Anastasia Young / Paul Wells
Schmuckgestaltungderrillen,biegen,falzen,formen
Neue Techniken
Diese Publikation ist in der Deutschen Nationalbibliografie verzeichnet. Mehr Informationen dazu finden Sie unter http://dnb.dnb.de.
Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Aus dem Englischen übersetzt von Birgit Lamerz-Beckschäfer, D-Datteln Lektorat der deutschsprachigen Ausgabe: Regina Sidabras, D-Berlin Satz und Umschlaggestaltung der deutschsprachigen Ausgabe: Die Werkstatt Medien-Produktion, D-Göttingen
Layout: Anastasia Young und Emma Termes Fotografie und Illustration: Anastasia Young Bildrecherche: Paul Wells und Anastasia Young Die englische Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel New Jewellery Techniques – Curved Scoring and Folding for Metalwork and Silversmithing Hoaki Books, Barcelona, Spanien
Wir verlegen unsere Bücher mit Freude und großem Engagement. Daher freuen wir uns immer über Anregungen zum Programm und schätzen Hinweise auf Fehler im Buch, sollten uns welche unterlaufen sein. Falls Sie regelmäßig Informationen über die aktuellen Titel im Bereich Gestalten erhalten möchten, folgen Sie uns über Social Media oder bleiben Sie via Newsletter auf dem neuesten Stand! www.haupt.ch Unser herzlicher Dank gilt allen, die zu diesem Buch beigetragen und uns großzügig gestattet haben, ihre Arbeiten auf diesen Seiten vorzustellen. Eine vollständige Liste der beteiligten Künstlerinnen und Künstler finden Sie auf Seite 166. Ganz besonders danken wir: Hyun-Seok Sim für Abbildungen gebogener Falze, die er mit traditionellen Rillwerkzeugen erzeugt Choi Yeon-Cheol für Abbildungen zum CNC-Fräsen Ilan Garibi für Abbildungen von fotogeätzten Stücken Koji Harasawa für sein Verfahren zur Erzeugung einer roten Patina
Anastasias und Pauls Dank gilt überdies: The Goldsmiths’ Company Rebecca Ingram, Collections Assistant der Goldsmiths’ Company Dr. Christopher W. Corti Bill ColetteKatieStephenGilesHannahDouglasTerryLastM.GoldsmithJones,katiejonesjapan.comPecenka,KuratorinfürAusstellungen und Bildungsangebote, Mesa Contemporary Arts Museum, Arizona Kirsty Sumerling, Direktor der Scottish Gallery Hinweis des Verlages Das Herstellen von Schmuck kann gewisse Gefahren beinhalten. Befolgen Sie die Instruktionen genau und beachten Sie die Vorsichtsmaßnahmen. Informieren Sie sich, wo nötig, über in Ihrem Land geltende Vorschriften bezüglich Gebrauch und Entsorgung von Chemikalien. Alle Aussagen, Informationen und Ratschläge über Methoden und Techniken, die in diesem Buch zur Sprache kommen, wurden für richtig befunden. Weder die Autorin und der Autor noch der Verlag können für allfällige Schäden rechtlich haftbar gemacht werden.
1. Auflage: 2022 ISBN 978-3-258-60259-2 Alle Rechte vorbehalten.
Alle übrigen Fotografien und Illustrationen stammen von Anastasia Young. Anastasia Youngs Website: anastasiayoung.co.uk Paul Wells’ Website: scorefoldpress.com
Dank
Copyright © 2022 für die deutschsprachige Ausgabe: Haupt Verlag, Bern
Copyright © 2022 Hoaki Books Gedruckt in Slowenien
Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur für die Jahre 2021–2024 unterstützt.
