktanlässe, durch die vielfältigen Aktivitäten,

Hardware (technische Informationen) Projektor (Aiptek PocketCinema T20) Webkamera mit integriertem Lautsprecher (Hercules Classic) 56

welche rund um den Tisch stattfinden. … ermöglicht mehr gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen … stärkt das Gefühl von Verbundenheit und Zugehörigkeit


1 2

3

4

3

4 1 2

1

Richtmikrofon

2

Lautsprecher

3

Webkamera

4

Projektor

57


Reaktionen und Eindrücke

„Ich muss jetzt mal was fragen: Hat das etwas mit Okkultismus zu tun?“

58


Lautsprecher

Mikrofon

Die Kamera bei der Tochter installiert.

Leuchtring

Und den Beamer bei der Mutter.

59


Zudem wurden Interaktionen entdeckt, die ohne das Erleben von

findet. Im ersten Moment ein seltsamen Gefühl, dass sich jedoch

vertrauten, alltäglichen Aktivitäten in der neuen Atmosphäre, wel-

direkt in Freude verwandelt, darüber sich auf einmal so nah sein

che durch den offenen Kanal am Tisch erzeugt wird, niemals in die

zu können.

spätere Gestaltung mit aufgenommen worden. Eine weitere Reaktion seitens der Älteren war auch, dass sie sich Zu Beginn des Prototypings gab es ein paar technischen Heraus-

darüber freuten, dass das System einen gleichberechtigten Aus-

forderungen wie zum Beispiel, die Installation der Projektoren, die

tausch ermöglicht, „Ich kann genau das gleiche, was der andere

nur in Verbindung mit einem bestimmten Betriebssystem funktio-

auch kann. Er legt etwas drunter, ich lege etwas darunter.

nierten (Vista), das Fehlen einer stabilen Internetverbindung oder

Ganz einfach und ganz natürlich in der Interaktion.

überhaupt eine Internetverbindung zu haben, welche ja bei den älteren Leute nicht vorhanden ist, und aufgrund dessen die Nach-

Auch der auditive Teil des Systems wurde überraschend gut ange-

barn gefragt werden mussten, ob man sich kurz ihr W-LAN “auslei-

nommen, im Vergleich zu dem visuellen jedoch ein wenig zöger-

hen“ dürfte oder die visuelle Rückkopplung, welche bei den Projek-

licher. Dadurch das der Lichtkegel der Leuchte den Aufnahmebe-

tionen auftrat (siehe Punkt: Technische Herausforderungen).

reich visualisierte, wusste man, wo der andere einen hören kann und in welchem Bereich des Tisches nicht mehr. Das gab einen Kon-

Die Probleme konnten jedoch relativ rasch behoben werden, so

trolle und Sicherheit. Jedoch wurde kritisiert, dass das Licht bzw.

dass ein erster Eindruck des neuen Kommunikationskanals ge-

der Lichtkreis permanent leuchten würden, vor allem bei Tageslicht,

wonnen werden konnte. Dieser Eindruck war für alle beteiligten

wenn man ja eigentlich kein Licht braucht. Einige fanden den Licht

„Nutzern“ durchaus positiv. Selbst jene die am Anfang zweifelten,

kreis auch nervend. Hier ist eine andere Lösung zu finden.

wurde irgendwann von einer Spiellust gepackt und legten nicht nur Gegenstände im Austausch mit der anderen Seite auf den Tisch,

Zwei der Teilnehmer sagten, dass der Lichtkreis zu Beginn vielleicht

sondern hielten manchmal gleich ihren Kopf unter die Kamera.

ganz nützlich wäre, um zu erfahren, in welchem Bereich das Richt-

Die Befürchtung, dass die Projektionsdarstellung für die älteren

mikrofon funktioniert und wo die Grenze liegt. Doch eigentlich

„Manche Dinge glaubt man erst, wenn man sie selber erlebt hat.“

Leute schwer zu begreifen und zu befremdend wirken könnte,

lerne man ja nach einer kurzen Zeit, in der das Leuchtensystems be-

wurde gleich genommmen?

nutzt wird, in welchem Bereich der andere einen noch hören kann.

Die beiden älteren Damen mit denen ich Teile des Experience

Daher der Vorschlag, dass man die Grenzen selber austestet als eine

Es stellte sich heraus, dass das Experience Prototyping des audiovi-

Prototypings ausprobiert habe, hatten keine großen Probleme die

Art gemeinsame Erfahrung.

suellen Kanals für den weiteren Verlauf des Projektes enorm wichtig

Verflechtung des realen und virtuellen Raumes zu verstehen.

Ergebnisse

war. Die Aussagekraft der gewonnenen Erkenntnisse, wäre ohne

60

die prototypische Umsetzung, welche das Eintauchen in eine inter-

Das lag vielleicht daran, das der Benefit dieses neuartigen Kommu-

aktive Tischsituation ermöglichte, niemals so stark und glaubwürdig

nikationsmittel sofort ersichtlich wird: Plötzlich sieht man die Hand

gewesen.

des anderen auf seinem Tisch, der sich viele Kilometer entfernt be-


61


1. Kontext Essen/ Mahlzeit

Tischinteraktionen

Beobachtungen

Tischinteraktionen Wie bereits erwähnt, wurden einige Tisch-Kontexte (Esssituation, Spielsituation) vorgegeben, die Interaktionen jedoch nicht, um zu schauen, welche Aktivitäten am Tisch unterstützt werden und welche durch die neue Art des Kommunikationskanals am Tisch entstehen können. Hier die Ergebnisse und Erkenntnisse: Es wurden fünf Tisch-Kontexte ermittelt: 1. Essen - Mahlzeiten 2. Spielen 3. Arbeiten

.

4. Entspannen

Man hält dem anderen immer „unter die Nase“, was man gerade

5. Momente zwischendurch

isst.

Je nach Kontext wurden die beiden Kanäle in unterschiedlichen Gewichtungen genutzt. Nur der visuelle Kanal erlaubt asynchrone Kommunikationsmöglichkeiten.

Tischatmosphäre Die Stimmung und das Gefühl ist ein ganz anderes, als wenn man alleine am Tisch sitzt. Auf einmal hat man Gesellschaft und fühlt sich dadurch ganz anders. Außerdem ändert sich das Verhalten am Tisch unter Umständen zum Positiven. Plötzlich kommen Tischsitten und Umgangsformen wieder zum Vorschein, die, wenn man alleine ist, nicht gepflegt werden. Man verhält sich wieder manierlicher am Tisch bzw. achtet darauf, dass man nicht schmatzt. 62

Der Versuch miteinander anzustoßen.


