FLECHTEN MITÂ WEIDEN
JENNY CRISP
FLECHTEN MITÂ WEIDEN vom Anbau bis zum gef lochtenen Objekt mit 20 Projekten
MIT FOTOS VON SARAH WEAL
HAUPT VERLAG
Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel Willow bei Jacqui Small für White Lion Publishing, einem Imprint der Quarto Publishing Group. Copyright © 2018 Quarto Publishing Plc Konzept, Gestaltung und Produktion: Jacqui Small, an imprint of the Quarto Group 6 Blundell Street London N7 9BH United Kingdom www.QuartoKnows.com Text © Jenny Crisp Fotografien © 2018 Jacqui Small/Quarto Publishing Group Design: Rachel Cross Fotografin: Sarah Weal Stylistin: Caroline Davis Aus dem Englischen übersetzt von Eva Korte, D-Börger Lektorat der deutschsprachigen Ausgabe: Melanie Schölzke, D-Stuttgart Umschlag und Satz der deutschsprachigen Ausgabe: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, D-Göttingen
Printed in China Um lange Transportwege zu vermeiden, hätten wir dieses Buch gerne in Europa gedruckt. Bei Lizenzausgaben wie diesem Buch entscheidet jedoch der Originalverlag über den Druckort. Der Haupt Verlag kompensiert mit einem freiwilligen Beitrag zum Klimaschutz die durch den Transport verursachten CO2-Emissionen und verwendet nachhaltiges FSC-Papier. Diese Publikation ist in der Deutschen Nationalbibliografie verzeichnet. Mehr Informationen dazu finden Sie unter http://dnb.dnb.de ISBN 978-3-258-60204-2 Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Copyright © 2019 für die deutschsprachige Ausgabe Haupt Bern Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt. Wünschen Sie regelmäßig Informationen über unsere neuen Titel zum Gestalten? Möchten Sie uns zu einem Buch ein Feedback geben? Haben Sie Anregungen für unser Programm? Dann besuchen Sie uns im Internet auf www.haupt.ch. Dort finden Sie unser Online-Magazin, aktuelle Informationen zu unseren Neuerscheinungen und können unseren Newsletter abonnieren.
INHALT 6
Weide: uralt und zugleich modern
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MIT WEIDE ARBEITEN
11 Warum ich mit Weide arbeite 12 Weidenanbau für den Eigengebrauch 12 Materialkenntnisse erwerben 14 Die Anbaufläche auswählen 15 Das Weidenbeet bepflanzen 16 Weiden ernten 16 Schneiden 16 Sortieren 18 Trocknen und lagern 19 Weidenkategorien 20 Vorarbeiten zum Flechten 20 Einweichen 20 Weiden nachweichen lassen 22 Die Geschmeidigkeit erhalten 22 Weiden nach Dicke sortieren
24 Arbeitsplatz und Werkzeug 24 Sitzgelegenheit und Arbeitstisch 24 Werkzeug
58 Rippengeflechte 60 Brotteller 64 Obstschale 68 Erntekorb
28 WICHTIGE TECHNIKEN
74 Spiralgeflechte 76 Serviettenring 80 Vogelfuttersäule 84 Eierkorb 88 Knoblauchkörbchen
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Bevor Sie beginnen Der Umgang mit Weiden Ihre Hände Zusammenspiel von Materialdicke und Abstand 32 Rahmen 32 Schräge Schnitte ausführen 32 Grundelemente 34 Rahmen aus Astgabeln 35 Rechteckiger Rahmen 36 Kreisförmiger Rahmen 37 Zäunen im spitzwinkeligen Rahmen 38 Dreierkimme 39 Gangweises Zäunen 40 Zuschlag mit fünf Paaren 42 PROJEKTE 44 Flache Geflechte 46 Stern 50 Fisch 54 Sichtschutz
92 Runde Geflechte 94 Weidenkranz 98 Lampenschirm 102 Pflanzenstütze 108 Coracle-Sitz 114 Papierkorb 120 Rechteckige Geflechte 122 Untersetzer 126 Frühstückstablett 132 Blumenbehälter 136 Brotzeitkorb 140 Wäschekorb 144 Bezugsquellen 144 Dank
