Hagan, Horrorgami

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Marc Hagan-Guirey

HORRORGAMI 20 gruselige Szenen zum Schneiden und Falten

Haupt Verlag


Meiner Mutter gewidmet

Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel Paper Dandy’s Horrorgami bei Laurence King Publishing Ltd., GB-London Copyright © 2015 Marc Hagan-Guirey Autorenrechte eingetragen für Marc Hagan-Guirey. Aus dem Englischen übersetzt von Birgit Lamerz-Beckschäfer, D-Datteln Lektorat der deutschsprachigen Ausgabe: Jutta Orth, D-Freiburg Satz der deutschsprachigen Ausgabe: Verlag Die Werkstatt, D-Göttingen Umschlaggestaltung und Layoutkonzept: Charlotte Klingholz Printed in China

Die durch die Transportkosten verursachten CO2-Emissionen wurden durch den Kauf eines CO2-Zertifikats kompensiert. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-258-60138-0 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2015 für die deutschsprachige Ausgabe Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. www.haupt.ch Wünschen Sie regelmäßig Informationen über unsere neuen Titel zum Gestalten? Möchten Sie uns zu einem Buch ein Feedback geben? Haben Sie Anregungen für unser Programm? Dann besuchen Sie uns im Internet auf www.haupt.ch. Dort finden Sie aktuelle Informationen zu unseren Neuerscheinungen und können unseren Newsletter abonnieren.

Ich danke … meiner wunderbaren Familie: Barry, Lorinda, Cathy, Eamon, John und den Kindern Molly, Jacob, Harry und dem Neuankömmling, meiner Kunstlehrerin Fiona McAveery und meiner Uni-Tutorin Susan Platt, Catherine Collins und der Gallery One and a Half für die Verwirklichung der Horrorgami-Ausstellung, Lex, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Laurence King für die Chance, dieses Buch zu machen – ganz besonders Lewis, Sarah und Peter. Und Derren – danke!


Inhalt

Einleitung

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So verwenden Sie dieses Buch

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01 Das Ding unter der Treppe

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02 Eine Gruft zum Gruseln

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03 Blutbad im Kinderzimmer

21

04 Der Untergang des Hauses Usher

27

05 Der Galgenberg

33

06 Das Mörderhaus

39

07 Die Sage von der schläfrigen Schlucht 45 08 Die Katakombe

51

09 Ein Spukhaus

57

10 Die Farm des Grauens

63

11 Carfax

69

12 Der Werwolf

75

13 Von Außerirdischen entführt

81

14 Dr. Frankensteins Burg

87

15 Dr. Frankensteins Labor

93

16 Die Totenkopfinsel

99

17 Das Rocky-Horror-Schloss

105

18 Graf Draculas Schloss

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19 Die Geisterbahn

117

20 Monsterangriff

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Einleitung

Decorex Palace: Foto von John Godwin www.john-godwin.co.uk

Horrorgami vereint Dinge, an denen mein Herz hängt: Horror, Basteln und Architektur. Schon lange bevor ich Horrorgamis faltete und den ersten Horrorfilm meines Lebens sah, war Basteln meine Lieblingsbeschäftigung, und das ist bis heute so geblieben. Als Kind war ich weder besonders sportlich noch allzu selbstbewusst. Auch wenn ich gelegentlich einsam war, fühlte ich mich am wohlsten, wenn man mich einfach in Ruhe ließ. Stillvergnügt verbrachte ich ganze Tage damit, mit Eierkartons, Klopapierrollen und Müslischachteln herumzuwerkeln. Manchmal standen die Wocheneinkäufe noch keine fünf Minuten im Schrank, da versuchte ich schon, meiner Mutter die Schachteln gegen Mithilfe im Haushalt abzuschwatzen. Sie gewöhnte sich irgendwann daran und besorgte stapelweise Plastikdosen. Als ich klein war, hatten wir nicht viel Geld, aber irgendwie kamen wir

