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Vorwort
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Liebe Herold-Leser, wir freuen uns, Euch eine weitere Ausgabe zur Rubrik „Leserfragen“ zu bringen. Immer wieder erreichen uns Fragen zum Glauben, zu bestimmten Bibelstellen und zum christlichen Leben. Diese Rubrik soll die Möglichkeit bieten, gemeinsam tiefer in das Wort Gottes einzutauchen und die Größe von Gottes Gnade immer mehr zu entdecken.
Viele Themen der Bibel und des christlichen Lebens werfen Fragen auf, die uns tief bewegen. Deshalb möchten wir auf einige Anliegen eingehen, die uns zu diesem Zweck zugesandt wurden, und versuchen, Antworten im Licht von Gottes Wort zu finden, die im Glauben Halt und Orientierung geben.
Wir danken allen Einsendern für ihr Vertrauen und hoffen, dass unsere Antworten dazu beitragen, dass Gottes Wahrheit weiter Verbreitung findet.
Im Glauben verbunden,
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«Wie kann ich Gottes Liebe (wenigstens ansatzweise) verstehen? Immer wieder enttäuschen wir ihn, doch er hält weiter an uns fest. Er hat für uns mehr gegeben als wir jemals ausgleichen können, und er gibt jeden Tag neu.»
«Wie ist der ‹Zwiespalt› zwischen rettendem Glauben und den Warnungen vorm Abfall zu erklären? Wie kann man ausschließen, selbst abzufallen? Wie weiß ich, ob mein Glaube echt ist?»
Das Evangelium ist nicht bloß die Botschaft, dass ein liebender, gnädiger Gott uns bedingungslos annimmt, sondern dass dieser Gott in seiner Liebe und Gnade alles Nötige für uns bereithält, damit wir vor ihm als dem gerechten und heiligen Gott bestehen können: Er hat uns Jesu Gerechtigkeit eingepflanzt und uns mit Christus vereint (siehe Röm 5; Eph 1; 2Kor 5,17 u.v.m.), sodass Gott in dem Glaubenden keinen Sünder mehr sieht, der ihn immer wieder «enttäuscht», sondern er sieht ihn in Christus. Gott hat seinen Sohn, «der die Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit wurden in ihm» (2Kor 5,21).
Es gibt noch viele Stellen, die von Gottes Gerechtigkeit sprechen. Ein Vers steht in 1. Johannes 1,9: «Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.» Wer diesen Vers zum ersten Mal liest, wird vermutlich über die Worte treu und gerecht stolpern. Warum ist Gott «treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit»? Sollte es nicht eher «barmherzig und gnädig» heißen?
Nein, denn Gott ist treu, wenn er uns vergibt, weil er damit seiner Natur, seinem Charakter gegenüber treu ist (vgl. 2Tim 2,13); aber mehr noch: Gottes Treue steht immer in Verbindung mit seinem Bund und seinen Verheißungen (vgl. Ps 89; Hebr 10,23). Die Verheißung des Neuen Bundes in Christus lautet: «Denn ich werde ihre Schuld vergeben und an ihre Sünde nicht mehr denken» (Jer 31,34). Gott kann und muss dieses Versprechen gegenüber den Glaubenden halten, weil sein Sohn am Kreuz den Platz für uns eingenommen hat (vgl. Joh 10,11; Gal 3,13-14). Dass Gott an uns festhält und uns jeden Tag neu seine Gnade gibt, ist ein Ausdruck von Gottes Treue und Gerechtigkeit. Er ist seinem Versprechen treu, dass er jedem vergibt, der ihn im Glauben darum bittet; und er ist gerecht, wenn er so handelt, weil Christus bereits für unsere Sünden gelitten hat. Weil Gott seine Gerechtigkeit liebt, wird er alles tun, um seiner Verheißung den Glaubenden gegenüber immer treu zu sein.
Allerdings ist dies kein Freibrief zu einem Leben in Sünde. Schon Paulus wurde vorgeworfen, dass sein Evangelium Menschen dazu verleiten würde, «Böses zu tun, damit daraus Gutes entstehe» (Röm 3,8). Deshalb entfaltet Paulus in seinem Brief nach und nach, dass Gottes Bundesverheißung des Neuen Bundes auch das Versprechen beinhaltet, dass Gott unser Herz «beschneiden» wird, «damit du den HERRN, deinen Gott, liebst von ganzem Herzen und von ganzer Seele, und damit du am Leben bleibst» (5Mo 30,6). Der Römerbrief macht deutlich: Ein wahrer Christ wird sündigen und versagen, aber er kann den allwissenden Gott niemals enttäuschen. Gott weiß alles bereits im Voraus. Er hat uns vor Grundlegung der Welt erwählt, seine Kinder zu sein, aber er hat uns auch dazu erwählt, geheiligt zu werden – also «in das Ebenbild seines Sohnes umgestaltet zu werden, damit er [Christus] der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern». (Röm 8,29 ff.; Eph 1,5). Seine ewige Erlösung beinhaltet, dass wir die Vergebung und auch stückweise die Erlösung von der Sünde in unserem Wesen erfahren.
Und damit möchte ich auf die zweite Leserfrage antworten: «Wie ist der ‹Zwiespalt› zwischen rettendem Glauben und den Warnungen vorm Abfall zu erklären? Wie kann man ausschließen, selbst abzufallen? Wie weiß ich, ob mein Glaube echt ist?»
Die Bibel spricht zwei Wahrheiten aus, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen können. Zum einen spricht sie ganz klar davon, dass Menschen, die von Gott errettet wurden, niemals wieder verloren gehen können, andererseits warnt sie auch davor, wie zum Beispiel durch Jesus selbst in Matthäus 24,10: «Und dann werden viele zu Fall kommen und werden einander überliefern und einander hassen», oder 1. Timotheus 4,1: «Der Geist aber sagt deutlich, dass in den letzten Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden.»
