Lutwyche, Das Schwein

Page 1



Das S C H W E I N

Haupt

NATUR


Die englische Originalausgabe erschien 2019 bei Ivy Press, einem Imprint von The Quarto Group, unter dem Titel The Pig. A Natural History

Copyright der englischsprachigen Originalausgabe: © 2019 Quarto Publishing plc Konzept, Gestaltung und Produktion: Ivy Press 58 West Street, Brighton BN1 2RA, Großbritannien Herausgeber Susan Kelly Kreativdirektor Michael Whitehead Lektoratsleitung Tom Kitch Künstlerische Leitung James Lawrence Cheflektorat Kate Shanahan Projekt-Lektorat Caroline Earle Gestaltung Wayne Blades Bildredaktion Sharon Dortenzio Illustrationen John Woodcock Aus dem Englischen übersetzt von Jorunn Wissmann, D-Binnen, Monika Niehaus, D-Düsseldorf, und Coralie Wink, D-Dossenheim Satz der deutschsprachigen Ausgabe: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, D-Göttingen Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt. Diese Publikation ist in der Deutschen Nationalbibliografie verzeichnet. Mehr Informationen dazu finden Sie unter http://dnb.dnb.de. ISBN 978-3-258-08093-2 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2020 für die deutschsprachige Ausgabe: Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Printed in China Um lange Transportwege zu vermeiden, hätten wir dieses Buch gerne in Europa gedruckt. Bei Lizenzausgaben wie diesem Buch entscheidet jedoch der Originalverlag über den Druckort. Der Haupt Verlag kompensiert mit einem freiwilligen Beitrag zum Klimaschutz die durch den Transport verursachten CO2-Emissionen und verwendet FSC-Papier aus nachhaltigen Quellen.


Das

SCHWEIN

Geschichte, Biologie, Rassen R I C H A R D LU T W YC HE ÃœBERSETZT VON JORUNN WISSMANN, MONIKA NIEHAUS UND CORALIE WINK

HAU P T V E R L AG


Inhalt

{ 6

Das Schwein – eine Einführung K A P I TE L 1

K A PI T E L 3

Evolution & Domestikation

Verhalten

Die Vorfahren des Hausschweins Der Familienstammbaum Wie Schweine domestiziert werden Die Eroberung der Welt

14 16 18 20

Fressen & Schlafen Wühlen Geliebter Schlamm Fortpflanzung Nestbau & Werfen

K A P I TE L 2

Wachstum & Versorgung

Anatomie & Biologie Anatomie eines Schweins Dem Menschen so ähnlich Lebenszyklus Fortpflanzung Eine hochspezialisierte Schnauze Hauer & Zähne Andere Sinne Denken wie ein Schwein Fressen wie ein Schwein Füße & Schwanz Haut & Haare

Kommunikation & Laute

28 30 38 42 44 46 50 52 54 62 66

Aggression & Verteidigung Kognition «Böse» Schweine

74 76 84 88 92 96 102 104 106 118


K API TEL 4

KA PI T E L 5

Schweine & Menschen

Schweinerassen 172

Eine enge Beziehung

122

Schweine im Mittelalter

Literatur & Film

124

Das Aufkommen der Schweinerassen 176

Schweine in der Kunst

130

Die Rassen

180

Sprichwörter & Redensarten

134

Schweinebestände

210

Trüffelschweine

138

Die Zukunft

212

Hüteschweine

140

Jagdbegleiter

142

Zugtiere

144

Kirchenkunst

146

Glossar

216

Schweine & Religionen

148

Weiterführende Literatur

218

Schweine als Haustiere

152

Register

220

Industrielle Tierhaltung

156

Autorenbiografie

223

Extensive Methoden

160

Bildnachweis

224

Schweinefleisch

164

Delikatessen

168

Anhang


Das Schwein – eine Einführung

{

D

ie folgenden Seiten enthalten eine Fülle von Informationen über unser Thema, das Schwein. Doch ganz gleich, welche Themen ich hier behandelt habe, seien Sie versichert, dass es noch viel mehr über Schweine zu sagen gibt. So sprechen die aktuellen archäologischen Ausgrabungen in Hallan Çemi in der Türkei beispielsweise dafür, dass Schweine bereits 2000 Jahre früher domestiziert wurden, als bislang angenommen. Auch die verschiedenen Studien zur Intelligenz des Schweins stammen weitgehend aus jüngster Zeit und sind noch keineswegs abgeschlossen. Es gibt noch so viel zu entdecken und herauszufinden!

E I N T I E R , AU F DA S W I R N IC H T V E R Z IC H T E N KÖN N E N Das Schwein ist zweifellos ein höchst faszinierendes und komplexes Geschöpf, das in seiner Beziehung zum Menschen eine einzigartige ökologische Nische erobert hat. Es ist anders als die meisten anderen Tiere, die domestiziert wurden, um uns als Nahrung zu dienen: Schweine sind eher Allesfresser als Weidetiere, sie bringen in der Regel viele Junge zur Welt – eine Sau kann im Lauf ihres Lebens mehr als hundert Ferkel werfen; sie vermehren sich das ganze Jahr hindurch und wachsen rasch. Und Schweine sind hervorragende Fleischlieferanten. Zudem nutzen wir Teile von Schweinen in der Medizin, und diese Tiere haben das Potenzial, die Transplantationsmedizin zu revolutionieren. Ohne Zweifel werden wir mit zunehmendem Wissen immer weitere Möglichkeiten entdecken, wie das Schwein der menschlichen Gesundheit dienen kann. Es geht nicht darum, unseren besten Freund – den Hund in seinen vielen Erscheinungsformen – vom Sockel zu stoßen, doch auf diesen Seiten werden wir sehen, dass Schweine oft ganz ähnliche Aufgaben wie Hunde übernehmen können und übernommen haben: Sei es, dass sie Schafe hüten, Trüffel suchen, auf der Jagd vorstehen und apportieren, Haus und Hof bewachen oder als Zugtier, als Drogenfahnder und natürlich als anhängliches Haustier des Menschen dienen. All diese Rollen kann ein Schwein in manchen Fällen besser ausfüllen als ein Hund, doch irgendjemand wird Sie sicher schräg anschauen, wenn Sie mit einer 300 kg schweren Sau spazieren gehen und in ihr nur Speck sehen, der in der Pfanne brutzelt.

6

DAS S C HWE I N – E I NE E IN F Ü H R U N G

Rechts Auch wenn wir Schweine vorwiegend wegen ihres Fleisches schätzen, sind diese Tiere ebenso intelligent wie anpassungsfähig und können viele Dinge tun, die auch ein Hund tut.