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über die Runden. Meine Mutter besorgte mir sogar immer die neuesten Actionfiguren, auf die alle Kinder scharf waren: Ob He-Man, ThunderCats oder die Retter der Erde – ich hatte sie alle. Zu Weihnachten und an meinem Geburtstag warteten im Wohnzimmer schon Skeletor und seine Schergen auf mich, ausgepackt und in einer Schlachtszene aufgestellt. Obwohl ich wusste, dass wir nicht gerade reich waren, fragte ich mich nie ernsthaft, wie meine Mutter es schaffte, mir so viel Spielzeug zu kaufen – bis ich sie Jahre später danach fragte. Ich wuchs in den 1980er-Jahren während der Unruhen in Nordirland auf, als Bomben oft ganze Kaufhäuser in Schutt und Asche legten. Sparsam, wie sie war, marschierte meine Mutter in diese Läden und durchsuchte die vom Feuer beschädigten Waren. Sie kaufte ganze Ensembles, warf die angekohlte Verpackung weg und schrubbte die Figuren, bis sie wieder wie neu aussahen. Für mich waren sie jedenfalls nagelneu, und ich fand es prima, dass ich keine Zeit mit Auspacken vergeuden, sondern gleich zur Attacke auf Castle Grayskull blasen konnte. Das allerdings war gar nicht so einfach, denn die Burg besaß ich nicht. Also suchte ich aus meinem Kartonfundus das Passende heraus und baute die Festung nach meinen eigenen Vorstellungen nach. Hierin wurzelt meine Liebe zur Architektur, da bin ich ganz sicher. Mein großer Bruder und ich waren als Kinder grundverschieden. Er war ausgelassen und sportlich, ich schüchtern und kreativ. Aber eine Leidenschaft verband uns: Horrorgeschichten. Wenn man in einer streng katholischen Stadt aufwächst, kann man sich dem tief in der Gesellschaft verwurzelten Aberglauben kaum entziehen. Die Gleichung war einfach: Wenn es Gott gibt, dann gibt es auch den Teufel. Logischerweise existierten dann natürlich auch Dämonen, Geister und


so etwas wie Besessenheit – Dinge, die Kinder faszinieren und die Religion für mich interessant machten. Ich bin sicher, sie waren auch der einzige Grund dafür, dass ich mich noch mit über zwanzig als „spirituell“ bezeichnete. In unserer Stadt kursierten massenhaft Schauer- und Spukgeschichten. ­Allein mit den Gerüchten über den angeblichen Teufelskult der „Weißhauben“, die meine Heimatstadt in Angst und Schrecken versetzten, oder über den „Axtmörder“, der, wie es hieß, jedes Jahr an seinem Todestag als beilschwingender Rächer die Straßen unsicher machte, könnte ich ein weiteres Buch füllen. Wir liebten solche Geschichten, gierten nach mehr und stillten unseren Appetit mehr schlecht als recht mit Horrorfilmen. Ob mein Bruder es im Stillen genoss, mich vor Angst bibbern zu sehen, weiß ich nicht. Fakt ist: Wenn er auf mich aufpassen musste, durfte ich lange aufbleiben und mir Filme anschauen, die für mein Alter denkbar ungeeignet waren – Amityville Horror, Der Exorzist, Psycho. Die meisten habe ich wohl gesehen, bevor ich ins Teenageralter kam. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass es weder heilige noch unheilige Geister gibt, aber meiner Liebe zum Horror tut das keinen Abbruch. Im Laufe der Jahre erweiterte ich meine architektonischen Kenntnisse; meine Neugier beschränkte sich nicht mehr ausschließlich auf die Schlupfwinkel von Comicfiguren. Vor allem Bauwerke des Art déco und der 1940er- bis 1960er-Jahre faszinieren mich von jeher, allen voran die Entwürfe von Frank Lloyd Wright. Als ich 2010 mit meiner Lebensgefährtin nach Los Angeles reiste, vereinbarte sie einen Besichtigungstermin für das Gebäude, das mir von allen Werken dieses Architekten am besten gefällt: das 1923 entworfene Ennis House. Filmfans ken-