Neue Techniken
Anastasia Young / Paul Wells Haupt Verlag
Schmuckgestaltungderrillen,biegen,falzen,formen
Inhalt Über dieses Buch 6 TEIL EINS Einleitung 9 Blech falzen und falten – Anfänge 10 Zeitgenössische Einflüsse 12 Philosophie und Praxis 20 TEIL ZWEI Werkzeug und Arbeitsmaterial 23 Unedle und eisenhaltige Metalle 24 Edelmetalle 26 Falzwerkzeuge 28 Formwerkzeuge 30 Werkzeuge zum Schneiden und Messen 32 Geräte zum Ausglühen und Löten 33 Weitere Hilfsmittel 34 Der Arbeitsplatz 36 Gesundheitsschutz und Sicherheit 38 Techniken 40 Grundlagen des Falzens 41 Metall ausglühen 42 Draht zum Falzen vorbereiten 4 4 Falzdraht formen 4 6 Überblick über die Falztechniken 48 Falzen mit der Walze 50 Falzen mit Hammer und Brettamboss 54 Falzen mit dem Patschhammer 55 Falzen mit Schraubstock und Bretteisen 56 Falzen mit der Spindelpresse 57 Traditionelle Falztechniken 58 Gebogene Falze mit traditionellen Werkzeugen 60 A lternative Falztechniken 62 Einseitige Falze 64 Quadrate und Rechtecke Falten mit einer gebogenen Falzrille 66 Quadrate und Rechtecke Falten mit zwei gebogenen Falzrillen 68 Kreise und Ovale 70 Falze in linearen Formen 72 Die Goldene Spirale 74 Kreise mit Ausschnitten 76 Lineare Spirale 79
Doppelseitige Falze 80 Lineare Falze 82 Lineare Falze: Variationen 84 Radiale Falze 86 Radiale Falze: Variationen 88 Ausschnitte 92 Partielle Falze 94 Projekte 97 Projekt eins: Navette-Brosche 98 Projekt zwei: Dreieckschale 104 Projekt drei: Glückskeks-Anhänger 108 Techniken kombinieren 111 Texturen 112 Sägen 114 Gewölbte Oberflächen 116 Gewölbte Oberflächen: Schmiedekunst 118 Oberflächenbehandlung 120 Färben und Patinieren 124 Nieten 126 Löten 128 Problembehebung 130 TEIL DREI Design 133 Was ist Design? 134 Geometrische Formen 138 Biomorphismus 140 Technik und Design 142 Modelle erstellen 144 Prototypen 146 Notizen 148 Praktische Designaspekte 150 Anhang 153 Der Einfluss von Drahtstärke und Winkel auf den Falz 154 Kreisschablonen 156 Radialraster 158 Karoraster 159 Geometrische Formen 160 Symbolschlüssel für Vorlagen 162 Umrechnungstabellen 163 Glossar 164 Beteiligte Künstlerinnen und Künstler 166 Weiterführende Literatur / Verbände und Ausbildung 167 Bezugsquellen 168
6 ÜBER DIESES BUCH
Unser Dank gilt zudem Lola Mercader und dem Team von Hoaki (Promopress) für ihre Unterstützung bei diesem Projekt.
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Über dieses Buch
Paul Wells & Anastasia Young
Den entscheidenden Impuls für das Faltformen entlang gebogener Falze erhielt Paul Wells durch die Frage eines seiner Studenten, wie man wohl aus Blech einen Glückskeks formen könne. Paul unterrichtete zu dieser Zeit schon über zwei Jahrzehnte das Faltformen und andere direkte Metallbearbeitungstechniken wie das Falzen mit geformtem Draht, hatte aber bis dahin das plastische Potenzial dieser Technik noch nicht im Blick. Für den Glückskeks zeichnete Paul eine Schablone und kerbte damit Rillen in dünnes Blech, das sich unter dem Druck seiner Finger von selbst in die gewünschten Rundungen bog. Die dafür verwendete Schablone stellen wir in diesem Buch als Projekt vor. Von da an erforschte Paul intensiv die schier endlosen Möglichkeiten, die diese Technik eröffnet. Bei den Schmuckkollektionen „Funnels“, „Insects“ und „Eyes“ begann er, eigene Ideen weiterzuentwickeln, und experimentierte später mit geometrischen Variationen dieser Formen, um besser nachvollziehen zu können, wie man Blech dazu bringt, sich in die richtige Richtung zu biegen. Uns als Lehrpersonen und Praktiker/-innen ist es eine Herzensangelegenheit, unsere Begeisterung über diese Entdeckungen mit anderen zu teilen, damit auch sie lernen und weiterforschen können. Wir alle sind geprägt von Kollegen/-innen und Lehrern/-innen, die ihr Wissen großherzig weitergeben, damit wir unseres darauf aufbauen können. Wir möchten diese Kultur der Wissensweitergabe zum Nutzen aller fortführen. Das Echo, das wir von Kolleginnen und Kollegen der Schmiedezunft zurückbekommen, und bei Weitem nicht nur von ihnen, ist für uns ein großer Ansporn. Mit viel Freude zeigen wir hier Pauls Arbeiten neben weiteren zeitgenössischen Schmuckstücken, Kunstschmiedearbeiten und Plastiken, die uns Falz- und Faltbegeisterte aus aller Welt großzügig zur Verfügung gestellt haben.