Beobachtungen am Tisch

2. Kontext Spielen, Malen, ...

• Man wünscht sich einen guten Appetit, den man sich alleine nicht

Beim Spielen oder gemeinsamen Malen wird vor allem der visuelle

gewünscht hätte.

Kanal genutzt und synchron kommuniziert. Je nach Art der Interak-

• Man zeigt dem anderen, was man gerade Leckeres zu essen „ge-

tion muss man sich gegenübersitzen oder die gleiche Sitzrichtung

zaubert“ hat..* (Möglichkeit der Motivation: Die Kinder sehen das

einnehmen. Dies sollte bei der Umsetzung/ Gestaltung beachtet

Gericht und erinnern sich, wie lecker das Essen von Mama ist.)

werden, sonst ist die Interaktion nicht so einfach wie erwünscht

• Man prostet sich bei besonderen Gelegenheiten zu: Gläser wer-

durchzuführen.

den aneinander „gestoßen.“ (Soundeffekt) • Man lässt sich nicht gehen: Man rülpst, schmatzt und schlingt das

Malen (Co-creation)

Essen nicht hinunter.

Etwas zusammen Malen stellt ein ganz besonderes Erlebnis dar

• Weil man mehr redet, verweilt man länger am Tisch. Außerdem

– auf zweierlei Weise. Räumlich getrennt kreiert man gleichzeitig

isst man eventuell langsamer und

ein Bild. Jeder malt auf seinem eigenen Blatt, welche zusammen

somit gesünder. Man genießt bewusster. Das Essverhalten verbes-

in der Projektion eine gemeinsame Malfläche ergeben. Zusammen

sert sich also unter Umständen.

etwas Malen stellt grundsätzlich keine neue gemeinsame Aktivität

• Man macht es sich schöner. Man deckt den Tisch und benutzt sein

dar, doch in diesem Fall ermöglicht es zusammen an einem Bild zu

„schönes“ Geschirr.

malen, was sonst eher schwieriger ist, weil man sich mit den Hän-

• Das gemeinsame Essen schafft Kommunikationsanstöße: Rezepte

den ins „Gehege“ kommt. Doch hier kann der andere den Strich

austauschen.

des anderen mühelos fortführen.

• Generell: Man isst nicht alleine vor dem Fernseher oder vor dem

Eine weitere Besonderheit: Wenn man sich persönlich trifft und die

Laptop. Man sitzt an einem Tisch und erfährt eine Gemeinschaft.

beiden Blätter übereinanderlegt, fügt sich das Gemalte wieder zu

Man verbringt miteinander Zeit.

dem gemeinsam kreierten Bild zusammen. Somit ist der kreative

• Stimmung könnte durch ein ambientes Licht zusätzlich unter-

Entstehungsprozess nicht das einzige Erlebnis, denn ein Ergebnis

stützt werden* (Lichteffekte)

hält ein weiteres bereit. Nämlich eines, welches einem persönlichen Wiedersehen einen ganz besonderen Moment der Verbundenheit schenken kann.

Gewichtung der Kanäle Bei den Mahlzeiten wird der Audiokanal hauptsächlich genutzt,

3. Kontext Arbeiten

der Visuelle eigentlich nur um zu sehen, was es bei dem anderen

Es kam eine Situation auf, in der bei offenen Kanälen „nebeneinan-

gibt oder um miteinander anzustoßen. Oder um Rezepte auszutau-

der“ gearbeitet wurde und es zeigte

schen.

sich, dass eine angenehme Arbeitsatmosphäre entstand. Die Situation erlaubte es, den anderen schnell etwas zu fragen oder ihm etwas „analoges“ zu zeigen. So war es zum Beispiel angenehmer 63


und einfacher ein Blatt kurz unter die Kamera zu legen als es vor

Aber mit dem neuen Kommunikationsmittel wird diese neue

eine Kamera zu halten, welche am Bildschirm befestigt ist

Möglichkeit des spontanen und ungezwungenen Austausches

(> Szenario: Hausaufgaben mit dem Enkel).

geschaffen.

4. Kontext Entspannung

Auch wenn im Moment keiner am Tisch sitzt, kann durch einen

Man sitzt am Tisch, trinkt einen Kaffee und blättert durch eine Zeit-

abgestellten oder abgelegten Gegenstand z. B. Kaffeetasse

schrift. Plötzlich bewegt sich eine Hand auf dem Tisch. Man freut

oder Zeitung, aber auch durch das einschalten der Zimmerbeleuch-

sich darüber, dass man Gesellschaft bekommt. Ohne große Vorbe-

tung (ambient communication) dem anderen vermitteln, das man

reitungen kann man spontan und mühelos einen Kaffee zusammen

da ist. Schon das kann dem älteren Nutzer das Gefühl der Einsam-

trinken.

keit nehmen.

5. Kontext. Momente zwischendurch.

Andere Experimente

Wenn man den Raum betrat, in welchem sich der Tisch mit der

Darüber hinaus wurden viele weitere Gegenstände unter das Ka-

Installation befand, dann schaute man gleich als erstes nach, ob der

mera-Projektor-System gehalten, einige waren dabei die weitere

andere im Moment da ist. Oder eine Nachricht hinterlegt wurde.

Möglichkeiten der Nutzung aufzeigten.

Man ist neugierig, was sich da drüben auf „der anderen Seite“ tut.

Es folgen ein paar Beobachtungen:

Ist der andere gerade nicht da, dann wartete man einen Moment ab, falls man gerade Zeit hatte oder man wendete sich sofort ab.

Spiegel

Oder man hinterließ dem anderen eine Nachricht. (Eventuell ist es

Ein kleiner Spiegel in einem bestimmten Winkel unter die Kamera

seltsam, man weiß erst, dass der andere die Nachricht erhalten hat,

gehalten, erlaubt es dem anderen ihn zu sehen. Somit ist also auch

wenn er darauf reagiert hat. > sehr wahrscheinlich nur für den Aus-

eine indirekte face-to-face Kommunikation möglich. Auch die Spie-

tausch informaler Nachrichten). Sind beide gleichzeitig am Tisch

gelfläche eines Messers oder eines Löffels ermöglicht einen Blick

gewesen, dann hat man Kontakt aufgenommen, meist, indem man

vom anderen zu erhaschen.

die Hand unter die Kamera hielt, um den anderen zuwinken zu

64

können.