WEIDE: U R ALT U ND ZUGLEICH MODERN Korbflechten gehört zu den ältesten Handwerkskünsten der Menschheit. Einige geflochtene Fundstücke lassen sich bis auf die Mittelsteinzeit zurückdatieren. Dass Menschen aus Materialien, die sie unmittelbar dort finden, wo sie leben, Behausungen, Behälter, Gebrauchsgegenstände für Haus und Garten und sogar Kleidung und Schmuck flechten, ist seit Tausenden von Jahren in unterschiedlichsten Gesellschaften üblich. Gräser wurden auf diese Weise zu Schuhen, Umhängen oder Teppichen verarbeitet, biegsame Zweige zu Schachteln, Booten oder Häusern. Menschen entwickelten Kenntnisse und Vertrautheit mit diesen Werkstoffen und gestalteten sich ein ausgesprochen vorteilhaftes Zusammenspiel von Natur und Umwelt – häufig hing das Überleben von diesem tief verwurzelten Wissen ab. Bis zum 20. Jahrhundert änderte sich kaum etwas daran. In den meisten Gemeinschaften, ob ländlich oder städtisch, wurden nahe gelegene Flächen genutzt, um darauf Weiden anzubauen. Tatsächlich gerieten der Weidenanbau und die Korbmacherindustrie erst in den 1960er-Jahren in die Krise – dies hatte mit der sich schlagartig entwickelnden Massenproduktion künstlicher Werkstoffe zu tun, und auch damit, dass internationaler Transport nun kostengünstig möglich war. Bis dahin waren viele Menschen noch mit dem Anbau, der Ernte und der Verarbeitung von Weide verbunden gewesen, doch dies ging nun innerhalb einer einzigen Generation verloren. Ein Leben nah an der Natur war nicht mehr selbstverständlich und es schien auch kein instinktives Bedürfnis danach zu geben – es wurde den Menschen fremd. An den Arbeitsabläufen beim Anbau und der Verarbeitung von Weide hat sich bis heute nur wenig geändert. Im Gegensatz zu anderen Handwerken wie dem Weben und Töpfern, der Holzbearbeitung und der Schmiedekunst entging das Korbflechten den Entwicklungen der industriellen Revolution. Es gibt zahlreiche Weidenarten, die sich zum Korbflechten eignen, sie wachsen in vielen verschiedenen Höhen und Breiten, Dichten, Farben und Strukturen. Jede zeichnet sich durch spezifische Eigenschaften aus, was wiederum beeinflusst, wie die Weiden jeweils verwendet werden. Es ist noch nicht gelungen,
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eine Maschine zur Produktion von Körben zu erfinden, weil man nicht standardisieren kann, was Mutter Natur hervorbringt. Glücklicherweise kann man nicht erwirken, dass Weiden zu einem gleichförmigen Material heranwachsen, das genau auf die Anforderungen technischer Geräte abgestimmt ist. Aus diesem Grund ist das Weidenflechten ein Handwerk geblieben, das den Kräften und Entwicklungen des modernen Lebens widersteht. Die Werkzeuge und Werkstätten der Korbflechter von heute sind weitestgehend identisch mit denen von einst – könnten wir heute eine Korbmacherwerkstatt im London des 16. Jahrhunderts betreten, würden wir feststellen, dass sich die Herstellungsmethoden kaum von denen unterscheiden, die ich in meiner Werkstatt praktiziere. Im 21. Jahrhundert versuchen wir aus freier Entscheidung, wieder in Kontakt mit der Natur zu treten. Eine Notwendigkeit besteht nicht dafür. Wollten Menschen früher die Natur aus ihrem Alltagsleben verbannen, so versuchen die Menschen sie heute umgekehrt in dieses zu integrieren. Unser mechanisiertes, digitales Leben ist so abgespalten von unserer Umgebung, dass viele Menschen das persönliche Zwiegespräch mit der Natur und ihrer Umwelt ganz bewusst suchen – viele von ihnen streben danach, sich voller Wissbegier eine genaue Kenntnis über natürliche Materialien anzueignen. Sie hoffen, auf diese Weise Zugang zu einem uralten kulturellen Erfahrungsschatz zu erlangen. Der von mir sehr bewunderte britische Umweltkünstler Andy Goldsworthy ist dafür ein Beispiel. Er sammelt Gegenstände aus der Natur und schafft daraus atemberaubende Naturkompositionen, ohne dabei viele Werkzeuge einzusetzen – den Betrachter soll dies an verloren gegangene Verbindungen erinnern.
Eine Auswahl an Flechtweiden, im Januar geschnitten, trocknet sortiert an der Sonne (gegenüber).