Ein Abschnitt, der besonders deutlich macht, dass die Errettung der Gläubigen sicher ist, steht in Römer 8,29-30. Er wird auch «die goldene Kette der Erlösung» genannt:
Denn welche er vorherbestimmt hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu werden, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern; und welche er vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; und welche er berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt; und welche er gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht. (Röm 8,29-30)
Unsere Verherrlichung liegt noch in der Zukunft, trotzdem gebraucht Paulus hier die vollendete Form («hat er verherrlicht»). Damit will Paulus die Gewissheit ausdrü-
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cken, dass Gott das, was er begonnen hat, auch vollenden wird (vgl. Phil 1,6).
Der Theologe Charles Hodge schreibt: «Paulus spricht von dem Gott, der das Ende vom Anfang her sieht und in dessen Vorsehung und Absicht alle zukünftigen Ereignisse enthalten und festgelegt sind; so dass er uns, indem er uns vorherbestimmt hat, gleichzeitig auch berufen, gerechtfertigt und verherrlicht hat. All dies war in seiner Absicht enthalten.»
Diese «goldene Kette» ist unauflöslich. So wie alle, die Gott berufen hat, auch gerechtfertigt werden, so werden auch alle, die er gerechtfertigt hat, auch verherrlicht.
Nun sind einige der Meinung, dass, obwohl uns «nichts von der Liebe Gottes trennen» kann, könne der Einzelne selbst sich dafür entscheiden, vom Glauben abzuweichen und dadurch aus der rettenden Liebe Christi herauszufallen. Das widerspricht allerdings dem Sinn des Abschnitts, der ja gerade darin besteht, die Gläubigen mit der Gewissheit zu ermutigen, dass ihr Heil voll und ganz in Gottes Hand liegt. Weder Bedrängnis noch Verfolgung, weder Tod noch irgendetwas anderes kann einen Gläubigen dazu bringen, dem Glauben an Christus abzuschwören, denn Gottes Liebe in Christus ist stärker als alles, und «niemand kann sie aus seiner Hand reißen» (Joh 10,28-29).
Was aber ist mit den biblischen Warnungen? Zum einen muss man jeden dieser Verse im Zusammenhang betrachten, um zu erkennen, von wem hier die Rede ist. Jesu Worte aus Matthäus 24,10 betreffen die Jesusnachfolger seiner Generation. Die, die aufgrund der Wunder, die durch Jesus und die Apostel geschahen, sich der Jesusbewegung anschlossen und sichtbarer Teil der Gemeinde wurden. In Matthäus 24 sagt Jesus die Zerstörung des Tempels und die damit verbundenen Schwierigkeiten für das Volk Gottes voraus. Schwierigkeiten, die dazu führen, dass einige Nachfolger ihren Glauben an Christus verleugnen – aus Enttäuschung oder um ihr Leben zu retten. Das erinnert stark an Jesu Gleichnis vom Vierfachen Ackerfeld, wo «Der Same auf felsigen Boden gesät ist» und der Mensch «das Wort hört und es schnell aufnimmt mit Freuden; aber er hat keine Wurzel in sich, sondern er ist wetterwendisch; wenn sich Bedrängnis oder Verfolgung erhebt um des Wortes willen» (Mt 13,20-21). Jesus unterscheidet aber auch klar zwischen dem wahren, rettenden Glauben und einem
spontanen, oberflächlichen Glauben. 1.Timotheus 4,1 sagt etwas ähnliches: «In späteren Zeiten werden manche vom Glauben abfallen», indem sie vor allem das Evangelium der Gnade durch eine gesetzliche Religion ersetzen (vgl. V.3). Diese Gefahr bestand schon immer, wie der Galaterbrief zeigt. Und man findet sie heute noch vielfach. Wie oft neigen einzelne Christen oder ganze Gemeinden dazu, das Evangelium von der Rettung allein aus Gnade durch den Glauben zu leugnen, indem sie Gesetze aufrichten, und jeder, der sich nicht daran hält, gilt für sie als «abgefallen». Oft steckt dahinter die Sorge, dass ein Glaube ohne Gesetze Menschen zur Sünde verleiten könne. Es geht hier also nicht um ein Abfallen in Richtung Weltlichkeit und leichtfertiges Sündigen, sondern im Gegenteil, um ein Abfallen von dem Vertrauen, dass «allein der Glaube» an Christus zur Errettung nötig ist. Besonders deutlich formuliert Paulus das in Galater 5,4: «Ihr, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, seid von Christus getrennt; ihr seid aus der Gnade herausgefallen.»
Der griechische Begriff für «Glaubensabfall» heißt Aposteinai und bedeutet «sich von etwas abwenden». Abzufallen bedeutet also, sich von Christus und seinem Evangelium abzuwenden.
Auf die Frage, wie man ausschließen kann, selbst abzufallen, ist also eine entscheidende Antwort: «Halte am Evangelium fest. Vertraue darauf, dass Gottes Gnade und Christi Gerechtigkeit völlig ausreichen.»
Doch Gottes Wort warnt nicht nur vor dem Abfallen in Richtung Gesetzlichkeit, sondern auch vor einem Abfallen in Richtung leichtfertiges Sündigen, bzw. Weltlichkeit (vgl. Hebr 10,26-31). Diese Warnungen richten sich nicht an Heiden, sondern an Menschen, die bekennen, Mitglieder der Gemeinde Jesu zu sein. Paulus schreibt zum Beispiel davon, dass Demas ihn verlassen hat, «weil er diese Welt lieb gewann» (2Tim 4,10). Jesus spricht beim Vierfachen Ackerfeld auch von «dornigem Boden» und meint damit Nachfolger, die den Glauben wegen «den Sorgen der Welt und betrügerischem Reichtum» verlassen (Mt 13,22). Besonders in unserer Gesellschaft kann sich Weltlichkeit in uns einschleichen, wo uns stets suggeriert wird, wir müssten immer mehr haben. Johannes warnt davor: «Liebt nicht die Welt oder irgendetwas in der Welt. Wenn jemand die Welt liebt, ist die Liebe des Vaters nicht in ihm» (1Joh
2,15). Es gibt unterschiedliche Arten, die Welt zu «lieben». Gott selbst liebt die Welt, weil er sie geschaffen hat, sie ist sein Eigentum und er kümmert sich um sie (vgl. Joh 3,16). Auf diese Weise die Welt und ihre Bewohner zu lieben ist gut, wichtig und Gott gemäß. Gott ist Mensch geworden, um die Welt, die er geschaffen hat, zu retten und zu heilen. Es gibt aber eine Liebe zu der Welt, die Gottes Wesen und Handeln widerspricht, und die fasst Johannes im nächsten Vers zusammen: «Begierden [wörtl. Gier] des Fleisches, Begierden [Gier] der Augen und den Hochmut des Lebens».
