Kundenmagazin rittermann werkstatt holz

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«Mit Holz bastelt man nicht. Mit Holz arbeitet man.» Das Gespräch mit unseren Autorinnen Antje und Susann Rittermann führte Martina Räber. Was fasziniert Kinder am Werkstoff Holz? Und wie entwickeln sie eigene Ideen beim Werken? Im Interview erzählen die Schwestern Antje und Susann Rittermann, welchen Anstoß es brauchte, um gemeinsam ein Buch zu machen und was aus einem alten Brett auf einem Zeltplatz entstehen kann. Wie war es, als Zwillingsschwestern gemeinsam ein Buch zu machen? Wie haben Sie sich die Arbeit aufgeteilt? Antje Rittermann (AR): Wir haben es sehr genossen, endlich mal wieder ein gemeinsames Projekt machen zu können. Seit wir räumlich so weit getrennt sind, Susann lebt in Amsterdam und ich in Stuttgart, ist das leider seltener geworden, auch wenn wir in sehr engem Kontakt zueinander stehen. Es war schon lange ein Traum von uns, ein Buch zu machen, um von unseren Erfahrungen beim Werken mit Kindern berichten zu können. Auf eine Art ist das Buch die Essenz unserer Arbeit der letzten zehn Jahre geworden. Und diese Bilanz gemeinsam ziehen zu können, war wunderbar. Susann Rittermann (SR): Ja, es war wunderbar! Wir arbeiten einfach sehr gerne zusammen. Da geht vieles ganz intuitiv. Wir verstehen uns blind. Und ich glaube, wir ergänzen uns ganz gut, weil jeder andere Schwerpunkte und eine andere Ausgangsposition hat. Antje ist die Fachfrau für Holz. Das ist einfach ihr Lieblingsmaterial.

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Susann Rittermann (links) hat als Textilkünstlerin für Architekten, Modedesigner und Theatermacher preisgekrönte Stoffe entworfen. Sie hat verschiedene Werkprojekte für Grundschulen entwickelt und gibt in ihrem Kinderatelier in Amsterdam Workshops für Kinder im Alter von 5 bis 12 Jahren. www.hetkinderatelier.com Antje Rittermann ist seit 1997 als freischaffende Künstlerin tätig und lebt in Stuttgart. Sie erarbeitete Werkprojekte für Kindergärten und Schulen und engagiert sich in Community-Art-Projekten. www.antje-rittermann.de

AR: Und Susann hat sehr lange am grafischen Konzept gefeilt und an der Didaktik. Die war ihr enorm wichtig. Dass es in jedem Kapitel, zu jeder Technik, für die Kinder einen Abschnitt mit Hinweisen für den eigenen Entwurf gibt, war zum Beispiel ihr großes Anliegen. Wir haben uns gegenseitig angespornt und viel voneinander gelernt. Aber wir haben einander auch nichts durchgehen lassen. Das war manchmal ganz schön anstrengend. Ich habe aber das Gefühl, je mehr wir uns gestritten haben, desto besser ist das Buch geworden. Und wenn wir uns mal gar nicht einigen konnten, hatten wir ja Heidi Müller und ihr Team vom Haupt Verlag als letzte Instanz. Ohne ihre Geduld und ihr Vertrauen wäre das Buch wohl nicht so geworden, wie es geworden ist. Antje Rittermann, Sie sind seit Jahren als freischaffende Künstlerin tätig – Susann Rittermann, Sie arbeiteten als Textilkünstlerin mit Architekten, Modedesignern und Theatermachern. Beide arbeiten Sie regelmäßig mit Kindern zusammen. Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch zum Thema Holz für Kinder zu publizieren? SR: Die Freude an der Arbeit mit Kindern kam bei mir mit den eigenen Kindern. Wir wohnen gemeinschaftlich mit einer Gruppe von Künstlern in einer ehemaligen Schule. Immer wenn ich mit meinen Kindern am Werken und Bauen war, kamen die Nachbarskinder dazu und Freunde von Freunden. Es hat sich rumgesprochen, Platz, Material und Werkzeug waren im Atelier reichlich vorhanden. Und mir hat es großen Spaß gemacht, mit den Kindern zu werken. So ist «het Kinderatelier» entstanden. Die Kinder schienen richtig ausgehungert danach zu sein, mit echtem Werkzeug umzugehen und jemanden zu haben, der sie mit verschiedenen Techniken vertraut macht. Vielleicht liegt es daran, dass in Holland in vielen Schulen Werken nicht mehr auf dem Lehrplan steht. Da entsteht ein Defizit, das die Eltern oft nicht ausfüllen können. Ich habe dann Werkprojekte an verschiedenen Schulen gemacht und die Begeisterung der Kinder war überwältigend. Da war es irgendwann logisch, all die Erfahrung, die wir im Lauf der Jahre gesammelt haben, all die Projekte und Ideen, zusammenzutragen und sie mit anderen zu teilen. Es hat nur noch der Anstoß gefehlt… AR: Oh, an den kann ich mich noch sehr gut erinnern! Es war um unseren Geburtstag herum. Ich war in Amsterdam zu Besuch und hatte ein Werkbuch für Kinder dabei, über welches ich mich furchtbar geärgert habe. Da stand sinngemäß drin, dass man in den Baumarkt geht, wenn man einen geraden Sägeschnitt braucht. Das hat mich auf die Palme gebracht. Denn: Wenn die Kinder in meiner Werkstatt einen Sägeschnitt machen, dann wird der schief. Darum

