Branchenprofil Ern채hrungsindustrie in Hessen
Dr. Claus Bauer Gergana Petkova
Report Nr. 843 Wiesbaden 2013
Eine Veröffentlichung der
HA Hessen Agentur GmbH Postfach 1811 D-65008 Wiesbaden Konradinerallee 9 D-65189 Wiesbaden Telefon Telefax E-Mail Internet
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Folke Mühlhölzer (Vorsitzender), Dr. Rainer Waldschmidt
Florian Rentsch, Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –
Branchenprofil Ernährungsindustrie in Hessen
Inhalt
Seite
Vorwort
I
Ernährungsindustrie in Hessen im Überblick
1
Beschäftigte
3
Unternehmenslandschaft: Betriebe und bedeutende Unternehmen
4
Umsatz
7
Produktpalette und Produktionsschwerpunkte
8
Internationales: Außenhandel, Direktinvestitionen und Eigentumsverhältnisse
10
Forschung und Entwicklung
12
Ausbildung
13
Ausblick
14
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –
Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, die Leistungsfähigkeit der hessischen Wirtschaft basiert keineswegs nur auf einem starken Dienstleistungssektor, sondern Hessen ist traditionell auch ein wichtiger Industriestandort. Ich denke hierbei an Chemie und Pharma, Automobil-, und Elektroindustrie, Maschinenbau und auch an die Ernährungsindustrie. Das Branchenprofil „Ernährungsindustrie in Hessen“, das die Hessen Agentur im Auftrag meines Hauses erstellt hat, zeigt eindrucksvoll die Vielfalt und Bedeutung dieser Branche mit über 35.000 Beschäftigten. Zahlreiche bekannte Unternehmen der Branche wie Ferrero, Radeberger oder Selters stehen für Essen und Trinken „Made in Hessen“. Das Angebot erfreut sich nicht nur in Hessen einer großen Nachfrage, sondern deutschlandweit und auch im Ausland. Die Landesregierung ist stets bestrebt, die Rahmenbedingungen für die hessische Wirtschaft zu optimieren. Hier sind zum Beispiel die Verkehrs- und Datennetze, d.h. eine leistungsfähige Infrastruktur, zu nennen. Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld meines Hauses ist die Fachkräftesicherung. Denn ohne gut ausgebildete Arbeitskräfte wird es der Ernährungsindustrie kaum gelingen, im zunehmenden Wettbewerb weiterhin erfolgreich zu sein. Über die vorliegende Veröffentlichung zur Ernährungsindustrie hinaus möchte ich Ihnen auch die weiteren Branchenprofile bedeutender hessischer Industriezweige empfehlen, die unter www.hessen-agentur.de Wirtschafts- & Regionalforschung Wirtschaft & Strukturwandel zum Download zur Verfügung stehen. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Florian Rentsch, Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
I
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –
Ernährungsindustrie in Hessen im Überblick
35.388 Beschäftigte zählte die hessische Ernährungsindustrie – verstanden im Sinne der „Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln“ sowie der „Getränkeherstellung“ der amtlichen Statistik – im Jahr 2011.1 Dies sind 6,4 % aller Beschäftigten der Ernährungsindustrie in Deutschland und 8,9 % der Beschäftigten des hessischen Verarbeitenden Gewerbes.
374 Betriebe der Ernährungsindustrie waren im Jahr 2011 in Hessen ansässig. Die Anzahl der Betriebe ist im Landkreis Fulda am höchsten.
Hessen weist eine Vielzahl bedeutender Unternehmen der Ernährungsindustrie auf. Hierzu zählen beispielsweise Ferrero, Henkell, Nestle, PepsiCo, Radeberger und Selters.
Die hessische Ernährungsindustrie erwirtschaftete im Jahr 2011 einen Umsatz von 9,0 Mrd. Euro. 71,6 % des Umsatzes entfallen auf die Sparte der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln und 28,4 % auf die Getränkeherstellung, womit Letzterer in Hessen ein deutlich größeres Gewicht zukommt als auf Bundesebene (12,2 %).
Die Exportquote der hessischen Ernährungsindustrie wird für das Jahr 2011 mit 18,4 % angegeben – d.h. 1,7 Mrd. Euro des Gesamtumsatzes von 9,0 Mrd. Euro entfallen auf den Auslandsumsatz. Wichtigstes Abnehmerland von Erzeugnissen der Ernährungsindustrie war im Jahr 2011 Frankreich. Der Direktinvestitionsbestand ausländischer Investoren in der heimischen Ernährungsindustrie belief sich auf 950 Mio. Euro zum Jahresende 2010.
In Hessen waren zum Wintersemester 2011/12 insgesamt 5.236 Studierende in den Fächern Agrarwissenschaften, Lebensmittel- und Getränketechnologie sowie Ernährungs- und Haushaltswissenschaften immatrikuliert. Die heimischen Betriebe der Ernährungsindustrie beschäftigten 2011 2.361 Auszubildende.
1
Mit Ausnahme der Angaben zu einzelnen Unternehmen und zur Ausbildung beziehen sich alle Angaben zu Beschäftigten, Betrieben und Umsätzen für Hessen, andere Bundesländer und Deutschland auf Betriebe von Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten. Informationen zu einzelnen Unternehmen (z.B. Zahl der Mitarbeiter, Produktpalette, Marktposition, Eigentumsverhältnisse) beruhen auf Recherchen der Hessen Agentur (Internetauftritte der Unternehmen, Presseartikel, Unternehmensdatenbanken wie z.B. MARKUS, Anfrage bei den Unternehmen usw.). 1
Branchenprofil Ernährungsindustrie in Hessen
Ernährungsindustrie1 in Hessen: Wichtige Indikatoren im Überblick Anteil am Verarbeit. absolut Gewerbe Hessens in % Beschäftigte (2011)
Anteil an ErnährungsAutomobil industrie Deutschlands in %
Zum Vergleich: Chemie und Pharma
Elektro
GummiMaschinenund bau Kunststoff
Metall
absolut
35.388
8,9
6,4
47.885
58.422
49.932
34.473
43.875
52.072
374
13,6
6,3
75
180
314
223
374
412
Umsatz (in Mio. Euro, 2011)
8.992
8,0
5,5
16.518
24.542
10.133
8.155
10.026
18.356
Auslandsumsatz (in Mio. Euro, 2011)
1.651
3,0
5,4
9.653
16.339
4.732
2.393
6.320
9.356
Betriebe (2011)
1 Unter der Ernährungsindustrie werden im folgenden die Abteilungen „Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln“ und „Getränkeherstellung“ gemäß der Wirtschaftszweigsystematik WZ 2008 der amtlichen Statistik verstanden. Quelle: destatis, HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.
