Joller-Graf, Rezeptbuch kompetenzfördernd unterrichten

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Klaus Joller-Graf Rezeptbuch kompetenzfรถrdernd unterrichten

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Klaus Joller-Graf

Rezeptbuch kompetenzfรถrdernd unterrichten Wenn Wissen wirksam wird

Haupt Verlag

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Diese Publikation erscheint mit freundlicher Unterstützung der Pädagogischen Hochschule Luzern

Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt. 1. Auflage: 2019

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-258-08118-2

Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2019 Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Satz: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, D-Göttingen Umschlaggestaltung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, D-Göttingen, nach einem Konzept des Verlags. Printed in Germany

www.haupt.ch

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Inhaltsverzeichnis 1 Ein Rezeptbuch zum Unterrichten? 2 Kompetenzen – was denn sonst …? Was Kompetenz meint Wie Wissen wirksam wird: Auf den Transfer kommt es an Aspekte einer Kompetenz Überfachliche Kompetenzen nutzen Erfolgreich in einer komplizierten Welt

3 Merkmale eines kompetenzorientierten Unterrichts

Erster Merkmalsbereich: Anforderungsreiche Situationen nutzen Zweiter Merkmalsbereich: Konsequent auf dem Vorwissen und Können aufbauen Dritter Merkmalsbereich: Von der Instruktion zur selbständigen Anwendung Kompetenz und «guter Unterricht» «Welcome to the Metropolitan Hotel New York.»

4 Unterricht kompetenzorientiert planen

Anforderungsreiche Situationen als Ausgangspunkt Wissen: Sich klar werden, was man wissen muss Wollen: Leistungsbereitschaft aufbauen Können: Erfahrungen in der Situation und Implizites Wissen Situiertes Lernen und Möglichkeiten der Instruktion Die Kognitive Meisterlehre Vollständige Lernprozesse durch Aufgabensets Passende Anforderungen durch Binnendifferenzierung und Individualisierung Vom angeleiteten Ausführen zum Selberkönnen: Selbstregulation aufbauen «Falsch kommissioniert, und schon sind Zeit und Geld verloren!»

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Inhaltsverzeichnis

5 Lernen unterstützen durch eine kompetenzorientierte Beurteilung Eine kompetenzorientierte Beurteilung umsetzen Schwerpunkte einer kompetenzorientierten Beurteilung «Gerade solche Fehler sind für uns in der Wissenschaft besonders spannend!»

6 Am Schulleitungssymposium: Kompetenzfördernden Unterricht entwickeln – auf die Wirkung kommt es an … 7 Literaturverzeichnis

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Ein Rezeptbuch zum Unterrichten?

Bücher über das Essen sind etwas Wunderbares. Großformatige Bilder, aufgenommen von Spezialistinnen und Spezialisten für die sogenannte Foodfotografie, dazu interessante Geschichten über die Produzentinnen und Produzenten, Wissenswertes über die Historie des Produkts oder Erinnerungen an die Bedeutung eines Gerichts in früheren Zeiten machen das Schmökern und Lesen in einem solchen Buch zu einem sinnlichen Vergnügen. Kochbücher füllen in Buchhandlungen ganze Regale, und die Verkaufszahlen sind im letzten Jahrzehnt geradezu in die Höhe geschnellt. Das mag etwas irritieren: Da spricht man darüber, dass sich die Leute immer weniger Zeit nehmen würden, um selbst zu kochen, und gleichzeitig steigen die Verkaufszahlen von Rezeptbüchern. Man darf allerdings vermuten, dass lediglich ein Bruchteil von all den Rezepten auch effektiv nachgekocht wird. Viele dieser Ideen dürften in den privaten Küchen wohl Papier bleiben, fein säuberlich gebunden zwischen zwei farbigen Buchdeckeln und gut sichtbar im Regal platziert. Rezeptbücher als Prestigeobjekte? Ein Kollege berichtete mir vor Jahren, dass er lange Zeit in der eigenen Küche ein umständlicher und gestresster «Nahrungszubereiter» gewesen sei. Das ständige Lesen des Rezepts, die dauernde Gefahr von Überraschungen, gleichzeitig den Herd und vielleicht sogar den Backofen im Auge behalten und immer wieder die Ahnung, man könnte doch etwas übersehen haben, hätten dazu geführt, dass er das Kochen nie als etwas Schönes empfunden habe. Bis er dann eines Tages eine Kochshow mit einem jungen, originellen britischen Koch gesehen habe. Virtuos und entspannt habe dieser ständig neue Gerichte kreiert. Und auch wenn ihm klar gewesen sei, dass diese Fernsehsendungen bis ins Detail geplant waren, habe es dennoch so gewirkt, als wäre Kochen primär etwas Spontanes, das viel Raum biete für Fantasie und Mut zum Unkonventionellen. Eigentlich, so die Quintessenz meines Bekannten, sei in der Küche kaum etwas falsch zu machen, schließlich könne man sich ja vorstellen, wie eine bestimmte Kombination schmecken würde, und wenn man sich bei ganz wilden Kreationen ganz langsam herantaste und immer wieder probiere, sei man immer auf der richtigen Seite. Diese Einsichten hätten sein Kochverhalten gänzlich verändert. Der Stress ist weg, die Angst, etwas