Handy

Es kann Momente ausfüllen, in denen man nichts zu tun hat. Zum

Ein Handy wurde hinuntergelegt, um dem anderen zu signalisieren,

Beispiel, wenn man es nicht mehr rechtzeitig zum Bus schafft, dann

dass man ihn versucht hatte, zu erreichen. Diese und ähnliche sym-

noch 20 Minuten warten muss, bis der Nächste kommt oder wenn

bolische behaftete Objekte erlauben es dem anderen schnell und

man etwas auf dem Herd oder im Ofen stehen hat. Dann hat man

einfach etwas mitzuteilen.

ein paar Minuten übrig und kann nachschauen, ob der andere da

Des Weiteren ist denkbar, dass sich über einen längeren Zeitraum,

ist, und kann spontan miteinander kommunizieren.

in welchem man das Leuchtensystem benutzt, sich eigene,

In solchen Momenten würde man den anderen nicht anrufen. Aber

persönliche Codes unterhalb der Nutzer entwickeln können.


Dies konnte in der kurzen Zeit, in der die Installation ausprobiert wurde, nicht gezeigt werden, ist aber sehr gut vorstellbar. Fotos Die Interaktion erlaubt es dem anderen Fotos zu zeigen. Anders als dem anderen nur ein Foto zu übersenden, erlaubt es ihm etwas dazu zu erzählen und das Erlebte mitzuerleben. Einmal sogar wurde ein digitaler Bilderrahmen hinuntergelegt. Kleine Geschenke Die Geburtstagsblumen schon am Morgen visuell zu überreichen, Theater- oder Kinokarten, zur Steigerung der Vorfreude, auf den Tisch legen. Den Großeltern schnell ein gemaltes Bild „schenken. All diese Beispiele verdeutlichen, welch vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten die neuartige Kommunikationsschnittstelle am Tisch ermöglicht. Überraschend war vor allem zu sehen, wie alltägliche Tätigkeiten wie das gemeinsame. Essen oder Zeitunglesen am Tisch plötzlich wieder zu einem schönen Erlebnis, aber auch zu einer ganz neuen Erfahrung werden kann und das nicht nur für die älteren Nutzer, sondern auch für die Jüngeren. Nach der Möglichkeit der Videotelefonie, welche beim Vorstellen des Leuchtensystems oftmals vermisst wurde, hat am Ende keiner mehr gefragt. Ganz im Gegenteil, eine der älteren Damen sagte sogar, sie fände es besser, dass nur die Tischfläche projiziert wird, sonst müsste sie sich ja sonst immer herrichten, um am Tisch Platz nehmen zu können. Schlussendlich konnten belegt alle der eingangs aufgestellten Hypothesen belegt werden konnten. Darüber hinaus zeigte sich, welch großes Potential ein audiovisueller Kanal besitzt, denn durch das Ermöglichen vielfältiger Interaktionen, lässt er zahlreiche neue Erlebnisse rund um den Tisch entstehen. 65


Technische Herausforderungen 1. Videorückkopplung. ganz ausgefiltert werden konnte. Das kann unter anderem an den Tischoberflächen gelegen haben, da diese nicht-depolarisierend waren. Dies ist jedoch von Nöten, um die notwendige Polarisation des Lichtes zu erhalten (Siehe Paper). Aus diesem Grunde muss eine Projektionsmatte verwendet werden. Eine andere Möglichkeiten dem Problem des visuellen Echo entgegenzuwirken ist, das gesendete Bild vom gefilmten Bild abzuziehen. Diese theoretische Lösung wurde allerdings nicht überprüft.

2. Größenunterschiede und Versatz der Projektionen Lösung: Das projizierte Bild wird wieder von der Kamera aufgenommen und

Damit die Leuchten auf beiden Seiten nicht die exakte Hängehöhe,

auf die ursprüngliche Tischfläche zurückprojiziert. Es entsteht nicht

bzw. den gleichen Abstand zum Tisch haben müssen (dies ist zwar

nur ein visuelles Echo (Bild in Bild, in Bild, in Bild,…), sondern zu-

machbar, wäre aber mit größerem Aufwand verbunden), sollte hier

sätzlich nimmt auch die Helligkeit des Projektionsbildes stark zu.

eine Software zwischengeschaltet werden, welche den Abstand

Dies führt dazu, dass die Farbigkeit der Hände oder die der unter-

zwischen Kamera-Projektoren-System und Tischfläche ermittelt und

gelegten Gegenstände kaum zu erkennen ist.

die Größe der Kameraaufnahmen sowie die Projektionen dahingehend ausgleicht.

Lösung: Damit die eigene Projektion nicht wieder zurückprojiziert wird, son3. Projektionen stehen Kopf

dern nur die Bilder der physischen Objekte von der Kamera über-

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tragen werden, müssen die projizierten Bilder interveniert werden.

Bei der prototypischen Umsetzung zeigte sich, dass die Größe der

Je nach Sitzposition steht das Projizierte auf dem Kopf. Hier ist zu

Dies erreicht man durch das Anbringen von linearen Polarisations-

projizierten Gegenstände unterschiedlich groß war und somit auch

überlegen, ob die Projektion sich je nach Interaktionsart umdrehen

filtern vor den beiden Kameras- und den beiden Projektorenlinsen.

nicht der realen Größe entsprach. Ein weiteres Problem zeigte sich

lässt (Spielen: man sitzt sich gegenüber; beim Austauschen von

Durch die Polarisation des Lichtes wird einem Zurückprojizieren ent-

beim Schreiben von Nachrichten Hier offenbarte sich ein Versatz

Nachrichten nimmt man die gleiche Sitzrichtung ein). Oder man

gegengewirkt. Dies wurde bereits in einem ähnlichen Konzept mit

der Projektionen. Projektor und Kamera müssen aus diesem Grunde

muss sich auf die andere Seite des Tisches setzten; doch dies ist

Erfolg angewendet (S).

auf beiden Seiten identisch angebracht werden (Positionen zuei-

nicht immer möglich.

In der eigenen Überprüfung mit linearer Polarisationsfolie war das

nander, Abstand zur Tischfläche). Sonst ist eine synchrone Interakti-

Ergebnis allerdings nur befriedigend, da das visuelle Echo nicht

on, wie zusammen Malen oder Spielen, nicht möglich.


