Lieber Herold-Leser, Jesus Christus ist die bedeutendste Person aller Zeiten. Das haben im Jahr 2013 die beiden Professoren Steven Skiena und Charles Ward Mittels einer quantitativen Analyse herausgestellt. Sie haben die Ergebnisse von Wikipedia, Google-Rankings und News Feeds analysiert, um eine Rangliste von mehr als tausend historischen und prominenten Persönlichkeiten zu erstellen – von Elvis Presley über Beethoven, von Stalin bis zu Königin Victoria. Und als Ergebnis landete Jesus auf Platz 1, gefolgt auf Platz 2 und 3 von Napoleon und William Shakespeare.* Dieses Jahr (2024) hat die Microsoft-Newsseite MSN dieselbe Analyse unter Zuhilfenahme eines Google Analyseprogramms wiederholt. Sie haben eine riesige Ansammlung von Büchern und Texten durchsucht, um festzustellen, welche Persönlichkeit „die größten Spuren in unserem kollektiven Bewusstsein hinterlassen hat“ – kurz: Welche Person hat unser Denken am meisten prägt. Wieder landete Jesus auf Platz 1.** Interessant ist, dass sich unsere (zumindest westliche Gesellschaft) hingegen immer weiter von dem entfernt, wofür Jesus Christus eigentlich steht – von seinen Lehren und von der Überzeugung, dass Jesus die Inkarnation Gottes ist und dass allein in ihm Rettung zu finden ist. Dieser deutliche Widerspruch lässt sich dadurch erklären, dass viele Menschen sich eine eigene Vorstellung von Jesus basteln. Sie wollen selbst definieren, wer Jesus „war“ und wofür er „stand“. Dabei ist die Realität unendlich viel besser als die gebastelte Version. Denn um Jesus wirklich kennen zu lernen, müssen wir uns einfach der Bibel, dem Wort Gottes, zuwenden. Was wir dort von und über Jesus finden, wird nicht nur unser Bild von Jesus prägen, sondern unser ganzes Leben. Schließlich ist es unmöglich, Jesus zu begegnen, und unverändert zu bleiben. Daher möchten wir in dieser Herold-Ausgabe auf drei Begegnungen eingehen, die verschiedene Männer und Frauen mit Jesus hatten – Begegnungen, die das Leben und die Welt dieser Menschen vollkommen erneuert haben. Wir möchten dich dabei ermutigen und möchten dir helfen, deinen Blick und dein Vertrauen neu auf Jesus Christus zu lenken. Er ist herrlicher, als wir uns je vorstellen können.
Maria und Martha – das sind zwei Frauen, die zu Sinnbildern innerhalb christlicher Kreise geworden sind. Das bekannte Ereignis, bei dem Maria zu Jesu Füßen sitzt, während Martha fleißig dient und dabei unwillig wird, hat beiden einen gewissen Stempel aufgedrückt.
Doch es gibt in der Bibel noch eine weitere Begebenheit, in der uns die beiden Frauen begegnen. Johannes 11, das Kapitel, in dem Jesus Lazarus von den Toten auferweckt, ist in weiten Teilen eigentlich ein Kapitel der Begegnung zwischen Jesus und seinen geliebten Freundinnen Maria und Martha.
Die beiden stammen aus einem Dorf namens Betanien; der Name bedeutet (je nach Ursprung des Wortes) „Haus des Elends“ oder „Haus der Datteln“ – also ein Ort der Not oder der Fülle! Es ist ein Dorf am Osthang des Ölbergs, ca. 3 km von Jerusalem entfernt. Hier hielt Jesus sich relativ häufig auf, bei seinen Freunden Martha und Maria und deren Bruder Lazarus.
„Es lag aber einer krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf Marias und ihrer Schwester Marta. Maria aber war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar getrocknet hatte. Deren Bruder Lazarus war krank. Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du lieb hast, liegt krank“ (Joh 11,1-3).
Lazarus, ihr Bruder und ein Freund Jesu ist krank, was liegt da für die Schwestern näher, als Jesus von ihrer Not zu erzählen? Sicher hatten sie schon viele seiner Wunder gesehen oder zumindest darüber gehört. Und so sandten sie
voller Glauben diese Botschaft an ihren Freund. Wenn Jesus schon so viele „Unbekannte“ geheilt hatte, dann wird er doch ganz sicher den heilen, den er lieb hat, oder?
Doch dann hören sie nichts mehr von Ihm. Er kommt nicht mit dem Boten zurück geeilt, ja, er kommt überhaupt nicht! Natürlich wissen sie, dass es für Jesus gefährlich ist, sich in der Nähe Jerusalems aufzuhalten, denn schließlich planen die Obersten, ihn zu töten. Aber es geht hier doch um das Leben ihres Bruders.
Mit der Zeit verschlechtert sich Lazarus’ Zustand immer mehr. Die Schwestern bangen, warten und hoffen, aber Jesus kommt nicht.
Und dann stirbt Lazarus. Und mit ihm die letzte Hoffnung. Es ist zu spät. Jesus ist nicht rechtzeitig gekommen. Wäre er doch hier gewesen. Vielleicht kann er ihn jetzt, wenige Stunden nach seinem Tod noch aufwecken? Aber er kommt einfach nicht.
Maria und Martha müssen Lazarus begraben, und mit ihm alle Hoffnung, dass noch etwas geschieht. Vier Tage vergehen. Es kommen viele Menschen und trauern mit ihnen. Manche fragen nach ihrem guten Freund Jesus, und warum er nicht gekommen sei. Fragen, die wie Salz in der Wunde brennen.
Jesus begegnet Martha und Maria
Doch dann hören sie endlich die Nachricht: Jesus kommt. Er ist unterwegs zu ihnen. Vier Tage nach der Beisetzung.
Martha hält nichts mehr im Haus. Sie verlässt die Trauergesellschaft und ihre Aufgaben und läuft Jesus ent-
von Rahel Fröse
gegen. Maria aber bleibt. Vielleicht ist ihre Enttäuschung zu groß. Vielleicht hält ihr Ärger sie zurück.