nen es aus Blade Runner (es beherbergt Deckards Wohnung) und aus dem Horrorfilm Das Haus auf dem Geisterhügel von 1959 mit Vincent Price. Lange Zeit wurde es vernachlässigt, und nach dem katastrophalen Erdbeben von 1994 hielt es sich nur noch mit Mühe auf seinem Hügel. Später bemühte sich ein gemeinnütziger Verein um die Restaurierung, doch den Helfern in der Not ging das Geld aus, und sie warfen das Gebäude für 15 Millionen Dollar auf den Markt. Da es der Öffentlichkeit rund 20 Jahre lang nicht zugänglich gewesen war, nutzten wir diese einmalige Chance schamlos aus. Ich war ahnungslos, bis wir vor dem Tor ankamen. Während wir umherschlenderten und die üblichen Fragen zu Sanitäranlagen und Elektroleitungen vom Stapel ließen, schlug mir das Herz bis zum Hals – teils aus Angst, man könnte uns durchschauen, teils aus schierer Überwältigung. Im Nachhinein denke ich, dies war meine einzige „richtige“ spirituelle Erfahrung. Wieder daheim, wollte ich dieses einmalige Erlebnis mit einem Erinnerungsstück würdigen und beschloss, ein Modell des Hauses zu basteln. So entdeckte ich die Papierkunst Kirigami. Ihre Faltobjekte sind so filigran und das Papier ist so fein, dass mir diese Technik für einen Nachbau wie geschaffen schien. Mein Modell gefiel allen, und schon plante ich das nächste. Für die Addams Family hege ich seit Langem eine echte Obsession. Und da mich Architektur genauso fasziniert wie alles Makabre, kaprizierte ich mich auf ihr verfallenes Second-Empire-Herrenhaus. Das aus der Filmversion von 1991 hatte es mir besonders angetan. Mit seinen unzähligen Räumen, riesigen Treppenhäusern, Geheimtüren, gruftartigen Kellergewölben und dem verrottenden Jugendstildekor war es ein eigenständiger, allgegenwärtiger Teil der Familie. Nicht

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Einleitung

gerade das, was man unter einem Traumhaus versteht, aber für mich war es eins. Als Jugendlicher bastelte ich aus allem, was mir in die Finger kam, Modelle davon. Bis heute bemühe ich mich, einen exakten Grundriss des Hauses anzufertigen. Sobald in einer Filmszene ein Innenraum zu sehen ist, halte ich das Videobild an und stückle die einzelnen Teile zusammen. Im Internet machte ich die E-Mail-Adresse des Filmarchitekten Larry Hubbs ausfindig, der das Haus entworfen hatte. Mit klopfendem Herzen (schließlich war er ein Held meiner Kindheit!) schrieb ich ihm eine Mail und hängte ein paar Fotos von meinem Kirigami-Haus an. Zu meiner Überraschung erhielt ich ein paar Wochen später eine Antwort: Er war sehr angetan und schickte mir Scans seiner Originalaufrisse. Er entschuldigte sich sogar, dass er die Grundrisse nicht mehr hatte, korrigierte aber den Entwurf, den ich anhand der Standbilder angefertigt hatte. Ich war völlig aus dem Häuschen. Selbstverständlich schickte ich ihm ein Modell, das, wie er mir versicherte, nun bei ihm zu Hause auf dem Schreibtisch steht. Als das Haus der Addams Family fertig war, fiel mir auf, dass ich nun schon zwei „Geisterhäuser“ gebastelt hatte, und mir wurde klar, dass meine Vorliebe für Horror und Architektur ein neues kreatives Ventil gefunden hatte – Horrorgami! Zufällig hatte ich damals gerade meine Stelle als Atelierleiter einer Werbeagentur gekündigt, um in ein neues Projekt einzusteigen, doch das fiel unversehens ins Wasser, sodass ich erst einmal arbeitslos war. Während ich die nächsten beruflichen Schritte plante, arbeitete ich weiter an meinen Horrorgami-Modellen. Um diese Zeit lernte ich Catherine Collins kennen, die Inhaberin der Gallery One and a Half in Hackney, East London. Am Halloween-