Lösung: Die Projektionsmatte, in welcher Sensoren integriert sind, erkennt, ob die dem Nutzer zugewandte Seite oben oder unten ist. Die Matte, welche eine Richtung bekommen muß, kann dadurch 180° gedreht werden. Somit änderet sich die Projektionsfläche.

67


68


Design

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Designgestaltung Designkriterien Mit den aus der Konzeptphase und Nutzerkonfrontation gewon-

und dieselbe Leuchte zu besitzen unterstreicht die Zusammengehö-

Stromerzeugung vermieden und dadurch auch die Kohlendioxid-

nenen Erkenntnissen werden nun Designlösungen entwickelt. Hier-

rigkeit. Wenn man dem anderen einen persönlichen Besuch daheim

Emission verringert.

bei liegen die Anforderungen darin eine Designlösung zu finden,

abstattet, lässt der Blick auf die gleiche Leuchte einen an die beson-

welche:

dere Beziehung miteinander erinnern.

Im Einsatzbereich der Displays gibt es eine Vielzahl weiterer Unterschiede, die für den Einsatz als Leuchtmittel jedoch unrelevant sind

1. in ihrer Produktästhetik den beiden Zielgruppen – Jung und Alt

und deshalb hier nicht weiter betrachtet werden.

entspricht

Zu 4) Technologie

2. sich in unterschiedlichen Wohnambienten – klassisch, modern,

OLED versus LED

Die Entscheidung fiel zugunsten des OLEDs aus aufgrund der Vor-

historisch - einfügen lässt

Zu überlegen war, welches Leuchtmittel zur Lichtgestaltung einge-

teile, die sie als Leuchtmittel zu bieten hat.

3. sich unauffällig in die gewohnte Lebensumgebung integriert

setzt werden sollte.

– kein hoch-technisches Image besitzt

Der größte Differenziator im Bereich der Produkteigenschaften zeigt

4. eine einfache und angenehme Handhabung durch alle Alters-

sich in der Art der Lichtquelle. Die LED (light emitting diode) ist eine

klassen hinweg ermöglicht

Punktlichtquelle wie die herkömmliche Glühbirne. Die OLED (orga-

5. Ressourcen schonende und langlebige Materialien verwendet

nic light emitting diode) hingegen ist eine Flächenlichtquelle, die

6. sowie die neueste Leuchten-Technologie einsetzt

eine Neuerung in dem Bereich der Lichtquellen bedeutet, da dies

7. und einen intelligenten Produktaufbau vorweist, der eine ein-

zuvor nur über reflektierende Flächen oder Diffuser zu erreichen

fache Reparatur bzw. Wartung der unterschiedlichen technischen

war. Dieses diffuse Flächenlicht, welches durch die OLEDs erzeugt

Komponenten (Leuchtmittel, Kamera-Projektorsystem, etc.) erlaubt

wird, ist für das menschliche Auge wesentlich angenehmer. Diese Eigenschaften und die neuen daraus entstehenden gestalterischen Möglichkeiten werden das Leuchtendesign (Heimsektor,

Zu 1) Produktästhetik

Automobil, Architektur…) auch formal verändern. Man befindet

Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten dieses Ziel zu erreichen:

sich gerade an einem Übergang, welcher zukünftig ganz neue Ge-

a. Für jede Zielgruppe wird ein eigenständiges Design entworfen.

staltungskonzepte zulässt.

b. Die Leuchte wird so gestaltet, dass sie mit Hilfe von Farb- oder Texturblenden personalisierbar ist.

Weitere Differenzen zeigen sich in Herstellungspreis, Haltbarkeit

c. Die Leuchte weist ein sehr klassisches und schlichtes Design auf,

und Umweltverträglichkeit. Im Herstellungspreis sind LEDs momen-

welches sich in unterschiedlichen Wohneinrichtungen und Ambien-

tan günstiger, dieses ist jedoch stark an die Stückzahl gekoppelt und

ten einfügen kann.

lässt somit keinen akzeptablen Vergleich zu. Das größte Problem der OLED besteht momentan in der Haltbarkeit des Leuchtmittels

70

Um das Gefühl der Verbundenheit zwischen zwei und mehreren

(woran gerade geforscht wird), dafür ist sie aus ökologischer Sicht

Personen zu stärken, wird letztere Möglichkeit (c) favorisiert. Ein

der LED überlegen. Bei OLEDs wird eine Umweltbelastung durch

Auswahl Die zweite Designrichtung wurde aus folgenden Gründen als finales Gestaltungskonzept ausgewählt: 1. Der Entwurf wird immer noch als vertrautes Leuchtenobjekt wahrgenommen, da er sich noch nicht zu weit von Archetyp Leuchte, den wir kennen, entfernt ist. Der Schirm wurde nicht mehr eingesetzt, da dieser durch das neue Leuchtmittel, welches nicht mehr punktuelles, sonder flächiges Licht abgibt, seine Funktion verliert und nur noch dekorativen Charakter besäße. Ein Schirm streut oder verteilt das punktuelle Licht und verhindert, dass man in die grelle Lichtquelle schaut. Bei der flächigen und diffusen OLED-Lichtabgabe ist dieser also nicht mehr nötig. 2. Er nutzt setzt die neuen Gestaltungsmöglichkeiten, welche die OLED-Beleuchtung bietet und zwar Flächigkeit und Leichtigkeit durch das dünne Leuchtmittel, um. 3. Das Kernelement der Leuchte ist das Kamera-Projektorsystem,


Designvarianten

welches konzentrisch positioniert ist, damit dieser zu jedem Nutzer am Tisch eine möglichst gleiche Distanz aufweist. Das Kernelement wurde nicht völlig im Gehäuse der Leuchte versteckt, sondern mit Absicht sichtbar, denn es ist nichts was versteckt werden muss. Die weichen Form, welche durch die überspannten Flächen und großen Radien, lassen die Technikkomponenten freundlicher erscheinen lassen und somit auch vertrauter.

