„Das sehen ist nämlich auch eine kunst“. Das Schreiben-Lesen als ästhetische Vermittlungsarbeit – zu Hanne Darbovens Arbeit an der Schrift Elke Bippus
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„Der Mensch schreibt absolute [sic] gut, wenn er sich schreibt“, zitierte Hanne Darboven den
Mathematiker und Professor für Experimentalphysik Georg Christoph Lichtenberg in einem „Happy New Telegram“, das an den Fotografen und guten Freund der Künstlerin, Roy Colmer, adressiert ist und in der Kulturgeschichte 1880 — 1983 (1980 — 1983) ausschnitthaft wiederkehrt. 1 Lichtenberg formulierte diesen Satz in einem Aphorismus, der sich explizit gegen eine gekünstelt-nachahmende Schreibweise und ein bloßes Lernen – im Sinne der Aneignung eines reinen Faktenwissens – ausspricht. In einem betrübten, gleichwohl kritischen Ton merkte der Experimentalphysiker an, dass „wir […] nicht angehalten [werden] individua [sic] im Denken zu werden“. 2 Eine adäquate Selbstbildung in seinem Verständnis wird möglich durch eine Verbindung zwischen dem Schreiben, dem Denken und der existenziellen Erfahrung. Denn es gehe nicht darum, das zu denken, „was die Alten dachten, sondern so [zu] denken wie sie dachten“. Demgemäß schreibt der Mensch denn auch gut, „wenn er sich schreibt“, 3 das heißt, wenn er gerade nicht einen etablierten Schreiber oder Stil kopiert oder ein anerkanntes Schema anwendet.
Hanne Darboven hat sich offenbar in verschiedener Hinsicht die Feststellung Lichtenbergs zu
eigen gemacht. Allerdings entspricht ihr Schreiben keinem naiven unmittelbaren Ausdruck, es folgt ebenso wenig der Polarität von natürlich versus künstlich, wie es bei Lichtenberg der Fall ist, bei dem es heißt: „Warum ergötzt der niedersächsische Bauer durch seine plattdeutschen Naivetäten so oft den Kenner des Schönen, und der junge Theolog nicht [sic!] der uns mit wehmütiger Stimme durch lautre sichtbare Finsternis nach Golgatha hinleuchten, und uns den Gekreuzigten anstaunen lassen will.“ 4
Hanne Darboven arbeitete an einer adäquaten Schreibpraxis, die sich, wie ich im Folgenden zeigen
möchte, als Individuation im Denken bestimmen lässt, die das Werden als Dimension des Seins 5 erkennbar macht und die zugleich nach der Darstellbarkeit der Wirklichkeit fragt. Das Schreiben als Tätigkeit, als autobiografisches Schreiben und als Arbeit an einer Darstellung der (Kultur-)Geschichte sind in Lichtenbergs: „Ich habe Sachen noch einmal von Hand geschrieben, um durch die vermittelte Erfahrung mich selbst zu vermitteln.“ 7
Konzeptionen von Kommunikation und Information
Darboven hat ihre künstlerische Praxis des Schrei-
bens in Relation zu zwei zentralen Fragestellungen und Problematisierungen der Minimal Art und der Conceptual Art ausgebildet. Im „Kielwasser des Minimalismus [suchte sie] eine Form […], die weder Malerei noch Skulptur wäre, und in der ihre Kunst eine Sprache der Öffentlichkeit sprechen würde“. 8 Grundlegend wurde für sie auf dieser Suche die Schrift und eine „theoretische Kunst“, 9 wie sie die Conceptual Art proklamierte. Im Kontext dieser Debatten und Problematisierungen entwickelte die Künstlerin eine künstlerische Praxis, 10 welche Produktion und Darstellung verklammert und die Sequenzialität der Schrift und die räumliche Struktur der Bildmedien grundlegend ineinandergreifen lässt und so neue Sicht- und Leseweisen von Bild und Schrift provoziert. 11
In ihrem Beitrag für die Ausstellung Konzeption –
Conception beschreibt sie ihre Technik der „Aufzeichnungen“
(Abb. 1),
deren Potenzial und Neuerung für die
Kunst im Kontext des Katalogs evident wird. Denn die
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Darbovens Werk ununterscheidbar. 6 Das Schreiben wurde zur Selbstreflexion und -bildung im Sinne
Conceptual Art gab nicht bloß dem Entwurf, dem Konzept das Primat gegenüber der Ausführung, sie vollzog hierdurch „ein[en] Wandel der Kunst und mithin des Kunstbegriffs“. 12 Der Katalog macht die Radikalität dieser Veränderung mit dem Untertitel der Ausstellung Dokumentation einer heutigen Kunstrichtung. documentation of a today’s art tendency kenntlich. „Dokumentation“ meint dabei nicht die Repräsentation der Ausstellung qua Installationsansichten gezeigter Werke, sie vermittelt sich vielmehr durch den Abdruck von Konzepten, Skizzen, Diagrammen oder Fotografien. 13 Dadurch wird offensichtlich: Die Conceptual Art gründet nicht auf der sinnlichen Erscheinung von Werken, ihr geht es vielmehr um die methodischen Möglichkeiten ihrer Konzepte. Dementsprechend sind die Entwürfe nicht – wie etwa in der Land Art – „auf noch formal zu bestimmende Objekte“ 14 oder Gegenstände bezogen, sondern auf Vorgänge und Prozesse der Kommunikation, der Dokumentation und Information.