Die Empfehlung, wie man dies bei sich selbst vermeiden kann, ist dieselbe wie hinsichtlich der Gefahr der Gesetzlichkeit: Halte am Evangelium fest. Vertraue darauf, dass Gottes Gnade und Christi Gerechtigkeit ausreichen –nicht nur im Bezug auf die Errettung, sondern in allen Bereichen des Lebens. Nimm an, was aus Gottes Hand kommt, und zeige dein Vertrauen auf ihn und auf seine Gnade, indem du seine Wege und seinen Willen annimmst, auch da wo es schwerfällt, wo Verzicht und Selbstverleugnen gefordert sind. Vertraue darauf, dass Gott alle Dinge in deinem Leben so geplant hat und so ausführt, dass sie dir zum Besten dienen – damit du Christus ähnlicher wirst und es dich dem Ziel der Erlösung immer näher bringt (Röm 8,28-29). Doch es heißt auch: Hasse die Sünde und kämpfe gegen sie an. Sei wie David, der, obwohl er furchtbar gesündigt hat, sich immer wieder vertrauensvoll an den Herrn wandte und bekannt hat: «Wenn du, HERR, Sünden anrechnen willst – Herr, wer wird bestehen? Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte. Ich harre des HERRN, meine Seele harret, und ich hoffe auf sein Wort» (Ps 130,3-5). Und dessen Wunsch lautete: «Gib mir wieder die Freude an deinem Heil, rüste mich aus mit einem gehorsamen Geist! Ich will die Abgefallenen deine Wege lehren, damit die Sünder zu dir umkehren» (Ps 51,14-15). Deshalb vertraue auf Jesus, den Sohn Gottes und auf sein Blut, das uns von allen Sünden reinigt, uns rechtfertigt und heiligt. Er wird uns retten und uns helfen, bis zum Ende ein heiliges Leben zu führen.
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Benjamin Schmidt
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«Warum streiten Christen immer noch darüber, wann die Entrückung geschehen soll? Wie kann ich eine klare Antwort darüber bekommen?»
Es ist tatsächlich bedauerlich, dass Christen über die Frage streiten, wann die endzeitliche Entrückung der Gläubigen stattfindet, weil die Bibel sich nur an einer einzigen Stelle dazu äußert, die nicht schwer zu verstehen ist – nämlich 1. Thessalonicher 4,17. Ansonsten finden wir das Wort noch in Apostelgeschichte 8,39, wo von der «Entrückung» des Philippus die Rede ist. Dann spricht Paulus davon, dass er (vermutlich in einer Vision) in den Himmel «entrückt» wurde (2Kor 12,2-4). In den beiden zuletzt genannten Fällen ist klar, dass es sich nicht um eine endzeitliche Entrückung handelt, von der Paulus im Thessalonicherbrief spricht. Ansonsten taucht das Wort «entrückt» nur noch in Hebräer 11 vor, wo es jedoch um die Entrückung des Henoch aus dem Alten Testament geht und in Offenbarung 12,5 – und auch in diesem Kontext ist deutlich, dass es sich nicht um eine endzeitliche Entrückung der Gemeinde handelt. Anders gesagt: Die biblische Lehre (sofern man davon sprechen kann) von der endzeitlichen Entrückung der Gemeinde beschränkt sich nur auf eine kurze Aussage von Paulus!
Anlass war die Sorge der Christen in Thessalonich, was nun mit den verstorbenen Glaubensgeschwistern war, die vor der Wiederkunft Jesu verstorben waren. Paulus schreibt:
Denn dies sagen wir euch in einem Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird beim Befehlsruf, bei der Stimme eines Erzengels und bei dem Schall der Posaune Gottes herabkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn sein. (V. 15-17)
Es wird also eine Entrückung der Gläubigen geben, und Paulus sagt, dass sie bei Jesu Wiederkunft erfolgt. Doch Jesus selbst hat unmissverständlich klar gemacht, dass niemand den Zeitpunkt seiner Wiederkunft kennt (vgl. Mt 24,36).
Einige Christen sind jedoch davon überzeugt, dass es eine «geheime» Entrückung der Gläubigen geben wird, auf die eine siebenjährige Trübsalszeit für Israel folgt. Diese Lehre wurde von John Nelson Darby und seinen Anhängern im 19. Jahrhundert entwickelt und fand schließlich weite Verbreitung durch die Scofield-Bibel.
«Wie kann ich Menschen, die in ihrer eigenen Welt leben, Gott näher bringen; wie ihnen das Problem der Sünde klar machen?»
Viele von uns kennen vermutlich einen Freund, Bekannten, Nachbarn oder lieben Verwandten, dem wir gerne von Christus erzählen würden. Aber wie? Wir selbst haben erfahren, dass Christus unser ganzes Leben, verändert hat. Durch ihn haben wir Hoffnung, Trost und Mut, trotz unseres Versagens, weil wir ganz sicher wissen: Gott ist viel größer als unser Herz (unser Gewissen, unsere Schuld). Er kennt uns ganz genau und wir dürfen in Christus zu ihm gehören.
Wie aber gibt man diese besten aller Wahrheiten an jemanden weiter, der so offensichtlich in einer ganz anderen Welt, mit ganz anderer Denkweise in den göttlichen Dingen lebt? Jemanden, für den Gott oder das Problem der Sünde gar nicht zu existieren scheinen?