Außerhalb des Dorfes trifft Martha auf Jesus, und ohne Umschweife platzen die Worte aus ihr heraus, die sicher seit Tagen in ihr rumorten:
„Herr, wenn du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder nicht gestorben; und jetzt weiß ich, dass, was du von Gott bitten magst, Gott dir geben wird.“
In diesen Worten liegen Bedauern, aber auch Vertrauen. Doch wie wir gleich sehen, reicht ihr Vertrauen nicht aus, um zu glauben, dass Jesus hier und heute handeln kann, denn als Jesus sagt: „Dein Bruder wird auferstehen“, entgegnet sie: „Ich weiß, dass er auferstehen wird in der Auferstehung am letzten Tag.“
Martha vertraut auf Jesu Kraft, aber sie ahnt nicht, dass er hier und jetzt noch etwas bewirken kann. Sie glaubt an die Auferstehung und an Gottes Macht über den Tod, doch für sie liegt das in weiter Ferne.
Und so spricht Jesus einer einzelnen Frau, mitten in ihrer Trauer und ihrer Zerrissenheit, gegen ihren Zweifel sein großes, göttliches „Ich bin“ zu:
„Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; und jeder, der da glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit.“
Und dann folgt eine liebevolle, herausfordernde Frage an Martha: „Glaubst du das?“
Mit dieser Frage fordert Jesus Martha heraus, eine Glaubensaussage zu treffen. Und Marthas Antwort ist gewaltig:
„Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“
Hier geschieht etwas Erstaunliches: Jesus führt Martha aus ihrer Trauer und ihrer Vorwurfshaltung heraus in eine Haltung der Anbetung, indem er sie auffordert, ihren Glauben auszudrücken. Jesus fordert Martha auf, sich auf den sicheren Grund ihrer Hoffnung zu stellen, auf den festen Felsen Jesus, inmitten ihrer emotionalen Achterbahn. Und als sie das tut, bekommt sie festen Boden unter den Füßen.
Jesus schickt nun Martha los, um Maria zu holen. Er ruft sie. Er will ihr nicht in der Menschenmenge begegnen, sondern allein, außerhalb. Persönlich und vertraut. Und er wartet auf sie. Er hat es nicht eilig (V.28-30).
Maria steht sofort auf und läuft los. Alle anderen sehen in ihr nur die trauernde Schwester, die sich von ihrem Kummer zu dem Grab des verstorbenen Bruders reißen lässt. Doch sie liegen falsch: Maria läuft zum Leben, zur Auferstehung. Sie rennt zu Jesus und fällt ihm zu Füßen und spricht zu ihm: „Herr, wenn du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder nicht gestorben.“
Dieselben Worte wie Martha. Wer weiß, wie oft die beiden zueinander gesagt haben: „Wenn Jesus nur hier wäre, dann…“
Und doch ist es schön, wie unterschiedlich die beiden Schwestern mit ihrem Kummer umgehen. Während Martha in das Gespräch mit Jesus eintaucht, über tiefe Glaubenswahrheiten spricht und eine umwerfende Selbstoffenbarung Jesu bekommt, darf Maria mit all ihrem Kummer und ihren Tränen zu Jesus laufen und sich zu seinen Füßen ausweinen. Sie schüttet ihr Herz bei ihm aus, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie ist zutiefst ehrlich. Sie kann sich nicht zurückhalten und Haltung bewahren. Alles strömt gerade so aus ihr heraus. Und was tut Jesus? Macht er das gleiche wie bei Martha? Nein, er sieht sie an und sieht die anderen Weinenden und er weint mit ihnen.
„Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr kamen, ergrimmte er im Geist und erbebte und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie sprachen zu ihm: Herr, komm und sieh! Und Jesus gingen die Augen über.“
Was dann geschieht ist unglaublich: Jesus steht vor der Gruft und lässt Anweisung geben, dass der Stein weggerollt werden soll. Ein Erstaunen, vielleicht gemischt mit Angst und Ekel.
Martha, die Jesus gerade noch den Messias, den Sohn Gottes genannt hat, kann es nicht glauben, will seiner Aufforderung nicht Folge leisten. Sie schaut auf die stinkende Realität anstatt auf Jesus. Doch voller Liebe und ohne Anklage spricht Jesus zu ihr: „Habe ich dir nicht gesagt, wenn du glaubtest, so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen?“
Ja, bei Jesus sind Glaube und Vertrauen die wahre Realität, nicht die alles beherrschenden Umstände wie ein stinkendes Grab.
Und dann ruft Jesus Lazarus bei seinem Namen, und Lazarus tritt lebend aus seinem Grab!
Die eigentliche Auferweckung nimmt nur einen sehr kleinen Part
ein. Deshalb scheint es in diesem Bericht vielmehr um die Begegnungen zwischen Jesus und zwei sehr unterschiedlichen Frauen zu gehen. Begegnungen, aus denen wir sehr viel für unser eigenes Leben lernen dürfen.
Jesus arbeitet an uns, während wir warten
Obwohl Jesus um die Not von Martha, Maria und Lazarus weiß, lässt er sie warten. Wie oft hast du schon gebetet, und scheinbar ist nichts passiert? Vielleicht betest du für einen Partner, aber er kommt nicht; oder Ihr betet für ein Kind, aber es kommt nicht; vielleicht betet Ihr für euer verlorenes oder verirrtes Kind, aber es kommt nicht zurück! Oder du betest für Heilung deines Ehepartners oder deiner Eltern, aber es wird immer schlechter!
John Piper sagte einmal: „Gott tut immer zehntausend Dinge in deinem Leben, aber dir sind höchstens drei davon bewusst.“
Jesus antwortete sehr wohl auf das Flehen der Schwestern. Denn in dem Moment, als er die Nachricht von der Krankheit des Lazarus hörte, sprach er zu seinen Jüngern: „Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern um der Herrlichkeit Gottes willen, damit der Sohn Gottes durch sie verherrlicht wird“ V.4). Und Tage später, als er nach Betanien aufbricht, sagt er den Jüngern: „Lazarus ist gestorben; und ich bin froh um euretwillen, dass ich nicht dort gewesen bin, damit ihr glaubt“ (V.14-15).
