Essay Okwui Enwezor

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Die Bedingungen der Spektralität und des Sehens in den Fotografien von Thomas Ruff The Conditions of Spectrality and Spectatorship in Thomas Ruff’s Photographs Okwui Enwezor

Der Maßstab: Sehen und Tableau-Form

Jahrzehnte umspannenden Praxis selten von der immer gleichen Me-

Das Werk Thomas Ruffs ist im konventionellen Sinne fotografisch, und zwar insofern, als es sich hauptsächlich von den Drucktechniken des Mediums herleitet; doch im Kern betrifft es eine Form der

thodologie serieller Darstellung und Dokumentation stillgelegter und verfallender Ingenieursbauten des Industriezeitalters abgewichen waren. Fachwerkhäuser in Siegen, das monumentale, wegwei-

Erforschung bildlicher Formate, die komplexer sind als diejenigen der traditionellen Fotografie. Ehe Ruff zu dem fundamentalen Punkt gelangte, in dem sein Werk heute verortet ist, kam er Mitte der siebziger

sende Werk der Bechers, begann in den späten fünfziger Jahren, als das Paar die aussterbende deutsche Traditionsarchitektur des Ruhrgebiets zu fotografieren begann. Diese Serie sollte für die Definition

Jahre an die renommierte Düsseldorfer Kunstakademie, also zu einer

einer wiederbelebten Neuen Sachlichkeit und objektivierten Forma-

Zeit, als die Sprache der Fotografie in der zeitgenössischen Kunst eine kritische Neubewertung erfuhr, insbesondere im Gefolge von Kon-

lität des Fotografierens, die viele der Becher-Schüler als Erbe übernahmen, eine entscheidende Rolle spielen.

zeptualismus und Postmoderne. Schon bald nach seinem Eintritt in die Akademie fühlte er sich zu der legendären Meisterklasse von Bernd und Hilla Becher hingezogen, den Pionieren der Konzeptfo-

Von den Bechers, die ihre Schwarzweiß-Bilder ausnahmslos vor einem stahlgrauen, wolkenlosen Himmel ansiedelten, unterschieden

tografie. Aus der berühmten Meisterklasse der Bechers gingen einige der prominentesten Fotokünstler ihrer Zeit hervor (unter ihnen Ruff, Andreas Gursky, Thomas Struth und Candida Höfer), die heute als

standen, welche Bedeutung die Farbfotografie für den bildlichen Weg hatte, den sie bald einschlagen sollten. Für sie war nicht nur gesättigte, makellose Farbe von höchster Bedeutung, sondern auch die Di-

sogenannte Düsseldorfer Fotoschule bekannt sind. Innerhalb dieser Gruppe zeichnet sich Ruffs Werk durch die Heterogenität seiner künstlerischen Modelle aus, auch wenn es ihm in anderer Hinsicht

mension ihrer Bilder. Während die Bechers ausdruckslose, einzelne Gebäude, Hochöfen, Gasbehälter und Getreidesilos zu einförmigen Rastern vergleichbarer Tafeln komponierten, nahmen die Fotografien

an der entschieden systematischen, bildhaften Orientierung seiner Kollegen fehlt. Sein Frühwerk war noch von den ernsten, taxonomischen Verfahren der Bechers beeinflusst, die in ihrer mehr als fünf

Thomas Ruffs und seiner Kollegen einen radikal formalen Umweg in Richtung individueller, autonomer Bilder, auch wenn die Aufnahmen

Scale: Spectatorship and the Tableau Form Though his work is conventionally photographic in that it derives chiefly from the medium’s printed techniques, Thomas Ruff’s work—at its core—is situated within a more complex exploration of pictorial formats than in traditional lens-based photography. However, before he arrived at the foundational point in which his work is currently situated, Ruff arrived at the renowned Kunstakademie in Düsseldorf during a period in the mid 1970s when the language of photography in contemporary art was undergoing critical reappraisal, especially in the wake of conceptualism and postmodernism. Upon arrival at the academy he soon gravitated to the legendary master class of the conceptual photography pioneers Bernd and Hilla Becher. The fabled master class ran by the Bechers was responsible for producing some of the most prominent photographic artists of their time (including Ruff, Andreas Gursky, Thomas Struth, and Candida Höfer), today known as the Düsseldorf school of photography. Of this group, Ruff’s work stands out for the heterogeneity of his artistic models, though in other respects it lacks the determinedly systematic, pictorialist orientation of his peers. His early work was influenced by the earnest, taxonomic procedures of the Bechers, who, in more than a half century of practice, rarely deviated from the same rigid methodology

of serial depiction and documentation of defunct and decaying machineries of the modern industrial age. Half Timbered Houses of Siegen, the Bechers’ monumental and seminal work, was begun in the late 1950s when the couple started photographing the disappearing traditional German architecture of the Ruhr district. That series would come to play a prominent role in defining a revived neue sachlichkeit objectivity and detached formality in making photographs that many of the artists studying under them inherited. While the Bechers never deviated from the steel-gray cast and cloudless sky in which their black-and-white images were set, their acolytes were different in one important respect: they saw and understood the importance of color photography in the pictorial course they would soon chart. Not only was saturated, flawless color of the greatest importance, so too was the scale of their pictures. Rather than the uniform grid of stolid, isolated architecture, blast furnaces, gas tanks, and grain elevators, all of which were composed into grids of comparative tables by the Bechers, the pictures of Thomas Ruff and his colleagues took a radically formal detour towards individual autonomous images, even if the photographs may exist within a serial structure. Just as important was the demarcation between the distance of objectivity and the sometimes sociological qual-

sich ihre Akolythen in einem wichtigen Punkt: Sie sahen und ver-

gelegentlich innerhalb einer seriellen Struktur existieren können.

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schon von der Konzeptkunst aufgegeben worden war. Doch diese

Künstler Jeff Wall zu einer ähnlichen Einschätzung seines eigenen

jektivität und der manchmal soziologischen Eigenschaft bildlicher

Künstler gingen noch über die Konzeptkunst hinaus, da sie ihre Bil-

Werks, als er eine Übereinstimmung zwischen dem Maßstab und der

freite, als Dokument gelesen zu werden, und sie stattdessen zu etwas

Analyse, die die Künstler ihrem Werk injizierten. Für Ruff erforderte der soziologische Ansatz nichtsdestoweniger einen analytisch-

der gar nicht mehr mit einem dokumentarischen Anspruch produzierten, sondern einfach nur als Bilder, die fotografiert, abgezogen

malerischer Natur seiner konstruierten Bilder konstatierte, die kinematographisch produziert waren und in monumentalen Leuchtkäs-

machte, das sich optisch wahrnehmen lässt und sich dem Betrachter haptisch als Bild präsentiert. Ungeachtet ihrer zweidimensiona-

distanzierten Blick, wie er in seiner methodisch fotografierten Serie Interieurs (1979–1983) im Übermaß deutlich wird. In diesen frühen Fotografien, mit denen er auch seine ersten Erfolge hatte, konzen-

und für den Blick inszeniert wurden: als etwas zum Anschauen. Beide Verlagerungen – vom Dokument zum autonomen Bild, vom Konzeptuellen zum Imagistischen – bündelten sich zu einer Serie

ten präsentiert wurden. Wall schreibt: „Obwohl ich die Fotografie liebte, schaute ich mir Fotos oft nicht gerne an, besonders, wenn sie an Wänden hingen. Ich hatte das Ge-

len Flachheit bekam die Körperlichkeit des Bildmaßstabs eines konventionellen Genres wie das Porträtformat (mit dem Ruff 1986 erstmals arbeitete) eine faszinierende Monumentalität. Sie erforder-

trierte sich die Komposition auf anachronistische häusliche Interieurs. Die Fotografien – Nahaufnahmen und Fragmente – wirken so, als hätte sich Ruff auf die Texturen, Muster und Stillleben-Arrange-