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PROJEK TE
B E V O R E S L O S G E H T, K O M M E N H I E R N O C H E I N I G E TECHNISCHE TIPPS, DIE IHNEN BEI ALLEN PROJEKTEN VON NUTZEN SEIN W ER DEN. DA SICH W EIDENRUTEN JE N AC H VA R I E TÄT U N D BE SC H A F F E N H E I T U N T E R SC H E I DE N, BEZIEHT SICH DIE A NGEGEBENE DICK E STETS AUF DIE A NGEGEBENE W EIDENK ATEGOR IE . Soweit vorhanden, gelten die Mengenangaben für Staken und Flechtweiden für die Weidenkategorien, die im Projekt verwendet werden. Weil Ihre Weiden vielleicht ein wenig dicker oder dünner sind, benötigen Sie eventuell mehr oder weniger Weiden als aufgeführt. Es empfiehlt sich, sicherheitshalber stets mehr Weidenruten einzuweichen als angegeben. Hat man ein dreidimensionales Flechtstück fertiggestellt, wackelt es oft auf der Arbeitsfläche hin und her. Bringen Sie das noch feuchte Objekt mit den Händen wieder in eine Form, die so eben auf der Arbeitsfläche ruht, wie das anfangs der Fall gewesen ist. Stellen Sie sich vor, Sie seien Chiropraktiker: Sie helfen dem Rahmen, in seine frühere plane Form zurückzukehren. Zum Schluss müssen Sie Ihr Werk an einem trockenen, luftigen Ort etwa fünf Tage vollkommen durchtrocknen lassen, damit es keinen Schimmel ansetzt.
F R Ü H S T Ü C K S TA B L E T T M ATE R I A L Für den Rahmen: Rechteckiger Rahmen (siehe Seite 35) – 42 x 28 cm, der anschließend durchgetrocknet wird, aus 2 grünen oder halb angetrockneten Weiden, 300 cm lang und mit 1 cm dickem Stammende Zum Flechten: 12 trockene Weiden, 55 cm lang und mit 8 mm dickem Stammende, als Bodenstöcke eingeweichte Weide: 38 mittlere Weiden, 180 cm lang, als Staken 20 mittlere Weiden, 150 cm lang, für das Bodengeflecht 24 dünne Weiden, 180 cm lang, für die Kimme Werkzeug: Arbeitstisch und Stuhl, Korbmachermesser, Gartenschere, Schlageisen, Zange, 2 Ahlen, Kordel oder Ring, Maßband
DIESES FRÜHSTÜCKSTABLETT wird mit zwei Runden Dreierkimme (siehe Seite 38) und einem Zuschlag mit fünf Paaren (siehe Seite 40) geflochten, was dieses flache, rechteckige Werkstück zu einem überschaubaren Projekt macht. Überdies ist es einfach zu flechten und dennoch stabil. Sie können das Vorgehen leicht abwandeln, indem Sie mehr Kimmrunden flechten oder die Wand zäunen, so entsteht dann ein höherer Korb, beispielsweise für Kaminholz, Schuhe oder Spielzeug. Verwenden Sie dann allerdings größere Staken, damit Sie daraus einen stabilen Rand flechten können. Das fertige Tablett ist vielseitig verwendbar. Wir essen häufig mittags draußen und nutzen unsere Tabletts daher nicht nur für das Frühstück, sondern auch danach, um etwas aus der Küche zu holen oder es in diese zurückzubringen. Ein Tablett, das unten an der Treppe steht, ist immer hilfreich, um darauf alles Mögliche zu sammeln, das wieder nach oben gebracht werden muss – es hilft, das Heim geordnet zu halten.
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SCHRITT 1 Legen Sie sich vor dem Flechten zwei Sätze mit je vier Bodenstöcken zurecht. Halten Sie den Rahmen auf Ihrem Schoß und legen Sie die Bodenstöcke darüber. Legen Sie die ersten 2 der 38 Staken ein. Positionieren Sie die erste so, dass das Stammende auf der rechten Seite über dem Rahmen liegt und die Weide unter die ersten vier Bodenstöcke, über die zweiten und auf der linken Seite unter den Rahmen geführt ist. Legen Sie die zweite Stake entgegengesetzt ein. Diese beiden ersten Staken werden jetzt fest in den Boden eingeflochten. Schieben Sie die Staken so dicht wie möglich vorne an den Rahmen.
1 SCHRITT 2 Jetzt folgen einige Reihen Geflecht, bevor die nächsten Staken eingelegt werden. Flechten Sie mit einer der 24 dünnen Weiden. Legen Sie das Stammende an der abgebildeten Position ein und flechten Sie insgesamt drei Reihen; die Spitze liegt anschließend auf der rechten Seite. Flechten Sie drei weitere Reihen mit der zweiten Flechtweide; legen Sie das Stammende neben der vorherigen Spitze ein.
