Die Bündner Kulturbahn 2018

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Die Bündner Kulturbahn 15. JAHRGANG 2018

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FREUDE AM REISEN Dank unserer Technologie dürfen die Fahrgäste eine ruhige und komfortable Fahrt geniessen. www.stadlerrail.com

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Interessengemeinschaft Zügen/Landwasser Obergasse 42 CH-7494 Wiesen www.igzl.ch info@igzl.ch

Die Interessegemeinschaft Zügen/Landwasser unterstützt den Wander- und Erlebnistourismus in der wildromantischen Zügenschlucht unter Einbezug der bautechnisch interessanten Bahnlinie Davos–Filisur und dem imposanten Wiesenerviadukt. Die IGZL vermittelt Führungen zu den Brückenbauwerken und fördert Erlebnis- und Nostalgiezüge. Die ereignisreiche Baugeschichte der Bahnstrecke wird aufgearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

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Club 1889 7503 Samedan www.club1889.com info@club1889.com

Der Club 1889 – »Wir erhalten historische Fahrzeuge der Rhätischen Bahn» – wird von über 500 Mitgliedern getragen, die mit Handwerk, Fachwissen, Ideen und Geld historische Fahrzeuge der RhB erhalten und wenn möglich restaurieren. Drei Arbeitsgruppen in Landquart/Chur, Poschiavo und Samedan arbeiten an verschiedenen, anspruchsvollen Projekten.

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Freunde der Schmalspurbahnen

Freunde der Schmalspurbahnen CH-7430 Thusis www.schmalspur.ch info@schmalspur.ch

Die Freunde der Schmalspurbahnen gründeten ihren Verein 1988. Sie pflegen und unterstützen den Modellbau zum Thema RhB, vorzugsweise in der Spurweite H0m. Sie vermitteln ihre Kenntnisse im Modellbau durch Baukurse, durch intensiven Erfahrungsaustausch, durch die Teilnahme an Modultreffen im In- und Ausland und durch zahlreiche Exkursionen.

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Verein Dampffreunde der Rhätischen Bahn Bahnstrasse 1 CH-7402 Bonaduz www.dampfvereinrhb.ch kundendienst@dampfvereinrhb.ch

Pro Salonwagen RhB Postfach 662 CH-7002 Chur www.verein-pro-salonwagen.ch info@verein-pro-salonwagen.ch

Albula-Bahn-Club Bergün Unterdorf 20a 7482 Bergün/Bravuogn www.albula-bahn-club.ch

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Die Bündner Kulturbahn ist ein unabhängiges Magazin, welches von historic RhB jährlich herausgegeben wird. historic RhB wurde 2003 als Dachverband gegründet, um die Anliegen und Interessen der sechs nebenan aufgeführten Vereine zu koordinieren und zu vertreten. Bis zur Heftmitte werden Artikel mit aktuellem oder historischem Bezug zur Rätischen Kulturbahn präsentiert, mit besonderem Augenmerk auf die Bildauswahl. Den Übergang zum Vereinsteil bildet die Jahresagenda in der Heftmitte mit einem umfassenden Überblick der geplanten Anlässe und Erlebnisfahrten mit historischem Rollmaterial. Dank unseren Inserenten kann das Magazin weit und gratis gestreut werden und erreicht ein grosses RhB-Reisepublikum.

Der Verein Dampffreunde der Rhätischen Bahn engagiert sich für die historischen Fahrzeuge der RhB. Die erwirtschafteten Gewinne aus den Nostalgiefahrten sind bereits in zahlreiche Projekte von historic RhB eingeflossen. Seit 2004 betreibt der Verein den Bahnhof Bonaduz und bietet den Kunden nebst vielfältigem Billettangebot auch spezielle Angbote im Bereich Nostalgiereisen an.

Im Dezember 1996 wurde der Verein Pro Salonwagen RhB gegründet. Ziel war es, die aus der Belle Epoque stammenden historisch wertvollen Salonwagen AS 1141–1144 der RhB zu erhalten. Nach erfolgter Restaurierung 1999 haben die Initianten dank einer neuen Sammelaktion den Pullman-Zug 2010 mit einem eleganten, stilvollen Piano-Bar-Wagen ergänzt.

Der Albula-Bahn-Club (ABC) besteht seit mehr als 25 Jahren und wird von über 200 Mitgliedern aus dem In- und Ausland getragen. Im Ortsmuseum Bergün hat der ABC eine Modellanlage des RhB-Streckenabschnitts Bergün–Preda erstellt. Der ABC ist zudem stolzer Besitzer der Krokodillokomotive Ge 6/6 I 407 von 1922, die als Leihgabe vor dem Bahnmuseum Albula in Bergün einen würdigen Platz gefunden hat.

IMPRESSUM Redaktion Geni Rohner, info@historic-rhb.ch Christoph Benz Layout & Bildbearbeitung Raphael Schreiner, W&S Agentur für Werbung GmbH www.ws-werbeagentur.de Adresse historic RhB Postfach 555 CH-7001 Chur www.historic-rhb.ch Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe (2019): Inserate und Texte bis 30. November 2018 Inseratvorlagen an: inserate@historic-rhb.ch Auflage 30 000 Exemplare Liegt in RhB-Zügen und an den RhB-Bahnhöfen auf. Erscheint einmal jährlich anfangs Jahr Belichtung, Druck und Ausrüstung Südostschweiz Print AG, Chur Bezug Zusätzliche Exemplare können für CHF 10.–/1 10.– im Kuvert bei historic RhB, Postfach 555, CH-7001 Chur, bezogen werden. Titelbild Die Loklampe der «Ge 2/4 Nr. 222» bildet den Rahmen, Enrico Pirovino arrangiert die Bahnmodelle und Michaela Rapp sorgt für das Layout.

Bahnmuseum Albula Bergün

Die Stiftung Bahnmuseum Albula ist für die Sammlung von erhaltenswertem und historischem Bahnmaterial und dessen Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit verantwortlich. 2011/2012 wurde das ehemalige Zeughaus beim Bahnhof Bergün zum Museum umgebaut. Für den Unterhalt der Sammlung und den Betrieb des Museums hat die Stiftung die Bahnmuseum Albula AG gegründet. Das Museum ist auf drei Stockwerken angelegt. Besucher wandern durch Täler und Tunnel, erfahren Wissenswertes zu den Pioniertaten rund um den Bau der Albulalinie oder hören den Erzählungen der ersten RhB-Kondukteurin zu. Anhand multimedial inszenierter Räume, originaler Exponate und einer der letzten »Krokodil»-Lokomotiven werden historische und aktuelle Aspekte der spektakulärsten aller Schweizer Bahnstrecken eindrücklich erlebbar gemacht. Bahnmuseum Albula in Bergün

Bahnmuseum Albula AG Plazi 2A 7482 Bergün / BravuognSchweiz www.bahnmuseum-albula.ch info@bahnmuseum-albula.ch

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«Graubündens rollende Kulturgüter» Schwerpunkt der «Bündner Kulturbahn 2018» bildet die Liste «historisches Rollmaterial». Als meterspurige Vollbahn besitzt die RhB einen Fahrzeugpark, der fast alle Entwicklungen der europäischen Hauptbahnen von 1890 bis heute widerspiegelt. Mit fünf Dampflokomotiven nimmt die damalige «Landquart – Davos Bahn» ihren Betrieb auf. In ihrer nun bald 130jährigen Geschichte beschafft die RhB total 2537 Fahrzeuge, um den täglichen Betrieb in Graubünden sicherzustellen.

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Die Bündner Kulturbahn 7 Editorial des Präsidenten von historic RhB 8 «Rollende Kulturgüter Graubündens» 20 Aufarbeitung des historischen Wagens B 2060 22 Der «Sanitätseisenbahnzug» der RhB 24 Bewegende Bündner Bahnikone 33 Agenda der «Bündner Kulturbahn» 36 Über Gestaltung und Form von RhB-Elektrolokomotiven 42 Seit Generationen am Bernina im Einsatz

Eine bewegende Bündner Bahnikone Die Lokomotiven des Typs Ge 4/4 I stehen seit 70 Jahren auf den Bündner Schienen täglich im Einsatz. Es ist die erste laufachslose Elektrolok, die 1947 ihren Betrieb aufnimmt. Es ist damals ein Quantensprung in der Traktionstechnik. Von ursprünglich zehn Exemplaren stehen noch vier Lokomotiven vornehmlich für den Bau des neuen Albulatunnels im Einsatz. Die Autoren Christoph Benz und Fredy Pfister schildern die bewegte Geschichte dieser «Kult-Lok».

40 Zehn Jahre «UNESCO Welterbe RhB»

52 Zehn Jahre IG Zügen – Landwasser

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10 Jahre IG Zügen – Landwasser Bereits seit zehn Jahren sorgt die «Interessengemeinschaft Zügen – Landwasser» für die touristische Entwicklung zwischen Davos und Filisur. Die besondere Schönheit der unwegsamen Natur und speziell die spektakuläre Bahnlinie durch die wildromantische Zügenschlucht faszinieren die Besucher immer wieder von neuem. Ab diesem Frühling verkehren täglich fahrplanmässige historische Züge zwischen Davos und Filisur.

48–49 Wir sind auch ein Bahnhof Seit 14 Jahren betreibt der Verein «Dampffreunde der RhB» den Bahnhof Bonaduz. Carmen Gredig und ihr Team bieten den Bahnkunden eine professionelle Informations- und Verkaufsstelle. Mit dem Aufbau eines «Kompetenzzentrum Nostalgiereisen Graubünden» und der Einrichtung des virtuellen Bahnschalters – www.bahnoldtimer.ch – wird den Kunden ein Service von A – Z geboten.

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54 Das Herz der Bündner Kulturbahn 57 Erstes Club 1889-Jugendprojekt

58 Das Bahnmuseum Albula in Bergün

Freunde der Schmalspurbahnen

60 Highlights des Clubjahrs 2017

62 Wir sind auch ein Bahnhof

Schlusslaterne

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64 Vorwärts in die Vergangenheit

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Viva la ferrovia Es lebe die Kulturbahn! Unter all diesen Prämissen sei dieser Spruch für einmal öffentlich gewagt. Es soll nicht das eine gegen das andere ausgespielt, dafür aber Goethe zitiert werden:

Unsere «Kulturbahn» «Das Zusammenspiel des historischen Rollmaterials, der Infrastruktur, der Landschaft, des Angebots und der Menschen mit ihrer Freude für das Bahnerbe; das ist für mich die Bündner Kulturbahn.» Das aus einem Interview sinngemäss widergegebene Zitat des RhB-Direktors Renato Fasciati freute nicht nur mich, auch die zahlreichen Mitglieder unserer Vereine dürften mit Freude von dieser Aussage Kenntnis genommen haben. Es ist ein Dankeschön und gleichzeitig auch die Wertschätzung von höchster Ebene für die bisher geleisteten Arbeiten unserer zahlreichen «Frondienstler». Der Dank geht aber auch von uns zurück an die RhB-Geschäftsleitung für die immer wohlwollende Unterstützung unserer zahlreichen Anliegen. Die Bahnenthusiasten Was treibt sie an? Woher stammt die Energie und der Wille, dass sich so viele Freiwillige dermassen für «altes Eisen» einsetzen? Es ist die Faszination unserer «rollenden Kulturgüter», die bei Jung und Alt bleibende Erinnerungen hinterlässt. Ausflüge mit nostalgischen Zügen liegen im Trend und bilden einen starken Kontrast zu den heutigen modernen Verkehrsmitteln. Der Reisende steht im Bann der Bündner Staatsbahn, einem perfekten Kosmos zwischen fantastischen Kulturlandschaften, die sie durchfährt, den grandiosen Ingenieur- und Arbeiterleistungen ihrer alten und neuen Kunstbauten, den architektonisch ansprechenden Bahnhöfen sowie dem weltbekannten Rollmaterial. Dieses bildet wohl unbestritten eine der grössten, in sich geschlossensten und vielseitigsten Fahrzeugsammlungen der Welt – Lokomotiven und Wagen aus der bald 130-jährigen Bahngeschichte. In unserem Schwerpunktthema der diesjährigen Ausgabe der «Bündner Kulturbahn» wird die eindrucksvolle Entwicklung des rhätischen Bahnfuhrparks der ersten fünf Dezennien aufgezeigt. Verschiedene Autoren erläutern in ihren Beiträgen die Bedeutung der «rollenden Kulturgüter».

Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da. Wenn also so ein «Produkt», wie es heutige Touristiker etwas gar sachlich und distanziert nennen würden, da ist – gut und nah – sowie als Gesamtes über 100 Jahre überdauert hat, dann muss es erstklassig sein. Der Zeitpunkt scheint reif, es weiter zu pflegen und weiterzuentwickeln, quasi das Glück zu ergreifen, wie früher den Bügel beim endlos laufenden Skilift. Ideen sind seitens der RhB, des Vereins UNESCO Welterbe RhB sowie aller historic-RhB Vereine viele und grosse vorhanden. Sie verdienen es, unterstützt zu werden. Eine willkommene Unterstützung haben wir bereits auf politischer Ebene erhalten und die RhB plant diesen Sommer erstmals einen fahrplanmässigen Betrieb mit historischen Zügen zwischen Davos und Filisur. Täglich sollen vom Mai bis Oktober je zwei Zugspaare durch die attraktive Zügenschlucht zuckeln. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass diese «Erlebniszüge» auch entsprechend frequentiert werden und somit die «guten alten Zeiten» ein wenig aufleben lassen. Ich wünsche allen Reisenden unvergessliche Erlebnisse an Bord der «Kult- und Kulturbahn».

Claudio Lardi Präsident historic RhB

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«Graubündens rollende Ku Von Geni Rohner Mit fünf Dampflokomotiven, 23 Personenwagen, drei Gepäck- und 22 Güterwagen nimmt die damalige «Landquart-Davos Bahn» im Herbst 1889 ihren Betrieb auf. Der zu erwartende Verkehr auf der neuen Prättigauer-Linie ist schwer abzuschätzen. Bereits nach wenigen Betriebsmonaten folgt die Erkenntnis, dass das vorhandene Rollmaterial der riesigen Nachfrage bei weitem nicht genügt. Mit den laufenden Netzerweiterungen der kommenden Jahre – insgesamt dauert die Erstellung des heutigen RhB-Stammnetzes ein Vierteljahrhundert (bis 1913) – wird der Lok- und Wagenbestand sukzessiv erhöht. Im nachfolgenden Schwerpunktthema «Graubündens rollende Kulturgüter» wird die eindrucksvolle Entwicklung des rhätischen Bahnfuhrparks aufgezeigt. Aus Platzgründen konzentrieren wir uns auf das erste halbe Jahrhundert der Bündner Staatsbahn. Ein kurzer Abstecher auf die «Berninabahn» darf ebenfalls nicht fehlen: Christoph Benz erläutert in seinem Artikel Spannendes über die Triebwagen der ersten Generation.

oben: Eben hat der Dampfzug Klosters verlassen und schnaubt dampfend Richtung Cavadürli. Archiv RhB

Die erste Dampflok der RhB, die «Rhätia Nr. 1» auf Extrafahrt in der Klus bei Landquart. Foto: RhB / Stefan Schulthess

Mit fünf Dampflokomotiven erfolgt der Auftakt Wie bereits in früheren Ausgaben unserer «Bündner Kulturbahn» erwähnt, braucht es für den Bau einer Bahnlinie im Gebirge Persönlichkeiten und Macher mit Visionen, Pioniergeist, Mut, Ausdauer sowie das entsprechende Kapital. Mit der Erstellung einer Bahnlinie ins Gebirge betritt die junge Bahngesellschaft Neuland. Auf Erfahrungswerte anderer Bergbahnen können die Betreiber nicht zurückgreifen. So gilt es, mit dem geplanten Adhäsionsbetrieb Steigungen bis 45‰ zu meistern. Die SLM Winterthur entwickelt für die Bündner Schmalspurbahn eine spezielle Tender-

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Dampflok mit der Achsfolge 1-C (Typ Mogul). Die Nassdampf-Zwillingslokomotiven leisten bei 20 km/h rund 250 PS, gerade genug, um eine Anhängelast von 45 Tonnen die steilen Prättigauer-Ram-

pen hochzuziehen. Dank des initiativen Davoser Hoteliers, dem gebürtigen Niederländer Willem Jan Holsboer, wird am 9. Oktober 1889 das erste Teilstück einer Schmalspurbahn von Landquart bis Klosters mit fünf Dampflokomotiven, 23 Personenwagen, drei Gepäck- und 22 Güterwagen in Betrieb genommen. Während man sich beim Betrieb der ersten Teilstrecke an das konzessionsmässige Minimum von zwei durchgehenden Personenzügen Landquart–Klosters und einem Lokalzug Landquart–Küblis hält, wird ab dem Sommer 1890 mit der Inbetriebnahme des fehlenden Abschnittes Klosters–Davos das Zugsangebot bereits massiv aufgestockt: fortan verkehren täglich vier Zugspaare zwischen Landquart und Davos. Doch schon sehr schnell zeigt sich, dass der Betrieb mit nur fünf Loko-

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Ein Bild aus der Anfangszeit der «Landquart–DavosBahn». Der Dampfzug aus Davos kommend passiert die Brücke und erreicht in Kürze den Bahnhof Klosters. Archiv RhB

de Kulturgüter» motiven äusserst knapp bemessen ist. Das Verkehrsaufkommen steigt weiter sehr massiv, so dass die gemischten Züge (Personen- und Güterwagen) für die Fahrt über die Bergstrecke in Küblis häufig geteilt werden müssen. Die abgehängten Güterwagen werden mit einem separaten Zug nachgeführt. Eine weitere Variante ist die Führung der Züge in Doppeltraktion; doch auch diese Massnahme erfordert eine zweite Lokomotive. Bereits im September 1890 wird von der «Appenzeller Bahn»

eine Dampflok für die Vorspanndienste ab Küblis ausgelehnt. Die zusätzlichen, nicht geplanten Lok-Einsätze haben schlussendlich schwerwiegende Folgen: Der erforderliche Unterhaltsdienst bei den Dampfmaschinen wird vernachlässigt und nur noch sporadisch ausgeführt. Zudem werden die Dampflokomotiven auf den langen 45‰-Rampen von Küblis bis zum Wolfgangpass bis an ihre Grenzen ausgelastet. Als Folge häufen sich die Reparaturen. So müssen bereits nach

kurzer Betriebszeit bei allen Lokomotiven sämtliche Achsen ersetzt, Radsätze ausgewechselt sowie die Rahmen nachgenietet und verstärkt werden.

Rollmaterialbestand der «Landquart–Davos Bahn» ab Sommer 1890 • 5 Dampflokomotiven G 3/4 Nr. 1–5, SLM Winterthur • 4 Wagen 1./2. Klasse mit 24 + 24 Plätzen (AB Nr. 1–4) • 2 Wagen 1./2. Klasse mit 24 + 24 Plätzen (Seitengang; AB Nr. 5-6) • 3 Wagen 2./3. Klasse mit 12 + 28 Plätzen (BC Nr. 11-13) • 14 Wagen 3. Klasse mit 40 Plätzen (C Nr. 31–44) • 3 Gepäckwagen (F Nr. 1–3) • 11 gedeckte Güterwagen (K Nr. 1–11) • 6 offene Hochbordwagen (L Nr. 101–106) • 5 Niederbordwagen (M Nr. 201–205)

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Der Bahnhof Davos Platz im Chalet-Stil passt bestens zum bereitstehenden Dampfzug Richtung Landquart. Archiv RhB

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10 | Die Bündner Kulturbahn oben: Eine Gütersendung aus Zürich ist für Hr. Roffler in Malans eingetroffen und kann am Bahnhof abgeholt werden. Sammlung Herbert Cadosch

Die junge Bahngesellschaft «L-D Bahn» verdrängt die alteingessenen Fuhrhalter von der Strasse; wenigstens bleiben ihnen die Transporte des Reisegepäcks der Gäste vom Bahnhof zum Hotel. Foto: Staatsarchiv Graubünden

Vertragsausschnitte der ersten Fahrzeugbestellungen. Die mehrseitigen Kaufverträge wurden mit schwungvollen Schriften erstellt. Unzählige Berechnungen über die Grösse der verschiedenen Zweiachswagen wurden angestellt. Archiv RhB

Das Ende der Fuhrhalterei Mit 22 Güterwagen wickelt die junge Bahngesellschaft den Güterverkehr auf den Schienen ab. Während im ersten Betriebsjahr zwischen Landquart und Klosters die starke Konkurrenz der Strassenfuhrhalter noch spürbar ist, nimmt sie im folgenden Jahr mit der Streckenverlängerung bis Davos rapide ab; der «Landquart–Davos Bahn» (L-D Bahn) gelingt es, die Gütertransporte von der Strasse auf die Bahn zu holen. Rekordmengen Das Verkehrsaufkommen übertrifft alle Erwartungen! In den ersten drei Monaten bis Ende 1889 befördert die L-D Bahn mit dem erwähnten Fahrzeugpark 31'505 Reisende (355/1.Kl.; 1953/2.Kl.; 29197/3.Kl.) und 4739 Tonnen Güter! Der Güterwagenbestand muss bereits 1890 massiv erhöht werden: 25 K-, 5 L- und 9 M-Wagen werden nachbestellt. Die Direktion beschafft in den ersten Jahrzehnten ausschliesslich Güterwagen der drei Grundbauarten K, L und M. Damit können alle anfallenden Güter transportiert werden. Im waldreichen Kanton Graubünden besteht auch der Bedarf für die Abfuhr von Stammholz. Kürzere Stämme werden in offenen Güterwagen befördert. Für Langholztransporte stellt die L-D Bahn insgesamt 20 Drehschemelwagen Typ N in Dienst; die ersten «Spezialwagen» stehen im Einsatz.

