robert rauschenberg hausderkunst
Robert Rauschenberg: Travelling ’70 – ’76
haus der kunst prinzregentenstrasse 1 d 80538 münchen tel + 49 89 21127-113 www.hausderkunst.de mo – so 10 – 20 h / do 10 – 22 h
Robert Rauschenberg ist einer der bedeutendsten Erneuerer in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Gemeinsam mit Jasper Johns gilt er als wegweisender Vorreiter der amerikanischen Pop-Art. In seinem gesamten Werk hat er mit außerordentlichem Erfindungsreichtum stets neue Medien, Materialien und Techniken eingesetzt und miteinander in Verbindung gebracht, und dabei die Möglichkeiten und Grenzen der Bildenden Kunst grundsätzlich neu ausgelotet. Seine frühen monochromen Gemälde — u.a. die Black Paintings, die Ende 2006 in der gleichnamigen Ausstellung im Haus der Kunst zu sehen waren —, und vor allem seine Combine Paintings haben die Bildende Kunst unserer Zeit maßgeblich geprägt. Mit diesen gelang es Rauschenberg ab 1954, Malerei und Skulptur auf ungekannte Weise miteinander zu verschmelzen. Durch die Integration von Alltagsobjekten wie Besen, Kissen oder Regenschirme brach er die Zweidimensionalität der Bildfläche in einen dreidimensionalen, den Betrachter einbeziehenden Bildraum auf. Rauschenbergs erklärtes Ziel war es, am Übergang zwischen Kunst und Leben zu arbeiten: «Ich bin der Meinung, dass ein Bild wirklicher ist, wenn es aus Teilen der wirklichen Welt gemacht ist.» (1) Die verwendeten Gegenstände verweisen auf die reale Welt, und so sind Rauschenbergs Arbeiten immer auch ihr Spiegel; nicht zuletzt durch die in seinem Werk allgegenwärtigen Bilder aus den Massenmedien, die er als Collagen oder über Drucktechniken und Transfer-Verfahren in seine Arbeiten integriert. Bislang stand vor allem Rauschenbergs Œuvre der 1950er und 1960er Jahre im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Ausstellung Robert Rauschenberg: Travelling ’70 –’76 hingegen lenkt den Blick auf einen weitgehend unbeachteten Werkkomplex: sein Schaffen der frühen 1970er Jahre. In der hiesigen thematischen Ausstellung sind 40 Arbeiten aus den Serien der Cardboards (1971–1972), Venetians (1972 –1973), Early Egyptians (1973 – 1974), Made in Israel (1974), Hoarfrosts (1974 –1975) und Jammers (1975 – 1976) vereint. Sie entstanden während oder unmittelbar nach seinen Reisen nach Italien und Frankreich, Israel und Indien. Auf diesen Reisen sammelte Rauschenberg Eindrücke anderer Kulturen und lernte neue Materialien und Techniken kennen, die er in seiner Arbeit zum Einsatz brachte.
Aber auch seine Vorstellungen mythischer und fremder Welten wie die Ägyptens schlagen sich in den Serien nieder. Aus Pappkartons, alltäglichen Fundstücken und Stoffen gefertigt, sind die Werke dieser Zeit von großer Schlichtheit, Frische und Präzision. Typisch für diese Serien — mit Ausnahme der Hoarfrosts — ist, dass sich Rauschenberg vorübergehend davon verabschiedete, Figuratives und Medienbilder zu integrieren. Vielmehr verkörpern sie Untersuchungen der Ausdrucksstärke von entsorgten Objekten und Materialien, denen er bei vollständigem Erhalt ihres Charakters eine ästhetische Dimension von seltener poetischer Kraft verleiht. So stellen die Arbeiten einen Rückbezug auf seine frühen Studien von Farbe und Monochromie, aber auch auf die ersten kleinformatigen Assemblagen aus den 1950er Jahren dar, die ihrerseits bereits während eines ausgedehnten Aufenthalts in Europa entstanden waren. Und so werden Rauschenbergs Werke zum Vehikel für eine imaginäre Reise an verschiedenste Orte. Die Ausstellung, kuratiert von Mirta d’Argenzio, folgt keiner strengen Chronologie. Vielmehr thematisiert sie in der Gegenüberstellung von Beispielen der unterschiedlichen Werkgruppen enge, beinahe narrative Bezüge zwischen den Arbeiten, macht verschiedene Entwicklungsschritte im Materialeinsatz transparent und schärft zugleich den Blick für die Eigenheiten jeder Serie, die auf den Folgeseiten kurz vorgestellt werden.