Doch trotz seiner Nützlichkeit wird das Schwein überall verspottet. Es wird als «fett», «hässlich», «dumm», «gierig», «übelriechend», «faul», «gefräßig», «schmutzig», «ignorant» und so weiter beschrieben. In den letzten drei oder vier Generationen haben wir in der westlichen Welt den Kontakt zu Schweinen verloren, und infolgedessen sind wir inzwischen die Ignoranten. Als noch jeder Haushalt ein Schwein im Stall hatte, wusste jedes Kind ganz genau, wie ein Schwein

Erst im Lauf der letzten Generationen haben wir den engen Kontakt zu Schweinen verloren, denn früher hielt jeder Haushalt sein eigenes Mastschwein.

Rechts

lebt, was es frisst, wie es wächst, wie es riecht, welche Geräusche es von sich gibt, was es zufrieden macht, was es erschreckt, wie es stirbt und wie es schmeckt. Familien verbrachten viel Zeit damit, Grünzeug und Nüsse für ihr geschätztes Mastschwein zu sammeln, und rieben ihm gern den Bauch, wenn es ganz entspannt auf einem Haufen Stroh lag. Kinder kommen noch immer mit Schweinen in Kontakt, aber leider fast ausschließlich mit ihren virtuellen Abbildern. Generationen sind mit Schweinen in Kinderbüchern aufgewachsen, beispielsweise mit Beatrix Potters «Schweinchen Softie» und «Pig-wig», A. A. Milnes «Ferkel» aus «Pu, der Bär», den «Drei kleinen Schweinchen» sowie «Miss Piggy» aus der Muppet Show im Fernsehen oder mit dem Spielfilm «Ein Schweinchen namens Babe», wo Babe zeigt, dass Schweine auch Schafe hüten können. Kurz gesagt, die meisten von uns sind in Gesellschaft eines oder zweier heldenhafter Schweine groß geworden. Die Darstellung von Schweinen in der Kunst zielt nicht nur auf Kinder. In Kapitel 4 beschäftigen wir uns mit Poesie und Prosa, in denen es um Schweine geht, wie auch mit Skulpturen und Gemälden, wo die eindrucksvollen fließenden Linien eines majestätischen Schweins eingefangen sind, sodass wir alle sie würdigen und bewundern können.

E I N E F R AG E DE S G E S C H M AC K S Vor 10 000 Jahren nahmen wir das Wildschwein und formten es nach unseren Bedürfnissen. Wir nahmen ihm weitgehend sein aggressives Wesen und zähmten es, damit es sich für verschiedene Zwecke eignete. Heutzutage liefert uns das Hausschwein nicht nur riesige Mengen an Nahrung, sondern auch einige der abwechslungsreichsten, schmackhaftesten und üppigsten Gerichte, die wir kennen. Es gibt Köche, die nehmen ein Stück Schweinefleisch und verwandeln es in etwas Exquisites und Wundervolles, das die Sinne weit über das reine Füllen des Magens hinaus entzückt. Man muss kein Vermögen in einem Gourmetrestaurant ausgeben, um die Freuden des Schweinefleischs zu genießen. Nehmen Sie zuhause einen frischen Laib Weißbrot, etwas Butter und einigen Scheiben guten Frühstücksspeck (Bacon) – am besten luftgetrocknet mit einer gehörigen Portion fettem Speck am rosafarbenen Fleisch, geräuchert oder ungeräuchert, je nachdem, was Ihnen am besten schmeckt. Nehmen Sie Ihre Bratpfanne oder Ihren Grill und erhitzen Sie den Frühstücksspeck langsam, bis er so ist, wie Sie es mögen – zart oder knusprig. Bestreichen Sie zwei dicke Scheiben Brot mit Butter, legen die heißen Speckscheiben auf eine davon, geben ein paar Tropfen Fett aus der Pfanne und anschließend Ihre Lieblingswürze hinzu – ich bevorzuge einen scharfen Senf, doch andere Leute lieben Ketchup oder eine andere pikante Sauce.

8

DAS S C HWE I N – E I NE E IN F Ü H R U N G

Unten Gebratene Speckscheiben waren das erste Fast Food des Westens


Präsident Harry S. Truman war ein Politiker, der Schweine verstand.

Rechts

P OL I T I S C H E S C H W E I N E Z I TAT E Schweine sind so allgegenwärtig, dass sie in unsere Alltagssprache eingegangen sind. In Kapitel 4 beschäftigen wir uns mit einigen Redensarten, die sich auf Schweine und ihrer Entstehungsgeschichte beziehen – oft ist die ursprüngliche Herleitung im Lauf der Zeit verloren gegangen, auch wenn die Bedeutung noch immer leicht verständlich ist. Zur Illustration hier ein paar Zitate von Politikern: Dem britischen Politiker und Premierminister Winston Churchill wird der Ausspruch zugeschrieben: «Hunde sehen zu uns auf. Katzen sehen auf uns herab, Aber Schweine betrachten uns als gleichberechtigt.» Wenn er es tatsächlich gesagt hat, dann zitierte er eine alte Volksweisheit aus Gloucestershire in England, doch sie verkörpert das, was Leute, die Schweine kennen, von ihnen denken, und Churchill war ein enthusiastischer Schweinehalter. Der amerikanische Präsident Harry S. Truman soll gesagt haben: «Niemand sollte Präsident werden dürfen, der keine Schweine versteht.» Vor Truman meinte Abraham Lincoln: «Ein Schwein glaubt nichts, was es nicht sehen kann.» Auf der anderen Seite des Großen Teichs meinte der britische Premierminister John Major: «Zu versuchen, ein rotes Band durchzuschneiden, ist so, als ringe man mit einem eingefetteten Schwein.»