Bis Ende der 1960er-Jahre klärte Darboven dieses Interesse in Form von grafisch-geometrischen
Zahlenkonstruktionen für sich, ab Mitte des darauffolgenden Jahrzehnts wandte sie sich konkreten (kultur-)geschichtlichen Themen zu und kam so dem ihr wichtigen Bedürfnis der Vermittlung nach. In einem Brief an ihre Eltern 15 hatte sie sich diesem Anliegen gegenüber noch unsicher geäußert. Durch die Verbindung ihrer Kalenderaufzeichnungen mit der Abschrift von Texten wurde es ihr dann jedoch möglich, sich kulturgeschichtlichen, historischen und politischen Themen zuzuwenden, ohne hinter die von ihr als notwendig erachtete „Eigenständigkeit“ 16 der Kunst, die sich dezidiert von einer abbildend-repräsentativen Funktion abgrenzt, zurückzukehren. 17
Darboven gilt als Aufklärerin, „ihr Ziel ist Aufklärung“, heißt es bei Ernst Busche. Die Künstlerin
lasse „uns […] so unbarmherzig nachsitzen in ihrer großbürgerlichen Dorfschule“, da sie „an Aufklärung, an Vernunft und an Wissen“ 18 glaube. Die Beschreibung assoziiert, und dies scheint für die Rezeption ihrer Arbeiten in den 1980er-Jahren gängig, die enzyklopädische
Schreibarbeit
der
Künstlerin
180
mit Strafarbeit. Der Wunsch nach Wissen, die Überzeugung von und das Vertrauen in eine Aufklärung und in die Vernunft gerät implizit unter den Verdacht einer unzeitgemäßen, aber auch lustfeindlichen Haltung. Allerdings steht die Vorstellung von der Aufklärung als „Glaube an das autonome Subjekt der Erkenntnis oder der Geschichte, die Suche nach der Glückseligkeit, nach der idealen Gesellschaft, die Idee der Freiheit“ oder die „Gleichsetzung von Aufklärung und Fortschrittstheorie“ 19 seit geraumer Zeit selbst 20 in der als „disqualifizierede Vereinfachung“
Kritik. Michel Foucault revidierte bereits Mitte der 1980er-Jahre das gängige Bild der Aufklärung und beschrieb sie in seiner Auseinandersetzung mit Immanuel Kants kleinem Text „Was ist Aufklärung?“ 21 als Ausgang einer modernen Haltung, welche den Anspruch formuliert, das „Heute“ zu reflektieren. „Die Reflexion über ‚heute‘ als Differenz in der Geschichte und als Beweggrund für eine eigenständige philo-sophische Aufgabe“ benannte Foucault als das „Neuartige“ an Kants Text, als „einen Ausgangspunkt […]: den Aufriss dessen, was man die Haltung der Modernität nennen könnte“. 22 Mit Baudelaire begriff Foucault Modernität nicht nur als „Beziehung zur Gegenwart“, sondern als „Modus einer Beziehung, die man zu sich selbst herstellen muss. Die gewollte Haltung der Modernität ist mit einer unerlässlichen Asketik verbunden. Modern sein heißt nicht, sich selbst zu akzeptieren, so wie man im Fluss der vorübergehenden Momente ist; es heißt, sich selbst zum Gegenstand einer komplexen und strengen Ausarbeitung zu machen.“ 23
Darbovens Schreiben, das sie diszipliniert im Rhythmus eines 8-Stunden-Tages praktizierte,
kann als „Haltung der Modernität“ betrachtet werden, die ihren Ausgang in der Aufklärung nahm. Der immer wieder festgestellte „enorme Aufwand und die Eigenwilligkeit“ 24 ihrer Schreibarbeit vermittelt nicht die (konventionelle und gängige) Vorstellung eines Schöpfungsprozesses, sondern Aneignungsund Reflexionsprozesse einer strengen Selbstbildung. Die Schreibarbeit(en) 25 wiederholen den modernen Anspruch der Aufklärung unter den Bedingungen einer „Krise der Möglichkeit von (universeller) Repräsentation.“ 26 Das als Vanitas-Emblem zu lesende „heute“, das in zahlreichen Arbeiten Darbovens wiederkehrt, verweist als Zeitindex auf das jeweilige Heute der Betrachter und markiert die Zeit des Schreibens als entzogene. In diesem Sinne wirft Darbovens Visualisierungspraxis die unerhörte Forderung einer Darstellung der Wirklichkeit und des Lebendigen eines Prozesses auf, um sie zugleich zu demontieren. Ihre Schreibarbeit vermittelt sich dergestalt als eine Derepräsentation. Grundlegend hierfür wurden die in New York entstandenen konstruktivistischen Zeichnungen und Konstruktionen, die Darboven schließlich in Zahlensystemen erfasste und in ein systematisches, scheinbar endloses Tun überführte, in die Ermittlung von Quersummen aus Daten, also aus Tagesrechnungen, die in Form von Zahlenkolonnen, Kästchen, Zahlenworte wörtlich und U-Bögen dargestellt werden (Abb. 2 und 3). Diese grafischen Formfindungen wurden konstitutiv für die Transformation des sequenziellen Nacheinanders der Schrift in ein raumzeitliches Nebeneinander.