Bauartbezeichnungen, Abkürzungen und technische Ausdrücke

ganz rechts: Luxuriöse Inneneinrichtung eines «Panorama-Salonwagens» für die zahlungskräftigen Gäste. Der 1895 bestellte Salonwagen trägt bereits das neue Firmenlogo «RhB». Sammlung Gian Brüngger

G Ge m A B C F K L M N Z ABB AEG Alioth MFO SAAS SIG SLM SWP SWS

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Schmalspur-Dampflokomotiven Schmalspurlokomotiven, elektrischer Antrieb Antrieb mit Verbrennungsmotor Personenwagen 1. Klasse Personenwagen 2. Klasse Personenwagen 3. Klasse Gepäckwagen (bis 1956) gedeckter Güterwagen offener Hochbordwagen offener Niederbordwagen Drehschemelwagen Postwagen Asea Brown Boveri Baden Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft Berlin Elektrizitätsgesellschaft Alioth Münchenstein Maschinenfabrik Oerlikon Zürich SA des Ateliers de Sécheron Genève Schweizerische Industrie-Gesellschaft Neuhausen/Rheinfall Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur Schindler Waggon Pratteln Schweizerische Wagons- und Aufzügefabrik Schlieren

Erstklass- und Salonwagen Schon bald zeigt sich, dass in der beim zahlungskräftigen Davoser Publikum beliebten 1. Klasse keine ausreichende Platzzahl angeboten werden kann. 1894 wird bei den AB-Wagen Nr. 1–4 der Anteil der 1. Klasse vergrössert, die B 11–12 werden zu AB umgebaut. Im Februar 1895 bestellt die L-D Bahn sogar einen Salonwagen, der hauptsächlich gekrönten Häuptern vorbehalten bleiben soll. Der Salonwagen wird im Werk Neuhausen der SIG erstellt. Entsprechend seiner Bestimmung ist der Wagen mit regelrechten Panoramafenstern ausgerüstet. Die Inneneinrichtung dürfte damals höchsten Ansprüchen genügt haben.

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Der Dampfzug hat eben Küblis verlassen und dampft nun schnaubend die 45‰-Rampe hoch Richtung Saas. Archiv RhB

Die Firma J.A. Maffei aus München liefert die erste «Mallet-Dampflokomotive». Eindrückliche Masse und jedes Detail ist auf der Skizze aufgeführt. Sammlung Christoph Benz

Eine Mallet-Lok am Bahnhof Landquart. Sammlung Gian Brüngger

Mallet-Dampflokomotive Für die Bewältigung des immer steigenden Verkehrsaufkommens sind leistungsfähigere Lokomotiven erforderlich. Bei der Firma J.A. Maffei in München wird die RhB-Direktion fündig: Eine neue Mallet-Lokomotive mit vier statt drei Triebachsen und zwei getrennten Triebgestellen (speziell geeignet für enge Kurvenradien) erbringt eine Leistung von 430 PS und ist somit den Mogul-Loks deutlich überlegen. Zwei Lokomotiven werden bestellt und bereits im Sommer 1891 treffen aus Deutschland die neuen G 2 x 2/2 Nr. 6 und Nr. 7 in Landquart ein. Sie übernehmen hauptsächlich den schweren Dienst auf den Steilrampen zwischen Küblis und Davos. Die schwierige Lage im Zugförderungsdienst entspannt sich spürbar. Erwartungen erfüllt Die ersten zwei Mallet-Dampflokomotiven verrichten den Dienst zur vollsten Zufriedenheit, sodass zwei weitere Maschinen bestellt werden; dieses Mal kann die SLM aus Winterthur die Lokomotiven liefern. Die Hauptabmessungen von Rahmen und Kessel werden von den ersten beiden Mallets übernommen; entsprechend den Betriebserfahrungen kommen verschiedene Verbesserungen hinzu. Der Kesseldruck wird von 12 auf 14 bar erhöht, dadurch steigt die Leistung von 430 auf 450 PS. Wasserund Kohlenvorräte werden vergrössert; aus diesem Grunde erhalten die Lokomotiven unter dem Führerhaus eine zusätzliche Adams-Laufachse und die neue Bezeichnung G 2/2 + 2/3.

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Streckenerweiterung & Umbenennung der Bahngesellschaft Mit der Erweiterung des Streckennetzes 1896 nach Chur und Thusis nimmt der Verkehr erneut zu. Inzwischen hat

sich die Bahngesellschaft einen neuen Namen gegeben: Rhätische Bahn AG. Eine weitere Vergrösserung des Lokomotivbestandes steht an. Da es sich bei der Streckenverlängerung um reine Tal-Linien handelt, entschliesst sich die RhB für die Nachbeschaffung dreier weiterer Mogul-Lokomotiven G 3/4 Nr. 6–8.

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Die Bündner Kulturbahn | 13 Bestellung der ersten Schlepptender-Lokomotiven G 4/5 Mit den immer länger werdenden und somit auch schwereren Zügen stossen die neuen Mallet-Lokomotiven auch an ihre Grenzen. Die RhB erkennt das Problem sehr rasch und bestellt bei der SLM Winterthur eine leistungsfähigere Lokomotive. Am 18. Juni 1904 nimmt die erste der vier Schlepptender-Dampflokomotiven G 4/5 ihren Dienst auf. Mit der Inbetriebnahme der vier Lokomotiven (G 4/5 Nr. 101–104) entspannt sich die Situation auf der Albulalinie etwas und der Fahrbetrieb normalisiert sich weitgehend. Die guten Resultate dieser letzten Lok-Lieferung ermuntern die Verantwortlichen der RhB, am Loktyp G 4/5 festzuhalten. Bis zum Jahre 1914 lässt sie 21 Lokomotiven in dieser Ausführung – mit geringfügigen Änderungen bzw. laufenden Verbesserungen – nachbauen. Die G 4/5 ist mit 25 Exemplaren damit die grösste weitgehend einheitliche Lokserie der RhB. Diese Dampflok zählte damals mit ihren 800 PS zur stärksten Schmalspur-Dampflokomotive Europas.

Werkfoto der nächsten Dampflok-Generation: Eine Schlepptender-Lok G 4/5 steht auf dem Areal der SLM Winterthur. Sammlung Christoph Benz

Die berühmte «Rotonde von Landquart» in der Anfangszeit. Das Lokdepot von Landquart ist bis heute praktisch unverändert erhalten und steht unter Heimatschutz. Archiv RhB

Stolz präsentiert sich die Belegschaft der RhB-Werkstätten Landquart vor einer Dampflok. Archiv RhB

«Die unbeschreibliche Dampfromantik» dürfte wohl erst viel später Wirklichkeit geworden sein. Fauchender Dampfzug in der Winterlandschaft des Oberengadins. Archiv RhB

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Eben passiert ein Dampfzug den Schmittertobelviadukt. Im Hintergrund ist der berühmte Landwasserviadukt gut erkennbar. Die Wälder entlang der Bahnlinie sind abgeholzt und bieten dem Reisenden wunderbare Ausblicke. Sammlung Christoph Benz

Der Soliser Viadukt ist mit 86 Metern damals das höchste Bauwerk der RhB (erst mit der Eröffnung der Linie Davos–Filisur 1909 folgt die Ablösung als Rekordhalterin durch den 89 m hohen Wiesenerviadukt). Archiv RhB

Die Albulalinie – das Herzstück der RhB Mit der Annahme des kantonalen Eisenbahngesetzes ist die Erweiterung des RhB-Netzes um die sogenannten Prioritätslinien Reichenau–Ilanz und Thusis–Celerina möglich. Beide Strecken werden im Sommer 1903 eröffnet; die Verlängerung bis St. Moritz wird ein Jahr später Wirklichkeit. Das Streckennetz verdoppelt sich auf einen Schlag von 88 auf 172 Kilometer. Entsprechend wird eine Aufstockung des Fahrzeugparks notwendig. Neues Rollmaterial für die «Albulabahn» Insgesamt stellt die RhB in den Jahren 1900 bis 1904 nicht weniger als 73 neue zweiachsige Personenwagen zusätzlich zu den bisher vorhandenen 48 Wagen in Dienst. Alle sind übrigens mit elektrischer Beleuchtung mit Batterie und Dynamo ausgerüstet; die vertrauten Dachlüfter der Petroleumlampen werden damit überflüssig. Nachträglich werden sukzessive alle älteren Personenwagen mit elektrischer Beleuchtung ausgerüstet. Pièce de résistance Die Albulalinie mit ihren langen 35‰Rampen stellt an die Traktion ähnliche Anforderungen wie der «Prättigau-

er-Abschnitt» zwischen Küblis und Davos. Die SLM Winterthur darf acht weitere «Mallet-Dampflokomotiven» (Nr. 25–32) liefern. Auch auf der Albulalinie leidet der Betrieb anfangs unter starken Unregelmässigkeiten und Verspätungen. Immer wieder stecken Züge wegen Dampfmangels auf den langen Steilrampen fest. Dies liegt einerseits am etwas zu knapp bemessenen Kessel der Mallet-Lokomotiven, andererseits auch wiederum an der mangelnden Erfahrung des Lokpersonals bei der Unterhaltung des Feuers. Aus diesen Gründen wird 1904 von der Gotthardbahn ein erfahrener Oberlokführer für die Schulung des Lokpersonals zur Führung der schweren Züge auf den steilen Rampen geholt.

Der Dampfzug passiert die Hinterrheinbrücke und trifft in Kürze in Thusis ein. Sammlung Christoph Benz

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Die Bündner Kulturbahn | 15 Für Güter die Bahn Die Jahre 1903/04 bringen neben der starken Steigerung des Personen- auch ein beträchtliches Anwachsen des Güterverkehrs. Insbesondere die Albulalinie ist eine willkommene Alternative gegenüber der bisherigen beschwerlichen Güterbeförderung über den Julierpass ins Engadin. Der Güterwagenpark erfährt eine gewaltige Aufstockung und steigt von 192 auf 321 Fahrzeuge. Auch dieser Bestand ist noch zu knapp bemessen, so dass 1906 nochmals insgesamt 83 Wagen aller vier Bauserien für den Engadin-Verkehr nachbeschafft werden.

Thusis war ein wichtiges Güterumschlagszentrum und ab 1903 auch Ausgangspunkt der Albulalinie. Blick auf die Güterexpedition mit Güterumschlagsplatz. Im Hintergrund die Hinterrheinbrücke aus einer anderen Perspektive. Sammlung Christoph Benz

Dieser Güterwagentyp war damals das grösste Transportfahrzeug der RhB. Sammlung Gian Brüngger

Eindrückliche Transportleistungen Die Betriebs- und Verkehrsleistungen der RhB haben sich mit zunehmender Netzausdehnung und wachsendem Fremdenverkehr stürmisch entwickelt. Während die «L-D Bahn» 1890 noch 26’300 Gütertonnen transportiert und 780'000 Tonnenkilometer (tkm) leistet, wird 1899 die Marke von 100'000 Tonnen überschritten (3.6 Mio. tkm). Die Eröffnung der Albulalinie 1903 lässt die Werte 1904 auf 155’300 Tonnen (6.87 Mio. tkm) emporschnellen und drei Jahre später wird ein weiterer Meilenstein gesetzt: 200’000 Tonnen (9.1 Mio tkm)! In Landquart und Chur werden die Waren oder ganze Wagenladungen aus dem Unterland auf die RhB umgeladen. In der Regel müssen für einen normalspurigen SBB-Güterwagen zwei RhB-Wagen gestellt werden. In der Anfangszeit (1897) besitzt die RhB in Landquart ein eigenes Lagerhaus mit direktem Gleisanschluss für Normal- und Schmalspurwagen.

Immer eine grosse Herausforderung ist der Umlad von Rundholz. Archiv RhB

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Der vierachsige Personenwagen bietet Sitze in 1., 2. und 3. Klasse! Archiv RhB

Die ersten vierachsigen Wagen Mit der Lieferung der ersten vierachsigen Personen- und Güterwagen wird das Transportmonopol der RhB weiter gestärkt. Sind bisher ausschliesslich schweizerische Lieferanten zum Zuge genommen, bestellt die RhB ab 1905 mehrere Personenwagenserien bei der deutschen Waggonfabrik Rastatt. Die vierachsigen Wagen bieten dem Reisenden auch in der «Holzklasse» (3. Klasse) mehr Komfort in Form ruhigerer Laufeigenschaften. Für den stets steigenden Verkehr benötigt die RhB vor allem Personenwagen der «Polsterklasse» (1. Klasse) für die betuchten Reisenden ins Engadin. Drei vierachsige Erstklasswagen (A 11–13), 8 Wagen 1./2. Klasse (AB 126–133) sowie vier geräumige Wagen 3. Klasse (C 256–259) werden in Betrieb genommen. Plattformwagen für «spezielle Zwecke» Bei der letzten grossen Güterwagen-Beschaffung vor dem Ersten Weltkrieg bestellt die RhB 1911 und 1913 erstmals 18 vierachsige Plattformwagen 8201 – 8218 mit der Typenbezeichnung O (Güterwagen für «spezielle Zwecke»). Mit einer Ladelänge von 14.5 m und einem Ladegewicht von 25 Tonnen zählen diese Güterwagen zu den grössten Transportfahrzeugen aller schweizerischen Schmalspurbahnen.

Das Betriebskonzept sieht die Güterbeförderung in gemischten Zügen vor. Aus diesem Grund sind alle Güterwagen mit einer Dampfheizleitung ausgerüstet. Erst mit der Inbetriebnahme der Engadiner-Linie Bevers–Schuls 1913 bzw. mit dem elektrischen Probebetrieb werden auch einzelne Güterwagen mit einer elektrischen Durchgangsheizleitung nachgerüstet.

Innenaufnahme des 3.Klass-Abteils. Sammlung Gian Brüngger

Letzte Neubeschaffungen vor dem ersten Weltkrieg Das Stammnetz der RhB entsteht in den ersten 25 Jahren. Gleichzeitig mit dem rasanten Ausbau des Bahnbaus steigt auch der Bedarf an weiterem Rollmaterial. Die Schweizer Waggon-Industrie liefert 1913/14 die für längere Zeit letzten 33 Personenwagen.

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16 | Die Bündner Kulturbahn Der erste Weltkrieg Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 folgt ein jähes Ende des blühenden Tourismus in Graubünden. Die Auswirkungen des Krieges sind für die RhB fatal: Sämtliche laufenden Bahnprojekte werden gestoppt (siehe auch «Bündner Kulturbahn 2016»). Die Verkehrseinnahmen aus dem Personen- wie auch Güterverkehr erleiden einen gewaltigen Einbruch. 1915 stehen 57 Dampflokomotiven in den Diensten der RhB – doch es herrscht eine katastrophale Kohlenknappheit. Die Abhängigkeit von Kohlelieferungen aus dem Ausland, hauptsächlich von Deutschland, ist damals sehr gross. Die Preise für die Mangelware Kohle steigen bald einmal auf das Dreifache und machen allen Bahnunternehmungen schwer zu schaffen. Nur dank der bei Kriegsbeginn grossen Vorräte an Steinkohlebriketts und unter Beimischung von Koks kommt die Bahngesellschaft einigermassen über die Runden.

Mit der Betriebsaufnahme der neu eröffneten Bahnlinie Bever–Scuol-T. erfolgt am 1. Juli 1903 gleichzeitig ein Versuchsbetrieb mit Zügen unter Wechselstrom. Unser Bild zeigt die Probefahrt im Winter 1902/1903 mit der Ge 4/6 Nr. 351 bei La Punt. Archiv RhB

Bahnhofidylle anno 1903: Unter Aufsicht des Bahnhofvorstandes fährt ein Zug in Scanfs (damalige Schreibweise) ein. Zwei Personen warten auf den Zug Richtung Scuol-T. Auf Gleis 1 sind zwei Niederbord- und ein gedeckter Güterwagen abgestellt. Archiv RhB

Werkfoto der Ge 2/4 Nr. 201 in Zürich Oerlikon. Sieben Lokomotiven dieses Typs werden für den Probelauf bestellt. Archiv RhB

Erste elektrische Lokomotiven Für die Inbetriebnahme der neuen Linie Bevers–Schuls im Sommer 1913 ist erstmals ein elektrischer Probebetrieb vorgesehen. Wegen fehlender Praxis hält es der Verwaltungsrat der RhB aber nicht für sinnvoll, nur auf einen einzigen Motorentypen bzw. eine Konstruktionsfirma zu setzen. Somit kommen die drei Firmen Brown Boveri Baden (BBC), Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) und Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft Berlin (AEG) zum Auftrag, bis Ende 1912 elf elektrische Lokomotiven für den «elektrischen Versuchsbetrieb» zu liefern. Bemerkenswert ist, dass die sieben gelieferten Lokomotiven des Typs 1-B-1 (Nr. 201–207) mit je 300 PS und die vier Loks des Typs 1-D-1 (Nr. 301, 351-352 und 391) mit je 600 PS eher leistungsschwächer sind als die zwischen 1906 und 1915 von der SLM Winterthur abgelieferten Dampflokomotiven, die bis zu 800 PS leisten können. Ergänzung am Rande: In Anbetracht der guten Ergebnisse des Versuchs-

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betriebs entscheidet der RhB-Verwaltungsrat im April 1918, alle RhB-Linien schrittweise zu elektrifizieren. Bis 1922 erfolgt die vollständige Umstellung auf den elektrischen Betrieb. Dies erfordert die Beschaffung vermehrter Zugkraft und stärkerer, für den schweren Bergdienst ausreichenden Lokomotiven.

Holz statt Kohle Ab November 1918 erfolgt die Umstellung auf Holzfeuerung! Statt der energiereichen Kohle wird auf Brennholz ausgewichen. Die Tender erhalten besondere Aufbauten aus Holzlatten, in denen die rund 25 cm langen Scheite aus Buchen-, Föhren- und Tannenholz gestapelt werden. Alle Dampflokomotiven werden mit zwei Heizern besetzt, die auf den Steilrampen alle Hände voll zu tun haben, um den Kesseldruck nicht absinken zu lassen. Die Holzrauchgase wirken sich in den Tunnels um einiges übler auf das Lokpersonal aus als die bisherigen Kohlegase. Diese Feuerungsmethode muss die RhB bis März 1921 beibehalten. Die RhB verfeuert rund 27'000 m3 Holz während der erwähnten Zeit.