D A S SCH W EI N – EI N E EI N FÜ H RU N G

9


SCHUL TER (BU G)

RÜCKEN KEULE/ (KOTELETT/ LENDE)

SCHINKEN

BAUCH

SCHWEINSFUSS (SPITZBEIN)

HAXE/ EISBEI N

KO PF

/ KEN NACELETT KOTTÜCK S

Und schließlich legen Sie die zweite Brotscheibe obendrauf und drücken die beiden Scheiben ein wenig zusammen. Nun halten Sie etwas wunderbar Schmackhaftes in Händen, das man zu jeder Tageszeit zuhause in kurzer Zeit und preisgünstig zubereiten und genießen kann. Natürlich bin ich ganz offensichtlich ein Schweineliebhaber, doch viele Menschen rund um die Welt teilen diese Liebe nicht. In Kapitel 4 beschäftigen wir uns mit Religionen, die den Genuss von Schweinefleisch verbieten, und fragen nach den Gründen. Welche Gefühle auch immer wir Schweinen entgegenbringen, sie basieren auf ehrlichen Überzeugungen und müssen respektiert werden. Wenn man einmal von Ausnahme-Schweinen absieht, wie solchen, die Zirkustricks vorführen oder einen Pflug ziehen, ist der Hauptgrund für die Haltung von Hausschweinen zweifellos der, uns mit Nahrung zu versorgen. Als wichtigster Eiweißlieferant in Form von Fleisch sollte das Schwein von Menschen rund um die Welt respektiert und gewürdigt werden. Es ist eine Tatsache, dass jedes Jahr Millionen Schweine für unseren Genuss sterben. Mit dieser Tatsache als solcher habe ich kein Problem, wohl aber mit der Art und Weise, wie der Massenmarkt beliefert wird, denn die industrielle Schweineproduktion respektiert das Grundrecht des Tieres nicht, ein Leben in Würde zu führen. Es muss einen besseren Weg geben, und ich hoffe, dass dieses Buch der Leserin bzw. dem Leser ein besseres Verständnis dafür vermitteln kann, was für ein bemerkenswertes Tier das Schwein ist, und dass sich die Methoden der Intensivhaltung so verändern lassen, dass dem Tier ein anständiges Leben ermöglicht wird. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass es genügend Platz und Möglichkeiten gibt, eine Milliarde Schweine pro Jahr extensiv zu halten, um die Ernährung der Welt (mit) sicherzustellen – Massentierhaltung ist eine Tatsache des Lebens und wird uns noch lange begleiten. Die Schweinemastindustrie sollte jedoch strenger überwacht werden und sich der Erkenntnis stellen, dass Schweine etwas Besseres von uns verdienen.

10

DAS S C HWE I N – E I NE E IN F Ü H R U N G

Links Fast jeder Teil des Schweins kann genutzt werden, um eines der vielen Schweinef leischgerichte zu kreieren, die unterschiedliche Kulturen im Lauf von Jahrtausenden entwickelt haben.


Wenn Sie es sich daher leisten können – und der Preis ist nicht nur das Geld in Ihrer Brieftasche, sondern auch das Leben eines intelligenten Tieres – unterstützen Sie extensiv wirtschaftende Schweinehalter. Kaufen Sie direkt beim Halter, sei es auf Bauernmärkten oder online, und wählen Sie Ihren Lieferanten nicht nach seinem schicken Namen oder seiner peppigen Aufmachung aus, sondern nach seiner Provenienz. Es stimmt, Sie werden mehr zahlen müssen, doch die besseren Qualität des Fleisches bringt ein Mehr an Genuss – und wenn Sie sich diesen Genuss etwas seltener gönnen, werden Ihre Ausgaben kaum steigen. Treffen Sie die großen Zulieferer da, wo es weh tut, im Portemonnaie, und diese werden beginnen, sich zu ändern. Sie haben die Macht dazu – nutzen Sie sie!

Unten Produkte von artgerecht gehaltenen Schweinen, die freien Auslauf haben, bedeuten nicht nur schmackhafteres Fleisch, sondern stammen gewöhnlich auch von Tieren, die nach hohen Tierwohl-Grundsätzen aufgezogen worden sind.

D A S SCH W EI N – EI N E EI N FÜ H RU N G

11



KAPITEL 1

Evolution & Domestikation


Die Vorfahren des Hausschweins

{

Das Hausschwein (Sus scrofa domestica), das heute überall in der westlichen Welt verbreitet ist, wird allgemein als Unterart des Wildschweins (S. scrofa) betrachtet, dessen Verbreitungsgebiet früher nicht nur Europa, sondern auch den Nahen Osten und Nordafrika umfasste. In Hausschweinzüchtungen flossen auch Gene vom Bindenschwein (S. scrofa vittatus) aus Südostasien ein, das im 18. Jahrhundert auf Handelsschiffen aus China und Thailand nach Europa kam. Wann Schweine zum ersten Mal domestiziert wurden, ist umstritten. Prähistorische Überreste domestizierter Schweine zeigen im Vergleich zu ihren wilden Vorfahren eine Verkürzung des Tränenbeins (Os lacrimale, das von der Augenhöhle zur Schnauze verläuft) und eine Veränderung der Backenzähne. Schweine mit solchen Merkmalen sind in Jericho, im heutigen Palästina, gefunden worden und datieren zurück in eine Zeit um 7000 v. Chr. Einige Experten sind der Ansicht,

dass ähnliche Schweineüberreste, die in Hallan Çemi in der Türkei entdeckt wurden, rund 2000 Jahre älter sind als die Jericho-Knochen; in diesem Fall wären Schweine noch vor Schafen domestiziert worden. Aktuelle DNA-Analysen sprechen dafür, dass die früheste Domestikation von Schweinen vor 9000 bis 10 000 Jahren unabhängig voneinander in Ostanatolien in der Türkei und in China stattgefunden hat. Wie dem auch sei, Schweine begleiten uns schon seit Langem. In der Jungsteinzeit (Neolithikum) wurden Schweine aus dem Nahen Osten nach Europa eingeführt. Die ersten identifizierten Typen, deren Überreste im 19. Jahrhundert in der Schweiz gefunden wurden, erhielten den Namen «Torfschweine». Da sie im Vergleich zu Wildschweinen relativ klein waren, hielt man sie ursprünglich für das Ergebnis von Kreuzungen mit kleineren asiatischen Schweinearten. In seiner «Geschichte der Haustiere» (1967) betonte der deutsch-briti-

Hyotherium

Wildschwein

Das Hausschwein in Europa stammt ursprünglich vom Wildschwein ab, doch ab dem 18. Jh. wurden asiatische Schweinetypen eingekreuzt.

Rechts

Hausschwein

vor 19 Mio. Jahren

vor 2,6 Mio. Jahren

ca. 11 000– 9000 v. Chr.

ca. 1720–1850 n. Chr.

Die Hypotherium-Arten – Vorfahren der modernen Schweine – lebten im Miozän in Asien.

Das Wildschwein (Sus scrofa) tauchte in Europa gegen Anfang des Pleistozäns auf.

Schweine wurden erstmals in Zentralasien, in der südlichen Türkei und in Palästina domestiziert und begannen sich dann über ganz Europa auszubreiten.

In Hausschweine wurden Gene asiatischer Schweinetypen eingekreuzt, die auf Handelsschiffen nach Europa kamen.

