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Stillstand bedeutet Rückschritt

Lockerlassen, durchatmen und einfach hängen lassen. So oder so ähnlich lauten Körperübungen, die die Beweglichkeit und Flexibilität fördern sollen. Eine derartig leicht zu befolgende Anleitung für das Personalmanagement existiert leider noch nicht. Hier jedoch zumindest ein Versuch:

Ein Beitrag von Jasmin Nimmrich

Für Jutta Rump bedeutet Flexibilität eine zügige Reaktion auf Entwicklungen, insbesondere solche der disruptiven Art. Viel zu planen und den Blick in die Zukunft zu wagen, um ein Gefühl von Sicherheit und Berechenbarkeit zu erlangen, kann Flexibilität fördern, aber auch unterbinden. „Denn Veränderung ist ein Normalzustand“, so die Professorin für Betriebswirtschaftslehre der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen. Doch wer sich strecken und nach den Sternen greifen will, erreicht diese nur in den seltensten

Fällen durch Alleinarbeit. So ist es auch in Unternehmen der Fall, die sich durch Veränderung für die Gegenwart und Zukunft wappnen können, müssen und wollen. Doch dabei stellt sich die Frage, wer oder was die Veränderung antreibt. Ist es das Top-Management, das vorneweg galoppiert, oder sind es die Führungskräfte, die ihre Abteilungen auf „komme, was wolle“ hinter sich her schleifen? Oder ist es gar eine tiefgehende Begeisterung für eine Innovation oder Anpassungen, die alle Hierarchiestufen des Betriebs erfasst?

Veränderung, egal was sie antreibt, braucht Zeit. Zeit, um in den Köpfen anzukommen und in Handlungen übersetzt zu werden, aber auch um nachzuhallen und durch- oder überdacht zu werden. Um während einer Phase der Veränderung weiter flexibel und handlungsfähig zu bleiben, muss daher in jeder Organisation ein gewisser Handlungsspielraum gegeben sein. „Denn man muss die Schrauben noch bewegen können, um das Rad weiter am Laufen zu halten“, meint Jutta Rump. Die Expertin für Organisationsentwicklung hält eine flexible betriebliche Planung gerade in Anbetracht von vorhersehbaren und langfristigen Megatrends durchaus für machbar. Doch kaum ein Plan ist makellos, und nur die kontinuierliche Evaluation und ein Innehalten an

Zwischenstationen machen Flexibilität und Anpassung möglich. Doch wie lassen sich Träume in die Wirklichkeit übersetzen?

Die Gänsehaut der Unwissenden

Große Veränderungen können, und das ist durchaus nachvollziehbar, für Verunsicherung sorgen oder gar Ängste schüren. Denn es ist das Unbekannte, das uns ängstigt, und gerade in Krisenzeiten die Gemüter erstarren lässt. Wer nur über wenige Informationen verfügt, der klammert sich an dem wenigen Bekannten, am Status quo, fest. Doch dieser Starre lässt sich leicht Abhilfe verschaffen. Die beiden Gründerinnen der EmployerBranding-Beratungsfirma Cake Consulting, Diana Will und Antje Vogel, empfehlen zur Abschwächung von Informationsdiskrepanzen aktive Partizipation und interne Transparenz – und das auch schon, bevor Veränderungsprozesse oder eine Krisensituation beim Arbeitgeber zum Thema werden, etwa bereits beim Aufbau einer Arbeitgebermarke. „Eine authentische interne Kommunikation zu Veränderungsprozessen kann nur gelingen, wenn die Werte des Unternehmens abgesteckt und im gesamten Betrieb bekannt sind“, hält Antje Vogel fest.