Jesus hatte etwas viel Größeres im Blick als die körperliche Heilung Lazarus’, was ja an sich schon gigantisch gewesen wäre. Er hatte sogar etwas Größeres im Blick als eine Totenauferweckung, was unvorstellbar ist. Jesus macht deutlich, dass es letztlich um die Verherrlichung Gottes ging (V.4) und darum, dass Menschen durch dieses Ereignis zum Glauben kommen und im Glauben gestärkt werden (V.15).
Vor Jesus dürfen wir unser Herz ausschütten
Während unseres Sprachkurses für unseren Missionsdienst in Albanien erschien mir die Albanische Sprache zu Beginn unglaublich kompliziert und undurchsichtig. Aber mit der Zeit lernte ich immer mehr von dieser Sprache kennen, und mit ihr auch die Menschen, um derentwillen wir gekommen waren. Auf diese Weise wuchs auch die Verbundenheit und die Liebe zu ihnen. Ist es bei Gott nicht auch so? Nicht selten sind wir irritiert von dem, was
in unserem Leben geschieht. Und nicht selten sind wir verärgert oder reagieren verständnislos. Oftmals deshalb, weil wir Gottes „Sprache“ noch nicht gelernt haben. Es ist gut möglich, dass wir Ihn noch viel zu wenig kennen und vertrauen, um sicher zu wissen, dass wirklich alles zu unserm Heil dient. Wenn aber die Vertrautheit wächst, wächst auch die Liebe und so das stille Warten auf sein Eingreifen. Wir lernen, Gott zu verstehen. So wie wir bei uns vertrauten Menschen oftmals schon die Gedanken „lesen“ können, wenn wir sie nur anschauen, so lasst uns Gottes Angesicht suchen, um darin seine Liebe, Fürsorge und Gnade zu lesen. Wenn du verzweifelt bist, weil Gott dir nicht so antwortet, wie du es dir wünschst; wenn er zu schweigen scheint, dann laufe zu ihm und suche seine Gegenwart: „Mein Herz erinnert dich: ‚Sucht mein Angesicht!‘ – Dein Angesicht, HERR, suche ich“ (Ps 27,8).
Martha und Maria laufen zu Jesus und lassen raus, was in ihnen ist. Jesus ist da und hört ihnen zu. Er unterbricht sie nicht. Er weist sie nicht zurück. Er nimmt sie an und wendet sich ihnen liebevoll zu. Im Falle von Maria hat er auf sie gewartet. Er wusste, dass sie kommen würde. Wieder einmal war es ihm wichtig, einer einzelnen Person zu begegnen, ganz persönlich. Das zeichnet Jesus aus!
Wir dürfen es genauso machen: Zu Jesus rennen, zu seinen Füßen liegen, weinen und unser ganzes Herz offenlegen. Oft ist nichts befreiender als das.
Weder Martha noch Maria bitten Jesus, dass er ihren Bruder auferweckt. Jesus tut es von sich aus. Er kann so viel mehr tun, als wir mit unserem beschränkten Denken auch nur wünschen könnten. Wie steht es in Epheser 3,20? „Gott aber kann viel mehr tun, als wir jemals von ihm erbitten oder uns auch nur vorstellen können.“
Im Grunde erweckt Jesus in dieser Geschichte nicht nur den toten Lazarus, sondern vor allem die Herzen von Martha und Maria. Er erweckt ihren Glauben, ihr Vertrauen, ihre Liebe und ihr Staunen. Dasselbe tut Jesus auch mit uns. Er will in der Begegnung mit ihm unseren Blick von unseren eingeschränkten Perspektiven wegrichten und uns zeigen, was bei Gott möglich ist. Er lässt uns nicht dort stehen, wo wir sind, sondern führt uns immer weiter, weiter im Vertrauen, in der Erkenntnis, im Glauben, in der Beziehung zu ihm, in der Heiligung und in unserem Staunen darüber, wer Gott wirklich ist!
Ein Besessener begegnet Jesus
von Andreas Münch
Dämonen, ihr Einfluss und ihre Austreibung gehören wohl nicht zu den alltäglichen Glaubenserfahrungen eines Christen in der westlichen Welt, obwohl fast alle biblischen Bücher die Existenz von Engeln und Dämonen bezeugen. Gerade in den Evangelien begegnen uns die dämonischen Mächte auf anschauliche Weise, wenn wir lesen, wie sie auf die Begegnung mit dem Mensch gewordenen Gottessohn reagierten. Den ausführlichsten Bericht finden wir in Markus 5,1-20, in der Erzählung von der Heilung des besessenen Geraseners. Diese Begegnung scheint besonders wichtig gewesen zu sein, denn alle drei Synoptiker haben sie in ihre Evangelien aufgenommen (Mt 8,28-34; Mk 5,1-20; Lk 8,26-39).
Jesus begegnet dem Besessenen (V.1-5)
Nachdem Jesus mit seinen Jüngern auf dem See Genezareth unterwegs war und durch sein Allmachtswort den Sturm gestillt hatte (Mk 4,35-41), kamen sie schließlich auf der anderen Seite, am Ostufer des Sees, an. Obwohl der Kontext nahelegt, dass auch die Jünger dabei waren, werden sie interessanterweise im weiteren Verlauf der Erzählung überhaupt nicht mehr erwähnt.
Von größerer theologischer Bedeutung ist die Feststellung, dass sich Jesus hier auf einem heidnischen, eher griechisch als jüdisch geprägten Gebiet befindet, wie besonders durch die Schweineherde deutlich wird (V.11, vgl. 3Mo 11,7). Dementsprechend könnte diese Dämonenaustreibung als Parallelstelle zu Markus 1,21-28 gesehen werden. Die Verkündigung und das Wirken Jesu beschränkten sich also nicht auf die Juden, sondern es gab sie auch für die Heiden.