14

E V OL UT I ON & DOME S TIK AT IO N


sche Paläontologe Friedrich Zeuner jedoch, es handele sich um domestizierte Abkömmlinge des Wildschweins ohne andere Geneinflüsse. Wildschweine gehören zu den jüngsten Vertretern der Familie Suidae (Echte oder Altweltliche Schweine). Früher nahm man an, Schweine stammten von Entelodonten ab, wildscheinartigen Geschöpfen mit einer Schulterhöhe von 1,8 m, die zwischen Eozän und Miozän (vor 45 bis vor 19 Mio. Jahren) Nordamerika, Eurasien und Teile von Afrika besiedelten. Moderne Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Flusspferde die nächsten heute lebenden Verwandten dieser prähistorischen Tiere sind. Stattdessen stammen Schweine von Hyotherium-Arten ab, kleineren Tieren, die in denselben Regionen der Welt wie Wildschweine in Sumpfgebieten oder in Wassernähe lebten. Und wie Wildschweine waren diese Tiere Allesfresser (omnivor) und ernährten sich von Pflanzenteilen wie auch von Aas. Sie lebten während des Miozäns vor rund 19 Millionen Jahren und gelten als Vorfahren aller heutigen Hausschweine und ihrer wilden Vettern. Die ersten Belege für das Auftreten von Wildschweinen in Europa finden sich zu Beginn des Pleistozäns.

Wildschweine drangen nie aus freien Stücken in die heißesten oder kältesten Regionen der Erde vor, sondern blieben weitgehend in den gemäßigten Breiten. Das lag an ihrer relativ dünnen Behaarung, die kaum vor extremer Kälte schützt, und an den fehlenden Schweißdrüsen, die sie für ein Leben in besonders heißen Klimazonen ungeeignet machten. Später in diesem Kapitel werden wir uns genauer damit beschäftigen, wie die Einführung von Schweinen aus Asien den Habitus des Hausschweins beeinflusste. Bis ins 18. Jahrhundert, als erstmals Schweine aus Asien in Europa eintrafen, waren Hausschweine recht langweilige Varianten von Wildschweinen: hochbeinig, mit langer Schnauze und seitlich abgeplattetem Körper. Der Einfluss der asiatischen Schweine lässt sich heute noch erkennen, vor allem bei Rassen wie dem Middle White (auch Mittelgroßes Yorkshire-Schwein genannt, Seite 207) mit seinen kurzen Beinen, seinem rundlichen Körper und seiner kurzen Schnauze. Eine Rasse, die dem Wildschwein stärker ähnelt, ist das Tamworth-Schwein (Seite 184), das längere Beine, ein rötliches Fell, eine schlankere Gestalt und eine lange Schnauze hat. D I E VO RFA H REN D ES H A U SSCH W EI N S

15


Der Familienstammbaum Die Säugetiere (Mammalia) werden in 19 Ordnungen eingeteilt; Wildschweine und Hausschweine gehören zu den Paarhufern (Artiodactyla), Huftieren mit einer geraden Anzahl von Zehen. Zu der Gruppe zählen die meisten domestizierten Säugerarten, darunter Rinder, Schafe und Ziegen, aber auch

Ordnung

Artenzahl

Kloakentiere (Monotremata) Ameisenigel, Schnabeltier

6

Beuteltiere (Marsupialia) Känguru, Koala, Wombat usw.

248

Insektenfresser (Insectivora) Igel, Maulwürfe, Spitzmäuse usw.

374

Unpaarhufer (Perissodactyla) Pferde und Verwandte wie Esel, Zebras, zudem Tapire, Nashörner usw.

16

16

E V OL UT I ON & DOME S TIK AT IO N

{

Wildtiere wie Giraffen und Flusspferde. Lediglich die Schweinearten und die Flusspferde sind keine Wiederkäuer und haben nur einen einzigen Magen. Zu den Unpaarhufern (Perissodactyla), Huftieren mit einer ungeraden Anzahl von Zehen, gehören Pferde und Nashörner.

Ordnung Riesengleiter (Dermoptera)

Artenzahl

Ordnung

Artenzahl

2

Schuppentiere (Pholidota)

7

Fledertiere (Chiropotera)

981

Hasentiere (Lagomorpha) Hasen, Kaninchen

66

Primaten (Primates) Lemuren, Tieraffen, Menschenaffen, Menschen usw.

193 Waltiere (Cetacea) Wale, Delfine

92

Zahnarme (Edentata) Ameisenbären, Faultiere

32

Raubtiere (Carnivora) Katzen, Hunde, Löwen, Tiger

252

Paarhufer (Artiodactyla) Schweine, Hirsche, Flusspferde, Kamele, Giraffen, Schafe, Ziegen, Rinder

194

Robben (Pinnipedia)

32

Erdferkel (Tubulidentata)

1

Elefanten (Proboscidea)

2

Schliefer (Hyracoidea)

6

Seekühe (Sirenia)

4


S TA M M B AU M DE R S C H W E I N E

ORDN UN G

ARTIODACTYLA (Paarhufer)

UNTERORDN UN G

SCHWEINEARTIGE (SUINA) FA M ILIE

FAMILIE

SUIDAE

TAYASSUIDAE (Nabelschweine)

G ATTU NG EN U ND A R TEN

GATTUN GEN UN D ARTEN

POTAMOCHOERUS Pinselohrschwein (P. larvatus), Buschschwein (P. porcus), Afrika

PECARI Halsbandpekari (P. tajacu), Südwesten der USA, Südamerika und Trinidad

Potamochoerus porcus

SUS Wildschwein (S. scrofa; einschließlich Hausschwein-Unterarten, S. scrofa domestica) und Zwergwildschwein (S. salvanius) in Europa und Indien; Philippinisches Pustelschwein (S. philippensis), Visayas-Pustelschwein (S. cebifrons), Sulawesi-Pustelschwein (S. celebensis), Javanisches Pustelschwein (S. verrucosus) und Bartschwein (S. barbatus), asiatische Inseln PHACOCHOERUS Wüstenwarzenschwein (P. aethiopicus) und Eigentliches Warzenschwein (P. africanus), Afrika HYLOCHOERUS Riesenwaldschwein (H. meinertzhageni), Afrika

Pecari tajacu

CATAGONUS Chaco-Pekari (C. wagneri), Südamerika

Catagonus wagneri

TAYASSU Weißbartpekari (T. pecari), Mittel- und Südamerika

Hylochoerus meinertzhageni Tayassu pecari BABYROUSA Hirscheber oder Babirusa (B. babyrussa), Indonesien