71


72


Finales Konzept

73


Finales Konzept Ein neues Kommunikationserlebnis Guckguck ist ein neues Kommunikationsmittel für Familie und Freunde, welche entfernt voneinander leben. Eingebettet in einer Hängeleuchte einem alltäglichen Gegenstand, verändert es den Lebensbereich rund um ihren Tisch positiv. Zentrales Element der Hängeleuchte ist ein integriertes audio-visuelles Videokamera-Projektor-System, welches ein Livebild der Tischfläche des einen Nutzers auf die Tischfläche des anderen projiziert. Auf diese Weise können entfernte Orte miteinander verbunden werden, ein gemeinsamer, interaktiver Raum entsteht. Distanzen werden auf eine ganz neue Weise überbrückt. Plötzlich kann man dem anderen begegnen – am Tisch. Ein ganz neues Erlebnis entsteht. Durch zufällige und überraschende Interaktionen wird eine lebendige Atmosphäre kreiert, die Nähe und Gemeinschaftlichkeit erzeugt. Diese lädt zum Sitzen und Verweilen ein, zum Plaudern und Zuhören, zum Spielen und zum gemeinsamen Entdecken von neuen Möglichkeiten des Kontakthaltens am Tisch. Die „hörenden Tischgucklöcher“ erlauben synchrone und asynchrone Kommunikation und bieten einen Interaktionsfreiraum, mit denen die Nutzer ihre eigenen, für sie bedeutungsvolle Erlebnisse mit anderen zusammen kreieren können. 74


75


76


Tischinteraktionen – Social moments. Interaktionsobjekt – Leuchte Die Leuchte stellt einen alltäglichen Gegenstand in unserem Wohn-

etwas auf den Tisch. Man hinterlässt etwas auf dem Tisch - liegend

und Lebensumfeld dar. Sie spendet Licht. Erweitert mit digitaler

oder stehend. Man spielt oder arbeitet am Tisch. All diese Interak-

Kommunikationstechnologie wird die traditionelle Funktion der

tionen rund um den Tisch herum sind uns vertraut. Es sind natür-

Leuchte in diesem Produktkonzept um weitere Funktionen ergänzt

liche Interaktionen – Interaktionen, die wir schon in jungen Jahren

– sie nimmt visuelle Bilder auf und projiziert diese, sie überträgt

gelernt haben. Vom Nutzer wird nicht erwartet, dass er sich erst

akustische Signale und gibt diese auch ab. All dies verbunden mit

ein bestimmtes technisches Wissen aneignet oder bestimmte Ab-

dem Internet. Die Leuchte wird somit zu einem „Smarten Objekt“.

läufe erlernt, um das Leuchtensystem nutzen zu können. Vielmehr

In der Nutzerkonfrontation zeigte sich, dass die Nutzung der neuen

ist dieses in seiner „Handhabung“ so einfach und natürlich, dass er

Funktionen nicht mit der traditionellen Verwendung der Leuchte in

dessen Funktionen unmittelbar erleben kann.

Konflikt tritt, sondern dass sie unabhängig voneinander bestehen und funktionieren.

Zufällige und überraschende Interaktionen Da die Dynamik zwischen den Nutzern zufällig und unvorhersehbar

Interaktionsraum

ist, ist jedes Zusammentreffen am Tisch einzigartig und wird so zu

Die Leuchte macht den Raum unter und um sich herum – durch

einem immer neuen Erlebnis.

das Licht, die Projektion sowie der auditiven Aufnahme und Wie-

Man weiß nicht, ob der andere gerade zufällig am Tisch sitzt oder

dergabe - zum Interaktionsraum. Sie selbst ist lediglich „passives

sich in der Nähe aufhält. Man weiß nicht, ob der andere schon mit

Medium“. Somit wird die Tischfläche, auf dessen Fläche das Licht

einer Tasse Kaffee auf einen wartet oder was für ein neues Bild der

fällt, die Projektion trifft und welcher von Geräuschen umgeben ist,

Enkel diesmal unter die Linse geschoben hat. Nie weiß man genau,

zum Mittelpunkt des Interaktionsraumes.

was beim nächsten Herantreten an den Tisch passiert. Diese kleinen Überraschungen, die man erlebt, die kleinen Freuden, die man

Natürliche Interaktionen

empfindet, die Neugierde, die erzeugt wird, diese kleinen Dinge

Man sitzt am Tisch. Man isst am Tisch. Man plaudert und lacht am

gestalten den Alltag der älteren Nutzer, aber auch den der Jüngeren

Tisch. Man hört zu. Man wirft einen Blick auf den Tisch. Man legt

abwechslungsreicher, unterhaltsamer und allen voran geselliger. 77


Tischinteraktionen

Gemeinsam Essen

Prost! Bon appétit!

Schau her, was es heute bei mir gibt!

Zahlreiche Beobachtungen während des Experience Prototying

Oma, das sieht ja lecker aus!

offenbarten Interaktionen, welche man nur in Gegenwart von

Reichst du mir mal bitte das Salz rüber? - Haha!

anderen ausübt, nicht aber alleine. Oder auch Interaktionen, welche nur zu zweit ausführbar sind. Beispielsweise wünschte

Essen ist eine gesellige Angelegenheit. Schon immer ist man in

man sich auf einmal wieder einen guten Appetit, den man sich

der Familie zu den Mahlzeiten zusammen gekommen. Dies zieht

alleine nicht gewünscht hätte. Oder man prostete sich zu. Doch

sich durch alle Kulturen und Zeitaltern und ist eine der wichtigsten

man vermisste den Klang der Gläser beim Anstoßen, welches das

sozialen Interaktionen. Die Tischgespräche, die während des

Erlebnis vervollständigt hätte. Letztere Interaktion wurde deshalb

Essens stattfinden, stärken den Zusammenhalt und befriedigen

in dem finalen Produktkonzept mit aufgenommen und zwar als

das Bedürfnis nach sozialer Nähe. Und auch unter Freunden lädt

sogenannte „Hidden easter eggs.“ Hinter einigen Interaktionen

man sich gerne zum Essen oder Trinken ein, um Freundschaften zu

verstecken sich nun überraschende Soundeffekte - welche die

pflegen und die soziale Verbundenheit zu stärken.

Nutzer nur im gemeinsamen Miteinander entdecken können.

Das Leuchtenssystem ermöglicht, die gemeinsame Mahlzeit auch

Diese werden von einer Software, welche zuvor programmierte

über Entfernungen zu genießen und darüber hinaus diese alltäg-

Kombinationen bestimmter visueller Formen und Muster erkennt,

liche Erfahrung zu etwas ganz Neuem werden zu lassen.

wiedergegeben. Beispiele von Klangeffekten: Anstoßen (Glas an Glas), Toast ausbringen (Metall an Glas), Besteck ablegen (Metall auf Porzellan).