Genau das können und dürfen auch wir immer wieder erleben, wenn wir Jesus Christus begegnen.
Rahel Fröse ist verheiratet mit Danny und vierfache Mutter. Die letzten acht Jahre war sie im Missionsdienst in Albanien tätig. Sie hat es auf dem Herzen, Frauen in der Nachfolge Jesu zu ermutigen und tut dies unter anderem durch ihren Blog rahelfroese.de.
Kaum war Jesus aus dem Boot gestiegen, schon begegnet er einem Menschen, der von einem unreinen Geist oder Dämon besessen war. Im Gegensatz zu Markus und Lukas spricht Matthäus von zwei Besessenen, nicht von einem. Das sollte uns nicht weiter stören. Es ist einfach anzunehmen, dass Markus sich aus stilistischen Gründen auf einen Besessenen beschränkte. So eine Vorgehensweise war nicht unüblich und findet sich häufiger, wie auch bei dem Blinden, bzw. den beiden Blinden in Jericho (vgl. Mt 20 mit Lk 18).
Schlimmer hätte es diesem Mann nicht ergehen können: Er war ein Unreiner in einer unreinen Umgebung. Die dämonischen Mächte hatten ihn auf die Stufe eines Tieres degradiert. Markus macht deutlich, dass dieser Mann in jeder Hinsicht als unrein und von Gott und den Menschen verflucht galt. Die Besessenheit dieses Menschen drückte sich dadurch aus, dass er sich von anderen Menschen isolierte, dass er übermenschliche, destruktive Kräfte besaß, die er vor allem zu sinnloser Selbstqual nutzte.
Interessant ist, dass Markus aber von dem Besessenen ausschließlich als „Mensch“ spricht. Es wird uns nicht ausdrücklich gesagt, ob er ein Mann war oder wie er hieß. Vermutlich wollte Markus damit zum Ausdruck bringen, dass, auch wenn die dämonischen Mächte die Ebenbildlichkeit Gottes im Menschen nach Kräften entstellen wollen, sie es nicht zerstören können. Demgegenüber ist Jesus als Sohn des Menschen gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.
Jesus heilt den Besessenen (V. 6-13)
Als der Besessene Jesus von Weitem kommen sieht, läuft er auf ihn zu und wirft sich vor ihm nieder. Dieses Niederfallen ist nicht als Akt der Anbetung, sondern als (widerwillige) Unterwerfung zu verstehen. Auch wenn das von Markus hier verwendete Wort „niederwerfen“ gewöhnlich eine anbetende Gebetshaltung andeutet, wird aus dem Zusammenhang deutlich, dass hier zwei gegensätzliche Reiche aufeinanderprallen. Es erübrigt sich aber, über die Rangfolge zu streiten.
Mit lauter Stimme schreit er Jesus an, und seine Worte sprechen Bände. Hier bewahrheitet sich Jakobus 2,19: Die Dämonen kennen Gott und fürchten ihn. Markus hat uns nur einige Kapitel zuvor bereits eine ähnliche Situation geschildert, die einige Parallelen aufweist (Mk 1,23-24); doch ein wesentlicher Unterschied besteht: die Steigerung der Anrede Jesu! Während der Besessene in der Synagoge in Kapernaum ihn als den „Heiligen Gottes“ anspricht, wird Jesus hier als „Sohn Gottes, des Höchsten“ bezeichnet! Interessanterweise sind die Dämonen die einzigen, die Jesus mit diesem Titel anreden (vgl. Mt 5,7 und Lk 8,28).
Der Dämon fleht Jesus an, ihn nicht zu quälen. Es ist eine gewisse Ironie, dass die gottfeindlichen Mächte noch immer bei Gott schwören. Die Angst des Dämons ist verständlich, schließlich hatte Jesus ihm befohlen, aus dem Menschen auszufahren. Auf Jesu Forderung hin gibt sich der unreine Geist als „Legion“ zu erkennen und beginnt, von sich in der Mehrzahl zu sprechen. Legion war ein Begriff aus dem römischen Militär und bezeichnete eine Hauptabteilung des Heeres von etwa 4000 bis 6000 Mann. Der Gerasener war also von einer Menge Dämonen besessen.
Die unreinen Geister, mit denen Jesus es hier zu tun hat, erkennen seine Vollmacht an und bitten ihn, sie nicht aus dieser Gegend zu vertreiben. Sie haben kein Recht Forderungen zu stellen, sie sind der Barmherzigkeit Jesu ausgeliefert. Also schlagen sie ihm vor, er möge sie in die in einiger Entfernung weidende Schweineherde schicken – was Jesus ihnen auch gestattet. Es irritiert, weshalb die Schweineherde daraufhin wie besessen losrast und in den See stürzt, denn durch das Ertrinken der Schweine waren die Dämonen wieder heimatlos. Es ist müßig, darüber zu spekulieren. Vielleicht diente der aufsehenerregen-
de Tod der Schweine nur dazu, allen Anwesenden zu beweisen, dass die Legion an Dämonen tatsächlich aus dem Gerasener gefahren waren und dieser nun geheilt war.
Die Reaktion der Anwohner (V. 14-17)
Eine wildgewordene Schweineherde von 2000 Tieren, die in den Tod rast, war sicher ein verstörender Anblick. Wahrscheinlich war den Einwohnern der Gegend schon allein durch die Anwesenheit des Besessenen bewusst, dass sie in einer verrufenen Gegend lebten. Die Schweinehirten flohen aus lauter Angst und verkündeten das Erlebte in der ganzen Gegend.