Danken möchten wir der Goldsmiths‘ Company für ihre kontinuierliche Unterstützung und Ermutigung: für die Würdigung von Pauls Arbeit mit dem Gold Award for Technological Innovation bei den jährlichen Craftsmanship and Design Awards 2019 und 2020, für die Präsentation seiner Stücke bei der Goldsmiths‘ Fair und für die Recherche und Überlassung von Bildern für dieses Buch. Die Anerkennung von Pauls Arbeit durch eine so renommierte Organisation gibt uns die Gewissheit, dass wir mit der Weitergabe von Pauls Fachwissen in diesem Band auf einem guten Weg sind.
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Blech falzen und falten – Anfänge Zeitgenössische Einflüsse Philosophie und Praxis In diesem Kapitel berichten wir, wie die Idee zur relativ neuen Technik des Faltformens mithilfe von Falzrillen Gestalt annahm. Ein Überblick über die aktuelle Praxis zeigt, dass Künstlerinnen und Künstler in vielen Ländern längst die Möglichkeiten erkunden, Blech und andere Werkstoffe mit traditionellen und experimentellen manuellen Verfahren, aber auch neuartigen digitalen Technologien zu bearbeiten. Die Philosophie des Biegens entlang bogenförmiger Falze stellt ein probates Gegengewicht zur komplexen theoretischen Modellierung dar und eröffnet eine praktische Perspektive für Überlegungen, wie man mit neuartigen Arbeitsweisen und Denkmustern Blechstrukturen von der Zwei- in die Dreidimensionalität überführen kann.
TEIL EINS
Einleitung
Zwei herausragende Vertreter der britischen Goldschmiedekunst, die sich intensiv mit bogenförmigen Falzen beschäftigen, sind Jacqueline Mina und Toby Russell, beide Meister in der Beherrschung ihrer Werkstoffe. Minas Schmuckstücke zeichnen sich
Charles Lewton-Brain Azul Bowl, Snow Bowl, Malachite Bowl, 2020 Patiniertes und galvanisch versilbertes Kupfer
Das Rillen, Falzen und Falten von Metallblech gehört seit Langem zu den Grundtechniken der Schmiedekunst. Vor allem bei der Anfertigung von Dosen benötigte man für saubere, scharfkantige Ecken schnurgerade angeschrägte Nute. Traditionell verwendet man dabei Kerb- oder Rillwerkzeuge, bei denen es sich bis heute meist um selbst zugerichtete Feilen handelt. Schon das deutet darauf hin, dass diese Falztechnik vor allem aus der Werkstatt- und Ausbildungspraxis stammt. Aufgrund der benötigten Blechstärke und geraden Umbruchlinien sind die Möglichkeiten dieser Methode allerdings beschränkt. Der Gedankensprung von geraden zu gebogenen Falzrillen stellt deshalb eine erhebliche Weiterentwicklung dar, ausgehend von Überlegungen und Arbeitsweisen, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Nordamerika aus Kreise zogen. Der finnisch-amerikanische Kunstschmied und Lehrer Heikki Seppä wusste um die enorme Formbarkeit des plastischen Werkstoffs Metall. Seine Ideen erläuterte er 1978 in seinem Buch Form Emphasis for Metalsmiths. Künstler und Kunstschmiede sollten sich gedanklich von der funktionalen Form lösen und über die bloßen technischen Abläufe hinaus die reine Form als Ausdrucksmittel erkennen. Zur Beschreibung dieser Formen prägte Seppä ganz neue Begriffe wie „antiklastisch“.