78


.

Großmutter

Enkel

Malen

Kleine Freuden

Zufällige Momente

Etwas zusammen malen stellt ein ganz besonderes Erlebnis dar

Ein kurzer Gruß.

Am gleichen Ort zur gleichen Zeit zu sein, ist immer ein schönes

– auf zweierlei Weise.

Eine paar liebe Zeilen.

Erlebnis. Vorausgesetzt natürlich, dass man sich über die Begeg-

Räumlich getrennt kreiert man gleichzeitig ein Bild. Jeder malt auf

nung mit dem anderen freut. Aber das tut man, schließlich weiß

sein eigenes Blatt, zusammen ergeben die Blätter in der Projektion

Morgens aufzustehen und etwas auf dem Tisch vorzufinden ist ein

man ja wer auf der andere Seite ist. Oder?

eine gemeinsame Malfläche.

schönes Erlebnis. Diese kleinen zwischenmenschlichen Gesten, die

Diese zufälligen Momente werden am Tisch provoziert. Jedes

Zusammen etwas zu malen stellt grundsätzlich keine neue

Nähe und Wärme ausdrücken, werden oft vermisst im Alltag von

Herantreten an den Tisch wird nun von einem Gefühl von

gemeinsame Aktivität dar, doch in diesem Fall ermöglicht es, zu-

alleinlebenden Personen.

Neugierde und Vorfreunde begleitet. Man freut sich über die

sammen an einem Bild zu malen. Dieses ist sonst eher schwieriger,

Vielleicht findet man auch nur eine leere Kaffeetasse auf dem Ti-

Einladung der anderen Seite und nimmt gerne Platz. Und auch

weil man sich mit den Händen immer ins „Gehege“ kommt. Doch

sche stehen. Aber selbst das erfreut einen, denn wenn man alleine

wenn gerade niemand da ist, denn kann man ihre Spuren sehen,

hier kann der eine den Strich des anderen mühelos fortführen.

wohnt gibt es niemanden, der irgendwo etwas herumliegen lässt

welche sie auf dem Tisch hinterlassen haben und spürt ihre Nähe,

Das Besondere: Wenn man sich persönlich trifft und die beiden

oder irgendetwas verrückt außer einem selbst

so als wären sie da gewesen.

Blätter übereinander legt, fügt sich das Gemalte wieder zu dem

In der Nutzerkonfrontation zeigte sich, dass die Nutzung der

gemeinsam kreierten Bild zusammen. Somit ist der kreative Entste-

neuen Funktionen nicht mit der traditionellen Verwendung der

hungsprozess nicht das einzige Erlebnis, denn sein Ergebnis hält

Leuchte in Konflikt tritt, sondern dass sie unabhängig voneinander

ein weiteres bereit. Nämlich eines, welches einem persönlichen

bestehen und funktionieren.

Wiedersehen einen ganz besonderen Moment der Verbundenheit schenken kann. 79


Setup und Handhabung

1. Kauf Beim Kauf der Leuchte erhält man 5 RFID - Sticker, welche mit folgenden Informationen beschrieben werden: • Seriennummer des Gerätes • Telefonnummer (VoIP-Festnetznummer) • Name des Besitzers/ des Nutzers

1 Diese Daten werden später dazu genutzt eine Verbindung zwischen zwei oder mehreren Leuchten herzustellen. Der Name wird aufgenommen, damit dieser später automatisch im Interface erscheint. So muss dieser nicht eingeben werden. 2. Installation/ Set-up Nachdem die Leuchte installiert und mit einer Stromversorgung verbunden ist, beginnt sie automatisch nach einem WLAN-Netzwerk zu suchen, über das sie sich mit dem Internet (Systemanforderungen: Breitbandverbindung) verbinden kann. Sobald die Leuchte mit dem

2

Internet verbunden ist, wird das Gerät beim Server X angemeldet und freigeschaltet. Nun ist das Gerät betriebsbereit, jedoch noch nicht aktiv, da noch keine Kontaktdaten eingelesen wurden. 3. Hinzufügen von Kontakten Die beim Kauf erhaltenen RFID-Sticker tauscht man mit den Personen aus mit denen man verbunden sein möchte. Den Sticker des anderen klebt man auf die Rückseite der Matte. Eine aufleuchtende Anzeige bestätigt, dass der neue Kontakt hinzugefügt wurde. Das integrierte Lesegerät gibt die gespeicherten Daten auf dem Funkchip an den Server weiter und richtet eine Verbindung mit der ihm zugehörigen Leuchte, die er anhand der gespeicherten Seriennummer erkennt, ein. Wurde die eigene Leuchte bereits durch einen weitergegebenen Sticker identifiziert, so ist sie fortan mit der anderen Leuchte verbunden. 80

3


4. Ein- und Ausschalten

4

Um das System zu aktivieren, muss die Projektionsmatte unter die Leuchte positioniert werden. Der visuelle Kanal wird geöffnet. Somit besitzt das Leuchtensystem in dem Sinne keinen Ein-/Aus-Schalter. Es wurde so gestaltet, um rund um die Uhr eingeschaltet zu bleiben. Wenn es wirklich einmal ganz ausgeschaltet werden soll, so muss die Projektionsmatte entfernt werden. Das ist nicht so einfach wie das Betätigen eines Ein-/Aus-Schalters, meist eher umständlicher und mit einem größeren Aufwand verbunden, gerade wenn Gegenstände auf der Matte liegen. Dies ist eine beabsichtigte Barriere, welche die Handlung des Ausschaltens des Systems demotivieren soll. 5. Der visuelle und der auditive Kanal Durch hinunterschieben der Projektionsmatte unter die Leuchte wird der visuelle Kanal geöffnet. Ist der visuelle Kanal des anderen Nutzers auch geöffnet, so erscheint die projizierte Tischfläche des anderen auf der eigenen Matte und andersherum. Die Projektionen, die „live“ zwischen den zwei Tischen übertragen werden, lassen einen gemeinsamen Raum entstehen. Dieser Raum erlaubt eine neue Art synchroner Kommunikation, welche die emotionale Qualität menschlicher Berührungen besitzt. Diese wird zum Öffnen des auditiven Kanals genutzt. Erst wenn sich zwei Bewegungen der einen und der anderen Person überlagern, man sich also berührt, öffnet sich der auditive Kanal. Ein kurzes Lichtspiel bestätigt, dass man nun miteinander sprechen kann. Der auditive Kanal schließt automatisch, wenn er für länger als 15 Minuten keine Geräusche und Stimmen vernommen hat. Tritt man die Zone, während der auditive Kanal eingeschaltet ist, so wird man durch einen aufleuchten Lichtkreis an ihn erinnert.

