Der Öffentlichkeit: SZ-Artikel zur Kunst im öffentlichen Raum

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SZ-Landkreisausgaben

Samstag, 2. Februar 2013

Klipp-Klapp, Ritsch-Ratsch Die Freunde des Hauses der Kunst lassen Haegue Yang die Mittelhalle bespielen VON EVELYN VOGEL

München – Die Diskussion über den öffentlichen Raum und über Kunst in demselben wird gerade dieser Tage in München mit der städtischen Aktion „A Space Called Public – Hoffentlich Öffentlich“ neu belebt. Doch die Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum findet nicht nur unter freiem Himmel statt. Auch innerhalb von Institutionen definieren sich öffentliche Bereiche, die ihrer Stellung gerecht werden – oder auch nicht. Als Okwui Enwezor als neuer Direktor vor etwa einem Jahr seine Pläne für das Haus der Kunst vorstellte, rückte er einen Teil des Hauses in den Mittelpunkt dieser Diskussion über Öffentlichkeit. Die Mittelhalle, von seinem Vorgänger Chris Dercon mit einem schweren Vorhang verhängt und zerteilt, räumte er frei, kündigte eine „public plaza“ an und erklärte sie so dezidiert zu einem öffentlichen Raum, den es zu bespielen gelte. Eine Herausforderung in rotem Marmor.

171 farbige Jalousien schieben sich den Ausstellungsbesuchern in den Weg Derzeit stellt die koreanische Künstlerin Hague Yang sich dieser Herausforderung mit einer Installation. Diese zwingt viele Besucher des Ausstellungshauses, sich wie bei einem Hindernisparcours um sie herum oder durch sie hindurchzuschlängeln, verleitet manche auch, interessiert innezuhalten, um das Gebilde näher in Augenschein zu nehmen. Was die meisten aber eint, die das Haus der Kunst besuchen, ist: Sie kommen nicht wegen der Installation, die sich seit November in der großen Mittelhalle auf 800 Quadratmetern derart raumgreifend breitmacht. Sie stoßen optisch mehr oder minder unfreiwillig auf die Installation aus 171 farbigen Jalousien, die mehrere Meter tief von der Decke herunterhängt und – je nach Standpunkt – mal wie eine bunte Barriere, mal wie ein transparenter Schleier wirkt. Wie schon auf der Documenta 13 in Kassel arbeitet die 1971 in Seoul geborene Hague Yang mit Jalousien mit beweglichen Lamellen. Doch während ihre unifarbene Installation im Kasseler Hauptbahnhof – die Bewegungsmechanismen der Züge aufnehmen – auch und vor allem durch die mechanische, fast geisterhaft anmutende Choreografie und die dadurch erzeugen Geräusche lebte, hat sie in München ein statisches Raumobjekt geschaffen. „Accommodating the Epic Dispersion – On Non-cathartic Volume of Dispersion“ (Epische Streuung beherbergen – über nicht-kathartisches Volumen von Zerstreuung) lautet der schrecklich sperrige Titel der Arbeit. Die Künstlerin, die seit etwa 20 Jah-