Trotz allem kehrten sie kurz danach wieder zurück, mit einer großen Zahl an Schaulustigen (V. 16). Dabei finden sie den ehemals Besessenen bekleidet und vernünftig neben Jesus sitzend. Der Kontrast zu seinem früheren Zustand konnte nicht größer sein. Der Mensch ist wieder Herr seiner Sinne und verhält sich wie ein Mensch. Die Reaktion der anderen Menschen entspricht der Reaktion der Jünger kurz zuvor bei der Stillung des Sturms: sie fürchten sich. Dabei war die eigentliche Gefahr – der Sturm, den der Besessene entfesselt hatte – doch eigentlich vorbei. Die Umstehenden sahen den Mann, „entsetzten sich alle und fragten einander und sprachen: Was ist das? Eine neue Lehre mit Vollmacht? Und er gebot den unreinen Geistern, und sie gehorchten ihm“ (Mk 1,27).
Doch leider überwiegt die Furcht vor der Macht Jesu, denn anstatt ihn näher kennen zu lernen und über ihn zu staunen, bitten sie ihn, wegzugehen. (Vielleicht spielte auch der Ärger über den Verlust der Schweineherde eine Rolle.)
Die Reaktion des Geheilten (V.
18-20)
Im Gegensatz zu den übrigen Einwohnern will der Geheilte bei Jesus bleiben und ihm nachfolgen. Doch Jesus erlaubt es ihm nicht. Er schickt ihn zu seiner Familie zurück, damit er dort Jesus bezeuge. Diese Aufforderung Jesu steht im krassen Gegensatz zu anderen Situationen, in denen er Geheilte aufforderte, nichts von ihrer Heilung weiterzusagen (vgl. Mk 1,44; 5,43; 7,36; 8,26). Es ergibt jedoch völlig Sinn, wenn man bedenkt, dass hier, in dieser heidnischen Gegend, das Zeugnis des Mannes nicht zu einer unerwünschten Messias-Euphorie führen konnte, wie dies andernorts in Israel der Fall war (vgl. Joh 6,15).
Interessant ist, wozu Jesus ihn auffordert: Er soll erzählen, was „der Herr“ (kyrios) an ihm getan hat. Lukas schreibt in seiner Erzählung der Geschichte „Gott“ (theos)! Der Geheilte gehorcht dem Auftrag Jesu und verkündet in der Gegend der zehn Städte alles, was Jesus an ihm getan hatte. Damit macht Markus für seine Leser unmissverständlich klar: Was Jesus tut, das tut Gott – und umgekehrt. Das Ergebnis des Zeugnisses des Geheilten war, dass sich alle wunderten. Es wird nicht gesagt, dass ihr Staunen auch zum lebendigen Glauben an Jesus führte. Bei einem späteren erneuten Besuch in der Gegend bringen sie jedoch einen Tauben zu Jesus, in der Erwartung, dass er ihn heilt, was Jesus auch tut, woraufhin die Verwunderung noch größer wird (vgl. Mk 7,31-37). Zumindest schien die anfängliche Angst vor Jesus überwunden. Damit war eine gute Grundlage für die weitere Verkündigung des Evangeliums gelegt.
Die Lektion für uns Markus 5,1-20 fordert uns in dreierlei Hinsicht heraus. Zum einen sollen wir erneut über die Größe unseres Herrn Jesus staunen. Wir folgen dem Sohn Gottes, dessen Macht sich auch auf die Mächte der Finsternis erstreckt. Satan ist ein realer Feind, aber wir brauchen ihn nicht zu fürchten, weil wir unter der Herrschaft Jesu stehen. Der, der in uns ist, ist größer als der, der in der Welt ist (1Joh 4,4).
Zweitens sehen wir, dass die Begegnung mit Jesus „vernünftig“ oder „besonnen“ macht. Je weiter sich der Mensch von den guten Schöpfungsabsichten Gottes entfernt, umso weniger Mensch ist er. Bei dem Besessenen war die Vorher-Nachher-Situation besonders extrem. Aber auch für uns gilt: Je enger unsere Beziehung zu Christus wird und je größer sein Einfluss auf uns, umso mehr werden wir zu Menschen, die Gottes Herrlichkeit widerspiegeln – das, wozu wir eigentlich geschaffen sind. Paulus schreibt: „Der Herr aber ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es der Herr, der Geist, hervorbringt“ (2Kor 3,17-18). Bei allen aktuellen Fragen nach Authentizität, Selbstverwirklichung und dem Finden der eigenen Bestimmung wird der Mensch immer nur auf sich selbst verwiesen. Die Geschichte des
Geraseners macht deutlich, dass wir uns nicht selbst helfen können; wir brauchen die rettende, verwandelnde Kraft Jesu, um zu werden, was wir sein sollen. Nur die Begegnung mit Jesus schenkt uns echte Freiheit, die uns die Welt niemals geben kann.
Drittens können wir aus der Reaktion des Geheilten lernen. Er hatte den aufrichtigen Wunsch, Jesus nachzufolgen und alles zu verlassen. Als Jesus ihm dies verweigerte, war er dennoch gehorsam und nahm den ihm zugewiesenen Platz an. Dies zeigt, dass Nachfolge viele Formen annehmen kann. Für manche bedeutet der Ruf, alles aufzugeben und Jesus in besonderer Weise zu dienen (z. B. im vollzeitlichen Dienst, vielleicht auch auf dem Missionsfeld), andere bleiben in ihrem Umfeld und sind dort ein Zeugnis für Jesus. Beides hat gleichermaßen seinen Stellenwert im Reich Gottes, und weder das eine noch das andere ist höher anzusehen. Es geht allein darum, Jesus an dem Ort treu zu verkündigen, an den er uns sendet.