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Abend 2012 wurde „Horrorgami“ eröffnet – eine Ausstellung mit 13 Kirigami-Modellen von Spukhäusern aus Film und Fernsehen. Durch die Ausstellung wurde ich bekannt, was zur Folge hatte, dass ich zwischenzeitlich Unternehmen wie Samsung, Procter & Gamble und Decorex International zu meinen Kunden zählen darf. Besonders stolz bin ich auf ein Modell für den Terrence Higgins Trust, das im März 2014 bei einer Benefizauktion bei Christie’s versteigert wurde: Soho Uncut brachte 19.000 Pfund ein, von denen jeder Penny für wohltätige Zwecke gespendet wurde. Ich konnte gar nicht glauben, dass das alles aus einem bloßen Hobby entstanden war. Traditionell baut man mit der Kirigami-Technik Gebäude wie das Empire State Building oder den Eiffelturm nach. Doch so schön die Ergebnisse auch sind – ich hatte das Gefühl, es wäre noch mehr drin. Was mich an Kirigami reizt, geht über die reine Papierfaltkunst hinaus: Die Modelle sind wie Theaterkulissen, sie erzählen Geschichten und erschaffen einen faszinierenden visuellen Kosmos, in den Betrachter eintauchen können. Es macht mir unendlich viel Vergnügen, in meinem Atelier zu hocken und mit akribischer Sorgfalt winzige Bildwelten zu kreieren, in die man hineinschauen kann. Eigentlich ist alles wie früher – ich bin noch immer das verträumte Kind, das das Klopapier abrollt, um an die Pappröhre zu kommen, und Cornflakes in Plastikdosen umfüllt, um die Schachtel stillvergnügt in eine Kartonfestung zu verwandeln. Der einzige Unterschied ist, dass ich diese Leidenschaft heute mit Ihnen teilen darf.


So verwenden Sie dieses Buch Das A und O für das Gelingen von Horrorgami-Projekten ist die Vorbereitung. Legen Sie alles, was Sie benötigen, griffbereit, und sorgen Sie für eine gute Beleuchtung des Arbeitsplatzes. Es empfiehlt sich, kurzärmelige Kleidung zu tragen und Armbänder, die am Papier hängen bleiben könnten, abzulegen. Lassen Sie sich Zeit beim Schneiden, und legen Sie zwischendurch immer wieder Pausen ein. Papier in solch kleinem Maßstab zu bearbeiten ist oft sehr anstrengend. Sollte Ihnen dabei einmal ein Fehler unterlaufen, stellen Sie einfach das Modell fertig, und reparieren Sie die schadhafte Stelle dann mit einem Stückchen Klebestreifen. Wenn Sie die Vorlagen aufbewahren, können Sie auch einfach einen zweiten Versuch machen.

Werkzeug und Material Falzbein – Nicht unbedingt nötig, sorgt beim Falten aber für saubere, scharfe Kanten. Cuttermesser und Klingen – Kaufen Sie die Klingen auf Vorrat, und werfen Sie benutzte Klingen weg, sobald sie stumpf werden. Metalllineal – Plastiklineale halten scharfen Klingen nicht stand und haben höchst selten wirklich gerade Kanten. Halten Sie das Lineal sauber. Papier – Für die Modelle in diesem Buch haben wir Karton der Stärke 200 g/m² verwendet. Wenn Sie das Buch nicht zerschneiden möchten, können Sie die Vorlagen einscannen oder fotokopieren und auf handelsüblichem Karton (180–220 g/m²) ausdrucken. Selbstheilende Schneidematte – Schützt die Arbeitsplatte und verhindert, dass die Klingen allzu schnell stumpf werden. Stäbchen oder Zahnstocher – Zum Herausdrücken kleiner Falten und zum Fixieren von Falten, während man den Karton in die andere Richtung knickt.

Grundlegende Begriffe Machen Sie sich zunächst mit den folgenden Grundbegriffen vertraut:

Hintergrund – der „Himmel“ und die Rückwand des Modells Grundfläche – der „Boden“ bzw. die Standfläche des Modells

Fassaden – die meist zur Vorderseite hin ausgerichteten „Wände“ des Modells, die oft Türen und Fenster besitzen Horizont – die rechtwinklige Bruchkante zwischen Grundfläche und Hintergrund; sie wird meist als Erstes geknickt Schnittlinien – die durchgehenden schwarzen Linien auf den Vorlagen, an denen entlang der Karton komplett durchgeschnitten wird Die Motive werden jeweils auf die Rückseite des Kartons gedruckt. Die Fotos zeigen die – unbedruckte – Schauseite der Modelle.