ren in Deutschland lebt, will damit dem Vernehmen nach die epische Breite des Konzepts ebenso einfangen wie die Trennung und Durchdringung von Lebensräumen. Lebensräume auch, die für sie verbunden sind mit Migration und Diaspora. Neue Perspektiven über die Gestaltung öffentlichen Raums eröffnet sie damit in jedem Fall. Denn je nach Standpunkt sind die farbigen Lamellen geschlossen oder offen, versperren Einblicke oder gewähren Durchsichten. Von ihrer hermetisch verschlossenen Seite zeigt sich die Installation zum Eingang hin. Turmähnlich schieben sich die Lamellengebilde dem Besucher entgegen, zwingen ihn zum Ausweichen. Geht der Blick nach oben, wird er vom Licht geblendet, das ihn nötigt, die Augen zu senken. Im mittleren Teil zieht sich eine Gerade aus überwiegend schwarzen Jalousien durch, die entgegen der Formund Farbgebung ein eher lichtes Gebilde ist. Zum Englischen Garten hin, also im hinteren Teil der Halle, hat Hague Yang ein voluminöses Rechteck aufgebaut, das nach unten hin fragmentarisch wirkt. Von fast allen Betrachterstandpunkten aus schieben sich die drei Teile ineinander – und nehmen doch Meter für Meter des Umwanderns ein anderes Aussehen an. Wo die Lamellen von einer Seite her vollständig geschlossen wirken, gewinnt man von einer anderen den Eindruck, als seien sie geöffnet. Durch die Schichtungen werden Flächen, die eben noch monochrom schienen, mit jeder Veränderung des Betrachterstandpunkts zu bunten Farbspielen. Schritt für Schritt kann sich der Besucher so nicht nur die Installation, sondern auch den Raum aneignen. In Auftrag gegeben und finanziert wurde die Arbeit von der Gesellschaft „Freunde Haus der Kunst“. Seit über 50 Jahren engagiert sich dieser Zirkel ideell und finanziell für das Haus der Kunst und ist seit 1992 Mitgesellschafterin der Stiftung Haus der Kunst. Mehr als 500 Mitglieder zählt das Netzwerk nach eigenen Angaben: Kunstfreunde, Künstler, Sammler, Galeristen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien. Für Mitgliedsbeiträge zwischen 300 und 800 Euro werden die Freunde und Förderer zu Ausstellungs-Previews, Sonderführungen mit Künstlern und Kuratoren, Lounge Talks mit Experten, Ateliergesprächen sowie Führungen durch Galerien und Sammlungen eingeladen. Und gelegentlich verreist man auch gemeinsam zu Kunst-Events im In- und Ausland. Das Programm lässt sich in gewisser Weise mit dem von Pin, den Freunden der Pinakothek der Moderne, vergleichen. Wenngleich die Einflussnahme von Pin ungleich größer ist. Schon im Hinblick auf die Ankäufe für die eigene Sammlung, über die das Haus der Kunst überhaupt nicht verfügt.

Eine Herausforderung in rotem Marmor: die Mittelhalle im Haus der Kunst mit Haegue Yangs Installation. Bisher hat sich der Freundeskreis finanziell durch Zuschüsse zu laufenden Ausstellungen für das Haus der Kunst engagiert. Doch mit der Auftragsarbeit für die Mittelhalle, die nun für jeweils neun Monate an internationale Nachwuchskünstler vergeben werden soll, bezieht die Gesellschaft vermehrt Position. Darüber hinaus kann man den von Enwezor angestoßenen Diskurs über den öffentlichen Raum anschieben und hat die Reihe unter das Motto „Der Öffentlichkeit“ gestellt. Man wolle in

dem Saal im Herzen des Gebäudes wie auf einer frei zugänglichen Plaza zum Diskurs über das Kunstwerk, zur öffentlichen Teilnahme, Diskussion und zum Austausch einladen, heißt es. Da sie unübersehbar ist und zudem kostenlos erforscht werden kann – bis in die Halle gelangt man auch ohne Eintrittskarte – kann sie dieser Aufgabe durchaus gerecht werden. Für die Besucher der Ausstellungen mag die Installation in der Mittelhalle noch nicht fester Bestandteil des Ausstel-

FOTO: JENS WEBER

lungskonzepts des Hauses sein. Aber mehr und mehr Besucher widmen ihr Aufmerksamkeit – und die eine oder andere Anmerkung, wie Kunst auf dieses Stück öffentlichen Raumes einwirkt und ihn verändert.

Haegue Yang: „Accommodating the Epic Dispersion – On Non-cathartic Volume of Dispersion“ (Epische Streuung beherbergen – über nicht-kathartisches Volumen von Zerstreuung), Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, bis 22. September.

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