Dazu muss man sagen, dass es natürlich immer auf den Einzelnen ankommt. Und doch gibt es einige grundsätzliche Prinzipien, die ich von anderen Christen lernen durfte, und die ich gerne weitergeben möchte.
Wir sehnen uns danach, dass unser ungläubiger Freund uns vertraut, hinsichtlich dem, was wir ihm über die göttlichen Wahrheiten weitergeben wollen. Vertrauen ist aber keine Einbahnstraße. Es entsteht da, wo ebenfalls Vertrauen entgegengebracht wird. «Zieht nicht an einem Joch mit den Ungläubigen» (2Kor 6,14) heißt niemals «Haltet Euch ganz von Nichtchristen fern oder redet mit ihnen ausschließlich über Gott». Ja, unser Hauptanliegen in Beziehungen zu Nichtchristen sollte sein, sie zu Christus zu führen, aber menschliche Beziehungen leben von mehr als nur von Informationsaustausch, und vor allem ist Gottes Botschaft eine Botschaft der Beziehung. Zweitens sollte es uns darum gehen, dass Menschen durch unsere Taten und Worte eine Sehnsucht nach dem Evangelium bekommen. In seinem berühmten Buch Gedanken gibt Blaise Pascal sehr gute und hilfreiche Ratschläge diesbezüglich weiter:
Die Menschen hegen Verachtung für [das Evangelium]. Sie hassen es und fürchten, dass es sich als wahr erweist. Um sie davon zu heilen, muss man zunächst zeigen, dass der Glaube der Vernunft nicht widerspricht, dass er verehrungswürdig ist. Man muss ihn liebenswert machen, in ihnen die Sehnsucht danach wecken, dass [das Evangelium] wahr ist und dann letztendlich zeigen, dass es wirklich wahr ist. Verehrungswürdig ist das Evangelium deshalb, weil es den Menschen richtig erkannt hat; liebenswert ist es deshalb, weil es das wahre Gut verheißt.
Das Evangelium als verehrungswürdig und als begehrenswert darstellen und zeigen, dass es die Wahrheit ist. Häufig beginnen wir mit dem letzten Punkt und lassen die ersten beiden völlig aus. Gott selbst offenbart sich im Evangelium als das höchste Gut und die größte Liebe; daher sollte unser Versuch, anderen Gottes Wahrheiten nahe zu bringen, von der Liebe zu ihnen und auch von der Liebe zu Gottes Verherrlichung motiviert sein. Erleben andere im Gespräch mit uns, wie sehr wir von Jesus begeistert sind, dass ER unsere größte Hoffnung und Freude ist?
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Darby und seine Anhänger stützten sich dabei jedoch hauptsächlich auf Texte aus dem Alten Testament wie Daniel 9 und der Offenbarung und machten eine scharfe Trennung zwischen der Gemeinde und Israel. Wenn es jedoch irgendeine Stelle in der Bibel gibt, die sich mit der Frage nach Israel und der Gemeinde befasst, dann ist es Römer 9-11. Dort geht Paulus, der ja selbst gebürtiger Israelit war, ausführlich auf die Frage nach dem Heilsplan Gottes für Israel und die Gemeinde ein und zitiert reihenweise das Alte Testament, um seine Lehren zu untermauern. Dass Paulus hier mit keiner Silbe eine Vorentrückung oder besondere Heilszeit im Sinne einer Trübsalszeit erwähnt, ist bezeichnend. Wir tun daher gut daran, Paulus’ Aussage in 1.Thessalonicher 4,17 als die entscheidende Aussage zur Entrückung zu nehmen.
Andreas Münch
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Wenn wir so handeln, werden wir dann immer Bekehrungen erleben? Sicher nicht. Denn auch wenn der christliche Glaube nicht der Vernunft widerspricht, dürfen wir doch nicht meinen, dass unsere Argumente unser Gegenüber immer unmittelbar überzeugen. Es wäre schon ein großer Gewinn, wenn der andere nach solchen Gesprächen hofft, dass unsere Botschaft wahr ist.
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Das entscheidende Prinzip aber lautet: Wir müssen allein auf Gott und auf die Kraft seines Evangeliums vertrauen (Röm 1,16). Jeder Mensch weiß um das Problem der eigenen Sünde, ob er es so nennt und zugibt oder nicht. Gott selbst hat dem Menschen seine Existenz und Moral ins Herz gelegt (Röm 1,20 ff). Der Mensch sehnt sich nach Gerechtigkeit, nach einem befreiten Gewissen und nach Heilung. Was dem Ungläubigen fehlt, ist das Bewusstsein, bzw. der Glaube, dass Christus und sein Evangelium all diese Sehnsüchte stillt. Dies können keine noch so guten Argumente bewirken, dies kann allein Gott schenken – «der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, er hat es in unseren Herzen Licht werden lassen, damit wir die Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus erkennen» (2Kor 4,6). «Denn so liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an dem sich erbarmenden Gott» (Röm 9,16). Das zu wissen und darauf zu vertrauen, gibt uns Hoffnung und nimmt uns die Last zu meinen, es könne nur durch uns gelingen oder an uns scheitern. Dieses Wissen stärkt unser Vertrauen in und unsere Freude an Gott und gibt ihm, dem wunderbaren Retter, die Ehre, die ihm gebührt.
den nach Paulus zu ein und demselben Zeitpunkt statt! Wie aber lässt sich Paulus’ unmissverständliche Aussage mit der Vision von einem 1000-jährigen Reich vereinbaren, die Johannes sah? Im Laufe der Kirchengeschichte wurde das 1000-jährige Reich unterschiedlich verstanden. Dabei haben sich drei große Hauptströmungen innerhalb der bibeltreuen Christenheit herauskristallisiert:
1. Das 1000-jährige Reich steht noch aus Diese Auslegung sieht in dem Millennium ein zukünftiges Reich, das erst nach der Wiederkunft Jesu beginnt wobei alle verstorben Gläubigen auferweckt, bzw. die noch Lebenden verwandelt werden und gemeinsam mit Christus herrschen. Die tausend Jahre werden meist wörtlich verstanden. Vor Anbruch des Millenniums wird eine Trübsalszeit erwartet. Diese Sicht war in der frühen Kirche weit verbreitet.