von Lehrbeispielen für das Verständnis des fotografischen Bildes in der Wahrnehmung des Betrachters. Innerhalb der aufbrechenden Generation deutscher Künstler, die

fühl, sie wären zu klein für diese Art der Präsentation und würden in Büchern oder beim Durchblättern eines Albums besser wirken. Gemälde schaute ich mir viel lieber an, besonders solche, die so groß

te auch vom Betrachter eine haptische Reaktion. Doch Ruffs Werk unterscheidet sich sowohl in seiner formalen Heterogenität als auch in seiner konzeptuellen Unbestimmtheit von anderen. Bei ihm sind die

ments des jeweiligen Raums konzentriert, um sie eher zu isolieren,

sich Mitte der achtziger Jahre herausbildete und in den neunziger Jahren mit dem Genre großformatiger, geradezu monumentaler Farbfotografien große Bekanntheit erlangte, ist Ruff eine prominente

waren, dass sie im Raum gut sichtbar waren. Dieses Gefühl für den

Fotografie und ihre Effekte als visuelle Phänomene zu einem ganz und gar philosopischen Objekt in dem Sinne geworden, wie der Kunsthistoriker Georges Didi-Huberman das Medium analysiert hat.2

aus diesen Tableaux vivants hervorgingen, zeichnen sich gleicher-

Figur. Sein Werk wird oft in Zusammenhang mit den bildlichen Experimenten und innovativen Modellen optischer Erhabenheit gesehen, die diese Gruppe von Praktikern verfolgte und zu beeindru-

Aus der abendländischen Bildtradition bis hin zum Ende des 19. Jahrhunderts habe ich hauptsächlich zwei Dinge übernommen; eine Liebe zu Bildern, von der ich glaube, dass sie zugleich eine

– die Bildebene dominiert, verdankt sich vielleicht sogar noch eher

maßen durch eine auffällige Stille wie durch einen irritierenden Stillstand aus, der in all diesen Bildern zu spüren ist. Das wirklich Besondere am Werk von Ruff und den Künstlern

ckenden ästhetischen Zwecken einsetzte, indem sie die Autonomie der Fotografie als Kunst strukturierte. Aus heutiger Sicht ließe sich Ruffs Werk der Art von Bildhaftigkeit zuordnen, die das Werk von

Liebe zur Natur und zur Existenz an sich ist, und einen Sinn für die Größe und die Frage des Maßstabs in der Bildkunst, mithin für die besondere ethische Haltung der Welt gegenüber, wie sie in der Bild-

dem, was der Kritiker und Kurator Jean-François Chevrier als Tableau-Form bezeichnet.3 In seinem kürzlich erschienenen Buch über Fotografie und die Künstler, die sie in ihrem heutigen monumenta-

seiner Generation, deren Kameraarbeit sich von derjenigen der Bechers radikal unterschied, war jedoch das Format ihrer Abzüge, das – zur Zeit der sich festigenden Vorherrschaft der neoexpressionisti-

Meistern der Monumentalaufnahme wie Gursky, Struth und – in geringerem Maße – Höfer definiert. Mit ihrer Praxis machten diese Künstler den Maßstab des foto-

kunst zum Ausdruck kommt. Dieser Maßstab ist der menschliche Körper, so dass bei der Herstellung eines Bildes die Objekte und Figuren im Bild ungefähr denselben Maßstab zu haben scheinen, wie

len Maßstab repräsentieren (Wall, Ruff, Gursky, Struth, Thomas Demand, Luc Delahaye und andere werden hier eingehend behandelt und sind mit vielen Bildern vertreten), beschäftigt sich Michael

schen Malerei in den achtziger Jahren – immer monumentalere Ausmaße annahm. Diese Veränderung vollzog sich auch parallel zum

grafischen Bildes nicht nur zu demjenigen großformatiger Gemälde, sondern betonten auch den ikonischen Status des fotografischen Bil-

die Menschen, die das Bild betrachten.“1 Die Veränderung des Maßstabs, die Wall in seinem Werk als Re-

Fried ausführlich mit dem Begriff der „Tableau-Form“ im Kontext seiner ursprünglichen Verwendung im Französischen – und nicht in sei-

Rückgang des dokumentarischen Stils in der Fotografie, der zuvor

des als Bildobjekt. Ende der siebziger Jahre gelangte der kanadische

aktion auf die abendländische Malerei beschreibt, hatte insofern eine

ner englischen Übersetzung als „picture form“ –, um auf die spek-

ity of pictorial analysis that the artists injected into their work. For Ruff, the sociological approach nevertheless required a clear analytical distancing, as is made abundantly clear in his methodically photographed Interieurs series (1979–83). In these early and first successful photographs, the compositions focused on anachronistic domestic interiors. Photographed in both close-ups and fragments, Ruff seemed to focus on the textures, patterns, and still-life arrangements of each space, the more to isolate them than to dramatize. As the photographs shift towards more empty spaces such as a vacated apartment, or one gutted for renovation, the more they take on an eerie, depopulated quality. The remarkable silence of the modest prints that emerged from these tableaux vivants is matched only by the disturbing stasis that pervades the images. What truly sets apart the work of Ruff and the generation of artists who were working with the camera in a manner hitherto unconceived by the Bechers, however, was the increasing monumental scale which their prints assumed, as the dominance of neo-expressionist painting became more cemented in the 1980s. The shift also occurred in tandem with the diminution of the documentary-style rationale that had been abrogated earlier by conceptual art. Yet these artists were pushing further than conceptual art in the sense that their images were produced

to bear no relation to the document, but simply as pictures, photographed, printed, and mounted for the beholder’s eye—as things to look at. Both of these shifts from the document to the autonomous image, the conceptual to the imagistic, converged as a series of tangible lessons for the perception of the photographic image in the mind of the spectator. Ruff is a prominent figure amongst a pioneering generation of German artists who emerged in the mid 1980s and rose to prominence in the 1990s with the genre of large-scale color photographs that were imbued with pictorial monumentality. Ruff’s work is often placed within the pictorial experiments and innovative models of optical grandeur that this group of practitioners advanced and put to powerful aesthetic ends in establishing the autonomy of photography as art. At a remove, Ruff’s work sometimes shared, and could be incorporated into, the kind of pictorialism that has come to define the work of such masters of the monumental picture genre as Gursky, Struth, and, to a lesser extent, Höfer. In so doing, these artists were not only basing the scale of the photographic image on that of large-scale painting, they were also emphasizing the iconic status of the photographic image as a pictorial object. In the late 1970s the Canadian artist Jeff Wall came to a similar conclusion with regard to his own work

about the correspondence between scale and the pictorial nature of his constructed images, which were cinematographically produced and presented in monumental light boxes. Wall writes: “Even while I loved photography, I often didn’t love looking at photographs, particularly when they were hung on walls. I felt they were too small for that format and looked better when seen in books or leafed through in albums. I did love looking at paintings, though, particularly ones done on a scale large enough to be seen easily in a room. That sense of scale is something I believe is one of the most precious gifts given to us by Western painting … . I extracted two things, primarily, from the Western pictorial tradition up through the nineteenth century: a love of pictures, which I believe is at the same time a love of nature and of existence itself, and an idea of the size and scale proper to pictorial art, and so proper to the ethical feeling for the world expressed in pictorial art. This is the scale of the body, the making of pictures in which objects and figures appear are limned so that they appear to be on about the same scale as the people looking at the picture.”1 The shift in scale that Wall describes in his work as a response to Western painting had the immediate perceptual impact of emancipating the photograph

from being read as a document, moving it instead towards being perceived optically, and approached haptically, as a picture. Notwithstanding its two-dimensional flatness, the physicality of the pictorial scale in which a conventional genre such as the portrait format (which Ruff started producing in 1986) acquired an alluring monumentality. It also demanded a haptic response from the beholder. Yet Ruff’s work stands apart, both for its formal heterogeneity and its conceptual indeterminacy. In his work, photography, and its effect as a visual phenomenon, has become a wholly philosophical object in the mode of the art historian Georges Didi-Huberman’s examination of the medium.2 The idea of spectatorship in which the image assumes the quality of a picture to be looked at, and that dominates, in the Greenbergian sense, the picture plane, perhaps owes even more to what the critic and curator Jean-François Chevrier describes as the tableau form.3 Michael Fried, in his recent book devoted to photography and the artists who have come to represent its current monumental scale (Wall, Ruff, Gursky, Struth, Thomas Demand, Luc Delahaye, and others are featured prominently and lavishly on its pages), made extensive use of the term “tableau form” in the original French, rather than “picture form” as in the English translation, to signal the spectatorial ideas meant by Chevrier in his

anstatt sie zu dramatisieren. Je mehr sich die Fotografien zu leeren Räumen hin verlagern – etwa eine leer stehende oder zu Renovierungszwecken ausgeräumte Wohnung –, desto mehr nehmen sie etwas Unheimliches, Menschenleeres an. Die schlichten Abzüge, die