Raum-Zeit-Werden der Schrift
Darboven bezog sich in ihrer Suche nach einer neuen Darstellungsweise, die weder Malerei noch
Skulptur sei, nicht allein auf visuelle Gattungen und deren Eigenschaften, sondern sie reflektierte – und in sich aufnehmen kann 27 – die Darstellungspraktiken von Bild und Schrift. Sie berief sich auf Transformationen des Bildes in der Geschichte der Kunst, die sie in Bezug auf Raum, Zeit und Schrift reflektierte. Grundlegend in diesem Zusammenhang ist El Lissitzky [Kunst und Pangeometrie]
(Abb. 4).
Auf dem Ein-
band des zur Ausstellung erschienenen Katalogbuchs von 1973 finden sich Aussagen von Lissitzky aus den Texten 1924 – √ – + ∞ = Nasci (1924) 28 und K. und Pangeometrie (1925). 29 K. und Pangeometrie gilt als zentraler Text in Lissitzkys theoretischem Denken, der versucht, die abstrakt geistige Utopie des Suprematismus „in die konkrete Utopie einer emanzipatorischen Veränderung der sozialen und materiellen Wirklichkeit mit den Mitteln der künstlerischen Wahrnehmungs- und Raumorganisation“ 30 zu überführen, was Darbovens Befragung der gesellschaftlichen Funktion von Kunst entspricht.
Die Künstlerin eignete sich Lissitzkys Motto an, das dieser
K. und Pangeometrie 31 vorangestellt hatte. Sie stellte ihre künstlerische Produktion in seine Tradition und unter die Maxime: „Das sehen ist nämlich auch eine kunst“. Mit „Jede form ist das erstarrte momentbild eines prozesses. Also ist das werk haltestelle des werdens und nicht erstarrtes ziel“ 32 oder „Wir erkennen werke an, die in sich ein system enthalten, aber ein system, das nicht vor, sondern in der arbeit bewusst geworden ist“, 33 reflektierte Darboven ihr Werkverständnis implizit als ein prozessuales, bezeichnete das Werk als eine momentane Figuration und nahm in Anspruch, dass sich ihr System der Datumsrechnungen aus der Arbeit selbst ergeben hat.
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hierin entspricht ihre Praxis einer von der Conceptual Art geforderten analytischen Kunst, welche Theorie
In El Lissitzky [Kunst und Pangeometrie] verklammerte sie zwei sich im gewöhnlichen Sinne einander ausschließende Darstellungsmöglichkeiten von Zeit, indem sie Daten in einem chronologischen, tabellarischen Nacheinander und zugleich in reduzierter Weise in einem nichtlinearen Nebeneinander der Quersummen in Zahlentafeln eintrug und somit deren Gleichzeitigkeit behauptete
(Abb. 5).
Ihre Zeichnungen lassen die Form
zum Inhalt werden, sodass Zeit von Darboven nicht bezeichnet, sondern in performativer Weise aufgezeichnet wird. Verschiedene historische Zeiten werden durch Textzitate aufgerufen und – den einzeln gerahmten paginierten Blättern entsprechend – in ein lineares Nacheinander gefügt. Durch die tableauartige Hängung der Rahmen, die verschiedene Leserichtungen und zudem Beziehungen über Rahmen hinweg möglich werden lassen oder gar durch grafische Ähnlichkeiten provozieren, wird ein räumliches Nebeneinander evoziert. 34 Darbovens Schreibarbeit bilden so einen Raum, der keine Lektürerichtung vorgibt, sondern sich als gestaltbarer und heterogener Raum anbietet, sich vielfältigen Rezeptionsweisen öffnet und den autoritären Charakter einer vorbestimmten Deutung zurückweist. Dem wiederholend konstellativen Textverfahren ist methodisch die Möglichkeit inhärent, einen Sinn außerhalb des Bekannten herzustellen. Die Inszenierungen des Schreibens in all den von Darboven vorgeführten Ausformungen haben den Effekt, dass die uns vertraute lesbare Schrift gerade nicht zugunsten ihres Inhalts 182
transparent wird, im Gegenteil: Sie zeigt sich in ihrer Materialität 35 und affizierenden Kraft und kann zu einem Medium des Denkens 36 werden. Öffnet man sich diesem Unvertrauten, kann ein modifiziertes Ergreifen möglich werden, ein Sinn außerhalb des Bekannten.
Darbovens Präsentationsweise ist mit Prozessen und Techniken des Unterbrechens verknüpft, mit
Sprüngen, durch die wir im Denken das uns Vertraute verlassen, uns vom stetigen Fortgang lösen, Umwege machen oder gar auf Abwege kommen, die uns befremden. In diesem Sinne hatte die Künstlerin an ihre Eltern geschrieben: „Mache viele Skizzen, gehe zum Teil folgerichtig von Konstruktion zu Konstruktion; zwischendurch mache ich dann jedoch auch Sprünge, das heißt, ich verlasse zwischendurch die Strenge, unternehme ein Experiment.“ 37 Die raumbildende Präsentationsweise der Gleichzeitigkeit von Nach- und Nebeneinander lässt das Sehen zu einer Kunst (nicht zur Kunst) werden, das heißt zu einer Technik, genauereiner performativen Lektürepraxis.