2
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –
Beschäftigte 35.388 Beschäftigte hatten im Jahr 2011 ihren Arbeitsplatz in der heimischen Ernährungsindustrie, was 8,9 % der Beschäftigten des hessischen Verarbeitenden Gewerbes entspricht. 6,4 % aller Beschäftigten der Ernährungsindustrie bundesweit sind in der hessischen Ernährungsindustrie tätig. Hessen ist damit nach Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen der fünftgrößte „Arbeitgeber“ in Sachen Ernährungsindustrie unter den Bundesländern. Wie in den meisten Branchen, so lag auch in der hessischen Ernährungsindustrie die Beschäftigung 2009 unter dem Vorjahresniveau – und zwar um 3,4 %. Damit stellt sich die Entwicklung im Krisenjahr 2009 besser als im Durchschnitt des hessischen Verarbeitenden Gewerbes (-5,3 %) dar, aber schlechter als die Ernährungsindustrie auf Bundesebene (-1,0 %). Doch bereits 2010 wurde im Zuge steigender Umsätze per Saldo wieder Personal eingestellt (+1,6 %). Für 2011 schlägt für die heimische Ernährungsindustrie sogar ein Beschäftigungsplus von 2,8 % (Deutschland: +1,4 %) zu Buche, zu dem beide Bereiche – Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln sowie Getränkeherstellung – gleichermaßen beigetragen haben. Entwicklung der Beschäftigung in der Ernährungsindustrie und im Verarbeitenden Gewerbe in Hessen und Deutschland 2009 – 2011* in % zum Vorjahr 4
in % zum Vorjahr 4
Ernährungsindustrie
2
2
0
0
-2
-2
Verarbeitendes Gewerbe
-4
-4 Beschäftigte 2011 (in 1.000): Hessen
-6
Deutschland
2009
Beschäftigte 2011 (in 1.000):
35,4
Hessen
549,2
-6 2010
2011
398,3
Deutschland
2009
2010
5.832,4
2011
* Durch eine Änderung bei den Abschneidegrenzen in Verbindung mit der Umstellung der Wirtschaftssystematik von der WZ 2003 zur WZ 2008 wird von einer Angabe der Veränderungsraten vor dem Jahr 2009 abgesehen. Quelle: destatis, HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.
3
Branchenprofil Ernährungsindustrie in Hessen
Unternehmenslandschaft: Betriebe und bedeutende Unternehmen Im Jahr 2011 waren hessenweit 374 Betriebe (Vorjahr: 373 Betriebe) der Ernährungsindustrie zuzuordnen, wovon 41 auf die Getränkeherstellung entfallen und 333 Betriebe dem Bereich Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln angehören. Bei 24 Betrieben handelt es sich um Großbetriebe, d.h. um Betriebe, in denen mindestens 250 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz haben. Die Großbetriebe erwirtschaften 48,1 % des Branchenumsatzes mit 59,8 % aller Beschäftigten der Branche. Diese Werte liegen deutlich unter den Vergleichswerten für das hessische Verarbeitende Gewerbe insgesamt, so dass die Konzentration von Umsatz und Beschäftigung auf Großbetriebe in der hessischen Ernährungsindustrie vergleichsweise gering ist. Größenstruktur der Ernährungsindustrie und des Verarbeitenden Gewerbes in Hessen im Jahr 2011 – Anteil der Großbetriebe* an Zahl der Betriebe, Beschäftigten und Umsatz
6,4
Betriebe
Ernährungsindustrie 10,2
Verarbeitendes Gewerbe
48,1
Beschäftigte
59,9
59,8
Umsatz
71,1 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100 Anteil in %
* Betriebe mit 250 und mehr Beschäftigten Quelle: HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.
Die Ernährungsindustrie weist eine klare Konzentration auf Südhessen2 auf. Dort sind rund 60 % der Beschäftigten der Branche in Hessen tätig. Allein in Frankfurt haben 4.221 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. An erster Stelle ist hier der größte Lebensmittelkonzern der Welt – Nestlé – zu nennen, dessen Wurzeln3 sowie seine Deutschlandzentrale mit rund 1.200 Mitarbeitern in Frankfurt liegen. Im benachbar-
2
3 4
Ein unmittelbarer Vergleich der im nachfolgenden Text gemachten Angaben mit der vorstehenden Tabelle ist allerdings nicht möglich. Dies vor allem aus zwei Gründen: Erstens liegt den Daten der amtlichen Statistik die Betriebsebene zugrunde, während sich die Angaben im Text weitgehend auf Unternehmen beziehen. Zweitens ist insbesondere bei breitem Produktspektrum nicht immer zweifelsfrei erkennbar, welcher Branche ein Unternehmen zuzuordnen ist (z.B. Chemie oder Pharma bzw. Maschinenbau oder Elektrotechnik). In Frankfurt wurde Heinrich Nestlé, der Gründer von Nestlé, geboren.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –
ten Groß-Gerau befindet sich der Sitz einer Nestlé-Tochtergesellschaft – und zwar der Erlenbacher Backwaren GmbH –, die mit ihren 500 Mitarbeitern zu einer der größten deutschen Produzenten von Tiefkühlbackwaren zählt. Regionale Verteilung der Ernährungsindustrie1 in Hessen im Jahr 2011 Verwaltungsbezirk
Betriebe
Beschäftigte
Regierungsbezirk Darmstadt
179
16.023
Darmstadt, Wissenschaftsstadt
6
n.a.