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geht es doch! Ich finde, man muss Kindern zeigen, was sie mit einem schief gesägten Brett anfangen können oder wie sie es gerade bekommen. Aber nicht, dass man dafür in den Baumarkt gehen soll! Jedenfalls habe ich so über das Buch geschimpft, dass Susann irgendwann gesagt hat, jetzt reicht’s aber. Hör auf zu meckern. Das bringt nichts. Mach es besser! Und da war es beschlossen: Wir machen ein Werkbuch! SR: Dann haben wir fast ein halbes Jahr gebraucht, um unser Material zusammenzustellen und ein Konzept zu entwickeln. Dabei ist dann schnell so viel Material zusammengekommen, dass der Verlag vorgeschlagen hat, zwei Bücher zu machen. Nun gibt es ein Werkbuch zum Thema Holz und eines, bei dem es um das Gießen geht. Da wird Beton, Seife und Zucker gegossen – auch sehr spannend! (Dieses zweite Buch erscheint im Frühling 2015.) In «Werkstatt Holz» legen Sie großen Wert darauf, dass die Kinder selber Ideen entwickeln. Wie sind Ihre Erfahrungen damit? AR: Kinder haben immer eigene Ideen! Sie diese entwickeln zu lassen, gelingt am besten mit einer Zeichnung. Sobald die Kinder anfangen zu zeichnen, machen sie ihren eigenen Entwurf, weil sie festhalten müssen, was ihnen vorschwebt. Im Kapitel Schnitzen sind die Entwurfszeichnungen der Kinder zu sehen. Da sieht man sehr schön, wie die Kinder ihre Ideen entwickelt haben. Und wie wichtig Zeichnungen dafür sind. SR: Ich vertraue darauf, dass Kindern, wenn sie ein Material sehen, etwas einfällt. Die Ideen sind im Material. Man muss Kindern nur die Technik liefern und vielleicht ein Format vorgeben, indem man das Material portioniert. Der Rest kommt von allein. Sicher, manchen Kindern fällt es am Anfang schwer, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass alle Kinder, wenn sie vor die Wahl gestellt werden, sich selber etwas auszudenken oder eine Vorlage auszufüllen, lieber etwas Eigenes entwickeln wollen. AR: Manche Kinder haben Angst, es nicht richtig zu machen, nicht perfekt genug zu sein, dass sie sich gar nicht trauen, einfach anzufangen. Ganz oft sind es wohlmeinende Eltern, die ihren Kindern den Wind aus den Segeln nehmen. Die sagen dann so Sachen wie, «komm, ich zeichne dir das Gesicht», oder «mach lieber keinen Löwen, das ist doch zu schwierig für dich». SR: Ja, das erlebe ich auch oft. Wenn Eltern bei meinen Kursen anwesend sind, versuchen sie ganz oft, das beste Stück der Arbeit, den Entwurf, zu übernehmen. Weil sie denken, das Kind kann das nicht. Dabei können die Kinder das viel besser als die Erwachsenen – immer! Der eigene Entwurf ist die Seele oder das Sahnestück einer Arbeit. Das darf man sich von niemandem abnehmen lassen. Was begeistert Kinder am Werkstoff Holz? AR: Holz ist ein ernsthafter Werkstoff. Holz ist einfach etwas anderes als Glitzerknete, Klopapierrolle oder Moosgummi. Das spüren Kinder. Mit Holz bastelt man nicht. Mit Holz arbeitet man. So wie Bauarbeiter oder Handwerker. Und man braucht echtes Werkzeug dazu. SR: Solide Dinge sind aus Holz: Schiffe, Dachstühle und Tische. Kinder erkennen sofort das konstruktive Potential von Holz. Ein Schiff aus Holz schwimmt, mit einem Schwert aus Holz kann man kämpfen, ein Auto aus Holz fährt.