Das Lesen vollzieht sich prozessual in der Durchdringung eines konkreten Materials, das die Be-
trachter 38 in einen Prozess des gleichzeitigen Sehens und Lesens verwickelt und sie einbindet in eine spezifische raumzeitliche Situation. In Anlehnung an einen in den 1960er-Jahren gängigen Ausdruck lässt sich sagen, die Lektüre informiert 39 das Dargestellte. Die Praxis des Schreiben-Lesens findet ihr Pendant in der eines Sehen-Lesens. Mit anderen Worten: Die Praxis des Schreiben-Lesens gilt für die Produktions- wie für die sogenannte Rezeptionsseite gleichermaßen. 40
Das „werk“ 41 ist kein abgeschlossenes Gebilde, es ist vielmehr auf Vorgänge bezogen, konkret
auf das Sehen-Lesen. Dem Betrachter, der Betrachterin wird eine neue Rolle zugewiesen, die Rolf Wedewer 1969 für die Conceptual Art mit den Worten fasste: „Der Künstler gibt nur mehr einen Hinweis, und der Betrachter ist nicht mehr festgelegt auf die bloße Wahrnehmung und Deutung des also Wahrgenommenen. Er sieht sich vielmehr der Notwendigkeit und zugleich der Möglichkeit ausgesetzt, die Hinweise des Entwurfs seinen jeweils eigenen Vorstellungen und Assoziationen entsprechend zu reflektieren. Bei der conceptual art mündet der schöpferische Akt nicht in ein abgeschlossenes Gebilde, sondern verbleibt konsequent in einer offenen, in einer prozeßhaften Form.“ 42
183 Abb. 5
Abb. 6
Zusammenstellung von grafischen Darstellungstechniken Hanne
Spiegel-Artikel: „Ich müßte sehr niedergeschlagen sein.
Darbovens. Aus: Lucy Lippard: Hanne Darboven. Deep in Numbers,
Jean-Paul Sartres Selbstporträt mit 70 Jahren“
in: Artforum, 12, 1973, Oktober, S. 35 — 39, hier S. 38.
Schreiben als autopoietisches Selbstporträt
Hanne Darboven verstand ihr „Tun“ als Fortführung der Arbeit von James Joyce, der ihres Erachtens
die konventionelle Literatur in die Unlesbarkeit geführt hat. 43 Ihre Schreibarbeit begann mit der Abschrift von Homers Odyssee. Diese rein reproduktive Tätigkeit 44 gab sie 1971 zugunsten einer Autopoiesis auf, in der sie die von ihr gewählten Texte eines in den 1960er-Jahren durchaus gängigen Literaturkanons mit ihren Kalenderaufzeichnungen verwob. Sie schuf so eine (Auto-)Biografie, die sich in Relation zu ihrer bürgerlich-kaufmännischen Herkunft, der (Kultur-)Geschichte, insbesondere der deutsch-europäischen, und einer von der US-amerikanischen Kunstszene geprägten Konzeption artikuliert. 45
Ihr Denken zu einem autopoietischen Schreiben bildete Darboven unter anderem 1975 in Für Jean
Paul Sartre aus. Die Arbeit öffnet die Zeitspanne zwischen Sartres Geburtsjahr (1905) und dem Jahr seines 70. Geburtstags. Darboven schrieb Abschnitte von Sartres Die Wörter ab 46 und collagierte diese autobiografischen Textpassagen, welche die Lebensjahre in der Zeit von 1905 bis etwa 1917 (be-)schreiben, mit einem Interview, das Sartre 1975 mit Michel Contat, einem Mitarbeiter seiner Zeitschrift Les Temps modernes 47 geführt hatte, und aus dem Der Spiegel Auszüge in Übersetzung abdruckte
(Abb. 6).