Ein Sünder begegnet
Jesus von Benjamin Schmidt
SDie Geschichte vom besessenen Gerasener erinnert uns daran, dass unsere Wirklichkeit nicht nur aus der materiellen Welt besteht, sondern untrennbar mit der geistigen verbunden ist. Sie führt uns deutlich vor Augen, welchen Einfluss die Mächte der Finsternis auf uns haben können. Aber Markus hat uns diese Geschichte nicht so ausführlich erzählt, um uns eine Lektion in Dämonologie zu erteilen. Ihm ging es darum, zu zeigen, dass Jesus Christus, der Sohn Gottes, stärker ist als alles was unser Leben bedrohen kann. Jesus ist stärker als die Naturgewalten, stärker als Krankheit und Tod. Und selbst die finstersten Mächte sind ihm unterworfen. Deshalb lohnt es sich, Jesus nachzufolgen und ihm das ganze Leben zu unterwerfen, auch wenn es uns etwas kostet. Denn derselbe Jesus, der zum unreinen Geist sprach: „Fahre aus, unreiner Geist, aus dem Menschen“, spricht zu uns: „Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf und folge mir!“ (Mk 8,34). Wer diesem Ruf folgt, kann nur gewinnen!
age mir, mit wem Du umgehst, so sage ich Dir, wer du bist. Weiß ich, womit Du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus Dir werden kann.“ Diese Worte von Wolfgang von Goethe bringen etwas auf den Punkt, was vermutlich jeder von uns so, oder so ähnlich denkt. Es ist ein Prinzip, das alle fürsorglichen Eltern kennen, und das wir auch in der biblischen Weisheitsliteratur finden. In Sprüche 1,10 lesen wir: „Wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht.“ So steht es zumindest in der Lutherbibel. Die Elberfelder sagt ganz nüchtern: „Gib dich nicht mit Sündern ab.“ Warum? Weil sie irgendwann an ihrer eigenen Sorglosigkeit zugrunde gehen, und mit ihnen alle, die ihnen folgen (vgl. Spr 1,32).
Ich erinnere mich noch an meine Kindheit. Ich war ein ziemlicher Rotzlöffel (noch dazu Pastorensohn!) und es gab tatsächlich Kinder in meiner Grundschulklasse, die nicht mit mir spielen durften, ganz einfach, weil ich so furchtbar frech war. Ihre Eltern befürchteten, dass ich ihre Kinder schlecht beeinflussen könnte. Und damit hatten sie vermutlich auch recht. Mir tut es noch heute um meine Eltern leid, die sehr darunter gelitten haben und viel für mich beteten. Vermutlich waren es ähnliche Befürchtungen, die den Pharisäern und Schriftgelehrten vor Augen standen, als sie zu Jesu Jüngern kamen, um sie zu fragen: „Warum isst und trinkt euer Herr mit den Zöllnern und Sündern?“ Eine berechtigte Frage also! Wenn jemand das Gute liebt, warum gibt er sich mit schlechten Menschen ab?
Die Vorgeschichte in Kapernaum
Andreas Münch ist Mitarbeiter der Herold-Schriftenmission. Er ist verheiratet mit Miriam und Vater von drei Söhnen.
Bild: privat
Diese Frage der Pharisäer wird zeitlich relativ zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu gestellt, und wir finden sie immer im Zusammenhang mit der Geschichte der Berufung Levis (auch Matthäus genannt, der Evangelist; vgl. Mt 9,9). Interessanterweise haben wir hier, in diesem Kapitel die erste Begegnung zwischen Jesus und den Pharisäern. Vermutlich wussten sie also zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau, wofür Jesus stand und zu welcher Gruppe er sich zählen würde. Bisher war so viel bekannt, sodass ihm „eine große Menge“ nachfolgte, die er über Gottes Reich belehrte, und dass er Wunder vollbrachte. Daher waren nun einige Pharisäer und Schriftgelehrte „aus jedem Dorf von Galiläa und Judäa und aus Jerusalem gekommen“, um ihn zu sehen (Lk 5,17; vgl. Mt 9,11; Mk 2,16).
Und was sahen sie? Jesus war gerade erst nach Kapernaum zurückgekehrt, dem Zuhause von Petrus, Andreas und Johannes, nachdem er die Gegend für eine kurze Zeit verlassen musste. Er war wegen seiner Wunder zu populär geworden. Hätte man Jesus gefragt, ob ihm seine Bekanntheit denn nicht zugutekäme, hätte er sicher geantwortet: Ich bin gekommen, um die Menschen zu retten, nicht nur, um sie körperlich zu heilen; „es ist besser für dich, dass du lahm oder verkrüppelt zum Leben eingehst, als dass du zwei Hände oder zwei Füße hast und wirst in das ewige Feuer geworfen“ (Mt 18,8).
Bisher war es ein ereignisreicher Tag gewesen. Erst vor wenigen Stunden hatte Jesus in Anwesenheit einer großen Menschenmenge einen Gelähmten geheilt, indem er ihm einfach den Befehl gab: „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ Viel aufsehenerregender war aber, was Jesus vor die-
ser Heilung zu dem Gelähmten gesagt hatte. Er hatte ihn von all seinen Sünden freigesprochen. „Deine Sünden sind dir vergeben“, hatte Jesus gesagt. Vielleicht erstaunt uns das nicht, weil wir uns schon so sehr daran gewöhnt haben, uns leichtfertig zu entschuldigen oder Vergebung als etwas Selbstverständliches zu nehmen. Doch den anwesenden Theologen war bei diesen Worten der Blutdruck in die Höhe geschnellt. Sündenvergebung war einzig und allein Gott vorbehalten; schließlich hatte er den Israeliten ein gesamtes Opfersystem gegeben, durch das sie die Vergebung empfangen konnten. Und jetzt kam dieser junge Mann daher und spricht mir nichts, dir nichts einen Menschen von seinen Sünden frei? Das ging für sie zu weit. Das Problem war, dass Jesus dann, sozusagen als Bestätigung, den Gelähmten von seiner körperlichen Krankheit heilte. So etwas hatten sie noch nie erlebt; das kannten sie höchstens aus den Erzählungen des Alten Testaments. Für die geistlichen Führer stellte sich die Frage, ob Gott so jemandem wirklich die Macht verleihen würde, Menschen zu heilen, oder ob Jesus am Ende mit dem Teufel im Bunde stand?