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unmittelbare perzeptorische Wirkung, als sie die Fotografie davon be-

Genauso wichtig war die Abgrenzung zwischen distanzierender Ob-

richtigen Maßstab ist, glaube ich, etwas vom Wertvollsten, was uns die abendländische Malerei geschenkt hat. […]

Die Idee des Sehens, bei dem das Bild die Eigenschaft eines anzuschauenden Bildes bekommt und das – im Greenbergschen Sinne

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tatoriellen Ideen zu verweisen, die Chevrier in seiner Diskussion des

verdankt sich die Erfahrung der Konfrontation gerade der struktu-

wurden die trostlosen Wohnblocks, Häuser, Fabrik- und Büroge-

Sitzung gewählte Kleidung gehüllt. Außerdem sind die Porträts fron-

Werks von Künstlern wie Ruff meinte.4 Fried zitiert in extenso aus

rellen Autonomie des Bildformats, durch die es sich vom Gemälde

bäude so vergrößert, dass sie dem Format großer Architekturmodelle

tal und ganz direkt aufgenommen. Jedes Modell blickt mit der aus-

Chevriers Essay, insbesondere die Schlüsselstelle, in der die Beziehung zwischen dem Bild als Tableau, der Wand und dem Betrachter

unterscheidet. Hier äußert sich Chevrier sogar noch eindeutiger: „Die Wiedereinführung der Tableau-Form, gegen die sich die

entsprachen. Mit der Serie großformatiger, farbiger Fotoporträts, die junge Männer und Frauen, Freunde und Bekannte von der Kunst-

druckslosesten Haltung in die Großformatkamera, die er oder sie zustande bringt. Das sichtbare Bemühen um erstarrte Ausdrucks-

ins Spiel kommt. Chevrier schreibt über Künstler wie Ruff, um einen Übergang in den Bildwerten zu signalisieren, der speziell die neuen Bedingungen des Sehens betrifft, wie sie sich aus dem Aufkommen

Kunst der sechziger und siebziger Jahre aufgelehnt hatte, zielt zuerst darauf hin, die Distanz des Bild-Objektes wiederzugewinnen, in der die Erfahrung der Konfrontation besteht; sie impliziert keine Nos-

akademie und aus seinem eigenen Künstlermilieu abbildeten, schuf Ruff eine präzise Bildsprache. Jedes Modell ist frontal vor einem kahlen, weißen Hintergrund abgelichtet. (Nach früheren Experimenten,

losigkeit lässt die Modelle allerdings wie gestresst erscheinen, als hätten sie versucht, so lange wie möglich die Luft anzuhalten. Ruff war vermutlich nur an der Oberflächenbeschaffenheit der Gesichter in-

großformatiger Fotografien ergeben. Dabei trifft er, wie sich in folgender Passage zeigt, auch eine Unterscheidung zwischen der Fotografie als Dokument und der Fotografie als Bild:

talgie nach der Malerei, keinen eigentlich ‚reaktionären‘ Willen. Die Frontalität des an der Wand hängenden oder befestigten Bildes, seine Autonomie als Objekt, sind aber keine ausreichenden Zielset-

bei denen die Modelle noch zwischen verschiedenen farbigen Hintergründen wählen konnten, hatte Ruff diese Praxis aufgegeben und beschlossen, sich stattdessen auf die undifferenzierte Neutralität

teressiert und nicht an der Darstellung irgendwelcher psychologischer Einblicke, die sich aus ihnen möglicherweise ablesen könnten. Ruffs Kommentar, er wolle möglichst nichtssagende Bilder schaf-

„Diese Bilder sind keine einfachen Abzüge – lose, handliche Blät-

zungen. Es geht nicht darum, das photographische Bild an die Stelle

des klinisch weißen Hintergrunds zu konzentrieren.) Im Rahmen die-

fen, Bilder, die sich nicht als Träger einer gesellschaftlichen Botschaft

ter, die man anläßlich einer Ausstellung einrahmen kann, die aber dann in die Kartons zurückmüssen. Sie wurden für die Wand kon-

oder in den Rang des Tableaus zu erheben. […] Es geht darum, sich des Tableaus zu bedienen, um den Gedanken des Fragments, des Ge-

ses reduzierten Inszenierungsschemas wurden die entscheidenden Attribute seiner späteren Porträts dann in Szene gesetzt. Auch wenn

interpretieren ließen, hielten viele Kritiker für eine Art Glaubensbekenntnis. Betrachtet man jedoch das Spektrum der von ihm ausge-

zipiert und produziert, sie rufen bei dem Betrachter eine Erfahrung der Konfrontation hervor, die in radikalem Gegensatz steht zu den Aneignungs- und Projizierungsgewohnheiten, nach denen die pho-

öffneten und des Widerspruchs zu reaktivieren, und nicht um die Utopie einer vollständigen oder systematischen Ordnung.“6

er bei der Auswahl der von ihm Porträtierten ein gewisses demokratisches Prinzip walten ließ, so erarbeitete er sich doch eine klare und präzise Methodologie. Allerdings zeigt sich bei näherer Be-

wählten Typen, die Uniformität der Gruppe (jung und weiß, modisch und selbstbewusst), dann löst sich das Ziel der Neutralität – das entrade in der gesellschaftlichen und ethnischen Uniformität der Modelle könnte man die eintönige Homogenität einer isolierten Kultur erkennen, ihren Mangel an Vielfalt zumal in den zunehmend kos-

Seine künstlerische Statur gewann Ruff, als er die frühen Porträt-

trachtung, dass die implizite Demokratie der Porträts durch die strukturelle Homogenität der Bilder selbst ein wenig modifiziert, wenn nicht gar verwässert wird. Erstens rekrutierten sich die Modelle

schreibt, erstreckt sich auch noch auf eine weitere Eigenschaft der Tableau-Form, nämlich auf die Tatsache, dass solche Bilder nicht versuchten, ihre Existenz an die Bildwerte eines Gemäldes zu gewöh-

fotografien (von denen er Anfang der achtziger Jahre noch kleinformatige Abzüge gemacht hatte) radikal vergrößerte. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich im Wechsel vom relativ bescheidenen For-

hauptsächlich aus einem Kreis jüngerer Künstlertypen. Dies dokumentiert sich gleichermaßen in der Art der Bekleidung, der Frisur und im leicht veralteten Stil, den die jeweils Porträtierten zur Schau

mopolitischen Attributen der deutschen Nachkriegsgeneration. Die bemerkenswerte Homogenität der Modelle wird unvermittelt durchbrochen, wenn man plötzlich dem Porträt (C. Kühn) von 1987 be-

nen, wie es oft von denjenigen behauptet wird, die Fotografie als „handliche Blätter“ sehen, welche nach Beendigung der jeweiligen

mat der Interieurs der späten siebziger und frühen achtziger Jahre zum Großformat der Häuser-Serie (25 Aufnahmen zwischen den spä-

tragen. Die Männer haben das Hemd immer bis oben hin zugeknöpft. Bei den Frauen sind nie Dekolletés zu sehen und nur selten entblößte

gegnet, dem Bildnis einer dunkelhäutigen, jungen Mischlingsfrau im Halbprofil, deren pausbäckiges Gesicht von Locken im Afro-Look um-