D ER FA MI LI EN STA MMBA U M

17


Wie Schweine domestiziert wurden { Es ist nicht schwer, sich die Domestikation von Wildschweinen vorzustellen. Auch wenn sie Menschen scheuen, sind sie neugierige Geschöpfe und nähern sich menschlichen Behausungen auf der Suche nach leicht zugänglicher Nahrung. Jungsteinzeitliche Siedlungen besaßen Gruben, wo unsere Vorfahren ihre Abfälle entsorgten. Heutige Archäologen untersuchen den Inhalt dieser Abfallgruben, um sich ein Bild vom Alltag der Dorfbewohner zu machen – was sie aßen und wie sie lebten. Weggeworfene Knochen, verrottete Früchte und Getreidereste, die in diesen Gruben entsorgt wurden, übten auf Wildschweine, die ihre Nahrung vorwiegend mithilfe ihres Geruchssinns finden, sicherlich eine starke Anziehungskraft aus. Wildschweine sind furchteinflößende Gegner, daher waren es vermutlich keine ausgewachsenen Exemplare, sondern Jungtiere, die von Menschen in Obhut genommen wurden. Junge Wildschweine lassen sich relativ leicht zähmen und wurden vielleicht sogar als Haustiere gehalten. Tatsächlich halten die australischen Aborigines die Jungtiere vieler Wildtiere als

18

E V OL UT I ON & DOME S TIK AT IO N

Schoßtiere, haben sie aber niemals vollständig domestiziert; daher wäre es nicht verwunderlich, wenn Wildschweine auf diese Weise in menschliche Siedlungen gelangt wären. Die Domestikation von Rindern und vielleicht auch von Schafen und Ziegen ging der von Schweinen voraus, denn sie waren besser für den nomadischen Lebensstil der frühen Jäger- und Sammler-Gesellschaften geeignet, bevor diese sesshaft wurden. Nachdem sich der Ackerbau entwickelt hatte und dauerhafte Siedlungen entstanden, wurde auch das Schwein zu einer wichtigen – schließlich sogar der wichtigsten – Proteinquelle.

Unten Wildschweine, die durch die Wälder streiften, könnten sich an den Abfällen prähistorischer menschlicher Siedlungen gütlich getan haben, vor allem im Winter, wenn die natürlichen Ressourcen knapp waren.


Ob die Schweinedomestikation tatsächlich so ablief oder nicht – unsere Vorfahren waren mit dem Borstenvieh zweifellos von der Jagd her vertraut und wussten, das Wildschweinfleisch gut schmeckt. Die aus dem niedlichen Schoßtieralter herauswachsenden Wildschweine könnten eingepfercht und dann, wenn sich die Notwendigkeit ergab, geschlachtet worden sein, und auf diese Weise könnten sich grundlegende Fertigkeiten zur Viehhaltung entwickelt haben. Die ersten Tiere, die domestiziert wurden, waren Hunde – nicht als Nahrungsquelle, sondern um bei der Jagd zu helfen, vor Angriffen zu warnen und ihren Herrn zu verteidigen. Wie der Hund ist das Schwein ein Abfall- und Aasfresser und unterscheidet sich von fast allen anderen Säugern, die als Nahrungslieferanten domestiziert wurden, dadurch, dass es nur einen Magen besitzt und ein Allesfresser statt ein Pflanzenfresser ist. Zudem sind alle domestizierten Säuger mit einer einzigen Ausnahme Herdentiere, die in sozialen Gruppen leben. Das könnte sie dazu prädestiniert haben, mit der menschlichen Herde gemeinsame Sache zu machen, und das Schwein entspricht dieser Anforderung ganz klar. Die einzige Ausnahme? Die Katze! Gehen wir also davon aus, dass einige junge Wildschweine gefangen und von unseren neolithischen Vorfahren sicher eingesperrt wurden. Da Schweine intelligente Geschöpfe sind, lernen sie bald, dass ihr Verlust an Freiheit durch einen ständigen Nachschub an Nahrung, nach der sie nicht suchen müssen, relative Sicherheit vor Raubtieren und eine gewisse Bequemlichkeit kompensiert wird. Unsere Vorfahren hatten im Gegenzug ein effizientes Mittel gefunden, um einen Großteil ihrer organischen Abfälle zu entsorgen, die so nicht länger in der Nähe der Siedlungen verrotteten, und gleichzeitig eine ebenso üppige wie schmackhafte Eiweißquelle gewonnen, auf die

sie ständig zugreifen konnten. Irgendwann stellte sich zudem heraus, dass verrotteter Schweinemist wie auch anderer Mist ein guter Dünger ist und somit die Ernteerträge verbessert. Und irgendwann später wurde entdeckt, dass sich Schweinefleisch bestens zum Trocknen und Räuchern eignet und während der kalten Wintermonate, wenn Frischfleisch rar ist, monatelang haltbar bleibt.

Wie andere domestizierte Tiere sind Schweine gesellige Herdentiere, was sie dazu prädestiniert, eine starke symbiotische Beziehung zu Menschengruppen zu entwickeln.

Oben

W I E SCH W EI N E D O MESTI ZI ERT W U RD EN

19



KAPITEL 5

Schweinerassen


Wildschwein NUTZUNG

Fleisch HALTUNG

extensiv und halbwild FARBE

schwarzbraun

URSPRUNGSLAND/-REGION

Eurasien

180

S C HWE I NE R AS S S E N

Beschreibung Das Wildschwein wird hier vorgestellt, da es manchmal für den Feinschmecker­ markt gehalten wird. Wildschweine sind in großen Teilen Eurasiens verbreitet; auf dem europäischen Festland kommen Wildschweine überall noch wild vor. Sie gelten vielerorts als Plage und verur­ sachen Schäden in der Landwirtschaft, daher gibt es etliche Programme zur Bestandsregulierung. In Frankreich überstieg die Nachfrage zeitweilig allerdings das Angebot an Wildschweinfleisch, sodass man Fleisch importieren musste und begann Wildschweine zu züchten. Wildschweine sind langsam­ wüchsige Allesfresser und benötigen nur Low-Input-Futter. Sie müssen allerdings in einem Gehege mit robustem, hohem, aber durchwühlsicherem Zaun gehalten und vor Ort geschlachtet werden. Auf den Britischen Inseln sind Wildschweine seit Jahrhunderten ausgerottet; Gefangenschaftsflüchtlinge aus halbwilder Haltung haben sich jedoch in den letzten Jahrzehnten vor allem in Südengland wieder angesiedelt. Verhalten & Nutzung Wildschweine lassen sich nur extensiv halten. Da sie sehr gut springen können, muss die Zaunanlage bis zu 2 m hoch sein – höher als für Hausschweine. Im Umgang mit ihnen ist Vorsicht geboten, denn als Wildtiere können sie sich unberechenbar verhalten. Sie sind langsamwüchsig und haben kleinere Würfe als Hausschweine.