Dieses
Gespräch wiederum wurde als Sartres Selbstporträt mit 70 Jahren betitelt. 48
Sartre, dessen Sehvermögen in dieser Zeit bereits extrem eingeschränkt war, äußerte in diesem
Gespräch, dass das Wichtigste für ihn das Schreiben gewesen sei und dass diese Tätigkeit ein Denken und Lesen sei: „Ich denke immer noch, aber da ich nicht mehr schreiben kann, ist die Denktätigkeit in gewisser Weise aufgehoben. […] Ich glaube, daß zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen Wort ein sehr großer Unterschied besteht. Was man schreibt, liest man wieder. Man liest langsam oder schnell; mit anderen Worten, man selbst bestimmt die Zeit, die man auf einen Satz verwendet.“ 49 Auch in Die Wörter spielt das Verhältnis von Lesen und Schreiben eine zentrale Rolle. Die beiden Begriffe glie184
dern die autobiografische Schrift, die als eine Untersuchung über die Not und die Wollust des Schreibens gilt, in 2 Teile. Sartres Selbstanalyse seiner Kindheitsjahre erneuerte wie die autobiografischen Texte von Alain Robbe-Grillet, Georges Perec, Nathalie Sarraute oder Philippe Sollers das Genre der Autobiografie im 20. Jahrhundert grundlegend. Bemerkenswert an der neuen autobiografischen Schreibweise ist, dass die Autoren zwischen den Zeilen ihrer Texte verschwinden, dass sie das Genre als Ruine einer Konvention reflektierten und es als Sprachspiel erneuerten. 50
Den Autoren vergleichbar agierte Darboven im Visuellen und erneuerte das Genre Selbst-
porträt durch die Visualität der Schrift. Mit ihr unterbrach sie den Fluss eines identifizierenden Sehens und Lesens, vollzog den Prozess des Schreibens als Vorgang der Hand und des Denkens (nach) und vermittelt hierdurch die existenzielle Dimension des Schreibens ohne repräsentatives Bild. Die regelmäßig gefügten Aufzeichnungen zeigen die Information des (Schreib-)Prozesses, sie entziehen sich der Vorstellung eines lebendigen, spontanen Akts und demontieren das Konzept eines unmittelbaren Zugangs zu einem sinnlich Erlebten, zu Gefühlen, die der Ästhetik der Kunst zugeschrieben werden. Durch die Verschränkung der dichotom charakterisierten Medien von Bild und Schrift, von manuell-produktiver grafischer Zeichnung und reproduktiver Aufzeichnung vermittelt sich das Schrift-Bild in seiner Realität, 51 Historizität und Kontingenz. In einer geradezu dekonstruktiven Weise erscheint im „Raum […] als Bild, was in der Zeit als Schrift entstanden ist und in der Zeit lesbar geworden ist“. 52 Durch das Bild-Werden der Schrift und das Schrift-Werden des Bildes wird die Forderung einer Darstellung der Wirklichkeit, der Lebendigkeit als Unerhörte(-s) vernehmbar. Als De-Repräsentation vermittelt die (Auto-)Biografie der Künstlerin sich als ein Text-Bild-Korpus, der – wie Paul de Man es in seinen Überlegungen zur „Autobiographie als Maskenspiel“ treffend formuliert hat – danach fragen lässt, ob das autobiographische Vorhaben das Leben hervorbringt und bestimmt und nicht, wie es die gängige Vorstellung ist, „das Leben […] die Autobiographie […] wie eine Handlung ihre Folgen“. 53 Mit anderen Worten Hanne Darboven verweigert ein Selbstporträt, das sich vermeintlich von einem Vorbild ableitet, zugunsten eines leiblichen Gegenbildes, das allerdings keinen Spiegel mehr abgibt, „weil es erst indirekt und auf verschiedenen Wegen
gelesen werden muß“. 54 Im Unterschied zu einem Selbstporträt einer referentiellen Malerei ist das „Auftauchen des Angesichts“ 55 Schrift. Darbovens De-Repräsentation von (Kultur-)Geschichte und Selbstporträt transformiert die ästhetische Erfahrung in einen ästhetischen Prozess des Denkens.
1
Die 1975 / 76 entstandenen Aufnahmen von New Yorker
Eingangstüren von Roy Colmer integrierte Darboven
Konstruktionen, ein Zahlensystem entwickelt, das auf Kalen-
ebenfalls in die Kulturgeschichte 1880 — 1983. Zu diesem
derdaten beruht. Sie ermittelte die Quersummen der Daten und
Werk vgl. Hanne Darboven. „Histoire de la Culture, 1980 / 1983“,
„24 chants“, hrsg. von Suzanne Pagé, Ausst.-Kat. Musée
die Zeit visualisieren. Vgl. beispielhaft Hanne Darboven, hrsg.
d’art moderne de la Ville de Paris, Paris 1986.
von Klaus Honnef, Ausst.-Kat. Westfälischer Kunstverein,
Münster, Münster 1971, S. 43 — 52; Evelyn Weiss, „Ein Monat,
10 In New York hatte Darboven, ausgehend von geometrischen
bildete mit ihnen reduktive und progressive Bewegungen,
2
Georg Christoph Lichtenberg, Aphorismen, Schriften, Briefe,
ein Jahr, ein Jahrhundert. Zu den Arbeiten von Hanne
hrsg. von Wolfgang Promies/Barbara Promies, München
Darboven“, in: Hanne Darboven, hrsg. von Dies., Ausst.-Kat. XII.
1974, zit. nach http://gutenberg.spiegel.de/buch/-6445/3,
Bienal de São Paulo, Köln 1973, o. Pag.
Kapitel 3, Überschrift „Grabschrift“ (letzter Abruf: 30.5.2015). 11
Vgl. Elke Bippus, „Zwischen Fläche und Raum. Hanne
3
Ebd. (Hervorhebung durch die Autorin). Das vollständige Zitat
Darbovens verflochtene Bild-Räume“, in: Im Blickfeld. Jahrbuch
lautet: „Der Mensch schreibt absolute gut wenn er sich
der Hamburger Kunsthalle, Bd. 2: Ausstieg aus dem Bild,
schreibt, aber der Perüquenmacher der wie Gellert schreiben
Hamburg 1997, S. 83 — 96.
will, […] der den Winckelmann im Stil affektiert, und in die
Chrie zu gehen kommt, schreibt schlecht.“
13 Diese Art der Dokumentation behielt Darboven insofern bei,
als ihre Ausstellungskataloge bis Mitte der 1980er-Jahre
kaum Installationsansichten zeigen, sondern vornehmlich Re-
Text Das Individuum und seine Genese versucht, das Indivi-
produktionen von Blättern der ausgestellten Arbeit selbst.
duum durch die Individuation zu denken, nicht den Vorgang
Die Katalogbücher werden hierdurch gleichsam zu Quellen-
durch das Individuum. Im Zuge dessen hat er den Gegensatz
texten und machen ein Nachlesen der Arbeit in Auszügen
von Sein und Werden infrage gestellt; vgl. Gilbert Simondon,
möglich.