Ausstellung wieder in die Archivkartons zurückwandern. Vielmehr

ten achtziger und frühen neunziger Jahre). Bei dieser Verlagerung

Schultern. Alle Modelle haben sich sorgfältig in die für die jeweilige

rahmt wird. Beim Fotografieren seiner Modelle, von denen die meis-

Instead, the confrontational experience owes precisely to the structural autonomy of the picture’s format from painting. Here, Chevrier is even more explicit: “The restitution of the picture [tableau] form (to which the art of the 1960s and 1970s, it will be recalled, was largely opposed) has the primary aim of restoring the distance to the object-image necessary for the confrontational experience, but implies no nostalgia for painting and no specifically ‘reactionary’ impulse. The frontality of the picture hung on or affixed to the wall and its autonomy as an object are not sufficient as finalities. It is not a matter of elevating the photographic image to the place and rank of painting. It is about using the picture [tableau] form to reactivate a thinking based on fragments, openness, and contradiction, not the utopia of a comprehensive or systematic order.”6

the grim apartment blocks, houses, factory buildings, and office blocks scaled to correspond to the size of a large architectural model. With the large series of color photographic portraits which depicted young men and women, friends and acquaintances from the Kunstakademie and from within his own artistic milieu, Ruff established a precise pictorial language. Each sitter is photographed frontally and posed against a featureless white backdrop. (Ruff had decided after earlier experiments in which individual sitters could choose from an available number of color backdrops, to abandon this practice, focusing instead on the undifferentiated neutrality of the clinical white backdrop). It is within this attenuated directorial scheme that the critical attributes of his subsequent portraits were set in motion. While he championed a certain democratic principle amongst the classes of subjects whose portraits he made, he nevertheless established a clear and precise methodology. But when observed carefully, the implicit democracy of the portraits becomes somewhat modified, perhaps even mitigated, by the structural homogeneity of the images themselves. First, the subjects were chosen amongst mainly young artistic types. This registers in both the manner of dress, coiffure, and the slightly dated styles they each exhibited. For men, the shirt collars are always buttoned at the very top. And for women, cleavages are never shown, and rarely are

bare shoulders. All the subjects are carefully swaddled in the chosen uniform in which they were portrayed. In addition, the portraits are frontal and direct. Each sitter looks into the view camera with as much of an expressionless demeanor as he or she could muster. The frozen quality of the attempts at expressionlessness, however, had the negating impact of making the sitters look stressed, as if they are holding their breath for as long as possible. Ruff supposedly was only interested in the surface quality of the faces, not in any characterological display. Many critics have taken this comment by Ruff, namely of wanting to generate images that were as blank as possible and that cannot be read as conveying a social message, as an article of faith. Yet when viewed across a spectrum of the types he had chosen, the very uniformity of the group (young and white, fashionable and self-conscious) the aim of neutrality that was the key imperative of the process largely dissolves. For in the social and racial uniformity of the sitters could be read the deadly homogeneity of an isolated culture, its very lack of diversity, especially in the increasingly cosmopolitan attributes of the postwar German population. The striking homogeneity is suddenly disturbed when amongst the portraits one suddenly encounters Portrait (C. Kühn), 1987, a portrait of a dark-skinned, mixed-race young woman, photographed in semi-profile,

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discussion of the work of artists such as Ruff. Fried quotes Chevrier’s essay extensively, especially the key passage that introduces the relationship between the picture as tableau, the wall, and the spectator. In the following passage Chevrier writes of artists such as Ruff to signal a transition in pictorial values that specifically addresses the conditions of spectatorship inherent in the emergence of large-scale photographs, along the way making a distinction between the photograph as a document and the photograph as a picture: “Their images are not mere prints—mobile, manipulable sheets that are framed and mounted on a wall for the duration of an exhibition and go back to their boxes afterward. They are designed and produced for the wall, summoning a confrontational experience on the part of the spectator that sharply contrasts with the habitual processes of appropriation and projection whereby photographic images are received and ‘consumed.’”5 The significance Chevrier ascribed to the confrontational experience also goes some way to delineate another quality of the tableau form, namely the fact that such images were not attempting to habituate their existence according the pictorial values of painting, as is often claimed by those who see photography as “manipulable sheets” that are retired to their archival boxes once their exhibition ends.

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scheidende Gebot des Prozesses – weitgehend in nichts auf. Denn ge-

tographischen Bilder gewöhnlich aufgenommen und ‚konsumiert‘ werden.“5 Die Bedeutung, die Chevrier der Erfahrung der Konfrontation zu-

Darstellung und Veranschaulichung: Die soziologischen Wirkungen des Porträts

Depiction and Picturing: The Sociological Effects of the Portrait It is in this vein, when Ruff’s earlier portrait photographs (which in the early 1980s were still printed in small formats) became radically enlarged, that he established his artistic stature. A similar transformation occurred in the shift from the modest scale of the interior tableaux of the late 1970s and early 1980s to the large format of the Häuser series (25 from the late 1980s and early 1990s). This shift saw

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ten, wie bereits erwähnt, Bekannte oder Studenten der Kunstaka-

fotografischen Mitteln erzeugtes Bild erlangen kann. Oder auf der Art

zweier untrennbarer, aber oft unzulässiger Produkte des fotografi-

so sehr der Perpetuierung eines bestimmten bildlichen Stils ver-

demie sind, lässt sich Ruff von zwei Herangehensweisen leiten. Ers-

nahtloser bildlicher Zusammensetzungen, für die Jeff Wall durch

schen Bildes, die sie miteinander vereinigen, nämlich die Art und

pflichtet, einer symptomatischen Entwicklung, die den Betrachter

tens bildet die extreme Unmittelbarkeit der Porträts, die er im klassischen Format von Fotos aus dem Passbildautomaten konzipiert,

seine Digitalmontagen bekannt ist, Bilder, die sich aus der Realität

Weise, in der die Fotografie durch Bedingungen des Sehens strukturiert wird – was das Prinzip der Absorption lesbar macht –, und die

gleichermaßen fasziniert und befremdet. Beziehungsweise, es hängt weniger davon ab, dass es Wert auf eine Ehrfurcht gebietende Ab-

einen Kontrast zu seiner sorgfältig inszenierten Produktion, die mit der stets sehr gepflegten Erscheinung des Modells – Frisur und konservative Kleidung – einhergeht. Das Beeindruckendste an den Por-

– mit diesem Begriff bezeichnet Wall seine Art, die Realität umzudeuten und unsere Sicht des Realen zu rekonstruieren, und auf un-

zunehmende Untermauerung der Spektralität durch seinen Rückgriff auf Digitaldateien und Archive, die ihn faszinieren. Das Gespenstische des Archivs und die zunehmende Verbreitung der Digitalisie-

sorption von Bildern legen würde, die in ihrem Bemühen um die Normen und Proportionen der Historienmalerei dazu tendierten, entweder reduktiv zu sein oder dem Bild eine bedeutungsvolle Kom-

träts sind jedoch die zurückhaltende Nacktheit der angespannten, nicht lächelnden Gesichter und die Art und Weise, wie jedes Modell das Kameraobjektiv und damit letztlich den Betrachter fixiert. Was

satz zur Konstruktion eines Bildes – ist in Ruffs Werk der spektralen Entmaterialisierung des Bildes und der Betonung der Eigenschaften des Sehens gewichen. Für Ruff repräsentiert das fotografische Bild ein

rung haben diesen Begriff der spektralen Form noch weiter in den Vordergrund gerückt, und in Ruffs Werk manifestiert er sich durch dessen Verwendung des unscharfen, fraktalen Bildes in einer Spra-

plexität zu verweigern. Stattdessen kann man sehr leicht erkennen, dass Ruffs Werk völlig andere Bildwerte vermittelt. Von den frühen, dokumentarisch gefärbten Kompositionen trost-

einem beim Betrachten dieser Porträts auffällt, sind nicht so sehr die

analytisches Modell des Sehens und ein Mittel zur Untersuchung der

che, die sozusagen als Nebenprodukt der Fotografie naturalisiert ist,

Affinitäten der Fotografien zum bürokratischen Apparat von Identifikationssystemen und ihre Anordnung nach typologischen Kon-