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Die Bündner Kulturbahn | 17 Der «Engadin Express» passiert den Albulaviadukt III. Der Luxuszug besteht aus vierachsigen Seitengangwagen 1. Klasse, dem «rollenden Restaurant» (MitropaSpeisewagen) und einem Gepäckwagen. Ein Novum sind die geschlossenen Plattformen sowie die Faltenbalg-Übergänge. Archiv RhB

Engadin Express mit Faltenbalg-Übergängen Nach der Eröffnung der elektrisch betriebenen Engadin-Linien wird eine weitere grössere Bestellung von Personenwagen ausgelöst. Unter anderem werden auch vierachsige Seitengangwagen in den Dienst gestellt, die einige Jahre später im neuen «Train de Luxe» verkehren: Der «Engadin Express» sorgt ab Chur für eine adäquate

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Fortsetzung des «Orient Express» aus Calais. Dieser Luxuszug besteht aus drei vierachsigen Seitengangwagen 1. Klasse mit je 35 Plätzen sowie einem vierachsigen Gepäckwagen. Ein Novum sind bei diesen Fahrzeugen die geschlossenen Plattformen sowie die Faltenbalg-Übergänge zwischen den Wagen. Die Krokodillokomotive Der Bestand der 1912/13 beschafften elektrischen Lokomotiven ist eigentlich nur für den Betrieb der Linien im Engadin ausgelegt. In Anbetracht der guten Ergebnisse des Versuchsbetriebs entscheidet der RhB-Verwaltungsrat im April 1918, alle RhB-Linien schrittweise zu elektrifizieren. Bis 1922 erfolgt die

vollständige Umstellung auf den elektrischen Betrieb. Als Vorgabe für das Lastenheft wird eine Anhängelast von 200 t vorgegeben, die auf der 35‰-Rampe der Albulalinie noch mit 30 km/h zu schleppen sein soll. SLM und BBC entwickeln für den schweren Rampendienst eine sechsachsige, laufachslose Lokomotive der Achsfolge C-C die sich an die normalspurige De 6/6 bzw. Ce 6/8 II der SBB anlehnt. Die braun lackierte Lokomotive Ge 6/6 I, im Volksmund als «Krokodillok» bekannt, nimmt 1921 ihren Dienst auf. Zunächst beschafft die RhB sechs Lokomotiven, die sich auf Anhieb bewähren. Bis 1929 folgen in weiteren drei Lieferungen weitere neun Lokomotiven.

Unten links: Harter Winterdienst für die «Krokodillok»; Zwischenhalt in Bergün. Acht Zementwagen, sogenannte «Mohrenköpfe», werden von Untervaz ins Engadin geführt (Bild 1950er-Jahre). Archiv RhB

Die damals stärksten Lokomotiven der RhB, die berühmte «Krokodillok», sind im Lokdepot Landquart aufgestellt. Insgesamt beschafft die RhB 15 Lokomotiven dieses Typs. Sammlung Gian Brüngger

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«Fotozug» mit dem «Fliegenden Rhätier» im Albulatal bei Surava. Stolz posieren die Schüler/innen für den Fotografen. Archiv RhB

Bereits in den 1920er-Jahren werden auf der Albulalinie schnellere Zugsverbindungen angeboten. Für diese Züge werden Schnellzugzuschläge erhoben. Sammlung Christoph Benz

Winterstimmung mit Triebwagenzug oberhalb von Bergün.

Der «Fliegende Rhätier» In den 1930er-Jahren kämpfen die Eisenbahnen auf der ganzen Welt um Passagiere, die von den neuen Konkurrenten Auto und Flugzeug abgeworben werden. Auto und Flugzeug sind Prestigeobjekte, die modern gestaltet werden. Fortschrittliche Bahnverwaltungen erkennen Mitte der Dreissigerjahre, dass sie auf die neue Konkurrenz reagieren müssen mit Zügen, die schnell fahren und öffentlichkeitswirksam, das heisst im modernsten Stil gestaltet werden. So entstehen innert weniger Jahre Triebzüge wie die «Zephyrs» in den USA, die «Littorine» in Italien und der «Fliegende Hamburger» in Deutschland. Der «Rote Pfeil» der SBB ist vielen heute noch ein Begriff. Diese Züge teilen sich in zwei Gattungen: einerseits mehrteilige luxuriöse Langstreckenzüge, die dem Flugzeug Konkurrenz machen, andererseits ebenso elegante einteilige Züge,

Archiv RhB

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mit denen man sich im Lokalverkehr gegen das Auto behaupten will. Siehe auch den Artikel «Über Gestaltung und Form von RhB-Elektrolokomotiven» von Gion Caprez auf Seite 36. Automobilverbot in Graubünden wird aufgehoben Auch die RhB bekommt die Konkurrenz der Strasse zu spüren. Mit der Aufhebung des Automobilverbots in Graubünden im Jahre 1925 ist die RhB gefordert, schnellere Züge anzubieten. Die bisherigen Fahrpläne werden gestrafft; die Gütertransporte erfolgen nun vermehrt mit «reinen Güterzügen», sodass die Aufenthalte der Personenzüge auf den Stationen beträchtlich gekürzt werden können. Weitere Investitionen in den Unterhalt der Strecken (Geleise) erlauben die Anhebung der Höchstgeschwindigkeit auf 55 km/h. Leichttriebwagen Mit dem Projekt «Leichttriebwagen» wendet sich die RhB dem Leichtbau zu. Es handelt sich zwar nicht um eine Leichtbau- sondern um eine gemässigte Leichtkonstruktion, die den rauen Bahnbetrieb besser aushält. Der Triebwagen ist kräftig genug, um mehrere Anhängewagen zu befördern. Die RhB beschafft vier Zugskompositionen, bestehend aus je einem Triebwagen und zwei Beiwagen. Als Triebfahrzeug wählt die RhB erstmals einen zweiklassigen Triebwagen mit 12 Sitzplätzen in 2. Klasse und 28 Plätzen in 3. Klasse. Die Fortschritte in der Elektrotechnik ermöglichen es inzwischen,

leistungsfähige Schmalspur-Triebwagen mit Höchstgeschwindigkeiten von 65 km/h zu bauen. Der «Fliegende Rhätier» ist geboren und nimmt im Herbst 1939 den Betrieb auf. Zahlreiche Kinderkrankheiten Diese Triebwagen haben als völlige Neukonstruktion mit vielen Kinderkrankheiten zu kämpfen, die zu zahlreichen Nacharbeiten und Umbauten führen. Die Nachbesserungen erstrecken sich über eine lange Zeit. Das ursprüngliche Konzept des «Fliegenden Rhätier» wird schon bald wieder aufgegeben – einerseits wegen der vielen Ausfälle an den Fahrzeugen, andererseits, weil die Platzkapazität der starken Verkehrsnachfrage nicht standhält.

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Die Bündner Kulturbahn | 19 Die erste laufachslose Elektrolokomotive

Mit dem Aufschwung der Weltwirtschaft Mitte der 1930er Jahre setzt auch bei der RhB eine deutliche Verkehrsbelebung ein. Die elektrischen Lokomotiven stehen im Dauereinsatz. Die Hauptlast des Verkehrs tragen die «Krokodile», die zwar leistungsfähig sind, mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 55 km/h den Anforderungen angesichts der Konkurrenz durch die Strasse nicht mehr genügen. Die RhB benötigt dringend neue und schnellere Lokomotiven. Quantensprung in der Traktionstechnik – Ge 4/4 I Die Fortschritte in der Lokomotivtechnik steigen laufend. Mitte der 1940er-Jahre nimmt die BLS als Prototyp eine Ae 4/4 in Betrieb. Für die Neubeschaffung von Universallokomotiven für die RhB schlägt die Industrie eine laufachslose Drehgestell-Lokomotive mit Einzelachsantrieb und selbsttragendem Kasten vor. Mit der Ablieferung der ersten Lok des Typs Ge 4/4 I Nr. 601 am 8. Juli 1947 erfolgt ein Quantensprung in der Traktionstechnik der Rhätischen Bahn. Mehr zu diesem Loktyp lesen Sie in diesem Heft ab Seite 24.

Ge 4/4 für diese Transporte zu knapp bemessen ist, zumal auch der übrige Verkehr im Wachsen ist. Ge 6/6 II Nr. 701 – 702 Die RhB entscheidet sich 1955 für den Kauf zweier neuen, noch leistungsfähigeren Lokomotiven mit einer Leistung von je rund 2'400 PS. An dieser neuen sechsachsigen Paradelok ist die Schweizer Lokomotiv-Industrie mit drei Herstellern beteiligt: Die SLM liefert den mechanischen Teil, die BBC und MFO entwickeln die elektrischen Ausrüstungen. Die Grundkomponenten wie Drehgestelle, Motoren und Kastenaufbau sind weitgehend identisch mit den bereits im Betrieb stehenden Ge 4/4 I. Aufgrund eines Ende 1957 veranstalteten Wettbewerbs werden die zwei Loks auf die Namen «Raetia» und «Curia» getauft. Die beiden Lokomotiven bewähren sich im harten Einsatz dank ihren hohen Leistungen bestens, sodass 1965 fünf weitere Maschinen (Nr. 703–707) in Betrieb genommen werden. Nach Abschluss der Kraftwerksbauten übernehmen diese Lokomotiven die Hauptlast der Schnellzugstraktion auf der Albulalinie. Erst der Auftritt der nächsten Lok-Generation, die starke Thyristor-Lokomotive Ge 4/4 II, verdrängt die «700er-Loks» vom planmässigen Schnellzugsdienst. Seither erfolgt ihr Einsatz im schweren Güterzugsdienst auf dem gesamten Stammnetz.

Die starken sechsachsigen Gelenklokomotiven Ge 6/6 II werden in den 1950er Jahren vor allem für die Zementtransporte angeschafft. Eine «700er», wie sie auch genannt wird, zieht 175 Tonnen die Albula-Rampen hoch (dies entspricht 12 beladenen «Mohrenköpfen»). Unser Bild zeigt den Güterzug auf der Albulastrecke zwischen Muot und Bergün. Archiv Franz Skvor

1956 werden durch die RhB 149'000 Tonnen Zement befördert! Um die Förderleistung zu steigern, wird auch ein Versuch mit einer Zwischenlok (Ge 6/6 II) gemacht (unser Bild oberhalb Bergün). Zusammen mit einer Ge 4/4 I kann die Anhängelast auf 16 Wagen gesteigert werden; dies entspricht 368 t (240 t Zement). Die Versuchsfahrten müssen jedoch rasch eingestellt werden, da der angesaugte Zementstaub im Maschinenraum der Zwischenlok grössere Probleme bereitet.

Sechsachsige Gelenklokomotive

Mit den Kraftwerkbauten Mitte der 1950er Jahre nehmen die Zementtransporte ab Untervaz ins Engadin rasant zu. Täglich müssen bis zu 1'000 Tonnen Zement ins Engadin befördert werden. Untersuchungen zeigen, dass der vorhandene Triebfahrzeugpark mit 15 Lokomotiven Ge 6/6 und 10 Lokomotiven In ihrer nun bald 130-jährigen Geschichte beschafft die RhB total 304 Triebfahrzeuge, 644 Personen-, 74 Gepäck-, 1397 Güter- und 118 Dienstwagen!

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Archiv Franz Skvor

Quellen: • Archiv RhB Chur

• «Die Fahrzeuge der RhB», Band 1, 2 und 3; Wolfgang Finke und Hans Schweers

• Festschrift «50 Jahre RhB»

• Archiv Franz Skvor, Chur

• Archiv Gion Caprez, Chur

• Sämtliche Typenskizzen der Fahrzeuge wurden durch Wolfgang Finke freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

• «LOKI Spezial» von Gian Brüngger («Dampf auf der RhB» und «Das Rhätische Krokodil»)

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Typenbild des neu restaurierten B 2060 in der Samedner Wagenhalle. Foto: Christoph Benz

Aufarbeitung des historischen Wagens B 2060 Von Robert Berni, Roman Weberruss und Mathias Gort (Rollmaterial RhB) Die RhB plant, künftig vermehrt Fahrten mit historischen Zügen anzubieten und somit die vorhandenen historischen Fahrzeuge intensiver als bisher einzusetzen. Die Anhängefahrzeuge der Dampfwagen-Flotte wurden deshalb einer eingehenden Analyse unterzogen.

Verfaulte Holzkonstruktion, verwitterter Innenraum, Rost an Stahlteilen und Fäulnis an Türen und Plattformböden; so präsentierte sich der B 2060 vor den Arbeiten. Foto: RhB

Das «Wagengerippe» ist erstellt und die Fensterrahmen sind gesetzt. Foto: Fredy Landenberger

1800 Stunden und einer Durchlaufzeit von sieben Monaten gerechnet. Was war zu tun? Der gesamte Innenausbau wurde sorgfältig angegangen, die Seitenwände wurden abgebrochen und der Plattformboden demontiert. Alles wurde detailliert dokumentiert und für

den Nachbau archiviert. Dann wurde der ganze Wagen mit allen Details originalgetreu wieder aufgebaut. Die Konstruktion der Wände wurde im Rohbau zusammengestellt und Furniere und Wandverkleidungen mit grossem Aufwand nachgebaut. Auf den Rohbau kam

Die Analyse ergab ein ernüchterndes Bild: Besonders die zwei Fahrzeuge A 1102 und B 2060 waren in einem sehr schlechten Zustand. Beim B 2060 waren Teile der Holzkonstruktion dermassen verfault, dass sich die Schrauben nicht mehr anziehen liessen und keinen Halt mehr im Holz hatten. Die Sonnenstoren und Fenster waren nicht mehr gängig, der hölzerne Innenausbau verwittert, das WC unansehnlich, Rost an allen Stahlteilen und Fäulnis an Türen und Plattformböden. So wurde entschieden, den B 2060 in der Saison 2016/2017 und anschliessend den A 1102 umfassend zu sanieren und zu erneuern. Es wurde mit einem Aufwand von über

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«Holzklasse» im neu restaurierten «Drittklasswagen». Die Restaurierungsarbeiten der RhB-Schreinerei dürfen sich sehen lassen; hier wurde vorzügliche Arbeit geleistet! Foto: Christoph Benz

die Verblechung (Aussenverkleidung) und ein Neuanstrich. Alle Sitzbänke, Gepäckablagen und Sonnenstoren wurden mit viel Liebe zum Detail neu erstellt oder revidiert und montiert. Sogar die Dampfheizung wurde renoviert und die komplette elektrische Versorgung mit erneuertem, bordeigenem Dynamo wieder instand gestellt. Das komplette Fahrzeug ausser Fahrwerk, Rahmen, Dach und Boden wurde somit erneuert. Der effektive Aufwand war dann aber um einiges höher als geplant. Es wur-

den über 2000 Stunden und eine Durchlaufzeit von mehr als acht Monaten benötigt. Heute darf aber behauptet werden, dass unsere Handwerker einmal mehr ihr ganzes Herzblut in dieses wunderschöne Fahrzeug gesteckt haben und ein historisch bedeutendes Fahrzeug für die nächsten Jahrzehnte für die Nachwelt erhalten haben. Wir sind überzeugt, dass unsere Kunden bei den Erlebnisreisen der RhB unvergessliche Emotionen erleben werden, welche die älteren Generatio-

nen an ihre Kindheit erinnern und die junge Generation in eine Zeitreise entführen. Der neue B 2060 darf mit gutem Gewissen als Brückenbauer der Generationen bezeichnet werden. Fachleute, Veteranen und Bahnfreunde werden an diesem Fahrzeug die handwerkliche Kunst unserer Spezialisten im detailgetreuen Nach- und Aufbauen von historischen Fahrzeugen sehen. Wir wünschen allen Fahrgästen und Kunden viel Freude auf einer Reise in unserem wiedererstandenen B 2060.

Anlässlich der Eröffnung des neuen Bahnhofes St. Moritz erlebte der neue «B 2060» seine zweite Jungfernfahrt im Dampfzug zwischen Samedan–St. Moritz. Die Publikumsfahrten mit diesem historischen Zug waren sehr gefragt und immer ausgebucht. Foto: Christoph Benz

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Dank den breiten Öffnungen auf beiden Wagenseiten können Verletzte auf der Bahre gut eingeladen werden. Foto: Markus Strässle

Der Sanitätseisenbahnzug der RhB Von Domenic Scharplatz Sanitätseisenbahnzüge standen früher bei den meisten Armeen in irgendeiner Form im Einsatz – zum Teil als reine Transporteinheiten, zum Teil als gut eingerichtete rollende Lazarette oder sogar als fahrende Militärspitäler. Auch bei der RhB waren solche Züge anzutreffen. Die zunehmende Mechanisierung und Verlagerung von Verwundetentransporten auf die Strasse und mittels Helikopter in die Luft führten jedoch zu einer Wandlung des Sanitätstransportwesens. Und so rollte vor 16 Jahren der letzte Sanitätseisenbahnzug bei der RhB aufs Abstellgleis.

Der «Sanitätseisenbahnzug» bei einem Zwischenhalt in RodelsRealta. An der Spitze des Zuges die beiden Gepäckwagen mit «Küche und Behandlungsraum» und «Material und Generator». Foto: Markus Strässle

Die Einführung von Sanitätseisenbahnzügen geht zurück in die Zeit des Ersten Weltkrieges. Obwohl sich die neutrale Schweiz nicht an den Geschehnissen des von 1914 bis 1918 dauernden Krieges beteiligte, musste jederzeit mit einer Invasion der kriegsführenden Nachbarstaaten gerechnet werden, vor allem, wenn man bedenkt, dass ab 1915 alle Staaten rund um die Schweiz im Krieg involviert waren. Die wichtigste Aufgabe der Schweizer Soldaten war also, die Grenzen zu bewachen und allfällige Invasionen mittels heftiger Gegenwehr zurück zu drängen. Dass es bei solchen Gefechten auch verwundete oder sogar getötete

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Soldaten gegeben hätte, liegt auf der Hand. Um die Verletzten möglichst rasch in ein Spital zu transportieren und dabei allenfalls eine Erstversorgung vornehmen zu können, wurde mittels Bundesbeschluss vom 18. September 1916 entschieden, vorhandene Eisenbahnwagen zu Sanitätszügen umzubauen. Die RhB hatte sechs solcher Züge bereitzustellen. Als Basis dienten herkömmliche Personen- und Gepäckwagen. Diese wurden so konzipiert, dass die Inneneinrichtung im Bedarfsfall herausgenommen werden konnte, damit die Wagen zu Operationssälen, Krankenzimmern oder Küchen eingerichtet werden konnten. Zu den Hauptaufgaben eines Sanitätseisenbahnzuges – im Militärjargon «San

Eisb Zug» genannt – gehörten: • Sekundäre sanitätsdienstliche Transporte, im Gebirge auch primäre sanitätsdienstliche Transporte • Verfügt über eigenes Begleitpersonal • Im Stillstand können medizinische Noteingriffe vorgenommen werden Die San Eisb Züge waren grundsätzlich nicht für die Kampfzone gedacht, sondern für Sekundärtransporte, also Transporte von Patienten von einer Endbehandlungsstelle zur anderen, in eine Spezialklinik oder in ein weiter von der Front entferntes Spital. Bei den San Eisb Zügen auf dem Netz der RhB ging es unter anderem um eine eventuelle Evakuation des Spitals Same-

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Die Bündner Kulturbahn | 23 Güterwagen, ausgerüstet mit Stromabnehmer und Transformator, welcher den San Eisb Zug mit elektrischer Energie versorgen konnte. Der Zug bleibt in der Regel in der genannten Formation in Preda oder Trin zusammengestellt, falls er nicht gerade für den Transport von Patienten benötigt wurde. Allerdings wechselten die Züge für Übungen möglichst täglich den Standort, damit die Einrichtungen auch funktionstüchtig Aufnahme des installiert und genutzt werden konn- Behandlungsten. Stand eine Fahrt bevor, wurde aus raums, wo der Landquart eine Streckenlok angefordert. Feldarzt die Erstversorgung In den letzten Jahren der San Eisb Züge vornehmen kamen dafür in der Regel eine Ge 4/4 I konnte. oder eine Ge 4/4 II zum Einsatz. Foto: Markus Strässle Die militärische Mannschaft bestand gemäss Korps-Kontrolle aus 33 Männern und Frauen, davon drei Ärzte (inkl. Kommandant). Die drei Frauen als Krankenschwestern wurden beim San Eisb Zug IV/12 meist aus dem Kloster Ilanz rekrutiert (Ordensschwestern). Glücklicherweise kam es nie zu einem ernsten Einsatz dieser Züge; die Schweiz wurde trotz drohenden Invasionen in beiden Weltkriegen von Kriegshandlungen verschont. Selbst eine Naturkatastrophe, welche den Einsatz dieser Züge notwendig gemacht hätte, blieb zum Glück aus. Damit verloren die San Innenaufnahme eines KrankenEisb Züge jedoch immer mehr an Be- transportwagens deutung und wurden schliesslich ganz von liegenden abgeschafft. Die letzte offizielle Fahrt Patienten auf des RhB-San Eisb Zuges V/13 fand am Tragbahren. Foto: Markus Strässle 14. Juni 2002 mit einer eindrücklichen Reise durch die Rheinschlucht statt.

dan durch den Albulatunnel Richtung Nordbünden oder um eine Evakuation des Militärspitals in Disentis. Deshalb waren als Standorte der Züge auch Preda (IV/13) und Trin (V/13) vorgesehen. Geplant waren zudem auch Arbeitsaufenthalte in Tunnels, wo die San Eisb Züge vor Angriffen geschützt gewesen wären. Gasmessungen in Tunnels mit leichter Steigung zeigten, dass sich Rauch und Abgase – beispielsweise von der Küche oder von Notstromgruppen – dank der Kaminwirkung nach oben verzogen und so aus dem Tunnel austraten. Somit wäre selbst ein längerer Aufenthalt im Berg möglich gewesen.