„Das Individuum und seine Genese. Einleitung“, in: Claudia
Blümle/Armin Schäfer (Hrsg.), Struktur, Figur, Kontur. Abstrak-
tion in Kunst und Lebenswissenschaften, Zürich/Berlin 2007,
S. 29 — 45.
man ist an keinerlei mehr gebunden, hat für nichts mehr
6
Hanne Darboven sagte in einem Gespräch mit Ortrud West-
eine Aussage zu tun, nicht mehr zu vermitteln wie z. B. einst die
heider und der Autorin am 12. Januar 2002: „Die Persönlich-
religiöse Malerei, die Historien Malerei, die Gesellschafts-
keit kannst du nicht ausnehmen, und das will ich auch gar nicht,
Malerei, u.s.w. So ist es zweifellos geworden – ein Vorteil oder
obwohl es oft schon an die Grenze des Unpersönlichen
auch nicht – doch, ich glaube, ein Vorteil, die Eigenständig-
kommt.“ Vgl. Elke Bippus/Ortrud Westheider (Hrsg.), Hanne
keit ist gewonnen wie in der Musik schon früher, in der Literatur.“
Darboven –, Kommentiertes Werkverzeichnis der Bücher, Köln
Hanne Darboven, Brief vom 23. November 1967, in: Dies.,
2002, S. 12.
Briefe aus New York 1968 — 68 an zu Hause, Ostfildern 1997, o. Pag.
7
Darboven, zit. nach Brigid Doherty, „Hanne Darbovens ‚Real
16 Hanne Darboven, Brief vom 23. November 1967, in: Darboven
Writing‘ der Geschichte“, in: Hanne Darboven. Menschen
und Landschaften, hrsg. von Kira van Lil, Ausst.-Kat. Hallen für
neue Kunst, Schaffhausen, Hamburg 1999, S. 31 — 46, hier S. 40.
künstlerischen Autonomie und dem damit einhergehenden
8
Ebd., S. 33; vgl. zur Debatte um Malerei und Skulptur im
Verzicht der Kunst auf ihre vermittelnde Funktion als Ausdruck
Minimalismus grundlegend Donald Judd, „Spezifische Objekte
eines „Krisenbewußtseins in bezug auf die gesellschaftliche
(1965)“, in: Gregor Stemmrich (Hrsg.), Minimal Art. Eine kritische
Funktion der Kunst […], in Bezug auf deren Fähigkeit, sich an ein
Publikum zu wenden und mehr zu vermitteln als nur ihre
eigenen Werte, ihre Botschaft der Virtuosität und Originalität“.
Doherty 1999 (wie Anm. 7), S. 34.
5
Gilbert Simondon hat in seinem im Original 1964 erschienenen
Retrospektive, Dresden 1995 (= Fundus-Bücher; 134), S. 59 — 73. 9
Rolf Wedewer, „Vorwort“, in: Konzeption – Conception.
Dokumentation einer heutigen Kunstrichtung. documentation
of a today’s art tendency, hrsg. von Ders./Konrad Fischer,
Ausst.-Kat. Städtisches Museum Leverkusen. Schloss Mors-
broich, Leverkusen, Köln/Opladen 1969, o. Pag.
14 Wedewer 1969 (wie Anm. 9), o. Pag. 15 „Eigentlich ist diese ‚Kunst‘ eine höchst subjektive geworden,
1997 (wie Anm. 15), o. Pag.
17 Brigid Doherty versteht Darbovens Ambivalenz gegenüber der
185
4 Ebd.
12 Wedewer 1969 (wie Anm. 9), o. Pag.
18 Ernst A. Busche, „Hanne Darboven: Zeit & Stunde“, in: Art.
31 Dort heißt es „Das Sehen ist nämlich auch eine K.)“, und in
einer Fußnote wird K. mit Kunst aufgelöst. Lissitzky 1984
(wie Anm. 29), S. 103.
Das Kunstmagazin, 1986, H. 5, S. 62 — 69, hier S. 69.
19 Jochen Schlobach, „Aufklärung und Kultur im Geschichts
denken des 18. Jahrhunderts“, in: Wolfgang Klein/Waltraud
32 Hanne Darboven. El Lissitzky [K. und Pangeometrie], Ausst.-
Naumann-Beyer (Hrsg.), Nach der Aufklärung?: Beiträge zum
Kat. Société des Expositions. Palais des Beaux-Arts, Brüssel
Diskurs der Kulturwissenschaften, Berlin 1995, S. 3 — 11, hier S. 3.
1974, Umschlagvorderseite.
20 Ebd.
33 Ebd.
21 Immanuel Kant, Was ist Aufklärung? Ausgewählte
34 Vgl. hierzu die Analyse der Bismarckzeit (1978): Elke Bippus,
kleine Schriften, hrsg. von Horst D. Brandt, Hamburg 1999
(= Philosophische Bibliothek; 512).