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Benjamin Schmidt
«Welche Heiligen sind hier gemeint? Werden wir alle am 1000-jährigen Reich Anteil haben, oder nur die aus der Trübsalszeit?»
Die kurze Antwort lautet: Ja! Alle, die zu Jesus gehören, werden am 1000-jährigen Reich (auch Millennium genannt), von dem Offenbarung 20,1-6 spricht, Anteil haben. Vers 4 spricht zwar konkret von den Märtyrern, die wieder lebendig werden und mit Christus tausend Jahre herrschen, doch die einzige Einschränkung, die in den Versen 5 und 6 gemacht wird, ist die zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Also zwischen Menschen, über die der zweite Tod – die endgültige Trennung von Gott – Macht hat oder eben nicht (vgl. Offb 20,14-15). Wenn es heißt: «Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung!», dann sind damit alle Christen gemeint. Verlassen wir einmal den schwierigen Text von Johannes und schauen, was Paulus sehr deutlich lehrt:
Genauso, wie wir alle sterben müssen, weil wir von Adam abstammen, werden wir alle lebendig gemacht werden, weil wir zu Christus gehören. Aber das geschieht nach der von Gott festgelegten Ordnung. Zuerst ist Christus auferstanden. Als Nächstes werden, wenn er wiederkommt, die auferstehen, die zu ihm gehören. Und dann wird Christus die Herrschaft Gott, dem Vater übergeben – dann, wenn er allen gottfeindlichen Mächten, Kräften und Gewalten ein Ende bereitet hat; dann ist das Ziel erreicht. (1Kor 15,22-24; NGÜ) Ähnlich erklärt er es auch in 1. Thessalonicher 4,16-17:
Der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, ein lauter Befehl wird ertönen, und auch die Stimme eines Engelfürsten und der Schall der Posaune Gottes werden zu hören sein. Daraufhin werden zuerst die Menschen auferstehen, die im Glauben an Christus gestorben sind. Danach werden wir – die Gläubigen, die zu diesem Zeitpunkt noch am Leben sind –mit ihnen zusammen in den Wolken emporgehoben, dem Herrn entgegen, und dann werden wir alle für immer bei ihm sein.
Die Wiederkunft Jesu, die Auferstehung der Gläubigen, die Entrückung und der Beginn der sichtbaren Herrschaft Jesu fin-
Erst unter Nelson Darby und seinen Anhängern trat im 19. Jahrhundert eine Sonderform dieser Lehre auf, bei der ebenfalls eine zukünftige 1000-jährige Herrschaft Christi auf Erden erwartet wird. Allerdings geht man laut Darbys Sicht von einer «geheimen» Wiederkunft Jesu aus, bei der die Gläubigen von der Erde genommen werden, bevor die «große Trübsal» von sieben Jahren anbricht. Gemäß dieser Sichtweise kommt Jesu nach den sieben Jahren ein weiteres Mal wieder, diese Mal sichtbar, um sein 1000-jähriges Reich aufzurichten. Die bereits verstorbenen Gläubigen warten hier jedoch im Himmel auf ihre Auferstehung. Allerdings ist Darbys Sicht äußerst problematisch, weil sie der klaren Lehre von Paulus aus 1. Korinther 15 und 1. Thessalonicher 4 entgegensteht.
2. Wir befinden uns bereits in einem geistlichen 1000-jährigen Reich
Diese Deutung sieht in dem Millennium ein geistliches Reich, das mit Jesu Himmelfahrt begann und bis zu seiner Wiederkunft andauert. Die Zahl der tausend Jahre wird symbolisch gedeutet und beschreibt das Zeitalter der Gemeinde. Dass Satan gebunden wird, versteht man in Bezug auf die Ausbreitung des Evangeliums, die Satan nicht verhindern kann, sodass die Völker, die vorher unter seinem Einfluss standen, sich nun zu Christus bekehren (vgl. Lk 10,17-24). Mit der Trübsalszeit ist die Verfolgung der Gemeinde durch die Jahrhunderte hindurch gemeint, wobei teilweise eine Verschärfung der Verfolgung kurz vor der Wiederkunft Jesu erwartet wird.
3. Wir befinden uns bereits in einem irdischen 1000-jährigen Reich
Diese Auslegung sieht in dem Millennium ein geistliches und ein irdisches Reich, das mit der Erhöhung Jesu anbrach und bis zu seiner Wiederkunft andauert. Die tausend Jahre stehen auch hier für das Zeitalter der Gemeinde. Der Unterschied zur zweiten Variante ist, dass die Verbreitung des Evangeliums nicht nur geistliche Spuren hinterlässt, sondern sich auch positiv auf die Gesellschaft auswirkt. Diese Auslegung ist die optimistischste und wurde vor allem in der Zeit der großen Erweckungen vertreten (wie z.B. von dem Puritaner Jonathan Edwards). Sie hat heute insbesondere im nordamerikanischen Raum Anhänger. In dieser Variante wird die Trübsalszeit als die heftige Christenverfolgung in der frühen Kirche interpretiert.
Alle drei Auslegungsvarianten werden mit Bibeltexten begründet und sie werden auch heute noch von bibeltreuen und gewissenhaften Auslegern vertreten. Völlig gleich, welche Sichtweise einen persönlich mehr überzeugt, so haben doch alle Christen Anteil an der Herrschaft Jesu.
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Andreas Münch
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«Was ist mit der ‹Sünde zum Tod› in 1. Johannes 5,16 gemeint?»
Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tod, soll er bitten, und er wird ihm das Leben geben, denen, die nicht zum Tod sündigen. Es gibt Sünde zum Tod; nicht im Hinblick auf sie sage ich, dass er bitten solle. (1Joh 5,16)
Eine harte Aussage! Aber halten wir fest: Der Vers sagt nicht: Es gibt Sünde für die es keine Vergebung gibt! Bei Voreiligem Lesen kann man genau darauf schließen. Um Texte richtig zu verstehen, ist es eine unbedingte Voraussetzung, sie in ihrem Kontext zu betrachten. Der Versuch, Sätze losgelöst von ihrem Kontext zu interpretieren, hat schon zu vielen Missverständnissen geführt.
