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Kräftige Farben & Abstraktes 1902 – ca.1925
Avantgardistisches Textildesign in Europa
Europäisches Design zu Beginn des 20. Jh. hatte seine Wurzeln in den kontrastierenden Prinzipien des Jugendstils und den Veränderungen der Moderne. Florale und organische Motive waren nach wie vor beliebt, gleichzeitig kamen abstraktere und geometrische Muster der avantgardistischen Designbewegungen in England, den Niederlanden, Deutschland und Russland auf. 1910 richtete Roger Fry (1866–1934) eine Ausstellung mit Werken von Manet und Postimpressionisten in London aus, was die französischen Innovationen in England bekannt machte. Zusammen mit anderen Mitgliedern der Bloomsbury Group, darunter auch Clive Bell (1881–1964), gründete Fry die Omega Workshops, in denen Gebrauchsgegenstände in avantgardistischem Design entstanden. Als sich nach dem Ersten Weltkrieg radikalere abstrakte und surrealistische Vorstellungen entwickelten, wurden die Dessins zunehmend stilisierter.
Möbelstoff, Steiner & Co., Lancashire, England
In diesem Muster einer exotischen floralen Landschaft wird das Vermächtnis der Arts-and-Crafts-Bewegung offensichtlich, auch wenn die geschwungenen Formen ebenfalls Elemente des Jugendstils waren. Seit dem 19. Jh. beherrschten die Textilmanufakturen in Lancashire die Stoffproduktion; Steiner gehörte zu den Firmen, die für unabhängiges und innovatives Design standen.
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Möbelstoff „Margery“, Roger Fry, Omega Workshops, 1913, London
Clive Bell postulierte 1914 das Ideal einer Ästhetik unabhängig vom Gegenständlichen. In den Omega Workshops wurden diese Prinzipien von Künstlern wie Vanessa Bell (1879– 1961) und Duncan Grant (1885–1978) umgesetzt. Das gedeckte Violett, Blau und Grün in diesem Dessin steht beispielhaft für die Ideale harmonischer Ästhetik. Die Werkstätten produzierten bis 1919 Möbel, Stoffe und Keramik.
MUSTERELEMENTE
• Schwungvolle organische, florale Dessins • Abstrakte Muster in gedeckten Farben • Kraftvolle, auffällige abstrahierte Formen • Einfache, farbenprächtige Blumen und Schmetterlinge
Kräftıge Farbe n & Abstrakte s 19 02 – ca. 1925
Kleiderstoff, Paul Poiret, Atelier Martine, 1919, Paris
Nach 1918 verlangte die Damenmode nach neuen, lässigeren Formen. Paul Poiret (1879–1944) bevorzugte kräftige Farben und ausdrucksstarke Muster, die von den Ballets Russes (vgl. S. 224–225), den Wiener Werkstätten und der Jugendstilbewegung inspiriert waren. Die einfachen, frischen Dessins wurden in seinem Studio von Lehrlingen ohne Vorbildung produziert. Dieser Stoff hat zwei verschiedene Farbrichtungen – Blau und Orange sowie Gelb und Koralle.
„Der Wiener Dekorationsstil Anfang … des 20. Jh. hatte viele Bezüge zu dem Stil, der als Art déco bekannt wurde.“ STUART DURANT, ORNAMENT: A SURVEY OF DECORATION SINCE 1830, 1986
Möbelstoff, F. Gregory
Kleiderstoff, Wiener Werk-
Brown, 1922, England
stätten, um 1925, Wien,
In England kam 1914 die Kunstrichtung des Vortizismus auf. Geprägt von der Kunst des italienischen Futurismus zeigt der Stoff die „geometrische Energie“ eines Strudels. Die kantigen zurückweichenden Bogenformen aus Grau- und Schwarztönen in diesem Dessin sind ein typisches Element des Vortizismus. Bei der Weltausstellung des Kunstgewerbes und des Industriedesigns in Paris im Jahr 1925 gehörte es zu den modernsten Exponaten.
Die Wiener Werkstätten wurden 1897 gegründet, um die Ideale der Wiener Secession (vgl. S. 216–217) fortzuführen. Es entstanden Textilien in kräftigen Farben und einfachen Mustern für Möbel und Kleidung. In diesem Dessin tauchen grazile Formen von Insekten, Schnecken und Schmetterlingen zwischen Streifen in kräftigem Orange und Braun auf, die gelegentlich von blauen Elementen belebt werden.
Österreich
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