Fähigkeiten eines Bildes, eine nicht-fotografische Darstellung zu er-

da diese von einer kleinen digitalen Datei zu einem maßstäblich vergrößerten Bild wandert, das sich eigentlich auflösen soll, indem es

loser, leicht heruntergekommener Interieurs, die er als Student ab Ende der siebziger Jahre schuf, zu den offen passfotoartigen Porträts einzelner Modelle vor dem Hintergrund einer leeren, neutralen

ventionen, sondern eher die Tatsache, dass die Porträts den Betrachter irgendwie zu befragen scheinen.

nische Infrastruktur einer fotografischen Produktion zu bieten ver-

sich von haptischer Stabilität zu optischer Instabilität verlagert. Im Laufe der letzten dreißig Jahre hat Ruff in seiner Praxis zu-

Wand oder zu den düsteren, grünlichen Nachtbildern menschenleerer Straßen, die mit einem Restlichtverstärker aufgenommen wur-

Wenn sich Walls monumentale, durchleuchtete Bilder – es han-

nehmend die Möglichkeiten nicht standardisierter und nicht syste-

den; vom Arsenal archivarischer Aufnahmen, die von Negativen

Archivgespenster: Fraktale und Unschärfen Während es zutrifft, dass sich die Künstler, die die Fotografie zu ihrem heutigen Kontext der Monumentalität hin entwickelt haben, da-

delt sich um Diapositive im industriellen Maßstab, die in illuminierten Leuchtkästen enthalten sind – mit den Bedingungen der Malerei absorbierend auseinandersetzen – eine Idee, die ihr von dem

matischer Prozeduren des Bildermachens erforscht. Beispielsweise vermeidet sein Werk den banalen Umgang mit großdimensionierter Fotografie – Monumentalität um ihrer selbst willen –, die in den meis-

teleskopischer Fotografien ferner Galaxien entwickelt wurden, zur Ausbeute digitaler Dateien mit Schilderungen chaotischer städtischer Szenen und pittoresker Landschaften, die aus visuellen Online-

rum bemühten, eine kritische Ausrichtung zwischen ihrem Werk und der Geschichte der abendländischen Malerei herzustellen – zusammen mit den Traditionen des Bildermachens, die sie überwinden –,

Kunsthistoriker Michael Fried zugeschrieben wird 9 –, dann bekennt sich Ruffs Werk, von seinem Format her, einerseits zu diesem Prinzip der Absorption, doch andererseits – vor allem in einem Großteil

ten Fällen alles zeigen will, aber tendenziell nichts von dem offenbart, was die optische Komplexität der bildlichen Form fotografischer Produktion ernsthaft analysieren würde. Bei aller Großformatigkeit

Datenbanken stammen; von Aufnahmen der Mars-Oberfläche, die von NASA-Sonden gemacht wurden, zur Archäologie digitaler Bilder aus dem überschüssigen Treibgut der Hardcore-Pornografie des In-

basiert die Art und Weise, wie die Schlüsselideen über Fotografie in Ruffs Werk strukturiert sind, oft weniger auf der Weiterentwicklung der rein technischen Perfektionierbarkeit, die ein kompliziertes, mit

seines neueren Werks, in dem er auf existierende Digitaldateien mit Dokumentarfotos aus dem Internet zurückgreift – weicht es deutlich

repräsentiert Ruffs Werk das genaue Gegenteil dieser Tendenz. Auch wenn er eine Reihe sehr bekannter ikonischer Bilder geschaffen hat,

von diesem Prinzip ab. Konzeptuell operieren Ruffs Bilder innerhalb

die als solche sofort identifizierbar sind, so ist sein Werk doch nicht

ternets – betrachtet man diese und andere bildliche Mittel, die den Kern seines neueren Werks bilden, dann wird deutlich, dass Ruffs Praxis in der Tat sowohl philosophisch als auch analytisch ist. Auch

her chubby face framed by a curly afro. Ruff adopts two approaches to photographing his subjects, most of whom, as already mentioned, are acquaintances or students at the Kunstakademie. First, the extreme directness of the portraits, conceived in the classical format of photo-booth passport pictures, is contrasted by the carefully conceived directorial production that accompanies the meticulous grooming, coiffure, and sartorial conservatism in the dress of the sitters; however, what is most striking about the portraits is the guarded nakedness of the strained, unsmiling faces and the manner in which each subject locks gaze with the camera lens and ultimately with the spectator. In these portraits it is not so much the affinities that the photographs have with the bureaucratic apparatus of identification systems and their ordering according to typological conventions that strikes one upon seeing them. Rather, it is the fact that the portraits manifest a kind of interrogation of the spectator.

that surmount them, the key ideas about photography in Ruff’s work are less frequently based on advancing the merely technical perfectibility, which a sophisticated lens-based picture can produce. In the kind of seamless pictorial composites that Jeff Wall, through his digital montages, is known for, one encounters images that both evolve from and deny reality. The near-documentary7—the term that Wall gives to this way of debasing reality and reconstituting our vision of the real and is, in a different manner, a cinematographic 8 approach to constructing a picture—has given way in Ruff’s work to the spectral dematerialization of the image and the heightening of the properties of spectatorship. For Ruff, the photographic image represents an analytical model of seeing and a means for examining the capacities of an image to generate a non-photographic representation that is simultaneously within and beyond what the technical infrastructure of photographic production can provide. If Wall’s monumental, back-lit pictures—which are industrial-scale transparencies contained in illuminated light boxes—address the conditions of painting in the absorptive mode, an idea ascribed to it by the art historian Michael Fried,9 then Ruff’s work, in terms of its format, on the one hand admits to this principle of absorption, yet on the other—especially in much of his recent work,

in which he draws from existing digital files of documentary images found on the Internet—departs markedly from that principle. Conceptually, Ruff’s pictures operate within and unite two inseparable, but often inadmissible, products of the photographic image, namely the way in which the photograph is structured by conditions of spectatorship—which the principle of absorption makes legible—and the increasing grounding of spectrality through his recourse to, and fascination with, digital files and archives. The haunted quality of the archive and the recent advent of digitalization has advanced this notion of the spectral form even more, and it manifests itself in Ruff’s work through his use of the blurred and fractal image in a language naturalized, so to speak, as a byproduct of the photograph as it migrates from a small digital file to a scaled-up image meant specifically to disintegrate, shifting from haptic stability to optical instability. Over the past thirty years Ruff has increasingly come to explore in practice the possibilities of non-standardized and non-systematic procedures of imagemaking. For example, his work eschews the banal monumentality-for-its-ownsake approach to recent large-scale photography, most of which appears to show everything but tends to reveal nothing that is seriously analytical about the optical complexity of the pictorial form of photographic production. Ruff’s work,

though large, represents the opposite of this tendency. Even if he has executed a number of well-known and highly recognizable iconic images, his work is less dependent on the perpetuation of a pictorial style, a symptomatic development that both seduces and estranges the spectator. Or it depends less on the valuing of an awe-inspiring absorption of pictures, which in aspiring to the standards and proportions of history painting have tended to be either reductive or to deny the picture a meaningful complexity. Instead, one can easily see why Ruff’s work provides a wholly different set of pictorial values. From the early documentary-style compositions of worn, slightly decaying interiors which he executed as a student beginning in the late 1970s; to the straightforward identity-card style portraits of single sitters isolated against a blank neutral wall; to the eerie, green-tinged nighttime images of empty streets taken with a night-vision camera; from the deployment of archival images developed from negatives produced by telescopic photography of distant galaxies; to the exploitation of digital files depicting chaotic, urban scenes and picturesque landscapes that are sourced from online stock libraries; from images generated by NASA’s space probe of Mars; to the archaeology of digital images drawn from the surplus flotsam of hardcore Internet pornography, amongst other pictorial

Specters of the Archive: Fractals and Blurs While it is true that the artists who have developed and moved photography to its present context of monumentality sought to bring their work and the history of Western painting into alignment, along with the traditions of picture-making

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ergeben und sie gleichzeitig verneinen. Das Fast-Dokumentarische7

terschiedliche Weise behandelt er ihn als kinematographischen An8

zeugen, die zugleich innerhalb und jenseits dessen ist, was die techmag.