Tomislav mit Bender

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Welches ist Ihr Lieblingsprojekt aus dem Buch? AR: Eigentlich mag ich alle Projekte. Weil ich mich sehr gern an ihre Entstehung erinnere. An den Enthusiasmus der Kinder. Und ihren Stolz auf die fer-


tigen Arbeiten. Aber wenn ich ein Projekt herausgreifen soll, würde ich mich für den Jeep, das Motiv auf dem Buchumschlag, entscheiden. Einfach weil er ein sehr schönes Beispiel dafür ist, wie aus dem letzten Abfallbrett noch etwas werden kann. Der Jeep ist auf dem Zeltplatz entstanden. Benjamin wollte ein Auto machen. Für das Fahrgestell hatte ich ein Brettchen, aber sonst stand nur ein altes, hässliches Brett zur Verfügung: dunkelgrün gestrichen, Nut und Feder, eingefräste Rillen auf der Rückseite. Benjamin hat sich davon nicht abschrecken lassen. Und mit einmal wurde klar: Hey, das wird ja ein Jeep! Und was für einer! Auf einmal war dieses Abfallbrett perfekt! SR: Bender! Ich mag Bender am liebsten. Weil das ein schönes Selbstbildnis von Tomislav ist. Man sieht, dass er lange und mit Hingabe daran gearbeitet hat. Ich habe so eine Figur noch nirgendwo gesehen. Das ist etwas sehr Persönliches.

Benjamin mit seinem Jeep

Das Holz für die Projekte im Buch wird wie erwähnt auf dem Zeltplatz, im Wald, am Seeufer oder auf Baustellen gesammelt. Was ist Ihre Idee dahinter? SR: Wir kaufen aus Prinzip kein Holz im Baumarkt. Es ist einfach genug Holz im Umlauf. Es steht immer irgendwo ein Brett oder eine Dachlatte rum, die jemand weggeworfen hat. Selbstgefundenes Holz ist einfach besser. Und nachhaltiger. AR: Man muss ein Auge dafür entwickeln. Soll ich diesen Ast mitnehmen oder lohnt es sich gar nicht mehr? Weil er schon morsch ist? Kinder lernen dabei sehr viel über das Holz. Und sie machen die wunderbare Entdeckung, dass Holz sie überall umgibt. Es liegt buchstäblich auf der Straße. Runtergefallene Äste kann ich im Park oder Wald einfach aufsammeln. Deswegen gehen unsere Schnitzprojekte alle von einem Stück Ast aus. Ein Stück Ast kann sich jedes Kind selber besorgen. Es muss ja nicht groß sein. Und schon kann man loslegen!

Werkstatt Holz – das Buch zum Artikel

NEU Antje Rittermann und Susann Rittermann Werkstatt Holz Techniken und Projekte für Kinder 208 S., Klappenbroschur € 24.90 / sFr. 33.90* ISBN 978-3-258-60080-2

Mit diesem Buch lernen Kinder ab fünf Jahren fast alle Holzbearbeitungstechniken und Werkzeuge kennen und anwenden. Und damit das neue Wissen sofort ausprobiert werden kann, gibt’s zu jeder Technik ein Projekt. Dafür wird keine perfekt eingerichtete Holzwerkstatt benötigt, Schnitzmesser, Säge, Bohrer, Leim, Schraubzwinge, Hammer und Nägel reichen als Basiswerkzeuge aus. Und das Holz wird im Wald, am Seeufer und auf Baustellen gesammelt. Die Tipps aus der Werkstattpraxis am Ende jedes Kapitels unterstützen Lehrpersonen wie auch Eltern mit wertvollen Informationen zu geeigneten Einstiegsprojekten, Gruppengröße, Altershinweisen oder Arbeitsplatzeinrichtung.

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