Der weitgefasste Kontext unserer Stelle handelt von Zuversicht. Johannes wollte, dass seine Leser Zuversicht in Christus haben und darin, dass sie das ewige Leben sicher haben, weil sie an den Namen des Sohnes Gottes glauben (5,10-13). An dieser Zuversicht (Heilsgewissheit) war für Johannes nicht zu rütteln.
Der nähere Kontext handelt davon, dass sich diese Zuversicht in einem vertrauensvollen Gebet ausdrückt (V. 14). In Kapitel 3 hat Johannes die Themen Gebet und Vertrauen schon einmal angesprochen und deutlich gemacht, dass ein vertrauensvolles Gebet auch mit einem entsprechenden Leben verbunden sein muss, einem Leben, das Gott verherrlicht (vgl. 3,21-23).
Johannes hat in seinem Brief mehr als deutlich gemacht, dass es wahre Gläubige und Scheingläubige gibt, solche, die um ihre Sünde wissen und sie bekennen und solche, die sie leugnen und Gott zum Lügner machen (vgl. 1,7-10); er unterscheidet zwischen denen, die Gott lieben und denen, die die Annehmlichkeiten der Welt Gott vorziehen (2,1516). Johannes macht auch klar, dass der Gläubige nicht perfekt ist (2,1). Er ist bemüht, das Richtige zu tun und er sehnt sich danach, von seiner Sünde frei zu werden, aber er kann noch immer versagen. Johannes erklärt aber: Nach dem Willen Gottes zu leben und das Richtige zu tun, bedeutet in erster Linie, «dass wir an den Namen seines Sohnes, Jesus Christus glauben und einander lieben» (3,21-23). Glaube und Liebe sind Gottes Gebot und die Kennzeichen ewigen Lebens.
Und weil Glaube und Liebe die entscheidenden Kriterien sind, geht Johannes in den folgenden Versen zuerst auf die Grundlagen des Glaubens ein – dass in Christus Gott Mensch wurde (4,1-4) und wir allein durch Gottes gnädige Liebe und Christi Opfer Vergebung und ewiges Leben haben (4,7-10) –, und erklärt dann, dass dieser Glaube in unserer Liebe zu anderen sichtbar werden muss. Und genau in diesem Kontext steht unser Vers:
Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tod, soll er bitten, und er wird ihm das Leben geben, denen, die nicht zum Tod sündigen. Es gibt Sünde zum Tod; nicht im Hinblick auf sie sage ich, dass er bitten solle.
Der Kontext sagt, dass wir aus Liebe dazu aufgefordert sind, für andere zu beten, und zwar auch dann, wenn sie im Kampf gegen die Sünde versagen, und wir erhalten die Verheißung, dass Gott auf unsere Gebete antworten wird. Doch dann nennt Johannes einen Fall, bei dem wir diese Zuversicht nicht haben können – und zwar, wenn der andere eine «Sünde zum Tod» begeht. Hierbei ist wichtig zu betonen,
dass Johannes nicht sagt, es sei verboten, für so jemanden zu beten, oder dass es bestimmte Sünden gäbe, bei denen jedes Gebet sinnlos wäre.
Tatsächlich hat dieser Vers dazu geführt, dass sich innerhalb der Kirche eine bestimmte Kategorie von Sünde etabliert hat – sogenannte Todsünden –, die so schlimm sein sollen, dass Gott sie niemals vergeben könne. Die Schwierigkeit dabei ist, dass eine solche Unterscheidung im Neuen Testament nicht zu finden ist und dies sogar anderen Aussagen im Johannesbrief widersprechen würde (vgl. 1Joh 1,9; 2,2.12; 5,13).
Eine zweite Ansicht ist, dass Johannes hier von einer bestimmten Sünde spricht: Der «Lästerung des Geistes», vor der auch Jesus warnte. Damit ist ein extremes Ablehnen von Gottes Werken und seinen Wahrheiten gemeint, wie es die Pharisäer damals taten. Sie hatten Jesu Worte und Werke dem Satan zugeschrieben. Daraufhin antwortete Jesus:
Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden, aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben werden. (Mt 12,31-32)
Eine weitere Ansicht konzentriert sich darauf, dass es im 1. Johannesbrief vorrangig um Irrlehren geht und um die Abkehr Scheingläubiger von der Gemeinde (vgl. 2,19). Daher meinen viele, es handle sich bei dieser «Sünde zum Tod» um eine bewusste Abkehr vom Glauben. Dies würde sich dann auch auf andere Stellen beziehen, in denen davon die Rede ist, dass ein Christ «nicht sündigt» oder nicht «die Sünde»“ begeht – obwohl Johannes ja deutlich macht, dass auch ein Christ sündigt (vgl. 3,9.18; 5,18; 1,9). Damals war die Gefahr des Abfalls ganz besonders durch die Gruppe der Gnostiker präsent. Sie hatten sich anfangs zum Glauben an Jesus als den Christus bekannt, ihn dann aber später verworfen. Da Johannes in all seinen Schriften ganz klar die Sicherheit und Unverlierbarkeit der Errettung lehrt, gibt es so etwas wie den Abfall eines echten Gläubigen nicht. Die Gnostiker waren niemals Christen, sondern nur äußerliche Anhänger der Gemeinde (vgl. 2,19b).
Ist hier also unbedingt ein Christ gemeint, wenn Johannes von einem «Bruder» redet, oder kann es auch sein, dass er hier vom Gebet für die Errettung eines Ungläubigen spricht, dem Gott «das (ewige?) Leben» gibt? Es gibt tatsächlich Stellen im 1. Johannesbrief, bei denen «Bruder» auch für den «Nächsten» verwendet werden kann und nicht ausschließlich für den Glaubensbruder (vgl. 2,9.11; 3,16-17). Allerdings ist das nicht eindeutig genug, als dass man hier zu einem festen Entschluss kommen könnte.