Schneiden, anritzen und falten Ich arbeite mich am liebsten von innen (der Modellmitte) nach außen vor. Dann widme ich mich Details wie den Umrissen von Figuren und anderen „krummen“ Linien. Die meist zahlreichen und kleinteiligen Schnittlinien müssen nicht hundertprozentig akkurat nachgeschnitten werden. Solange Sie mit dem Cuttermesser die vorgesehene Richtung einhalten, funktioniert das Modell – auch wenn Sie hie und da mal danebenschneiden. Falzen Vor dem Falzen wird der Karton bis auf halbe Stärke angeritzt. Dann lässt er sich problemlos rechtwinklig knicken. Verwenden Sie zum Flachreiben der Falten eine stumpfe Klinge oder ein Falzbein. Berg- und Talfalten Falten werden stets von vorn, also von der Schauseite des Modells her, betrachtet und

aus dieser Perspektive beschrieben. Talfalten sind auf der Motivvorlage als grüne Strichpunktlinien eingezeichnet, werden von hinten angeritzt und nach innen geknickt. Bergfalten sind als orangefarbene Linien dargestellt, werden von vorne angeritzt und nach außen gefalzt. Der Horizont eines Modells ist also immer eine Talfalte – auch wenn er von hinten geknickt wird. Bergfalten markieren Der Karton wird nur auf der Rückseite bedruckt; so können Sie sehen, wo die Schnitte und Talfalten verlaufen. Die Falzlinien für die Bergfalten müssen mit kleinen Einschnitten markiert werden. Schneiden Sie hierfür mit der Spitze des Cuttermessers jeweils beide Enden der orangefarbenen Linien ein, sodass auf der Kartonvorderseite zwei kleine Löcher zu sehen sind. Bei längeren Bergfalten empfehlen sich ein, zwei weitere Markierungsschnitte im Linienverlauf. Drehen Sie den Karton um, sodass die Vorderseite oben liegt, verbinden Sie die Markierungen mit einem Lineal, und ritzen Sie die Linie an. In Etappen falten Sie sollten Falten nie sofort richtig flach streichen, sondern in Etappen arbeiten. Knicken Sie den Karton an der vorgesehenen Stelle zunächst unter leichtem Druck in die gewünschte Richtung. Wenn Sie mit dem ganzen Modell durch sind, streichen Sie die Falten in einem zweiten und dann in einem abschließenden dritten Arbeitsgang mit zunehmendem Druck flach. Haben sich die Bruchkanten erst einmal eingeprägt, lassen sie sich nicht mehr glätten. Es ist also wichtig, sämtliche Berg- und Talfalten vor dem Falzen akkurat anzuritzen. Prüfen Sie vor dem Falzen noch einmal, ob Sie keine Falzlinie vergessen haben.

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Falttechniken Die optimale Faltmethode ergibt sich oft intuitiv. Hier zeige ich nur ein paar Techniken, die in den Anleitungen auftauchen. Da die Modelle im Verlauf des Buchs immer anspruchsvoller werden und einmal erklärte Techniken und Begriffe später als bekannt vorausgesetzt werden, gehen Sie am besten chronologisch vor.

Herausdrücken – das Modell in einer Hand halten und den Karton mit dem Zeigefinger der anderen Hand an der Bruchkante knicken. Bei längeren Falten müssen Sie sich Stück für Stück vorarbeiten. Die übliche Technik zum Falzen von Talfalten.

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Hebeln – den Mittelfinger hinter der Falte als Hebel einsetzen und mit Zeigefinger und Daumen von vorne Gegendruck ausüben.

Kneifen – bei kleinen Berg- und Talfalten manchmal sinnvoll, ansonsten nicht zu empfehlen.

Mit Stäbchen hebeln – statt des Mittelfingers ein Stäbchen zum Hebeln einsetzen, um Falten nach vorne zu ziehen, die für den „Fingerhebel“ zu klein sind.

Gegendrücken – den flach gehaltenen Karton mit beiden Händen in horizontaler Richtung zusammendrücken. Lassen Sie ihn anschließend in die Ausgangsposition zurückgleiten, und wiederholen Sie die Technik, bis die Bruchkanten sich eingeprägt haben. Sehr nützlich zum Falten von Treppen.


