German No. 20 HEAR THE WORLD

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DEUTSCHLAND 6 EURO ISSN 1863-9747 74099

ÖSTERREICH 6,90 EUR

SCHWEIZ 9 CHF

HEAR THE WORLD DAS MAGAZIN FÜR HÖR-KULTUR

FREIDA PINTO FOTOGRAFIERT VON BRYAN ADAMS

NUMMER ZWANZIG

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Warum Kindern die Sprachaneignung kinderleicht fällt Clink and Drink! Ein Toast auf Gift und Champagner, Teufel und Gläserklang James Turrells Versammlungshaus der Quäker in Houston Die Geschichte des „Human Beatboxing“ Die Stimme von Sam Prekop


Nur Sie wissen, weshalb Sie so gut hören.

Mehr als nur ein nahezu unsichtbares Hörgerät. Phonak nano ist die perfekte Kombination von maximaler Hörleistung bei minimaler Größe. So klein und bequem – tragen Sie es und vergessen Sie es. Kontaktieren Sie noch heute Ihren Hörgeräteakustiker und entdecken Sie Phonak nano. www.phonak.com


Ich werde häufig gefragt, ob ich meinen Namen nicht für einen guten Zweck zur Verfügung stellen würde. Mittlerweile tue ich dies hauptsächlich für Projekte, die von meiner eigenen Stiftung unterstützt wurden; als Musiker liegt mir eine Initiative wie Hear the World, die Menschen hilft, ihr Gehör zu schätzen und zu schützen, besonders am Herzen. Mit meinen Fotos konnte ich einen Beitrag für Hear the World leisten. So begann die Zusammenarbeit im Herbst 2006 mit den ersten Aufnahmen mit Plácido Domingo. Diese Fotos haben eine besondere Ausdruckskraft aufgrund der Tatsache, dass die Porträts von Künstlern dazu dienen, die Lebensqualität von Menschen mit Hörminderungen zu verbessern. Ich weiß die Großzügigkeit all dieser talentierten Künstler zu schätzen, die ihren Namen in den Dienst dieses guten Zwecks gestellt haben. Hear the World hat außerdem Freunde und Kollegen von mir unterstützt, die von einer Hörminderung betroffen sind. Es gab viele persönliche Höhepunkte während meiner fünfjährigen Zusammenarbeit mit der Stiftung und ich freue mich auf weitere erfolgreiche Jahre, in denen ich Hear the World helfen kann, seine Botschaft zu verbreiten. Happy Birthday Hear the World!

Bryan Adams

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DANKE. Ihr Beitrag hilft Kindern wieder hĂśren zu kĂśnnen. UnterstĂźtzen Sie unser Projekt ÂŤRegain Hearing – Join LifeÂť in Nairobi: Dort bauen wir ein Versorgungsnetz fĂźr Kinder mit HĂśrverlust auf – von Diagnostik Ăźber Anpassung von HĂśrgeräten bis zu Sprachtherapie und einer Selbsthilfegruppe fĂźr die Eltern. Gemeinsam schenken wir Kindern die Chance fĂźr eine bessere Zukunft. Spendenkonto: 5"3 !' :Ă RICH s +ONTO (EAR THE 7ORLD &OUNDATION s +ONTONUMMER 5 +ENNWORT .AIROBI s )"!. #( 5 s 37)&4 5"37#(:( ! s WWW HEAR THE WORLD COM


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HEAR THE WORLD NUMMER ZWANZIG

Editorial

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Hear the World Initiative 5 Jahre Hear the World Initiative, 20 Ausgaben HEAR THE WORLD Magazin

8

COME AGAIN News Hier gibt’s kräftig was auf die Ohren!

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Frequently Asked Questions

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What’s that sound? Cheers!

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Produkte

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HEAR THE WORLD Warum Kindern die Sprachaneignung kinderleicht fällt

SAFE AND SOUND Kulturprogramm alla turca

42

Vom Kindergarten in den Madison Square Garden

48

Wie Echo das letzte Wort behält – von den großen Mythen des Hörens

52

EASY LISTENING Der Ameropäer

58

Weltstar über Nacht – ein Porträt der jungen Schauspielerin Freida Pinto

60

Die Geschichte des „Human Beatboxing“

62

DJ Spooky: Work play balance

66

Jamie Woon – Mädchenmusik

70

Philipp Rathmer – mit geschärftem Blick

72

24

Wunderwerk Ohr: Weit mehr als Hören

28

Clink and Drink! Ein Toast auf Gift und Champagner, Teufel und Gläserklang

32

Kein wenig kleinkariert – die Freiluftbibliothek in Magdeburg

34

Die Stimme von Sam Prekop

80

Das Loch im Dach – James Turrells Versammlungshaus der Quäker in Houston

38

IMPRESSUM

82

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EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser, Dies ist die 20. Ausgabe von HEAR THE WORLD, wir freuen uns über ein kleines „rundes“ Jubiläum, das zusammenfällt mit einem anderen, dem 5-jährigen Bestehen der Initiative und Stiftung gleichen Namens. In unserer schnelllebigen Zeit ist das ein ermutigendes Zeichen für Verlässlichkeit und Kontinuität. Und wir haben noch viel vor! Die hohe Akzeptanz des Magazins durch Sie, liebe Leserinnen und Leser, aber auch seine mehrfachen Auszeichnungen durch renommierte Expertenjurys motivieren uns, noch viele Jubiläen anzustreben. Magazin, Initiative und Stiftung fühlen sich einem hohen Ziel verpflichtet: alles zu tun, damit gutes Hören als integraler Bestandteil des guten Lebens erkannt wird. Denn sehr vieles, was das Leben erst lebenswert und erfüllend macht, kreist um diese Sinnesleistung: Erst gutes Hören ermöglicht auch das Gespräch mit anderen, das Verstehen und Verstandenwerden, den Genuss von Musik und Naturlauten, all das verschafft uns Wohlbefinden und Sicherheit. Eine schöne Frau, die portugiesisch-indische Schauspielerin Freida Pinto, schmückt unser Cover. Vielleicht kennen Sie sie aus dem Film „Slumdog Millionaire“, jener wilden, romantischen, komischen und traurigen Geschichte aus den Slums von Mumbai. Wir sind stolz darauf, mit Freida Pinto eine weitere berühmte Botschafterin für die Hear the World Foundation und unser Anliegen gewonnen zu haben. Christian Arndt porträtiert die Künstlerin. Zu unserem 5. Geburtstag passt die Geschichte, die Klaus Janke uns in dieser Ausgabe erzählt: Mit großer Wahrscheinlichkeit ist eine der ersten Melodien, die ein Mensch zu hören bekommt, die des Geburtstagsliedes „Happy Birthday To You“, das in nahezu allen Sprachen dieser Welt gesungen wird. Aber dieses Lied ist beileibe kein „Allgemeingut“, es gehört jemandem und der hat Anspruch auf Tantiemen. Die seltsame Story eines Universal-Hits …

Mit den größten Mythen rund um das Hören und mit ihrer Wirkungsgeschichte beschäftigt sich Max Ackermann. Von der Nymphe Echo über die Sirenengesänge bis zu Orpheus zieht sich der Reigen der „Hörgeschichten“, die auch in der Moderne immer wieder aufgegriffen und künstlerisch variiert werden. Ein erstaunliches Stück Kulturgeschichte breitet sich aus. Woran denken Sie, wenn Sie die Worte Bossa nova lesen? Vermutlich denken Sie weniger, als dass Sie etwas hören: nämlich jene rhythmische und zugleich etwas melancholische Musik, die neben der Samba für das Lebensgefühl Brasiliens steht. Uli Rüdenauer schildert, wie der „Erfinder“ dieses Sounds, Joao Gilbert, in den 1950er-Jahren den Bossa nova schuf, und er zeigt, wie der amerikanische Sänger Sam Prekop sich dieses Erbes in einzigartiger Weise angenommen hat. Prekop, der aus Chicago stammt, reichert den Bossa-nova-Sound mit Einflüssen der Soulmusik an. Ein Beispiel für die weltumspannende, immer wieder neue Synthesen hervorbringende Macht originärer Musik. Müssen wir das Hören lernen? Eigentlich nicht – und wenn man die Sprachaneignung bei Kleinkindern beobachtet, kommt man aus dem Staunen nicht heraus, wie schnell und leicht sie Laute, Worte und Stimmen erkennen und grammatikalische Strukturen begreifen. Anno Bachem zeigt uns in seinem Beitrag, wie spielerisch wir uns Sprache aneignen, über das Hören das Sprechen und Verstehen lernen. Ich möchte hinzufügen: Schützen und erhalten wir diesen ersten wichtigsten „Kanal zur Welt“, vor allem bei Kindern! Achten wir darauf, dass sie (und wir alle) „ganz Ohr“ bleiben. Ich wünsche Ihnen eine anregende und vergnügliche Lektüre! Ihr

Alexander Zschokke

ZUM TITELBILD Freida Pinto wurde fotografiert von Bryan Adams. Die Künstler unterstützen die Initiative Hear the World.

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HEAR THE WORLD INITIATIVE

Voller Einsatz für gutes Hören: 5 Jahre Hear the World Initiative, 20 Ausgaben HEAR THE WORLD Magazin Im Rahmen der Hear the World Initiative hat der Hörgerätehersteller Phonak im Dezember 2006, vor nunmehr fünf Jahren, die gemeinnützige Hear the World Foundation gegründet. Zur gleichen Zeit brachte die Initiative auch die erste Ausgabe von HEAR THE WORLD, dem Magazin für Hörkultur, auf den Markt, dessen 20. Ausgabe Sie heute in den Händen halten. Mit viel Motivation und Engagement arbeiten Initiative, Stiftung und Redaktionsteam seither an ihrem gemeinsamen Ziel, weltweit Menschen darüber aufzuklären, wie wichtig das Thema „Hören“ in unserem Leben ist und wie stark diejenigen unter uns beeinträchtigt sind, die häufig aufgrund ihres Hörverlusts vom sozialen Miteinander ausgegrenzt sind. Für manche dieser Menschen birgt jeder einzelne Tag eine Vielzahl an Schwierigkeiten, die sich Normalhörende gar nicht vorstellen können. Davon betroffen sind immerhin rund 800 Millionen Menschen auf dieser Welt! Zwei Drittel davon leben in Entwicklungsländern. Hier kämpfen Menschen mit Hörminderung nicht nur mit sozialer Isolation, Diskriminierung und Alltagsproblemen, sie kämpfen um ihre Existenz. Länder mit großer Armut, in denen Menschen an Hunger sterben, können weder die Aufmerksamkeit noch die Mittel aufbringen, sich um die Belange von Menschen mit Hörminderung zu kümmern. 5 Jahre Hear the World Foundation – nachhaltig aufklären, tatkräftig helfen All das muss nicht sein. Die Mitarbeiter und Partner der Hear the World Foundation tun ihr Möglichstes, um diesen Menschen ein weitgehend normales Leben und die Integration in ihre Gesellschaft zu ermöglichen. Denn in kaum einem anderen medizinischen Bereich sind durch neue Technologien und mit exakten Diagnosen so unglaubliche Erfolge zu erzielen. Je früher ein Hörverlust im Kindesalter festgestellt und medizinisch behandelt wird, umso größer die Chance für diese Kinder, mit einem passenden Hörgerät eine normale sprachliche Entwicklung zu durchlaufen, wie alle anderen eine Schule zu besuchen und mit der erworbenen Bildung ein eigenständiges Leben zu führen. Daher stehen Kinder mit Hörverlust im Zentrum der Stiftungsarbeit – hier kann noch ein ganzes Leben positiv beeinflusst werden!

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In Entwicklungsländern könnte könnten extrem viele Hörschäden vermieden werden, wenn z. B. eitrige Mittelohrentzündungen richtig behandelt würden, wenn Medikamente – wie gegen Malaria – so eingesetzt und dosiert wären, dass nicht als Nebenwirkung das Gehör in Mitleidenschaft gezogen wird. Viele Audiologen und HNOÄrzte kämpfen – mit der Unterstützung von Hear the World – weltweit für besseres Hören durch medizinische und technische Hilfe sowie durch Aufklärungsarbeit. Ein neues Projekt steht in diesem Jahr im Vordergrund: Die Hear the World Foundation unterstützt erstmals die Special Olympics, deren Sommerspiele im Juni in Athen stattgefunden haben. Special Olympics ist die weltweit größte vom IOC offiziell anerkannte Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Rund 3,5 Millionen Athleten und Athletinnen aus über 150 Ländern sind Mitglied dieses Verbandes. Rund ein Viertel von ihnen ist von Hörminderung betroffen, oft gar nicht oder nur mangelhaft mit passenden Hörhilfen ausgestattet. Special Olympics und die Hear the World Foundation haben in Athen während der Wettkämpfe 2.658 Sportler in einem groß angelegten Screening auf Hörminderung untersucht. Voucher für 344 Hörgeräte wurden kostenfrei an Kandidaten mit versorgbarem Hörverlust ausgegeben, mit denen sie in ihrem Heimatland optimal auf sie abgestimmte hochwertige Phonak Geräte von den jeweiligen lokalen Phonak Partnern in Empfang nehmen können und auch bei Anpassung und Nachkontrollen langfristig betreut werden.


Botschafter des Hörens

Jeden Tag eine neue Herausforderung

Doch nicht nur dem unermüdlichen Einsatz und der hohen Professionalität zahlreicher Projektpartner rund um den Globus ist es zu verdanken, dass die Stiftung seit ihrer Gründung vor fünf Jahren so viele Erfolge verbuchen konnte. Auch die mittlerweile über 50 prominenten Botschafter von Hear the World aus den Bereichen Musik, Film und Sport tragen mit ihrem Engagement zu Bekanntheit und Erfolg der Hear the World Initiative bei. Was 2006 mit den Wiener Philharmonikern und Plácido Domingo begann, ist nun auf eine große Gemeinde an Unterstützern angewachsen. Weltbekannte Musiker wie Sting, Bobby McFerrin, Bryan Ferry oder Annie Lennox gehören genauso dazu wie namhafte Schauspielgrößen: Ben Kingsley, Jude Law, Tilda Swinton oder Julianne Moore. Auch Sportler wie der Formel-1-Pilot Jenson Button sind im Dienst von Hear the World unterwegs. Der Mann, der von all diesen Botschaftern mit seiner Kamera ausdrucksstarke Porträtfotos in Schwarz-Weiß angefertigt und damit der Hear the World Initiative ihr ganz eigenes Gesicht gegeben hat, war bis dato den meisten eher als Musiker bekannt: Bryan Adams. Als Fotograf ist er mit großem Einsatz weltweit unterwegs und hat sich auch in diesem Metier einen Namen gemacht. Zusätzlich zu den prominenten Unterstützern helfen auch CommunityBotschafter, die selbst von Hörminderung betroffen sind, indem sie anderen Menschen mit eingeschränktem Gehör Mut machen, wertvolle Tipps geben und mit ihnen Erfahrungen austauschen – niemand kann das so gut wie sie!

Die Hear the World Initiative hat in den vergangenen fünf Jahren eine Menge geschafft und wurde dafür mit über 20 namhaften Auszeichnungen und Preisen geehrt. Doch jeden Tag sehen wir wieder Schicksale, die uns zu Herzen gehen, und vor allem sehen wir, wie viel im Leben der betroffenen Menschen erreicht werden kann. Wer einmal das Strahlen im Gesicht eines Kindes gesehen hat, das mit einem Hörgerät plötzlich die Geräusche seiner Umgebung wahrnimmt und sofort mit Feuereifer beginnt, Laute nachzuahmen und erste Wörter zu bilden, wird das ein Leben lang nicht vergessen. Helfen Sie uns, auch weiterhin weltweit mehr und mehr Gesichter zum Strahlen zu bringen und kleinen Menschen eine schulische Bildung und damit Zukunftschancen zu ermöglichen. Wir garantieren, jede einzelne Spende gezielt und effizient zu nutzen, um mit unseren professionellen Partnern neue Projekte umzusetzen, sei es zur Prävention von Hörverlust, zur medizinischen Aufklärung und Diagnostik oder zur Behandlung bereits bestehender Hörminderungen. 16 Prozent der Weltbevölkerung sind von Hörminderung betroffen – hier gibt es noch viel zu tun!

20 Ausgaben HEAR THE WORLD Magazin – die faszinierende Welt des Hörens Auch das HEAR THE WORLD Magazin feiert jetzt mit der 20. Ausgabe ein Jubiläum. Nur was man bewusst erlebt und begreift, kann man auch wirklich verstehen, achten und schützen. Dieses Bewusstsein will das HEAR THE WORLD Magazin für das Thema Hören und Hörverlust wecken und schärfen. Das Magazin lädt deshalb viermal im Jahr auf eine sinnliche Entdeckungsreise durch die Welt des Hörens ein. Jede Ausgabe präsentiert eine große Bandbreite an Themen wie Musik, Kunst, Natur, Sport und einen Einblick in die Welt der Sinne. Allen Beiträgen gemeinsam ist die Verbindung zum Hören. Der Stiftung entstehen keinerlei Kosten für das Magazin, diese werden komplett durch den Hörgerätehersteller Phonak getragen. Der gesamte Nettoerlös geht an die Hear the World Foundation und kann auf diese Weise sofort wieder in Projekte investiert werden. Hear the World ist der sozialen Verantwortung der Firma Phonak zu verdanken, ohne deren Beitrag weder Stiftungsarbeit noch Magazin möglich wären.

Die Bankverbindung für Spenden lautet: UBS AG, Zürich Konto: Hear the World Foundation IBAN: CH12 0023 0230 4773 8401 U SWIFT: UBSWCHZH80A

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NEWS

Hier gibt’s kräftig was auf die Ohren! Eine ganz besondere Form des Musikhörens bieten uns neuerdings die vielerorts boomenden Kopfhörerkonzerte. Wie der Name schon sagt, wird dem Zuhörer hierbei LiveMusik per Funkkopfhörer direkt aufs Ohr gespielt. Neu, überraschend und mit einem Konzert im herkömmlichen Sinne nicht zu vergleichen. Schließlich fehlt doch das, was ein Live-Konzert eigentlich ausmacht – der direkte Kontakt zwischen Musikern und Publikum und das besondere Feeling als Fan inmitten einer Menge Gleichgesinnter.

Bisher ein Trend, bleibt abzuwarten, ob sich dieses Konzept durchsetzen wird. Geeignet ist es aber sicherlich nicht für jede Art von Live-Musik … spätestens beim Heavy-Metal-Konzert sollte die Atmosphäre doch lieber so bleiben wie gewohnt! Sandra Spannaus

Illustration: Hennie Haworth

Raum für Experimente lässt diese Neuheit beiden Seiten – den Klangkünstlern, deren Musik nun ganz anders wahrgenommen wird, und dem Zuhörer, der seine Musik trotz Menschenansammlungen exklusiv genießen und vielleicht auch endlich mal die Texte und Ansagen seiner Lieblingsband deutlich verstehen kann.

Live dabei und doch ganz für sich allein. Der Kommunikation ist diese Art von Konzert allerdings nicht unbedingt zuträglich – bleibt zu hoffen, dass die Kopfhörer wenigstens in der Pause oder beim Umbau abgenommen werden und man miteinander spricht und nicht zu sehr in seiner eigenen Welt versinkt.