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Küchenansicht neben dem Behandlungsraum mit Wassertank und Holzofenkocher.

Ein San Eisb Zug umfasste in der Regel folgende sieben Wagen: • 1 Gepäckwagen mit Notstromgruppe und Material • 1 Gepäckwagen für Küche und Noteingriffe (mit Operationseinrichtung) • 3 Personenwagen für je 27 liegende Patienten • 1 Personenwagen für 54 sitzende Patienten • 1 Personenwagen für Personal und Material Falls gerade keine Lokomotive verfügbar war, um den Zug mit Strom zu versorgen, diente als «Stromwagen» ein kleiner

Foto: Markus Strässle

Im Bahnmuseum …

… Albula in Bergün ist der Operationsraum eines San Eisb Zuges nachgebaut und mit Filmbeiträgen von den letzten Einsätzen bei der RhB illustriert. Zudem besitzt das Bahnmuseum in seiner Sammlung alle Bauteile zum Umbau eines Gepäck- und eines Personenwagens sowie Archivunterlagen zu den Sanitätseisenbahnzügen.

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70 Jahre

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g Tag für Tbaünden u ra G in s! unterweg Auch nach 70 Jahren unermüdlich im Einsatz: Für den Bau des neuen Albulatunnels mussten die BoBo 1 nochmals «an d’Seck» – sie werden dort für Materialtransporte gebraucht. Eben passiert Lok 602 auf der Fahrt von Spinas nach Preda den Querstollen zur «Kaverne», einem Zwischenangriff für die neue Röhre, welche parallel zum alten Tunnel gebaut wird. Foto: Christoph Benz

Bewegende Bündner Bahnikone von Christoph Benz und Fredy Pfister Die RhB-Loks des Typs Ge 4/4 I – in Bahnkreisen besser bekannt unter ihrer Achsfolgebezeichnung «BoBo 1» – steht seit 70 Jahren auf den Bündner Schienen täglich im Einsatz. Von ursprünglich zehn Exemplaren mit den Nummern 601–610 werden die letzten vier zurzeit vornehmlich für den Bau des neuen Albulatunnels eingesetzt, indem sie Ausbruchmaterial, Kies und Sand zur Grossbaustelle hin oder von dieser weg führen. Die BoBo 1 hat einen grossen Fankreis, bei Fachleuten, Bahnangestellten und Bahnliebhabern aus nah und fern. Da ihr Weg zum Schrotthändler nicht mehr allzu weit ist, sollen hier verschiedene Ansichten, Meinungen und Ideen zur Lok präsentiert und ihr letztes Einsatzgebiet genauer beschrieben werden. Die BoBo 1 bewegt nicht nur Züge, sondern auch Gemüter.

Wir blicken zurück in den Herbst 2009: Mit der gerade begonnenen Ablieferung der 15 neuen «Allegra»-Triebzüge nahmen die Einsätze der BoBo 1 laufend Im Spätherbst 2010 begann die RhB, nicht mehr benötigte BoBo 1 dem Schrotthändler zuzuführen. Als erstes traf es die Ge 4/4 I 601, hier kurz vor der Zerlegung auf dem Gelände eines Churer Recyclingunternehmens. Foto: Tibert Keller

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ab. Die Verantwortlichen rechneten damit, dass mit der Inbetriebnahme aller neuen Triebzüge gänzlich auf die BoBo 1 verzichtet werden könne. So waren im Lokdienst der Sommersaison 2010 zum letzten Mal alle 10 Maschinen verplant, wenn auch teilweise nur noch als Reserve. Mitte November 2010 begann schliesslich die grosse «Triebfahrzeug-Bereinigungsaktion»: Nebst der Verschrottung von fünf Berninatriebwagen von 1964/65 gelangten sechs BoBo 1 – die Nummern 601, 604 und 606–609 – zurück in den Rohstoffkreislauf. Das Engagement einer Gruppe von Lokführern, welche sich für den Erhalt einer Lok einsetzte und den Verantwortlichen anerbot, sich in der Freizeit um den Unterhalt ebendieser zu kümmern, scheiterte – aus Platzund Kostengründen, wie den Initianten mitgeteilt wurde. Dem Ansinnen des «Bahnpark Augsburg» – einem Eisen-

bahnmuseum in Deutschland – stand die RhB indessen positiv gegenüber. Dieser wollte nämlich eine BoBo 1 als RhB-Ausleihe für 10 Jahre ins geplante «Rundhaus Europa» aufnehmen, wo bedeutende Vertreter europäischer Staatsbahnen präsentiert werden sollten. Wie Jürgen Drexler, Verantwortlicher beim Museum auf Anfrage aber mitteilt, «kämpft das Museum mit Genehmigungen, und aus den ganzen Problemen von 2017 haben wir eine Neuausrichtung des Bahnparks in Abstimmung mit der Landesstelle für Nichtstaatliche Museen vornehmen müssen. Mit einer historischen SBBLok haben wir für das Konzept <Rundhaus Europa> dauerhaft einen Vertreter aus der Schweiz im Bahnpark integriert. Somit ist leider die RhB-Lok 603 auf Eis gelegt beziehungsweise wenn wir ehrlich sind gestorben». Das heisst, lange Zeit war unklar, ob eine BoBo 1 für die RhB-Fahrzeugsammlung erhalten bleibt, sei's in einem Museum oder fahrend auf den Bündner Schienen. Das war eine Tatsache, mit welcher sich nicht alle abfinden wollten. Grosse Unterschriftensammlung Am 19. April 2011 sagte Sina Stiffler, damalige Präsidentin von historic RhB in der DRS-Sendung «Regionaljournal Graubünden» auf Anfrage eines Journalisten, dass die BoBo 1 nicht erhaltenswert sei. Gründe nannte sie

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keine. Diese für viele Bahnliebhaber ungeheuerliche Aussage rief ein paar RhB-Fans auf den Plan, die nicht glauben mochten, dass eine fast 70jährige Lok nicht erhaltenswert sein soll. Sie organisierten in Namen von «Freunden von historic RhB» eine Unterschriftensammlung, welche innert weniger Tage mehr als 1500 Unterzeichner mobilisieren konnte und das virtuelle und reelle Postfach der RhB-Direktion überquellen liess.

«Historischer Wert» der BoBo 1 Die Denkmalpflege Graubünden hat 2013 die Fahrzeugsammlung der RhB durch das «Büro ARIAS – Industriekul-

che Würdig kmalpflegeris GR RhB: Den

uge schen Fahrze ung der histori

tur» aus Winterthur beurteilen lassen. Das Ergebnis findet sich in der «Denkmalpflegerischen Würdigung und Wertung der historischen Fahrzeuge der RhB». Der federführende Verfasser, Hans Peter Bärtschi, ein schweizweit anerkannter Industriearchäologe, bezog sich für seine Arbeit hauptsächlich auf eine Vorgängerstudie, welche der RhB-Lokführer und Bahnhistoriker Gion Rudolf Caprez 1999 verfasst hatte. Obwohl die BoBo 1 immerhin in der Würdigung erwähnt wird, kommt Bärtschi tatsächlich ähnlich wie Sina Stiffler zum Schluss, dass dem integralen Erhalt einer BoBo 1 im Gesamtkontext keine grosse Priorität zukommt (siehe Berichtsauszug unten). Heisst das nun, dass die BoBo 1 «historisch» gar nicht «wertvoll» ist und daher alle Exemplare unbesehen abgebrochen werden sollen/dürfen? Gion Rudolf Caprez präzisiert dann doch: «Ich würde der Lok, im Zustand von 1985, fast die Maximalpunktzahl geben für die regionale, kultur- und industriegeschichtriekultur, ARIAS Indust

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schinenfabrik motiv- und Ma Brown erische Loko Oerlikon und 1947 Schweiz rik fab en schin Winterthur, Ma tein ns he Boveri Münc stellok 0 hslose Drehge 3, 605 und 61 Bo'Bo' laufac 47 - 1954, 60 19 M SL 0 61 rn ze Lu RhB 601 S VH im 65 vollzähRhB, 602 SLM 1958 - 19 noch bei der tänden Nr. 701 - 707 ers on hr rsi Fü Ve n rte ere gröss t verände mit nur leich lig in Betrieb n lachsantriebe pemit je 2 Einze emse, el. Reku 2 Drehgestelle kluft-Rangierbr uc Dr e, ms Vakuumbre e ms , Handbre ch Unfall in rationsbremse . 602 1952 na d, Kasten Nr nster, ganze Selbsttragen Düsengitterfe ue ne 62 19 erneuert. t, Italien gefertig de 1987 - 1991 vollständig än ert Serie Führerst eu ausrüstung ern gestellen Führerstands eh BBC in den Dr im Kasten, Federantriebe ngssteuerung Hochspannu d un r me for schinenraums Trans Ma s de ng fteilu sorgfältige Au Hochleislaufachslosen purlok rbild der ersten baute Schmals ge Nach dem Vo 44 19 n S Ae 4/4 vo z 1998 pre tungsloks BL Ca , 98 9, Finke 19 SER 12/198

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tschi Foto H-P. Bär

Die Bündner Kulturbahn | 25 liche Bedeutung, für inneres und äusseres Design sowie für Komponenten wie BBC-Antrieb, MFO-Drehgestelle, Transformator und Stufenschalter. Mit dem optisch unglücklichen Neubau der Führerstände ab 1986 verlor die Lok für mich erheblich von diesen Werten. Das einheitliche Design ist nicht mehr erkennbar, die einzelnen Komponenten, die ihren Denkmalwert ausmachen,

Gion Rudolf Caprez

können gut von anderen Fahrzeugen übernommen werden, etwa in Bezug auf das Gesamtbild von der Re 4/4 I der SBB bzw. Ae 4/4 der BLS, in Bezug auf die MFO-Drehgestelle von den Ge 6/6 II der RhB oder in Bezug auf die Frontgestaltung vom ABe 4/4 501 der RhB. Ein integraler Erhalt ist daher tatsächlich nicht zwingend – eben so wenig aber der Abbruch. Bei der Gegenüberstellung des Erhalts einer BoBo 1 oder einer Ge 6/6 II spricht für die zweite der verstärkte Bezug zur RhB und zur Albulalinie; aus der Praxis deren höhere Zugkraft, die z. B. für einen mittleren Salonwagenzug reicht. Dazu kommt das Übergewicht von Triebfahrzeugen zu Anhängefahrzeugen und die lange Liste an pendenten, wertvolleren Restaurierungskandidaten. Dieses Problem besteht aber, weit gravierender, in der gesamten historischen Schweizer Bahnszene. Soweit zur Theorie. Als BoBo-1-Fan würde ich mich aber über eine erhaltene Maschine, die später sogar eine neue, alte Front und damit wieder ihr ursprüngliches Design bekommen könnte, sehr freuen. Es ist aus meiner Sicht absolut legitim, neben den von den Fachleuten definierten, unbedingt erhaltenswerten Fahrzeugen noch ein «Jokerexemplar» aus Überzeugung und für die vielen Liebhaber zu erhalten.» Ein Umbau mit grosser Wirkung Wie es scheint, hat der Neubau der Führerstände aller zehn Loks deren Aussehen entscheidend verändert bezie-

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26 | Die Bündner Kulturbahn Bild 1: Das «Gesicht» der BoBo 1 610 vor dem «Facelifting». Foto: Martin Pfister

Bild 2: Die Modernisierung aller zehn BoBo 1 erfolgte in der RhB-Hauptwerkstätte Landquart, wo auch die neue Front konstruiert und am bestehenden Kasten angeschweisst wurde. Foto: Tibert Keller

Bild 3: Die alte, abgetrennte Front von Lok 602 neben der aus einzelnen Elementen zusammengeschweissten Neukonstruktion.

3 1

2

Archiv RhB

Bild 4: Der Führerstand im Ablieferungszustand. Archiv RhB

Bild 5: Und so präsentiert sich der Führerstand seit der Modernisierung.

4

Foto: Christoph Benz

hungsweise den denkmalpflegerischen Wert deutlich vermindert, obwohl die eigentliche Technik noch weitgehend im Original vorhanden ist. Doch was hatte die RhB damals, Mitte 1980er Jahre, eigentlich dazu bewogen, die alten Fronten durch eine Neukonstruktion zu ersetzen? Antworten dazu hat Hans Furgler, Ingenieur HTL und damaliger Projektleiter dieses Umbaus. In erster Linie

5

wollte die RhB die BoBo 1 pendelzugtauglich machen und dazu die Loks mit einer Vielfachsteuerung ausrüsten. Ursprünglich seien die ersten vier Loks zwar mit einer Vielfachsteuerung ausgerüstet gewesen, diese hätte aber nie richtig funktioniert. Mit dieser Massnahme sollte erreicht werden, so Hans Furgler, dass die damals fast 40jährigen Loks für weitere 20 Jahre universell eingesetzt werden können, vom leichten

Pendelzug bis hin zum schweren Güterzug. Das alles wäre zwar auch möglich gewesen, ohne die Frontpartie zu erneuern, aber – und das war laut Hans Furgler der springende Punkt – in den rund 40 Betriebsjahren der BoBo 1 habe sich auch die durchschnittliche Kör-

«Perrongespräch»: Man erzählt sich . . . … die neue Frontpartie der BoBo 1 sei der Baureihe 1141 der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) nachempfunden. Andere sagen, als Vorlage diente der RhB-Fahrleitungstriebwagen Xm 2/2 9917 von 1974. Laut dem damaligen Umbau-Projektleiter Hans Furgler sei in beiden Vermutungen ein Körnchen Wahrheit zu finden. Da – um mehr Platz im Führerstand zu schaffen – der Rahmen der BoBo 1 verlängert wurde, das Dach aber die ursprüngliche Länge behielt, musste die ursprünglich senkrechte Front geknickt werden. Dazu habe man sich tatsächlich am Xm 2/2 9917 orientiert. Eine ÖBB-Lok hätten sich die Konstrukteure aber nicht als Vorbild genommen. Und trotzdem: Als die erste modernisierte BoBo 1 die Werkstätte verliess, fiel sofort die frappante Ähnlichkeit mit der ÖBB 1141 ins Auge, weshalb Hans Furgler immer wieder zu hören bekam, «jetzt habt ihr aus der BoBo 1 eine ÖBB-Lok gemacht…».

Hansruedi Burkhalter

Fahrleitungstriebwagen Xm 2/2 9917

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Christoph Benz

Baureihe 1141 der ÖBB

Hans Furgler

pergrösse der Schweizer Bevölkerung nach oben verändert – heisst, die Lokführer waren grösser als noch vor 40 Jahren. Gerade Lokführer mit langen Beinen konnten im engen Führerstand kaum mehr richtig sitzen. «Wir mussten die Kniefreiheit so erhöhen, dass die Lokführer mit ihren Knien nicht mehr am Führertisch anstanden. Also musste ein neuer, ein ergonomischer Führertisch mit Beinnische konstruiert werden. Aus Platzgründen konnte dieser aber nicht in der alten Front reali-

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Die Bündner Kulturbahn | 27

siert werden; wir mussten die Lok um einige Zentimeter verlängern.» Dass diese Massnahme das bisherige Bild der Lok komplett verändern würde, sei ihm bewusst gewesen, erinnert sich Hans Furgler, und so vertrat er die Meinung, dass eine der zehn BoBo 1 nicht umgebaut werden sollte. Einerseits hätte die RhB so viel Geld gespart (der Umbau einer Lok kostete rund 700 000 Franken),

Dass ausgerechnet eine Frau so eine Front haben wollte, habe bei der RhB für mächtig Gespött gesorgt; die hätte ja nicht alle Tassen im Schrank, und überhaupt, was wolle die mit dem alten Schrott … Ihrem Wunsch wurde dann aber entsprochen, und so konnte die Frau ihre persönliche Front nach Bayern abtransportieren lassen. Ob und in welcher Form diese oder allenfalls noch

weitere bis heute existieren, ist jedoch nicht bekannt. Die Kulturbahn-Redaktion nimmt entsprechende Hinweise gerne entgegen. Als erste modernisierte Ge 4/4 I verliess Lok 608 im Sommer 1986 die Hallen der Hauptwerkstätte in Landquart. Bis 1992 durchliefen die restlichen neun Loks das Modernisierungsprogramm (siehe Kästchen unten). Aus technischer und

Revisionsdaten der umgebauten Ge 4/4 I Das Datum entspricht dem Tag, an welchem die Lok nach der Modernisierung aus der Hauptwerkstätte Landquart entlassen und wieder dem Betrieb übergeben wurde.

andererseits hätte diese BoBo 1 zu einem späteren Zeitpunkt ohne grossen Aufwand als historische Lok hergerichtet werden können. Als dann aber der Entscheid zugunsten eines Umbaus aller Loks gefällt wurde, war auch für Hans Furgler das Thema «historische BoBo 1» vom Tisch: «Nicht mal das Aufbewahren zweier während des Umbaus abgeschnittenen Fronten war für uns noch ein Thema», erinnert er sich. Und trotzdem seien nicht alle alten Fronten dem Schrotthändler übergeben worden. «Ich erinnere mich noch an eine Anfrage von einer Eisenbahnsammlerin aus München, sie wolle so eine abgeschnittene Front kaufen.»

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Ge 4/4 I 601 «Albula» Ge 4/4 I 602 «Bernina» Ge 4/4 I 603 «Badus» Ge 4/4 I 604 «Calanda» Ge 4/4 I 605 «Silvretta»

30. 3. 1989 25. 1. 1989 23. 8. 1990 28. 8. 1991 21. 11. 1988

Ge 4/4 I 606 «Kesch» Ge 4/4 I 607 «Surselva» Ge 4/4 I 608 «Madrisa» Ge 4/4 I 609 «Linard» Ge 4/4 I 610 «Viamala»

Seit der Modernisierung uneingeschränkt möglich: Doppeltraktion mittels Vielfachsteuerung. Mit vereinten Kräften schleppen Loks 603 und 610 einen kurzen, aber schweren Güterzug mit Baumaterial für die Tunnelbaustellen in Spinas und Preda die Val Bever hinauf, 7. 8. 2017. Foto: Christoph Benz

5. 2. 1991 21. 3. 1990 12. 6. 1986 30. 5. 1988 24. 2. 1992

Die erste modernisierte BoBo 1, die Ge 4/4 I 608 «Madrisa», posiert neben einer noch nicht umgebauten Schwesterlok in Scuol-Tarasp. Foto: Martin Pfister

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28 | Die Bündner Kulturbahn

Der «Albula Sprinter» mit Ge 4/4 I 602 unterwegs von Samedan nach Spinas, fotografiert am 5. 12. 2017 bei Bever. In Spinas werden die fünf Muldenkippwagen mit Ausbruchmaterial vom neuen Albulatunnel beladen, welches in Preda entladen und mittels Förderbänder zur Deponie gelangt. Im Gegenzug wird der hinter der Lok eingereihte Schüttgutwagen mit Sand für die Baustelle in Spinas beladen. Foto: Christoph Benz

betrieblicher Sicht darf diese Modernisierung als Erfolg bezeichnet werden – oder nach den Worten von Projektleiter Hans Furgler: «Die in der Hauptwerkstätte Landquart umgebauten BoBo 1 befriedigten in allen Teilen». Wie bereits erwähnt, standen die Loks seither bis zur Ablieferung der ersten «Allegra»-Triebzüge Tag für Tag unermüdlich im Einsatz, bis dann, Ende 2010, mit der Ausmusterung und Verschrottung begonnen wurde. Todgesagte leben länger Im Frühling 2011 stoppten die Verantwortlichen jedoch die Abbruchwelle. Ivo Hutter, Chef Rollmaterial bei der RhB, erinnert sich: «Wir hatten noch Bedarf an Triebfahrzeugen aufgrund der kurzfristigen Einführung des partiellen Halbstundentakts.» Trotzdem konnte Lok 602 für eine Sonderausstellung im Verkehrshaus Luzern entbehrt werden. Im März 2012 gelangte diese auf der Strasse in die Leuchtenstadt, wo sie bis spätestens am 31. Dezember 2016 bleiben sollte, dann wäre der Leihvertrag zwischen der RhB und dem Verkehrshaus abgelaufen. Und die Lok vermutlich beim Schrotthändler gelandet. Doch es kam alles anders: Überraschend kehrte Lok 602 bereits im November 2015 wieder nach Landquart zurück, wo sie für die Wiederinbetriebnahme fit gemacht wurde. «Aufgrund des zusätzlichen Lokbedarfs für Transportzüge am Albula (Neubau Albulatunnel) haben wir uns entschieden, die Lok wieder fahrtüchtig zu machen.