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Ein Rezeptbuch zum Unterrichten?

zu vergessen oder falsch zu machen, sei gebannt. Und die Rezeptbücher? Diese seien auch heute noch bedeutungsvoll, wenn auch in einer gänzlich anderen Funktion. Er lasse sich von den Ideen anderer anregen und erfahre dort, was die sich ausgedacht haben und was ihnen gefallen würde. Ideen und Erfahrungen anderer sind interessant und inspirieren zu eigenen Überlegungen. Und auch wer selbst vielleicht nie Basilikum-Gorgonzola-Knödel mit Datteltomatenkompott und Olivenmarmelade oder zum Nachtisch ein Erdbeer-Basilikum-Parfait mit Pistazienpesto zubereiten wird (Grandits & Wissing, 2007, 10 bzw. 18) lässt sich vielleicht dennoch inspirieren durch die tollen Bilder, durch die eine oder andere Zutat oder durch ungewohnte Zubereitungsarten. Denn etwas ist ganz sicher: Ihre Küche ist anders eingerichtet als die Küche einer Sterneköchin, die Zutaten, die Ihnen zur Verfügung stehen, sind auch nicht dieselben und ja: Die Anzahl Stunden in der Küche dürften ebenfalls kaum vergleichbar sein. Aber das Rezeptbuch beschreibt, wie Tomaten als Kompott zubereitet werden, mit etwas braunem Zucker, Olivenöl und Tomatensaft. Und wie Oliven mit Weißwein und Limette zu einer Marmelade eingekocht werden. Und nun? Was würden Sie aus dieser Idee machen? Inspiration heißt das Zauberwort. Erfahrungen und Ideen anderer weiterdenken und etwas daraus machen, was zu Ihren Rahmenbedingungen passt, Ihrer Erfahrung entspricht und sich mit Ihren Zutaten umsetzen lässt. Urs Hunziker, Leiter eines Verlags, welcher Kochbücher herausgibt, stellt fest, dass sich die Leserschaft zunehmend mit Leichtigkeit und Ästhetik ernähren möchte. «Das unterscheidet sich grundlegend von der Vollwertküche vergangener Zeiten, die immer mit einer gewissen Freudlosigkeit verbunden war.» Und er schließt daraus, «dass unsere Bücher genauso daherkommen müssen – leicht, locker und frei von jeder Selbstkasteiung» (Cronau, 2017). Genau das will das vorliegende Rezeptbuch auch einlösen: Mit Worten und Beispielen sollen Gedanken angeregt werden, die Mut machen zum Weiterdenken, die dazu inspirieren, einen eigenen kompetenzfördernden Unterricht zu entwickeln, einen, der zu Ihren Rahmenbedingungen, zu Ihrer Expertise und nicht zuletzt auch zu Ihrer Persönlichkeit passt. Immer mit dem Anspruch, dass am Schluss etwas «auf dem Tisch steht», das vielen richtig Freude macht! In diesem Buch werden dazu verschiedene Zugänge angeboten, die einer gewissen Logik folgen. Allerdings ist es durchaus auch möglich, die