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FREQUENTLY ASKED QUESTIONS

Seit einem Konzertbesuch vor einiger Zeit leide ich unter einem akustischen Trauma des rechten Ohres. Alle Tests, die durchgeführt wurden, bescheinigen mir ein normales Hörvermögen. Seit zwei Monaten habe ich jedoch ein Ohrgeräusch. Ich habe gelesen, dass es, wenn es durch einen akustischen Reiz ausgelöst wurde, nach ein paar Monaten unter Umständen wieder verschwindet. Ist das richtig? Nach einem lauten Konzert haben die meisten von uns schon einen Pfeifoder Brummton im Ohr erlebt. Wenn so etwas passiert, dann bedeutet dies, dass die winzigen Haarzellen in unserem Innenohr stark überreizt wurden. In den meisten Fällen ist dies vorübergehend und nach ein oder zwei Tagen beginnen die Haarzellen wieder zu funktionieren und der Tinnitus lässt nach. In anderen Fällen, wenn die Musik über einen längeren Zeitraum sehr laut ist, entsteht ein dauerhafter Schaden an diesen Haarzellen. Ich wüsste gerne, ob bei Ihnen ein Funktionstest der Haarzellen, ein sogenannter otoakustischer Emissionstest (OAE-Test) durchgeführt wurde. OAEs sind sehr empfindliche Tests, die es dem Gehörspezialisten ermöglichen, auch geringfügige Veränderungen in den Ohren festzustellen, bevor dies durch eine Standard-Reintonaudiometrie nachgewiesen wird. Im Falle eines durch ein Lärmtrauma ausgelösten Tinnitus besteht die Möglichkeit, dass dieser mit der Zeit verschwindet. Das hat jedoch eher mit Ihrer emotionalen Reaktion auf den nervenden Ton im Ohr zu tun als mit dem Vorfall, der das Ganze ausgelöst hat. Es empfiehlt sich daher, die Ohren während eines Konzertes immer zu schützen. Dr. Craig Kasper, Chief Audiology Officer of Audio Help Hearing Center

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Stimmt es, dass ein Taucher mit geplatztem Trommelfell zwar sieht, dass er in Richtung Boden schwimmt, aber seine Bewegungen nicht koordinieren und zur Wasseroberfläche schwimmen kann? Erklärungsversuch: Das eindringende Wasser bringt unser Innenohr und seine Arbeit völlig durcheinander. Durch den Defekt im Trommelfell gelangt beim Tauchen kaltes Wasser ins Mittelohr. Das kalte Wasser reizt das Gleichgewichtsorgan im Ohr. Das wiederum verursacht heftigen Schwindel, Orientierungslosigkeit und Sehstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit. Daher kann sich der Taucher nicht mehr orientieren. Bei einem Defekt im Trommelfell ist Tauchen deshalb absolut verboten. Dr. Michaela Fuchs, HNO-Fachärztin sowie diplomierte Reise- und Touristikmedizinerin

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WHAT’S THAT SOUND?

Foto: Markus Bassler

Cheers!

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PRODUKTE

Furioses für Auge & Ohr – Rachel Kolly d’Alba Seit auch die Optik eine große Rolle spielt, beschert uns die klassische Musik Künstler wie David Garrett oder Vanessa Mae, die das angestaubte Image der Szene gehörig aufmöbeln und auch junge Leute wieder vermehrt für die Klassik zu begeistern wissen. Die junge Schweizer Ausnahmegeigerin Rachel Kolly d’Alba reiht sich hier ein und bleibt vorrangig durch ihr Können, aber auch durch ihr Äußeres in Erinnerung. Mit rothaariger Mähne und auffälligem Make-up zieht die Vollblutmusikerin alle Register ihres Fachs und erweist dem 1931 verstorbenen belgischen Komponisten und Violinisten Eugène Ysaÿe mit ihrer CD „Passion Ysaÿe“ die Ehre.

Beiden gemein ist der Beginn ihrer musikalischen Laufbahn im zarten Alter von fünf Jahren und die Vorliebe für ihr Instrument, eine Stradivari. Kolly d’Alba, Stammgast auf internationalen Festivals und als Gastmusikerin gerne eingeladen von hochrangigen Orchestern weltweit, überzeugt aber keinesfalls nur in der Klassik, sondern legt zudem großes Interesse an zeitgenössischer Musik an den Tag. Entsprechende Tonnachweise liegen vor und lassen auf die Vielseitigkeit der Künstlerin schließen. Für ungeübte Ohren zuweilen fast etwas schrill, beweist Kolly d’Alba in allen Sparten Virtuosität und Nachhaltigkeit. Die wortwörtliche Leidenschaft der „Passion Ysaÿe“ wird einem lange im Ohr bleiben und nicht nur die jubelnde internationale Fachpresse fiebert Kolly d’Albas kommenden Projekten entgegen. Man darf gespannt sein, welche Saiten die Solistin noch aufziehen wird. Label: Warner Cla (Warner Music Switzerland) ASIN: B003C1SPQ0

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PRODUKTE

Radiohussofa Dass eine alteingesessene, klassische Polsterei sich um zeitgenössisches Design verdient macht und nicht einfach Auftragsarbeiten ausführt, ist ungewöhnlich. Und doch ist dem so im Hause der Brüder Egon und Erling Petersen im dänischen Arhus. Die eineiigen Zwillinge, die seit 40 Jahren Hand in Hand zusammenarbeiten, fertigen auf ihrem idyllisch gelegenen, umfunktionierten Bauernhof mit größter Sorgfalt und hochwertigsten Materialien Möbel an, auch die Kollektion von Finn Juhl.

Sein Vertrauen in Sachen Marketing in Deutschland schenkt das Brüdergespann exklusiv dem Hamburger Unternehmen Wohnkultur66, das bereits Finn Juhls Möbelserien erfolgreich vermarktet und sich auf skandinavische DesignKlassiker spezialisiert hat. Prototypen der Petersen-Kollektion gibt es in Hamburg bereits zu besichtigen, offiziell vorgestellt wird sie zusammen mit der Finn-Juhl-Kollektion auf der Kölner Möbelmesse im Rahmen des Off-Programms „Passagen“ im Hotel Chelsea.

Dieser arbeitete viele Jahre mit dem dänischen Architekten Vilhelm Lauritzen zusammen, der in den frühen Dreißigerjahren das Kopenhagener Rundfunkhaus mit einer speziell dafür entworfenen Möbelserie ausstattete. Anlässlich der Renovierung eben dieses Funkhauses wurden nun unlängst die Brüder Petersen gebeten, das von Lauritzen entworfene gepolsterte „Radiohussofa“ zu rekonstruieren. Gelungen ist es ihnen offenbar so gut, dass sie daraufhin die Rechte an Lauritzens Entwürfen erwerben konnten. Und nicht nur das – auch die Rechte an weiteren Entwürfen wie Nanna Ditzels „Oda Chair“ und Ib Kofod-Larsens „Seal Chair“ nennen sie aufgrund der guten Beziehungen zu deren Familien ihr Eigen, sodass sie inzwischen eine eigene Kollektion auf den Markt bringen konnten.

www.wohnkultur66.de

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PRODUKTE

Max Frisch: Der Mensch erscheint im Holozän Der Möglichkeit beraubt, den Ort des Geschehens zu verlassen, analysiert der Rentner Herr Geiser den mit einem Unwetter in der abgeschiedenen Bergwelt des Tessins einhergehenden Donner und teilt ihn in Kategorien ein. Ein Poltern, ein Knallen, ein Paukenschlag, ein Plappern … 16 verschiedene Donner-Charakteristiken erstellt er. Er, der schrullige Alte, der wegen der Witterung seiner Gartenarbeit nicht nachgehen kann, aus Langeweile Knäckebrotpagoden baut und mit überall im Haus angehefteten Zetteln krampfhaft gegen seinen fortschreitenden Gedächtnisverlust ankämpft. Das gewaltige Naturschauspiel, das in Geisers Augen extrem bedrohlich erscheint und nahezu apokalyptische Ausmaße annimmt, und eben jene 16 Donnerarten stehen stellvertretend für den eigenen Verfall und die Angst vor dem nicht abwendbaren Tod.

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Max Frischs Spätwerk „Der Mensch erscheint im Holozän“ erschien 1979 und stieß in Deutschland auf wenig Resonanz. Zu autobiografisch, urteilten Kritiker, was Frisch vehement von sich wies. Erst spät erkannte man die Bedeutung dieses Romans um die Diskussion über Alter und Tod. Max Frisch wäre in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden und sein Todestag jährt sich zum zwanzigsten Mal. Ein willkommener Anlass, mal wieder eines seiner Bücher in die Hand zu nehmen… ISBN-13: 978-3518372340 (Deutsch) ISBN-13: 978-1564784667 (Englisch) ISBN-13: 978-3906763545 (Französisch)


PRODUKTE

Am Strand oder im Büro – in jeder Umgebung ausgezeichnet hören Ein Hörgerät tragen und einen aktiven Lebensstil pflegen? Das muss nicht länger ein Widerspruch sein. Für Träger von Hörgeräten war es früher eher schwierig, Aktivitäten im Freien nachzugehen, da Wasser, Staub und Schweiß die Leistung des Gerätes leicht beeinträchtigen oder dieses sogar beschädigen konnten. Heutzutage profitieren Nutzer von der neuesten Technologie und können allen möglichen Aktivitäten nachgehen, ohne überhaupt über ihr Hörgerät nachdenken zu müssen, beispielsweise: Büroarbeit, anregende Unterhaltungen im Restaurant führen, an einem regnerischen Tag spazieren gehen oder segeln. Eine neue Generation von wasser- und staubunempfindlichen Hörsystemen bietet nicht nur ein optimiertes Sprachverstehen in allen Alltagssituationen, die herkömmlichen Grenzen der Nutzung unter extremen Bedingungen oder im Zusammenhang mit Wasser sind nun auch aufgehoben. Das unauffällige, jedoch äußerst leistungsstarke Phonak M H2O gewährleistet das beste Hörerlebnis in jeder Umgebung. Durch ihr besonders wasserdichtes Design und die zusätzliche spezielle Nanobeschichtung, die Feuchtigkeit und Staub abweist, sind die Phonak M H2O Modelle die idealen Begleiter bei allen Aktivitäten im Freien, dazu gehören auch Joggen, Motorradfahren und Aktivitäten in

Verbindung mit Wasser. Der Träger kann sich in allen Lebenslagen auf sein Hörgerät verlassen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob es möglicherweise zu Schaden kommen könnte. Mit der neuen Spice+ Technologie wurde das Phonak M H2O für Nutzer entwickelt, die Wert auf beste Klangqualität und Zuverlässigkeit in jeder Situation legen. Das Hörsystem ist mit einer Reihe intelligenter Technologien ausgestattet, die eine automatische Anpassung an verschiedene Hörumgebungen ermöglichen. Auch in Situationen, die hohe Anforderungen an das Gerät stellen, wie in Restaurants, Bars oder in Besprechungen, ist klares Hören gewährleistet. Die hohe Wasserbeständigkeit stellt sicher, dass das Phonak M H2O störungsfrei funktioniert, auch wenn es in feuchten oder nassen Umgebungen getragen wird. Dieses kleine und ansprechende Gerät wird bequem und optisch kaum wahrnehmbar hinter dem Ohr getragen. Ob Regen oder Sonnenschein, der Träger kann darauf vertrauen, dass er einwandfrei hört.

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WISSEN

Warum Kindern die Sprachaneignung kinderleicht fällt Die Sprachaneignung von Kleinkindern stellt eine ebenso bemerkenswerte wie weitgehend unbeachtete Ausnahme von der Regel dar, dass die Entwicklung vom Baby zum Erwachsenen einen geradlinigen und progressiven Reifeprozess darstellt. Die linke Hirnhälfte scheint im Lauf der Evolution ein Programm entwickelt zu haben, das es Babys und Kleinkindern erlaubt, mühelos Meisterleistungen der Sprachrezeption zu vollbringen, angefangen bei der Lautund Worterkennung bis zur Entschlüsselung grammatikalischer Strukturen. Diese erstaunliche frühkindliche Sprachkompetenz, die dem Sprachgefühl von Erwachsenen weit überlegen ist, ermöglicht es, sich sozusagen spielend nicht nur die eigene Muttersprache, sondern auch eine oder zwei weitere Sprachen simultan anzueignen. Es handelt sich dabei um ein universelles Phänomen, das kulturübergreifend für alle Kinder bis etwa zum fünften Lebensjahr gilt, sofern sie nicht durch eine Hörminderung in irgendeiner Form gehandicapt sind. Spracherwerb – ein Kinderspiel Die Voraussetzung dafür, dass die von Natur aus vorhandene Sprachkompetenz vollständig genutzt werden kann, ist die Fähigkeit, genau hinhören zu können. Und das beginnt bei Babys bereits, bevor sie das Licht der Welt erblickt haben und mit den Geräuschen konfrontiert werden, die sie später täglich hören. Man weiß heute, dass schon der Fötus im Mutterleib Sprachlaute nicht nur wahrnimmt, sondern sie auch aus anderen Außengeräuschen aussortiert. Ab Beginn des 7. Monats der Schwangerschaft lauscht das Ungeborene der mütterlichen Stimme, die gedämpft zu ihm dringt. Da es jedoch keine hohen Frequenzen wahrnehmen kann, hört es nur die Sprachmelodie, die sogenannte „Prosodie“. Damit ist bereits sehr früh die Basis der Sprachaneignung gelegt. Denn Neurolinguisten haben ermittelt, dass der Säugling die in seinem Gedächtnis eingelagerte Prosodie der Mutter vor allen anderen Lauten bevorzugt, wenn er auf der Welt ist. Außerdem hat das Kleinkind eine eindeutige Präferenz für Sprachlaute gegenüber allen übrigen akustischen Reizen. Und schließlich ist auch eine stärkere Reaktion auf die Sprache seiner Mutter – also auf seine Muttersprache – zu erkennen, wenn deren Melodie sich deutlich von einer anderen Sprache abhebt, wie etwa Deutsch oder Englisch von Chinesisch. Diese Unterscheidung ist Babys, wie in ausgeklügelten Untersuchungsreihen nachgewiesen werden konnte, bereits wenige Tage nach der Geburt möglich.

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Dass tatsächlich pränatale Erfahrungen eine Rolle spielen, wird auch dadurch gestützt, dass Säuglinge nach der Geburt in der Lage sind, einen Text, den die Mutter während der letzten Schwangerschaftsphase oft laut gelesen hat, anhand seiner besonderen prosodischen Merkmale wiederzuerkennen. Der Spracherwerb des Kleinkinds beginnt also mit einer vorgeburtlichen Ausbildung des Sprachgefühls, bevor es überhaupt in der Lage ist, einen Laut von sich zu geben. Diese Fähigkeit muss angeboren und in die neuronale Hirnstruktur eingeprägt sein, da außer der verfremdeten Aufnahme der Sprache seiner Mutter keine sprachstimulierenden Umwelteinflüsse auf das Ungeborene einwirken. Allen Kindern gemeinsam – das absolute Sprachgehör Das Gleiche gilt auch für die Fähigkeit aller Babys, jeden der über 100 bekannten Sprachlaute der heute existierenden ca. 7.000 Sprachen zu identifizieren, das heißt, alle Vokale und Konsonanten bis hin zu den uns unbekannten Th-Lauten der Engländer oder denen der ShawneeIndianer Nordamerikas. Sogar die einzigartigen Klick- und Schnalzlaute der südafrikanischen Khoisan-Sprachen und der Hadza Tansanias bereiten ihnen keine Probleme. Kurz: Kinder sind in der Lage, alle in der Linguistik bekannten Phoneme spielend zu erlernen. Bereits wenige Monate alte Kinder sind darauf geeicht, aus der Geräuschkulisse, die sie umgibt, so viele Sprachinformationen wie möglich herauszufiltern und sie zu strukturieren. So können sie nach Untersuchungen des Max-Planck-Instituts aus den Wortbündeln unserer Alltagssprache, wie zum Beispiel „gehmain’nKellerBierholn“ einzelne Bestandteile heraushören, die sie verstehen. Das heißt: Sie verfügen von Natur aus über ein absolutes Sprachgehör. Diese natürliche Begabung verliert sich später und kann von Erwachsenen auch nicht mehr erworben werden. So wird es selbst einem grammatikalisch korrekt Deutsch oder Englisch sprechenden Russen kaum gelingen, sich sein gutturales rollendes R abzugewöhnen und Chinesen dürfte es unmöglich sein, dieses R zu erlernen. Das umfassende Repertoire der kleinkindlichen Verlautbarungsmöglichkeiten, die alle Babys jedem Erwachsenen voraushaben, prädestiniert sie deshalb dafür, jede Sprache phonetisch fehlerfrei zu lernen, wenn sie zum Bespiel in einer zwei- oder mehrsprachigen Familie aufwachsen.


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Illustration: Hennie Haworth


Diese Fähigkeit fällt allerdings gegen Ende des ersten Lebensjahres einer Rationalisierungsphase zum Opfer, in der sich das kindliche Gehirn unbewusst auf das Lautsystem seiner Muttersprache konzentriert. Dabei achten die Kinder genau auf die Intonation und Betonung, um Wörter auseinanderhalten zu können. Da im Deutschen meist auf der ersten Silbe betont wird, z. B. „Máma und Óma bácken Kúchen“, lernen sie schnell, nach diesem Muster zu differenzieren und würden eine Sprache, die den Akzent auf die zweite beziehungsweise letzte Wortsilbe setzt, wie das Französische, nicht beachten, wenn sie nicht täglich in ihrer Umgebung zu hören wäre. Bei dieser Differenzierung von Wörtern aufgrund ihres Tonfalls und der daraus entstehenden für ihre Sprache spezifischen Sprachmelodie scheint aber wiederum ein im Hirn vorgegebenes neuronales Empfangssystem verantwortlich zu sein. So kann man anhand der Schreimelodie von Neugeborenen feststellen, ob sie aus einem französisch- oder deutschsprachigen Umfeld stammen. Bei Ersteren verläuft die Melodie ansteigend, was der späteren Betonung auf der zweiten Silbe entspricht, bei Letzteren ist sie dagegen abfallend, was mit der Wortbetonung auf der ersten Silbe korreliert. Der Big Bang der Sprachentwicklung Bevor das Kind selbst in der Lage ist, das erste Wort zu formulieren, trainiert es seine Artikulationsorgane. Sie sind etwa nach sechs Monaten so ausgebildet, dass Kehlkopf, Stimmbänder und Zunge sich sprachlich ausdrücken können und vom universal verbreiteten Glucksen, Lallen und Silbengebrabbel zum sogenannten Baby-Jargon übergehen. Das heißt, Kleinkinder geben unverständliche Silbenreihen, wie dadohpahdu o. ä. von sich, aus denen aber bereits deutlich der Rhythmus und die Satzmelodie der Muttersprache zu erkennen ist. Nach einem bis anderthalb Jahren werden die Silben zu sinnvollen Einheiten kombiniert und viele Kinder bilden die ersten Wörter. Auf diese folgt bereits ab dem 18. Monat eine Art Wortschatzexplosion, die in der Entwicklungspsychologie auch „Vokabelspurt“ genannt wird, da die Kinder jetzt sechs bis neun Wörter täglich dazulernen. Dieser Schub ist möglicherweise auf die Erfahrung der Kinder zurückzuführen, dass das Leben einfacher wird, je mehr Dinge es benennen und je mehr Wünsche es äußern kann. Da Wörter Kontaktbrücken sind, bekommt das Kind mehr Zuwendung und mehr Aufmerksamkeit von anderen Menschen und hat dadurch auch mehr materielle Vorteile. Sprache wird also automatisch als Instrument der Existenzsicherung eingesetzt. Für diesen zielgerichteten Hintergrund des raschen Erlernens von Wörtern spricht auch das Faktum, dass überall auf der Welt zwischenmenschliche Belange rund zwei Drittel aller Gespräche ausmachen.