Berkshire-Schwein NUTZUNG

Fleisch HALTUNG

intensiv und extensiv FARBE

schwarz oder dunkelbraun mit weißen Abzeichen

URSPRUNGSLAND/-REGION

England

Beschreibung Das Berkshire-Schwein stammt aus der Gegend um Wantage (Grenze von Berk­ shire und Oxfordshire), ist inzwischen in seiner englischen Heimat aber seltener als in Nordamerika: Dort wurde im Lauf der Zeit eine marktfähigere Zuchtlinie entwickelt. Das ursprüngliche Berkshire-­ Schwein war gold- bis sandfarben und schwarz gefleckt (siehe Abb. S. 176); es wurde um 1830 von Lord Barrington veredelt und ist heute schwarz (oder dunkelbraun) mit weißer Schwanzspitze, weißen Füßen und weißer Schnauze/Blässe. Die Schnauze verweist auf den Einfluss der asiatischen Schweinerassen, die vermutlich von Barrington zur Verbesserung des Berkshire eingekreuzt wurden. Berkshires waren auch an der Entwicklung einiger nordamerikanischer Rassen beteiligt, vor allem beim Poland China. In England gilt das Berkshire-Schwein als «Schwein der Damen» (lady’s pig), da zu den prominenten Haltern vor allem Frauen zählen, z. B. Queen Victoria und Queen Elizabeth II. sowie die Kinderbuchautorin Beatrix Potter. Verhalten & Nutzung Berkshire-Schweine sind gutmütig und in der Haltung unproblema­ tisch. Das leicht gebaute Schwein ist raschwüchsig und liefert ein qualitativ besonders gutes Fleisch, ist zur Mästung auf höheres Schlachtgewicht aber ungeeignet. Die Sauen sind ruhige und aufmerk­ same Mütter.

SCH W EI N ERA SSEN

181


Angler Sattelschwein NUTZUNG

Fleisch, Speck/Bacon usw. HALTUNG

extensiv FARBE

schwarz-weißes Sattelschwein

URSPRUNGSLAND/-REGION

Deutschland

192

S CHWEINERA S S EN

Beschreibung Ursprünglich handelte es sich um ein schwarzbuntes Landschwein aus der Gegend von Schleswig (Norddeutschland); es wurde ab 1926 herdbuchmäßig erfasst und gezielt mit englischen Wessex-Saddleback-Schweinen sowie Schwäbisch-Hällischen Schweinen gekreuzt. So entstand ein Sattelschwein mit auffällig breitem weißem Gürtel. Diese tiefrumpfigen Schweine mit Halbschlappohren waren schnellwüchsig, für den modernen Markt aber meistens zu fett. Man kreuzte daher Dänische und Niederländische Landrasse ein, doch dies veränderte den Rassetyp zu stark. Um den Erhalt der eigentlichen Rasse zu sichern, kreuzte man deshalb Schweine des Original­ typs aus Ungarn und Ostdeutschland ein. Obwohl das Fleisch jetzt magerer war, hielt der Niedergang des Angler Sattelschweins an: 1986 gab es nur mehr 50 Individuen. Der Bestand hat sich dank eines Erhaltungsprogramms stabilisiert, doch die Rasse ist nach wie vor extrem gefährdet. Verhalten & Nutzen Da Schweine mit pigmentierter Haut auf dem gewerblichen Fleisch­ markt unbeliebt sind, hat man in der Züchtung auf einen immer breiteren weißen Sattel selektiert. Als Freilandrasse ist das Angler Sattelschwein für Kleinbetriebe attraktiv, die mehr auf traditionelle Qualitäten als auf rein kommerzielle Gesichtspunkte setzen. Es ist für Intensivhaltung ungeeignet; die Sauen sind gute, milchreiche Mütter.


Piétrain (Piétrain-Schwein) NUTZUNG

Speck/Bacon usw., Endstufeneber HALTUNG

intensiv FARBE

weiß mit schwarzen Abzeichen

URSPRUNGSLAND/-REGION

Belgien

Beschreibung Dieses schwarz-weiß gefleckte Schwein mit Stehohren wurde als lokale Rasse in der Gegend des Dorfs Piétrain in Brabant gehalten – fast wäre es ausgestorben, bis man nach dem 2. Weltkrieg seine Qualitäten erkannte, denn es war zu mager. Doch dann stieg die Nachfrage nach magerem Fleisch an, das Piétrain wurde «entdeckt» und nahm einen enormen Aufschwung. Erstaunlich, dass im vergleichsweise kleinen Belgien (mit nur wenigen heimischen Nutztierrassen) das Weißblaue Belgier-Rind, das Beltex-Schaf und das Piétrain-Schwein entstanden sind – alle drei mit extremer Bemuskelung und geringem Fettansatz. Das Piétrain, auch als «Vier-Schinken-Schwein» bezeichnet, entwickelte sich wohl um 1920 durch Kreuzung von Bayonne-Schweinen mit Large White und Berkshire; ein Herdbuch wurde 1958 eröffnet. Die schwar­ zen, manchmal roten Flecken sind meist von einem blaugrauen Säumungsstreifen umgeben. Verhalten & Nutzen Piétrains dienen weltweit als Endstufeneber (Vaterrasse) in der kommerziellen Hybridschweinezucht, um Bemuskelung und Wachstumsrate der Mastschweine zu verbessern. Das Piétrain ist allerdings Halothan-positiv (besitzt eine Mutation im Halothan-Gen) und daher sehr stressanfällig, was sogar zum Tod der Schweine führen kann und die Fleischqualität beeinträchtigt. Inzwischen selektiert man auf Halothan-negative Tiere. Piétrains werden meist in Intensivmast gehalten.