Frankfurt am Main, Stadt
20
4.221
Offenbach am Main, Stadt
3
n.a.
14
853
Wiesbaden, Landeshauptstadt Bergstraße
15
1.278
Darmstadt-Dieburg
14
1.188
Groß-Gerau
11
958
Hochtaunuskreis
8
42
Main-Kinzig-Kreis
19
932
Main-Taunus-Kreis
8
432
Odenwaldkreis
9
478
21
1.857
Rheingau-Taunus-Kreis
12
1.089
Wetteraukreis
19
720
Regierungsbezirk Gießen
61
7.413
Gießen
12
636
Lahn-Dill-Kreis
13
664
Limburg-Weilburg
13
776
Marburg-Biedenkopf
15
n.a.
8
n.a.
93
5.470
Landkreis Offenbach
Vogelsbergkreis Regierungsbezirk Kassel Kassel, documenta-Stadt Fulda Hersfeld-Rotenburg Landkreis Kassel
3
101
23
1.859
5
245
16
571
Schwalm-Eder-Kreis
19
1.347
Waldeck-Frankenberg
20
1.124
Werra-Meißner-Kreis
7
223
1 Da für den Bereich der Getränkeherstellung nur für vereinzelte Kreise Angaben vorliegen, beziehen sich die Angaben in dieser Tabelle ausschließlich auf die Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln. n.a.: Zahlenwert geheim zu halten. Quelle: HSL.
5
Branchenprofil Ernährungsindustrie in Hessen
In Frankfurt ist auch die Radeberger Gruppe KG, der Marktführer am deutschen Biermarkt, ansässig. Zu dem Produktportfolio der Radeberger Gruppe gehören u.a. die regionalen Marken Binding und Henninger, die vor Ort gebraut werden. Zur Gruppe gehört auch die Wiesbadener Henkell & Co. Sektkellerei KG,4 die zu den führenden Anbietern von Sekt, Wein und Spirituosen in Europa zählt. Ein weiteres Unternehmen der Getränkeindustrie – die Danone Waters Deutschland GmbH – wird ebenfalls von Frankfurt aus gesteuert. In Frankfurt befindet sich zudem die mit über 650 Mitarbeitern größte Bäckerei der Glockenbrot Bäckerei GmbH & Co.oHG. Darüber hinaus unterhält der Wurst- und Fleischwarenspezialist Wilhelm Brandenburg GmbH & Co. oHG eine Betriebsstätte in Frankfurt. Eine weitere Betriebsstätte des Unternehmens befindet sich in Dreieich im Landkreis Offenbach. Ebenfalls im Landkreis Offenbach (in Mühlheim am Main) befindet sich der Hauptsitz der Wiener Feinbäckerei Heberer GmbH, die in Hessen insgesamt rund 1.400 Mitarbeiter beschäftigt. Das benachbarte Neu-Isenburg hat sich ebenfalls zu einem bedeutenden Standort der Ernährungsindustrie in Hessen entwickelt. So ist NeuIsenburg der Unternehmenssitz der PepsiCo Deutschland GmbH und von Lorenz Snack-World (The Lorenz Bahlsen Snack-World GmbH & Co KG Germany) – einem großen Hersteller u.a. von Kartoffelchips und Laugengebäck. Darüber hinaus haben sich führende Dienstleister im Bereich des (Airline) Catering in Neu-Isenburg angesiedelt: Die LSG Sky Chefs-Gruppe ist der weltweit größte und Gate Gourmet der zweitgrößte Anbieter in diesem Bereich. Auch die ARAMARK Holdings GmbH & Co. KG gehört zu den großen Unternehmen auf dem Gebiet des Catering.5 Die Liste der bedeutenden Unternehmen der Branche in Südhessen endet hiermit nicht. In Heppenheim befindet sich mit dem Langnese-Werk (über 700 Mitarbeiter) der Unilever Deutschland Produktions GmbH & Co OHG eines der größten Eiskremwerke Europas, das auch für andere Unilever-Unternehmen in Europa Speiseeis produziert. Ebenfalls an der Bergstraße, in Alsbach im Landkreis DarmstadtDieburg, betreibt der Marktführer im Bereich Salzige Snacks in Deutschland, die Intersnack Knabber-Gebäck GmbH & Co. KG, eines seiner größten Werke. Und in Darmstadt hat die DöhlerGruppe – ein bedeutender Hersteller u.a. von Fruchtsaftkonzentraten, Fruchtzubereitungen, Aromen und Farben für die Getränke- und Milchindustrie – ihren Hauptsitz. Zu den größten Getränkeherstellern in Südhessen gehört auch die HassiaGruppe mit insgesamt mehr als 700 Mitarbeitern in Hessen. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Bad Vilbel. Schließlich ist als südhessisches Unternehmen noch die Schwälbchen Gruppe (Schwälbchen Molkerei Jakob Berz
4 5
6
Einschließlich der Söhnlein Rheingold Sektkellerei GmbH in Wiesbaden und der Fürst von Metternich Sektkellerei GmbH in Johannisberg. Zu beachten ist, dass Caterer in der amtlichen Statistik dem Handel und nicht der Ernährungsindustrie zugeordnet werden.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –
AG) in Bad Schwalbach anzuführen, die sich mit mehr als 300 Mitarbeitern in der Region auf Molkereiprodukte spezialisiert hat. Allein rund 3.400 der insgesamt 7.413 Beschäftigten der Ernährungsindustrie in Mittelhessen sind beim Süßwarenhersteller Ferrero Deutschland GmbH in Stadtallendorf (Landkreis Marburg-Biedenkopf) tätig. Die Verwaltung des Unternehmens bebefindet sich in Frankfurt am Main. Ein weiteres sehr bekanntes Unternehmen der Branche in Mittelhessen ist die Selters Mineralquelle Augusta Victoria GmbH in Löhnberg-Selters im Landkreis Limburg-Weilburg. Auch in Nordhessen existieren große Unternehmen der Ernährungsindustrie. So ist Fulda der Hauptstandort der Kurhessischen Fleischwaren GmbH mit rund 370 Mitarbeitern. Mit seinem Tochterunternehmen Milupa GmbH (Säuglings- und Kleinkindernahrung) hat auch der Global Player Danone ein Standbein in Nordhessen: Knapp 400 Mitarbeiter sind vor allem in Fulda, aber auch in Bad Homburg und in Friedrichsdorf (Hochtaunuskreis) für das Unternehmen tätig. Im Landkreis Fulda – genauer gesagt in Poppenhausen und Umgebung – sind für die papperts GmbH & Co. KG insgesamt rund 700 Personen tätig. Das Unternehmen gehört im Großraum Fulda zu den bekanntesten Bäckereien. Eine weitere Großbäckerei in Nordhessen ist die Viehmeier GmbH & Co. KG mit etwa 600 Mitarbeitern in Gilserberg (SchwalmEder-Kreis) und Umgebung.