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Cardboards «Ich bekam das Bedürfnis, mit Material zu arbeiten, das Abfall ist und weich; mit etwas Nachgiebigem, dessen einzige Aussage in einer Reihe von Strichen besteht, die ihm eingeprägt sind wie ein freundlicher Witz. Ein stilles Gespräch über seine Geschichte, dargestellt in seinen neuen Formen. Gemeinhin mit Glück beladen. Schachteln.» Robert Rauschenberg (2) Die in den Jahren 1971 und 1972 in New York und Florida entstandene Serie der Cardboards bildet den Auftakt der Ausstellung. 1970 hatte sich Rauschenberg in Captiva, Florida, ein zweites Wohnatelier eingerichtet, in dem er fortan mehr und mehr Zeit verbringen würde. Vom neuen Umfeld angeregt, suchte er zugleich nach neuem Arbeitsmaterial — nach einem Material, das überall auf der Welt verfügbar ist — und fand Pappe und Pappkarton. Die gesammelten Pappschachteln belässt Rauschenberg oft in ihrem ursprünglichen Zustand. Er übermalt oder verdeckt die Pappe nicht etwa, sondern führt sie dem Betrachter in ihrer schlichten Struktur und Farbigkeit vor Augen. Mittels Zerreissen und Flachdrücken der Kartons entledigt sich Rauschenberg einzig ihrer funktionalen Form: «Die Pappschachtel war trotzig und versuchte aus mir einen Kubisten zu machen, aber ich habe es ihr nicht erlaubt.» (3) Er arrangiert sie zu unprätentiösen Kompositionen, die direkt an die Wand gehängt werden. Mit ihren Schmutzflecken, Abdrücken von Autoreifen und Schuhsohlen, aufgedruckten Schriftzügen und aufgeklebten Etiketten erzählen die Cardboards die ganz eigene, beinahe persönliche Geschichte ihrer Verwendung. In ihnen verbindet sich die Sprache formaler Abstraktion mit der des alltäglichen Lebens. Und so werden die gewöhnlichen Pappkartons vom Künstler als monochrome Studien augenzwinkernd in den Status wertvoller Tafelbilder erhoben. Sie zeugen von Rauschenbergs einzigartiger Gabe, aus den einfachsten Dingen formal schlüssige Kompositionen zu entwickeln, die in ihrer formalen Reduktion an seine frühen White Paintings und Black Paintings erinnern — offene Projektionsflächen für Spuren und Geschichten.