81


6. Auswählen der Kontakte | Drehregler

7. Navigieren

Um zwischen den verschiedenen Kontakten zu navigieren, befindet

Die Analogie zum Radioregler, mit dem man unterschiedliche

sich seitlich an der Matte ein Drehregler. Der Drehregler als Schnitt-

Senderfrequenzen durchschalten kann, wird bei der Auswahl der

stelle ist ein vertrautes Bedienelement, mit dem die älteren Nutzer

Kontakte eingesetzt. Dazu kann der Drehregler, welcher keinerlei

oftmals im Alltag in Berührung kommen – Drehregler gibt es am

Markierungen oder Striche besitzt, in beide Richtungen gedreht

Herd, am Radio, an der Heizung. Es ist also kein fremdes Bedien-

werden. Dabei erscheinen die Namen der Kontakte in der Projek-

element für sie. Wird dieser Drehregler betätigt, so erscheint im

tion – jeder Kontakt belegt eine Frequenz. Schaltet man in eine

Projektionsfeld der Name des Kontaktes. Beim Öffnen des visuellen

Frequenz, so hat der Nutzer 4 Sekunden Zeit ehe die Tischfläche

Kanals wird immer der letzte Kontakt aufgerufen.

seines Kontaktes übertragen wird.

Der Drehregler kommt allerdings erst zum Einsatz, sobald man über mehrere Nutzer in seinem Profil verfügt. Er wird in die dafür vorgesehene Mulde in der Matte positioniert um eine Verortung zu haben. Durch einen Magnet wird er fixiert und bleibt dennoch beweglich/ drehbar. In dem Drehknopf befindet sich ein Sender, welcher die durchgeführten Bewegungen des Nutzers weitergibt. Er ist dafür mit einer Batterie ausgestattet.

6

82

7


1

Kommunikationssituationen 1. Konferenzgespräch Um ein Konferenzgespräch führen zu können, muss in die Frequenz „alle“ geschaltet werden. Diese Frequenz erscheint in der Projektion sobald der Nutzer über zwei Kontakte verfügt. Die Projektionen der Kontakte werden eingefärbt und zwar in den Primärfarben Blau, Rot und Gelb. So ergibt sich eine ästhetische Farbmischung (siehe Abb.1), welche den Rede- bzw. Handlungsfluss visualisiert. Die Pro-

Abb.1

jektion nimmt immer die Farbe desjenigen an, der gerade agiert. Befinden sich mehr als drei Personen in einer Konferenz käme es aufgrund der subtraktiven Farbmischung zu einer schwarzen Pro-

2

jektion, welche dank eines Lochmusters erkenntlich bleibt. Reiter in sektoralen Abschnitten am Rand der Projektion geben den Kontaktnamen und die Farb- bzw. Musterzuweisung an. 2. Besetzt. Befindet sich der gewünschte Gesprächspartner gerade in einer Tischinteraktion mit jemand anderem, so wird die Projektion verschwommen dargestellt. Die Projektion wird mit Absicht nicht ausgeblendet, so dass der andere immer noch die Information erhält, dass der andere da ist. Für viele dient dieses bereits als Beruhigung. Man weiß, der Mutter bzw. der Freundin geht es gut und man

3

macht sich weniger Sorgen. s anns HHa

3. Der andere ist nicht da. Hat der andere seine Matte nicht auf dem Tisch unter der Lampe liegen, so hat dieser sein Gerät ausgeschaltet und ist per Leuchtensystem nicht erreichbar. Man erhält keine Projektion seiner Tischfläche; der Projektionsbereich bleibt leer. In dieser Situation muss auf herkömmliche Kommunikationskanäle z.B. das Telefon oder das Handy zurückgegriffen werden. 83


Ergonomie 1. Flexibles Positionieren der Matte Das Produkt erlaubt eine intuitive und natürliche Handhabung. Man legt Gegenstände auf dem Tisch ab oder schaut auf den Tisch. Um diese natürliche Handhabung in allen Situationen zu ermöglichen, kann die Matte je nach Gebrauchskontext in einem Durchmesser

1

von ca. 100 cm auf dem Tisch flexibel positioniert werden. Sensoren in der Matte sorgen dafür, dass die Videoprojektion stets an der Matte ausgerichtet, was durch die automatische Nachstelltechnik ermöglicht wird. So kann die Matte während des Essens eher mittig positioniert werden, während man sie beim Spielen näher an sich heran ziehen möchte. Auf diese Weise können unangenehme bzw. unergonomische Haltungen vermieden werden. 2. Drehung Die Matte lässt sich am Tisch von mehreren Seiten bedienen. Bestimmte Gebrauchskontexte verlangen jedoch dass man sich gegenübersitzt, wie zum Beispiel beim Spielen. Um nicht gezwungen wird den Platz zu wechseln, kann einer der Teilnehmer seine Matte um 180 drehen.

2 3. Videoprojektion - Bildhelligkeit und –kontrast Im Alter nimmt die Fähigkeiten zu sehen ab. Ältere Menschen zeigen Einschränkungen in ihrem Sehfeld, ihrer Sehschärfe und Lichtempfindlichkeit sowie ihrem Farbempfinden. Das Interface Design beruht auf eine realistische Übertragung, welche auf gestalterische Elemente verzichtet. Für eine möglichst intuitive und natürliche Interaktion mit dem Produkt bzw. mit der Benutzeroberfläche ist eine sehr gute Bildqualität der Videoprojektion ausschlaggebend. Diese jedoch ist abhängig von der Lichtleistung des Projektors. Die Lichtleistung heutiger kleiner Projektoren liegt bei 100 Lumen, was für eine gute Bildqualität ausreichten sollte. 84


85


Benefits

Folgende Probleme der älteren Leute können durch das Leuchtensystem behoben werden. 1. Einsamkeit, soziale Isolation. Der Singlealltag.

3. Die Hemmungen jemanden anzurufen.

5. Auch für die andere Seite hält das Leuchtensystem Vorteile

Wird wieder zu einem Familienalltag. Kollektive Zeit. Zusammengehörigkeit.