SCHWEINERA SS EN

193


Register

{

A

Chinesisches Maskenschwein 183

Abfallentsorgung 56–59 Abferkelbucht 92–93 Abferkeln 40–41, 94–95 Afrikanische Schweinepest 24 Aggression 104–105, 118–119 Alkaloide 78 Alkohol 34–35 Aminosäuren 78–79 Ammen 101 Anämie 99 Anatomie 28–29 Anatomie, Skelettsystem 30–31 Anatomie, Verdauungssystem 55 Angler Sattelschwein 192 Apicius, Caelius 169 Apportieren 142 Aristoteles 64 Ausbreitung, weltweite 22–23

Churchill, Winston 9 Cincinnati, Ohio 58, 133 Clark, Joseph 177 Colvin, Christina 107, 110 Cook, Captain James 23 Cornish, Charles 153 Cornwall-Schwein (Large Black) 50, 189 CRISPR 32 Cuino (Rasse) 70 Cumberland 178

D Dänische Landrasse 202 Dänisches Protestschwein 179 Darwin, Charles 50, 64 Dick, Thomas 56 Dickens, Charles 37, 56, 128 Dodo (Dronte) 23 Domestikation 18–19, 22

B

Dorset Gold Tip 178

Bacon, Frühstücksspeck 8, 160, 167 Bath, Somerset 86 Behaarung 66–69 Berkshire-Schwein 176, 177, 181 Betäubungsmittel, Aufspüren von 44 Big Bill (Eber) 97 Blut, Nutzung von 165 Borsten siehe Haare/Behaarung Bosch, Hieronymus 130 Brannock, St. 80 British Lop 50, 205 Bürsten 68–69

Drogen (Betäubungsmittel), Aufspüren von 44 Duftmarkierung 88 Duroc 114, 185

E Eisen 99 Elagabal 144 Emotionen/Gefühle 116 Entelodonten 15 Eof (Eoves) 80 Ernährung 56–61 Evans, George Ewart 144

C

Evesham Abbey, Worcestershire 147

Campion, Charles 168

extensive Tierhaltung 10–11, 160–163

F Färbung 66–67 Ferkel, Geburt 41, 94–95 Ferkel, Rangkämpfe 104 Ferkel, Verletzungen durch Hauer 47 Ferkel, Wachstum 96–97 Fett, Verwendung von 165 Film, Schweine im 129 Fischmehl 61 Forensische Entomologie 36 Fressen 54–55, 74, siehe auch Ernährung Futterbälle 53

G Gadarener Schwein 89, 126 Gascon 182 Gebärmutterhals (Cervix) 42 Geburt (Abferkeln, Werfen) 41, 94–95 Gedächtnis 108–111 Gehirn 53 Gehör 50 Gemälde, Schweine auf 130–131 George III., König 143 Gerichtsverfahren gegen Schweine 118–119 Geruchssinn 44–45 Gesichtssinn (Sehvermögen) 51 Gloucestershire Old Spots (Gloucester Old Spots, GOS) 67, 196 Goff, Lee 36 Göttinger Minischwein 208 Großes Yorkshire-Schwein (Large White) 206

H Haare siehe Behaarung Halsbänder, elektronische 55

Chappall, W.J. 97

Hampshire (Schweinerasse) 50, 200

Chester White 203

Hängebauchschwein, Vietnamesisches 31,

China 21

220

RE GI S TER

153, 154, 191


Harnblase, Nutzung 167

Kiefer 48

McCarthy, Eugene 36

Harting, James 155

Kirchner, Cristina 169

Medizin, Verwendung in der 30–33

Harvey, André 133

Klauen, Beschneiden der 63

Meishan-Schwein (Chinesisches

Hauer entfernen, Eber 49

Knochen, Nutzung von 165

Hauer entfernen, Ferkel 47

Kognition 52–53, 106–117

Melanom 31

Hauer und Zähne 46–49

Kolumbus, Christoph 23

Menschen, Aggression gegenüber 104,

Haustier, Schweine als 152–155

Kunekune 83, 187

Haut 30, 66–68, 165

Kunst, Schweine in der 130–133

Menschen, Ähnlichkeit mit 30–31, 150

Hautkrebs 31

künstliche Besamung 43, 90

Menschen, Wiedererkennen von 51, 113

Hereford-Schwein 186

L

Herring, John Jr. 131

Labor-Fleisch 212

Herzklappen 30, 32 Hills, Robert 131 Hirscheber (Babirusa) 49 Hirst, James 143 Hoden (Testes) 166 Hough, Jack 142 Hüteschweine 70, 106, 140–141 Hyotherium-Art 15

118–119

Milch 100, 101

Heimfindevermögen 110, 111 Herdbuch 176–177

Maskenschwein) 50, 51, 183

Lacombe 209 Lamb, Charles 21 Landwirtschaftsschauen 174–175 Large Black siehe Cornwall-Schwein Large White siehe Großes Yorkshire-Schwein Large White Ulster 178 Latrinen 58 Lautäußerung 102–103

Milchbildung (Laktation) 98–101 Middle White siehe Mittelgroßes YorkshireSchwein Milne, A.A. 125 Minnoch, Jon Brower 97 Mittelgroßes Yorkshire-Schwein (Middle White) 15, 70, 83, 177, 207 Montfaucon, Bernard de 144 Morley, Henry 117 Mulefoot 64, 201 Musik 53

Lear, Edward 124

I

Lebenszyklen, Hausschwein 40–41

Île aux Cochons (Schweineinsel) 25

Leder 68

Nachgeburt 95

Indianer 22, 23

Legenden und Sagen 80–81

Nahungssuche 39

Industrielle Tierhaltung/Fleischproduktion

Lernvermögen 108–111

Nahrungssuche, Pflanzengifte 78–79

Leslie, Fred 108

Nasenring 83

Intelligenz 52–53, 106–117

Lexington, North Carolina 169

Nestbau 92–93

Intensive Tierhaltung siehe Industrieller

Limousin-Schwein 199

Lebenszyklen, Wildschwein 38–39

10, 77, 92, 156–159, 174, 178, 212

Tierhaltung Islam, das Schwein im 148–149

Lincolnshire Curly Coat 70, 178

N

Ling, Aaron 144

O

Linné, Carl von 56

Obama, Barack 137

J

Literatur, Schweine in der 124–129

Jackson, Andrew 136

lockiges Fell, Rassen mit 70

lockige Rassen 70

Ohren 50 Organtransplantation 32 Orientierungssinn 111 Osborn, Henry Fairfield 46

Jagd 142–143

M

Ossabaw Island (Ossabaw-Schwein) 195

Judentum, das Schwein im 148, 150

Mangalitza-Schwein 67, 70, 190

Jungsteinzeit, Menschen der 14, 18, 19, 22

Marino, Lori 107, 110

P

Maskenschwein siehe Meishan-Schwein

Paarung 42–43, 88–90

Jagdbegleiter, Schweine als 142–143 Jagusak, Matt 44

K

Massentierhaltung siehe Industrielle

Karpaldrüsen 88, 89

Mastitis (Zitzenentzündung) 47

Käse 100 Kentigern, St. 80

Tierhaltung/Fleischproduktion Maul- und Klauenseuche 60 Mayle, Peter 139

Penis 42–43, 166 Persönlichkeit 116 Perspektivenübernahme 113 Pflanzengifte 78–79 pharmazeutische Produkte 32, 33