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Da diese noch in einem sehr guten Zustand war, war dieser Aufwand relativ gering», so Ivo Hutter zur Wiederinbetriebnahme der Lok 602, welche im Sommer 2016 erfolgte. Zweiter Frühling dank neuem Albulatunnel 2014 begannen die Vortriebsarbeiten zum neuen Albulatunnel. Dieser rund sechs Kilometer lange Tunnel wird parallel zum bestehenden Tunnel gebaut. Für das Ausbruchsmaterial wurde un-

Ivo Hutter

terhalb Preda eine Deponie eingerichtet. Das Material vom Vortrieb Preda gelangt direkt per Förderbänder zur Deponie, dasjenige von Spinas wird per Bahn nach Preda transportiert. Diese Aufgabe übernimmt der «Albula Sprinter», ein spezieller Güterzug, welcher den ganzen Tag zwischen den beiden Baustellen am Nord- und Süd-

portal hin- und her pendelt. Achtmal täglich gelangt das in Spinas verladene Gestein so zur Deponie in Preda. Für diese Leistungen seien laut Ivo Hutter von Anfang an BoBo 1 eingeplant gewesen: «Die BoBo 1 sind für die relativ flache Strecke gut geeignet. Die anderen Triebfahrzeugtypen werden sonst eingesetzt und können nicht einfach freigespielt werden.» Bis zu 312 Tonnen schwer sind die beladenen Züge, welche die dafür eingeteilte BoBo 1 jeweils von Spinas nach Preda zieht, dazu kommen Staub und Dreck beim Be- und Entladen und Feuchtigkeit im Albulatunnel – macht das den über 70jährigen Loks nicht extrem zu schaffen? «Grundsätzlich nein», sagt Ivo Hutter, «es hat sich aber gezeigt, dass jedes halbe Jahr das Stufenschalteröl ausgetauscht werden muss, da es ansonsten zu feucht wird.» Was aber wäre, sollte eine BoBo 1 trotzdem einen grösseren Schaden erleiden? «Das wäre dann wirklich eine schwierige Frage … Wir müssten sicher sehr genau abschätzen, ob die Lok noch repariert werden würde. Ein Faktor bei der Entscheidung wäre zu diesem Zeitpunkt dann auch die Verfügbarkeit der restlichen Triebfahrzeuge. Eine klare Antwort kann ich somit heute nicht geben – ganz in der Hoffnung, dass dieser Fall nicht eintreten wird.» Nebst dem «Albula Sprinter» verkehren während der Bausaison zwischen Samedan und Preda sogenannte «Versorgungszüge», welche die Baustellen mit Material wie Zement, Armierungseisen oder Triebstoff versorgen und

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Die Bündner Kulturbahn | 29

entladene Wagen zurück nach Samedan bringen. Diese Züge werden in der Regel aus Lastgründen von zwei BoBo 1 bespannt. Während der Bauzeit des neuen Albulatunnels sind in Samedan also dreiviertel des noch vorhandenen BoBo 1-Bestandes stationiert, während die vierte Lok in Landquart oder Chur als eiserne Reserve bereit steht. Letzte Chance Wer die BoBo 1 nochmals im Betrieb erleben oder fotografieren will, der sollte dies in den nächsten Monaten tun. Ihre Einsatztage sind nämlich gezählt. Laut Bauleitung des Albulatunnels werden die Loks sicher noch bis zum Durchschlag im Herbst 2018 benötigt, danach wahrscheinlich weiterhin bis Ende Innenausbau des neuen Tunnels, allerdings nur noch stark reduziert. Und was passiert danach mit den vier verbliebenen BoBo 1? Für Ivo Hutter, Chef Rollmaterial bei der RhB, ist klar: «Dann werden sie definitiv in den verdienten Ruhestand überführt – in welcher Form auch immer.» «Ein Leben ohne BoBo 1 ist möglich – aber nicht schön!» Diese etwas launische Aussage stammt von Tilmann Laube, Inhaber eines Ingenieurbüros und Aktivmitglied im Club 1889. Als grosser RhB-Fan und Modelleisenbahner hat er, aus Bayern stammend und in Zürich wohnhaft, jüngst eine permanente Ferienwohnung, ja sogar einen Zweitwohnsitz beim Bahnhof in Samedan gemietet. Er

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beschreibt den «Bahnvirus», mit dem er vom Grossvater über den Vater angesteckt wurde, als «genetische Veranlagung» – sein Vater hatte nach dessen Studienzeit die Drehstomtechnik für Lokomotivantriebe mitentwickelt. Während Familienferien bei der Arlbergbahn im Jahre 1977 sagte der Vater: «Buben, morgen fahren wir nach Scuol-Tarasp und ihr lernt die schönste Bahn der Welt kennen». Und eben da, im Unterengadin, sah der 11jährige Tilmann Laube zum ersten Mal eine grüne BoBo 1 mit der eleganten Chrom-

beschriftung, welche er auf Augenhöhe bestaunte. Das war der Beginn seiner Leidenschaft für die Rhätische Bahn. Er kaufte sich Ende der 1970er Jahre mit seinem Taschengeld aufgrund seiner «RhB-Offenbarung» eine BoBo 1 im Massstab 1:87, welche eben von BEMO herausgegebenen worden war; dieses Modell besitzt er noch heute. Die «BoBo-1-Abbruchorgie» von 2010 hatte Tilmann Laube – wie er selber sagt – zur Kenntnis genommen, sich aber noch keine grossen Sorgen gemacht. Jetzt aber, da die Zeit für die Ma-

Am 26. 8. 2017 trafen sich die FairFotografen in Samedan zu einem BoBo 1-Fotoshooting mit allen vier noch vorhandenen Ge 4/4 I, organisiert vom Club 1889. Anlass dazu war der 70. Geburtstag der Loks 602 und 603. Foto: Christoph Benz

Erstes Schweizer BEMO-Modell

Die BoBo 1 war die erste Schweizer Lok, die der bekannte Modellbahnhersteller BEMO aus Uhingen als Modell realisiert hatte. Tilmann Laube hat sich dieses Modell als kleiner Bub gekauft. Seither träumt er, das Original bald wieder in diesem Design anzutreffen und ist bereit, sich entsprechend bei einem Umbauprojekt einzubringen.

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... Augen auf beim Hundekauf ... 30 | Die Bündner Kulturbahn

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Die Bündner Kulturbahn | 31

Zukunftsvisionen für die BoBo 1 Der «Verein pro Salonwagen RhB» braucht für seine Extrafahrten mit den eigenen blau-crèmen Salonwagen ein passendes und leistungsstarkes Zugpferd. Deshalb hat der Präsident, Andreas Jenny, bereits seit längerer Zeit die Idee, eine BoBo 1 in die entsprechenden Farben umlackieren zu lassen. Bisher blieb es bei der Idee, eine Umsetzung ist aufgrund der finanziellen Lage des Vereins bisher nicht in Reichweite. Als Salonwagen-Lok geeignet wäre nach internen Abklärungen von Andreas Jenny die Ge 4/4 I 610 «Viamala», weil diese Maschine am besten erhalten ist. Die Lok kann mit 80 Stundenkilometern fahren und belastet den empfindlichen Fahrplan dadurch bedeutend weniger als die sonst häufig vor der Salonwagen-Komposition eingesetzte Ge 6/6 I «Krokodil». Besonders als Übergangslösung, bis allfällige Fragen um einen Rückbau der Führerstände in den Zustand vor ihrem Umbau geklärt sind, wäre das laut Andreas Jenny bestimmt eine attraktive Lösung.

Fotomontage: Dieter Hartmann

schinen langsam aber sicher abläuft, beschleicht ihn das Gefühl, dass er sich in irgendeiner Form für den Erhalt zumindest einer Lok einsetzen möchte. Aus diesem Grund stand er auch sofort tatkräftig zu Stelle, als es darum ging, für die FairFotografen (siehe Seite 51) ein womöglich letztes Fotoshooting mit allen vier Maschinen in Samedan zu organisieren. Es war seine Idee, dafür ein eigenes BoBo-1-Logo für Aufkleber und T-Shirts zu kreieren. Daneben hat Tilmann Laube ein Konzept für den Rückbau einer BoBo 1 in den Zustand vor der Modernisierung verfasst. Auf die Frage, was er zu einer allfälligen Verschrottung aller übriggebliebenen Ge 4/4 I meint, antwortet Tilmann Laube: «Ich respektiere natürlich jegliche betriebswirtschaftliche Sicht auf die Kostenstelle BoBo 1, da ich in meinem Ingenieurbüro tagtäglich mit Kostenoptimierungen zu tun habe. Hier geht es aber aus meiner Sicht und der Sicht vieler BoBo-1-Fans nicht um eine pure Kostenstelle, die mit einer Ersatzinvestition ertragreicher gestaltet werden soll, sondern um eine historisch ausserordentlich wertvolle Maschine. Für sehr viele Bahnfans war nach meiner Erfahrung die BoBo 1 DIE emotionale Schlüsselerfahrung bei der Entwicklung ihrer Beziehung zur Rhätischen Bahn. Für mich und für viele

Ein spannendes Fernziel wäre der Rückbau einer BoBo 1 äusserlich in den Zustand von vor dem Umbau der 1980er Jahre. Das würde vermutlich nicht nur Gion Rudolf Caprez, Tillman Laube, BEMO und sehr viele RhB-Fans und -Fotografen freuen, es könnte sogar der Rhätischen Bahn selber aus Imagegründen von Nutzen sein und der historischen Bündner Fahrzeugsammlung ein Krönchen aufsetzen.

Erinnerungen zum Ersten: Nach der Modernisierung der BoBo 1 wurden die Chrom-Beschriftungen schachtelweise an Liebhaber verkauft.

Tilmann Laube

Bahnfreunde wäre neben dem Erhalt einer Maschine im aktuellen Zustand der Rückbau einer weiteren Maschine in den Zustand vor der Modernisierung eine wunderbare Sache. Aus meiner Sicht braucht es vom zukünftigen Projektteam dazu eine Menge Herzblut, von den Fans und weiteren interessierten Parteien die dazu notwendigen Mittel und von der RhB als Eigentümerin die Weitsicht, mit einem solchen Rückbau die Seele der RhB zu stärken und sowohl alte als auch junge Bahnfans nachhaltig zu begeistern.»

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Erinnerungen zum Zweiten: Heute müssen sich BoBo-1-Fans mit Modellen oder Fotos ihrer Lieblinge in Grün begnügen, wie z. B. mit diesem Bild von Peter Willen im alten Bahnhof Samedan von 1959. Schaffen es die Fans, eine solche Rückgestaltung der Front dereinst zu organisieren und mitzutragen?

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32 | Die Bündner Kulturbahn

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Dampfschneeschleuderfahrt

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nd 18.

17 08:16

Die Bündner Kulturbahn | 33

Kulturbahn-Agenda 2018

1

St. Moritz–Alp Grüm–St. Moritz

Dampfschleuderfahrt

Bahnmuseum Bergün

Ostereier suchen historic RhB

6.

DV in Chur

Mai

4.

1

Samedan–Scoul/Tarasp–Samedan

6.

2

Kindernachmittag im Bahnmuseum

13.

2

Kindernachmittag im Bahnmuseum

24. 25. 27.

2

Kindernachmittag im Bahnmuseum

2

Fotoerlebnis Surselva Dampffahrt

2

Kindernachmittag im Bahnmuseum

GV auf dem Bürgenstock

17. 24.

St. Moritz–Alp Grüm–St. Moritz

Juni 3.

1

1 1

22.

1 1 1

Erlebniszug Albula St. Moritz–Zermatt

Glacier Pullman Express Erlebniszug Albula Zermatt–St. Moritz

Glacier Pullman Express Erlebniszug Albula Jubiläumsreise „50 Jahre LGB“ www.lgbtours.de

Erlebniszug Albula Bahnfest Engadin

3

17.

3 1

10 Jahre UNESCO Welterbe RhB

August

1.

1 1 5

14.

5

15.

1

4 1 4

Fahrt ins Blumenland (Dampf)

Clà Ferrovia Albula Erlebniszug

Jubiläumsreise „50 Jahre LGB“

Internationaler Museumstag St. Moritz–Zermatt

Bahnmuseum Bergün Freier Eintritt Glacier Pullman Express Auffahrt

Club 1889

www.lgbtours.de

24.

1

Zermatt–St. Moritz

Glacier Pullman Express Erlebniszug Albula

GV in Bergün IG Zügen-Landwasser

GV in Wiesen

Neu: Nostalgiezüge 10. Mai – 28. Okt. 2018

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5

Zermatt–St. Moritz

Glacier-Pullman Express Blonay–Chamby

«Mega Bernina Festival» Blonay–Chamby

«Bündnertag im Saanenland» Dampffahrt Surselva Blonay–Chamby

«Mega Bernina Festival» Bernina Gran Turismo Blonay–Chamby

«Mega Bernina Festival»

4.

1

7.

4

Herbstfahrt

Dampffahrt Davos

5.

1

14.

1

Samedan–Scoul/Tarasp–Samedan

Erlebniszug Albula

1 2

20.

1

Helferfahrt

7.

8.

2 1

Pullmannzug Engadiner Dampffahrt

GV in Filisur

Verein Dampffreunde der RhB

jeden Donnerstag vom 14. Juni – 18. Okt. 2018 Treffpunkt um 15h15 am Bahnhof Davos Wiesen

1

Glacier-Pullman Express

Oktober

Zermatt–St. Moritz

RhätiaAlps Pullman Expr Swiss Classic Landquart–Davos–St. Moritz Express –Davos–Landquart Bernina Nostalgie Erlebniszug Albula Express www.dampfverein.rhb.ch

Täglich fahrplanmässige Nostalgiezüge zwischen Davos – Filisur

2.

4

9.

1

Fahrt ins Lichterland mit

1

Fahrt ins Lichterland mit

St. Moritz–Zermatt

9.

1

12.

1 1

19.

1

Erlebniszug Albula

26.

1

Erlebniszug Albula

31.

1

Swiss Alps Classic Express Rhätia Pullman Expr Landquart–Davos–St. Moritz –Davos–Landquart

Erlebniszug Albula

historic RhB

Dezember

30. GV mit Extrazug

Führungen Wiesnerviadukt

5

Andermatt–Zermatt

Samedan und Pontresina

1

Vollmondfahrt Freunde der Schmalspurbahnen

Erlebniszug Albula

29.

24.–25.

1.–2. 3.

1

Muttertagfahrt mit Dampfzug

Pro Salonwagen RhB

23.

März

Landquart–Filisur–Davos–Landquart

GV in Bergün

19.

mit Tibert Keller

1

1

Albula-Bahn-Club

13.

Bernina

Dampfschleuderfahrt

1

9.–10.

20.

1

Engadiner Dampffahrt

13.

22.–23.

18.

Vollmondfahrt

8.

29.–31.

St. Moritz–Alp Grüm–St. Moritz

Erlebniszug Albula

1.–5.

1

1.

1

15.

Vollmondfahrt

Februar

3.

2.–3.

Bernina

2

8.–9.

1

2.

22.–23. 21.–23. 15.–16.

Vollmondfahrt

September

15./16.

31.

St. Moritz–Alp Grüm–St. Moritz

Juli

20.–21.

28.

1

April

22.–23.

4.–5.

Januar

Adventsfahrt Clà Ferrovia Clà Ferrovia

St. Moritz–Andermatt

Glacier-Pullman Express

Informationen zu den einzelnen Reisen 1 2 3 4 5

www.bahnoldtimer.ch www.bahnmuseum-albula.ch www.rhb.ch/de/erlebniswelt-bahn/unesco-welterbe-rhb www.verein-pro-salonwagen.ch 5 www.blonay-chamby.ch

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34 | Die BĂźndner Kulturbahn

Foto: Tibert Keller

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Generationentreffen in Pontresina: C-C-Lok Ge 6/6 I 415 von 1929, 1-B-1-Lok Ge 2/4 222 von 1913, 1-D-1-Lok Ge 4/6 353 von 1914 und Triebwagen ABe 4/4 501 von 1939. Foto: Christoph Benz

Über Gestaltung und Form von RhB-Elektrolokomotiven Von Gion Caprez Bestimmt hat jeder oder jede von uns seine Lieblingslokomotive. Für Leser dieses Magazins wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine RhB-Lokomotive sein. In diesem Artikel möchte ich nicht meine Lieblingslok vorstellen mit der Behauptung, sie sei die Schönste. Bekanntlich sind unsere Geschmäcker sehr verschieden, deshalb soll man über die Gestaltung, Qualitäten und Funktion einer Lokomotive diskutieren und nicht streiten. Worüber auch kein Wort verloren werden soll, ist die Farbgebung und der aufgesetzte Zierrat wie Wappen und Chromdekorationen.

Die 1-D-1-Lokomotive Ge 4/6 353 in voller Fahrt zwischen Bever und La Punt. Foto: Christoph Benz

Bei den ersten elektrischen Schienenfahrzeugen stellte sich kaum die Frage nach Gestaltung: in Pferdebahnwagen und leichten Personenwagen liessen sich Elektromotoren und Steuerung zwischen den Rädern und auf den Plattformen einbauen. Fertig ist das Tram oder der Überland-Triebwagen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden dann echte Lokomotiven, bei denen sich die Konstrukteure Fragen des Aufbaus und der Organisation stellen mussten. Denn bei einer elektrischen Lokomotive haben, im Gegensatz zur Dampflokomotive, viele Komponenten keine „gegebene“ Position. Transformator, Steuerung oder die Motoren konnten vom Konstrukteur relativ frei verbaut werden. Bei einer Elektrolok gibt es auch keine bevorzugte Fahrrichtung. Zudem hatten weder der Konstrukteur noch sein Publikum

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feste Vorstellungen, die es zu erfüllen gab, damit eine Lokomotive als schön, stark oder schnell akzeptiert wurde. So können wir in den zehn Jahren vor 1914 ein Herantasten an «die» Form für Elektrolokomotiven beobachten.