Charles Lewton-Brain eignete sich die Grundlagen für seine neuen direkten Metallbearbeitungstechniken Ende der 1970er-Jahre an der Goldschmiedeschule in Pforzheim an, wo seinerzeit ausgiebiges Experimentieren mit allen möglichen Techniken auf dem Lehrplan stand. Dieser Ansatz prägte sein Verhältnis zur Metalltechnik auch später. Nach Kanada zurückgekehrt, wurde er in den 1980er-Jahren zum Vorreiter des „Faltformens“ (Foldforming), das sich heute großer Beliebtheit erfreut. Das Falzen mit Draht setzt er bei seinen Arbeiten selbst ein. In Kanada und den USA haben viele Metallkünstler, Goldschmiede und Ausbilder dieser Generation solche direkten Metallbearbeitungstechniken in ihr Repertoire aufgenommen. Einige, wie Betsy Douglas, Cynthia Eid und Harold O’Connor, schaffen abstrakte plastische Werke teils aus mehreren Metallarten oder Objets trouvés. Anderen geht es über das figurative Narrativ hinaus um den Werkstoff an sich. So etwa Ira Sherman, der Paul Wells 1996 bei einem Vortrag und einem spontanen Workshop am Central Saint Martins College mit diesen Techniken bekannt machte.
Die Methode, Bleche entlang gebogener Falzrillen zu falten, überwindet die Einschränkungen herkömmlicher Falztechniken. Der Schritt von der Zwei- zur Dreidimensionalität ist ein Novum in der Geschichte der Metallbearbeitung und beruht auf Experimenten von Praktikern und Dozenten, die sich zunächst auf den Werkstoff selbst konzentrierten.
10 EINLEITUNG Blech falzen und falten – Anfänge
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Jacqueline Mina Texturierte, gefältelte Brosche I, 2014 18-karätiges Gold Mit freundlicher Genehmigung der Scottish Gallery
durch vielschichtige feine Texturen und eine diskrete skulpturale Note aus. Falten setzt sie bei ihren Stücken sehr zurückhaltend ein. Sie betont das Spiel des Lichts auf dem Gold und schafft so einen fließenden Dialog zwischen den Werkstoffen und ihren unterschiedlichen Eigenschaften. Der Silberschmied Toby Russell brachte das Faltformen mit gebogenen Falzen in den 1990er-Jahren mit innovativen Ideen voran. Viele seiner bahnbrechenden Werke sind preisgekrönt.
Jacqueline Mina Texturierte Brosche, 2002 18-karätiges Gold Mit freundlicher Genehmigung der Scottish Gallery
Toby Russell Vase, 1992 Sammlung:SterlingsilberThe Worshipful Company of Goldsmiths Russell schätzt traditionelles Falzwerkzeug für seine großformatigen skulpturalen Arbeiten aus Silber und Hartzinn. Seine Stücke sind in vielen bedeutenden Sammlungen, darunter im Victoria and Albert Museum, vertreten. Seegang und Wellen inspirieren ihn zu raffiniert geschwungenen Falzen und fließenden geometrischen Formen.
12 EINLEITUNG Zeitgenössische Einflüsse Künstler/-innen, Gold- und Kunstschmiede setzen Falttechniken mit gebogenen und geraden Falzen bei den unterschiedlichsten Werkstoffen auf innovative Weise ein. Mit gegenständlichen oder abstrakten, geometrischen oder organischen Formen schaffen sie funktionale ebenso wie dekorative Stücke. ← Kinga Sulej Ohrringe, ohne Titel Patiniertes Silber ← Ekaterina Lukasheva Heptagram, Opus T-207 Papier, Acrylfarbe, Sprühfarbe ↑ Hiroki Iwata Gold Flare Box Silber, vergoldet
13 ← Jessica Jue Sand Dune SterlingsilberBox ← Anne Bader Piega Sterlingsilber,(Ohrringe)teilvergoldet ↑ Ilan Garibi Rounded Cubes (Anhänger) Messing, vergoldet
• Eiserner Bindedraht, Stärke 0,8 mm
Bei einem nach der Vorlage (links) gefalzten Blechquadrat lässt sich die Form beim Falten abwandeln. Oben links wurden die Seiten gleichmäßig zusammengedrückt, oben rechts entlang einer Achse fester zusammengepresst, sodass ein lang gezogenes Kreuz entstand.