Venetians
Early Egyptians
Die Serie ist inspiriert von Rauschenbergs zahlreichen Besuchen der Stadt Venedig. Mit den frischen Eindrücken seiner jüngsten Reise im Sommer 1972, beginnt er in seinem Atelier in Captiva an diesen Werken zu arbeiten — bis in das folgende Jahr hinein. Die Venetians bestehen aus einfachen massenproduzierten Gegenständen, vornehmlich ausgediente Fundstücke des Alltags wie Stoffe, Stricke, Hölzer, Leder, Reifenprofile, Kabel, Vasen, Kissen, Glasgefäße oder eine alte Badewanne, die Rauschenberg skulptural arrangiert. Er betont die natürlichen Formen dieser vorgefundenen Gegenstände und verzichtet darauf, Farbe oder anderes Beiwerk hinzuzufügen. Wie der Titel besagt, sind die Venetians geprägt von der Bilderwelt der Lagune, vom scheinbaren Stillstand der Zeit und von der ungebrochenen Anziehungskraft der Stadt trotz ihres allmählichen Verfalls. Die Arbeiten verweisen auf dechiffrierbare Objekte oder Bauwerke, verlieren aber nicht ihre Autonomie und Identität als Kunstwerk. Nicht ohne Ironie erinnert ein Holzstock an das Ruder eines Gondoliere oder an den Pfosten, an dem die Boote im Kanal vertäut werden; lose hängender Stoff ähnelt den Draperien, welche Besucher in den Cafés auf der Piazza San Marco bewundern; ein zerschnittenes Reifenprofil, das von zwei alten Holzstücken in instabiler Balance aufgerichtet wird, ruft das Bild einer schwankenden Gondel vor Augen. Rauschenberg kehrt mit dieser Serie zu seinen frühen Assemblagen zurück, zur Gegenüberstellung von Materialien und Fundstücken, die auch seine Combines geprägt hatte. Teilweise freistehend und somit deutlich skulpturaler als die kurz vorher entstandenen Cardboards, sind die Venetians zugleich auch weniger abstrakt. In dieser Serie spielt die Auseinandersetzung mit klassischen Fragen der Bildhauerei wie Gewicht, Balance oder Positionierung des Objekts im Raum eine zentrale Rolle.
Im Sommer 1973 beginnt Robert Rauschenberg mit den Early Egyptians — die zum Teil in Captiva, zum Teil in Paris entstehen — und arbeitet bis 1974 an dieser Serie. Angeregt von seinen Vorstellungen des Alten Ägypten, setzt Rauschenberg die Arbeit mit dem Material Pappe fort. Für die Early Egyptians werden die Kartons jedoch nicht wie bei den Cardboards zerschnitten oder flachgedrückt, sondern bilden den dreidimensionalen Konstruktionskern der Arbeiten. Er bestreicht die Pappschachteln mit Klebstoff und rollt sie über den Strand in Captiva. In einem Fall wurden die Kartons vorab wie eine Mumie in Gaze eingewickelt. Durch die Sandspuren erhalten sie ihre typische, unregelmäßig-körnige Oberflächenstruktur. Die Rückseiten der Early Egyptians bemalt Rauschenberg mit Leuchtfarben. In geringem Abstand zur Wand präsentiert, werden die Arbeiten von einer zarten Aura umspielt, die an Sonnenauf- und -untergänge erinnert. Die Early Egyptians sind eines der architektonischsten Projekte des Künstlers. Anders als bei den Venetians, für die eine große Leichtigkeit und ein beinahe choreographisches Zusammenspiel der einzelnen Elemente charakteristisch sind, vermitteln die Early Egyptians in ihrer Geschlossenheit und Statik einen Eindruck von Masse und Schwere, die durch die Form der