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„Es gibt keinen Königsweg“ Burnout-Behandlung
C In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Kliniken vervielfältigt, die sich auf die Behandlung von Burnout spezialisiert haben. Ausgebrannten Führungskräften versprechen die Zentren eine vergleichsweise schnelle Heilung. Doch ist die Therapie auch nachhaltig? managerSeminare sprach mit Klinikleiter Joachim Galuska über die erfolgskritischen Faktoren einer stationären Behandlung.
Das Thema Burnout hat in den vergangenen zwei Jahren extrem viel Aufmerksamkeit bekommen. Gibt es tatsächlich einen Burnout-Boom? Joachim Galuska: Wir Fachleute beobachten schon seit fünf bis zehn Jahren und mit zunehmendem Erschrecken, dass die psychischen Störungen in der Bevölkerung zunehmen – und zwar in allen Schichten, Altersgruppen, bei beiden Geschlechtern und übrigens auch in allen Berufen. Seit jedoch die Krankenkassen Alarm schlagen und Medien berichten, ist das Thema in der Gesellschaft angekommen. Der Begriff Burnout hat so viel Resonanz, weil er es leichter macht, über das Thema zu sprechen. Nach dem Motto: Ich habe unglaublich
managerSeminare know-how | Heft 176 | November 2012
viel getan, ich habe viel gearbeitet, und jetzt habe ich das Recht, erschöpft zu sein. Aus dieser Betrachtungsweise kann man das Thema scheinbar besser annehmen und reflektieren. Wir Experten finden es grundsätzlich gut, dass überhaupt über das Thema gesprochen wird – egal in welcher Form. Warum gibt es dann heute mehr psychisch belastete Menschen? Galuska: Man kann dabei von einem internationalen Phänomen sprechen, das mit zunehmendem Wohlstand einhergeht. Je mehr Industrialisierung, je mehr Wohlstand, umso mehr psychische Erkrankungen. Die Frage ist: Woran liegt das? Sind wohlhabende Menschen anfälliger? Wir glauben heute, dass die Hauptursache darin liegt, dass die sozialen Bindungen abnehmen, bzw. die Fähigkeit, Beziehungen einzugehen. Das heißt: Die Menschen haben weniger tragfähige Beziehungen und sind weniger eingebunden in soziale Systeme, die sie führen, z.B. Familie, das Dorf oder der Freundeskreis. In einer Dorfgemeinschaft gab es früher
Der Interviewpartner: Dr. med. Joachim Galuska ist Gründer, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor der Heiligenfeld Kliniken, die auf die Behandlung von psychosomatischen Erkrankungen spezialisiert sind. Als Initiator der bundesweiten Kampagne „Aufruf zur psychosozialen Lage in Deutschland“ setzt er sich für einen neuen Ansatz der Prävention von psychosomatischen Erkrankungen ein. Für sein ehrenamtliches Engagement wurde Dr. Joachim Galuska im Jahr 2010 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
zwar eine stärkere soziale Kontrolle. Das war ein Korsett, das einengte und nicht immer gut war. Es bot Menschen jedoch auch einen Orientierungsrahmen und gab Struktur. In unserer Gesellschaft gibt es solche sozialen Korsetts kaum noch. Das hat Vorteile. Es führt jedoch auch zu mehr Orientierungslosigkeit und Überforderung. Bisher sind sich Experten uneins darüber, was Burnout genau ist und als was es einzustufen ist: eine Modekrankheit oder einfach nur ein neues Wort für einen Nervenzusammenbruch. Wie definieren Sie Burnout? Galuska: Für mich ist Burnout keine Krankheit, sondern ein Entwicklungsprozess, der in Phasen verläuft und letztlich zu einer psychischen Erkrankung führt. In der letzten Stufe des Burnout-Prozesses bricht die Leistungsfähigkeit komplett zusammen. Meist treten dann Symptome in einer Form auf, die für den Menschen typisch ist. Das können beispielsweise Rückenoder Kopfschmerzen sein. Andere sogenannte Muster der Dekompensation