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wenn sein Werk in technischer Hinsicht fotografisch bleibt – insofern

evozieren und in Szene zu setzen. Die ausgewählten Bilder enthal-

parallel dazu die traditionelle optische Filmstruktur immer mehr ins

weichende Strukturen des Bildermachens zu erkunden, indem er die

als seine Bilder Produkte mechanischer Reproduzierbarkeit und Se-

ten überwiegend rosa Fleischtöne und flachsblondes Haar. Gelegent-

Reich der Digitalisierung verflüchtigte. Die Machart seiner Bilder ver-

Produkte der Observatoriumsnegative einem Wandlungsprozess un-

rialität sind –, so hat Ruffs Interesse an der historischen Archäologie der technischen Träger der Fotografie ihn andererseits doch davon

lich sind sie von Grisaille-Unschärfen gesprenkelt, die an Gerhard Richter gemahnen, und die sepiafarbenen Abzüge zeigen Körper, die

deutlicht einige Annäherungen an die Fotografie, weicht aber andererseits durch ihre Verankerung in der Destrukturierung der Bildda-

terzog – vom rein wissenschaftlichen Protokoll der Untersuchung, in deren Rahmen sie produziert worden waren, zum ästhetischen As-

abgehalten, diese Historie durch Lobgesänge auf die Sentimentalität oder durch nostalgische Liebe zu veralteten Technologien zu fetischisieren. Erstaunlicherweise bringen Ruffs Bilder nur selten die

sich in diversen koitalen Posen krümmen. Die körperlose Struktur der Bilder ist zum Teil beabsichtigt, zum Teil der Auflösung geschuldet, die sich durch die Vergrößerung ergibt, wie auch der digi-

tei auch von ihr ab. Das heißt, Ruffs heterogene Formate sind darauf abgestimmt, komplexe Fragen der Repräsentation aufzuwerfen, die die Vielzahl der Prozesse in der Entwicklung der Fotografie und die

pekt des fotografischen Bildes. In seiner Serie Nächte (1992–1996) bediente er sich einer militärischen Technik, um dem Unheimlichen jeder Art von Überwachungssystem einen formal deskriptiven Sinn zu

mnemonischen Eigenschaften der Fotografie zur Geltung. Das eigentliche Anliegen seines Werks ist ein ganz anderes: Es will eine rigorose, anspruchsvolle ästhetische Analyse der verschiedenen Gen-

talen Bildbearbeitung am Computer. Die Verbindung von Archivbild und Computer-Software ermöglicht dem Künstler, die kompositorischen Eigenheiten der zufällig gefundenen Digitaldatei zu untersu-

aus ihnen ständig neu entstehenden Bildformen abdecken. Obwohl diese neueren Entwicklungen in seinem Werk vielen verschiedenen Richtungen gefolgt und gut in der Entwicklung der Di-

verleihen. Aus den grünlich gefärbten Halonen, die die Fotografien umringen, kristallisieren sich Bilder heraus, die einerseits beunruhigend sind in ihrer gespenstischen Leere entvölkerter städtischer

res und Domänen des Bildes reflektieren, die öffentlichen und privaten Funktionen sowie Kontexte der Bildrezeption und -produktion erkunden.

chen, anstatt sich auf die – im Normalfalle – präzise Klarheit und

gitaltechnologie und ihrer Ausweitung auf die Fototechnik verankert

Straßen bei Nacht, andererseits aber nichts weiter tun, als uns einen

übertriebene Makellosigkeit zu verlassen, die ein idealisiertes Merkmal der Digitalfotografie sind.

sind, hat sich Ruff schon sehr viel früher in seiner künstlerischen Laufbahn mit der Archivierung und der spektralen Natur des foto-

weiteren Mechanismus fotografischer Träger zu zeigen. In der Serie Zeitungsfotos (1990–1991) – ein Werk, das an das riesige Sammel-

Es hat also zunehmend den Anschein, als habe die Kamera als solche entweder nur ein beschränktes Interesse an der Entwicklung von Ruffs Bildern oder als sei sie für deren Konzeption nur von zweit-

Im Laufe der Jahre hat Ruff seine konzeptuellen Mittel darauf konzentriert, das dunkle Wesen der digitalen Datenbank und ihrer archivarischen Möglichkeiten der Bildproduktion zu erkunden. So

grafischen Bildes beschäftigt. Das begann mit der Serie Sterne (1989– 1992), in der er erstmals bildliche Abstraktion durch Negativauf-

surium von Gerhard Richters Atlas erinnert – wird deutlich, wie sehr Ruff von bildlichen Relikten fasziniert ist, die tagtäglich in den Print-

nahmen thematisierte, die er von einem wissenschaftlichen Obser-

medien erscheinen. Ähnlich wie Atlas ist auch Ruffs Werk Aus-

rangiger Bedeutung. Seit Ende der neunziger Jahre hat Ruff eine Reihe bildlicher Ansätze erarbeitet, die unmittelbar in die Bildstruktur gefundener Archivbilder eingebettet sind. Die Serie nudes

wie sich sein Werk weiter aufs Terrain kulturell generierter Fotografien verlagert hat – etwa in der jpeg-Serie (seit 2004), basierend auf Dokumentaraufnahmen, von denen es im Internet wimmelt –, so hat

vatorium in Chile erworben hatte. Die Abzüge, die er von diesen Negativen machte, haben kaum etwas mit Fotografie im traditionellen Sinne zu tun, das heißt, sie wurden weder im Studio bearbeitet, noch

druck eines unermüdlichen Strebens nach Archivierung, das sich insbesondere in der Herkunft der Bilder dokumentiert: Es handelt sich um Ausschnitte aus Zeitungsreportagen, die Ruff zu einer beein-

(seit 1999) zum Beispiel nimmt sich innerhalb der Ruff’schen Bildarchäologie sehr eigentümlich aus. In dieser Werkgruppe konzentrierte sich Ruff vor allem auf die malerischen Werte, welche die

auch die Idee des Studio-Umfelds, die untrennbar mit dem Ethos der Postproduktion10 des digitalen Zeitalters verknüpft zu sein schien, in seinem Werk inzwischen Fuß gefasst. Tatsächlich wirkte sein Werk

ins Entwicklerbad der Dunkelkammer getaucht. Vielmehr entstehen die Bilder in unmittelbarer Verbindung zur Produktivität des Kameraobjektivs selbst, in diesem Falle der leistungsstarken Teleskopobjek-

druckenden Fundgrube zusammengetragen hat. In einem Essay über Ruffs Arbeiten aus dem Jahr 1991 unterstreicht Annelie Pohlen, welche Bedeutung den archivarischen Strukturen in seinem Werk zu-

digitale Verunschärfung der Dateien erzeugt hat. Gleichzeitig sorgt die behutsame kuratorische Auswahl von Farbwerten in den Bildern

zunehmend so, als sei es von dem lästigen kinematographischen Apparat des Fotostudios – mit riesigen Fachkameras und aufgetakeltem Beleuchtungsequipment – vollständig befreit worden, während sich

tive, wie sie für die Dokumentation von Astralkörpern verwendet werden, um abweichende Wahrnehmungsarten zu erzeugen. Der abstrakte Charakter der Sterne-Abzüge gab Ruff die Gelegenheit, ab-

kommt. Sie schreibt: „Ruff behandelt Photographie als eine ästhetische und artifizielle