Die Tatsache, dass keine der Sichtweisen eine völlig zufriedenstellende Antwort gibt, führt zu der Frage, ob Johannes vielleicht vom physischen Tod eines Christen spricht, der an einer absichtlichen Sünde festhält. Die Bibel nennt ein paar solcher Beispiele, wie Hannanias und Saphira oder die «Entschlafenen» in Korinth (vgl. Apg 5,1-11; 1Kor 11,30). In dem Fall würde Johannes sagen, dass Gott in manchen Fällen bereits ein Urteil über eines seiner Kinder gefällt hat, weil es nicht von seinem falschen Weg umkehrt, egal wie sehr ein anderer Christ für diesen Christen betet. Hierbei ginge es dann aber «nur» um das «Verderben des Fleisches, damit der Geist [des Bruders] gerettet wird» (vgl. 1Kor 5,5), nicht um die Verlierbarkeit des Heils. Wie schon gesagt, wäre dann das Gebet nicht verboten, dem Gebet kann aber nicht die Zuversicht entgegengebracht werden, wie im ersten Fall.
Letztendlich kann man zu unterschiedlichen Meinungen kommen, aber wohl nicht mit absoluter Sicherheit sagen, was mit der «Sünde zum Tod» gemeint ist.
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Trotzdem hat dieser Vers wichtige Konsequenzen für uns.
Oft neigen wir bei solch schwierigen Stellen dazu, einem Teil des Verses unsere ganze Aufmerksamkeit zu widmen, während wir die eigentliche Aussage völlig außer Acht lassen. Die Aussage dieses Verses ist, dass wir, von Liebe getrieben, für jeden beten sollen, der mit Sünde zu kämpfen hat. Es liegt nicht an uns, zu entscheiden, wann und wo ein Ausnahmefall eintritt. Nehmen wir beispielsweise Jesu Gebet für Petrus. Petrus hatte drei Jahre mit Jesus verbracht, doch als er nach Jesu Verhaftung gefragt wird, ob er zu Jesus gehöre, wird er schwach und verleugnet seinen Herrn. Er schwört sogar, ihn nicht zu kennen! Stellen wir uns vor,
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wir hätten das Ende der Geschichte nicht. Vermutlich würden wir sagen: Wenn jemals jemand die Sünde zum Tod begangen hat, dann Petrus. Aber Petrus ist nicht gestorben – weder körperlich noch geistlich. Gott hat ihm ein langes Leben geschenkt, in dem er Jesu Namen verkündete. Außerdem betete Jesus für ihn: «Simon, Simon, der Satan versucht, dich zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhört» (Lk 22,3132). Wir brauchen keine Aufforderung, nicht zu beten. Das schaffen wir leider ganz allein. Was wir aber brauchen, ist die Aufforderung für andere zu beten. Und genau das tun Johannes, Jesus und das Beispiel von Petrus sehr klar.
«Warum befiehlt Gott im Alten Testament, dass ganze Völker ausgerottet werden, während er uns in Jesus sanftmütig und liebevoll zugewandt begegnet?»
Tatsächlich sind die göttlichen Anordnungen an Israel, sein Strafgericht an einzelnen Nationen zu vollziehen, immer noch die größten Stolpersteine für Leser des Alten Testaments. Auch Christen haben zuweilen große Mühe mit Bibelstellen, in denen Gott den Israeliten befiehlt, gegen ihre Feinde vorzugehen. Zwar spricht auch Jesus ganz offen über das göttliche Gericht, aber ein ganz wesentlicher Unterschied ist, dass im Neuen Testament keinerlei Aufforderung an die Gläubigen ergeht, das Schwert in die Hand zu nehmen, um es gegen die Feinde des Glaubens einzusetzen, wie es ausdrücklich an einigen Stellen im Alten Testament der Fall ist. Wie gehen wir also mit diesen Bibelstellen um?
Um angemessen auf dieses Thema einzugehen, bräuchte es mehr Platz, als in dieser Herold-Ausgabe vorhanden ist. Daher möchte ich nur einige grundlegende Punkte nennen, die uns helfen können, auf solche und ähnlich schwierige Fragen einzugehen.
1. Niemand liest die Bibel unvoreingenommen Wenn wir ein Buch aufschlagen, beginnen wir bei der Lektüre nicht auf neutralem Boden. Jeder von uns bringt ein gewisses Weltbild, eine kulturelle Prägung mit, die maßgeblich dafür verantwortlich ist, wie er den Text versteht. Das ist unvermeidbar und kann zum Problem werden, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Wenn dieses Buch dann auch noch die Bibel ist, die von Dingen berichtet, die in einer völlig anderen Zeit und in einer ganz anderen Kultur geschehen sind, werden die Verständnisprobleme umso größer. Wichtig zu bedenken ist aber, dass die Verständnisprobleme nicht bei allen Menschen gleich sind. Was dem einen Leser große Mühe bereitet, ist für einen anderen vielleicht überhaupt kein Problem.
Nehmen wir jetzt einmal die Aufforderung zum Krieg gegen die Midianiter: «Und der HERR redete zu Mose und sprach: Nimm Rache für die Söhne Israel an den Midianitern!» (4Mo 31,1). Für jemanden aus der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts, dem die persönliche Freiheit des Einzelnen
Der Angst, «könnte es sein, dass ich diese Sünde begangen habe?», können ebenfalls Worte von Johannes entgegengesetzt werden:
Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit (1,9).
Also: Lasst uns auf Gott vertrauen, am Gebet (besonders für andere) festhalten und ausdauernd bleiben im Kampf gegen die Sünde.