Erstes Beispiel: Einrahmenlokomotiven 1913 Wir betrachten die 1-D-1-Lokomotiven, die von der Rhätischen Bahn nach 1910 für die Unterengadinerlinie bestellt wurden. Sie erscheinen als Kuben, durch waagrechte Trennlinien dreigeteilt: unter dem Umlauf geschmiedete Räder, Kuppelstangen und dazwischen ein genieteter Plattenrahmen. All dies ist identisch zur zeitgenössischen Dampflokomotive. Es scheint sogar, dass der Auftraggeber ein elektrisches Pendant zur 1-D-Dampflokomotive mit austauschbaren Komponenten verlangt hat. Darüber ist ein Kastenaufbau, gegliedert durch Fensteröffnungen,

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Die Bündner Kulturbahn | 37 Lüftungsgitter und waagrechte und senkrechte Leisten. Das Dach, als oberste Schicht, trägt die damals noch fremde Hochspannungseinrichtung: Isolatoren, Rohre und kleine Aufbauten. Die visuelle Wirkung der Lok ist unaufregend. Der Verzicht auf jede Gestaltung passt nicht zur technischen Innovativkraft der Lok, es fehlt ihr auch jede Dynamik. Die Blechverschalung des Kastens hat keine mechanische Beziehung zu den Maschinen im Innenraum, sodass die innere Raumaufteilung nicht erkennbar ist. Ob innen einer oder zwei Motoren hoch oder niedrig gelagert sind, ob mit Getriebe oder Direktantrieb, ob der Transformator zentral oder an einem Ende aufgestellt ist: wir sehen es nicht. Die äussere Schlichtheit versteckt alles, was an der neuen elektrischen Bahntechnik faszinieren würde. Es ging auch anders. Kálmán Kandó konstruierte im selben Jahr die 1-C-1-Lok E330 für die italienischen Drehstromstrecken. Auch sie eine symmetrische Rahmenlok mit beidseitigen Vorlaufachsen. Ihre Fronten sind aufgelöst durch jeweils fünf Flächen, die einer Parabel eingezeichnet sind und sowohl am vorderen Ende windschnittig wirken, wie auch am hinteren Ende zwanglos in den Zugsverband übergehen. Der Maschinenenraum ist durch Überhöhung markiert, die Motorachsen durch äussere Verkleidungen betont. Jedes Detail ist durchdacht. Ein Design, das in unseren Augen vorwärts drängt und gleichzeitig Funktion sichtbar macht und einen Rest Magie im Inneren ahnen lässt. Zweites Beispiel: die C-C-Lokomotive Die starke Schmalspurlokomotive Typ C-C entstand aus einem Anforderungsprofil: Die neue Lok sollte das Traktionsprogramm einer Doppeltraktion von 1-D-Dampfloks erfüllen können. Damit war die Idee der Doppellok vorgegeben. Um 1910 wurde in England die Dampflokomotive der Bauart Garratt entwickelt, die dann vor allem an einfach trassierte Kolonialbahnen verkauft wurde. Bei diesen Loks befand sich der Kessel auf einem Brückenträger, der beidseits auf Triebgestellen auflag. Dem Lokkonstrukteur gefällt an dieser Bauart, dass Kessel und Triebwerk nicht ineinander verschachtelt, sondern separiert sind. So zeigt sich die C-C-Lok als Vertreterin der Moderne der Zwischenkriegszeit:

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Funktionen sind räumlich getrennt und äusserlich erkennbar. Der Transformator entspricht dem Dampflokkessel als Energiequelle. Er beansprucht den zentralen Platz, lässt aber noch Raum für die beiden Führerstände und die vom Lokomotivführer bedienten Apparate wie dem mechanisch betätigten Flachbahn-Stufenschalter. Die beiden Drehgestelle sind nicht wie bei der Garratt-Lok mit Zwischenräumen abgesetzt, sondern halb inte-

Drittes Beispiel: Stromlinien-Design bei der RhB? In den 1930er Jahren war «Stromlinie» modern, und Objekte vom Flugzeug (sinnvoll) bis zum Bügeleisen (weniger sinnvoll) erhielten tropfenförmige, glatte Oberflächen, die oft mit Zierlinien entsprechend dem gedachten Luftfluss versehen waren. Der Eintritt der Schweizer Bahnen ins Stromlinienzeitalter war mittelmässig. In unseren Nachbarländern, vor allem Die von Kálmán Kandó konstruierte 1-C-1-Lokomotive E330, welche auf den Drehstromstrecken in Italien zum Einsatz kam. Sammlung historic RhB

C-C-Lok Ge 6/6 I 412 unterwegs bei der Kirche St. Peter bei Mistail kurz vor Tiefencastel. Archiv RhB

griert. Im Vergleich zur 1-D-1-Lok ist hier keine Frage, wie viele Motoren die Lok hat und wo sie sich befinden. Sie befinden sich hinter den Ritzelverkleidungen und treiben die Antriebswelle direkt darunter an. Zusammen mit der Dreieck-Kuppelstange ergibt sich eine dynamische Wirkung, die auch durch die hinter dem Aussenrahmen nicht sichtbaren Räder kaum beeinträchtigt wird. Die Vorbauten sind im Vergleich zum Mittelkasten schmaler und akzentuieren so die funktionelle Dreiteilung. Vorn wirken sie raumgreifend, kräftig, hinten passen sie sich zwanglos dem Zugsverband an.

in Frankreich und Italien, entstanden revolutionäre Leichttriebwagen unter Mitwirkung der Automobilindustrie und von Industriedesignern. Mit dem «Roten Pfeil» von 1935 versuchte sich auch die Schweizer Industrie an einem Stromlinientriebwagen, der aber uninspiriert und klobig geriet. Fünf Jahre nach dem «Roten Pfeil» jedoch ein Lichtblick: Der Triebwagen Nr. 501 der RhB. In diesem Fahrzeug zeigt sich die Stromlinienform nicht im Grossen, sondern in Kleinformen. Ecken und Kanten sind durch gebogene und gepresste Bleche vermieden. Die Fenster sind nicht mehr rechteckige Ausspa-

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Faszinierendinal wie das Orig RhB G 3/4 11 Dampflok „Heidi“ 1295 121

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Der «Rote Pfeil» bei Wassen an der Gotthard Nordrampe. Foto: Christian Zellweger

rungen eines dahinter stehenden Holzrahmens, sondern ausgestanzte, dreidimensional gerundete Öffnungen in der glatten, tragenden Wand aus Stahlblech. Weder Nieten noch Abdeckleisten stören die äussere Form. Durch den Verzicht auf tiefliegende Fahrgasträume passen auch die elektrischen Einrichtungen ungezwungen auf das Dach und zwischen die Drehgestelle. So werden keine künstlichen Dachaufsätze wie etwa beim «Roten

Pfeil» notwendig. Die Triebdrehgestelle sind geschweisst und von einer Bauart, die aus dem Wagenbau stammt und für die nächsten 40 Jahre auch im Lokbau Standard sein wird. Unsichtbar und dennoch Teil des Stromliniendesigns sind die BBC-Federantriebe als elegante Lösung der flexiblen Verbindung von Motor und Triebachse. Der Innenraum ist durchgehend überblickbar, da alle Innentüren Fensteröffnungen aufweisen. Leider hat die Aufteilung in ver-

schiedene Klassen sowie Raucher und Nichtraucher einen durchgehenden Innenraum wie bei den unvergleichlichen italienischen «Littorine» verhindert. Mein Fazit: Mit diesem Fahrzeug und den zugehörigen Anhängewagen hat die Rhätische Bahn nicht nur technisch, sondern auch gestalterisch Bedeutendes in ihrem Fahrzeugpark.

Triebwagen 501 – besser bekannt als «Fliegender Rhätier» – kurz nach der Ablieferung an die RhB auf Fotofahrt in der Rheinschlucht. Archiv RhB

© RhB, Erik Süsskind

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40 | Die Bündner Kulturbahn Gross war die Freude, als das Welterbe-Komitee der UNESCO 7. Juli 2008 die schweizerischitalienische Weltebekandidatur angenommen hat. Zu diesem besonderen Ereignis wurde in Chur das Verwaltungsgebäude der RhB festlich beleuchtet. Foto: RhB

Ein Blick auf 10 Jahre UNESCO Welterbe RhB Von Roman Cathomas 2018 wird gefeiert: Zehn Jahre Welterbe «Rhätische Bahn in der Landschaft Albula/Bernina». Zwar sind zehn Jahre im Verhältnis zum Alter der beiden Welterbestrecken ein Klacks, und trotzdem macht es Sinn, auf diese zehn Jahre einzugehen. Es war der 7. Juli 2008, als die «Rhätische Bahn in der Landschaft Albula/ Bernina» in die UNESCO Welterbeliste eingetragen wurde. Dieser Tag hat die aufwändige, rund dreijährige Kandidaturphase abgelöst. Die Welterbe-Idee ging vom Projekt in die Realisierung – man kann auch sagen, von der Theorie in die Praxis – über.

oben rechts: Rund 120 Medienleute aus dem In- und Ausland nahmen 2008 an der speziellen Medienreise entlang der aufgenommenen «Welterbestrecke» teil. Ein unvergesslicher Höhepunkt war die Inszenierung mit über 1000 Ballons am berühmten Landwasserviadukt. Foto: RhB

Wie so üblich und als Grundlage auch sinnvoll, wurden unzählige Konzepte geschrieben, Dossiers erstellt und über Ideen gebrütet. Es wurde über Massnahmen diskutiert, welche getroffen werden könnten oder auch müssten. Zudem wurden aufwändige Managementpläne geschrieben, die als Leitfaden für die Weiterarbeit dienen sollten. Soweit war alles vorbereitet, damit die Schutz- und Nutzungsziele verfolgt und umgesetzt werden können. Als verantwortliche Organisationsstruktur wurde der Verein Welterbe RhB definiert. Fachausschüsse sollten von nun an mit Ratschlägen dafür sorgen, dass die Streckenabschnitte sich ganz im Sinne des Welterbes weiterentwickeln. Inszenierungskonzepte skizzierten Lösungsansätze, wie der Tourismus die internationale Ausstrah-

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lung des Welterbelabels nutzen sollte. Doch wie sieht es nun 10 Jahre später aus? Was wurde umgesetzt? Was blieb Theorie? Vieles wurde erreicht, einiges initiiert, aber es gibt noch viel zu tun. Doch der Reihe nach: Wo stehen wir im Bereich der Schutzziele des Welterbes? Bei diesen geht es um die Erhaltung der ausserordentlichen universellen Werte der Welterbestätte. Das Bundesamt für Kultur beurteilt in seinem Aktionsplan die Welterbestätte der RhB wie folgt: «Die Stätte ist insgesamt in einem guten Zustand. Eine potentielle Gefährdung liegt in den aufgrund von Modernisierungs- und Sicherheitsanpassungen forcierten Umbauten der Bahnstrecke…». Erfreulich ist, dass seitens der für die Infrastruktur verantwortlichen Personen der Rhätischen Bahn eine hohe Sensibilität in Bezug auf die bedeutende Substanz des Welterbes vorhanden ist. Die RhB sowie die Behörden haben bisher in sehr konstruktiven Prozessen Lösungen entwickelt, mit denen der Spagat zwischen Sicherheit, Effizienz und Denkmalpflege gemeistert werden konnte. Nebst dem Schutz sollte das Welterbe auch dem Bündner Tourismus Impulse geben. Dabei soll das Welterbegut besser erleb- und erfahrbar gemacht werden. Im Bereich der Nutzung des UNESCO Welterbelabels als Treiber für die touristische Entwicklung konnten einige Erfolge verbucht werden, wie z.B. die Schaffung des Weitwanderweges

Via Albula/Bernina, des Erlebnisraums Bernina Glaciers und die Eröffnung des Bahnmuseums Albula. Zudem konnten auch Initiativen zu neuen innovativen Produktideen wie Bernina Fly und dem Attraktionsraum Landwasserviadukt lanciert werden. Es gilt weiterhin beharrlich auf das grosse und teilweise in Vergessenheit geratene Potential der Bahnkultur in Graubünden hinzuweisen. Wir müssen nicht neue Leuchttürme bauen, sondern die bestehenden Wahrzeichen neuartig inszenieren. Dabei muss die Bahnkultur mit einer langfristigen Ausrichtung marktgerecht und attraktiv zu einem Erlebnis gebündelt werden. Bei der touristischen Entwicklung muss darauf geachtet werden, dass der Welterbestatus nicht instrumentalisiert wird, um dringend notwendige Entwicklungen für neue Wertschöpfungsquellen in den potentialarmen Regionen zu behindern. Die Vermittlung der Werte und der Welterbeidee ist eine weitere Aufgabe. Hierfür wurden Lehrmittel, Apps und Informationsgrundlagen geschaffen. Entlang

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Die Bündner Kulturbahn | 41 der Welterbestrecke wurde mit den roten UNESCO Welterbe Schienen-Stelen ein authentischer Signaletik- und Vermittlungsansatz eingeführt, den es nun weiter zu entwickeln gilt. Um die gemäss Managementplan definierten Massnahmen pflichtbewusst umsetzen zu können, gilt es auch, die Organisations- und Finanzierungsstruktur der UNESCO Welterbestätten zu prüfen.

Weltkulturgut und gelebte Bahnkultur bilden einen wichtigen Teil des Tourismus und des Bündner Kulturgutes. Um dieses als Teil des Kulturtourismus zu etablieren, braucht es entsprechende Rahmenbedingungen. Gelebte Bahngeschichte hat einen gesellschaftlichen und authentischen touristischen Wert für Graubünden. Bahnkultur muss der Bevölkerung und der Politik was Wert

sein. Hier muss auf die Gefahren eines schleichenden Verlustes der Bündner Bahnkultur hingewiesen werden und das Bewusstsein der Einzigartigkeit und des Potentials gestärkt werden. Wir sind mit unserem Kulturgut auf dem richtigen Gleis, um das wertvolle Erbe sinnvoll und nachhaltig zu nutzen und den folgenden Generationen weiterzureichen. Am 13. Juli 2018 steht der Kreisviadukt von Brusio im Mittelpunkt der Jubilläumsfestivitäten «10 Jahre UNESCO». Ein Konzert erwartet die Besucher beim Kreisviadukt.

«10 Jahre UNESCO Welterbe RhB» Im Jahr 2008 wurde die «Rhätische Bahn in der Landschaft Albula/Bernina» mit dem UNESCO Welterbelabel ausgezeichnet. Sie erhielt damit die Ehre, aber auch die Verpflichtung, dieses aussergewöhnliche Meisterwerk der Bahnbaupioniere für die Zukunft zu erhalten. Im Jubiläumsjahr werden, verteilt über das ganze Jahr, verschiedene Aktivitäten die Themen Welterbe und Bahnkultur aufnehmen. So sollen sowohl die breite Bevölkerung als auch Kultur- und Bahninteressierte und Fachkreise die Gelegenheit erhalten, sich mit den universellen Werten der Bahnkultur in Graubünden auseinanderzusetzen. Das RhB-Bahnfestival Am Wochenende vom 9. und 10. Juni 2018 findet in Samedan/Pontresina das erste RhB-Bahnfestival statt. Zwei Tage ganz im Zeichen der Eisenbahn, bei denen auch Spiel und Spass nicht zu kurz kommen. Rekordverdächtiges wird sich zwischen Samedan und Pontresina zutragen: Die grösste je dagewesene Parade historischer RhB-Fahrzeuge wird Jung und Alt begeistern. Verschiedene Fahrten setzen die Zeitzeugen aus fast allen Bahnepochen grossartig in Szene und Führungen vermitteln interessante und erstaunliche Fakten. Wer es gerne spielerisch mag, misst sich bei den ersten «RhB-TrainGames». Getreu dem RhB-Motto «Faszinierend anders unterwegs» spielen 4er-Teams um Ruhm und Ehre. Abgerundet wird das RhB-Bahnfestival mit einer Festwirtschaft und einem Welterbemarkt, an welchem andere Schweizer Welterbestätten ihre Produkte und Spezialitäten präsentieren. Und wer noch nicht genug hat, lässt den Tag bei der UNESCO-Party beschwingt ausklingen. Sonderausstellung UNESCO Welterbe Was bedeutet UNESCO Welterbe? Weshalb braucht es die Welterbestätten? Wie geht man mit einem Welterbe um? Welche Bedeutung haben die Welterbestätten für die Menschheit? Diese und weitere spannende Fragen werden bis Mitte November 2018 an der Sonderausstellung im Bahnmuseum Albula in Bergün beantwortet.

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Foto: RhB

Am Bahnfest in Samedan und Pontresina wird praktisch die gesamte historische Flotte der Rhätischen Bahn zu besichtigen sein. Foto: Lucca Projer

Welterbe-Tagung zum Thema «Was ist guter (Kultur-)Tourismus?» Am 6. und 7. Juni 2018 ist das UNESCO Welterbe RhB Gastgeber der alljährlich stattfindenden UNESCO Weltererbe-Tagung. Bei Vorträgen, Workshops und anhand von Best-Practice-Beispielen diskutieren Fachleute über die Chancen und Herausforderungen des Kulturtourismus. Jubiläumskonzert beim Kreisviadukt Brusio Im Süden des UNESCO Welterbes RhB, an der Berninalinie, trifft man sich am 13. Juli 2018 beim Kreisviadukt Brusio zum offiziellen Jubiläumskonzert. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde Brusio und der Tourismusorganisation Valposchiavo wartet ein musikalisches Programm auf Gäste aus nah und fern.

Spezielles UNESCO-Schulangebot Unter dem Motto „denkmal-aktiv“ wird ein spannendes Ausflugsangebot für Schulen geschaffen. Bei Exkursionen ins UNESCO Welterbe RhB erhalten Schulklassen die Gelegenheit, sich aktiv mit den Themen rund um Denkmäler und ihre Bedeutung auseinanderzusetzen. Informationen zum Jubiläum «10 Jahre UNESCO Welterbe RhB» werden laufend auf www.rhb.ch/unesco veröffentlicht.

www.rhb.ch/unesco

10 Jahre UNESCO Welterbe Rhätische Bahn Alb ula / Bernina Ausstellung / Bahnfe stival / Events / Sonderfahrten

Stand: Januar 2018. Änderungen vorbehalten!

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So präsentierte sich die Berninabahn in den ersten Betriebsjahren: Triebwagen BCe 4/4 3 vor dem Foto: Christoph Benz Berninamassiv und dem Morteratschgletscher. Diese 1913 gelaufene Postkarte entstammt der Edition Photoglob. Sammlung Christoph Benz

Seit Generationen am Bernina im Einsatz Von Christoph Benz Stolze 100 Jahre lang waren sie bis zuletzt beinahe täglich auf der Berninalinie unterwegs: Die Triebwagen der ersten Generation. Zwischen 1908 und 1911 gebaut, bildeten die ursprünglich 17 «TW 1», wie sie RhB-intern genannt werden, bis zur Ablieferung von sechs neuen Triebwagen Mitte 1960er-Jahre das Rückgrat für den Personen- und den Güterverkehr auf der Berninalinie. Da jedoch der Verkehr erfreulicherweise immer mehr zunahm, konnte die Rhätische Bahn auch noch Jahrzehnte später nicht gänzlich auf die alten Triebwagen verzichten, obwohl ab 1972 und ab 1988 neun weitere moderne Fahrzeuge den Fuhrpark ergänzten. Erst mit der 2009 begonnenen Ablieferung der «Allegra»-Triebzüge wurden die letzten TW 1 definitiv aus dem Alltagsbetrieb verdrängt. Heute werden die zwei einzigen bei der RhB verbliebenen Oldtimer – farblich wieder in den Ursprungszustand zurückversetzt – gelegentlich für Nostalgiefahrten eingesetzt.