Doch zu viel Wissen, gerade im betrieblichen Kontext über für das Individuum irrelevante Informationen, können genauso überfordern wie Nicht-Wissen. Deshalb rät die Arbeitgebermarken-Expertin Will: Die Dosierung und Kontextualisierung sind entscheidend! Denn wenn die teilweise heftigen Reaktionen, die auf Überforderung oder Überrumplung folgen, nicht abgefedert werden und kein Erklärungswille im Unternehmen besteht, dann kann dies in den befürchteten Ängsten und kontraproduktiver Verunsicherung enden. Es bedarf also eines moderierten Informationsaustauschs, der anstehende Veränderungen erklärt und nachvollziehbar macht. Doch wie lassen sich Transparenzmaßnahmen in einen Dialog zwischen Entscheiderinnen und Betroffenen überführen?

Für Jutta Rump braucht es an dieser Stelle, wenn also große Veränderungen anstehen und diese umfangreich innerhalb des Unternehmens kommuniziert werden, eine eindeutige Ansprechperson. Diese muss zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, ein offenes Ohr haben und management by wandering around betreiben, also offensiv den Austausch mit den Angestellten suchen und nicht erst auf verunsicherte Nachrichten aus den Abteilungen warten. Das Unternehmerinnen-Duo von Cake Consulting präsentiert zwei weitere Möglichkeiten zur Teilhabe von Mitarbeitenden. Zum einen das Angebot freiwilliger Workshops, deren

Teilnehmerlisten das breite Spektrum der Beschäftigten repräsentieren und die zum offenen Austausch und zur abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit einladen. „Wer mitsprechen und sich einbringen kann, der identifiziert sich auch mehr mit dem Endergebnis“, erklärt die Arbeitgebermarken-Expertin Vogel. Als zweite Herangehensweise an die Veränderungspartizipation, die sich besonders als Ergänzung zu Workshops eignet, empfiehlt Cake Consulting Mitarbeitenden-Befragungen. Mittels dieser lasse sich ein umfangreiches Meinungsbild und ein Überblick der Kritikpunkte und Sorgen der Belegschaft erstellen. Dem vorzuziehen sei aber immer der persönliche Austausch. Und: „Nur weil ich sie bereitstelle, müssen Dialogmöglichkeiten nicht automatisch wahrgenommen werden, denn das ist auch immer eine Frage der Unternehmenskultur. Aber Transparenz und Austausch sollten gerade beim ChangeManagement und generell im Zusammenhang mit erfolgreichen Arbeitgebermarken Hand in Hand gehen.“

Nicht um jeden Preis

Die Coronapandemie hat laut Jutta Rump mit einer vehementen Alternativlosigkeit des Status quo Veränderungen erzwungen. Ebenso hat sie aufgezeigt, wie notwendig die Fähigkeit ist, sich neuen Umständen anzupassen, und weiterhin werden wird. Spulen wir aber vor in die Gegenwart, dann sei nun teilweise eine „Rolle rückwärts“ zu beobachten, denn für manche war das zu schnell zu viel Veränderung. Wenn derartig tiefgreifend angepackt, Arbeitsrealitäten verändert und etablierte Routinen infrage gestellt wird, dann ist es auch erlaubt, mal innezuhalten und sich nach der Normalität der Vergangenheit zu sehnen. Sich jedoch in einer Prozessnostalgie zu verlieren, würde jedem Unternehmen das Genick brechen.

Und überhaupt: Alle Menschen immer mitzunehmen, diesen Anspruch sollte man nicht haben. Bereits in den 1960er Jahren beschrieb der Kommunikationswissenschaftler Everett Rogers mit der Diffusion der Innovationstheorie, wie Menschen auf Innovation und Veränderung reagieren. Demzufolge könnte man mit knapp zweieinhalb Prozent Treibern, also den Vorstürmenden und Innovationsfreudigen, rechnen. Circa 13,5 Prozent erkennen den Wert der Veränderung bereits mit wenig weiterer Information, während 34 Prozent, die Rogers zur frühen Mehrheit zählt, zwar etwas mehr Wissen und Erfahrungswerte benötigen, in der Adaption jedoch auch zu den Vorreitenden gehören. Darauf folgen dann weitere 34 Prozent der späten Mehrheit, die sich nur durch die Befürwortung der Masse überzeugen lassen. Es bleiben zuletzt 16 Prozent übrig, die Rogers als

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