Umsatz Die hessische Ernährungsindustrie realisierte im Jahr 2011 einen Umsatz von 9,0 Mrd. Euro, womit 8,0 % des Umsatzes des hessischen Verarbeitenden Gewerbes auf die Ernährungsindustrie entfallen. 5,5 % des Branchenumsatzes deutschlandweit werden von der Ernährungsindustrie in Hessen erzielt. Damit liegt Hessen hinter Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg auf dem fünften Platz im Bundesländervergleich. Getreu dem Motto „Essen und Trinken hat immer Konjunktur“ musste die Ernährungsindustrie im Krisenjahr 2009 keinen Umsatzeinbruch verzeichnen: Während in der Branche auf Bundesebene der Umsatz moderat um 2,7 % nachgab, wurde in Hessen sogar ein geringfügiges Plus von 0,5 % verzeichnet. Dem stehen Rückgänge im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes von 13,2 % in Hessen und sogar 18,3 % bundesweit gegenüber. Die hohe Stabilität des Privaten Konsums bedingt allerdings, dass sich umgekehrt auch die positiven Ausschläge in Grenzen halten: 2010 nahm der Umsatz in der hessischen Ernährungsindustrie um 4,1 % zu, im Jahr 2011 wurde ein Umsatzplus von 7,8 % erzielt, wozu auch die überdurchschnittlich positive Entwicklung des Auslandsgeschäftes (+13,3 %) beigetragen hat. 7
Branchenprofil Ernährungsindustrie in Hessen
Umsatzentwicklung in der Ernährungsindustrie und im Verarbeitenden Gewerbe in Hessen und Deutschland 2009 – 2011* in % zum Vorjahr 15
in % zum Vorjahr 15
Ernährungsindustrie
10
10
5
5
0
0
-5
-5
-10
-10
-15
Umsatz 2011 (in Mrd. Euro): Hessen
-20
Deutschland
2009
Verarbeitendes Gewerbe
Umsatz 2011 (in Mrd. Euro):
-15
Hessen Deutschland
9,0 163,3
112,2 1.734,7
-20 2010
2011
2009
2010
2011
* Durch eine Änderung bei den Abschneidegrenzen in Verbindung mit der Umstellung der Wirtschaftssystematik von der WZ 2003 auf die WZ 2008 wird von einer Angabe der Veränderungsraten vor dem Jahr 2009 abgesehen. Quelle: destatis, HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.
Produktpalette und Produktionsschwerpunkte Die heimischen Unternehmen der Ernährungsindustrie stellen eine außerordentliche Bandbreite an Produkten her, die entweder – zumeist über den Handel – an den Endverbraucher abgesetzt werden oder für andere Unternehmen der Branche Vorprodukte darstellen. Es wird unterschieden zwischen der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln auf der einen Seite sowie der Getränkeherstellung auf der anderen Seite. Bereits anhand dieser Zweiteilung der Ernährungsindustrie wird ein besonderes Strukturmerkmal der Branche in Hessen deutlich: Der hohe Stellenwert der Getränkeindustrie. So steuerte 2011 die Getränkeindustrie in Hessen 28,4 % zum Branchenumsatz der Ernährungsindustrie bei, während der entsprechende Anteil auf Bundesebene mit 12,2 % nicht einmal halb so hoch ausfiel. Das Spektrum der in Hessen hergestellten Getränke reicht von Alkoholika wie Bier – hier ist insbesondere die Radeberger Gruppe zu nennen –, Wein und Sekt über Erfrischungsgetränke bis hin zu den in Hessen zahlreich gewonnenen natürlichen Mineralwässern.
8
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –
Unsatz der Ernährungsindustrie nach Sparten in Hessen und Deutschland im Jahr 2011 Hessen* in Mio. Euro
Deutschland in %
in Mio. Euro
in %
6.442
71,6
143.427
87,8
1.051
11,7
37.609
23,0
0
0,0
2.236
1,4
564
6,3
9.425
5,8
0
0,0
6.222
3,8
Milchverarbeitung
720
8,0
25.984
15,9
Mahl- und Schälmühlen, Herstellung von Stärke und
129
1,4
5.837
3,6
Herstellung von Back- und Teigwaren
1.187
13,2
18.119
11,1
Herstellung von sonstigen Nahrungsmitteln
2.721
30,3
29.239
17,9
71
0,8
8.755
5,4
Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln Schlachten und Fleischverarbeitung Fischverarbeitung Obst- und Gemüseverarbeitung Herstellung von pflanzlichen und tierischen Ölen und Fetten
Stärkeerzeugnissen
Herstellung von Futtermitteln Getränkeherstellung
2.549
28,4
19.918
12,2
Insgesamt
8.991
100,0
163.346
100,0
Quelle: destatis, HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.