Material für diese Übung:
Vorlage für ein Quadrat mit zwei Falzen (Maßstab 1:1)
Quadrate und Rechtecke Falten mit zwei gebogenen Falzrillen
VARIATIONEN
Zu bedenken ist dabei zunächst, in welchem Abstand zum Rand und zueinander die beiden Falze verlaufen sollen und wie sich dies auf das übrige Blech auswirkt. In diesem Beispiel wölben sich die flachen Teile des Blechs durch die Falze zu anmutigen Rundungen, die man durch punktuelle Kompression akzentuieren kann.
• Formwerkzeug, Durchmesser 40 mm, für Bögen von 50 mm
Zwei Falzrillen in demselben Blechstück ermöglichen komplexere Formen. Schon leichte Veränderungen der Positionierung der Falze sowie des Winkels und der Stauchung der Falte ergeben interessante Variationen.
68 EINSEITIGE FALZE
• Ein 60 x 60 mm großes Quadrat aus Kupferblech, Stärke 0,5 mm
3. Den Draht mit einem größeren Stück Klebeband endgültig fixieren. Das erste Stück Klebeband darunter wirkt sich nicht auf den Falz aus. Mit dem zweiten Draht genauso verfahren.
2. Einen der beiden Drähte mit etwas Abdeckband zunächst provisorisch auf das Blech kleben, damit man ihn noch justieren kann. Anhand der kreuzförmigen Markierung lassen sich die gebogenen Drähte exakt und symmetrisch platzieren.
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4. Mithilfe des Patschhammers die Drähte nacheinander in das Blech eindrücken. Oft braucht man mehr als einen Schlag pro Draht, bis er das Blech zu zwei Dritteln bis drei Vierteln einkerbt.
5. Beide Falze sollten von der Unterseite des Kupferquadrats deutlich sichtbar und in etwa gleich breit sein. Nach dem Ausglühen und Säubern des Blechs können Sie nun mit dem Falten beginnen.
1. Die Ecken des Kupferquadrats mit einem Markierstift als visuelle Ankerpunkte markieren. Von zwei Ecken aus mit einem Federzirkel eine gleich große Strecke abmessen, anreißen und dann gut sichtbar mit einem Stift markieren.
124 TECHNIKEN KOMBINIEREN
Vorbereitung der Oberfläche
Patina ist eine Oberflächenveredelung durch chemische Reaktion des Metalls. Damit sich die Färbung gleichmäßig verteilt, müssen die betreffenden Oberflächenbereiche zunächst gründlich gesäubert und entfettet werden. Am besten wäscht man das Metall mit Spülmittel und warmem Wasser und bearbeitet es mit einer weichen Bürste. Anschließend trocknet man das Stück sorgfältig ab, damit keine Wasserflecken zurückbleiben. Dabei trägt man sinnvollerweise Handschuhe, um keine Fingerabdrücke auf dem Metall zuAggressiverehinterlassen.
Edelpatinaerzeugen. wird oft mit einer Versiegelung überzogen, eignet sich aber meist nicht für den Kontakt mit Haut oder Lebensmitteln. Kupferplattierung undReservage Beizlösungen zur Verkupferung von Silber oder Messing eröffnen interessante MögBereiche,lichkeiten.in denen die Metallfarbe erhalten bleiben soll, mit Markierstift, Klebeband oder Abdecklack überziehen. Das Stück mit etwas Eisendraht in Beize legen, jedoch nicht in das normale Beizbad, sondern in ein separates Gefäß. Danach kann man mit Hitze oder chemischen Patinierlösungen experimentieren.