Pontresina, an einem strahlend schönen Sommermorgen: Mit einer Taschenlampe in der einen und einem Putzlappen in der anderen Hand kontrolliert Lokführer Enrico Iseppi mit prüfendem Blick die Fahrwerke und Bremsklötze der im Depot abgestellten Triebwagen, öffnet die Deckel der Gleitlager und füllt wo nötig etwas Lageröl nach. Die beiden ABe 4/4 I 30 und 34 – so ihre offizielle Bezeichnung – erhalten heute wiedermal Auslauf: Eine Nostalgiefahrt nach Cavaglia und zurück steht an. «Da die Triebwagen nur noch sporadisch zum Einsatz kommen und daher nicht

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mehr täglich von den Handwerkern im Depot kontrolliert werden, machen wir Lokführer vor jeder Fahrt eine ausgiebige Kontrolle», erklärt Iseppi. Der 33jährige Pontresiner mit Puschlaver Wurzeln ist einer von vier Nostalgielokführern, welche auch heute noch diese alt-ehrwürdigen Triebwagen bedienen. Er sei bereits auf den TW 1 ausgebildet worden, als diese noch im regulären Einsatz standen. «Als ich im Frühling 2009 die Lokführerprüfung absolvierte, wurden die TW 1 noch beinahe täglich eingesetzt, da diese oftmals einspringen mussten, wenn wiedermal

ein anderes Triebfahrzeug den Geist aufgegeben hatte und in die Werkstatt musste. So konnte ich immerhin einen Sommer lang noch Erfahrungen in der Bedienung dieser Oldtimer sammeln. Als dann ein paar Jahre später die Stelle als TW 1-Nostalgielokführer ausgeschrieben war, nutzte ich diese Chance. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Bedienung – verglichen mit den modernen Zügen – einiges mehr vom Lokführer abverlangt: Es gibt keinen Tempomat, man muss die Stromwerte der Fahrmotoren selber stets im Auge behalten und funktioniert unterwegs mal etwas nicht so wie es sollte, dann ist es nicht mit einem «Reset» getan wie bei den neuen, elektronischen Fahrzeugen, nein, da ist handwerkliches Geschick gefragt. Oder eine Fackel, mit der man im Winter unter den Triebwagen kriecht, um irgendwelche eingefrorenen Ventile wieder aufzutauen. Auch das kommt vor», schmunzelt Iseppi. Lokführerprüfung anno dazumal Davon kann auch Mario Costa ein Liedchen singen. Der heute 78jährige Ingenieur und ehemalige Depotchef von Poschiavo hatte während seiner

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ganzen beruflichen Laufbahn immer wieder mit diesen Triebwagen zu tun. Erste Kontakte mit den TW 1 knöpfte der gebürtige Puschlaver zwischen 1956 und 1960 während der Lehre als Maschinenschlosser in der Werkstätte Poschiavo, wo er bei Reparaturen und Revisionen an den TW 1 mithalf. Damals trugen diese noch die Hauptlast

des Verkehrs auf der Berninalinie. Bis zu 70 000 Kilometer legte ein einzelner Triebwagen in jener Zeit pro Jahr zurück. Entsprechend intensiv wurden sie in den Werkstätten Poschiavo und Pontresina gehegt und gepflegt, jeder – vom Meister bis zum Lehrling – musste mithelfen. Nach der Lehre und einem kurzen Abstecher nach Bern absolvierte

Mario Costa – wieder zurück in der Heimat – die Lokführerausbildung. Da wurden die TW 1 dann zu seinem täglichen Brot: «Es waren damals zwar bereits sechs neue Triebwagen – die ABe 4/4 II 41–46 – im Bau, diese wurden aber erst ein halbes Jahr nach meiner Ausbildung abgeliefert. So erlernte ich den Beruf des Lokführers noch ausschliesslich auf den alten Fahrzeugen der Berninabahn, vorwiegend natürlich auf den TW 1.» 40 Tage lang fuhr Mario Costa unter Aufsicht eines erfahrenen Lokführers die Berninastrecke rauf und runter, bevor dann – im Frühsommer 1964 – der Prüfungsexperte aus Landquart nach Poschiavo kam. An den Prüfungstag erinnert sich Mario Costa noch genau: «Der Dienst führte uns von Poschiavo über den Berg nach St. Moritz und nach einer Pause wieder zurück nach Poschiavo. Etwas Nervös, aber dank den 40 Ausbildungstagen auch mit einer gewissen Routine, führte ich unseren Zug – wie damals üblich mit einem TW 1 – über den Berninapass ins Engadin. Alles lief wie am Schnürchen. In St. Moritz angekommen, packte der Prüfungsexperte seine Sachen zusammen, stieg aus dem Triebwagen und sagte mir, er gehe jetzt nach Hause, ich hätte es ja im Griff und könne auch alleine nach Poschiavo zurückfahren – Prüfung bestanden!» «Prüfung bestanden» heisst es auch bei Enrico Iseppi – der Kontrollgang um die beiden Nostalgietriebwagen 30 und 34 brachte keine Mängel zu Tage. Beruhigt klettert der junge Lokführer in den Führerstand. Ein paar geübte Handgriffe an den grossen, lindengrün gestrichenen Schalthebeln, und schon erwachen die

Bereit für eine Reise in die Vergangenheit: Kondukteur Andreas Jenny und Lokführer Enrico Iseppi warten in Pontresina auf die Abfahrtszeit. Sorgfältig restaurierte Fahrzeuge und Personal mit authentische Uniformen sorgen bei der RhB für unvergessliche Nostalgieerlebnisse. Foto: Christoph Benz

Bis Mitte der 1960er Jahre trugen die TW 1 die Hauptlast des Verkehrs auf der Berninalinie. Gerade kreuzen sich zwei Züge im alten Bahnhof von Bernina Häuser (heute Bernina Suot). Im Hintergrund der noch nicht per Seilbahn erschlossene Piz Lagalb. Dieses Bild wurde um 1960 aufgenommen. Foto: Karl Wohlwend

TW 1 als unverzichtbare Retter in der Not: Bis zur Ablieferung der «Allegra»-Triebzüge mussten die Triebwagen der ersten Generation bei Ausfall eines anderen Triebfahrzeuges beinahe täglich einspringen. So wie hier am 23. Mai 2009, als gleich alle fünf noch für den Personenverkehr eingerichteten TW 1 im Einsatz standen: ABe 4/4 I 30+34, 31+32 und sogar der selten eingesetzte ABe 4/4 I 35. Sammlung Christoph Benz

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Der heute 91 jährige Franz Skvor erinnert sich noch gut an seinen Auftrag, den heruntergekommenen Berninabahn-Triebwagen BCFe 4/4 22 zu modernisieren. Foto: Christoph Benz

Typenskizze des 1953 aus dem Triebwagen 22 von 1911 umgebauten Triebwagen 30.

rechts: Dieses vermutlich in den 1920er Jahren entstandene Foto zeigt Triebwagen BCFe 4/4 22 im Ursprungszustand auf Alp Grüm. Sammlung Christoph Benz

beiden Oldtimer zu neuem Leben: Zuerst schnellen die beiden mächtigen Stromabnehmer an die Fahrleitung, es funkt kurz, und dann beginnt ein Apparat nach dem anderen zu rattern und zu surren. Ein Blick auf die Armaturen im Führerstand zeigt, dass alles so funktioniert, wie es sollte: Der Kompressor für die Luftversorgung der Triebwagenbremse, die Vakuumpumpe für die Bremsen der Anhängewagen, der Umformer für die Batterieladung – alles in bester Ordnung. Iseppi löst die Handbremskurbel und schaltet mit dem hölzernen, schon recht abgegriffenen Handrad vorsichtig eine Fahrstufe zu. Ein sanfter Ruck – und das über 100jährige Triebwagenduo setzt sich langsam

in Bewegung. Es sei schon ein besonderes Gefühl, ein dermassen altes Gefährt zu fahren, schwärmt Iseppi, wobei alles an diesen Triebwagen sei schon nicht mehr Original: «Als die einst eigenständige Berninabahn in den 1940er Jahren von der RhB übernommen wurde, hatten diese Triebwagen bereits rund 40 Jahre auf dem Buckel. Selbst wenn sie von den Werkstätten in Poschiavo und Pontresina immer gut im Schuss gehalten wurden, waren sie technisch total veraltet. Da der RhB jedoch das Geld für neue Triebwagen fehlte, blieb nichts anderes übrig, als die alten zu modernisieren. Dabei wurde primär die elektrische Ausrüstung komplett erneuert.»

«TW 1», «Paesanelli» oder «Gemelle» So werden die beiden Triebwagen ABe 4/4 I 30 und 34 vom Personal genannt. «TW 1» ist die Kurzform von «Triebwagen der ersten Generation» und hat sich ab Mitte der 1960er Jahre eingebürgert, als die «TW 2» – die zweite Triebwagengeneration – abgeliefert wurde. 1986/87 wurden die Triebwagen 30, 31, 32 und 34 in der Werkstatt Poschiavo mit einer Vielfachsteuerung ausgerüstet. Damit konnte auf einen zweiten Lokführer verzichtet werden, wenn aus Lastgründen ein Zug von zwei Triebwagen gezogen werden musste. In der Regel wurde Triebwagen 30 mit 34 und 31 mit 32 gekuppelt. Die so gebildeten Pärchen erhielten vom Personal schon bald den Übernamen «Paesanelli», eine Anspielung an zwei altledige und im ganzen Puschlav bekannte Schwestern, welche meist zusammen umherzogen. Ebenfalls bürgerte sich der Spitzname «Gemelle» (Zwillinge) ein, hergeleitet von den damaligen Fernsehikonen Alice und Ellen Kessler, bekannt als «Le gemelle Kessler». Die beiden Frauen – ursprünglich aus Deutschland – lebten viele Jahre in Italien, wo sie sogar für die italienische Ausgabe des Playboy die Hüllen fallen liessen. Wer weiss, möglicherweise hat ein in der Werkstatt aufgehängtes Bild der blonden Schönheiten die Bähnler zu diesem Übernamen inspiriert …

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Ein Facelifting macht Schule Aber nicht nur technisch wurden die Fahrzeuge aufgemotzt, auch äusserlich erhielten sie ein Facelifting, welches sogar RhB-weit Schule machte: Ursprünglich bestanden die Triebwagen – wie damals üblich – aus einem Holzgerippe, an welchem als äussere Verkleidung einzelne Blechelemente angeschraubt waren. Deckleisten sorgten dafür, dass die Fugen zwischen den Blechstücken einigermassen vor eindringendem Wasser geschützt waren. Dauerhaft war dieser Schutz aber nicht: Durch die Vibrationen beim Fahren lösten sich mit der Zeit die Schrauben der Deckleisten, Wasser drang ein und das Holzgerippe begann zu faulen, dadurch drohten die Bleche der Aussenhaut abzufallen. Trotzdem war diese Bauart bis in die 1950er-Jahre üblich bei der RhB. Das störte Franz Skvor. Der junge Techniker trat 1952 als Chef des Technischen Büros in Landquart bei der RhB ein. Einer seiner ersten Aufträge: Modernisierung des Triebwagen 22. Skvor nutzte die Gunst

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Umrahmt von goldenen Lärchen überqueren die beiden Nostalgietriebwagen ABe 4/4 I 30 und 34 den Ova da Roseg bei Pontresina, 16. Oktober 2017. Foto: Christoph Benz

der Stunde: «Ich hatte damals in meinen Unterlagen ein Bild von einem Zugszusammenstoss bei der BLS. Darauf waren total zerstörte Wagen zu sehen, welche ebenfalls aus einem Holzgerippe mit aufgeschraubten Blechen gebaut waren. Mit diesem Bild ging ich zu meinen Vorgesetzten und sagte, schaut euch mal an, was das für eine «Schiitlete» gibt, und in diesem Chaos von zersplittertem Holz und abgefallenen Blechstücken drin hat es Leute! Wollen wir wirklich weiterhin mit dermassen unstabilen Wagen durch die Gegend fahren?» Skvors Lösungsvorschlag: Die am Holzgerippe angeschraubten Blechelemente komplett zu einer nahtlosen Hülle verschweissen, das erhöhe die Stabilität

und schütze zudem das Holzgerippe nachhaltig vor eindringendem Wasser. Sein Chef willigte ein, und so wandte Skvor diese «Verbund-Konstruktion», wie er sie nennt, als Versuch am Berninatriebwagen 22 an, welcher 1953 – neu als Triebwagen 30 bezeichnet – als erstes Fahrzeug der RhB auf diese Art modernisiert wurde. «Die Handwerker in der Werkstätte Landquart, wo der Triebwagen hergerichtet wurde, waren zuerst nicht wirklich begeistert – dies sei doch eine Spinnerei – fanden aber rasch dermassen Gefallen am Verschweissen der Bleche, dass sie nichts anderes mehr wollten. Seither haben wir unzählige alte Fahrzeuge auf diese Weise aufgemöbelt.»

Zurück zu den Wurzeln Die knallgelben Nostalgietriebwagen strahlen mit der Engadiner Sonne um die Wette, als sie von Lokführer Enrico Iseppi vor das Depot Pontresina gefahren werden. Gelb war die Farbe der Berninabahn, dieses Farbkleid trugen sie bis zur Fusion mit der RhB in den 1940ern, erklärt Iseppi, nachdem er die Triebwagen vor dem Depot mit der Luftbremse sanft zum Stehen gebracht hat. «Danach waren sie zuerst grün/crème und ab den 1960er-Jahren rot. Erst vor knapp 20 Jahren kam die Idee auf, einem der acht damals noch vorhandenen TW 1 wieder das ursprüngliche Berninabahn-Design zu verpassen.» Geboren hat diese Idee Mario Costa, zu jener Zeit Depotchef in Poschiavo. Inspiriert hat ihn das 1997 gefeierte Jubiläum «150 Jahre Schweizer Bahnen», an welchem in der ganzen Schweiz wunderschön restaurierte Oldtimer aus allen Epochen gezeigt wurden. Und so klopfte er mit seiner Idee in Landquart

bei den obersten Werkstätte-Chefs an – und erhielt postwendend eine Absage, so etwas käme nicht in Frage. Doch warum? Etwa wegen den Kosten? Nein, erinnert sich Roald Hofmann, welcher damals in der Direktion der RhB sass. Schuld sei ein Kulturproblem gewesen. Die Verantwortlichen in Landquart duldeten keine «Bernina-Sonderzügli» mehr: «Es gab Leute, die störten sich an der etwas anderen Mentalität im Süden, es hiess dazumal auch, die dort unten im Puschlav seien schwierig führbar, hätten ihre eigenen Gesetze, hielten sich nicht an die Vorgaben aus Landquart und täten stattdessen, was sie wollen. Man befürchtete, dass sich so ein Trieb-

Roald Hofmann und Mario Costa (in historischer Wagenführer-Uniform) posieren vor dem vom Club 1889 restaurierten und bestens zu den beiden Triebwagen 30 und 34 passenden BerninabahnWagen C 114, Oktober 2001. Sammlung Mario Costa

Ein farbenfrohes TW 1-Trio sonnte sich am 22. März 2009 vor den Toren des Depots Pontresina: ABe 4/4 I 32, Hilfswagen Xe 4/4 9924 und Nostalgietriebwagen ABe 4/4 I 30. Tempi passati – Triebwagen 32 wurde im Dezember 2009, Hilfswagen 9924 im September 2012 verschrottet. Foto: Christoph Benz

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46 | Die Bündner Kulturbahn

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Die Bündner Kulturbahn | 47 wagen kontraproduktiv auf die Bemühungen, die Berninalinie endlich in die RhB zu integrieren, auswirken könnte.» Die Enttäuschung über den negativen Entscheid war Mario Costa ins Gesicht geschrieben, aber was wollte er anderes tun, als sich damit abzufinden. Kurz darauf bekam die RhB-Direktion in Chur Wind von seiner Idee. Und fand, so ein TW 1 im gelben Berninabahn-Look wäre doch ein hübscher Hingucker, und ausserdem entscheide immer noch die Direktion, wie das Rollmaterial angemalt werde. Damit stand das Signal für Mario Costas Idee plötzlich und überraschend doch noch auf Grün: «Ich fiel aus allen Wolken, als ich eines Tages ein Telefon aus Landquart von meinem Vorgesetzten bekam und er mir zähneknirschend den Auftrag gab, diesen Anstrich jetzt doch zu realisieren», erinnert er sich zurück. Seine Leute von der Werkstätte Poschiavo machten sich daraufhin ans Werk, wobei zuerst der passende gelbe Farbton ausfindig gemacht werden musste. Unterlagen dazu waren keine mehr auffindbar, geschweige denn ein alter Farbtopf mit der Originalfarbe, aber irgendwo in einer Ecke am Triebwagen, gut versteckt unter einem Blech, fanden sie gelbe Farbreste, anhand welcher dann der zu verwendende Farbton definiert wurde. So bekam im Herbst 2000 zuerst der Triebwagen 30 den gelben Nostalgieanstrich, ein gutes Jahr später folgte TW 34, welcher nach einer Entgleisung in der Galleria Lunga zwischen Ospizio Bernina und Alp

Lebenslauf der Nostalgietriebwagen 30 und 34 ABe 4/4 I 30

1911 an die Berninabahn abgeliefert, Anschaffungskosten: 75  000 Franken. Ursprüngliche Bezeichnung BCFe 4/4 22, gelber Berninabahn-Anstrich. 1953 Umbau zu BCe 4/4 30 (Wegfall Gepäckabteil), als erster Triebwagen mit nahtlos geschweisstem Kasten, Anstrich in grün/crème. Ab 1956 (Aufhebung Dreiklassen-System) neue Bezeichnung ABe 4/4 30. Zwischen 1966 und 2000 roter Anstrich, seither wieder Berninabahn-Gelb.

TW 30 im Ursprungszustand als BCFe 4/4 22

ABe 4/4 I 34

Im Mai 1908 an die Berninabahn abgeliefert, Anschaffungskosten: 65 000 Franken. Ursprüngliche Bezeichnung BCe 4/4 4, gelber Berninabahn-Anstrich. 1946 Umbau zu BCe 4/4 34, Anstrich in grün/crème. Ab 1956 neue Bezeichnung ABe 4/4 34. 1962 bekam TW 34 als erster Bernina-Triebwagen den roten Anstrich, gleichzeitig wurde der Kasten analog TW 30 nahtlos verschweisst. 2001 farbliche Rückversetzung in den Ursprungszustand.

Berninabahn-Triebwagen der Serie BCe 4/4 1–14 im Originalzustand Sammlung Christoph Benz

Grüm mit der Tunnelwand kollidierte und deshalb sowieso einen Neuanstrich benötigte. Und in dessen Führerstand treffen wir wieder auf Lokführer Enrico Iseppi, mittlerweile in standesgemässer Wagenführer-Uniform und steifem Hut. Die Gäste sind zugestiegen, das Signal zeigt Freie Fahrt, der Kondukteur – ebenfalls in historischer Uniform – gibt

mit einem schrillen Pfiff den Abfahrtsbefehl, und Iseppi setzt den Nostalgiezug im Blitzlicht zahlreicher auf dem Perron versammelter Fotografen in Bewegung. «Wenn ich für jedes Foto von meinem Zug einen Fünfliber kriegen würde, dann müsste ich bald nicht mehr hier im Führerstand stehen», witzelt der Lokführer, «aber für das fahre ich dann doch viel zu gerne!» Nächster Halt Alp Grüm: Soeben ist Lokführer Enrico Iseppi mit seinem Nostalgiezug «auf der Alp» angekommen. Nach dem obligaten Kaffee im Buffet geht’s weiter, hinab nach Cavaglia. Fast könnte dieses Bild vor 80 oder 90 Jahren entstanden sein, wäre da nicht der stark geschwundene Palügletscher, welcher den in Nostalgie schwelgenden Betrachter zurück in die Gegenwart katapultiert … Foto: Christoph Benz

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48 | Die Bündner Kulturbahn

Publireportage

Die eigene RhB für zu Hause Zu Beginn der Eisenbahngeschichte war die Gesellschaft noch geprägt von Ängsten den Dampfrössern gegenüber. War bei den Menschen einmal die Angst vor der Eisenbahn abgeklungen, begann ihre Faszination und Begeisterung davon. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die «grosse» Bahn bereits in der Frühzeit nachgebildet wurde. Der Beginn der Modelleisenbahngeschichte geht zurück in das Jahr 1874, als ein englischer Ingenieur ein Ver-

suchsmodell eines gleislosen Dampftriebwagens baute. Allerdings war dieser noch weit weg von der späteren Spielbahn. England gilt als die Wiege der Eisenbahn. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurden dort Modellabbildungen von Eisenbahnzügen gefertigt. Allerdings dienten diese Nachbildungen als Werbemodelle für die Originalfahrzeuge. So erhielt Johann Wolfgang von Goethe 1829 von englischen Freunden ein Mo-

dell der englischen Dampflok «Rocket». Dieses Modell ist übrigens heute in der Dauerausstellung des Goethe-Nationalmuseums ausgestellt. Das erste Kind, das nachweisbar eine Modelleisenbahn besass, war 1859 der kaiserliche Prinz Napoléon Eugène Louis Bonaparte. Später kamen grosse Hersteller von Blechbahnen wie Märklin, Bing, Buco, Fleischmann und viele andere auf, die es heute teilweise noch gibt. So gab es auch früh Nachbildungen von RhB-Roll-

w Nicht nur in natura schön anzuschauen: die «Zwillinge» als

historische Fahrzeuge.

w Mit der RhB im Modell lassen sich wunderschöne Erinnerungen

von den Ferien nach Hause bringen.

w Bekanntes Beispiel einer in HO-Grösse nachgebildeten RhB-Anlage.

w Im verkleinerten Massstab können

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dank gutem Modellangebot eindrückliche Landschaften nachgebildet werden.