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Der „Big Bang“ der Wortschatzerweiterung geht einher mit der Bildung von grammatikalisch korrekten Sätzen. Gegen Ende des fünften Lebensjahres verfügen Kinder über ein Vokabular von bis zu 10.000 Wörtern und sind routinierte Erzähler, die sich auch die Grammatik ihrer Muttersprache so weit angeeignet haben, dass sie Erwachsenen, die sich diese Sprache mühsam angelernt haben, deutlich überlegen sind. Da Erwachsene nicht mehr über das Sprachgefühl von Kleinkindern verfügen, neigen sie dazu, die syntaktischen Besonderheiten ihrer eigenen Sprache auf die neu erlernte zu übertragen. So kann einem Engländer, der „I want to drive the car“ im Deutschen ausdrücken möchte, leicht folgender Schnitzer unterlaufen: „Ich möchte fahren das Auto.“ „Ein solcher Fehler passiert einem gesunden Dreijährigen, der Deutsch als Muttersprache lernt, nie“, sagt Jürgen Weissenborn, Linguist an der Berliner Humboldt-Universität. Kinder scheinen eine innere Sperre gegen Grammatikfehler zu haben, die Erwachsene bei Fremdsprachen nie wieder erlangen, auch wenn sie noch so viel pauken. Angeboren oder erlernt – das ist hier die Frage Linguisten, Neurolinguisten und Entwicklungspsychologen sind sich noch längst nicht einig, auf welche Ursachen zurückzuführen ist, dass Kinder sich ein derart komplexes System wie Sprache so selbstverständlich aneignen, als sei es ein Kinderspiel. Spielerisch ist dabei vor allem der unbewusste Ablauf dieses Prozesses, der sich deutlich vom bewussten Erlernen einer Sprache in der Schulzeit und später abhebt, da Letzteres mit erheblichen kognitiven Anstrengungen verbunden ist. Ein Forscher drückte seine Bewunderung für die kindliche Sprachrezeptionsleistung mit der kühnen Behauptung aus: Wenn Kinder wüssten, welch komplexe Aufgabe vor ihnen liegt, würden sie erst gar nicht damit anfangen. Der berühmte Anthropologe und Strukturalist Claude LéviStrauss, der sich auch mit Fragen der Sprachwissenschaft befasste, hat als einer der Ersten darauf hingewiesen, dass alle sprachlichen Verhaltensweisen auf der Ebene des unbewussten Denkens liegen. „Beim Sprechen“, schrieb LéviStrauss, „sind uns die syntaktischen und morphologischen Gesetze der Sprache nicht bewusst, ebenso wenig wie die Phoneme, die wir verwenden, um den Sinn unserer Worte zu differenzieren.“ Wenn man von dieser Charakterisierung der Sprache als einem System von unbewussten Informationsoperationen ausgeht, die uns ein „höherer Geist“ eingibt, wie der amerikanische Linguist Benjamin L. Whorf das Unbewusste 1956 nannte, kann man mit Fug und Recht sagen: Nicht wir sprechen, sondern es spricht aus uns. Das heißt, die Automatik der Sprachrezeption und Sprachproduktion, die bei Kleinkindern eine hohe Empfänglichkeit für einen universellen Spracherwerb und eine vor allem phonetisch unbegrenzte Sprachkompetenz hervorruft, setzt sich in eingeengter, auf die Muttersprache fixierter Form bei Erwachsenen fort.


Wenn man von dieser Automatik ausgeht, ist es nicht weit zu der von dem amerikanischen Linguisten Noam Chomsky vertretenen Theorie, die reflexartige Aneignung der Sprache sei auf ein spezifisches Modul im Gehirn zurückzuführen, das er „Language Acquisition Device“ nannte, zu Deutsch: Spracherwerbsmechanismus. In diesem „Sprachorgan“ sei die Universal- oder Tiefengrammatik enthalten, ein Satz von Regeln, die allen Sprachen eigen sind. Für eine universelle Tiefengrammatik spricht die Entstehung der sogenannten Pidgin-Sprachen in der Zeit des Kolonialismus. Er führte dazu, dass Menschen verschiedener Sprachen und Herkunft in europäischen und amerikanischen Besitzungen wie Jamaika, Haiti, Guayana, Hawaii etc. auf engstem Raum miteinander zusammen leben mussten. Sie entwickelten, um kommunizieren zu können, rudimentäre Mischsprachen, die einen auffälligen Mangel an grammatikalischen Regeln aufwiesen. Aus den primitiven Pidgin-Idiomen entstanden in verschiedenen Gebieten der Welt rasch neue und vollständig zureichende Sprachen, die als Kreolisch bezeichnet werden. In Hawaii vollzog sich diese Entwicklung innerhalb einer Generation. Das bedeutet: Die Kinder der Pidgin-Sprecher haben eine ganze Reihe von grammatikalischen Regeln angenommen, die ihre Eltern ihnen nicht beigebracht haben konnten. Sie mussten sie „erfunden“ haben. Das Erstaunliche daran ist, dass die Grammatik des hawaiianischen Kreolisch praktisch mit derjenigen aller anderen kreolischen Sprachen identisch ist, ganz gleich, um welche Pidgin-Kombinationen von Muttersprachen es sich ursprünglich handelte. Zu der nativistischen Theorie, dass Sprache und die Fähigkeit angeboren sei, dieses Potenzial innerhalb des kleinen Zeitfensters von fünf Jahren optimal zu nutzen, führte Chomsky die Beobachtung, dass Kleinkinder ihre Muttersprache in Windeseile lernten, während Teenager und Erwachsene sich beim Erlernen von Fremdsprachen meistens schwer tun. Die erste hohe Hürde ist die fremde Phonetik und Aussprache. Als in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts die ersten türkischen Gastarbeiter in die Bundesrepublik Deutschland kamen, bereitete ihnen die deutsche Sprache die größten Schwierigkeiten. „Köln“ konnten sie nur als „Kölün“ aussprechen, den Stadtteil Deutz nannten sie „Do-utz“ und der Wilhelmplatz wurde zum „Velhem Pilas“ – Bezeichnungen, die von den älteren Türken heute noch verwendet werden.

Die Ursachenforschung geht weiter Chomskys Theorie hat allerdings einige Schwachpunkte. Deshalb ist sie in ihrer ausschließlichen Form nicht zu halten, was ihr Verfechter inzwischen selbst eingeräumt hat. Zu berücksichtigen ist z. B., dass ein Kind im Durchschnitt fünf Jahre benötigt, um die Grammatik zu lernen und seine Fehlerquote am Anfang hoch ist. Außerdem machen Kinder, denen sich die Mütter mit einer kindgerechten melodischen Sprechweise zuwenden, rascher sprachliche Fortschritte als andere, denen die regelmäßige Zuwendung fehlt. Die von Müttern auf der ganzen Welt verwendete sogenannte „Ammensprache“ besteht aus kurzen Sätzen und ist durch einen hohen überspitzten Stimmausdruck und eine besonders deutliche Aussprache gekennzeichnet. Sie weist dadurch eine charakteristische Melodie auf, der Kinder lieber zuhören als allen anderen Sprechweisen von Erwachsenen. Da diese gesteigerte Aufmerksamkeit die Sprachaneignung stimuliert, ist davon auszugehen, dass Impulse von außen das Sprachlernverhalten beeinflussen. Diese Annahme wird durch folgenden Befund gestützt: Je häufiger sich Mütter mit ihren Kleinen beschäftigen und dabei kindgerecht sprechen und je öfter die Kinder dabei Sprachlaute imitieren, desto größer ist ihr produktiver Wortschatz im Alter von etwa 21 Monaten. Das konnte durch eine Reihe europäischer Untersuchungen nachgewiesen werden. Noch Anfang der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts war der behavioristische Ansatz, dass die Sprachentwicklung allein von Einflüssen aus der Umgebung des Kindes abhängig ist, weit verbreitet. Die Behavioristen nannten diesen Prozess „operante Konditionierung“. Dann hielt Noam Chomsky mit seiner nativistischen Hypothese, dass Kinder neuronal „vorverdrahtet“ und programmiert sind, dagegen. Heute hat sich die Linguistik von diesen monokausalen Ansätzen verabschiedet. Da bis jetzt keine übergeordnete Theorie für den komplexen Ablauf der Sprachaneignung und Sprachentwicklung formuliert werden konnte, geht man davon aus, dass beide Positionen zu berücksichtigen sind und beim Spracherwerb Interaktionen zwischen inneren, angeborenen Fähigkeiten und äußeren, aus der Umwelt auf das Kind wirkenden Anregungen eine Rolle spielen. Wie groß der Anteil ist, den die beiden Faktoren an diesem Prozess haben, wird noch lange für Diskussionsstoff unter den Wissenschaftlern sorgen. Viele Fragen sind noch offen. Wenn allerdings Noam Chomsky, wie kürzlich bei der Verleihung der EhrenProfessur der Universität Köln sagte, nicht einmal die Frage, ob Sprache wirklich existiert, sei geklärt, möchte er wohl nichts anderes erreichen, als dass sich die Forschung noch intensiver um die Entschlüsselung des Mysteriums unserer Sprache bemüht. Anno Bachem

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WISSEN

Wunderwerk Ohr: Weit mehr als Hören Erinnern Sie sich noch, wie es war, als Sie das erste Mal eine Muschel ans Ohr gehalten haben? Der Hörsinn verrät uns viel über unsere Umwelt, selbst wenn wir fälschlicherweise glauben, das Meeresrauschen sei in der Muschel gefangen. Die fünf Hauptsinne des Menschen sind Sehen, Riechen, Fühlen, Schmecken und Hören. Mit den Ohren können wir jedoch nicht nur unsere Umwelt entdecken, sondern der Hörsinn ist auch wesentlich an unserer Sprach- und Kommunikationsentwicklung beteiligt. Aus diesem Grund gilt der Hörsinn oftmals als der wichtigste Sinn des Menschen. Der Hörvorgang gliedert sich in zwei Prozesse: • Mechanisch • Neurologisch Das menschliche Hören setzt sich aus mechanischen Vorgängen im Ohr und neurologischen Vorgängen im Gehirn zusammen. Die mechanischen Aspekte des Hörvorgangs sind gut erforscht, wie das Gehirn die Laute jedoch interpretiert, darüber sind sich die Wissenschaftler noch nicht einig. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob jeder Mensch Geräusche auf dieselbe Weise interpretiert. Es wird vielfach angenommen, dass ein Hörerlebnis nicht wiederholt werden kann bzw. dass zwei Menschen nicht genau dasselbe hören. Wie kommt es jedoch, dass die meisten Menschen das kratzende Geräusch eines Fingernagels auf einer Tafel als unangenehm empfinden? Diesem Phänomen wird in der Psychoakustik nachgegangen. Unter Psychoakustik verstehen wir die wissenschaftliche Erforschung der Lautwahrnehmung, insbesondere die durch Laute hervorgerufenen psychologischen und physiologischen Reaktionen, wie zum Beispiel Sprache und Musik. Wie also beeinflussen Laute das menschliche Nervensystem?

Illustration: Stefan Kugel

Unsere Ohren schlafen nie Unsere Ohren sind eines der fleißigsten Organe in unserem Körper – sie kommen nie zur Ruhe. Selbst im Schlaf hören wir passiv, was um uns herum geschieht, denn der entsprechende Teil des Gehirns ist immer noch aktiv. Er interpretiert die Laute aus der Umgebung und entscheidet, ob der Mensch aus bestimmten Gründen aufwachen muss. Es wird angenommen, dass der Stirnlappen des Gehirns in Sachen Wachsamkeit eine zentrale Rolle spielt, so werden hier zum Beispiel neue Laute herausgefiltert und die entsprechenden Reaktionen des Körpers veranlasst. Dieser Mechanismus lässt Mütter trotz des Lärms vorbeifahrender Autos weiter schlafen, weckt sie jedoch sofort auf, wenn ihr Baby schreit. Dank der Fähigkeit des passiven Hörens können wir selbst im Schlaf unser Erinnerungsvermögen schulen. Laut einer in der Zeitschrift Science veröffentlichten Studie besteht tatsächlich die Möglichkeit, bestimmte Erinnerungen im Schlaf zu stärken. Forscher fanden heraus, dass Testpersonen sich besser an Informationen, die an bestimmte

Laute gekoppelt waren, erinnern konnten, wenn sie diese Laute zuvor während einer kurzen Schlafphase gehört hatten. Interessanterweise zeigte die Studie auch, dass dieselben akustischen Signale im Wachzustand nicht die gleiche positive Wirkung auf das Gedächtnis haben wie im Schlaf. Die Ergebnisse legen nahe, dass das Gehirn während der Nacht hochaktiv ist und die Informationen verarbeitet, die es tagsüber gespeichert hat. Die Musik des Hörens Ob musikalische Fähigkeiten angeboren oder anerzogen sind, ist ein viel diskutiertes Thema. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass wir in der Tat mit einem natürlichen Gefühl für Rhythmus und Takt zur Welt kommen. Wissenschaftler spielten schlafenden Babys Musik vor und zeichneten ihre Gehirnaktivität auf. Dabei entdeckten sie, dass Neugeborene einen speziellen Sinn für Tonlagen haben, der nicht – wie bislang angenommen – erlernt sein kann. Dass die Musik eine positive Wirkung auf unsere Gesundheit hat, ist allgemein bekannt und sowohl durch persönliche Erfahrungsberichte wie auch durch wissenschaftliche Studien belegt. Das Hören von Musik beeinflusst demnach die Arbeitsweise des Gehirns. So wurde zum Beispiel gezeigt, dass Musik mit einem starken Beat das Gehirn stimuliert, was eine Veränderung der Gehirnwellen zur Folge hat. Schnelle rhythmische Musik hingegen kann die Konzentration steigern und die Aufmerksamkeit erhöhen. Langsame Musik hat eine beruhigende Wirkung. 1991 beschrieb der französische Forscher Dr. Alfred Tomatis diese physio-logische Reaktion auf Musik als den „MozartEffekt“. Er behauptete, er könne das menschliche Ohr mit der Musik Mozarts, die außergewöhnlich viele Obertöne aufweist, „umschulen“. Die Musik könne die Hörbahn derart stimulieren, dass die Heilung und Entwicklung des Gehirns gefördert werde. Seitdem werden Mozarts Werke zur Förderung der Intelligenz verstärkt eingesetzt. Obwohl es noch zu beweisen gilt, dass Mozart den menschlichen IQ tatsächlich verbessern kann, liegt der positive Nutzen von Musik dennoch auf der Hand: Sie fördert die Wiedererlangung kognitiver Fähigkeiten nach einem Schlaganfall, baut Stress ab, erhöht die Arbeitsleistung und ist ein natürlicher Stimmungsaufheller. Hören in unserer modernen Welt Häufig wird die Ansicht vertreten, Hörverlust sei hauptsächlich eine Folge zunehmenden Alters. Dies ist jedoch falsch. Vielmehr gehen Gehörspezialisten heute davon aus, dass übermäßige Lärmbelastung für die Hörminderung verantwortlich ist. Schon eine 1965 veröffentlichte Studie zeigt, dass ein hoher Schallpegel nicht nur Gehörverlust hervorrufen, sondern auch zu erhöhtem Blutdruck führen kann. Die Studie wurde in Afrika mit einem Stamm namens Maaban durchgeführt. Maaban ist ein extrem abgelegener Ort in Ghana. Das Leben dort ist so ruhig, dass man ein HEAR THE WORLD 29


Flüstern am anderen Ende eines Baseballfeldes hören kann. Die Menschen vom Stamme der Maaban hatten allesamt ein besseres Gehör als Menschen gleichen Alters, die in urbanen Regionen der USA wohnten. Die Studie zeigte als eine der ersten, dass ein hoher Schallpegel – und nicht das Älterwerden – die Hauptursache für Hörverlust ist. In der Tat haben unsere Ohren eine eingebaute Schutzfunktion gegen extremen Lärm. Trotzdem kann eine nahegelegene Explosion oder dauerhafte Lärmbelastung irreparable Schäden an den für das Hörvermögen verantwortlichen Sinnes- und Nervenzellen hervorrufen. Wenn jedoch ein Geräusch allmählich immer lauter wird, so können schnell reagierende Muskeln gewissermaßen „den Ton leiser drehen“, indem sie die Übermittlung der Schallwellen durch das innere Ohr reduzieren. Seit Beginn des Industriezeitalters ist unsere Welt immer lauter geworden. Heutzutage beschreibt der Begriff „Lärmbelästigung“ die übermäßige Belastung durch Geräusche aus unserer Umwelt, wie zum Beispiel Bauwesen und Verkehr, mit anderen Worten: Autos, Flugzeuge und Züge. Obwohl das Gehirn äußerst geschickt darin ist, ungewollte Hintergrundgeräusche herauszufiltern und sich entsprechend anzupassen, kann ein übermäßiges und lang anhaltendes Lärmvolumen die Bearbeitung komplexer Aufgaben beeinträchtigen, unser Sozialverhalten beeinflussen und Verärgerung hervorrufen. Es wird allgemein angenommen, dass Lärm als „störend“ empfunden wird, da er unsere Aktivitäten und Kommunikation erschwert. Während beruhigende Musik den Körper bekanntermaßen entspannt, kann Lärmbelastung negative physiologische Folgen haben, wie zum Beispiel einen erhöhten Puls und Blutdruck. Untersuchungen am Arbeitsplatz haben ergeben, dass Menschen, die permanent einer Lautstärke von mindestens 85 dB(A) ausgesetzt sind, einen höheren Blutdruck haben als solche, die keine Lärmquelle um sich haben. Das Wechselspiel zwischen Lärmwahrnehmung und Lärmstörung ist äußerst vielschichtig und weitere Untersuchungen über die Anpassung des Menschen an dauerhafte Lärmbelästigung sind erforderlich, um ein besseres Verständnis zu erlangen. Hören in Kriegszeiten Im Ersten Weltkrieg hielten die Franzosen Papageien auf dem Pariser Eiffelturm, die ein phänomenales Gehör haben. Die Papageien warnten vor herannahenden Flugzeugen, lange bevor das menschliche Ohr diese wahrnehmen konnte. Obwohl unser Hörsinn verglichen mit dem vieler Tiere nicht so ausgeprägt ist, so spielt er dennoch eine wichtige Rolle bei der Orientierung und Verteidigung. Während des Kalten Krieges erforschten die USA ein Phänomen namens Microwave Auditory Effect oder FreyEffekt. Die erste Publikation zu diesem Thema stammt von dem amerikanischen Neurowissenschaftler Allen Frey, der 1961 die Forschungsergebnisse seines Experiments über gepulste Mikrowellenstrahlen (Hochfrequenzstrahlen) ver30 HEAR THE WORLD

öffentlichte. Er fand heraus, dass dieser Reiz einen Laut generiert, der ohne Zuhilfenahme elektronischer Empfangsgeräte direkt im Inneren des menschlichen Schädels wahrgenommen wird. Die Testpersonen konnten den Lautreiz aus einer Entfernung von bis zu 100 Metern hören, für andere Menschen im näheren Umfeld waren die Töne jedoch nicht hörbar. Die NASA führte weitere Studien durch, um zu testen, ob sich dieser Effekt auch zur drahtlosen Sprachübertragung eignet. Angeblich sollen beide Seiten des Kalten Krieges den Frey-Effekt auch als nonletale Waffe getestet haben, da die Mikrowellenstrahlen Schwindel und Kopfschmerzen verursachten. Verschiedene Aspekte des Hörens Warum also erschaudern die meisten von uns, wenn sie das Geräusch eines kratzenden Fingernagels auf einer Tafel hören? Eine Erklärung ist, dass dieser Laut dem Warnruf eines Affen ähnelt. 1986 manipulierte Randol Blake Tonbandaufnahmen, indem er einige Tonlagen löschte. Dabei fand er heraus, dass die mittleren Tonlagen und nicht, wie zuvor angenommen, die hohen Tonlagen als störend empfunden wurden. So stellte er die Vermutung auf, dass die mittleren Tonlagen dem Warnruf eines Affen in Gefahr ähnelten. Die Evolution unseres Überlebensinstinkts legt nahe, dass wir noch immer reflexartig auf einen Laut reagieren, der uns in früheren Zeiten vor drohenden Gefahrensituationen gewarnt hätte. Die Psychoakustik findet in vielen Bereichen Anwendung, so zum Beispiel in der Softwareentwicklung, in der Konzeption von Audiogeräten und in der Musikindustrie, um stets neue Hörerlebnisse zu bieten, und selbst in der Rüstungsindustrie. Wie Laute im Gehirn verarbeitet werden und wie wir Menschen aktiv die Geräusche in unserer Umgebung hören, darüber gibt es jedoch noch viel zu entdecken. Shin-Shin Hobi


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DER KLANG DER DINGE

Clink and Drink! Ein Toast auf Gift und Champagner, Teufel und Gläserklang Lasst uns die Gläser heben und anstoßen! Lasst die Gläser klingen – auch wenn wir eigentlich nicht so recht wissen, woher die Tradition des Gläsergeklingels eigentlich kommt. Natürlich, jede Sektwerbung zeigt, wie mit Gläsern angestoßen wird und jeder Werbefilm für Moussierendes ist, neben dem Korkenknallen, immer auch mit hellem Glasgeklingel unterlegt, das die Geräuschkulisse für „prickelnde Momente“ und „perlende Lebensfreude“ bildet. Sekt, Champagner, alles Alkoholische, das sprudelt, verknüpfen wir gedanklich sofort mit dem eleganten, hohen Ton. Wir imitieren den Klang zusammenstoßender Gläser, wenn wir „Tchin-tchin“ sagen wie in Frankreich, „Cin Cin“ wie in Italien oder „Tim-Tim“ wie in Brasilien. Und selbst die Farbe Gelb und Worte wie „Pérignon“ oder „Clicquot“ passen vermutlich für Synästhetiker besonders gut zum hellen Klang anstoßender Gläser. Wir beurteilen die Qualität von Gläsern – mundgeblasenes Kristall muss es sein – immer auch nach ihrem möglichst glasklaren Klang. Dabei ist es gar nicht immer angebracht, die Gläser tatsächlich klingen zu lassen. Ob es sich ziemt, mit den Gläsern anzustoßen, ist eine kulturell detailliert ausdifferenzierte Angelegenheit und die Trink-Etikette erfordert genaues Wissen über die Kultur, das Land und die Situation, in der man sich gerade befindet: Beim Toast auf die Queen etwa gilt es als unschicklich, die Gläser tatsächlich zusammenzustoßen, fast so wie man sich bei der Begrüßung in feineren Kreisen nicht mehr wirklich küsst, sondern nur noch Luftküsse neben die Wangen haucht. Wenn man aber schon mit den Gläsern anstößt, gilt es, einander dabei in die Augen zu schauen, um sieben Jahre schlechten Sex zu vermeiden. Die Erklärungsversuche jedoch, woher es eigentlich kommt, dass wir vor dem gemeinsamen Trinken mit unseren Gläsern anstoßen, sind zahlreich, gehen weit in eine Historie zurück, die keiner mehr überprüfen kann, und haben irgendwie alle mit Gift, Tod und Teufel zu tun. Das Anstoßen mit den Gläsern rühre daher, dass man in früheren Zeiten häufig damit rechnen musste, mit einem vergifteten Getränk umgebracht zu werden. Deshalb habe man vor dem Trinken die Trinkgefäße so heftig aneinandergestoßen, dass aus jedem ein wenig des eigenen Getränks in den Becher des anderen schwappte, um dafür zu sorgen, dass im Falle eines Meuchelversuchs alle ihre Giftration abbekommen. Eine andere Erklärung besagt, dass erst der Verzicht auf den gegenseitigen Giftaustausch die Tradition begründet habe: Mit dem Anstoßen des Glases habe man sich gegenseitig sein Vertrauen bekundet, dass man sicher sei, dass der andere einen nicht vergiften wolle.