Reinigungsmittel sind Bimssteinpulver, das man mit Wasser anmischt und mit einer Bürste einarbeitet, oder Sandstrahlen. Da sich die Oberflächenbeschaffenheit des Metalls aber unmittelbar auf das Aussehen der Patina auswirkt, kommen diese scharfen Mittel nicht infrage, falls die Oberfläche poliert werden soll. Andererseits geben sie dem Metall zusätzlichen „Biss“, durch den die Patina länger hält oder eine kräftigere Farbe annimmt. Verändert man durch Chemikalien oder Hitze die Farbe des Metalls, kann man eine dramatische Wirkung erzielen. Die Effekte müssen aber zur Funktion des Stücks passen. Einige nutzen sich bei Gebrauch schnell ab und manche der Chemikalien dürfen nicht mit der Haut oder mit Lebensmitteln in Kontakt kommen.
Färben und Patinieren
Oxidierte Falzlinien bilden einen interessanten Kontrast zum matten Finish auf Britanniasilber.
Edeloxide ⚠ Um Silber und nicht eisenhaltige unedle Metalle zu schwärzen oder grau zu färben, legt man sie in ein Bad aus Schwefelleberlösung oder verdünntem Platinol (10 %). Das Ergebnis richtet sich nach der Oberflächenbeschaffenheit des Metalls. Platinol kann man direkt mit dem Pinsel auftragen, um nur umschriebene Bereiche eines Werkstücks zu oxidieren. Vor dem Abreiben gründlich waschen. Edelpatina ⚠ Mit Patinierlösungen färbt man Kupfer, Messing und Vergoldungsmetall blaugrün. Diese Edelpatina kann schichtweise aufgebaut werden oder sich mit der Zeit entwickeln. Mithilfe eines Trägermaterials wie Sägemehl kann man sogar flächige Muster
Rote Patina auf Kupfer Mit Hitze lassen sich auf Kupfer intensive Rottöne erzeugen. Damit diese Technik funktioniert, muss die Oberfläche des Metalls zunächst auf Hochglanz poliert werden. Man erhitzt das Kupfer bis zur hellen Rotglut und lässt es dann an der Luft abkühlen. Trägt man die schwarze Oxidschicht hier und da mit einem Schleifmittel wieder ab, kommt sattrote, glänzende Patina zum Vorschein. Vergoldung Blattgold legt man mithilfe von Haftgrund an Oberflächen an. Am besten funktioniert das in Vertiefungen und bei kleinflächigen HaltbarerDetails. ist eine Vergoldung mit der koreanischen Technik Keum-boo, bei der Goldfolie auf Silber aufgeschmolzen wird. Man kann die Stücke danach noch ausglühen und löten, aber in der Regel arbeitet man mit Blattgold erst nach Abschluss aller anderen Arbeiten.
⚠ Siehe Gesundheitsschutz und Sicherheit auf Seite 38.
Für kleine Bereiche und Golddetails bieten sich Keum-boo und Blattgold als gute Alternativen an. Mit etwas Übung sind sie leicht anzuwenden und erfordern wenig Ausrüstung.
problemlos
Instar, Brosche von Paul Wells Die gesprenkelte Patinierung auf dieser Silberbrosche wurde mit verdünnter Schwefelleber erzeugt. Zunächst wurde mit Alkoholtinte als Abdeckschicht ein Muster aufgesprüht. Wie entstehen Farben? Oxidierte Oberflächen sind oft schwarz, aber mit verdünnten Oxidationslösungen lassen sich auch andere Wirkungen und Farben zu den handelsüblichen Chemikalien kann man auf reaktiven Metallen wie Kupfer und Silber mit einer ganzen Reihe natürlicher Substanzen wie Salz, Zitronensaft, Essig und gekochtem Ei eine Patina hervorrufen. Mit der Reservage wird verhindert, dass die Chemikalie an diesen Stellen einwirkt. Als Abdeckmittel eignen sich physikalische Barrieren wie Alkoholtinte, Klebeband oder Nagellack, aber stellen Sie besonders bei komplexen Formen sicher, dass man sie später wieder entfernen kann!
realisieren.Alternativ
Hitzespuren Reaktive Metalle zeigen beim Erhitzen Farbumschläge durch die an der Oberfläche gebildeten Oxide. Dieser Vorgang ist schwer berechenbar, dafür sind aber wundervolle Farbeffekte möglich. Durch Erhitzen zusammen mit anderen Substanzen entstehen unterschiedliche Farben. Bemalen Sie ein Stück einmal mit Boraxlösung oder brennen Sie Haare in die Oberfläche ein.