Kartons lediglich vorgetäuscht ist. Rauschenberg faszinierte die Zweideutigkeit der Early Egyptians — das Oszillieren der Wahrnehmung zwischen Steinen und Schachteln. (4) Wenngleich die Serie einen anschaulichen Bezug zu Ägypten nahelegt, greifen die Werke nur mittelbar die Formen der ägyptischen Bauten auf. Rauschenberg hat Ägypten nie bereist, und so sind es keine konkreten Bauten und Objekte, die er als Ausgangspunkt wählte. Vielmehr evozieren der Titel der Serie und die damit verbundenen Vorstellungen ein Abbild vor dem inneren Auge des Betrachters — das Bild des eigenen Mythos von Ägypten. (5)
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Made in Israel Diese Serie entstand im Mai 1974 in Jerusalem, während der Vorbereitungen seiner Einzelausstellung im Israel Museum. Rauschenberg reiste mit beinahe leeren Händen an — einige wenige Arbeitsmaterialien wurden aus den USA importiert. Begleitet von vier Assistenten schuf er alle Arbeiten vor Ort: die Werkgruppe Made in Israel, sowie eine Serie großformatiger Papierarbeiten mit dem Titel Scriptures. Rauschenberg sammelte das Material hierfür an verschiedenen Plätzen des Landes, dessen Kulturund Religionsgeschichte die Reise stark beeinflusste — er besuchte unter anderem Bethlehem, Jericho und das Tote Meer. Wie schon bei den Vorläuferserien arbeitete er vor allem mit Kartons und entsorgten Gegenständen, aber auch mit verschiedenfarbigem Sand vom Toten Meer, der Straße nach Jericho, oder von den Stränden in Tel Aviv und Caesarea. Etliche der Made in Israel Arbeiten führen formal-ästhetisch die Early Egyptians fort: Kartonkonstruktionen, mit Sand überzogen und teilweise bemalt. Wenngleich Rauschenberg die Ausstellung dem Museum schenkte, ist der Verbleib von vielen Werken ungeklärt. Nur ein Werk dieser Serie ist in Travelling ’70 –’76 zu sehen: eine umgearbeitete, sperrige und verbeulte Schubkarre, die er auf einer Baustelle gefunden hatte. Kurz vor und während seines Aufenthalts hatte es in Israel eine Reihe grausamer Attentate gegeben, was eine Verschiebung in der Interpretation der Arbeiten zur Folge hatte: Die verwendeten Materialien ließen sich nicht mehr unabhängig von diesen Ereignissen betrachten und wurden somit auch zum Spiegel des gesellschaftlichen Zustands im Gastland. Die Verwendung von «Abfall» erregte bei dem israelischen Publikum Anstoß, woraufhin Rauschenberg erklärte, es sei immer sein Ziel gewesen, «die Menschen mit etwas zu konfrontieren, das sie an ihr eigenes Leben erinnern könnte. Auf die eine oder andere Weise schauen sie es so vielleicht anders an». (6) Wie gewöhnlich nutzte der Künstler auch in Israel die Möglichkeit zum intensiven Austausch: Er besuchte die Bezalel Kunstakademie, arbeitete dort an seinen Scriptures, sprach mit Studenten, mit Druckern und dem Ausstellungspublikum. In dem zur Ausstellung erschienenen Künstlerbuch 8
«Rauschenberg in Israel», das den Entstehungsprozess der Arbeiten, sowie die Ausstellung im Israel Museum dokumentiert, hinterlegte er einzelne Seiten mit aktuellen Zeitungsmeldungen zum gewaltvollen Tagesgeschehen — eine Rückkehr zu Medienbildern, die dann auch in den Hoarfrosts ihren Niederschlag finden sollte.