Die Sitte, den ersten Schluck des Herrschers mit lautem Getöse zu begleiten, sei schuld an der Tradition, so eine andere These: Weil der Mundschenk des Herrschers erst langwierig testen musste, ob das Getränk vergiftet oder bekömmlich war, galt es vor dem kollektiven Trinken eine längere Wartezeit zu überbrücken. Waren dann alle Giftverdachte ausgeräumt und der Herrscher froh, endlich mit dem Trinken beginnen zu dürfen, sei das gebührend mit Trompeten und Fanfaren eingeleitet worden. Von dieser musikalischen Trinkbegleitung sei dann in weniger feudalen Momenten nur noch das Klingen der Gläser übriggeblieben, das dafür sorgt, dass beim Trinken alle Sinne angesprochen werden. Das Anstoßen der Gläser könnte aber auch daher rühren, dass die Menschen einst befürchteten, mit dem Trinken alkoholischer Getränke führe der Teufel in ihren Körper. Woher schließlich sollte sonst das Unwohlsein am nächsten Tag kommen? Und weil man den Leibhaftigen ja auch zu Karneval, Neujahr und an Festtagen mit Lärm und Glockenklang vertreibt, habe man auch mit den klingenden Gläsern versucht, genügend Lärm zu machen, um ihn davonzujagen. Das jedenfalls würde erklären, warum es fast überall Tradition ist, ausschließlich mit alkoholischen Getränken anzustoßen. Dann wiederum gibt es die These, dass das Gläser-Anstoßen daher rühre, dass man lange vor unserer Zeit beim Aussprechen guter Wünsche in einer Gruppe aus einem gemeinsamen Gefäß getrunken und so seine Verbundenheit und seine Zustimmung zum Gesagten demonstriert habe. Weil man dann doch irgendwann lieber seinen eigenen Becher oder sein eigenes Glas haben wollte, habe das Anstoßen mit den einzelnen Trinkgefäßen demonstriert, dass man symbolisch noch immer wie aus einem gemeinsamen Gefäß trinke. Das Anstoßen der Gläser demonstriert also Verbundenheit mit der Gruppe und führt gleichzeitig den auf mehrere Gläser verteilten Wein wieder symbolisch zusammen. Es lässt einen Zusammenklang entstehen, der uns in einem einzigen, kurzen hellen Ton mit anderen Menschen verbindet, der unsere Übereinstimmung ausdrückt, der uns vom Individuum zum Gemeinschaftswesen macht. Und darauf sollten wir doch wirklich anstoßen! Lasst die Gläser klingen, weil… – ist ja auch völlig egal, warum – Kling! Markus Frenzl

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ARCHITEKTUR

Kein wenig kleinkariert – die Freiluftbibliothek in Magdeburg Bibliotheken sind Orte der Bildung. Und sie sind Orte der Stille. Kulturorte vielleicht, die – ähnlich wie Museen – zu den wichtigsten Bauaufgaben der Gegenwart gehören. Eine kleine neue Bibliothek in der Landeshauptstadt Magdeburg ist all das, aber noch ein wenig mehr: Geführt von einem Bürgerverein und gefördert vom Bund, versteht sie sich als „Ort der Begegnung für Jung und Alt“. Und scheint diesen Anspruch auch einzulösen. Ohne allzu große Stille, vielleicht. HEAR THE WORLD hat sich den mehrfach preisgekrönten Bau einmal genauer angesehen. Wie in vielen Städten im Osten Deutschlands leidet auch der ehemalige Industriestandort Magdeburg unter dem Exodus der Jungen und gut Ausgebildeten, die andernorts auf Arbeit und ein besseres Leben hoffen. Der Mangel an Arbeit führt zum Wegzug und dieser zu Leerstand und Verfall. Während die Gemeinden schrumpfen, werden sie zumeist auch urban ärmer. Vor dem Hintergrund des baulichen Zerfalls und einer hohen Arbeitslosenquote im Stadtteil Salbke begann man bereits 2005 mit einem Stadtplanungsexperiment unter dem Titel „City on Trial“. In einem leer stehenden Ladenlokal fing man an, Bücherspenden zu sammeln und eine Freiluftbibliothek für die in den Achtzigerjahren abgebrannte Bezirksbibliothek zu planen. Rund 20.000 Druckwerke kamen zusammen und auf dem Grundstück im Zentrum des ehemaligen Fischerdorfes wurde aus Bierkästen eine temporäre Eins-zu-einsSimulation der geplanten Bücherei aufgebaut.

Fotos: © Anja Schlamann/ARTUR IMAGES

Mehr als 30.000 Bücher umfasst der Bestand der Bürgerbibliothek inzwischen, die in der 2009 eingeweihten Anlage einer Open-Air-Leihbücherei des Architekturbüros Karo eine Heimstatt gefunden haben. Und Entleihen ist hier ganz einfach: ohne jede Bürokratie nimmt man sich einfach, was man lesen will und wenn man mit dem Buch durch ist, stellt man es wieder zurück. Die Regale sind nicht verschlossen, die Bücher können rund um die Uhr entnommen werden. Dank der breiten Bürgerbeteiligung funktioniert dies sogar.

Die „Bibliothek des Vertrauens“ im fast zu 80 Prozent leer stehenden Kern Salbkes erfüllt dabei eine wichtige kulturelle Aufgabe, in dem sie eine neue Mitte schafft, deren Funktion der Allgemeinheit dient. Die Bibliothek tritt als architektonisch gestaltete Grünfläche mit Regalen und einer Cafeteria auf. Dabei schufen die Architekten nicht nur Aufenthaltsmöglichkeiten mit einer 30 Meter langen Bank und sogenannten Lese-Inseln, Aluminium-Vitrinen für die Folianten und einer Bühne, sondern auch eine zeitgenössische architektonische Form. Die Fassaden der einzelnen Gebäudeteile erinnern nicht nur an westliche Kaufhausfassaden der Sechzigerjahre, sie sind es auch: Die Aluminiumelemente, die ebenso gut auch eine stilistische Beziehung zu DDR-Bauten verkörpern könnten, stammen in der Tat von einem ehemaligen Horten-Warenhaus in Hamm in Westfalen. Entworfen hatte die bekannten Fassadenelemente Egon Eiermann, der sie aber nur bei einigen wenigen Kaufhäusern selbst verwirklichte. Die Architekten von Karo fanden damit nicht nur ein formales Element, das sich im Zuge einer Retro-Moderne auch in einen größeren architekturgeschichtlichen Kontext fügt, sondern leisteten auch einen Beitrag zur aktuellen Sustainability-Diskussion, in der als Fortführung postmoderner Zitiertechniken dem Recycling von Gebäuden eine neue Rolle zugeordnet wird. Und bekamen dafür auch noch eine seltene Sondergenehmigung. Das, was zunächst einmal nach einem kleinen hübschen Bauprojekt irgendwo im Osten klingt, hat inzwischen auch international Aufmerksamkeit erregt. Im Wettstreit um den hoch angesehenen „Brit Insurance Design Award“ konnten sich die Architekten aus Leipzig locker gegen Global Player der Architekturszene wie Herzog & de Meuron oder Skidmore Owings und Merrill durchsetzen. Schon seit 2006 wird das Projekt der Architekten Antje Heuer, Stefan Rettich und Bert Hafermalz im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundes finanziell unterstützt. Entstanden ist mit dem „Lesezeichen Salbke“ ein aktiv nutzbarer urbaner Ort, der einen ruhigen Rückzugsort für den Stadtteil bietet – so wie viele andere Bibliotheken heute ebenfalls dazu dienen. Dabei ist es eher ein Stadtmöbel denn ein Gebäude. Ein Betonsockel umschließt die Gesamtanlage unter freiem Himmel, die Fassadenteile schotten das Gelände gegen den Straßenlärm ab und geben dem Bau Gestalt, grüne Glaselemente und Holzverkleidungen verbinden geschickt Alt und Neu. Die Bürgerbeteiligung zeigt sich hier auch an den Auftrag-Graffitis, die das „Lesezeichen“ schmücken. Und an den vielen Lesern jedes Alters, die nun jeden Tag den kleinen Ortskern bevölkern. Marcel Krenz

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KUNST

Das Loch im Dach – James Turrells Versammlungshaus der Quäker in Houston Der amerikanische Künstler und überzeugte Quäker James Turrell, der vor allem durch seine noch nicht vollendeten Land-Art-Arbeiten im Roden Crater in Arizona und seine schlichten, aber rätselhaften Lichtkammern bekannt geworden ist, hat 2001 das Live Oak Meeting House in Houston, Texas entworfen. Das Haus ist mit seiner Öffnung im Dach, die dem Licht eine unmittelbare religiöse Konnotation verleiht und den Himmel selbst zum künstlerischen Geschehen werden lässt, ein regelrechtes Gesamtkunstwerk. Nach umfassenden Umbauarbeiten und einer Neugestaltung der beweglichen Dachkomponenten des Baus ist das Versammlungshaus nun wieder vor Sonnenuntergang eine Stunde für die Öffentlichkeit zugänglich. HEAR THE WORLD hat sich noch einmal diese spirituelle Interpretation des Himmels über Houston angeschaut. Sehr langsam öffnen sich die mechanischen Dachelemente und geben den Blick auf den azurblauen Abendhimmel von Houston frei. James Turrells „Skyspace“ im Live Oak Versammlungshaus einer Quäker-Gemeinde feiert an diesem wolkenfreien Tag ein Naturphänomen und bietet zugleich auch für die weniger der Spiritualität zugeneigten Besucher ein einzigartiges Kunsterlebnis. Im Houston Chronicle liest man folgende Beschreibung: „Während die Sonne untergeht, wechselt das Licht in weichen Übergängen von porzellanhafter Transparenz zu schimmerndem Kobaltblau und schließlich Samtschwarz. Die Blicke richten sich nach innen und es breitet sich Schweigen aus. Skyspace verwandelt den kargen weißen Versammlungsraum in einen lichtdurchfluteten Raum, eine Metapher für Körper und Seele.“ Der berühmte Lichtkünstler verbindet in seinen Skyspaces Kunst und Wissenschaft, wenn wie in Houston eine klar umrissene Öffnung im Dach den Blick in den sich ewig verändernden Himmel freigibt. Es fällt schwer, sich vom unablässigen Wandel des Lichts zu lösen, bevor es völlig dunkel ist. Es ist ein Kunstwerk, das ohne jeglichen erklärenden Kommentar einen tiefen Eindruck hinterlässt, das leicht zu verstehen ist und das sich dem Besucher unmittelbar eröffnet. Turrells Arbeit ist aber auch eine Übung der meditativen Stille in einem Raum voll von Menschen, die auf ein Loch im Dach schauen.

In einem Interview sagte der Künstler: „Ich habe die Skyspace-Reihe begonnen (…), um eine Situation zu schaffen, in der der Himmel auf die Erde heruntergeholt und ein unmittelbarer Kontakt hergestellt wird. Schon lange gibt es Kunst, die dem Thema Licht gewidmet ist; ich möchte Licht auch als Material an sich einsetzen. Es geht mir darum, wie man Nähe zu diesen Dingen kreiert, sodass sie Teil deines Bereichs hier auf der Erde werden, das ist ein sehr wichtiger Aspekt für mich.“ Diese Installation beschäftigt sich wie viele von Turrells Arbeiten mit der Wahrnehmung von Licht, das von stillen Kunstliebhabern und Menschen, die in ihr Gebet vertieft auf einfachen Bänken sitzen, gleichermaßen erlebt werden kann. Turrell hat mit Projektionen, Lichtkanälen und Installationen mit raffinierten „Lichttäuschungen“ gearbeitet und dabei unsere Tiefenwahrnehmung in Frage gestellt oder die Illusion dreidimensionaler Objekte geschaffen, obwohl diese tatsächlich gar nicht vorhanden sind, aber diese spezielle Himmels-Arbeit ist an Einfachheit nicht zu überbieten, denn Licht ist ihr einziges Material. Nur von verborgenen blauen Neonröhren unterstützt, wird man sonst nie einen Himmel zu sehen bekommen, der so großartig ist wie dieser durch das Deckenfenster gerahmte Ausschnitt – eine Illusion, die man eigentlich nicht als solche bezeichnen kann. „Ein Licht, das den Raum erfüllt, sodass man seine physische Gegenwart geradezu spüren kann.“ Turrell konzipiert diese Oberlichter als kameraähnlichen Raum in der bewährten Tradition westlicher Malerei: „Licht auf einer Kathedrale wie Monets Malerei der impressionistischen Periode. Man nimmt ein Objekt, das eigentlich keine tiefere Bedeutung hat, zum Beispiel einen Heuhaufen“, sagt er, „oder Rothko, hier scheint das Licht aus der Oberfläche, aus der Farbe zu kommen, es scheint eine Lichtquelle zu sein.“ Und während Turrells Arbeiten weltweit in Privatsammlungen und in Museen als permanente Installationen vertreten sind, ist es hier vielleicht diese einfache Konstruktion, dieses Erlebnis von Transzendenz, das dieses Oberlicht zu einem Gemälde macht, das lebendig ist und sich innerhalb einer natürlichen Ordnung verändert. Absolut sehenswert!

Fotos: Florian Holzherr

Marcel Krenz

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Fotos: Antonia Henschel


REISEN

Kulturprogramm alla turca Ganz oben auf dem Dach, in der Turmspitze des Perili Köşk, befindet sich ein wenige Quadratmeter kleiner Pavillon. Er ist im Inneren vollständig mit schmalen Querstreifen in dunklen Rot- und Erdtönen gestrichen und beherbergt eine Kaffeemaschine, einen Aschenbecher und ein paar Sessel. Ein kleines Refugium, in dem mit Blick auf den Bosporus nachgedacht werden kann. Vielleicht ist das der Ort, an dem Ideen entstehen wie die, das geschichtsträchtige Haus, das als Bürogebäude dient und voller Kunstwerke steckt, an den Wochenenden für das Publikum zu öffnen und zu einem Museum zu machen. Die Idee, mitten in der wuseligsten Einkaufsstraße Istanbuls in einem umgebauten Stadthaus ein Museum für zeitgenössische Kunst zu eröffnen. Oder die Idee, der Türkei ein veritables Sinfonieorchester zu schenken.

Kultur scheint für den Konzern also eine Herzensangelegenheit zu sein, die nicht nur nach außen, sondern auch ins Innere des Unternehmens zielt und die Mitarbeiter einbezieht. Wer dagegen gewohnt ist, dass Kulturförderung immer auch klar erkennbare inhaltliche und unternehmensbezogene Ziele verfolgt, dem muss diese Vielfalt an Förderbereichen und Aktivitäten zu breit gestreut, zu wenig fokussiert erscheinen. Vielleicht ein bisschen zu sehr vom Wunsch getrieben, dem eigenen Land einen Rundumschlag an Kultur zu verordnen und sich selbst möglichst alles zu gönnen, was nach Anspruch klingt. Doch bei jährlich etwa 10 Millionen Dollar, die von Borusan für die Kulturförderung ausgegeben werden, kann man sich wohl ein klein wenig mangelnde Stringenz und auch ein bisschen Übertreibung erlauben.

Es sind die Ideen Ahmet Kocabıyıks, der mit der Borusan Holding einen der größten Mischkonzerne der Türkei leitet und mit der konzerneigenen Kulturstiftung „Borusan Kültür Sanat“ der vermutlich größte private Kulturförderer der Türkei ist. Zu den damit finanzierten Projekten zählt das „Art Center/Istanbul“, das im Stadtviertel Beyo lu vielversprechenden zeitgenössischen Künstlern Atelierräume bietet. Dazu gehört das „Borusan Music House“, das 2010 in einem historischen Gebäude auf der rund um die Uhr belebten Einkaufsstraße Istiklal eröffnet wurde, Platz für Konzerte und Performances junger Künstler bietet und mehrere Etagen für Kunstausstellungen bereithält. Dazu zählen auch Stipendien für Musiker und Künstler, der Unterhalt der „Borusan Music Library“, die Unterstützung der Ausgrabungen bei Ephesos, die Förderung von Buchprojekten, die Finanzierung eines Kinderchors, eines Kammerquartetts, eines Kammerorchesters und eben auch die eines ganzen Sinfonieorchesters.

„Mein Vater wollte seinem Land etwas zurückgeben“, so Zeynep Hamedi, die Tochter des Konzerngründers, die Vorstandsvorsitzende der Kulturstiftung ist. „Er kam aus einem kleinen türkischen Dorf, das er später unterstützte, und hat vor allem die Erziehung gefördert. Die zweite Generation in unserem Unternehmen hat sich dann auf die Kultur konzentriert.“ Das wohl bekannteste und aufsehenerregendste Ergebnis dieser Konzentration auf die Kultur ist das „Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra“, kurz BIPO. Bereits 1993 wurde sein Vorläufer als Kammerorchester mit dem Ziel gegründet, den Menschen in der Türkei klassische Musik näher zu bringen, die von staatlicher Seite kaum gefördert wird. Als Gürer Aykal 1997 die Leitung des Orchesters übernahm, machte er zur Bedingung, ein Philharmonieorchester daraus zu formen; im Mai 1999 gab das BIPO sein erstes Konzert. 2006 entschlossen sich die Förderer von Borusan, einen Schritt weiter zu gehen und das Orchester über das eigene Land hinaus bekannt und langfristig zu einer internationalen Größe zu machen, die es mit den besten Philharmonieorchestern der Welt aufnehmen soll. Als neuer Chefdirigent und künstlerischer Leiter wurde der Wiener Sascha Goetzel berufen, der seit 2008 regelmäßig nach Istanbul eingeflogen wird, um das Orchester zu formen, ihm einen charakteristischen Klang zu geben und pro Monat fünf bis sechs Konzerte zu leiten.

Welche Rolle die Kultur für den Konzern spielt, zeigt auch der Gedanke, die Konzernzentrale selbst für kunstinteressierte Besucher zu öffnen: Das Perili Köşk, ein historisches Backsteingebäude von 1911, das nach einer wechselvollen Geschichte seit 2007 vom Konzern als Hauptsitz genutzt wird, birgt in seinen Büros und Besprechungsräumen zahlreiche Werke aus der Kunstsammlung des Unternehmens und speziell für den Ort angefertigte Installationen. Weil es schon bald als erstes „Office-Museum“ der Welt übers Wochenende für Besucher geöffnet werden soll, werden die Mitarbeiter zukünftig jeden Freitag ihre Schreibtische besonders ordentlich aufräumen müssen.