Im Gegenzug ist der Umsatzanteil der Nahrungs- und Futtermittelherstellung in Hessen mit 71,6 % im Jahr 2011 geringer als im Bundesdurchschnitt (87,8 %). Die größte Bedeutung innerhalb dieses Bereichs in Hessen entfällt auf die Herstellung sonstiger Nahrungsmittel (Umsatzanteil: 30,3 %). Hierbei handelt es sich um eine sehr heterogene Sparte, deren Produkte u.a. Süßwaren (z.B. Schokolade aller Art), Kaffee, Würzmittel, Fertiggerichte und Lebensmittel für eine besondere Ernährung (beispielsweise Babynahrung oder glutenfreie Lebensmittel) umfassen. Nestlé, der größte Lebensmittelkonzern der Welt, der sein Deutschlandgeschäft von Frankfurt aus steuert, sowie Ferrero (Frankfurt und Stadtallendorf) dürften wesentlich dafür verantwortlich zeichnen, dass der Umsatzanteil dieses Segments der Ernährungsindustrie in Hessen erheblich größer ist als bundesweit (17,9 %). Das Gegenteil trifft für die Bereiche Schlachten und Fleischverarbeitung (11,7 %) sowie Milchverarbeitung (8,0 %) zu, denen auf Bundesebene entsprechende höhere Anteile von 23,0 % bzw. 15,9 % gegenüberstehen. Hieran zeigt sich, dass in Hessen im Vergleich etwa mit Niedersachsen und Bayern der Viehhaltung eine geringere Bedeutung zukommt. Bei der Herstellung von Back- und Teigwaren (13,2 %), d.h. von Brot und Brötchen über Kuchen und Dauerbackwaren bis hin zu Nudeln, sowie bei der Obst und Gemüseverarbeitung (6,3 %) entsprechen die genannten Umsatzteile weitgehend denen auf Bundesebene (11,1 % bzw. 5,8 %). Die weiteren Bereiche der Ernährungsindustrie sind in Hessen von untergeordneter Bedeutung bzw. gar nicht vertreten.
9
Branchenprofil Ernährungsindustrie in Hessen
Internationales: Außenhandel, Direktinvestitionen und Eigentumsverhältnisse Die hessische Ernährungsindustrie erzielte im Jahr 2011 einen Umsatz von 9,0 Mrd. Euro. Hiervon entfielen 1,7 Mrd. Euro auf den Umsatz mit dem Ausland, was einer Exportquote6 von 18,3 % (Deutschland: 18,8 %) entspricht. Ungeachtet des Anstiegs der Exportquote in den letzten Jahren fällt diese nach wie vor erheblich geringer aus als im Verarbeitenden Gewerbe Hessens insgesamt (49,6 %). Die Verderblichkeit vieler Nahrungsmittel und ein oftmals ungünstiges Verhältnis von Gewicht bzw. Volumen zu Warenwert sind hierbei wichtige restringierende Faktoren. Hessischer Außenhandel mit Erzeugnissen der Ernährungsindustrie1 im Jahr 2011 Import2
Insgesamt
Export2
in Mio. Euro
Anteil in %
2.891
100,0
Insgesamt
in Mio. Euro
Anteil in %
1.514
100,0
wichtigste Handelspartner Niederlande
538
18,6
Frankreich
227
15,0
Italien
438
15,1
Österreich
133
8,8
Frankreich
298
10,3
Italien
127
8,4
1
Ohne lebende Pflanzen und Erzeugnisse von Ziergärtnereien.
2
Import und Export werden auf Bundesländerebene nach zwei unterschiedlichen Konzepten (General- bzw. Spezialhandel) erfasst. Eine Saldierung der Ein- und Ausfuhrwerte ist deshalb nicht statthaft.
Quelle: HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.
Im Jahr 2011 importierte Hessen Erzeugnisse – von fertig verarbeiteten Nahrungsmitteln über Grundstoffe zur Weiterverarbeitung bis hin zu lebenden Tieren – für 2,9 Mrd. Euro. Bedeutendster Lieferant waren die Niederlande (wichtigste Importgüter: Fleisch und Fleischwaren sowie Kartoffelerzeugnisse) vor Italien und Frankreich. Insgesamt gesehen stellten die Erzeugnisse der Ernährungsindustrie 3,8 % der gesamten hessischen Einfuhr des Jahres 2011. Der Ausfuhrwert belief sich im Gegenzug auf 1,5 Mrd. Euro. Größter Abnehmer der hessischen Ernährungsindustrie war 2011 Frankreich vor Österreich und Italien. In allen drei Staaten erfreuen sich insbesondere Kakaoerzeugnisse „Made in Hessen“, d.h. im Wesentlichen Süßwaren aus Schokolade, einer großen Beliebtheit. Insgesamt gesehen waren 2,7 % der hessischen Fertigwarenexporte des Jahres 2011 Erzeugnisse der Ernährungsindustrie.