dafür, eine Annäherung an die Ästhetik des klassischen Aktbildes zu paraphernalia that form the core retinue of his recent work, Ruff’s practice is indeed both philosophical and analytical. Even though his work remains technically photographic in that his images are products of mechanical reproducibility and seriality, Ruff’s interest in the historical archaeology of the technical pillars of photography has seen him also avoid the fetishization of that history through paeans of sentimentality and the melancholic attachment to outmoded technologies. Surprisingly, Ruff’s pictures rarely play on the mnemonic characteristics of photography. Instead, in his work lies a core interest: to reflect a rigorous and exacting aesthetic analysis of the different species and domains of images, to explore the public and private roles, as well as contexts, of image reception and production. Thus increasingly the camera, as such, seems either to hold limited interest in the development of Ruff’s images, or has become secondary to their conception. Since the late 1990s Ruff has elaborated a number of pictorial approaches that are directly embedded in the pictorial structure of found archival images. For example, the nudes series (from 1999 onwards) represents a particular strain in Ruff’s image archaeology. In this body of work, Ruff has focused mostly on the painterly values which the digital blurring of the files produces. At the same time, the careful curatorial selection of color values in the images very

much evokes and enacts an approach to the aesthetic of the classical nude. The chosen pictures contain a preponderance of pink flesh tones and flaxen blond hair. Sometimes they are sprinkled with Richter-like grisaille blurs and sepiatoned prints displaying bodies writhing in various poses of coitus. The disembodied structure of the images is partly intended and partly derived both from disintegrating resolution as they are enlarged and from their manipulation on the computer by means of imaging software. By fusing the archival image and computer software, he is able to examine the compositional particularities of the digital file as found, rather than the typically precise clarity and hyper flawlessness that is an idealized feature of digital photography. Over the years Ruff has committed his conceptual resources to exploring the murky nature of the digital database and its archival possibilities of pictorial production. As his work has moved further into the territory of culturally generated photographic images, such as in the jpeg series (from 2004 onwards) drawn from documentary pictures that litter the Internet, so has the idea of the studio environment, which seems to relentlessly embrace the post-production10 ethos of the digital era, held sway in his work. In fact, as his work increasingly appeared to have been freed entirely from the cumbersome cinematographic apparatus

of the photographic studio, with large view cameras and rigged-up lighting armatures, so did the traditional optical structure of film recede into the realm of digitalization. The manner in which his images are made elucidates some approaches to photography, but departs from it through its anchoring in the destructuring of the picture file. In this way, his heterogeneous formats are keyed to advancing complex issues of representation that cover the panoply of processes in the development of photography and the emergent pictorial forms that are constantly generated from them. Though these recent developments in Ruff’s work have been extended in many directions and are well anchored in the development of digital technology and its expansion of photographic techniques, in truth, Ruff embraced archivization and the spectral nature of the photographic image much earlier in his career with the Sterne series (1989–1992), in which he first broached pictorial abstraction through images made from negatives he acquired from a scientific observatory in Chile. The resulting images that he printed from the negatives have little to do with photography in the traditional sense of its gestation in the studio and its emergence from the Petri dish of the darkroom. Rather, the images are specifically bound to the very productivity of the camera lens, in this case the high-

powered telescopic lenses used in the documentation of astral bodies, to generate differing orders of perception. The abstract nature of the Sterne photographic prints allowed Ruff the opportunity to explore differing structures of image-making by taking the products of the observatory negatives and translating them from the purely scientific protocol of research in which they were produced into the aesthetic aspect of the photographic image. In his Nächte series (1992–1996), Ruff employed military night optics to provide a formally descriptive sense of the sinister often associated with surveillance. The green-tinged haloes that ring the photographs isolate images that are at once disquieting in their eerie emptiness of depopulated urban streets at night, yet offer nothing more than showing us yet another mechanism of photographic support. The Zeitungsfotos series (1990– 1991), a work which recollects the vast deposits of Gerhard Richter’s monumental Atlas, further expands on Ruff’s fascination with pictorial residues as they occur daily in the printed media. Like Atlas, Ruff’s work is similarly embedded in the relentless pursuit of archivization, especially given the provenance of the images as clippings culled from newspaper reportage, of which Ruff has amassed an impressive trove. In an essay on Ruff’s work from 1991, Annelie Pohlen underscores the importance of the structures of archivization in his work, writing:

Realität als solche. Grundlegend für sein Werk ist die Idee des Sam-

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ples, der freien Auswahl aus einem vorhandenen Bereich ererbter

systems eines Objekt-Bildes – all diese Verfahren stehen emblema-

Strukturen, aus einer Serie klassischer Motive: das menschliche Por-

tisch für die Schlüsselideen, die von der Postmoderne entwickelt wur-

trät, seit der Renaissance ein zentrales künstlerisches Genre; Architektur, ein weiteres altehrwürdiges Sujet; die Sterne, Symbole des

den13, aber nicht im Sinne der Anti-Originalität bildlicher Codes der Aneignung, wie man sie beispielsweise in Sherrie Levines neu auf-

Kosmos und ein uraltes Leitmotiv in allen Arten menschlicher Reflexion über unseren Platz in der Welt; und jetzt das Zeitungsphoto, ein wahrer Schatz all dessen, was Menschen gedanklich bewegt, von

genommenen Fotografien von Walker Evans findet. Seit über zwei Jahrzehnten setzt sich Ruffs Werk reflektierend mit den Möglichkeiten einer fotografischen Produktion auseinander, die

militärischen Angelegenheiten bis zum Tourismus, von Politik bis Kultur, von der Wirtschaft bis zur Unterhaltungsindustrie. Mit all diesen Genres setzt sich Ruff in der Art eines objet trouvé auseinander.“11

nicht mehr den jeweiligen Werten der Drucktechnik unterliegt. Stattdessen hat Ruff seit den frühesten Anfängen seines künstlerischen Schaffens die überschüssige Produktivität der Fotografie umgestaltet,

Diese heterogenen Verfahren, durch die sich Ruffs Praxis von der-

indem er ihre Rückstände erkundete. Diese Rückstände, die alles an-

jenigen seiner Kollegen unterscheidet, verdanken sich gerade seinen ästhetischen Optionen und der kritischen Aneignung der „ererbten

dere sind als Reste, verweisen auf die bemerkenswert reiche Natur heutiger Fotografie und ihres Fortbestands in Archiven, im Internet,

Strukturen“ der Fotografie. In seinem künstlerischen Schaffen – angefangen vom konkret-dokumentarischen Stil der Interieurs bis hin zur Abstraktion der Serien Substrat (seit 2001), zycles (seit 2008) und

in nicht mehr betriebenen Studios, in Warenkatalogen und anderen Datenbanken. Von dort aus entscheidet sich, welches Format das jeweilige Bild annehmen soll. Es kann die Form eines Porträts haben,

ma.r.s (seit 2010) – hat sich Ruff durch verschiedene, vielfältige Bildökologien bewegt, basierend auf dem „Gedanken des Fragments, des Geöffneten und des Widerspruchs […], und nicht [auf der] Utopie

einer Landschaft, eines Akts, einer Abstraktion oder eines entmaterialisierten und sich auflösenden Bildes. In diesem Sinne erscheint die Fotografie in seinem Werk zuerst immer als Datei, ehe sie in das

einer vollständigen oder systematischen Ordnung.“12 Die Behandlung des Archivs, die Fotografie als objet trouvé, die Verwendung des Fragments, die widersprüchlichen Aspekte des Bild-

Bildsystem transponiert und schließlich zu einem Objekt transformiert wird, das dann im Rahmen eines Bildes zu sehen und anzuschauen ist.