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Goetzel, der trotz seines jungen Alters von 40 über alle Attribute verfügt, die man dem Klischee nach von einem „Star-Dirigenten“ erwartet, schwärmt von der besonderen Energie und Begeisterungsfähigkeit seiner Orchestermitglieder. Noch wäre es zu früh, so Goetzel, von einem eigenständigen Klang des Orchesters zu sprechen, das vor allem aus Musikern besteht, die zwischen 35 und 40 Jahren alt sind, die aus der Türkei kommen und an Meisterklassen im Ausland teilgenommen haben. Doch schon in ein paar Jahren werde sich das BIPO zu einem gemeinsamen Klangkörper mit einer eigenen Sprache, einem eigenen Dialekt entwickelt haben. Bei diesem gemeinsamen Dialekt gelte es vor allem, die Musikkultur und Tradition der Türkei einfließen zu lassen, die zwar nur über eine kurze klassische Orchesterkultur, dafür aber über ein besonderes Gefühl für Rhythmen und auch für das Pianissimo verfüge. „Dieses Orchester kombiniert besondere Leidenschaft mit besonderer Sensibilität“, so Goetzel, „der Klang dieses Orchesters ist ein Klang der Extreme, keiner des Mittelmaßes.“ In einem Land, in dem es Fernsehsender gibt, die 24 Stunden am Tag traditionelle Musik spielen und damit noch immer viele Menschen erreichen, ist laut Goetzel das Heranführen an klassische europäische Musik noch immer eine besondere Herausforderung. Und so unterscheidet sich auch das Programm der monatlichen Konzerte, die das BIPO im europäischen Teil Istanbuls gibt, deutlich von denen, die im asiatischen Teil der Stadt gegeben werden. Dort ist die Halle kleiner, das Publikum älter und traditioneller eingestellt. Und so hat Goetzel auch die Aufgabe angenommen, Brücken zwischen den Welten zu bauen und auf der einen Seite ein Orchester nach westlichem Vorbild zu etablieren, andererseits aber eine eigenständig türkische Ausprägung dafür zu finden. Schon ist eine Tour durch die Türkei geplant und schon hat er damit begonnen, zeitgenössische türkische Komponisten zu neuen Stücken zu ermutigen und ihre Kompositionen ins Repertoire aufzunehmen.

Auf dem im Januar 2010 beim Label Onyx veröffentlichten Debütalbum des Orchesters machen Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Ottorino Respighi, Florent Schmitt und Paul Hindemith die zahlreichen Bezüge zwischen West und Ost hörbar. Sie ließen dabei bereits deutlich einen Orchesterklang erkennen, der sich durch besondere Energie auszeichnet und seine Stärken vor allem bei komplexen Rhythmen und orientalisch inspirierten Melodiebögen voll ausspielt. Vor Kurzem nun spielte das Orchester sein zweites Album ein, auf dem Werke von Ravel, Holst, Prokofjew und Bartók, aber auch des Tschechen Erwin Schulhoff und des Türken Ulvi Cemal Erkin zu hören sein werden. Wie schon die erste CD wurde auch die jüngste Aufnahme in einem Raum oberhalb der BMW-Niederlassung von Borusan eingespielt. Denn bei aller Unterstützung durch den Großkonzern verfügt das junge Sinfonieorchester noch nicht über ein eigenes Konzertgebäude oder eigene Proberäume. Plötzlich wird es in der Wahrnehmung dann wieder zu einem Orchester, das in all seinen Bemühungen um Hochkultur immer noch charmant improvisiert und ohne den Dünkel des Etablierten daherkommt. Und das trotz seines gelungenen Starts noch immer nach seiner charakteristischen Ausrichtung sucht. Die Frage, ob es um einen eigenständigen künstlerischen Weg geht oder um eine Nachahmung westlicher Vorbilder, ist dann auch die heikelste, die man den Förderern von Borusan stellen kann: Nein, natürlich gehe es nicht um Imitation, so die Antwort, die man erhält, um gleich im nächsten Satz schon wieder zu erfahren, dass man hofft, in ein paar Jahren zu den westlichen Sinfonieorchestern aufschließen zu können. So schwingt immer ein wenig die Angst mit, als türkisches Orchester vom Westen nicht ernst genommen zu werden, und immer auch ein wenig eurozentristische Arroganz, mit der man als ausländischer Besucher auf das ambitionierte Orchesterprojekt blickt. Klar aber ist, dass wohl kaum ein Orchester derzeit über so viel Potenzial verfügt, wirklich zum Bindeglied zwischen Welten und Kulturen zu werden wie hier. Nirgendwo wird man derzeit mehr engagierte junge Künstler finden, die sich sicher sind, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Es ist eine bemerkenswerte Energie, die nicht nur im „Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra“, sondern auch in vielen anderen kulturellen Engagements des Konzerns zu spüren ist. Sie vermittelt ein Bild von einem Land im Aufbruch, das ganz anders ist als das, was uns aus den Fernsehnachrichten über die Türkei erreicht. Und so ist vielleicht auch das Refugium im kleinen Pavillon auf dem Dach des Perili Köşk, mit dem Blick auf die Fatih-SultanMehmet-Brücke, die Asien und Europa verbindet, von besonderer Symbolik: irgendwo zwischen Himmel und Erde, Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Moderne, Kommerz und Kultur, Ost und West. Markus Frenzl

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DIE WELT DER SINNE

Vom Kindergarten in den Madison Square Garden Wer heute bei einer öffentlichen Feier das Lied „Happy Birthday To You“ anstimmt, ist sich in der Regel nicht bewusst, dass er sich damit in eine rechtliche Grauzone begibt. Unter bestimmten Umständen müsste er nämlich Tantiemen entrichten, denn: „Happy Birthday To You“ ist kein Volkslied, das der Allgemeinheit gehört, sondern eine registrierte Komposition mit Urheberrecht. Dieses läuft in Deutschland im Jahr 2016 aus, in den USA erst 2030. Die Lizenzgebühren fließen an die amerikanische Firma Warner Chappell, die 1998 den bisherigen Rechteinhaber Birch Tree für rund 25 Millionen Dollar kaufte. Die Investition hat sich als äußerst lukrativ erwiesen: Rund zwei Millionen Dollar spielt das Lied jährlich ein. In Deutschland fungiert die Verwertungsgesellschaft GEMA als Warners Inkassopartner. Die rechtlichen Regelungen für die Darbietung auf Feiern sind aber so kompliziert, dass sich singfreudige Gratulanten nicht scheuen sollten. Die Tantiemen werden heute vor allem für die Verwendung des Liedes in Filmen gezahlt.

„Happy Birthday To You“ ist heute, das bestreitet niemand, das bekannteste Lied der Welt. Es ist in unzählige Sprachen übersetzt worden und damit einer der erfolgreichsten Kultur exporte der USA. Wie Coca-Cola, Elvis oder McDonald’s hat es bestehende Traditionen verdrängt oder ihnen zumindest Konkurrenz gemacht.

Eigentlich wurde „Happy Birthday To You“ für Kinder geschrieben, gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die beiden Schwestern Mildred J. Hill und Patty J. Hill arbeiteten in einem Kindergarten in Louisville im US-Bundesstaat Kentucky. Mildred, musikalisch unter anderem als Pianistin versiert, fiel eines Tages ein simples, aber sehr eingängiges Begrüßungslied für den Beginn des morgendlichen Unterrichts ein. Patty steuerte den Text bei: „Good morning to you / Good morning to you / Good morning, dear children / Good morning to all“. Noten und Text veröffentlichten die Schwestern erstmals 1893 in einem Liederbuch. Weil das Stück eigentlich nur von den Kindern, nicht den Lehrern gesungen wurde, lautete der Text bald auf „dear teacher“ statt „dear children“.

Aber auch in anderen Ländern haben sich bis heute Lieder gehalten, die in ihrem Bekanntheitsgrad „Happy Birthday To You“ kaum nachstehen. „Sto Lat“ („Hundert Jahre“) beispielsweise heißt ein polnisches Lied, das sowohl Namens- und Geburtstagskinder als auch Jubilare oder Gewinner im Sport hochleben lässt. Ein langes Leben wünscht man ihnen, dazu noch viele weitere Annehmlichkeiten, die in weiteren Strophen teilweise spontan hinzugedichtet werden. Hier darf es ruhig etwas derb werden. „Sto Lat“ wird auch in der Alltagssprache verwendet und heißt so viel wie „Alles Gute!“.

Mildred sollte die weltweite Bekanntheit ihrer Komposition nicht mehr erleben – sie starb 1916. Patty wechselte daraufhin zur Columbia University nach New York, wo sie Leiterin der Abteilung Kindergartenerziehung am Lehrerkolleg wurde. Das Lied der Schwestern fiel 1924 dem findigen Textautor Robert C. Coleman auf. Er änderte ein paar Noten, schrieb den Text um und ergänzte eine zweite Strophe – „Happy Birthday To You“ war geboren. Die Familie Hill, die Colemans Aktion nicht genehmigt hatte, klagte gegen die Verwendung der Melodie und bekam Recht. Nach einem langen Rechtsstreit wurden die Schwestern 1935 als Urheberinnen des Liedes bei der US-Verwertungsgesellschaft ASCAP eingetragen. Ihr Lied hatte schon zu diesem Zeitpunkt seinen Siegeszug um die ganze Welt angetreten. Vor allem der Einsatz in Filmen und Musicals sorgte für ein schnelles Bekanntwerden. Patty starb 1946 als äußerst wohlhabende Frau.

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Aber die Rivalen schlagen sich tapfer. Das laut „Guinness Book Of World Records“ zweitbekannteste Lied der Welt ist „For He’s A Jolly Good Fellow“. Es wird besonders gern in Film und Fernsehen verwendet, weil es bereits 1709 in Frankreich komponiert wurde und daher keine Lizenzgebühren mit sich bringt. Besonders populär wurde es im 19. Jahrhundert in England und dann auch in den USA. Kenner wissen um die Feinheiten des Ständchens, das nicht nur an Geburtstagen, sondern auch zu anderen feierlichen Anlässen beliebt ist: „And so say all of us“ ist die britische Version, die Amerikaner singen „which nobody can deny“.

In Lateinamerika ist „Las Mañanitas“ („Die Morgenstündchen“) sehr beliebt, eines der bekanntesten mexikanischen Volkslieder. „Wach auf, mein Schatz, wach auf, schau, es ist schon hell“, heißt es da und es passt als Geburtstagslied genauso gut wie als Serenade für eine schöne Frau. Wie auch bei „Sto Lat“ ist der Komponist unbekannt. Die Ursprünge des Liedes, das auch in mehreren Filmen gesungen wurde, weisen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Sakraler hält man’s dagegen in Deutschland, wo sich neben „Hoch soll er / sie leben“ vor allem „Viel Glück und viel Segen“ als seriöse Alternative zu „Happy Birthday To You“ behauptet. Der Geburtstagskanon wurde 1930 vom deutschen Liederkomponisten Werner Gneist geschrieben, der unter anderem Gedichte von Christian Morgenstern und Joseph von Eichendorff vertonte. Wer beim Singen genau hinhört, vernimmt regelmäßig statt des offiziellen „Gesundheit und Frohsinn sei auch mit dabei“ die Variante „Gesundheit und Wohlstand“. Handelt es sich um eine apokryphe Version, die in christlichen Kreisen wegen Verstoßes gegen die Verzichtsethik kassiert wurde?


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Illustration: Malin Rosenqvist


Ein anderes Lied hat es in kürzester Zeit zum Klassiker geschafft: „Wie schön, dass du geboren bist“ wurde 1981 vom Liedermacher Rolf Zuckowski geschrieben und gehörte schon kurze Zeit später zum musikalischen Inventar aller Kindergärten und Grundschulen. „Wir hätten Dich sonst sehr vermisst“, heißt die Schlüsselzeile, die Kinder schon im frühen Alter zum philosophischen und logischen Zweifel erzieht („Hätten wir das wirklich?“). Das Lied hat sich, sehr zum Verdruss von Singles und kinderlosen Paaren, längst auch auf Erwachsenen-Partys etabliert. Aber warum singt man überhaupt zum Geburtstag? Der Brauch geht wahrscheinlich auf sehr alte Traditionen zurück. Geburtstage feierte man in Griechenland schon im 8. Jahrhundert vor Christus, später auch im Römischen Reich. In vielen Kulturen mit heidnischen Gottheiten glaubten die Menschen, dass sich böse Geister nähern können, wenn etwas Wichtiges im Leben eintritt, etwa, wenn sich ein Geburtstag jährt. Aus diesem Grund feierte man besonders lautstark, sang und tanzte, um die Geister auf Distanz zu halten. Weil es in der christlichen Kultur keine biblische Grundlage für das Feiern von Geburtstagen gibt, blieben diese in vielen Regionen bis ins 19. Jahrhundert hinein ungewürdigt – bis heute hat in erzkatholischen Gebieten der Namenstag einen höheren Stellenwert. Dort, wo der Geburtstag gefeiert wurde, gehörte von Anfang an ein ganzes Bündel an Ritualen zu einer zünftigen Feier – von der Krone über den Kuchen bis zu den Liedern. Die Wurzeln im Heidnischen, im Aberglauben, sind bis heute erkennbar: Die Kerzen auf dem Kuchen sollten auf einmal ausgepustet werden, will man größeres Ungemach im Leben vermeiden. Schicksalhaft kann auch sein, wie oft eine Person zum Lied „Hoch soll er /sie leben“ hochgehoben wird: Einmal zu wenig – auf die Lebensjahre bezogen – bringt Pech, einmal mehr dagegen Glück. Beim US-Import „Happy Birthday To You“ pochen Traditionalisten darauf, dass er gesungen wird, wenn der Geburtstagskuchen hereingetragen wird.

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Wie viele andere Rituale halten sich auch diese hartnäckig. Der weitestgehend säkularisierte Mensch bewahrt sich mit ihnen wenigstens ein bisschen Irrationalität, den Hauch einer Ahnung, dass das menschliche Leben vielleicht doch nicht zufallsgetrieben ist, sondern tieferen Gesetzmäßigkeiten folgt. Dass an Geburtstagen Musikalisches gefragt ist, hat aber auch ganz pragmatische Gründe: Das Geburtstagsständchen sorgt dafür, dass sich die Aufmerksamkeit auf das Geburtstagskind fokussiert. Die Gäste, vielleicht untereinander kaum bekannt, erleben sich beim gemeinsamen Singen als Gemeinschaft. Gleichzeitig lockert das Ständchen, wie ambitioniert auch immer vorgetragen, auf – auch zugeknöpfte Charaktere müssen wenigstens für ein paar Minuten etwas Unvernünftiges tun. Nicht selten huscht bei Geburtstagsgästen erst einmal ein unsicheres Lächeln über das Gesicht, bevor sie einstimmen. Aber da muss man durch – Schimpf und Schande über alle, die zum Singen die Kinder vorschicken oder eine CD mit Stevie Wonder’s „Happy Birthday“ auflegen. Wer übrigens nicht weiß, wie er „Happy Birthday To You“ am effektvollsten interpretieren kann, sollte Nachhilfe auf YouTube nehmen. Dort gibt es einen legendären Auftritt zu bestaunen: Marilyn Monroe bringt im New Yorker Madison Square Garden John F. Kennedy ein Ständchen. In einem knappen, nur wenig verbergenden Glitzerkleid steht sie da, angebetet von 15.000 Zuschauern, streichelt das Mikro und singt, ach was, haucht ein bis heute unvergessenes „Happy Birthday, Mr. President“ – eine ganz klar lizenzgebührenpflichtige Darbietung übrigens. Das war am 19. Mai 1962. Erst zehn Tage später hatte Kennedy Geburtstag. Hat ihm das Unglück gebracht? Klaus Janke


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Illustration: Daniel Lachenmeier


DIE WELT DER SINNE

Wie Echo das letzte Wort behält – von den großen Mythen des Hörens Schwere Vorhänge, davor eine hell ausgeleuchtete Bühne. Für die Damen Businesskostüme, für den Herren einen Anzug… so stehen sie da. Eine Frau wiederholt, was zu hören war. Zwei weitere, vielleicht Schwestern, locken mit Lauten, unheimlich aber verführerisch. Und dann ist da noch ein Mann, der ein Lied intoniert und damit das ganze Theater zum Weinen bringt, nicht nur das Publikum, auch die Wände. Es ist eine dieser modernen Inszenierungen, die Geschichten in die Gegenwart holen wollen und dabei tun, als müssten sie sie in moderne Kostüme kleiden, um sie von den Toten zu erwecken. Aber die Nymphe Echo, die hoch ästhetischen und zugleich monströsen Sirenen und der Sänger Orpheus sind längst nicht so vergangen wie man meinen könnte. So richtig vergessen waren sie nie. Ihre Geschichten sind keine unvordenklicher Zeiten, keine von damals, allenfalls welche von gestern. Denn Mythen waren und sind ein Arsenal der Kunst, Fundus für einen ständigen Remix und Quelle für einen Strom aus Anverwandlungen. Besonders auf der Nordhalbkugel unseres Planeten, besonders im sogenannten „Westen“, in Europa und den USA, sind es die Mythen der griechischen Antike und des alten Rom, die noch immer zu uns herüberklingen, manche zumindest. Da donnert es, wenn Zeus respektive Jupiter ihre Blitze schleudern. Aber zu Marsyas fällt nur noch wenigen ein passender Ton ein. Dabei sind die ursprünglichen Geschichten schwer auszumachen, wurden sie doch ständig überschrieben, wie ein immer wieder neu beschriftetes Palimpsest, ein Pergament, das, weil es so teuer war, mit der Zeit eine Summe einander überdeckender Zeichen auf sich versammelte. Aber beginnen wir von vorn, im Olymp griechischer Götter, auf den Bergen und in den Schluchten Griechenlands. Hier traf die Nymphe Echo einst Narkissos, den Narziss. Eine schlimme Geschichte, wie viele dieser Mythen: Narziss, der Jüngling war schon als Knabe außergewöhnlich schön. Von vielen wurde er geliebt, doch liebte er keinen zurück. Stolz war er, ein Augenmensch, dem niemand schön genug war, aber Echo verliebte sich in ihn. Weil sie mit ihrem Geplapper die Göttermutter von der Verfolgung ihres stets untreuen Mannes abhalten wollte, hatte die Hocherzürnte – griechisch: Hera, römisch: Juno – Echo einst die Sprache genommen, sodass sie nur noch das Letzte, das sie hörte, wiederholen konnte, meist eine einzige Silbe. Eine andere Variante besagt, sie habe gelauscht und sei eben dafür bestraft worden.