6 10
Die Exportquote gibt den Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz an.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –
Nicht nur der Außenhandel, sondern auch die Direktinvestitionen7 sind ein wichtiger Indikator für die internationale Verflechtung. Das Ausland hatte zum Jahresende 2010 ein Volumen von 950 Mio. Euro in der hessischen Ernährungsindustrie investiert, wovon allein 650 Mio. auf die Schweiz entfallen. Über die Direktinvestitionen hessischer Unternehmen im Ausland liegen leider keine Angaben vor. Einen Einblick in die Internationalität der Ernährungsindustrie auf der Ebene der Unternehmensverflechtungen geben auch die Eigentumsverhältnisse bedeutender Unternehmen der Branche in Hessen, wobei die teilweise sehr komplexen Unternehmensverflechtungen bisweilen eine eindeutige Aussage erschweren. Zu dieser Betrachtungsweise des investiven Engagements in der nachfolgenden Tabelle tritt sozusagen noch die Gegenrichtung: Unternehmen des heimischen Ernährungsgewerbes sind im Ausland aktiv und unterhalten dort z.B. auch Vertriebseinrichtungen. Eigentumsverhältnisse bedeutender Unternehmen der Ernährungsindustrie in Hessen Name
Konzernmutter
Sitz Unternehmen bzw. Sitz Konzernmutter
Aramark Holdings GmbH & Co.KG Danone Waters Deutschland GmbH DöhlerGruppe Ferrero Deutschland GmbH Gate Gourmet Glockenbrot Bäckerei GmbH & Co.oHG HassiaGruppe Henkell & Co. Sektkellerei KG Intersnack Knabber-Gebäck GmbH & Co. KG kff Kurhessische Fleischwaren GmbH LSG Sky Chefs-Gruppe Milupa GmbH Nestlé Gruppe (einschließlich Erlenbacher Backwaren GmbH) papperts GmbH & Co. KG PepsiCo Deutschland GmbH Radeberger Gruppe KG Schwälbchen Molkerei Jakob Berz AG The Lorenz Bahlsen Snack-World GmbH & Co KG Germany Unilever Deutschland Produktions GmbH & Co OHG 7
Aramark Corp. Groupe Danone SA Familienbesitz Ferrero International S.A. Gategroup Holding AG REWE-Zentralfinanz eG Familienbesitz Dr. August Oetker KG (Familienbesitz) Pfeifer & Langen Gruppe (Familienbesitz) tegut … Gutberlet Stiftung und Co. KG (Familienbesitz) Deutsche Lufthansa AG (börsennotiert, überwiegend Streubesitz) Groupe Danone SA
USA Frankreich Deutschland Italien Schweiz Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland
Nestlé S.A.
Schweiz
Familienbesitz PepsiCo Inc. Dr. August Oetker KG (Familienbesitz) börsennotiert
Deutschland USA Deutschland Deutschland
Familienbesitz
Deutschland
Unilever N.V. / Unilever plc
Niederlande / Großbritannien
Deutschland Deutschland Frankreich
Eine Direktinvestition ist eine grenzüberschreitende Investition, mit dem Ziel, eine dauerhafte (Kapital-)Beteiligung an einem Unternehmen im Ausland herzustellen. Zu beachten ist, dass Direktinvestitionen zunächst nur Kapitalbewegungen zwischen In- und Ausland widerspiegeln, d.h. es können unmittelbar weder die Motive des Investors daraus abgeleitet werden noch können z.B. Fragen, inwieweit Direktinvestitionen Realkapital schaffen oder zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen, beantwortet werden. Datenquelle der Angaben zu Direktinvestitionen (vorläufige Ergebnisse) ist die Deutsche Bundesbank. Die Angaben zu den Direktinvestitionen liegen noch nicht in der neuen Wirtschaftszweigklassifikation WZ 2008 vor. 11
Branchenprofil Ernährungsindustrie in Hessen
Eigentumsverhältnisse bedeutender Unternehmen der Ernährungsindustrie in Hessen (Fortsetzung) Name
Konzernmutter
Sitz Unternehmen bzw. Sitz Konzernmutter
Viehmeier GmbH & Co. KG Wiener Feinbäckerei Heberer GmbH Wilhelm Brandenburg GmbH & Co. oHG
Familienbesitz Familienbesitz REWE-Zentralfinanz eG
Deutschland Deutschland Deutschland
Quelle: Recherchen der Hessen Agentur.
Forschung und Entwicklung Nach Angaben des ZEW8 wurden im Jahr 2010 8,4 % des Umsatzes der „Nahrungsmittel-, Getränke- und Tabakindustrie“ mit neuen Produkten generiert. Marktneuheiten spielen damit im Vergleich zu den anderen Industriebranchen eine geringere Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen. Zwei wichtige Ursachen sind zu nennen: Zum einen ist die Branche stark von traditionellen Produkten geprägt und zum anderen werden Innovationen etwa im Automobil- oder Elektronikbereich deutlich positiver von den Konsumenten wahrgenommen als in der Ernährungsindustrie. Dort sind die Verbraucher deutlich kritischer, so dass sich deren Kaufentscheidungen weniger stark durch Produktinnovationen beeinflussen lassen. Dennoch steckt in der Ernährungsindustrie ein großes Innovationspotenzial. Vor allem Marktsegmente wie Convenience-Produkte und Genussnahrungsmittel sind stark von Produktneuerungen geprägt. Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Ernährungsindustrie sind in hohem Maße auf Großunternehmen konzentriert. Die FuE-Budgets von Konzerne wie Nestlé oder Unilever liegen im Milliardenbereich. Allerdings finden deren Forschungsaktivitäten nahezu vollständig im Ausland und nicht in Hessen statt. Hingegen hat die universitäre Forschung in diesem Bereich in Hessen eine lange Tradition. Ein Beispiel hierfür ist das Wirken von Justus von Liebig, der im 19. Jahrhundert als Professor an der Universität Gießen (heute Justus-Liebig-Universität) mit seinem „Liebig Fleischextrakt“ weltweit bekannt wurde. Heute führt der Fachbereich Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement an der Justus-Liebig-Universität Gießen sein Werk fort und beschäftigt sich u.a. mit den ernährungsphysiologischen Beziehungen gesunder Ernährung, der Entwicklung funktioneller Lebensmittel sowie der Analyse und Bewertung biochemischer Prozesse im menschlichen Organismus. Unter dem Stichwort „Globale Ernährung“ werden Ansätze zur Überwindung von Hunger und Armut sowohl auf der Mik8
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Vgl. ZEW (Hrsg.): Branchenreport Innovationen – Nahrungsmittel-, Getränke- und Tabakindustrie, S. 1f., Mannheim 2012.
