HIMBEER April-Mai 2020

Page 4

Immer weiter fragen Fotos: Manuel Miethe, Text: Eva Maria Schneider

Inmitten der Hackeschen Höfe liegt der Eingang zum Anne Frank Zentrum. Der Lernort gibt Besuchern einen Einblick in das nur fünfzehnjährige Leben von Anne Frank. Ihr Tagebuch wurde weltberühmt und in 70 Sprachen übersetzt. Sie schrieb es von 1942 bis 1944 in einem Amsterdamer Hinterhaus, wo sich die jüdische Familie Frank vor den Nazis verstecken musste. Die Historikerinnen Veronika Nahm und Giulia Tonelli haben die Ausstellung „Alles über Anne“ konzipiert. Unter den Füßen sind Erhebungen zu spüren. Sie weisen den Weg durch die Räume des Anne Frank Zentrums: entlang der Wände mit Video-Interviews, Fotos und Briefen, einer Bibliothek mit vielen Tagebüchern bis hin zu einem kleinen rot-weiß-karierten Buch, Annes Tagebucheinband. Viele Familien und Schulklassen besuchen die Ausstellung, die komplett barrierefrei gestaltet ist. In „Alles über Anne“ wird Antisemitismus in der Geschichte und

Gegenwart thematisiert. Vor allem jungen Menschen soll hier ein Raum geschaffen werden, sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und des Holocausts intensiv auseinanderzusetzen.

Über Unbegreifliches sprechen Veronika Nahm leitet seit fünf Jahren den Bereich Ausstellung und Pädagogik im Anne Frank Zentrum. „Das Medium, um mit Kindern den Holocaust zu thematisieren, ist das Gespräch. Kein Film, kein Spiel, keine Fotos“, erklärt sie. Die Kinder können Fragen stellen und erhalten möglichst genaue Antworten. Nur, wenn weiter gefragt wird, wird auch weiter geantwortet. „Die Biografie ist ein guter Weg, ein solch schweres Thema mit Kindern zu besprechen, denn sie ist nachvollziehbar“, sagt Giulia Tonelli. Die Historikerin arbeitet seit 2014 als Bildungsreferentin am Anne Frank Zentrum. Zu Holocaust-Gedenkstätten sowie Bildungs- und Lernorten weltweit stehen sie und das ganze Team dabei in ständigem Austausch, auch was die Vermittlung und das pädagogische Konzept angeht. „Für die Jüngeren arbeiten wir auch mit Biografien von Kindern, die überlebt haben“, sagt Veronika Nahm. „Aber die Shoah bleibt ein Massenmord und den können wir nicht ohne Tote erzählen.“ Anne Frank verbrachte ihre Kindheit in Frankfurt am Main. 1934 musste die Familie vor den Nationalsozialisten nach Amsterdam fliehen. Wenige Jahre später fielen NS-Truppen auch in den Niederlanden ein. Die Familie Frank war gezwungen, sich ab 1942 in einem Hinterhaus zu verstecken. Im Laufe


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.