“Ruff deals with the photograph as an aesthetic and artificial reality in itself. Basic to his work is the idea of the sample, of choosing freely from a preexisting field of inherited structures, a series of classical motifs: the human portrait, a central artistic genre since the Renaissance; architecture, another time-honored subject; the stars, symbols of the cosmos, and an ancient leitmotiv in all sorts of human reflection on our place in the world; and now the newspaper photo, a treasury of whatever is on people’s minds, from military matters to tourism, from politics to culture, from the economy to the entertainment industry. Ruff approaches each of these genres as a kind of found object.”11 These heterogeneous procedures, which make Ruff’s practice unique amongst his peers, owe precisely to his aesthetic choices and critical responses to the “inherited structures” of photography. Ruff—throughout his career, beginning with the concrete documentary style of the Interieurs series and up to abstraction of Substrate series (from 2001 onwards), zycles series (from 2008 onwards), and the most recent ma.r.s. series (from 2010 onwards)—has traversed several multiple image ecologies, predicated on “a thinking based on fragments, openness, and contradiction, not the utopia of a comprehensive or systematic order.”12 The treatment of the archive, the photograph as a found object, the use of

the fragment, and the contradictory aspects of the pictorial regime of object-image are each procedures that are emblematic of some of the key ideas advanced by postmodernism,13 but not in terms of the anti-originality pictorial codes of appropriation to be found, for instance, in Sherrie Levine’s rephotographed Walker Evans pictures. For more than two decades, Ruff’s photographic work has been engaged in, and reflects the possibilities of, a photographic production that is no longer dependent on the gradient values of printing techniques. Instead, from the earliest inception of his work, Ruff has been recasting the surplus productivity of photography by exploring its remainders. These remainders, far from being residues, refer to the remarkable and prolific nature of photography today and its afterlives in archives, on the Internet, in disused studios, product catalogues, and other digital databases. From there, the decision is made as to which pictorial format the image will assume. This can take the form of a portrait, a landscape, a nude, an abstraction, or a dematerialized and disintegrating picture. In this sense, in his work, the photograph always appears first as data before it is transformed and transposed into the regime of the image and finally into an object to be seen and looked at within the framework of a picture.

1 Jeff Wall, „Frames of Reference (Bezugsrahmen) 2003“, dt. von Suzanne Schmidt, in: Theodora Vischer und Heidi Naef (Hrsg.), Jeff Wall: Catalogue Raisonné, 1978– 2004, Göttingen (Steidl) 2005, S. 448. 2 Siehe Georges Didi-Huberman, Erfindung der Hysterie. Die photographische Klinik von Jean-Marie Charcot, dt. von Silvia Henke, Martin Stingelin und Hubert Thüring, München (Wilhelm Fink) 1997, S. 39–78 („Legenden der Photographie“). 3 Jean-François Chevrier, „Die Abenteuer der Tableau-Form in der Geschichte der Photographie“, dt. von Françoise Joly, in: Chevrier (Hrsg.), Photo-Kunst. Arbeiten aus 150 Jahren. Du XXème au XIXème siècle, Aller et retour, Stuttgart (Edition Cantz) 1989, S. 9–45. 4 Michael Fried, Why Photography Matters as Art As Never Before, New Haven und London (Yale University Press) 2008. Die Frage der „Tableau-Form“ behandelt Fried ausführlich im Kapitel „Jean-François Chevrier on the ‚Tableau Form‘; Thomas Ruff, Andreas Gursky, Luc Delahaye“, S. 143–189. 5 Chevrier, „Die Abenteuer der Tableau-Form …“, op. cit., S. 15–16. 6 Ibidem, S. 16. 7 Zur theoretischen Diskussion über das Fast-Dokumentarische – ein Begriff, den Jeff Wall verwendet, um seine Konzeptionen von Bildern zu entwickeln, die die Realität widerzuspiegeln scheinen, tatsächlich aber plausible und sorgfältig komponierte

Zusammensetzungen aus Realität und Imagination sind – siehe Robert Enright, „The Consolation of Plausibility“, Interview mit Jeff Wall, in: Border Crossings, Nr. 73, Februar 2000. 8 Jeff Wall, „Frames of Reference“, op. cit., S. 449–450. 9 Zur Idee der Absorption im Werk Jeff Walls, ergänzt um eine entsprechende Analyse der philosophischen Implikationen, wie sie in der Philosophie Heideggers demonstriert werden, siehe das Kapitel „Jeff Wall and Absorption; Heidegger on Worldhood and Technology“, in: Michael Fried, Why Photography Matters as Art As Never Before, op. cit., S. 37–62. 10 Zur Diskussion über diese Tendenz in der Gegenwartskunst – ein Prozess, der in den Veredelungsverfahren der Postproduktion generiert und von ihnen erzeugt wurde – siehe Nicolas Bourriaud, Postproduction. La culture comme scénario. Comment l’art reprogramme le monde contemporain, Dijon (Les Presses du Réel) 2003. 11 Annelie Pohlen, „Deep Surface“, in: Artforum (April 1991), S. 114. 12 Chevrier, „Die Abenteuer der Tableau-Form …“, op. cit., S. 16. 13 Einen wichtigen Diskussionsbeitrag hierzu liefert Rosalind Krauss’ Essay „Anmerkungen zum Index: Teil 2“, in: Rosalind E. Krauss, Die Originalität der Avantgarde und andere Mythen der Moderne, dt. von Jörg Heininger, Amsterdam / Dresden (Verlag der Kunst) 2000, S. 265–276.

1 Jeff Wall, “Frames of Reference” in Theodora Vischer and Heidi Naef (eds.), Jeff Wall: Catalogue Raisonné, 1978–2004, Steidl and Schaulager, Göttingen and Basel, 2005, p. 455. 2 See Georges Didi-Huberman, Invention of Hysteria: Charcot and the Photographic Iconography of the Salpêtrière, translated by Alisa Hartz, MIT Press, Cambridge, MA, 2003, p. 63. 3 Jean-François Chevrier, “The Adventures of the Picture Form in the History of Photography,” translated by Michael Gilson, in Douglas Fogle (ed.), The Last Picture Show: Artists Using Photography, 1960–1982, Walker Art Center, Minneapolis, 2003, pp. 113– 128. 4 Michael Fried, Why Photography Matters as Art as Never Before, Yale University Press, New Haven and London, 2008. Fried addresses the question of the “tableau form” extensively in the chapter entitled “Jean-François Chevrier on the ‘Tableau Form’; Thomas Ruff, Andreas Gursky, Luc Delahaye,” See especially pp. 143–89. 5 Chevrier, p. 116. 6 Ibid. 7 For a discussion of the concept of near documentary, a term which Jeff Wall uses to develop his conceptions of images that seem to mirror reality, but are plausible and carefully composed composites from reality and the imagination, see: Robert Enright, “The Con-

solation of Plausibility: An interview with Jeff Wall,” Border Crossings, Issue No. 73, February 2000. 8 Jeff Wall, “Frames of Reference,” in Theodora Vischer and Heidi Naef (eds.), Jeff Wall: Catalogue Raisonné, 1978–2004, Steidl and Schaulager, Göttingen and Basel, 2005, pp. 456–57. 9 Michael Fried, Why Photography Matters as Art as Never Before, Yale University Press, New Haven and London, 2008. On the idea of absorption in Jeff Wall’s work and the corresponding analysis of the philosophical implications as demonstrated in the philosophy of Heidegger, see the chapter entitled “Jeff Wall and Absorption; Heidegger on Worldhood and Technology,” pp. 37–62. 10 For a discussion of this tendency in contemporary art, a process generated in and engendered by the finishing and refining processes of post-production, see: Nicolas Bourriaud, Post-Production: Culture as Screenplay, How Art Reprograms the World, translated by Jeanine Hermann. Lukas and Sternberg Press, New York, 2002. 11 Annelie Pohlen, “Deep Surface,” Artforum, April 1991, p. 114. 12 Chevrier, p. 116. 13 For an important essay in this direction, see Rosalind Krauss’ essay, “Notes on the Index, Part 2,” in Rosalind E. Krauss, Originality of the Avant-Garde and Other Modernist Myths, MIT Press, Cambridge, MA, 1985, pp. 210–219.

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