Hoarfrosts
Jammers
«Die Bilder [der Hoarfrost Serie] präsentieren sich in der Schwebe — im Brennpunkt fixiert und doch verloren in der Unschärfe.» Robert Rauschenberg (7)
Diese Serie umfasst die chronologisch jüngsten Werke der Ausstellung. Die in den Jahren 1975 und 1976 neu entstandenen Arbeiten sind in starkem Maße von Rauschenbergs Reise nach Ahmedabad in Indien inspiriert. Ahmedabad ist ein Zentrum der Textilherstellung. Auf Einladung der wohlhabenden indischen Sarabhais Familie hatte Rauschenberg 1975 dort einen Monat lang in einem vom Mahatma Gandhi gegründeten Ashram gearbeitet, der ursprünglich den Unberührbaren, den Menschen der niedrigsten indischen Kaste, eine spezialisierte Ausbildung in der Herstellung von Papier und anderem Kunsthandwerk ermöglichen sollte. Gemeinsam mit Druckern des Grafikverlegers Gemini G.E.L. in Los Angeles, mit dem Rauschenberg bis heute eng zusammenarbeitet, hatte er sich der Produktion seiner Serie Bones and Unions gewidmet. Die Jammers — zarte und farbenfrohe Arbeiten aus Stoffen, Bambusstangen, Blechdosen und anderen Fundstücken — entstanden nach seiner Rückkehr aus Indien. Außergewöhnlich für Rauschenberg ist die Brillanz und Strahlkraft dieser Serie: «Zum ersten Mal war mir der Anblick von Schönheit, von Eleganz nicht peinlich (...) denn wenn man jemanden sieht, der nur eine einzige Klamotte besitzt, die aber zufällig wunderschön und pinkfarben und seiden ist, muss Schönheit nicht mehr ausgefiltert werden.» (8) Die hierfür verwendeten Seidenstoffe aus Indien und Italien sind in Form von Rechtecken, Quadraten oder Dreiecken gearbeitet und haben klare, starke Farben. Oft schichtweise übereinandergelegt wirken sie wie Schleier in einem Zustand ätherischen Gleichgewichts. «Mich interessierte die Art, wie der Wind durch die Seide fegen und die Farben sich selbst mischen würden.» (9) Wenngleich die Jammers lose von den Wänden hängen bzw. mit Bambusstangen fixiert sind und teilweise in den Raum hinein ragen, betrachtet Rauschenberg sie, wie auch die Hoarfrosts, als Malerei. In ihrer Abstraktion greifen sie Fragen der Komposition, Farbe und Textur auf. Der Name der Serie geht zurück auf die Segelschiffgattung Windjammer, große, erhabene Frachtschiffe. Die Titel einzelner Arbeiten wie Pilot (Jammer) oder Sextant (Jammer) unterstreichen den Bezug zum Maritimen — und greifen somit am direktesten die Idee des Reisens auf.
An dieser Serie arbeitete Rauschenberg von 1974 bis 1975 auf seiner Flachbrett-Presse auf Captiva Island. Wie bei den Early Egyptians liegt ihr keine konkrete Reise zugrunde. «Hoarfrost» bedeutet Reif, Raureif. Für die Namensgebung ließ sich Rauschenberg von James Rosenquists Geburtstagsgeschenk, einem Ballen schillernder, transparenter Seide, der ihn an die Schönheit des Raureifs erinnerte, inspirieren. Zugleich taucht dieses Wort auch in Dantes Inferno auf, das er bereits Ende der 1950er Jahre mit einer Reihe von Transfer-Zeichnungen illustriert hatte. Im Inferno steigt Dante, vom Dichter Vergil begleitet, in die Hölle hinab, eingehüllt in Nebel und Raureif. Zu Beginn des 24. Gesangs heißt es: «Wenn auf der Erde weißer Reif sich zeigt, des weißen Bruders Abbild darzustellen.» Die Hoarfrosts sind aus opaken und hauchdünnen Stoffen wie Seide, Chiffon, Taft und Baumwolle gefertigt, die mittels eines LösungsmittelTransfers bedruckt wurden. Rauschenberg verdankte diese Technik der zufälligen Beobachtung, dass die mit Terpentin getränkte Gaze, mit der Lithographiesteine gereinigt werden, die Spuren des Zeitungspapiers behält. Und so nutzte er dieses Verfahren zur Übertragung von Bildern aus Zeitungen und Zeitschriften auf Stoffe. Im Gegensatz zu den übrigen in der Travelling ’70 –’76 Ausstellung präsentierten Serien, greift Rauschenberg wieder auf Bildvorlagen zurück. Die Kunstwerke erwecken den Eindruck, in einen weich gezeichneten, sphärischen Raum zu blicken. Mehrere Stoffschichten mit verschiedenen Motiven überlagern sich zu zarten Palimpsesten von großer Tiefenwirkung und Eleganz. Mit jeder Luftbewegung verändern sich Wahrnehmbarkeit und Erscheinungsbild dieser Arbeiten — wie malerische Schatten, deren Formen sich kontinuierlich wandeln. Im Zusammenspiel von dokumentarischem Charakter der Presse-Bilder und der sublimen Schönheit der künstlerischen Gestalt schwingen die Hoarfrosts zwischen Verhüllen und Transparenz. 10
Die Jammers erinnern an die Segel von Schiffen, an den Windschutz am Strand, an Wäsche, die in Südeuropa oder Asien auf der Leine trocknet, an mittelalterliche italienische Banner oder die Fahnen tibetanischer Klöster. Exotisches verbindet sich mit Vertrautem, Heiliges mit Weltlichem. Mit ihrer Offenheit für verschiedenste Assoziationen bringen die Jammers die Aussenwelt in das Museum und sind dabei, wie auch die Venetians, referentiell und abstrakt zugleich.