Der schöne Jüngling Narziss ignorierte die beinahe stumme Nymphe und sie verging vor Schmerz, sodass bloß noch ihre Stimme übrig blieb. Und Narziss selbst? Auch dem erging es nicht gut. Weil er alle, die ihn liebten, verschmäht hatte, blieb ihm am Ende nur der Blick in den Spiegel. Im Wasser eines Teiches sah er sich – und nur sich. Und Tag für Tag lag er dort und starrte sich an und schwand immer mehr, bis er schließlich starb; von Angesicht zu Angesicht mit dem einzigen Wesen, das er liebte: sich selbst. Vielleicht tötete er sich auch, aus unerfüllter Sehnsucht. Und manche Geschichten erzählen davon, wie er sich in eine Blume verwandelte oder verwandelt wurde, die nach einer „Betäubung“ heißt, die Narzisse, Narke wie Narkotika. Hunderte und Aberhunderte von Deutungen erfuhr dieser Mythos. Da ging es um die Nichtigkeit sichtbarer Schönheit oder die böse Magie von Spiegel und Blick. Für Psychologen schließlich wurde Narziss zum Idealtyp für Stolz und Egoismus, unfähig zu Beziehungen. Und Echo, die spätestens seit dem römischen Dichter Ovid und seinen „Metamorphosen“ immer miterzählt wird? Echo hat ein anderes Problem, nämlich kaum sie selbst zu sein. Erst Geplapper oder Lauschen, dann Wiederholung und am Ende körperlose Stimme, verweht vom Wind zwischen Wald und Berg. Zugespitzt heißt das: Im schlimmsten Fall sieht das Sehen nur sich selbst und das Hören wiederholt die anderen… Zwischen Natur und Mythos, Mythos und Kunst waren die Grenzen fließend. Denn meist schwangen die Mythen mit, in Form von Metaphern, Redewendungen und Bildern. Aristoteles, Lucretius und Plinius untersuchten das Echo naturwissenschaftlich. Das brachte auch einige eher wunderliche Ergebnisse. So glaubte man etwa, nach Varros „Res rusticae“ und Vergils „Georgica“, Echos seien ungünstig für die Bienenzucht – vielleicht ja, weil Echo eine unschöne Beziehung zum Fruchtbarkeitsgott Pan hatte, der nicht nur der Herr über die Hirten, sondern auch über die Bienenstöcke ist. Bereits die Dramatiker Euripides und Aristophanes schätzten Echo-Wirkungen in der Sprache. Und in späteren Jahrhunderten, seit dem Mittelalter, besonders aber im 18. Jahrhundert, liebte man EchoGalerien, eine Raum gewordene Überraschung. Ganz so wie man seit dem 19. Jahrhundert und dem beginnenden Alpen-Tourismus das Echo in den Bergen suchte, gleichermaßen Hörspiel wie Wunder der Natur. Und in der Philosophie dieses Säkulums betont das Echo ausgerechnet die Einsamkeit. So finden sich bei Friedrich Nietzsche Sätze wie „Wenn man allein lebt, so spricht man nicht zu laut, man schreibt auch nicht zu laut: denn man fürchtet den hohlen Widerhall – die Kritik der Nymphe Echo.“ Und bei einem anderen Philosophen, in Kierkegaards Buch „Entweder – Oder“ heißt es: „Ich habe nur einen Freund; das ist das Echo. Und warum ist es mein Freund? Weil ich meinen Kummer liebe, und diesen nimmt es mir nicht fort.“ HEAR THE WORLD 53


Alles andere als passiv stellen wir uns die Sirenen vor. Mit Homer hören wir ihre „Honigstimmen“, aber gleichzeitig sitzen sie inmitten „aufgehäuftem Gebeine modernder Menschen“ und „umringt von ausgetrockneten Häuten“. Odysseus, der große Seefahrer, war von der Zauberin Kirke gewarnt worden, und so verklebte er die Ohren seiner Freunde mit Bienenwachs, ließ sich an den Mast binden und widerstand so dem Verlangen, immer mehr zu hören und sich dafür hinzugeben. Im ersten Jahrhundert nach Beginn unserer Zeitrechnung bezweifelte Plinius der Ältere die Existenz der Sirenen und hielt sie für Fabelwesen. Auch wenn Dinon, der Vater des damals berühmten Historikers Kleitarchos, versichert hatte, sie stammten aus Indien, betörten mit ihrem Gesang wie mit einem Wiegenlied und zerfetzten den, der schläft. Aber nicht nur ihre Anmut und Brutalität, auch ihr Körper machte sie zu Doppelwesen. So waren sie, etwa für Appolonius von Rhodos, oben Jungfrauen, unten Vögel. In Ovids „Liebeskunst“ jedoch wird aus der ambivalenten Geschichte ein simpler Rat: „Schmeichelnd und süß ist Gesang; drum übt euch, Mädchen, im Singen / Schon gar manches Gesicht brachte die Stimm’ an den Mann.“ Wer bereits singen konnte, singen wie kein anderer, war Orpheus. „Alle Oper ist Orpheus“ brachte der Philosoph Theodor W. Adorno es auf den Punkt, als er über „Die bürgerliche Oper“ schrieb. Und in der Tat beginnt das Musiktheater zwischen Renaissance und Barock mit allerlei „Orfeos“, von Angelo Polizianos „Orfeo“ aus dem Jahr 1480 über Jacopo Peris „Euridice“ und Claudio Monteverdis „Orfeo“ aus dem Jahr 1607 bis hin zu Calderons „El divino Orfeo“ aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Besonders interessant schien Autoren wie Komponisten Orpheus’ tragisches Scheitern und das Thema des Gesangs als passgenaue Rechtfertigung einer neuen Kunstform. Aber in den Jahrhunderten vorher und danach war Orpheus nicht einfach Anlass und pars pro toto der Oper, sondern wie Pindar ihn nennt: der „leier’kundge Vater des Lieds“, der „Vater der Musik“ überhaupt. In der Antike war die Figur des Orpheus bekannt, weil seine Kunst die Natur bändigte. Seine Lieder rührten selbst Bäume und Steine. In der Argonautensage übertönte er den Gesang der Sirenen. Und als seine geliebte Frau Eurydike starb, verschaffte er sich durch ein überirdisch schönes Lied Zugang zur Unterwelt. Ob Charon, Kerberos oder gar die Schatten selbst, alle bezauberte seine Musik. Und so darf er schließlich Eurydike mit an die Oberfläche nehmen, unter einer Voraussetzung allerdings, auf dem Weg zurück in die Welt der Menschen muss er sein Verlangen zügeln, sie zu sehen und darf sich nicht umdrehen zu ihr. Bei Ovid und Vergil endet der Rettungsversuch tragisch. Orpheus will mehr als ihre Stimme, blickt zurück und seine Liebe vergeht zu einem Nebel. Versunken in Trauer, singt er niemandem mehr ein Lied. Insbesondere aber mied er die Frauen, bis die thrakischen Mänaden ihn in Stücke rissen. Wohl weil es sie so nach ihm und seinem Gesang gelüstete. Sein Kopf blieb verschont, fiel in den Fluss Hebros und wurde dann ins Meer gespült, 54 HEAR THE WORLD

wo er unaufhörlich nach Eurydike weinte. In christlichen Zeiten wurden Darstellungen des Orpheus, des Bezwingers von Natur und Tod, zu denen Christi und späterhin zu solchen des heiligen Franziskus von Assisi, als er den Vögeln predigte. Und wie ist das mit weniger bekannten Mythen des Hörens? Wie etwa war das mit Marsyas? Der war ein phyrigischer Satyr, der eine Flöte fand. Die Göttin Athene hatte sie gefertigt, aber weggeworfen, weil mit ihr zu spielen das Gesicht verzerrte. Marsyas wurde zum Meister dieses Instruments und wagte es – er soll betrunken gewesen sein – Gott Apollon zu einem musikalischen Wettstreit herauszufordern. Und so siegesgewiss war er, dass er sich auf eine gefährliche Bedingung einließ. Der Gewinner, so lautete sie, könne mit dem Gegner verfahren, wie er wolle. Schiedsrichter waren die Musen. Lange ging alles gut. Marsyas hielt mit. Bis Apollon ihn aufforderte, sein Instrument verkehrt herum zu spielen. Apollon spielte die Leier und hatte kein Problem damit, aber die Flöte war so nicht zu blasen. Durch diese List gewann der Gott und rächte sich, hängte Marsyas an eine Pinie und zog ihm die Haut ab. Aus seinem Blut und den Tränen seiner Freunde soll ein Fluss entsprungen sein. Die bekannteren Mythen des Hörens sind seit Jahrhunderten Teil unserer Kultur. Sie wurden erinnert, aktualisiert und teilweise überschrieben. Sie verweisen auf ihre Herkunft und erzählen uns doch immer wieder etwas Neues. Am besten fasst dieses Wechselverhältnis vielleicht ein altes Sprichwort: „Man kann lange rufen“, so lautet es, „ehe das Echo schweigt.“ Max Ackermann


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Foto: Stefano Bottesi


KLASSIK

Der Ameropäer Er ist eine der spannendsten Dirigentenpersönlichkeiten unserer Zeit: Der 1966 in Houston / Texas geborene John Axelrod lässt sich in keine der gängigen Kategorien einordnen. Weder egomanischer Pultstar noch modernistischer Cross-Over-Verfechter, hat er seinen ganz eigenen Stil zwischen den musikalischen Welten gefunden. Der Mann hat eine Vision: Musik zu machen, die generationsübergreifend funktioniert, die den 16-jährigen Heranwachsenden genauso berührt wie den 80-Jährigen, der vermeintlich schon alles gesehen, gehört und erlebt hat. Wenn der Dirigent John Axelrod, Chefdirigent des Orchestre National des Pays de la Loire, am Pult steht, dann treffen schon mal die Aufführung einer Sinfonie von Ludwig van Beethoven und eine Auftragskomposition des ElektroMusikers und DJs Gabriel Prokofjew an einem Abend aufeinander. „Wenn wir uns nicht in die Lebenswelten und Realitäten der heutigen Zeit hineindenken und sie zu verstehen versuchen, dann hat die klassische Musik kaum eine Zukunft“, bringt es Axelrod auf den Punkt, „mein Lehrer Leonhard Bernstein hat mir beigebracht, dass wir keine Berührungsängste mit der sogenannten Unterhaltungsmusik haben sollten, es gäbe nur gute und schlechte Musik, just do it!“ Bernstein war es auch, der Axelrod nach Abstechern ins Musikmanagement und als Direktor des Robert Mondavi Food & Wine Center – die Vorliebe für gutes Essen und guten Wein ist ihm seitdem erhalten geblieben – ermutigte, seine Musikerkarriere fortzusetzen. Wer John Axelrod heute im Konzert oder bei der Erklärung von Musik erlebt, der spürt viel von Bernsteins charismatischem Wesen, seiner Neugier, Aufgeschlossenheit und unbändigen Musizierfreude. Gerne erzählt Axelrod von einer geradezu spirituellen Begebenheit, die ihn endgültig zur Musik zurückgebracht hat. Als er eines Abends von einem guten Essen mit inspirierenden Gesprächen auf dem Nachhauseweg durch das Nappa Valley fuhr, begann er plötzlich mit vorher nie dagewesener Intensität das Vorspiel zu Wagners Oper „Tristan und Isolde“ – seinem absoluten Lieblingsstück – in seinem Kopf zu hören. Ein Weiterfahren war unmöglich, Axelrod hielt an, stieg aus dem Auto und genoss die perfekte Stille des Nappa Valley. In diesem Moment überkam ihn die überwältigende Erkenntnis, dass er zur Musik zurückkehren müsse. Als er dann im Auto das Radio anschaltete und wie durch ein Wunder ebenfalls das Vorspiel von Tristan und Isolde erklang, war die Entscheidung endgültig gefallen. Er kündigte am nächsten Tag seinen Job und widmete sich wieder voll der Musik.

Entscheidend für seinen künstlerischen Durchbruch in Europa war die Begegnung mit dem Dirigenten Christoph Eschenbach, der als Chefdirigent in Axelrods Heimatstadt Houston tätig war und dem er später bei Parsifal bei den Bayreuther Festspielen und bei Mahlers 8. Sinfonie beim Schleswig-Holstein Musikfestival assistierte. Noch in Houston hatte John Axelrod hauptsächlich aus Musikstudenten das „Orchestra X“ gegründet – einen Klangkörper für die Generation X – mit dem er erfolgreich Experimente über die Grenzen der klassischen Musik hinaus unternahm. Diese Erfahrungen bringt er heute maßgeblich in seine künstlerische Arbeit mit führenden europäischen Orchestern ein. Zunächst als Chefdirigent der traditionsreichen Orchester in Krakau und Luzern, später dann in gleicher Funktion beim Orchestre des Pays de la Loire und dem aus vielen jungen und talentierten Musikern bestehenden „Orchestra Giuseppe Verdi“ in Mailand. So entstanden Programme wie „Beethoven, Beer and Barbecue“, bei dem der Abend nach dem Erklingen einer BeethovenSinfonie bei Bier und Grillen ausklingt. Oder „Amadeus“ – ein Theaterstück mit Musik über das Leben von Wolfgang Amadeus Mozart. Jedes Programm hat ein Thema und folgt einer bestimmten Dramaturgie. „Entscheidend ist“, so Axelrod, „dass wir immer spielen, als ginge es um Leben und Tod, nur dann halten wir das Publikum und gewinnen neue Anhänger hinzu.“ Die musikalische Integrität der Komposition bleibt dabei unangetastet. „Für mich steht die Integrität und die Qualität der Komposition im Vordergrund“, sagt Axelrod, „aber wir müssen den Präsentationsrahmen an die heutige Zeit anpassen. Es geht immer um das Zuhören, Interagieren und Verstehen. Das Publikum will ernst genommen und auf zeitgenössische Weise mit auf die musikalische Reise genommen werden.“ Axelrod möchte als musikalischer Kreateur, nicht als bloßer Kurator gesehen werden. „Es ist an uns zu gestalten und zu vermitteln, nicht zu verwalten“, sagt er ganz in der Tradition von Bernstein. Gefragt nach seinen musikalischen Wurzeln, bezeichnet sich Axelrod gerne als „Ameropäer“, als ein Wanderer zwischen den Welten, der amerikanische Leichtigkeit und Experimentierfreude mit europäischer Tradition und Ernsthaftigkeit zu verbinden sucht. Seine beiden Mentoren Leonhard Bernstein und Christoph Eschenbach mögen dabei stellvertretend für die verschiedenen Welten stehen. In der Person John Axelrod gehen sie eine spannungsreiche Symbiose ein. Daniel von Bernstorff Die nächsten Konzerte mit John Axelrod finden Sie unter www.johnaxelrod.com

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Weltstar über Nacht – ein Porträt der jungen Schauspielerin Freida Pinto Mit ihrer herausragenden schauspielerischen Leistung in der mit mehreren Oscars gekrönten britisch-indischen Filmproduktion „Slumdog Millionaire“ gelang Freida Pinto 2009 der internationale Durchbruch. Als Botschafterin der Hear the World Initiative nutzt sie nun ihren Prominentenstatus, um auf Themen wie Hörgesundheit und Hörverlust aufmerksam zu machen. „Hören zu können ist ein wunderbares Geschenk, das ich täglich aufs Neue zu schätzen weiß“, so Pinto. „Das Gehör bereichert mein schauspielerisches Können und erweitert meinen Horizont als Mensch.“ Als der britische Filmregisseur Danny Boyle auf der Suche nach einem Hauptdarsteller für seinen Film „Slumdog Millionaire“ war, zog er über 100 Schauspieler in Betracht, jedoch ohne Erfolg. Die Bollywoodstars auf seiner Liste waren ihm zu muskulös und durchtrainiert. Als seine Tochter ihn dann auf Dev Patel, den schlaksigen Briten mit den Segelohren, dessen Eltern aus dem indischen Gujarati stammen, aufmerksam machte, soll Boyle sofort begeistert gewesen sein. Patel, der bereits ein wenig Leinwanderfahrung mit seinem erfolgreichen Auftritt in dem Teenie-Fernsehdrama „Skins” gesammelt hatte und noch dazu den Schwarzen Gürtel im Taekwon-Do besitzt, war jedoch ein Neuling auf der großen Kinoleinwand. Dasselbe gilt für Freida Pinto, die allerdings wesentlich mehr Hürden überwinden musste, um an ihr Ziel zu gelangen: die weibliche Hauptrolle an der Seite von Dev Patel zu spielen. Als Boyle Videoaufnahmen von ihr gesehen hatte, reiste er nach Mumbai, wo er sie „sechs Monate lang zweimal pro Woche immer wieder zum Vorsprechen und zu Testaufnahmen bat.“ Während Pinto bereits von Anfang an der Überzeugung war, dass ihr die Rolle wie auf den Leib geschneidert sei, gaben für Boyle spätestens die gemeinsamen Aufnahmen mit Patel den Ausschlag – jedoch nicht bis zum zweitletzten Vorsprechen. Die „Chemie stimmte von Anfang an“, so Pinto. Freida hat einfach dieses gewisse Etwas, und mit ihrem Charme bezaubert sie ihr Publikum auf der ganzen Welt: ein strahlendes Lächeln, guter Humor und ein Talent, das von Kindesbeinen an gefördert wurde – „An mir ist definitiv eine Diva verloren gegangen.“ Während Kate Winslet unlängst bekannte, ihre Oscar-Dankesrede bereits als Achtjährige mit der Shampooflasche geübt zu haben, erinnert sich Pinto daran, dass sie als junges Mädchen „alles und jeden aus dem Fernsehen nachgeahmt“ habe, während sie vor dem Spiegel ihr Gegenüber interviewte. Anders als ihr Filmpartner in „Slumdog Millionaire“ wuchs Freida Pinto tatsächlich in Indien auf und hatte somit „22 Jahre lang Zeit“, sich auf die Rolle des Waisenmädchens Latika „vorzubereiten“. Sie selbst kommt aus einer Mittelklassefamilie und wurde – wie die meisten Inder – mit den opulenten, glänzenden und farbenfrohen Bollywoodfilmen groß. „Ich bin definitiv keine gute Tänzerin. Zwar habe ich ein Gefühl für Rhythmus, aber es fehlt mir vermutlich an Koordination“, kommentierte sie in einem Interview mit der New York Times. Entweder sind die Tanzszenen im Film also geschickt geschnitten oder ihr kampfsporterprobter Filmkollege hat ihr einige Tricks und Kniffe beigebracht. In der letzten Szene auf dem Bahnsteig des Victoria60 HEAR THE WORLD

Bahnhofs jedenfalls schafft es Pinto mit ihrem Tanz, dem ganzen Film eine magische, zauberhafte Note zu geben. Achselzuckend und mit einem Grinsen gibt Freida Pinto zu, dass sie „in Indien überhaupt nicht berühmt ist“. Und scheint darüber ganz und gar nicht unglücklich. Erstens wäre sie mit ihrer zierlichen Figur und „Unbeholfenheit“ (wie sie selbst sagt) für die meisten Bollywoodfilme „einfach unpassend“. Zweitens kann sie, da sie zumindest bis vor Kurzem noch nicht auf Indiens Celebrity-Schirm präsent war, nach wie vor durch die Straßen Mumbais bummeln, ohne von Fans und Paparazzi verfolgt zu werden. Anders in London, Paris und New York, wo die Boulevardzeitungen ihr die volle Aufmerksamkeit schenken, und nicht immer zu ihren Gunsten. Denn im „Westen“ ist Pinto auf dem besten Weg, der Star zu werden, von dem sie als kleines Mädchen immer geträumt hat, und ihr Talent ist allgemein anerkannt. Sie ist glücklich, dass der Erfolg von „Slumdog Millionaire“ „es ihr erlaubt, sich die Projekte herauszusuchen, die sie interessieren, und andere abzulehnen.“ Direkt nach dem Erfolg ihres Leinwanddebüts entschied sie sich für zwei ganz unterschiedliche Filme, und ihre Wahl verrät eine Menge über ihre Ziele und ihre Persönlichkeit. 2010 spielte sie an der Seite von Antonio Banderas, Naomi Watts, Anthony Hopkins und Josh Brolin in Woody Allens neuester Komödie „Ich sehe den Mann deiner Träume“ die schüchterne Muse für die Figur von Brolin. Es sei zwar keine große Rolle gewesen, aber ein großes Abenteuer, mit Allen zusammen zu arbeiten, „einem meiner großen Vorbilder“. Bereits als Teenager hat sie seine Filme gesehen und gemeinsam mit einer Reihe von bereits etablierten Stars aus dem Filmgeschäft vor der Kamera zu stehen, hatte durchaus seinen Reiz. Die Hauptrolle in Julian Schnabels „Miral“ war eine Herausforderung ganz anderer und weitaus ernsterer Natur für die junge Schauspielerin. Das Drehbuch basiert auf dem zum Teil autobiografischen Roman von Schnabels Frau, der palästinensischen Journalistin und Schriftstellerin Rula Jebreal. Freida Pinto steht im Blickpunkt dieses intensiven und oft auch aufrüttelnden Films, und nicht nur, weil das politisch-religiöse Drama in Jerusalem zur Zeit der ersten Intifada spielt. Seit sie auf der internationalen Bühne angekommen ist, überrascht Freida Pinto ihre Fans immer wieder aufs Neue – als Markenbotschafterin für L’Oreal, als attraktives Fotomodel in Zeitschriften oder beim Herumschäkern mit ihrer Leinwandliebe Dev Patel, mit dem sie auch im wirklichen Leben liiert ist. Warum sollte sie also nicht in einem von griechischer Mythologie inspirierten Blockbuster spielen können? Gesagt, getan. Der Streifen mit dem Titel „Die Unsterblichen“ kommt im November in die Kinos. Oder die weibliche Hauptrolle in der spektakulären Neuverfilmung der Sage „Der Planet der Affen“? Auch abgehakt. Der Film läuft bei Drucklegung bereits im Kino. Fazit: Mit 27 hat Freida Pinto noch einige Trümpfe im Ärmel … Christian Arndt Zitate: www.youtube.com/user/TheNewYorkTimes The New York Times – „T Screen Test Films: Freida Pinto“ Aug 20, 2010 ITV1 Daybreak Okt 19, 2010