Kommunikationskanäle wurden verbessert. Die Kontaktaufnahmen erleichtert. Alltagsabläufe nicht gestört.

bereit.

Durch einfaches Einsetzen des Leuchtensystems findet Kommuni-

Durch das Einsetzen des Leuchtensystems verbessern sich die Kom-

kation statt, die auf Entfernung nicht gegeben wäre. Jedes Treffen

munikationskanäle. Ein Treffen findet auf natürliche Weise am Tisch

am Tisch wird wieder zu einem schönen Erlebnis für den älteren

statt. Die Kontaktaufnahme ist einfach und unterbricht den natür-

Die Kommunikation findet nicht mehr an vereinbarten Tagen statt,

Menschen. Eine soziale Isolation ist aufgehoben allein durch die

lichen Ablauf des Tages nicht, weil der Gesprächspartner ohne Vor-

sondern dann, wenn gemeinsam gegessen wird. Der Kanal ermög-

Möglichkeit der Kommunikation am Tisch. Einsamkeit wird durch

bereitungen in den Ablauf integriert werden kann.

licht eine Offenheit und Anwesenheit, die leichter im Alltag inte-

Gemeinsamkeit ersetzt. Der Singlealltag wird zum Familienalltag. Der Tagesablauf gestaltet sich damit neu und wird positiv erlebt. Die Freude auf den nächsten „Begegnung“ bringt verloren gegangene Lebensqualität zurück.

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Beruhigt. Kinder machen sich weniger Sorgen. Haben kein schlechtes Gewissen. Können einfacher Kontakt halten.

griert werden kann. Sorgen und Ängste um den älteren Menschen, 4. Schlechte Essgewohnheiten (manchmal ein Problem bei den älteren Menschen) , Reinlichkeit

heben sich durch den offenen Kanal auf. Wichtige Gespräche sind einfacher zu führen. Kurze Nachrichten können hinterlassen, nette Grüße übermittelt werden.

Man sieht, was sie auf dem Teller haben.

Durch den einfachen und häufigen Kontakt wird das schlechte Ge-

2. Alltagsroutine und Alltagsmonotonie.

Durch ein gemeinsames Essen können Essgewohnheiten positiv be-

alten Menschen zu kümmern, der Umgang miteinander ist unver-

Durchbrochen. Jeder Tag hält neue Erlebnisse am Tisch bereit. Man hat wieder mehr Leben um sich herum.

einflusst werden. Der ältere Mensch ist angehalten, gut für sich zu

krampft.

Der ältere Mensch kann seinen Alltag neu organisieren und sich auf

Neue Anregungen werden ausgetauscht und entwickelt. Der alte

die gemeinsamen Termine vorbereiten und freuen. Die Alltagsrou-

Mensch ist motiviert, sich wieder mehr um sich selbst zu kümmern,

tine wird durchbrochen – ein abwechslungsreicheres Leben findet

was auch Bereiche wie Reinlichkeit am Tisch, Körperpflege und be-

Darüber hinaus schafft das Leuchtensystem Möglichkeiten, alte Fa-

statt. Austausch und Resonanz werden alltäglich.

dingt die Kleidung betrifft. Man beginnt wieder mehr auf sich zu

milienrituale wieder aufleben und Neue entstehen zu lassen. Tradi-

Ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht.

achten. Das Selbstwertgefühl steigt.

tionen setzen sich fort. Der Zusammenhalt wird neu gestärkt.

wissen auf der Seite der Kinder verhindert, sich zu wenig um den

sorgen durch die Kommunikation: „Was isst du heute? Schmeckt es dir?“. 6. Rituale und Traditionen

Alte Zeiten wieder aufleben lassen.


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Psychosoziale Gesundheit Das Leuchten-Kommunikationsgerät ermöglicht mehr als nur eine neue Form des Kontakthaltens. Durch die Nutzung können sich ältere, alleinstehende Leute stärker verbunden und weniger allein fühlen. Sie fühlen sich dazugehörig und bedacht durch die Möglichkeit öfters am gemeinsamen Familienleben teilzunehmen.Sie erfahren mehr Zuwendung und Nähe, Liebe und Wärme durch die vielen kleinen Gesten und schönen Momente, welche sie nun in der Lage sind am Tisch zu erfahren. Das Gefühl des Gebrauchtwerden, wenn sie z. B. den Enkeln bei den Hausaufgaben helfen oder der Tochter das Familienrezept des Schokoladenkuchens weitergeben, macht sie glücklich. Die Neugierde und Vorfreude bei jedem Herantreten gestaltet den Alltag aufregender. Das Bedürfnis nach Verbundenheit, Nähe und Zugehörigkeit wird befriedigt. Sie erfahren all jene Dinge, welche wichtig sind für ihre psycho-soziale Gesundheit.

88


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90


Technik

Projektorlinse Mikrofon

Videokamera Lautsprecher

91


Produktaufbau

Textilkabel

Aluminiumeinsatz

Leuchtenabdeckung OLED Leuchtmittel Adaptionsring Technik: Richtmikrofon Projektor Videokamera Verbindungsschale Lautsprechertextil Verbindungsschale Boden

92


Technische BemaĂ&#x;ung

23.5 23

3 4 47

45

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Schlusswort Es gibt für uns Menschen, egal, in welchem Alter wir sind, nichts schöneres als das Erlebnis einer persönlichen Begegnung. Begegnung heißt Liebevolle Umarmungen Worte, die von Herzen kommen Geliebt zu werden Freundschaft Anerkennung Lob Respekt Doch manchmal ist die persönliche Begegnung nicht möglich. Aus welchen Gründen auch immer. Hier bietet das Leuchtensystem eine neue Möglichkeit der Kommunikation an. Es ermöglicht das Miteinander über die Entfernung. Es lässt uns beieinander sein. Wir können am Leben des anderen teilhaben. Wir können zusammen essen, spielen, lachen und sogar weinen. Wir werden uns nicht fremd!

- Wir sind nicht alleine -

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Eidesstattliche Erklärung Ich versichere an Eides statt durch meine Unterschrift, dass ich die vorstehende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe angefertigt und alle Stellen, die ich wörtlich oder annähernd wörtlich aus Veröffentlichungen entnommen habe, als solche kenntlich gemacht habe, mich auch keiner anderen als der angegebenen Literatur oder sonstiger Hilfsmittel bedient habe. Die Arbeit hat in dieser oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen. Essen, den 04.03.2010

……………………………… (Kathrin Völker)

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