Effekte konservieren In Vertiefungen hält sich die Patina länger. Durch „Rubbeln“ erhabener Stellen legt man die darunterliegende Metallfarbe frei. Patinierte Oberflächen müssen oft nachbehandelt werden, um die Farbe haltbarer zu machen. Mit mikrokristallinem Wachs kann man die Oberfläche versiegeln und Farben nachdunkeln lassen. Manchmal wird Patina durch Wachs allerdings matt. Das gilt vor allem für Edelpatina oder Stellen, die man durch Hitze gerade erst zum Glänzen gebracht hat.
Vergoldung Durch Galvanisieren kann man Metalloberflächen mit Gold oder mit anderen Metallen plattieren, sei es auf dem gesamten Stück oder nur in bestimmen Bereichen, während man andere mit Abdeckband abklebt. Wegen der beim Galvanisieren benötigten Chemikalien führen nur spezialisierte Betriebe solche Arbeiten durch, und das hat seinen Preis.
Viele dieser Probleme lassen sich schon früh bei der Herstellung von Modellen oder Prototypen ausschließen, aber nicht selten kommt es aufgrund neuer Erkenntnisse im Laufe der Arbeiten noch einmal zu kleinen Änderungen an der eigentlich schon endgültigenEinigeVorlage.grundlegende Überlegungen helfen dabei, solche technischen Schwierigkeiten zu überwinden. Oft werden Entwürfe aber auch durch andere Parameter beeinflusst. Will man mehrere identische Stücke produzieren, muss man mit entsprechenden Vorkehrungen für einen reibungslosen Arbeitsablauf mit vorhersehbarem Ergebnis sorgen, aber bei Einzelstücken darf man gern nach Gutdünken vorgehen.
Designprobleme lösen
Gebrauchsfähige Formen mit gebogenen Falzen zu entwerfen, ist nicht immer einfach, obwohl diese Technik durch die effiziente Nutzung des Metalls und das günstige Verhältnis zwischen Gewicht und Volumen dafür viele Vorteile bietet. Dünnes Blech lässt sich zwar am leichtesten bearbeiten, kann aber Probleme bereiten, von strukturellen Schwachpunkten an den Falzrillen über die Gefahr eines Überhitzens beim Löten bis zu rasiermesserscharfen Kanten.
150 DESIGN
Praktische Designaspekte
Das Design bestimmt nicht nur, wie etwas aussieht und wie es gemacht ist. Bei funktionalen Gegenständen lässt sich damit auch sicherzustellen, dass sie den beabsichtigten Zweck erfüllen. Über das erfolgreiche Falzen und Falten hinaus sind dabei Faktoren wie Gewicht, Schwerpunkt, Komfort, Benutzerfreundlichkeit und Materialeignung von Bedeutung.
Tragbare Objekte Das Faltformen mit gebogenen Falzen eignet sich perfekt für große Schmuckstücke, denn durch das dabei ohnehin eingesetzte dünne Blech kommt man ohne viel Gewicht aus und verringert damit nebenbei auch die relativen Kosten für das benötigte Edelmetall. Aspekte wie diese sollten im Licht der beabsichtigten Verwendung der Stücke abgewogen werden. Für manche Schmuckkategorien, allen voran Ringe, eignet sich dünnes Blech nämlich wegen potenzieller scharfer Ränder nicht ohne Weiteres. Bereits beim Design kann man auf das sinnvollste Verhältnis zwischen Gewicht, Größe, Kosten und Komfort achten, damit das tragbare Kunstwerk über die pragmatischen Aspekte hinaus auch einen Hingucker darstellt. Crescent Curl, Ohrringe von Paul Wells Sterlingsilber, 18-karätiges Gold Gewicht und Schwerpunkt sind elementare Aspekte für tragbare Schmuckstücke wie Ohrringe. Ein weiteres Kriterium ist, wie leicht man sie an- und ablegen kann. Moon, Brosche von Kayo Saito 18-karätiges Gold, Marmor Zu berücksichtigen ist vor allem, wie sich das Metall mit anderen Materialien verträgt, interagiert und zusammenwirkt, damit kontrastiert oder es ergänzt.