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einzelnen Teile in einer anderen Reihenfolge zu lesen. Eben wie bei einem guten Rezeptbuch. Zuerst präsentiere ich ein Verständnis von Kompetenz, das einerseits Inspiration bieten soll, im eigenen Unterricht dem nachzuspüren, was sich positiv auf das Können der Schülerinnen und Schüler auswirkt. Im Zentrum steht dabei die Idee, dass Schule letztlich immer dazu dienen soll, dass die jungen Leute anforderungsreiche Situationen zunehmend besser, oder eben kompetenter, bewältigen können. Solche anforderungsreichen Situationen sind für die Lernenden nicht nur sinnstiftend, sie können auch Lehrpersonen Orientierung geben für die Auswahl der Unterrichtsinhalte. In einem nächsten Kapitel stelle ich Merkmale eines kompetenzfördernden Unterrichts vor. Und ich nehme es an dieser Stelle gleich vorweg: Mit der Kompetenzorientierung wird Unterricht nicht neu erfunden. Ich schließe mich da Reusser (2014b) an, der von einer Akzentverschiebung spricht. Wobei: Inwiefern es wirklich zu einer Verschiebung kommt, ist im Einzelfall zu prüfen. Bereits heute finden in Schulzimmern Lektionen statt, welche die Erwartungen an einen kompetenzfördernden Unterricht durchaus einlösen. In dem Sinne scheint es angemessen, von einer didaktischen Akzentsetzung zu sprechen. Präsentiert werden also gewissermaßen Merkmale, über die in einem kompetenzfördernden Unterricht Akzente gesetzt werden können. In einem weiteren Kapitel werden Hinweise zu Planungsüberlegungen gegeben, welche für eine Fokussierung auf den Kompetenzaufbau hilfreich sind. Es wird gezeigt, wie über anforderungsreiche Situationen bei den Lernenden Wissen, Wollen und Können aufgebaut werden. Eine wichtige Bedeutung kommt dabei den Aufgaben, einem geschickten Einsatz von Binnendifferenzierung und Individualisierung und nicht zuletzt den Selbstregulationsfähigkeiten der Lernenden zu. Eine Frage, die immer wieder auftaucht, wenn didaktische Konzepte diskutiert werden: Welche Auswirkungen hat das auf die Beurteilung und letztlich auf die Bewertung in Zeugnissen? Das fünfte Kapitel stellt dazu Überlegungen an, und es dürfte dabei klar werden, dass die didaktische Akzentsetzung auf Kompetenzförderung sich auch auf unser Beurteilungs- und Bewertungsverständnis auswirkt: Wenn mit der Kompetenzorientierung erwartet wird, dass das effektive Können der Lernenden Ziel des Unterrichts sein muss, dann muss auch effektiv das Können in anforderungsreichen Situationen beurteilt werden. Nun ist es aber nur bedingt

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möglich, in einem schulischen Kontext klare Aussagen zum Können in den anforderungsreichen Situationen zu machen. Damit muss man sich in der Schule arrangieren. Das letzte Kapitel richtet sich an Schulleitungen. Es werden Anregungen gegeben, wie Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse umgesetzt werden können. Kompetenzorientierten Unterricht zu gestalten, stellt für Lehrpersonen ebenfalls eine anforderungsreiche Situation dar. Die Schulleitungen sind herausgefordert, zusammen mit den Lehrpersonen Kompetenzen aufzubauen welche hilfreich sind, den Erwartungen an einen kompetenzfördernden Unterricht zu entsprechen. Gute Aufgaben, Binnendifferenzierung bzw. Individualisierung und Selbstregulation der Lehrpersonen sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen. Angerichtet werden diese Kapitel mit eingestreuten Fallbeispielen. Lehrpersonen und Lernende verschiedener Stufen und unterschiedlicher Schulen erlauben uns einen Einblick in ihr Schulzimmer und über ihre Schultern. Sie zeigen, wie sie Kompetenzorientierung im Unterricht verstehen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Lehrpersonen, die sich getrauten, sich zu exponieren und kompetenzorientierten Unterricht zu zeigen – im Bewusstsein, dass auch sie selbst noch und immer wieder in einer Entwicklung sind, Unterricht so zu gestalten, dass Lernende Wissen aufbauen, welches im Alltag wirklich wirksam wird.

Lassen Sie sich inspirieren, nutzen Sie die Zutaten, mit denen Sie bereits vertraut sind, und kombinieren Sie diese mit neuen und unbekannten!

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