Postminimalism, Berlin 2003, S. 145 — 153.
Serielle Verfahren. Pop Art, Minimal Art, Conceptual Art und
22 Michel Foucault, „Was ist Aufklärung?“, in: Ders., Ästhetik der
35 Ihr Schreiben ist nicht allein auf die uns vertraute Schrift
Existenz. Schriften zur Lebenskunst, hrsg. von Daniel Defert/
reduziert, sondern geschrieben sind – wie bereits erwähnt –
François Ewald, Frankfurt am Main 2007, S. 171 — 190, hier S. 178.
römische und arabische Ziffern, U-Bögen und vieles mehr.
Walter Benjamin, ein anderer Autor, den Darboven las
und wieder schrieb, benannte den Körper der Schrift, wenn
es heißt: „Dennoch hat Schrift nichts Dienendes an sich,
24 Bernhard Jussen, „Geschichte schreiben als Formproblem:
fällt beim Lesen nicht ab wie Schlacke, ins Gelesene geht sie
Zur Edition der Schreibzeit“, in: Ders. (Hrsg.), Hanne
ein als dessen ‚Figur‘.“ Walter Benjamin, „Ursprung des
Darboven – Schreibzeit, Köln 2000 (= Kunstwissenschaftliche
deutschen Trauerspiels“, in: Ders., Gesammelte Schriften,
Bibliothek; 15), S. 12 — 42, hier S. 15.
Bd. I.1, hrsg. von Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser,
Frankfurt am Main 1974, S. 388. Benjamins Text „Über die
25 Die Schreibweise soll die enge Verklammerung von Tätigkeit
Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen“
findet sich in Bd. VI der Schreibzeit 1975 — 1981, S. 448 — 497.
23 Ebd., S. 181.
und Werk kennzeichnen.
186
26 Johann Frederik Hartle, Der geöffnete Raum. Zur Politik der
36 Martin Heidegger hat die Medialität des Denkens benannt,
ästhetischen Form, München 2006, S. 252. Hartle fragt, welche
indem er es als eine Praxis beschrieb, die man sich nicht
Konsequenzen der „räumlichen Wende“ in den Kulturwissen-
theoretisch oder durch eine Abhandlung über etwas aneignen
schaften für das Verständnis der bildenden Künste – den
kann. Was schwimmen heißt, lerne man nicht „durch eine
Raumkünsten nach Lessings Laokoon-Essay – zu ziehen seien.
Abhandlung über das Schwimmen. Was schwimmen heißt,
sagt uns der Sprung in den Strom. Wir lernen so das Element
27 Vgl. hierzu Ian Burn und Mel Ramsden, die „neue Verhaltens-
erst kennen, worin sich das Schwimmen bewegen muß.“
weisen in das Feld der Kunst und ihre Produktionen aufzu-
Martin Heidegger, „Was heißt Denken“, in: Ders., Vorträge und
nehmen [wünschen], die außerhalb einer enggefaßten Praxis
Aufsätze, Stuttgart 2009, S. 123 — 137, hier S. 133.
liegen“, und die das Feld so erweitern, bis es „einen
Begriff von Theorie in sich aufnehmen kann“. Ian Burn/Mel
37 Hanne Darboven, Brief vom 21. Juli 1966, in: Darboven 1997
Ramsden, „Some notes on practice and theory / Einige
Bemerkungen über Praxis und Theorie“, in: Gerd de Vries
(wie Anm. 15), o. Pag.
(Hrsg.), On art. Artists’ writings on the changed notion of art
38 Siehe zu diesem Prozess der Adressierung und Verwicklung
after 1965 / Über Kunst: Künstlertexte zum veränderten
der Betrachter Thomas Wagner, „Schreibe hinauf und schreibe
Kunstverständnis nach 1965, Köln 1974, S. 96 — 102, hier S. 97 f.
hinunter, schreibe nach wie vor. Bewegung durch Schrift in der
Schreibzeit“, in: Jussen 2000 (wie Anm. 24), S. 85 — 98.
28 El Lissitzky, 1924 – √ – + ∞ = Nasci, 1924. Der Text erschien
erstmalig in der Zeitschrift Merz, 8 / 9, 1924, April/Juli.
39 Dan Graham hat den Begriff folgenderweise definiert: „Meine
Schriften beziehen keinen Standpunkt (weder meinen noch
29 El Lissitzky, K. und Pangeometrie, in: Carl Einstein/Paul
einen durch die Form vorherbestimmten); stattdessen wandelt
sich ihr Standpunkt ständig; er ist abhängig von den jeweiigen
Architektur, Plastik, Bühne, Film, Mode. Außerdem nicht
Umständen (Zeit und Umgebung) und von ihrem Verhältnis
unwichtige Nebenbemerkungen, Leipzig 1984 (Reprint, zuerst
zur Leserschaft, die individuell oder kollektiv ihrer Aussage
1925), S. 103 — 113.