Foto: Bryan Adams HEAR THE WORLD 61


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Illustrration: CĂŠline Meyrat


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Den Mund voller Beats: die Geschichte des „Human Beatboxing“ Beatboxing = The art of producing drum beats, rhythm, and musical sounds using one’s mouth, lips, tongue, voice, nasal passage and throat. (www.humanbeatbox.com) Wie der Name schon sagt, geht es beim „Human Beatboxing“ zunächst einmal darum, die Klänge legendär gewordener Beatboxes und Drum Machines – vom Boss Dr. Rhythm über die bei Hip Hop und Techno-DJs gleichermaßen beliebte (Roland TR) 808 – zu imitieren. Der Grund dafür ist simpel: Hip Hop- und Elektro-Beats waren zu Beginn der Achtzigerjahre neu und beiderseits des Atlantiks sehr angesagt, jedoch waren die Geräte, mit denen man diese Musik herstellen konnte, noch vergleichsweise teuer. Also begannen Hunderte, wenn nicht Tausende Kids vor allem in der Rap-Metropole New York, ihre Beatbox-Sounds kurzerhand mit dem Mund zu machen. Einer der Pioniere dieser Kunstform war Darren Robinson alias Buff Love. Er bildete als „The Human Beat Box“ das rhythmische Rückgrat des Trios The Fat Boys. Zusammen mit seinen ebenfalls kräftig gebauten Kollegen Prince Markie Dee und Kool Rock-Ski hatte Buff Anfang der Achtziger bei einem Rap-Wettbewerb in der New Yorker Radio City Music Hall einen Plattenvertrag bei einem Label gewonnen, das es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Der Veranstalter, ein gebürtiger Schweizer namens Charles Stettler, war ein umtriebiger Musikmanager und Inhaber einer Rollerdisco. Trotz des kleinen Schwindels mit der nicht vorhandenen Plattenfirma verschaffte er dem Trio tatsächlich seinen ersten Plattenvertrag, und kurz darauf veröffentlichten die schweren Jungs mit „Reality“ eine erdige Rap-Nummer, die an Grandmaster Flash’s Welthit „The Message“ erinnerte, aber im Gegensatz zu dessen Scratch-Technik mit zwei Plattenspielern auf rein „mündlichen“ Sound-Effekten aufbaute. Es wird berichtet, dass Buff Love zuerst seine Percussion-Sounds ins Mikrofon schnalzte, alle weiteren Instrumente wurden dann darum herum arrangiert. Sein Markenzeichen war das tönende Ein- und Ausatmen zwischen den Beats, das er als zusätzliches melodisches Element einführte, neben zahlreichen zum Teil äußerst befremdlichen Geräuschen. Robinson selbst sagte immer wieder im Interview, dass seine Kunst sozusagen aus der Not heraus geboren war, da er als Jugendlicher kein Geld für teure Instrumente und DJ- Equipment hatte. Leider verstarb Buff Love im Jahr 1995 mit nur 28 Jahren an Herzversagen. Zu diesem Zeitpunkt wog er etwas über 200 Kilo.

Schärfster Konkurrent der Fat Boys war Douglas E. Davis alias Doug E. Fresh, der 1984 mit der Single „The Original Human Beatbox“ den Titel des ultimativen BeatboxInnovators für sich reklamierte. Verstärkt durch seine Get Fresh Crew und den Rapper Ricky D alias Slick Rick gelang 1985 mit „The Show“ ein Riesenhit. Doug E. Freshs damaliges Markenzeichen waren die perkussiven Klicklaute, die wie umherspringende Tischtennisbälle klangen und die er äußerst virtuos in seine Tracks integrierte. Zur Titelmusik der Cartoon-Serie „Inspector Gadget“ steuerte sein Partner Slick Rick mit nasaler Stimme noch diverse Zitate aus der Popgeschichte bei, darunter auch „Michelle“ von den Beatles. Das Call-and-Response-Spiel zwischen den beiden Vokalisten perfektionierten sie dann auf „La Di Da Di“, einem weiteren Hip Hop-Klassiker aus dem Fresh-Arsenal. Ein dritter, heute noch aktiver Mitbegründer des Genres ist der schwergewichtige Biz Markie, dem wir ein weiteres beliebtes Stilelement des Beatboxing verdanken. Er begann als einer der Ersten – zusätzlich zu den Beats und BassSounds, die er mit Mund, Nase und Kehlkopf fabrizierte –, noch kleine Rap-Schnipsel einzubauen, wie es auch DJs mittels Scratching tun, nur eben alles mit dem Mund. Einer der Weltbesten unter den aktiven Beatboxern, Rahzel „The Godfather of Noyze“, bezieht sich sowohl auf Grandmaster Flash wie auf die Fat Boys, und kaum jemand hat wie er zwei Jahrzehnte lang so systematisch die Grenzen des stimmlich Machbaren erforscht und ausgedehnt. Mit zwei einfachen Kassettenrekordern nahm er seine ersten Versuche auf und legte dann im „multilayering“-Verfahren die Beats, Instrumentalsounds, Vocals und Effekte in immer neuen Schichten übereinander, bis er populäre Rap- und Disco-Tracks komplett mit dem Mund nachgespielt hatte. Er feilte dabei seine Technik so aus, dass er irgendwann gar kein Tape mehr brauchte. In Beatbox Battles spielte sich Rahzel durch alle fünf New Yorker Boroughs zum Champion hoch, und bald wurde er auch in anderen Städten der USA und schließlich international bekannt. Der Rest ist Geschichte: Er wurde Mitglied der einflussreichen Hip Hop-Band The Roots und gastierte unter anderem bei Erykah Badu, Björk, Sean Paul, bei der französischen Hip-Hop-Kultband Alliance Ethnik und der deutschen Formation Die Fantastischen Vier. Zu seinem Erfolgsgeheimnis befragt, sagte er mir: „Üben, üben, üben – rund um die Uhr! Wenn ich ein neues Stück oder ein neues Pattern lernen will, dann setze ich mir die Kopfhörer auf und höre mir das immer wieder an, sogar im Schlaf. Und wenn ich morgens aufwache, dann kann ich es beatboxen“, fügte er mit spitzbübischem Lächeln und Schulterzucken hinzu. Sein Album „Make The Music 2000“ aus dem Jahr 1999 gilt noch heute als einflussreichstes Beatbox-Album überhaupt.

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Wer es mit einem YouTube-Clip auf 41 Millionen Zuschauer gebracht hat, der muss wohl irgendeine nicht ganz alltägliche Fähigkeit besitzen. Kyle Jones, besser bekannt unter dem Künstlernamen „Scratch“, ist einer der wenigen, die es mit dem „Godfather of Noyze“ aufnehmen können, und auch er war eine Zeit lang Mitglied der Band The Roots. Bei seiner Performance geht es längst nicht mehr um simple „Mouth Percussion“. Jones sampelt aktuelle Hits und Klassiker in seinen Mix, und dabei scratcht er nicht nur, sondern spricht ganze Passagen rückwärts, ohne dass dabei seine innere Beatbox aus dem Takt kommt. An ihm und an Rahzel müssen alle vorbei, die in der Beatbox-Szene auf der großen Bühne mitspielen wollen. Eine besondere Spielart des Human Beatboxing repräsentiert die österreichische Formation Bauchklang, die bereits 1996 gegründet wurde. Eines ihrer drei Alben mit reiner Vocal Percussion und Gesang heißt nicht nur „live in Mumbai“, es wurde tatsächlich im Rahmen eines FestivalAuftritts in Indien produziert. Das Quintett weicht musikalisch von den ausgetretenen Hip Hop-Pfaden ab und hat seine kollektive Beatbox auf Dancefloor und Reggae programmiert. Bauchklang komponieren und spielen eigene Stücke, mal mit minimalistisch-technoiden „Keyboard“Sounds und Sirenen, dann wieder mit reggae-inspirierten Vibes. Technisch ist das sicherlich etwas weniger anspruchsvoll als die vertrackten Solo-Performances von Scratch und Rahzel, aber der „tighte“ Ensembleklang entfaltet eine erstaunliche Kraft und verfehlt seine Wirkung weder in kleinen Clubs noch auf großen Festivalbühnen. Wenn man sie nur hört, besteht durchaus die Gefahr, den Umstand zu vergessen, dass auch hier – von Mikrofonen einmal abgesehen – keinerlei technische Hilfsmittel im Spiel sind.

Dank des Internets können sich heute junge BeatboxTalente nicht nur die besten Performances der Großmeister ansehen und -hören, sondern sich auch an den Skills von Gleichaltrigen messen, und natürlich finden auch die Vorentscheidungen zu den US Beatbox Championships online statt. Die Qualität und Vielfalt der eingereichten Clips ist zum Teil im Wortsinn „atemberaubend“. Neben dem (weißen) Kalifornier SySyGy, der einen irrwitzigen Drum & Bass-Track mit 160 Beats per Minute ins Mikro pustet, bewirbt sich mit Track IX auch eine sehr junge Amerikanerin chinesischer Herkunft, die – der guten Akustik wegen – im heimischen Badezimmer ein Feuerwerk aus P63ffen, Scratches, Synthie-Sounds und hektischen Beats entfesselt. Auch in Japan wird Human Beatboxing sehr geschätzt und nicht genug damit, dass man gerade den USA den Frauenfußball-Weltcup vor der Nase weggeschnappt hat; jetzt greift auch noch ein junger Japaner nach der Meisterschaft im Beatboxing. Daichi serviert seinen schnellen Freestyle-Track nicht nur mit einer machtvollen Bassline und einem witzigen „Eye of the Tiger“-Zitat, sondern legt auch noch eine ganze Serie exzellent ausgeführter Scratches obendrauf. Das Ganze klingt so virtuos, dass ein Kommentator auf YouTube staunend in die Runde fragt: „Wie viele Radios hat dieser Kerl eigentlich gegessen?“ Fazit: Die vor rund 30 Jahren in US-Metropolen entwickelte Kunstform ist nicht nur quicklebendig, sondern entwickelt sich in der mittlerweile dritten Generation auch stetig weiter, und zwar nicht nur in New York, London und Tokio, sondern auch in Paris, Wien, Zürich und Berlin und natürlich weltweit online. Im Gegensatz zu den World Series im Baseball wird die Weltmeisterschaft im Beatboxing inzwischen wirklich von Solisten und Crews aus aller Welt ausgefochten, und das kann ja für den Fortbestand des Genres nur gut sein. Christian Arndt www.humanbeatboxing.com www.beatboxbattle.tv www.youtube.com www.myspace.com/therealrahzelpage www.daichibeat.jp www.bauchklang.com

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„…DANN SETZE ICH MIR DIE KOPFHÖRER AUF UND HÖRE MIR DAS IMMER WIEDER AN, SOGAR IM SCHLAF. UND WENN ICH MORGENS AUFWACHE, DANN KANN ICH ES BEATBOXEN.“ HEAR THE WORLD 65


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DJ Spooky: Work play balance Unheimlich. Ja, das ist es. Der Mann ist mir unheimlich. Unheimlich, weil er einen schier immensen Output hat; unheimlich, weil er so viele verschiedene Felder bearbeitet. DJ Spooky: Der Name trifft den Nagel also schon mal voll auf den Kopf. Oder vollständig: DJ Spooky That Subliminal Kid. Den Zusatz hat Paul D. Miller, so sein „richtiger“ Name, aus einem Buch von William S. Burroughs. „Subliminal“ bedeutet „unterschwellig“ – ein DJ, der unter der Schwelle des Bewusstseins arbeitet? Eigentlich eine schöne Beschreibung für jemanden, der in den Augen der meisten Menschen nur dafür da ist, andere Menschen zum Tanzen zu bringen. Dabei sieht sich Miller, Jahrgang 1970, noch nicht einmal als DJ. Zumindest wollte er keiner werden, wie er mir in einem Interview mitteilte: „Ich hatte eigentlich nie vor, DJ zu werden, das war eher ein Nebenprojekt. Ich wollte Künstler werden oder Schriftsteller – die Musik hat dann die Oberhand gewonnen. Aufhören war schwierig, deshalb sagen die Leute jetzt: Der ist DJ! Stimmt nicht, ich bin Schriftsteller, ich schreibe Bücher, ich entwerfe Apps für iPhone und iPad, ich bin Softwareentwickler.“ Sein Vorstoß in die Welt der Software für Smartphones und Tablet Computer hat sich für ihn bezahlt gemacht. Die von ihm mit entwickelten Tools wurden bis jetzt über 6,5 Millionen Mal runtergeladen und ermöglichen ihm, seine anderen Interessen zu verfolgen. „Heute brauche ich nicht mehr so häufig als DJ aufzulegen. Ich will mich auf andere Dinge konzentrieren, zum Beispiel meine Bücher, mein Museum und meine Galerie-Installationen. Derzeit kennt man mich als DJ, der gelegentlich auch Kunst macht, selbst wenn ich mich eigentlich ständig mit Kunst beschäftige. Ich versuche, das umzudrehen. Ich möchte ein Künstler sein, der ab und zu als DJ arbeitet.“ Miller dreht den Spieß einfach um. Eine interessante Sicht auf die Dinge, die nicht verwundert, wenn man auf seinen Werdegang blickt. Er studierte Philosophie und französische Literatur – auch das eher ungewöhnlich für den „gewöhnlichen“ DJ. Die Idee des Remix verfolgt Miller dabei wie kein anderer: Aus bereits vorhandenem Material etwas Neues erschaffen – diese Technik wendet er auch auf anderen Gebieten an. Ob als Künstler, Autor, Softwareentwickler, Dozent oder Musiker. Millers Arbeitsweise ähnelt also der eines Disc Jockeys, aber in den angesagten Clubs der Welt sucht man hinter den Plattentellern vergeblich nach ihm. Miller ist kein herkömmlicher DJ, er experimentiert mit Sounds. Sein Metier ist die Collage, der Remix. Und so wie er mit Sounds umgeht und diese sampelt, so saugt Miller auch alle anderen Eindrücke neugierig auf, mischt und bearbeitet sie und spuckt sie neu zusammengesetzt wieder aus. Nur Musik zu machen, das wäre ihm zu langweilig: „Ich wollte nie normale Musik machen. Musik ist sehr reduktionistisch.“

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Miller lässt sich in keine Schublade stecken. Er ist umtriebig, permanent unterwegs in der Welt und bleibt nie stehen. Er ist der Prototyp eines neuen, ruhe- und rastlosen Künstlertyps – er ist DER moderne „renaissance man“. Ein Blick auf seinen immensen Output verdeutlicht das ohne Umschweife. Als Multi-Media-Künstler hat Miller auf der Biennale in Venedig, der Art Basel Miami Beach, im Museum Ludwig in Köln und in der Kunsthalle Wien ausgestellt. Dann gibt es die Bücher: In „Rhythm Science“ untersucht er die Rolle des DJs als Verwerter verschiedenster Quellen und gibt damit letztlich einen Einblick in seine eigene Arbeit als DJ. „Sound Unbound“ ist eine Sammlung von 36 Essays über „zeitgenössische kompositorische Strategien“ mit Beiträgen von Brian Eno, Steve Reich, Jonathan Lethem, Chuck D, Moby, Saul Williams, Pierre Boulez und vielen mehr. Im Sommer ist sein neuestes Buch erschienen: „The Book Of Ice“. Es entstand auf einer Reise in die Antarktis, den unbewohnten und zu keinem Staat gehörenden Eiskoloss rund um den Südpol. Das Buch ist eine Sammlung von Fotografien, Geschichten und Interviews und enthält auch Millers „Manifesto for a People’s Republic of Antarctica“: Kein Mensch soll sich dort niederlassen dürfen, keine Regierung tätig werden – auch wenn einige Staaten dort seit Langem Ansprüche anmelden. Seine grafischen Arbeiten für das Manifest finden sich in dem wunderbar anzuschauenden Sammelband „Green Patriot Posters“, einem Buch-Projekt, das sich mit den Themen Nachhaltigkeit und dem Kampf gegen den Klimawandel auseinandersetzt. Millers nächstes Buch ist bereits in Planung. Unter dem Arbeitstitel „The Book Of Islands“ führt es uns auch gleich zu einem weiteren aktuellen Projekt des Künstlers – der „Vanuatu Pacifica Foundation“. Auf Tanna, einer Insel im Südpazifik, die zu dem aus über 80 Inseln bestehenden unabhängigen Vanuatu gehört, ist Miller gerade dabei, ein „Center for the Arts“ zu gründen. Miller wurde 2009 auf die Insel eingeladen und war sofort fasziniert vom Leben auf dem abseits gelegenen Archipel. Das „Center for the Arts“ ist als Begegnungsstätte zwischen internationalen Künstlern und Einheimischen gedacht. Es soll den gemeinsamen Dialog fördern und den besuchenden Künstlern und Denkern eine ideale Umgebung für ihre Arbeit bieten. Unsere Technologie des 21. Jahrhunderts mit dem traditionellen ökologischen Wissen der Inselbewohner zu verknüpfen, genau darum geht es hier. „In den vergangenen zehn Jahren habe ich wirklich tolle Erfahrungen mit den Menschen in Vanuatu erlebt. Sie haben mir beigebracht, die Dinge langsamer anzugehen. Unsere Kultur ist sehr schnelllebig und zersplittert. Es ist wichtig für mich, dass ich einen Ort der Ruhe habe, an dem ich mich neu ordnen kann. Ich schätze die Friedlichkeit und Stille dort wirklich sehr.“


Foto: Becky Yee

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„ES IST WICHTIG FÜR MICH, DASS ICH EINEN ORT DER RUHE HABE, AN DEM ICH MICH NEU ORDNEN KANN. ICH SCHÄTZE DIE FRIEDLICHKEIT UND STILLE DORT WIRKLICH SEHR.“ 68 HEAR THE WORLD


Auf die Frage, ob aus dem kleinen Paradies schnell ein gefragtes Reiseziel werden könnte, antwortet Miller vollkommen entspannt: „Der Flug von New York dauert 27 Stunden, die Insel wird also schwerlich von Touristen überlaufen werden.“ Im Moment arbeitet Miller an Nachbauten von originalen Vanuatu-Percussion-Instrumenten. Als Vorlage dienen ihm dabei Trommeln aus der umfangreichen Sammlung des „Weltkulturen Museums“ in Frankfurt am Main. Miller ist dort Gastkünstler und hat das Privileg, beliebige Exponate auswählen zu dürfen, um diese neu zu betrachten und zu interpretieren. „Das Weltkulturen Museum hat eine der führenden Sammlungen ozeanischer Kunst. Ich nutze die Sammlung, die Bibliothek, das fotografische Werk des Museums, um herauszufinden, wie sich moderne Digitaltechniken auf historisches Material anwenden lassen. Ich bringe frischen Wind in die Sammlung und wir machen auch eine Ausstellung.“ Miller plant auch ein Percussion-Projekt mit den Schlagzeugern der Bands Police, Living Colour, Stewart Copeland und Will Calhoun – ob da wohl die Südseetrommeln zum Einsatz kommen werden? Die Pazifikinseln werden auch Thema einer erneuten Arbeit für die Biennale in Venedig Ende 2011 sein. Im Umsetzen neuer Ideen ist Miller Meister. Dabei arbeitet er gerne in Teams und ist keineswegs der Einzelkämpfer, als der er nach außen hin scheint. Die Liste der Menschen, mit denen er zusammengearbeitet hat, ist lang und vor allem bunt. Eine Zusammenarbeit jagt die nächste: Ob mit dem Rapper Chuck D von Public Enemy, Yoko Ono, Thurston Moore von Sonic Youth, Lee Scratch Perry, Dave Lombardo von Slayer oder Meredith Monk, deren neues Album er gerade produziert – Miller hat keine Berührungsängste. 1996 erschien sein erstes eigenes Artist-Album und machte ihn zum Vorreiter eines neuen Genres, das Kritiker mit dem Label „Illbient“ versahen: Eine Mischung aus Ambient und dem aus dem Hip Hop entlehnten Gütesiegel „ill“, das für etwas besonders Krasses – aber letztlich Positives – steht. Remixe für Metallica oder Nick Cave finden sich ebenso in seiner Vita wie Filmmusiken. Doch Miller komponiert nicht einfach einen Score für einen Film. D.W. Griffiths umstrittenen Propagandafilm „Birth Of A Nation“ hat er wie einen DJ-Mix behandelt, in dem er historisches Bildmaterial aus der Vergangenheit und Gegenwart hinzufügte. Der Film wird unter seinen Händen dekonstruiert und quasi neu zusammengesetzt. Der Soundtrack entstand zusammen mit dem Kronos Quartett – ja, Miller schreibt auch für Streicher. Ebenso bei „Terra Nova: „Sinfonia Antarctica“, dem akustischen Porträt seiner Reise in die Antarktis. Auch seine iPhone App hat Miller auf diesem Trip entwickelt.