Für viele andere war dieses Ereignis ein Beweis dafür, dass Jesus wirklich der ist, der er zu sein behauptete. Ist er wirklich der Sohn Gottes? Ja, das ist er! Kann er wirklich Sünden vergeben? Ja, das kann er! Er ist der ewige Retter und König, „der Menschensohn“, der mit göttlicher Macht und Autorität kommt und Gottes Reich aufbaut. Deshalb bleibt bis heute für uns die Frage bestehen: Wie reagieren wir auf Jesus? Vertrauen wir auf ihn in Bezug auf unser Leben und auf unseren Tod? Sind wir davon überzeugt, dass er der Einzige ist, bei dem wir Vergebung finden können?
Jesu Begegnung mit Levi
Kurze Zeit nach diesem Ereignis, es ist noch derselbe Tag, befindet sich Jesus wieder draußen am See, um zu den Menschen zu reden (das Haus war eben doch zu beengend). Und während „die ganze Volksmenge“ zu Jesus kommt, gibt es einen, der zurückbleibt: Levi, der Sohn des Alphäus. Er bleibt in seinem Zollhaus sitzen, anstatt Jesu Predigt zuzuhören. Wir wissen nicht genau, was Levi dort im Zollhaus hielt –vielleicht war es die Liebe zum Geld, die Verpflichtung gegenüber seiner Arbeit, vielleicht aber auch die Gleichgültigkeit gegenüber geistlichen Dingen. Ohne Zweifel wird er in seinem Leben schon viel Ablehnung und Desinteresse
von „Männern Gottes“ erfahren haben. Umso größer ist da das Wunder, das geschieht, als Jesus Levi ansieht und zu ihm spricht: „Folge mir nach!“ Denn Levi lässt alles stehen und liegen, steht auf und folgt Jesus nach (Mk 2,14).
Hier sehen wir, wie mächtig Jesus Menschen beruft. Wenn du denkst, dass du zu Jesus gekommen bist, weil du klüger oder geistlicher bist als andere, dann irrst du gewaltig. Du kamst zu Jesus, weil er dich aus deiner Verlorenheit herausgerufen hat, so wie er Levi aus seinem Zollhaus herausrief. Du folgst Jesus nicht nach, weil du dich dazu entschieden hast, sondern weil er gesagt hat: „Folge mir nach!“, und weil er seinen Heiligen Geist gesandt hat, der dich „von Herzen willig und bereit macht, ihm forthin zu leben“ (Heidelberger A1).
Was darauf folgt, steht der gesamten Erziehung und Weltanschauung der geistlichen Elite vollkommen entgegen. Denn während Jesus sich vorhin – ihrer Meinung nach – theologisch im Ton vergriffen, sie aber durch sein vollbrachtes Wunder äußerst verunsichert hatte, offenbart er nun durch sein Verhalten, was wirklich von ihm zu halten ist: Jesus wendet sich einem offensichtlichen Sünder zu und verbündet sich auch noch mit ihm.
Das große Fest
„Und Levi machte ein großes Mahl in seinem Haus, zusammen mit einer großen Menge an Zöllnern und anderen, die mit ihnen zu Tisch lagen.“
Schauen wir erst einmal auf das, was die Pharisäer und Schriftgelehrten sahen: Ein gemeinsames Essen und Trinken, wie es dort in Levis Haus stattfand, bedeutete sehr viel mehr als in unserer Zeit und Kultur. Auch bei uns gibt es intensive Formen, um miteinander zu essen – wie auf Familienfesten. Doch andererseits können bei uns auch Kollegen in der Kantine beieinander sitzen, die vielleicht nicht einmal den Vornamen des anderen kennen. In der Orientalischen Kultur ist ein gemeinsames Mahl dagegen –damals wie heute – immer ein tiefer Ausdruck von Freundschaft und Verbundenheit. In den Augen der Pharisäer identifiziert sich Jesus hier mit Levi. Hinzu kommt, dass Männer wie Levi es gewohnt waren, mit Heiden zu essen, da sein Beruf ihn auch eng mit der heidnischen Lebensweise verband. Das bedeutet, dass Levi sich nicht an die strengen Reinheitsgebote der Pharisäer hielt. Das, was hier stattfindet,
widerspricht im Grunde allem, was den Pharisäern lieb und heilig war.
Und als wäre all das noch nicht genug, spielte es sich im Haus eines Mannes ab, der sein geistliches Erbe mit Füßen trat. Er hatte sehr wahrscheinlich nicht nur sein Land und seinen Glauben verraten, sein Name Levi lässt auch vermuten, dass er levitischer Abstammung war. „Im ersten Jahrhundert trugen fast ausschließlich Leviten den Namen Levi“ (Mark L. Strauss). Wenn dies tatsächlich so war, hatte er den ehrbaren Dienst am Tempel gegen eine finanziell lukrative Karriere bei der verhassten Regierung eingetauscht. Tiefer konnte man nicht sinken. Ein solcher Kerl wäre noch schlimmer anzusehen als Esau. Wenn Jesus wirklich ein von Gott gesandter Prophet wäre, müsste er dies doch wissen, und er würde den Kontakt zu Levi umgehend meiden. Spätestens jetzt hatte Jesus sich in ihren Augen als unfromm und unseriös zu erkennen gegeben. Ihr Fazit lautet: Dieser Jesus ist „ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern“ (Lk 7,34).
Wir sehen also, aus der Perspektive der frommen Israeliten waren für Jesus die Menschen wichtiger als Gott. Für sie war klar: Wenn Jesus sich bei solchen Menschen wohl fühlt, dann gehört er auch zu ihnen.
Was wirklich geschah
Doch so einfach war es in diesem Fall nicht. Die Feier, von der wir hier lesen, fand sehr wahrscheinlich nicht direkt im Anschluss an Levis Berufung statt, denn Levi brauchte ja noch Zeit, um die „große Menge an Zöllnern und anderen“ einzuladen – und das ohne EMail, Telefon und WhatsApp. Vermutlich fand es einen oder wenige Tage später statt; ein guter Zeitraum, um mit Levi intensiv über das Evangelium zu sprechen. Denn das, was dort stattfand, war weit mehr als nur ein Fest. Es war ein Fest, bei dem Levi sein neues Leben mit Jesus feierte. Und es war vor allem Levis Versuch, seine alten Freunde und Weggefährten zu Jesus zu bringen, damit sie ebenfalls diese neugewonnene Erkenntnis und Freude an Gott finden, die auch er in Jesus gefunden hat. Beides waren Aspekte, durch die Levi Gott verherrlichte, und alles, was er tat, ob er aß oder trank, er tat es zur Ehre Gottes (1Kor 10,31).