RE GI STER

221


Phenole 79

Slut 106, 142–143

Watson, Lyall 46

Piétrain (Piétrain-Schwein) 193

Smith, Grafton Elliot 46

Watters, Ian und Clive 140–141

Plage, Schweine als 24

Soto, Hernando de 22, 23

Welsh (Welsh Pig, Old Glamorgan) 204

Poland China (Poland-China-Schwein) 188

Sozialstruktur 113

Werfen siehe Abferkeln

Polizeiarbeit 44

Spanferkel 166

Wildschweine, als Plage 24

Prosthenops 46

Sperma 42

Wildschweine, als «Rasse» 180

Puławska (Puławska-Schwein) 197

Spielen 53, 110

Wildschweine, als Vorfahren 14–15

Spontane Selbstentzündung (Mensch) 37

Wildschweine, Domestikation 18–19

R

Spotted Swine 198

Wildschweine, Haut 67

Sprichwörter/Redensarten 134–137

Wildschweine, Intelligenz 53

Rassen, Entwicklung von 172–179

Spültrank 60

Wildschweine, Lebenszyklus 38–39

St. Malo, Bretagne 81

Wildschweine, weltweite Ausbreitung 22–23

St. Oswalds, Winwick, Cheshire 80, 147

Wilhelm von Tyrus 145

Stammbaum 16–17

Wollschwein siehe Mangalitza-Schwein

suhlen 77, 84–87

Wühlen 40, 44, 52, 53, 76–83

räumliches Lernen 111 Razorbacks (verwilderte Schweine) 24 Rasseschweine 178–179 Ringelschwanz siehe Schwanz

Wyeth, James 131

Rotbuntes Husumer Schwein 179 Rüssel 44–45

T

S

Tamworth 15, 67, 177, 184

Salvin, E.H. 155

Toomer, Richard und Edward 142–143

Toby, the Sapient Pig 117

Samenverbreitung 79 Schädlinge, Schweine als 24 Schafe hüten 106, 140–141 «Schafs-Schweine» 70 Schimpansen 36 Schlaf 74–75

Torfschweine 14

Schwäbisch-Hällisches Schwein 194

Y

Träumen 75

Yorkshire-Schwein siehe Large White,

Trollope, Frances 56, 58 Trüffelsuche 45, 138–139 Twain, Mark 127

V

Schwanz 65, 164, 165

Verdauungssystem 55

Schweinebestände, weltweit 210–211

Verwilderte Schweine 24

Schweinefleisch, Delikatessen 168–169

Victoria, Queen (Königin) 177

Schweinefleisch, Verzehrgebote 148–150

Vietnamesisches Hängebauchschwein 31,

Schweinefleisch, Wachstumsrate 24, 97

153, 154, 191

Schweinefleisch, weltweiter Konsum 20–21

vordere Schneidezähne 48

Schweinefutter 61

Vorfahren 14–15

Schweinegrippe 30

Vorstehen 142–143

Schweinemist 19 Schweinsfüße 30, 62–64 schwerstes Schwein 97

W

Sehvermögen 51

«Wachhunde», Schweine als 107

Seile 68 Selbstwahrnehmung 114 Shakespeare, William 126 Skelettsystem 30–31 Skulptur 132–133

222

RE GI S TER

Xenotransplantate 32

Trächtigkeit, Dauer der 40

schlappohrige Rassen 50 Schnauze 44–45

X

Wachstumsrate 74 Waffen, Tests an Schweinen 34 Wallace, William 107 Warzenschweine 83

Middle White Youatt, William 142, 144

Z Zahnbürsten 68 Zähne und Hauer 46–49 Zeitwahrnehmung 108–109 Zeuner, Friedrich 14–15 Zirkus, Schweine im 108, 117 Zitzenentzündung 47 Zuchtbuch siehe Herdbuch Zugtiere, Schweine als 144–145


Autorenbiografie Richard Lutwyche hat seit frühester Jugend mit Schweinen zu tun: Er wuchs auf einem gemischten Betrieb mit Ackerbau, Milchvieh und einer Schweineherde von reinrassigen Wessex Saddlebacks auf. Erstes Taschengeld verdiente er, indem er für den Schweinhirten Elektrozäune durch Anfassen auf Funktionsfähigkeit testete; im Sommer war er häufig auf lokalen und nationalen Landwirtschaftsund Rasseschauen zu finden, wo er Zuchtvieh vorstellte. Erst später, als er in der Wirtschaft arbeitete, wurde ihm klar, wie groß Unwissenheit und Vorurteile gegenüber Schweinen waren. Über Jahrzehnte trug er daher Informationen und Fakten über das Schwein zusammen, um dessen Kritiker zu überzeugen. Dies führte zur Veröffentlichung von vier Büchern: Rare Breed Pig Keeping (2003), Shetland Breeds (2003, als Co-Autor), Pig Keeping (2010) und Higgledy-Piggledy (2010). Er ist Autor zahlreicher Artikel in Zeitschriften wie The Field, Country Life sowie Country Living und gab zehn Jahre lang die Zeitschrift The Ark für den Rare Breeds Survival Trust (RBST) heraus.

{ Richard wirkt seit Langem ehrenamtlich an der Organisation von Landwirtschaftsschauen mit und ist zurzeit Vorstandsmitglied der Three Counties Agricultural Society, wo er als Chef-Steward eine der größten britischen Schweineausstellungen organisiert. Er war der Gründer und langjährige Organisator des Gloucestershire Old Spots Pig Breeders’ Club (GOSPBC) und war in ähnlicher Funktion über zehn Jahre beim British Saddleback Breeders’ Club tätig. Für den GOSPBC konnte er die Princess Royal (Prinzessin Anne) als Schirmherrin gewinnen und erreichte, dass die EU-Kommission dem Fleisch der Gloucestershire-Old-Spots-Rasse den Status einer «garantiert traditionellen Spezialität» (g.t.S.) verlieh, übrigens weltweit die erste derartige Auszeichnung für eine Tierrasse. In den 1990er-Jahren bewegte er den RBST zu einer Kampagne, die den kulinarischen Qualitäten gefährdeter Nutztierrassen galt und so zu ihrem Erhalt beitragen sollte. Die BBC zeichnete ihn 2010 im Rahmen der BBC Food & Farming Awards für sein Lebenswerk in Zusammenhang mit Schweinen und dem Erhalt gefährdeter Nutztierrassen aus.

Au to ren bi o gra fi e

223



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.