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Bibliographie 1 Robert Rauschenberg, zitiert nach: Calvin Tomkins, The Bride and the Bachelors, New York 1965, S. 193–4. 2 Robert Rauschenberg, «Note Cardbirds», in: Rauschenberg: Cardbirds, Broschüre zur Ausstellung Gemini G.E.L, Los Angeles 1971, n.p. 3 Robert Rauschenberg, zitiert nach: Julia Brown Turrell «Talking to Robert Rauschenberg», Rauschenberg Sculpture (Ausst.Kat. The Modern Art Museum of Fort Worth), Fort Worth 1995, S. 78. 4 vgl.: Irmeline Lebeer, «Entretien avec Robert Rauschenberg», in: Chroniques de l’Art Vivant, 43 (Okt. 1973), S. 15 –18, wieder abgedruckt in: Irmeline Lebeer, L’art? C’est une meilleure idée! Entretiens 1972 –1984, Paris 1997, S. 123. 5 vgl.: Irmeline Lebeer, op. cit., 1997, S. 123. 6 Robert Rauschenberg, zitiert nach: Mary Lynn Kotz, Rauschenberg: Art and Life, New York 1990, S. 195. 7 Robert Rauschenberg, zitiert nach: Robert Rauschenberg (Ausst.Kat. National Collection of Fine Arts, Smithsonian Institution), Washington, D.C. 1977, S. 22. 8 Robert Rauschenberg, zitiert nach: Mary Lynn Kotz, Rauschenberg: Art and Life, New York 1990, S. 206. 9 Robert Rauschenberg, zitiert in: Julia Brown Turrell, «Talking to Robert Rauschenberg», Rauschenberg Sculpture (Ausst.Kat. The Modern Art Museum of Fort Worth), Fort Worth 1995, S. 78.
Biographie Am 22. Oktober 1925 als Milton Ernest Rauschenberg in Port Arthur, Texas, geboren, studierte er kurze Zeit Pharmakologie an der University of Texas in Austin. 1946 schrieb sich Rauschenberg für zwei Jahre am Kansas City Art Institute ein und änderte seinen Vornamen in Robert. Während eines Studienaufenthalts an der Académie Julian in Paris lernte er seine künftige Frau Sue Weil kennen. Gemeinsam nahmen sie 1948 das Studium am Black Mountain College in North Carolina auf. Rauschenberg besuchte dort die Malereiklassen von Josef Albers und freundete sich mit Merce Cunningham und John Cage an. Nach zwei Jahren in New York — in dieser Zeit wurde sein Sohn Christopher geboren — kehrte er 1951 an das Black Mountain College zurück und begann, seine Black Paintings und White Paintings zu malen. Nach ausgedehnten Reisen in Italien und Nordafrika, die er gemeinsam mit Cy Twombly unternommen hatte, ließ sich Rauschenberg 1953 in New York nieder. Dort fing er mit Arbeiten an, aus denen um 1954 seine legendären Combine Paintings hervorgingen.1962 begann er Gemälde unter Verwendung von Siebdrucken anzufertigen. Rauschenbergs erste wichtige Museumsretrospektive fand 1963 im Jewish Museum in New York statt. Im Jahr darauf wurde ihm für seinen Beitrag im Pavillon der USA auf der Biennale in Venedig der Internationale Große Preis für Malerei verliehen. Neben internationalen Ausstellungen, Experimenten mit verschiedenen Drucktechniken und der Gründung von E.A.T. (Experiments in Art and Technology) im Jahr 1966, setzte Rauschenberg in den 1960er Jahren und darüber hinaus sein Engagement in den darstellenden Künsten fort. 1970 richtete er sich ein zweites Wohnatelier auf Captiva Island, Florida, ein. Während der frühen 1970er Jahre bereiste er Italien, Frankreich, Israel und Indien. Walter Hopps widmete Rauschenberg 1976 die Jubiläumsausstellung anlässlich des 200jährigen Bestehens der Vereinigten Staaten in der Smithsonian Institution in Washington. 