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ro- als auch auf der Makroebene entwickelt. Auch die Hochschule Fulda und die Universität Kassel sind in den Gebieten Lebensmitteltechnologie und Oecotrophologie sowohl im Bereich der Forschung als auch der Lehre engagiert. Eine der ältesten Forschungseinrichtungen des Wein- und Gartenbaus im deutschsprachigen Raum befindet sich ebenfalls in Hessen: Die Forschungsanstalt Geisenheim wurde 1872 gegründet und führt – zum 01.01.2013 in die neu gegründete Hochschule Geisenheim University integriert – anwendungs- und grundlagenorientierte Forschung in den Bereichen Weinbau, Gartenbau, Oenologie und Getränkeforschung durch. Ausbildung Die Ausbildungslandschaft ist für die künftige Entwicklung der Ernährungsindustrie in Hessen ebenfalls von großer Bedeutung (Stichwort: Fachkräftesicherung). An den hessischen Universitäten und Fachhochschulen waren im Wintersemester 2011/12 5.236 Studierende in den Studienfächern Agrarwissenschaften, Lebensmittel- und Getränketechnologie sowie Ernährungs- und Haushaltswissenschaften immatrikuliert. Im Prüfungsjahr 2011 absolvierten 1.099 Studenten erfolgreich ihre Abschlussprüfung – sei es in technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen wie etwa der Getränketechnologie oder auch in Studiengängen mit hohem betriebswirtschaftlichem Anteil wie z.B. „International Food Business and Consumer Studies“ oder dem Bachelorstudiengang „Internationale Weinwirtschaft“. Über die genannten Zahlen hinaus ist noch ein spezieller Studiengang im Bereich der Chemie – und zwar die Lebensmittelchemie – anzuführen. Fachausbildung Ernährungsindustrie in Hessen Anzahl Studierende im WS 2011/12 davon: Agrarwissenschaften, Lebensmittel- und Getränketechnologie Ernährungs- und Haushaltswissenschaften
5.236
Absolventen (Diplom, Master und Bachelor) im Prüfungsjahr 2011 davon: Agrarwissenschaften, Lebensmittel- und Getränketechnologie Ernährungs- und Haushaltswissenschaften
1.099
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in beruflicher Ausbildung in der Ernährungsindustrie zum 31.12.2011
2.361
Auszubildende in Berufen der Ernährungsindustrie* 2011
1.525
3.217 2.019
591 508
* Gruppen 39, 40, 42, 43 der Ausbildungsstatistik. Quelle: HSL, Statistik der Bundesagentur für Arbeit
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Branchenprofil Ernährungsindustrie in Hessen
Doch nicht nur die Hochschulausbildung, sondern auch die betriebliche Ausbildung spielt eine wichtige Rolle: 2.361 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in beruflicher Ausbildung (Auszubildende) zählten die hessischen Betriebe der Ernährungsindustrie Ende 2011. Die Ausbildungsstatistik nach Berufen9 gibt für das Jahr 2011 1.525 Personen an, die in Berufen der Ernährungsindustrie – vom Bäcker bis zur Fachkraft für Fruchtsafttechnik – ausgebildet werden.
Ausblick Angesichts der Sättigungstendenzen auf dem heimischen Markt in Verbindung mit einer langfristig rückläufigen Bevölkerungszahl in Deutschland sind dem Wachstum der Ernährungsindustrie enge Grenzen gesetzt, was in einem intensiven Wettbewerb resultiert. Dieser wird durch regelrechte Preisschlachten der Lebensmitteldiscounter untereinander, die mithilfe ihrer Marktmacht auf die Abgabepreise und die Lieferkonditionen der Ernährungsindustrie Druck ausüben und Produzenten die Herstellung von Handelsmarken abtrotzen, zusätzlich verstärkt. Die Ernährungsindustrie – nicht nur in Hessen, sondern bundesweit – ist deshalb bereits seit vielen Jahren durch Konzentrationsprozesse gekennzeichnet: Sei es durch Zusammenschlüsse, um Skalenvorteile zu realisieren oder auch durch Übernahmen insolventer Wettbewerber. Diese Entwicklung lässt sich besonders gut im Backgewerbe verfolgen. Viele kleinere Bäckereien haben in den letzten Jahren entweder ihre Geschäftstätigkeit eingestellt oder wurden von anderen Bäckereien übernommen, die zu überregionalen Filialbäckereien gewachsen sind – mit zunehmend automatisierter industrieller Produktion wie bei Großbäckereien („Brotfabriken“). Mit dem Lebensmitteleinzelhandel, insbesondere den Discountern, drängen weitere große Anbieter mit vollautomatischen Backstationen oder sogar mit in Tochtergesellschaften organisierten eigenen Bäckereien in den Markt. Hinzu kommt eine steigende Anzahl von im Franchisesystem geführten Selbstbedienungsbäckereien. Als Beispiel kann auch die Getränkeindustrie angeführt werden: So gehören z.B. zur Bad Vilbeler HassiaGruppe mittlerweile acht Unternehmen – Keltereien wie Mineralbrunnen – mit insgesamt 18 Marken. Die in Frankfurt ansässige Radeberger Gruppe nennt sogar mehrere Dutzend Marken ihr Eigen und verfügt zudem im Zuge der Vorwärtsintegration über eigene Getränkefachmärkte. Ein Ende des Konzentrationsprozesses ist nicht absehbar, d.h. auch in den nächsten Jahren ist in der hessischen Ernährungsindustrie mit Zukäufen oder auch dem Ausscheiden von Marktteilnehmern zu rechnen.