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Benjamin Schmidt
das höchste Gut ist und der wahrscheinlich auch persönlich noch keinen Krieg erlebt hat, sind solche Bibelstellen natürlich schwere Kost. Wem das Konzept der Heiligkeit Gottes und des Bundesgedankens vollkommen fremd sind, wird schwerlich nachvollziehen können, dass ein liebender Gott im Einzelfall einen Rachekrieg anordnet, bei dem auch Unschuldige, wie zum Beispiel Kinder, umkommen. Die Tatsache, dass Gott in der Person von Jesus Christus Mensch wird und in seine Schöpfung eintritt, bereitet ihm hingegen weniger Mühe. Wenn er liest, wie Jesus dem Einzelnen mit seinen Schwächen und Nöten begegnet, Heilung und Vergebung schenkt, dann berührt ihn das zutiefst.
Gehen wir aber von einem ganz anderen Leser aus, beispielsweise einem Muslim aus Indonesien, der aus einer Stammeskultur kommt, dann wird sein Hintergrund vermutlich dazu führen, dass er weit weniger Probleme mit dem Heiligen Krieg hat als mit der Menschwerdung Jesu. Wenn Gott in seiner Weltanschauung weit über den Menschen steht und er absolut souverän ist, dann wundert es ihn wahrscheinlich nicht sehr, dass Gott sich zur Wehr setzt, wenn seine Heiligkeit angegriffen wird. Doch gerade dieses Gottesbild macht es unserem zweiten Leser schwerer, zu akzeptieren, dass Gott selbst sich so erniedrigt hat, dass er die menschliche Natur annahm, um für sündige Menschen am Kreuz zu sterben.
2. Nur wer die Bibel ernst nimmt, stößt auf derartige Probleme
Ironischerweise sind es oftmals Skeptiker und Spötter, die auf Bibelstellen, wie die gewaltsame Landnahme Kanaans unter Josua, hinweisen und daran Anstoß nehmen. Allerdings kann man ja nur dann ein Problem mit diesen Stellen haben, wenn man davon ausgeht, dass sie auch tatsächlich passiert sind – was die Betreffenden oftmals gar nicht tun. Nach der Sicht der Bibelkritiker ist der biblische Bericht rund um den Auszug aus Ägypten und der Landnahme unter Josua größtenteils Fiktion. Damit hätte sich das Problem doch eigentlich schon erledigt. Denn dann sind die biblischen Berichte lediglich Menschenwerk, israelitische Propa-
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ganda, deren historischer Wahrheitsgehalt mehr als fragwürdig ist.
Natürlich ist das nicht die Sicht eines Christen. Wir gehen davon aus, dass Gottes Wort wahr und zuverlässig ist. Genau das stellt uns natürlich vor gewisse Herausforderungen, gerade bei so schwierigen Texten wie den Heiligen Kriegen im Alten Testament. Doch auch hier gibt es hilfreiche Lösungsvorschläge.
3. Beachte den Kontext
Gerade bei schwierigen Bibelstellen müssen wir sehr sauber arbeiten, damit wir am Ende nicht etwas vertreten, das der Bibeltext niemals selbst hergibt. Auch müssen wir bedenken, dass, obwohl Gottes Wort unfehlbar ist, unsere Interpretationen es nicht sind.
Die alttestamentlichen kriegerischen Auseinandersetzungen müssen zunächst im großen Kontext einer gefallenen Welt gelesen werden. Gott handelt mit dem Menschen nicht auf neutralem Boden, seitdem der Mensch sich freiwillig von Gott losgesagt hat. Da Gott aus eigener Initiative Israel dazu erwählt hat, sein Volk zu sein, um durch Israel alle Nationen der Erde zu segnen (vgl. 1Mo 12,1-3), und dann einzelne Völker versuchen, Gottes Volk zu vernichten oder es vom lebendigen Gott abzubringen, dann müssen diese Völker die Konsequenzen für ihr Handeln tragen – so wie auch Israel die Konsequenzen bei Ungehorsam zu tragen hatte.
Wenn man sich die entsprechenden Stellen genau anschaut, wird auch deutlich, dass es niemals um ethnische Säuberungen ging. Israel erhielt nie
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den Auftrag, ein Volk anzugreifen, weil es einer bestimmten Ethnie angehörte, sondern weil es Gottes Volk zur Sünde verführt hatte (wie im Falle der Midianiter) oder aber um Gottes gerechtes Gericht auszuführen (wie im Falle der Landnahme). Doch selbst diese Gerichte waren in Israels Geschichte Einzelfälle und nicht die Norm. Jahwe gab seinem Volk klare Kriegsgesetze, die es ihnen untersagten, grundlos andere Völker anzugreifen (vgl. 5Mo 20,10-15). Mit Brüdervölkern wie Edom, Moab und Ammon durfte überhaupt kein Krieg angefangen werden (vgl. 2Mo 23,31; 5Mo 2,5-19). Besonders zu betonen ist, dass Israel die übrigen Völker nicht mit dem Schwert zu Jahwe hin zwingen sollte, Gottes Volk sollte sie durch einen vorbildlichen Lebenswandel zu ihm ziehen:
Auf der Suche nach echter Freundschaft?
Was geistliche Freundschaft ist und wie sie unser Leben verändert In einer Welt, in der Beziehungen – auch unter Christen – oft flüchtig und oberflächlich erscheinen, sehnen wir uns nach echter, tiefgehender Freundschaft. Doch wie sieht eine solche Freundschaft aus, die weit über das Alltägliche hinausgeht? Der Autor, Jonathan Holmes, zeigt anhand von biblischen Prinzipien und praktischen Beispielen, wie wahre Freundschaft durch Beständigkeit, Offenheit, Einsicht und seelsorgerlichen Rat geformt wird.
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Denn das ist eure Weisheit und eure Einsicht in den Augen der Völker, die all diese Ordnungen hören. Und sie werden sagen: Ein wahrhaft weises und verständiges Volk ist diese große Nation! Denn wo gibt es eine große Nation, die Götter hätte, die ihr so nahe wären wie der HERR, unser Gott, in allem, worin wir zu ihm rufen? Und wo gibt es eine große Nation, die so gerechte Ordnungen und Rechtsbestimmungen hätte wie dieses ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege? (5Mo 4,6-8).
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Andreas Münch
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