2 SCHRITT 3 Legen Sie wie bei Schritt 1 zwei weitere Staken ein. Ich habe diesen Boden mit grünen Weiden als Staken und braunen Weiden als Flechtweiden geflochten, damit sie auf den Abbildungen zu unterscheiden sind. Achten Sie beim Flechten darauf, dass die Bodenstöcke mit der Wölbung nach oben liegen.
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4 SCHRITT 4 Ergänzen Sie Ihre beiden Sätze an Bodenstöcken um jeweils zwei weitere Bodenstöcke, wenn Sie den Boden zur Hälfte geflochten haben – Sie haben nun zwei Sätze zu jeweils sechs Stück. Das Bodengeflecht wird dadurch fester und – noch wichtiger – es entstehen auf den Querseiten die richtigen Abständen für die Staken. Schneiden Sie ein Ende jeweils 2 cm lang schräg ab, damit es sich in das Geflecht schieben lässt – es hilft manchmal, hier mit dem Schlag eisen einzuklopfen. Achten Sie darauf, dass die Bodenstöcke mit der Wölbung nach oben liegen, und korrigieren Sie gegebenenfalls auch die anderen Bodenstöcke. Füllen Sie den Rahmen weiter mit dem Flechtmuster, abschließen soll dieses so, wie es begonnen hat: mit zwei Staken. Alle Stammenden liegen dann über dem Rahmen und alle Spitzen darunter. SCHRITT 5 Jetzt werden die Staken an den Längsseiten für die Korbwand hochgebogen. Gehen Sie dabei vor wie bei dem Papierkorb (siehe Seite 117, Schritt 6). Fixieren Sie die hochgebogenen Staken mit einem Ring oder binden Sie sie mit einer Kordel zusammen. Schneiden Sie mit der Gartenschere dann alle Enden ab, auch bei den Bodenstöcken.
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SCHRITT 6 Schneiden Sie die restlichen 16 Staken auf einer Seite kurz schräg ab und schieben Sie jeweils 8 in die Lücken auf den Querseiten, die Abbildung zeigt, wie es geht. Lockern Sie dazu das Geflecht gegebenenfalls etwas mit der Ahle. Die Staken sollen so tief sitzen, dass sie einen festen Halt bieten. SCHRITT 7 Biegen Sie die neu eingesetzten Staken so nach oben wie die Staken auf den Längsseiten. Schieben Sie die Staken zu den anderen in den Ring. SCHRITT 8 Fixieren Sie den Korb mit einer Ahle und einem Gewicht auf dem Arbeitstisch. Anschließend machen Sie sich daran, Ihre erste Kimmrunde zu flechten. Beginnen Sie die beiden gegenüberliegenden Seiten der Kimme (siehe Dreierkimme, Seite 38) jeweils links an den beiden Längsseiten. Bei einem rechteckigen Korb muss auf die geradlinige Anordnung der Staken besonders geachtet werden. Drücken Sie die Staken beim Flechten zur Mitte des Korbs. Justieren Sie mit einer Hand die Staken und führen Sie mit der anderen Hand die Flechtweide. SCHRITT 9 Achten Sie auch beim Flechten der Ecke auf die Position der Staken. Die Kimme wird vom Prinzip her einfach weitergeflochten. Haben Sie aber ein Auge darauf, wo die Eckstaken liegen müssen und korrigieren Sie die Position gegebenenfalls beim Flechten. Stellen Sie die Dreierkimme mit allen zwölf Weiden fertig. Klopfen Sie sie mit dem Schlageisen gleichmäßig zusammen. Flechten Sie mit weiteren zwölf Weiden eine zweite Dreierkimme. Das Tablett sollte dann etwa 5 bis 6 cm hoch sein. Klopfen Sie die Kimme überall auf gleiche Höhe.
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SCHRITT 10 Beginnen Sie den Rand bei einem rechteckigen Werkstück immer auf der linken Seite einer Längsseite, damit Sie bis zur Ecke gut in den Flechtrhythmus kommen. Das Muster wird ungleichmäßig, wenn Sie an einer Ecke beginnen. Flechten Sie einen Zuschlag mit fünf Paaren (siehe Seiten 40 und 41, Schritte 1 bis 9). SCHRITT 11 Bei den meisten rechteckigen Geflechten muss an der Ecke das Muster geändert werden. Bei diesem Flechtschlag setzen Sie das Muster an der Ecke einfach fort. Es fühlt sich dort ein wenig anders an zu flechten, weil sich die Abstände verändern. Sie müssen stärker auf die Flechtweide achten, damit sie sich an der richtigen Stelle glatt um die Ecke legt. Drücken Sie die Korbflächen fest auf eine ebene Fläche, bevor der Korb trocknet.
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