Doch alles, was die Pharisäer sehen, ist, dass Jesus „mit den Zöllnern und Sündern“ is(s)t (Mt 9,9-11; Mk 2,13-16; Lk 5,27-30). Sie hatten keinen Blick fürs große Ganze.
Leider änderten sie ihren Blick auf das Ganze auch dann nicht, als Jesus ihnen den Grund für die Feier nannte, und zwar, dass er für „die Kranken“ gekommen war, um sie „zur Umkehr zu rufen“ (Lk 5,31-21). Leider treten immer wieder Neid, Missgunst und Lieblosigkeit als Grundhaltung des ganzen Pharisäertums an verschiedenen Stellen sehr deutlich zu Tage. Situationen, in denen Jesus Kranke heilte, waren für die Pharisäer ein Ärgernis. Sie fragten nur danach, ob Jesus sich dabei auch an die Regeln gehalten habe (vgl. Lk 7,16; vgl. Joh 9,8 ff. u.a.). Ihre größte Sorge war, dass ihr Einfluss verloren gehen könnte. Ihnen ging es nur um sich selbst.
Und wir?
Auch wenn wir als Christen in unserer Stellung zu Jesus ganz klar von den Pharisäern zu unterscheiden sind, passiert es nicht selten, dass wir uns wie solche Verhalten. Andererseits können wir aber den Aspekt, „Freund der Sünder“ zu sein auch völlig falsch verstehen und dabei genau das tun, wovor uns Sprüche 1,10 warnt.
• Die Pharisäer verurteilten Jesus, weil sie sich für etwas Besseres hielten als andere. Unter Christen ist diese Denkweise auch häufiger vorhanden als mir lieb ist. Nicht selten schauen wir auf andere herab, weil sie nicht dem entsprechen, was wir für gut oder anständig halten. Jesus hat uns ein Vorbild hinterlassen, indem er sich um die Armen, die Ausgestoßenen, die Randgruppen gekümmert hat (vgl. Lk 7,22). Genau das sollten auch wir tun. Wir sollten diesen Menschen dienen, bei ihnen sein und auch von ihnen lernen. Ja, wir können dabei Gefahr laufen, dass man uns dann für Außenseiter hält, für seltsam oder rückständig. Aber Überraschung! Wenn wir wirklich Jesus nachfolgen, wird man uns ohnehin für seltsam halten.
• Andererseits können wir auch hierbei Gefahr laufen, zu vergessen, dass wir „ein gutes Zeugnis haben [sollten] von denen, die draußen sind, damit er nicht in übles Gerede und in den Fallstrick des Teufels gerät“ (1Tim 3,7). Auch wenn sich dieses Kriterium in erster Linie an Älteste richtet, gilt es doch für jeden Christen. Mit unge-
fähr 20 Jahren führte ich noch kein Leben mit Jesus. Ich war fest davon überzeugt, dass die Menschen Jesus brauchen, und dass ich Gottes Sache vertreten würde, indem ich saufend und kiffend auf Partys sitze und mit den Menschen über Jesus rede. Dass ich dadurch aber leugnete, dass Jesus gekommen war, um zur Umkehr zu rufen, verstand ich nicht. Was ich vermittelte, war eine billige Gnade, die Jesus darstellte, als wäre er ein Sünder unter Sündern, und als ließe er Kranke krank bleiben. Wir sollen uns um ein vorbildliches, ordentliches Leben bemühen, aber nicht mit dem Ziel, gemocht oder bestaunt zu werden, und erst recht nicht, um dann auf andere herabzusehen, sondern um die Kraft des Auferstandenen Herrn zu bezeugen (vgl. Röm 6,11 ff.). Wir sind in dieser Welt, um zu dienen, nicht um bedient zu werden. Wir sollen lieben und uns nicht bemühen, beliebt zu sein. Wir sollen anderen zum Segen dienen. Denn unser guter Ruf besteht darin, dass man uns kennt als Dienende, Liebende und die, die andere segnen. „Niemand hat jemals reumütige Sünder so liebevoll aufgenommen wie Jesus, aber niemand wandte sich je schärfer gegen Sünde als er" (Kevin DeYoung).
Das Wichtigste, das wir den Menschen somit weitergeben und vorleben können, ist, dass Jesus der Herr ist. Er ist der auferstandene König des Universums. Er lebt und regiert in seiner Barmherzigkeit und Liebe die gan-
ze Welt. Und er befiehlt allen Menschen an allen Orten, umzukehren, mit ihrem sündigen Leben zu brechen und nach Hause, zu Gott zu kommen. Das ist die herrlichste Nachricht, die es gibt. Aber sie ist auch umstritten. Wenn wir daran festhalten und das bekennen, werden einige Sünder nicht mehr unsere Freunde sein wollen. Dennoch bleibt diese Nachricht die beste Nachricht für Sünder. Wenn diese Wahrheit unser Leben beeinflusst und in unseren Beziehungen zum Tragen kommt, werden wir dem Vorbild unseres Erlösers folgen. Wenn das Wunder des Evangeliums der Gnade Gottes die Art und Weise bestimmt, wie wir, als aus Gnade gerettete Sünder, über andere Menschen um uns herum denken und mit ihnen umgehen, dann werden wir nicht nur gute Freunde sein, sondern die besten „Freunde der Sünder“, die sie sich nur wünschen können.
Benjamin Schmidt ist verheiratet mit Hanna und dreifacher Vater. Er ist Leiter der Herold-Schriftenmission und verantwortlich für die Zeitschrift „Herold“.
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