1984 gründete er ROCI (Rauschenberg Overseas Cultural Interchange), deren Ziel es ist, mittels künstlerischer Kollaborationen den Austausch und das gegenseitige Verständnis zwischen verschiedenen Kulturen zu erhöhen. Dieses Projekt reiste unter anderem nach Mexiko, Chile, Venezuela, China, Tibet, 14
Japan, Kuba, Russland, in die ehemalige DDR und nach Malaysia. Rauschenbergs Werke fanden Eingang in die international bedeutendsten Sammlungen. Er lebt und arbeitet auf Captiva Island, Florida.
Robert Rauschenberg: Travelling ’70 –’76 hausderkunst 09/05/08 > 14/09/08 Ausstellung Kuratorin: Mirta d’Argenzio Rauschenberg Studio: Thomas Buehler, David White Die internationale Ausstellungstournee wurde von der Fundação de Serralves, Museu de Arte Contemporânea, Porto organisiert, in Koproduktion mit dem Haus der Kunst und dem Museo d'Arte Contemporanea Donna Regina (Madre), Neapel.
© 2008 Haus der Kunst Booklet Texts: Patrizia Dander & Valerie Masyuta Translation: Marie Frohling Copyediting: Gina Guy (Rauschenberg Studio) Haus der Kunst Director: Chris Dercon Finance Director: Marco Graf von Matuschka Chief Curator: Ulrich Wilmes Assistant Curator: Patrizia Dander Intern: Valerie Masyuta Press: Elena Heitsch with Sonja Zschunke PR: Anna Schüller with Martina Schmid Marketing: Petra Ronzani Organisation: Tina Köhler with Clara Meister Technical Office: Anton Köttl with Glenn Rossiter Lighting: Rudi Ortner with Peter Kreibich and Harald Magiera
Haus der Kunst Direktor: Chris Dercon Kaufmännischer Leiter: Marco Graf von Matuschka Hauptkurator: Ulrich Wilmes Assistenz: Patrizia Dander Praktikum: Valerie Masyuta Presse: Elena Heitsch mit Sonja Zschunke PR: Anna Schüller mit Martina Schmid Marketing: Petra Ronzani Organisation: Tina Köhler mit Clara Meister Technik: Anton Köttl mit Glenn Rossiter Beleuchtung: Rudi Ortner mit Peter Kreibich und Harald Magiera
Exhibition Curator: Mirta d’Argenzio Rauschenberg Studio: Thomas Buehler, David White This international travelling exhibition is organised by Fundação de Serralves, Museu de Arte Contemporânea, Porto, co-produced with Haus der Kunst and Museo d'Arte Contemporanea Donna Regina (Madre), Naples.
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design mayfried
© 2008 Haus der Kunst
Robert Rauschenberg: Travelling ’70 –’76 hausderkunst 09/05/08 > 14/09/08
Begleitheft Texte: Patrizia Dander & Valerie Masyuta Übersetzung: Marie Frohling Lektorat: Gina Guy (Rauschenberg Studio)