01 Das Ding unter der Treppe


01 Das Ding unter der Treppe Schwierigkeitsgrad: leicht

Unter der Treppe ist etwas, und was immer es sein mag – es ist nicht von dieser Welt. Dieses Modell zeigt das grauenhafte Wesen, das in meiner kindlichen Fantasie im Dunkeln lauerte. Da ich ein seltsames Kind war, war mein Drang, die Sache genau zu untersuchen, stärker als mein Fluchtimpuls. Doch das änderte sich schlagartig an Halloween 1992. Ich war allein zu Hause und schaute mir im Fernsehen die BBC-„Mockumentary“ Ghostwatch an. In dem fiktionalen Dokumentarfilm untersucht ein Kamerateam scheinbar live ein angeblich von Gespenstern heimgesuchtes Vorstadthaus irgendwo in Großbritannien mit „Spukdetektoren“ und führt Interviews mit den Bewohnern. Zu Beginn wird darauf hingewiesen, dass alles erfunden ist, aber die allermeisten Zuschauer waren überzeugt, Zeugen realer Ereignisse zu sein. Der im Haus rumorende böse Geist namens Pipes hält im Wandschrank unter der Treppe ein Mädchen gefangen und tritt im Laufe des Films immer öfter in Erscheinung. Es war die traumatischste Fernseherfahrung meines Lebens. Unser Nachbar fand mich schluchzend auf der Türschwelle vor, weil ich Angst hatte, allein im Haus zu bleiben. Wenn Sie Ghostwatch nicht kennen, schauen Sie sich den Film unbedingt an. Er ist ein Vorläufer des Horrorstreifens Paranormal Activity (2007) und begründete das „Found-Footage“-Filmgenre. Das Horrorgami-Modell ist architektonisch simpel, aber sehr eindrucksvoll, vor allem wegen der Treppe. Der Horror entsteht hier durch die Tentakel eines Ungeheuers, die sich aus der halb geöffneten Tür hervorschlängeln.

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01 / Das Ding unter der Treppe

Schneidetipps Fangen Sie mit der Tür und den Tentakeln an, und lassen Sie sich für das Zuschneiden der Fangarme Zeit. Wenn Ihre Schnittführung noch zu wünschen übrig lässt, improvisieren Sie einfach. Das Geländer macht etwas Mühe, doch der Rest geht ganz schnell.

Faltanleitung 1

Den Karton mit der bedruckten Seite nach oben legen und den Horizont heraushebeln: Den Mittelfinger unter die Bruchkante legen und Hintergrund und Grundfläche mit Daumen und Zeigefinger nach unten drücken.

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Den Karton umdrehen, sodass die bedruckte Seite unten liegt, und die Bergfalten am Geländer und an der Galerie (A) heraushebeln.

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Den Karton um 180 Grad drehen (die bedruckte Seite liegt immer noch oben). Die lange Talfalte zwischen der Galerie und dem Hintergrund herausdrücken. Das geht am besten, wenn Sie den Karton oberhalb und unterhalb der Falzlinie mit Daumen und Zeigefinger fassen.

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Die Berg- und Talfalten der Treppe herausdrücken: Den Karton mit einer Hand festhalten und mit der anderen die Rückseiten der Stufen vorschieben, bis sie im rechten Winkel zu den Trittflächen stehen. Den Karton wenden und die andere Seite der Treppe bearbeiten.

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Die Talfalte zwischen der Vorderseite der Treppe und der Grundfläche herausdrücken. Den rechten Zeigefinger als Hebel unter die Bruchkante legen und mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand von oben dagegendrücken.

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Die Treppe falten. Rückwand und Treppenvorderseite zwischen Zeigefinger und Daumen nehmen und gegeneinanderdrücken, sodass die Treppe sich als Ganzes in den Raum schiebt. Wiederholen Sie diesen Vorgang mehrmals, und üben Sie dabei immer mehr Druck aus. Das Modell am Horizont zusammenklappen und wieder entfalten. Voilà: Ihr erstes Werk!




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