Venn Scoop, Löffel von Paul Wells Stücke,Sterlingsilberdiemit Lebensmitteln in Berührung kommen, müssen leicht zu reinigen sein. Für Pulver gedachte Löffel sind oft weniger problematisch als solche für Flüssigkeiten.
Reaktionsfreudige Metalle wie Kupfer oder Silber brauchen intensivere Pflege, ganz besonders dann, wenn sie mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Salz, Essig und saurer Zitrussaft können reaktionsfreudige Metalle beschädigen. Das Reinigen ist vor allem bei komplexen Formen oft sehr zeitaufwendig. Um die Gefäße nach Gebrauch von Spritzern und Rückständen zu säubern, reicht heißes Spülwasser in der Regel aus. Anschließend muss das Metall sorgfältig getrocknet und mit Anlaufschutzmitteln behandelt werden.
Ein wichtiges Konstruktionsmerkmal ist oft auch die Stabilität der Form: Ein niedriger Schwerpunkt ist oft sinnvoll, damit das Gefäß nicht umfallen oder auslaufen kann. Wo Falze auf potenzielle Schwachstellen einer Form treffen, sollte die Rille mit eingeschwemmtem Lot verstärkt werden. Dies hat den zusätzlichen Vorteil, dass die Schale durch den ausgefüllten Falz robuster wird und leichter zu säubern ist. Damit größere Stücke stabiler sind, kann man sie auch aus weit dickerem Metall anfertigen.
Aus ästhetischen oder praktischen Gründen kann man mehrere Metalle oder Legierungen in einem Stück kombinieren. Für Funktionsteile wie zum Beispiel Broschennadeln ist oft eine härtere Legierung nötig, während die Faltform selbst aus weicherem Metall gefalzt werden kann. Wenn Sie Teile durch Löten verbinden müssen, verwenden Sie immer das zur Legierung passende Lot mit dem niedrigsten Schmelzpunkt, üblicherweise Silberlot. Beim Verbinden von Metall mit anderen Werkstoffen verzichtet man in der Regel auf das Löten und greift eher zu Klebstoff, Nieten, Klammern, Ösen oder (Zargen-)Fassungen. Die Bandbreite an Optionen für Farbe, Textur oder Finish sowie für Materialien – weich oder hart, schwer oder leicht – lässt viel Spielraum für ausdrucksstarke Designs und erweitert die Einsatzmöglichkeiten für gebogene Falze. Funktionale Objekte Der Verwendungszweck bestimmt oft die praktischen Eigenschaften eines Gegenstands, aber auch die Wahl des dafür am besten geeigneten Materials. Gefäße oder Geräte, die zum Ab- oder UmExpansion 1, Schale von Choi Yeon-Cheol Kupfer mit Silberauflage Bei funktionalen Gegenständen wie Schalen und Platten spielt Standfestigkeit oft eine wichtige Rolle, damit sie nicht wackeln oder umfallen.
151 füllen von Flüssigkeiten bestimmt sind, können Überlegungen zum Ausgießen, Ablassen und Spülen anstoßen, die bei Behältern für losen Tee, Gewürze oder Obst eher nicht im Vordergrund stehen.
Materialmix
Anastasia Young und Paul Wells präsentieren in diesem reich illustrierten, praktischen Handbuch eine neue Entwicklung in der Metallbearbeitung und Schmuckgestaltung: die Materialien, Techniken und Gestaltungsmöglichkeiten des Faltformens (Foldforming) entlang gebogener Falze. Mithilfe von Falzrillen im Metallblech schaffen sie durch Falzen und Biegen dreidimensionale, dynamische Formen, die zu dekorativen oder funktionalen Schmuckobjekten weiterverarbeitet werden. Der Fokus liegt auf den Falztechniken, welche anschaulich erklärt und durch Methoden der Oberflächenbehandlung ergänzt werden. Anhand von Schritt-für-Schritt-Projekten werden die Techniken erprobt und durch weiterführende Überlegungen zu Gestaltung und Design vertieft. ISBN 978-3-258-60259-2