und Struktur Form verleiht (in-form).“ Dan Graham, zit. nach
Ausst.-Kat. Leverkusen 1969 (wie Anm. 9), o. Pag. Auch Jacques
30 Hubertus Gaßner, „Utopisches im russischen Konstruktivismus“,
Derrida hat die Formierung in der Information hervorgehoben:
in: Ders./Karlheinz Kopanski/Karin Stengel (Hrsg.), Die Kon-
„Die Information informiert nicht nur, indem sie einen infor-
struktion der Utopie. Ästhetische Avantgarde und politische
mativen Inhalt liefert, sie verleiht auch Form, sie ‚in-formiert*‘,
Utopie in den 20er Jahren, Marburg 1992 (= Schriftenreihe des
‚formiert zugleich*‘.“ Jacques Derrida, Mochlos oder Das Auge
documenta Archivs), S. 48 — 68, hier S. 53.
der Universität, Wien 2004, S. 85 f. (Auszeichnung im Original;
* = im Original deutsch).
Westheim (Hrsg.), Europa Almanach. Malerei, Literatur, Musik,
40 Vgl. Wagner 2000 (wie Anm. 38), S. 93. Die Aufteilung der
„objektiv realen“ Strukturen von neuer Abstraktion und Minimal
Begriffe von Produktion und Rezeption auf die von Künstler,
Art: „This ‚art of the real,‘ however, does not strive to be real-
Künstlerin und die von Betrachter, Betrachterin ist für die
istic – i.e. like the real – but to be asreal in itself as the things we
Auseinandersetzung mit Darbovens Arbeiten inadäquat, da mit
experience every day: the things we see, feel, knock against,
der Konzeption eines Schreiben-Lesens Produktion und
and apprehend in normal physical ways […] The spectator is
Rezeption in eins fallen.
not given symbols, but facts, to make of them what he can.“
E. C. Goossen, „Preface and Acknowledgements“, in: The Art of
41 Der Begriff wird im Folgenden als Zitat von Darbovens
the real: USA 1948 — 1968, Ausst.-Kat. The Museum of Modern
Lissitzky-Arbeit gesetzt, um den prozessualen und sich im
Art, New York, New York 1968, S. 7 — 11, hier S. 9.
Werden befindenden Werkbegriff zu markieren. 52 Wagner 2000 (wie Anm. 38), S. 93 (Hervorhebung durch die
42 Wedewer 1969 (wie Anm. 9), o. Pag.
Autorin).
43 Hanne Darboven in einem Gespräch mit Ortrud Westheider
53 Paul de Man, „Autobiographie als Maskenspiel“, in: Ders.,
und der Autorin am 12. Januar 2002. Die Unlesbarkeit von
Die Ideologie des Ästhetischen, Frankfurt am Main 1993,
Joyce meint, dass keine Romanhandlung im herkömmlichen
S. 131 — 146, hier S. 132.
Sinn vorliegt, die einheitlich und subjektbezogen ist, son-
dern Lautmalereien, Assoziationen, Wortabwandlungen oder
54 Eva Meyer, „Autopoesie“, in: Dies., Autobiographie der Schrift,
Wortdeformationen.
44 Für ihr Odyssee-Projekt reproduzierte Darboven 500 hand-
55 Ebd.
geschriebene Seiten und übernahm dabei die Paginierung der
dicht gedruckten Taschenbuchausgabe; vgl. hierzu Doherty
1999 (wie Anm. 7), S. 38 f.
Basel/Frankfurt am Main 1989, S. 7 — 40, hier S. 16.
York auf ihre Herkunft als Deutsche mit der deutschen
Geschichte und der Judenvernichtung zurückgeworfen;
Hanne Darboven im Gespräch mit der Autorin im Jahr 2000.
Vgl. zu Darbovens Herkunft, ihrer künstlerischen Verortung
in New York und ihrer Auseinandersetzung mit der Geschichte
Busche 1986 (wie Anm. 18).
46 Diese Abschriften sind der Arbeit in Form von Reproduktionen
eingefügt. Die Originale finden sich in Darbovens Schreibzeit
1975 — 1981, Bd. II, S. 85 — 97. Parallel publizierte die Künstlerin
die Abschriften in Künstlerbüchern.
47 Les Temps modernes ist eine von Sartre im Oktober 1945
begründete literarisch-politische Zeitschrift.
48 Der Artikel ist überschrieben mit „Ich müßte sehr nieder
geschlagen sein. Jean-Paul Sartres Selbstporträt mit
70 Jahren“, in: Der Spiegel, Nr. 27, 30.6.1975, S. 85 — 87.
49 Ebd., S. 85. 50 Vgl. hierzu Manfred Schneider, Die erkaltete Herzensschrift.
Der autobiographische Text im 20. Jahrhundert, München
1986. Dementsprechend betitelt Sartre seine Memoiren denn
auch nicht mit Ma Vie, sondern mit Les Mots.
51 Darboven steht mit ihrer repräsentationskritischen Haltung in
der Tradition des sich Ende der 1950er-Jahre vollziehenden
Paradigmenwechsels. E. C. Goossen zeigte den Wechsel in der
Ausstellung The Art of the Real. USA 1948 — 1968 mit Arbeiten
gestischer Malerei auf (Barnett Newman, Mark Rothko, Clyfford
Still), bis hin zu den „unhierarchischen“, „kristallinen“ und
187
45 Hanne Darboven sah sich während ihres Aufenthalts in New