Inspirationen bezieht er von überall her, die Ideen scheinen ihm niemals auszugehen. Darin liegt seine besondere Stärke. „Einen Großteil meiner Arbeit verbringe ich damit, neue Ideen auszuprobieren.“ Dazu braucht der in New York lebende Miller natürlich auch Zeit – und die ist im Hinblick auf sein Pensum in der Tat knapp bemessen: „Mein Hauptproblem ist, dass ich meine Zeit gut planen muss – mir läuft ständig die Zeit davon. Aber wenn man sich nicht die Zeit nimmt, über neue Ideen nachzudenken, dann wiederholt man immer nur dasselbe.“ Die Zeit zum Nachdenken schafft sich Miller jedoch anscheinend immer wieder und entgeht dabei sicher der Gefahr der ständigen Wiederholung. Miller blickt dabei stets über den eigenen Tellerrand: „Wir müssen schätzen und respektieren lernen, dass andere Menschen ihre Zeit und ihren gesellschaftlichen Freiraum anders gestalten. Das ist etwas, was wir von den Eingeborenen lernen können, das haben sie mir beigebracht.“ Im Juli diesen Jahres verbrachte Miller erneut einen Monat in Vanuatu, um dort mit den Vorbereitungen für den Bau des „Center for the Arts“ zu beginnen. Seine Kurznachrichten über das Netzwerk Twitter kamen da nur noch sporadisch – kein Wunder: „Es gibt nur einen Ort, an dem man seine E-Mails checken kann, und da gehe ich nur selten hin …“ Das ist es: Er braucht dieses Refugium, um sich von all seinen Projekten zu erholen und um nicht ständig erreichbar und verfügbar zu sein. Vielleicht gefällt ihm das Leben im Pazifik ja auch so gut, dass er sich eines Tages dort zur Ruhe setzt … Ich glaube kaum, dafür arbeitet er einfach zu gern. Denn wie sagt er am Ende unseres Gesprächs: „Die Arbeit ist für mich ein Spiel.“ Na dann… Play on, DJ Spooky, play on. Matthias Westerweller

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Foto: Phil Sharp

Jamie Woon – Mädchenmusik August 2007, ein kleines Podest wurde auf einer SommerParty inmitten der Tanzfläche auf der Terrasse unter freiem Himmel in Frankfurt aufgestellt. Darauf dann kurz nach Sonnenuntergang ein den meisten Besuchern unbekannter Mann mit seiner Gitarre, einem Mikrofon, etlichen Pedalen auf dem Boden und einer Loop Station, die er ab und an dazu benutzt, seine Stimme zu vervielfältigen und übereinanderzulegen. Aus der schon langsam angewärmten Tanzveranstaltung geht es wieder einen Schritt zurück, es geht über in ein akustisches Songwriter-Liveset, welches später als magisch und legendär bezeichnet werden wird. Mit den vielen eigenen Kompositionen bis hin zu einer phänomenalen Coverversion des Björk-Klassikers „All Is Full Of Love“ zieht der junge Londoner namens Jamie Woon das Publikum Stück für Stück in seinen Bann, am Ende singen über 300 Stimmen den Refrain mit. Alles ist voller Liebe und die anschließende Party geht mit den zufrieden und gelöst lächelnden Tänzern weiter bis zum Sonnenaufgang über dem kleinen See, der hinter dem Podest in Frieden glattgestrichen im Morgenlicht liegt.

Songs zunächst bei den von ihm selbst kuratierten „One Taste“-Abenden vor, einer Plattform für junge, unbekannte Performer einer aufkommenden neuen Welle von Singer-/ Songwritern. Neben dem Schaffen seiner Mutter zählen Namen wie Joni Mitchell, Stevie Wonder, Neil Young, R&BGrößen wie D’Angelo und Boyz II Men, aktuellere Namen wie Mount Kimbie oder eben jener James Blake und die Tulsa-Sound-Legende J.J. Cale zu seinen größten Einflüssen. „Ich mag Musiker, die neue Wege finden, um dieses Blues-Feeling zu transportieren. Schließlich ist Blues das Fundament von sämtlichen Musikrichtungen, die heutzutage angesagt sind. Blues & Bass – das nenne ich mal einen Hybridsound!“ Und diesen Sound reichert Jamie Woon mit einer gehörigen Prise Pop an. Auf „Mirrorwriting“ sind nun etliche „Woon-Evergreens“ wie „Spirits“, in dem er dazu aufruft, vorsichtiger mit der Natur umzugehen, oder der Lovesong „Gravity“ und eines der Lieder, die ihm beim nächtlichen Spazierengehen eingefallen sind („Waterfront“) sowie mehrere potenzielle Hits enthalten. „Lady Luck“ ist der wohl herausragendste und radiotauglichste davon.

Ein Setting ganz nach dem Geschmack des 28-jährigen Woon, schließlich liebt er es, nachts zu arbeiten, die Stille und damit einhergehende sprudelnde Kreativität lassen die meisten Songs seines ständig wachsenden Repertoires entstehen. Auch bei nächtlichen Spaziergängen. Diese Leidenschaft für die Nachtarbeit vertonte er nun in dem fulminanten „Night Air“, dem Opener seines Debütalbums „Mirrorwriting“ (Polydor/Universal), welches knapp vier Jahre brauchte, um den finalen Schliff zu bekommen. Und dazu eine Transformation der ursprünglich akustisch mit Gitarre komponierten und auch so bei zahllosen Auftritten dargebotenen Stücke hin zu elektronisch angereicherten Songs, bei denen am Ende oftmals die Gitarre gar nicht mehr zu hören ist. Traditionell entstehen auf diesem Wege Popsongs, und genau das ist es, was Jamie Woon schon immer machen wollte. Auch wenn ihn viele Musikschreiberlinge, zusammen mit dem im letzten Heft vorgestellten James Blake, einem real gar nicht existierenden Genre zuordnen möchten, nämlich Post-Dubstep. Dies rührt wahrscheinlich daher, dass seine erste offizielle Veröffentlichung, eine Version des amerikanischen Traditionals „Wayfaring Stranger“, die Ohren der Protagonisten einer aufkeimenden Dubstep-Szene in England erreichte. Dabei geht es vordergründig um die samtweiche Stimme des Londoners, mit der er sehr gerne spielt. „Ich liebe Sachen mit viel Hall. Natürlich kann man es auch übertreiben, aber man kann damit einfach mal unglaublich gut Stimmungen und Atmosphären kreieren. Ich stehe halt auf die ganz, ganz tiefen Subbässe, und drum herum muss ganz viel Freiraum bleiben. In diese Freiräume kann man dann kleine, aber feine Akzente einstreuen, und sonst ist dieser gewaltige Hohlraum nur für eine Sache da: die Stimme.“ Inspiriert von den Studiosessions seiner Mutter, der schottischen Folk-Legende Mae McKenna, fing Woon an Songs zu schreiben. McKenna sang für unzählige Superstars wie Björk oder Michael Jackson und war bei vielen Produktionen im Backgroundchor dabei. Woon trug seine eigenen

Mit das Bemerkenswerteste an Jamie Woon ist, dass er sich sein Publikum über knapp fünf Jahre hinweg per Liveshows und ganz ohne Unterstützung großer Labels erspielt hat. Da ist er seinen Vorbildern und Inspirationen sehr nahe. Man kommt nicht umhin, dies alles als Mädchenmusik zu bezeichnen, sein charmantes, eher schüchternes Auftreten bei den Liveshows spielt da bestimmt auch eine nicht untergeordnete Rolle. Songs, die er ursprünglich akustisch eingespielt hat, um sie dann komplett mit dem Computerprogramm Ableton auf Platte zu produzieren, werden nun mit einer fünfköpfigen Band wieder auf die Bühne gebracht. Und doch kommt die Magie erst wieder zurück, wenn er bei den Zugaben alleine auf der Bühne steht und zurück zu seinen Wurzeln geht. Es braucht nicht mehr als einen Soulboy mit sanfter Stimme und Gitarre, der seine Emotionen glaubhaft über seine Musik verbreitet. Ob ihm das auf Dauer gelingen wird, und wo der Weg für Jamie Woon noch hingeht, wird sich Ende dieses Jahres weisen, wenn in England der renommierte Mercury Prize vergeben wird. Nominiert ist er jedenfalls, basierend auf der Initialzündung durch die einflussreiche Positionierung der BBC im Januar 2011 auf dem 4. Platz des „Sound of 2011“-Rankings. Doch dazu gehört dann eventuell doch eine größere Bandbreite oder ein mehr auf den Punkt definierter Sound, wie ihn sein Kollege James Blake konsequent auch live mit Gänsehautmomenten darbietet. Der ist schließlich ebenfalls nominiert…und wird von beiden Geschlechtern gleichermaßen gern gehört. Und hat darüber hinaus noch das Zeug, ganz andere musikalische Türen aufzumachen. Wer auf gute Popmusik steht, die mittels eingängiger Melodien im Ohr bleibt, dem sei Jamie Woons Debüt für dieses Jahr ans Herz gelegt. Was dann kommt, geht hoffentlich über ein One-Album-Wonder hinaus, steht aber in den Sternen. Wie damals im Mondschein unter dem Frankfurter Himmel … Michael Rütten HEAR THE WORLD 71


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Philipp Rathmer – mit geschärftem Blick Wenn man ihn fragt, was für ihn typisch ist, sagt er, dass er wohl einer der größten FC-St.-Pauli-Fans überhaupt ist. Immer nah am Geschehen und das Treiben fest im Blick. Das kommt ihm auch beruflich zugute. Der Hamburger Fotograf Philipp Rathmer hat ihn halt einfach, den Blick fürs Besondere. Und er ist experimentierfreudig und überaus vielseitig. Das hat er in diversen Produktionen bewiesen und sich längst einen Namen gemacht. Prominente, Mode, Beauty, Porträts, Landschaften – was Rathmer auch vor die Linse kommt, er fängt die Macht des Augenblicks ein und überrascht immer wieder aufs Neue. Er spielt mit Farben, Licht und Material und erzielt außergewöhnliche Resultate. Wer nun aber glaubt, Rathmers Schaffen beschränke sich auf Glanz und Glamour und künstlich herbeigeführte Ästhetik, der irrt. Denn er hat die Welt bereist und viel gesehen, Schönes und weniger Schönes.

Mit Unterstützung der Hear the World Foundation werden alle betroffenen Kinder ausgiebig untersucht und anschließend mit einem an ihre Bedürfnisse angepassten Hörgerät ausgestattet, was ihre Chancen auf Bildung und Ausbildung in ihrem Heimatland erheblich steigert und ihre gesellschaftliche Ausgrenzung verhindern kann. Als wüssten die Kinder genau um diese Verbesserung ihrer Lebensumstände, strahlten sie in Rathmers Kamera und lassen uns teilhaben an ihrem neu erworbenen Glück. Dieses kleine Glück einzufangen und auf Papier zu bannen, ist Beobachter Rathmer uneingeschränkt gelungen. Sandra Spannaus www.philipprathmer.de www.hear-the-world.com/foundation

Fotos: Philipp Rathmer

Mit dem Schweizer Musiker und Hear the World-Botschafter Patrick Nuo war er nun in Afrika und hat sich, fernab von Kommerz und Schönheitswahn, in den ärmsten Stadtgebieten von Kenias Hauptstadt Nairobi umgesehen. Entstanden sind unspektakuläre und gerade deshalb umso eindrucksvollere Momentaufnahmen: ungeschönte, sehr ausdrucksstarke Porträts von sozial benachteiligten Kindern, die allesamt unter einer Hörminderung leiden.

Sichtlich beeindruckt zeigte sich Rathmer vom Engagement der ehrenamtlich arbeitenden deutschen HNO-Ärztin Dr. Michaela Fuchs und ihren Mitarbeitern, die „eine Wahnsinnsarbeit machen“ und mit viel Herzblut genau da helfen, wo es am Nötigsten fehlt und die Grundversorgung selbst der Kleinsten nicht gesichert ist.

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EUNICE RAGIRA HEAR THE WORLD 73


CHERONO KIRUI 74 HEAR THE WORLD


GLADWELL NJOKI HEAR THE WORLD 75


JASRAJ GAHIR 76 HEAR THE WORLD


JAMES NJERU HEAR THE WORLD 77


PETER MWAURA 78 HEAR THE WORLD


KELVIN OTIENO HEAR THE WORLD 79


MODERN

Die Stimme von Sam Prekop Wenige Jahre vor seiner Geburt und ein paar hundert Kilometer südlich von Chicago ereignete sich Ende der Fünfziger etwas, das für Sam Prekop eine gewisse Bedeutung haben sollte. Der damals ganz unbekannte João Gilberto stahl sich für einige Zeit aus dem pulsierenden Rio de Janeiro davon und flüchtete an den kleinen Ort Diamantina in die Arme der Verwandtschaft. Der Sänger befand sich in einer Krise und hoffte, abseits der Metropole seinen musikalischen Visionen näher zu kommen. Stundenund tagelang schloss er sich zum Leidwesen der anderen Mitbewohner ins kleine Badezimmer ein, spielte Gitarre und sang die Wände an. Als er schließlich wieder in die Welt hinaustrat, hatte er ihr ein Geschenk zu machen: die Bossa nova. João Gilbertos Stimme musste sich im Lauf der Badezimmer-Emigration fast verflüchtigt haben, immer sanfter und ätherischer ist sie geworden, das reine Sehnen. Die Kacheln des Badezimmers verziehen nichts, noch die kleinste Exaltation wurde von ihnen als Krach ans penible Ohr zurückgeworfen. João Gilberto wurde zu einem der leisesten, bezauberndsten Sänger der Geschichte, und einen seiner größten Verehrer fand er in Sam Prekop. Wann immer Prekop nach den wichtigsten Alben seines Lebens gefragt wird, nennt er das sogenannte „Weiße Album“ von Gilberto aus dem Jahr 1973. Hier vermischen sich Melancholie, Schlichtheit, Sanftmut, Intensität, Virtuosität und Rhythmus aufs Innigste. Wer genau lauscht, findet in Sam Prekops Gesang genau jene Elemente wieder – man hört in ihr nicht nur die effeminierte Kopfstimme der Soulsänger aus den Sechzigern und Siebzigern, man ahnt nicht nur den Einfluss von Curtis Mayfield oder Smokey Robinson, sondern man vernimmt eben auch die zur Stille strebende Stimme João Gilbertos. Sam Prekop, Musiker und Fotokünstler aus der Jazz- und Postrock-Hochburg Chicago, machte Anfang der Neunziger erstmals mit der Band Shrimp Boat von sich reden, aus deren Konkursmasse 1993 The Sea and Cake entstanden ist. Vor Kurzem erst ist die neunte Platte der Gruppe erschienen, der neben Prekop noch Archer Prewitt an der Gitarre, Eric Claridge am Bass und John McEntire am Schlagzeug angehören. Wie auf den acht Alben zuvor geht es auf „The Moonlight Butterfly“ nicht um Innovation oder gar radikale Brüche, sondern um das Fortschreiben bereits entwickelter musikalischer Formen, um Vertiefung, um den Versuch, noch ein bisschen weiter zum Wesen eines Songs vorzudringen. Der Drive dieser Band wird mit solcher Behutsamkeit entwickelt, dass man gar nicht merkt, wie sehr einen der Sound mitreißt. Sam Prekop schreibt dabei seit Jahrzehnten an ein und demselben Stück: ein dahingleitender, feingliedriger Song, hingehaucht, verhuscht, federnd. Manchmal ist einem das Englisch, das Prekop singt, so fremd wie das Portugiesisch von João Gilberto. Es geht um Klang und der Klang erzeugt eine aus dem Gefühl geborene Bedeutung. Zu diesen sofort identifizierbaren Soundbildern gehören Prekops und Prewitts meist auf den hohen Saiten gespielte GitarrenRiffs, die sich umgarnen, umschmeicheln, während Claridges Bass im Hintergrund sonore, elegante Linien 80 HEAR THE WORLD

formt, die mehr melodischen als rhythmischen Charakter haben. Nur John McEntire erscheint mit seinem meist geradlinigen Beat weniger „sophisticated“, als müsste es wenigstens ein stabiles Fundament für diese ansonsten leichthin davonschwebenden Klänge geben. Über allem aber thront die Stimme Prekops, auch wenn der Begriff „thronen“ gleich wieder zurückgenommen werden muss, denn sie ist keineswegs protzig oder pompös oder auf Repräsentation aus: Sie scheint sowohl über die anderen Instrumente hinwegzugleiten als auch aus dem Gesamtsound der Band aufzutauchen, aus der Geräuschkulisse hervorzutreten, Teil des Ganzen und doch ganz präsent und prägend, ganz unscheinbar zunächst. Wie ein schüchterner Schauspieler, der kurz hinter dem Vorhang ins Publikum lugt, bevor er sich auf die große Bühne traut, um dort mit kleinen Gesten und einer behutsamen Mimik immer mehr Sicherheit zu gewinnen und schließlich zu triumphieren. Prekop ist ein minimalistischer Sänger. Er spielt sein Instrument leise, aber filigran. Das war nicht immer so, auch diese Zurückhaltung ist das Ergebnis einer Vertiefung, eines vielleicht noch immer fortdauernden Prozesses: Gab es bei Shrimp Boat und auf den frühen Alben von The Sea and Cake noch Ausbrüche großer Emotionalität, die sich stimmlich und sinnlich manifestierten, in einem Schreien und Kreischen zuweilen, so hat sich im Laufe der Jahre immer mehr eine stoische Sanftheit entwickelt. Vielleicht, denkt man manchmal, wird diese Stimme tatsächlich einmal so weit zurückgenommen, dass man sie kaum noch oder gar nicht mehr hören kann. Einen Vorgeschmack, wenn man so will, gab das letzte Soloalbum von Sam Prekop mit dem Titel „Old Punch Card“. Elektronische Frickeleien auf dem Synthesizer, ein ganz neuer, für Prekop ungewöhnlicher Sound – und die Stimme war ganz verschwunden. Auf „The Moonlight Butterfly“ ist sie zum Glück wieder zu hören, so schön und wirkungsvoll wie schon auf den letzten drei Alben der Band. Dass es aber doch ein paar kleine Verschiebungen im dichten Soundgewebe von The Sea and Cake gibt, davon zeugt auf dem neuen Album am ehesten das Synthesizer-Titel-Stück „The Moonlight Butterfly“, das an das letzte Soloalbum Prekops erinnert. Es wirkt zunächst wie ein Fremdkörper, gibt dem Mini-Album aber Struktur und konturiert die Machart der anderen Songs eher, als dass es sie konterkariert. Der Synthesizer bildet auch das Gerüst für „Inn Keeping“, ein langes, über einem pulsierenden Motiv gebautes Stück, das diskret an Krautrock andockt und diese zurückgelehnte Entspanntheit transportiert, die The Sea and Cake zur spektakulärsten unspektakulären Band des Universums macht. Und Sam Prekop zu einem der ätherischsten Sänger der Gegenwart. Ulrich Rüdenauer


HEAR THE WORLD 81 Foto: Erik Keldsen


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AMY WINEHOUSE (* 14. SEPTEMBER 1983; † 23. JULI 2011) Thank you Amy – your music will never be forgotten.


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