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Nach dem Berufsbildungsgesetz wird Berufsausbildung vielfach nach der Art des Ausbildungsberufs und nicht nach der Zugehörigkeit des Ausbildungsbetriebs zu einem bestimmten Wirtschaftsbereich unterschieden. Daher deckt sich die Gliederung der Ausbildungsbereiche nicht mit der Wirtschaftsgliederung nach der Systematik der Wirtschaftszweige.
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Umso mehr wird das Ausland in den Blick der heimischen Anbieter rücken (müssen). So wird es auch für die kleineren Unternehmen der hessischen Ernährungsindustrie immer wichtiger werden, sich Absatzmöglichkeiten im Ausland zu erschließen. Hierbei ist nicht nur an die Nachbarländer zu denken (z.B. die neuen EUMitglieder), sondern ebenfalls an Staaten außerhalb der EU wie etwa die USA oder Schwellenländer in Asien. Um den Export von Markenprodukten und höherwertigen Lebensmitteln „Made in Hessen“ zu erleichtern, sind geeignete handelspolitische Rahmenbedingungen wichtig, d.h. als flankierende Maßnahmen kommt dem Abbau von tarifären und nicht-tarifären Exporthemmnissen z.B. durch den Abschluss von bilateralen Freihandelsabkommen eine wichtige Funktion zu. Beim Außenhandel handelt es sich allerdings keineswegs um eine Einbahnstraße, denn es werden zunehmend nicht nur exotische Waren importiert. Das Beispiel der tiefgefrorenen Erdbeeren aus der VR China, deren Verunreinigung für die Erkrankung von vielen Menschen in Deutschland verantwortlich gemacht wurde, zeigt deutlich, dass auch neue Wettbewerber entstehen. Zwar verlieren derartige Ereignisse für die konkrete Einkaufsentscheidung der Verbraucher in der Regel schnell an Relevanz. Sie sind aber in der Summe geeignet, dem bereits existierenden Trend hin zu so genannten „Bio“-Produkten und zu Produkten aus regionalem Anbau weiteren Auftrieb zu verleihen. In diesem Segment, dessen Wachstum sowohl durch den Wunsch nach gesunder Ernährung mit höherwertigen und weniger belasteten Produkten als auch durch Nachhaltigkeitsaspekte gespeist wird, eröffnen sich der heimischen Ernährungsindustrie mit einer entsprechenden Marketingstrategie (z.B. regionalen Qualitätszeichen) neue Absatzpotenziale. Dies trifft ebenfalls für so genannten Convenience Food zu, d.h. für Produkte, die schnell, einfach und auch in kleineren Portionen zubereitet werden können. Sozio-demografische Strukturverschiebungen wie der zunehmende Anteil älterer Menschen, abnehmende Haushaltsgröße, steigende Frauenerwerbsquote sowie letztlich unregelmäßigere und kürzere Essenszeiten sind bei dieser Entwicklung wichtige treibende Kräfte. Während der eine Verbraucher verstärkt nach Bio-Produkten greift, bedient sich der Andere zunehmend des Functional Food (Lebensmittel mit Zusatznutzen). Ob mit Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren oder anderen Zusätzen angereichert – derartige Produkte sind auf dem Vormarsch und dürften deshalb in den nächsten Jahren auch für die hessische Ernährungsindustrie zunehmende Bedeutung im Wettbewerb um den Verbraucher erlangen, wenngleich der Nutzen nicht unumstritten ist. Die Entwicklung solcher Lebensmittel ist allerdings mit einem beachtlichem Forschungs- und Entwicklungsaufwand verbunden, was für manches Unternehmen eine Herausforderung darstellen dürfte. Gemeinsam ist den wachsenden Märkten der Bio-Produkte, Convenience und Functional Food die Aussicht auf höhere Margen, wobei die höheren Preise zugleich den 15
Branchenprofil Ernährungsindustrie in Hessen
Kreis der potenziellen Kunden einschränken. So wichtig Produktinnovationen auch sind, so eng begrenzt sind insgesamt gesehen jedoch die Möglichkeiten im Ernährungsbereich im Vergleich zu anderen Industriezweigen wie z.B. der Elektroindustrie oder dem Maschinenbau. Umso mehr gilt es, diese Potenziale bestmöglich auszuschöpfen, z.B. durch eine intensive Kooperation zwischen den Unternehmen, Hochschulen und sonstigen auf dem Gebiet der Ernährung tätigen Forschungseinrichtungen in Hessen. Für die zukünftige Entwicklung der hessischen Ernährungsindustrie ist zudem die sichere Verfügbarkeit von Rohstoffen essentiell. Das Spektrum reicht hierbei von Getreide und Ölsaaten, Obst und Gemüse über Fleisch und Milch bis hin zum Kakao, einem zentralen Rohstoff für die in Hessen prominent vertretene Herstellung von Schokoladenwaren. Wachsende Weltbevölkerung sowie zunehmender Wohlstand und damit steigende Nachfrage der Schwellenländer sorgen für eine angespannte Preissituation, wobei Preisschwankungen auf den internationalen Rohstoffmärkten – in den letzten Jahren genährt durch spekulative Geschäfte – auf die deutschen Märkte durchschlagen. Darüber hinaus ist die zunehmende Konzentration auf der Angebotsseite – so bestimmen z.B. nur wenige Unternehmen den Weltmarkt bei Kakaohalbfabrikaten – und neuerdings die Nutzungskonkurrenz zwischen stofflicher und energetischer Verwertung zu nennen. All dies verlangt von der heimischen Ernährungsindustrie einem entsprechenden Rohstoffmanagement zukünftig noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dies auch verstärkt unter der Berücksichtigung ökologischer und sozialer Standards, d.h. Nachhaltigkeitsaspekten.
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