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Die Bündner Kulturbahn | 49

material in Blechform, die allerdings teilweise mit viel Fantasie umgesetzt wurden. Die Hauptsache war, die bekannte Alpenbahn irgendwie in die heimischen Stuben zu bringen. Mit der Entwicklung und Verfeinerung der Modelleisenbahn wurden die Abbilder immer realistischer. Allerdings wagten sich die Hersteller erst spät an die schmalspurige Eisenbahn. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass es beispielsweise im Massstab 1:87

normalspurige Nachbildungen des eigentlich schmalspurigen RhB-Rollmaterials gab. Diese wurden allerdings im Selbstbau auf herkömmlichen Fahrwerken gebaut. Einen grossen Stein ins Rollen brachte sicherlich der Hersteller LGB mit seiner Gartenbahn im Massstab 1:22,5, ebenso der Hersteller Bemo Modelleisenbahnen GmbH mit den Nachbildungen im Massstab 1:87. Letzterer brachte 1978 mit der Ge 4/4 I und der EW I die

bekannte Bündner Meterspurbahn in sein Programm, deren umfangreicher Fahrzeugpark in den Folgejahren als Vorlage für zahlreiche Modelle diente. Trotz der grossen Angebotsvielfalt gibt es auch heute noch Lücken in den Produktionspaletten der Modellbahnhersteller. Aus diesem Grund bauen sich immer noch zahlreiche Bahnfans ihre Modelle im Eigenbau. Die Fans der Modelleisenbahn werden seit 1980 von der LOKI begleitet.

w Auch im Massstab 1:45 findet der Modelleisen-

w Der Gartenbahnhersteller LGB führt noch heute

w Sowohl die Modelle der RhB-Fahrzeuge

bahner heute die bekannten RhB-Fahrzeuge.

eine breite Palette an RhB-Fahrzeugen im Sortiment.

als auch ihre Vorbilder werden gerne fotografiert.

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Die Bündner Kulturbahn | 51

FairFotoPass –

besten Dank an alle Inhaber!

Der anfangs 2017 lancierte FairFotoPass stiess bei Fotografen und Filmern auf grosses Echo. Mit dem jährlichen Beitrag von 30 Franken unterstützten die Käufer ein aktuelles Projekt von «historic RhB». Die erzielten Einnahmen im 2017 flossen in das Restaurierungsprojekt «Dampflok Rhätia – G 3/4 Nr. 1». Ende Jahr durfte Christian Meyer, Präsident der Dampffreunde der RhB, in der geschichtsträchtigen RhBRotonde Landquart von Fredy Pfister, Präsident Club 1889, im Namen aller «Fair-Fotografen» einen Check von 3000 Franken für die «Rhätia» aus dem Jahre 1889 in Empfang nehmen.

Der FairFotoPass 2018 ist bereits im Verkauf und der Erlös fliesst dieses Jahr in das Restaurierungsprojekt «Niederbordwagen» aus dem Jahre 1903. Dieses Fahrzeug ist der älteste noch rollfähige Güterwagen und wird durch die «Jugendgruppe Club 1889» (Landquart/ Chur) fachgerecht wieder Instand stellen. Die Historie über dieses Fahrzeug findet der Leser auf Seite 57.

Gekauft werden kann der FairFotoPass unter: www.bahnoldtimer.ch

50 Jahre «Museumsbahn Blonay–Chamby» Am 21. Mai 1966 verkehrte der letzte Zug der «Chemins de fer électriques veveysans» zwischen Blonay und Chamby. Es bestand die Absicht, die gesamte Infrastruktur – Bahnlinie und Depot – aufzuheben und zu renaturieren. Ein paar unentwegte Bahnenthusiasten taten sich zusammen und bereits ein halbes Jahr später konstituiert sich der Verein «Museumsbahn Blonay–Chamby». Im Laufe der vergangenen 50 Jahre ist eine der schönsten Sammlungen von historischen Meterspurfahrzeugen der Schweiz zusammengekommen. Über 70 Fahrzeuge sind in den Hallen von Chaulin ausgestellt. Die Rhätische Bahn pflegt seit Jahrzehnten einen guten Kontakt zur Museumsbahn. Inzwischen fanden fünf Fahrzeuge aus Graubünden bzw. von der RhB in der Westschweiz eine neue Heimat:

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Dampfschneeschleuder Xrotd 9214 (1912) Bernina-Lokomotive Ge 4/4 81 (1916) Bernina-Triebwagen BCe 4/4 35 (1908) Zweiachs-Personenwagen As 2 (1903) Zweiachs-Personenwagen AB 121 (1903)

Die ehemalige Bernina-Lokomotive Ge 4/4 81, die sich seit 1970 in der Westschweiz befindet, wird zurzeit fachgerecht restauriert und soll ihre zweite Jungfernfahrt im September 2018 absolvieren. Zu diesem besonderen Ereignis stattet das «Bernina Krokodil Nr. 182» der Westschweiz einen Blitz-Besuch ab und wird zusammen mit der «81» für ein nicht alltägliches Stelldichein sorgen! Zur Verstärkung der Fahrzeugparade wird auch der «Asnin 161» aus dem Puschlav nach Chaulin überführt. Das «Bernina-Festival» findet an drei Wochenenden im September 2018 statt. Weitere Informationen zu den Anlässen: www.historic-rhb.ch oder www.blonay-chamby.ch. Der Tipp für RhB-Eisenbahnfreunde: Am 14. September 2018 verkehren zwei «RhB-Züge» im Saanenland; ab Montreux und Bulle!

• Das «Bernina-Krokodil 182», wurde anfangs 1928, im Hinblick der ersten Olympischen Winterspiele in St. Moritz bzw. zur Bewältigung des Mehrverkehrs aus dem Süden, in Betrieb genommen. • Die «81» war bei ihrer Inbetriebnahme 1916 die stärkste Meterspur-Elektrolokomotive der Welt. Nach einer nun fast zehn Jahre dauernden Renovationszeit wird die «81» im September 2018 in Chaulin erstmals nach über 50 Jahren wieder vereint mit der «182» dem Bahnpublikum präsentiert! • Der 1911 erbaute «Asnin 161» stand einst als Verstärkungslokomotive für schwere Züge auf den 70 ‰-Rampen der Berninalinie im Einsatz. Mittlerweile hat sie bereits 107 Jahre auf den Achsen und verrichtet noch immer ihren Dienst als Rangierlok in Poschiavo. • Der Triebwagen «35» aus dem Jahre 1949 wird zusammen mit den zwei ehemaligen RhB-Salonwagen ebenfalls von der Partie sein. • Trotz fehlendem Schnee ist auch ein Einsatz des «Bernina-Ungeheuers», der Dampfschneeschleuder BB Nr. 1052 vorgesehen.

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52 | Die Bündner Kulturbahn

Mit Volldampf durch die Zügenschlucht: Die beiden G 4/5-Dampflokomotiven 107 und 108 erreichen auf der Fahrt von Davos nach Filisur in Kürze den Bahnhof von Wiesen. Foto: Koni Zingg

10 Jahre IG Zügen-Landwasser – mehr als ein Bahnverein! Von Gitti Götz Andreas Palmy, Hotelier des «Bellevue» in Wiesen und Koni Zingg, ehemals verantwortlicher Ingenieur der RhB auf der Strecke Davos–Filisur, waren die Gründer der Interessengemeinschaft Zügen-Landwasser (IGZL). Damit konnte man schon absehen, dass die Sichtweise dieses Vereins eine vielfältige sein wird: Die besondere Schönheit der unwegsamen Natur und speziell die spektakuläre Bahnlinie durch die wildromantische Zügenschlucht in ihrer touristischen Entwicklung mitzugestalten und bekannter zu machen. Das war die Motivation, im November 2008 die IGZL zu gründen.

Wenige Monate später erlebte die IGZL, mittlerweile auch Mitglied im Dachverband historic RhB, ein erstes Highlight: Bei der 100-Jahr-Feier der Bahnstrecke Filisur–Davos am 4./5. Juli 2009 mit rund 13’000 Besucherinnen und Besuchern führte der Verein die Festwirtschaft auf dem Bahnhofplatz Wiesen. Von der RhB durfte man ein besonderes Präsent in Empfang nehmen, nämlich eine Infotafel mit den wichtigsten Daten des Wiesener Viadukts und dem Logo der IGZL. Geomatische Nachmessungen hatten kurz vorher ergeben, dass der Wiesener Viadukt mit 88.9 Metern die

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höchste Brücke der Rhätischen Bahn ist. Zudem ist er mit 9950 Kubikmetern die Brücke mit dem grössten Mauerwerksvolumen. Es war die erste Brücke, die der Ingenieur Hans Studer nach den Erkenntnissen der Elastizitätstheorie konzipiert hatte: der Hauptbogen mit 55 Meter Öffnung ist nicht etwa ein Halbkreis, sondern eine Parabel. Diese Form ermöglicht eine schlanke Dimensionierung des Mauerwerkbogens und wirkt dazu noch besonders elegant, wie man am Aussichtspunkt, fünf Minuten vom Bahnhof Wiesen entfernt, bestaunen kann. Aufgrund des grossen Interesses an diesem spektakulären Viadukt bietet die IGZL seit 2010 im Sommer wöchentliche Führungen an. Sie stossen auf reges Interesse bei Gästen und Einheimischen und werden auch von der Destination Davos Klosters (DDK), von Bergün-Filisur Tourismus und Parc Ela beworben. Die Führungen finden von Juni bis Oktober jeden Donnerstag statt, die genauen Termine werden auf der Website veröffentlicht (www.igzl. ch). Im Wartsaal des Bahnhofs Wiesen zeigt eine Ausstellung der IGZL die Geschichte des Baus der Bahnlinie, die damals der Natur geradezu abgetrotzt werden musste. Ein Teil der Ausstellung ist seit 2017 auch auf der IG-

ZL-Website verfügbar. Die Bilder vom Brückenbau mit Hilfe von Holzlehrgerüsten, errichtet vom Trinser Zimmermann Richard Coray, gingen vor über 100 Jahren um die Welt. Die IGZL hat sich aber auch immer dafür interessiert, was links und rechts der Bahnlinie stattfindet. Immer wieder hat sie geführte Wanderungen im schönen Landwassertal angeboten. Am schönsten ist es von Mai bis Anfang Juni, wenn der Gelbe Frauenschuh blüht. Besonders beliebt ist die «Dreibrückenwanderung» mit dem Landwasser-, dem Schmittentobel- und natürlich dem Wiesener Viadukt. 2017 gab es aus aktuellem Anlass eine neue Variante: im Mittelpunkt stand diesmal der Cavjaviadukt zwischen Filisur und Wiesen, der gerade restauriert wurde. Unter der Leitung des RhB-Bauingenieurs Karl Baumann durften IGZL-Mitglieder die Baustelle besichtigen und sogar über den Viadukt balancieren – ein unvergessliches Erlebnis! Das war aber nicht der einzige Höhepunkt im letzten Jahr: Fotografinnen und Fotografen wissen, wie schwierig es ist, ein gelungenes Zugfoto am Bärentritt zu machen. Die Teilnehmenden der Generalversammlung 2017 hatten jedoch die einmalige Gelegenheit, dort ganz in Ruhe (oder wie man in Graubünden sagt: patschifig) ausgiebig zu fotografieren.

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Die Bündner Kulturbahn | 53 Denn mit dem «Fliegenden Rhätier» ABe 4/4 501 ging es nach der GV in Zernez durch die Zügenschlucht heimwärts mit einem spektakulären Halt beim Bärentritt. Da kam so richtig Freude auf!

Ge 4/6 353 mit einem Nostalgiezug bei Davos Frauenkirch anlässlich des 100 JahrJubiläums der Strecke Davos– Filisur im Sommer 2009. Foto: Urs Jossi

Nostalgie nach Fahrplan Im 2018 wird zwischen Filisur und Davos einiges geboten: vom 10. Mai bis zum 28. Oktober werden jeden Tag zwei Zugpaare mit einer historischen Zugskomposition innerhalb des regulären Fahrplans verkehren. Die IGZL, die sich immer wieder für mehr historische Züge auf „ihrer“ Strecke eingesetzt hat, freut sich darüber besonders. Es ist nicht das erste Mal, dass planmässig historische Züge auf dieser Strecke verkehren: Im August 2013 fuhren anlässlich des 125-jährigen Bestehens der RhB von Montag bis Samstag täglich zwei historische Zugpaare. Die IGZL war als Begleitung dabei, damals noch mit 40-minütigem Fotohalt beim Wiesenerviadukt. Auch sonst hat sich die IGZL im Jubiläumsjahr viel vorgenommen: Nachdem leider das beliebte Beizli „Bim Statiönli“ am Bahnhof Wiesen im Vorjahr geschlossen wurde, gibt es erste Überlegungen, ein eigenes Beizli im Bahnhofsgebäude zu betreiben – somit hätten nicht nur die Teilnehmenden an den Viaduktführungen, sondern auch die vielen Wanderer und Biker eine willkommene Rastmöglichkeit. Auch eine neue Broschüre mit historischen Fotos aus der Zügenschlucht ist in Planung. 2018 gibt es ein weiteres Jubiläum: Auch die Aufnahme der Albula- und Berninastrecke ins UNESCO-Welterbe jährt sich zum zehnten Mal. Die Strecke von Filisur bis Wiesen gehört zur Pufferzone des geschützten Welterbegebiets. Ein Besuch der wilden Zügenschlucht und kühn gebauten Bahnstrecke ist zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis! Auf der Website und neu auch auf Facebook sind nebst vielen Fotos aktuelle Informationen für den BahnFreund und Wanderer erhältlich. www.igzl.ch

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Ein Bauzug überquert den Wiesenerviadukt, gezogen von einer Diesellok vom Typ Gmf 4/4. Diese hat die Richt- und Stopfmaschine B 40 UM-1 und die Schotterverdichtund Planiermaschine R 20 RD von der Gleisbaufirma SERSA am Haken. Foto: Koni Zingg

Im Wartesaal vom Bahnhof Wiesen erfahren Interessierte anhand der aufgestellten Infotafeln Wissenswertes zu den Bauwerken der Bahnlinie Davos–Filisur. Foto: Koni Zingg

Baustellenbesuch: Mitgleider der IGZL auf dem Cavjaviadukt, welcher im Sommer 2017 restauriert wurde. Foto: Koni Zingg

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100 Jah RhB-Str Davos – Sonder Ge 4/4 Glaris, J

Foto: Pete


54 | Die Bündner Kulturbahn

Das Herz der Bündner Kulturbahn Von Fredy Pfister (Präsident Club 1889) Wo schlägt eigentlich das Herz der Bündner Kulturbahn? Und was ist «Bündner Kulturbahn» überhaupt? Diese Fragen lassen sich am einfachsten über die vielseitigen Aktivitäten der Mitglieder des Club 1889 beantworten. Der Club versucht, die vielen bestehenden Ideen rund ums rollende Bündner Bahnerbe zu kanalisieren und mitzugestalten. Dazu sucht und findet der Verein starke Partner bei befreundeten Bündner Bahnvereinen, bei der Rhätischen Bahn und bei vielen Wohlgesinnten im In- und Ausland. Das Motto für die Zukunft lautet: Nur zusammen sind wir stark! Sichtbar wurde die Zusammenarbeit im letzten Jahr vor allem auf der Homepage www.bahnoldtimer.ch und bei einem Workshop im «Wagi-Museum» in Schlieren.

Was ist Bündner Bahnkultur? Eigentlich eine einfache Frage: Die Bahnkultur ist alles das, was Menschen selbst gestaltend zum Thema RhB hervorbringen, in welcher Form auch immer. Im vorliegenden Fall tun sie das nicht gegen Bezahlung, sondern in der Freizeit, beseelt von der in jeder Hinsicht einmaligen Bündner Staatsbahn. Nachfolgend wird aufgezählt, was das im Konkreten für den Club 1889 heisst. Die Restauration von Fahrzeugen Unsere Kernkompetenz – wenn man so sagen will – ist die Restauration von Fahrzeugen. Der Club 1889 hat einen bedeutenden Beitrag zum rollenden historischen Erbe der RhB geleistet: Bisher wurden 1 Dampf- und 1 Elektrolokomotive, 4 Personen-, 3 Gepäck- und 4 Güterwagen aus den Jahren 1889 bis 1928 restauriert. Ein weiterer Personenwagen befindet sich zurzeit in Samedan in Aufarbeitung, 1–2 Güterwagen sind noch in Planung. Für diese Arbei-

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ten hat der Club über 2 Millionen Franken an Spendengeldern organisiert und viele Zehntausend Stunden an Fronarbeit geleistet. Die Geschäftsleitung der RhB unterstützt und schätzt diese Tätigkeiten stark. Das Wichtigste ist, dass sie uns zwei Gleise in der Betriebswerkstätte Samedan für die Restaurierungen zur Verfügung stellt. Lokunterhalt Eine Gruppe von RhB-Lokführern aus Samedan, Pontresina und Poschiavo kümmert sich um den Unterhalt unserer Dampflok G 3/4 11 «Heidi» und des Bernina-Krokodils Ge 4/4 182, untergordnet auch anderer historischer Berninabahn-Fahrzeuge. Diese Arbeit verrichten sie mit Sachverstand und in enger Absprache mit der RhB. Die Bündner Bahnfotografie Bahnfotografen und -fotografinnen reisen extra von weit her in unseren Kanton, um die RhB, ob neu oder alt,

in der schönen Landschaft abzulichten; sie sind erstklassige Werbebotschafter. Auch unter den Clubmitgliedern befinden sich solche Bildkünstler. Auf Initiative des Clubs wurde 2017 der FairFotoPass lanciert, welcher von den Partnervereinen mitgetragen wird und den Bahnfotografen eine «Heimat» bieten soll. Die Passinhaber erhalten laufend Informationen zu Einsätzen historischer Züge. Der Passerlös geht an ein Restaurationsprojekt innerhalb von historic RhB. Ein- bis zweimal im Jahr sind spezielle Anlässe für diese fotografierenden Frauen und Männer geplant. www.bahnoldtimer.ch Es war in der Vergangenheit gar nicht einfach, einen Überblick über die auf der RhB durchgeführten historischen Fahrten zu bekommen, geschweige denn herauszufinden, wo die betreffenden Tickets zu erhalten sind. Die historischen Züge werden organisiert von der RhB selber, von historic-RhB-Vereinen sowie weiteren privaten Veranstaltern. Mit der eigens geschaffenen Homepage www.bahnoldtimer.ch betreibt der Club 1889 zusammen mit den Dampffreunden der RhB sowie dem Verein pro Salonwagen RhB eine Online-Plattform, wo der Freund nostalgischer Züge nun beim virtuellen Bahnhof Bonaduz viele nützliche Infos und ein passendes Einstiegsportal findet zu den vielfältigen nostalgischen Reiseerlebnissen im Bündnerland.

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Die RhB-Historiker Die Clubmitglieder interessieren sich nicht nur für die eigenen, restaurierten Fahrzeuge, sie setzen sich mit Herzblut auch für das übrige historische Erbe ein. Bereits in den 1990er Jahren haben sie erste Verzeichnisse des historischen Rollmaterials erstellt (vgl. Seite 11) und waren 2017 an vorderster Front tätig als es auf Anfrage der Geschäftsleitung der RhB darum ging, diese wichtige Liste um Fahrzeuge bis in die 1960er Jahre zu erweitern. Im Kreise der Clubmitglieder finden sich denn auch bekannte Autoren von Fachbüchern. Damit besitzt der Club 1889 eine geballte Ladung an «Expertenwissen». Öffentlichkeitsarbeit Der Club 1889 kämpft seit über 20 Jahren für mehr Aufmerksamkeit – nicht primär für sich selber, sondern für eine öffentliche Kenntnisnahme des bahnhistorischen Schatzes der Rhätischen Bahn. So arbeiten einige Mitglieder seit der Gründung von historic RhB 2003 an der Herausgabe der «Bündner Kulturbahn» mit, nicht nur redaktionell, sondern auch auf der technischen Seite (Layout, Bildbearbeitung). Seit neuestem präsentiert Vereinsmitglied und Journalist Christoph Benz zudem spannende Audiobeiträge zum Thema «Kulturbahn» auf der Clubhomepage. Wie sich gezeigt hat, sind besonders Bahnevents ein gutes Mittel, den Bündnerinnen und Bündnern sowie den Gästen die Faszination des historischen

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RhB-Erbes zu zeigen. Mit dem Grossevent «Bahnoldtimer im Stundentakt» von 2016 ist hierzu dank dem grossen Engagement der Clubmitglieder ein grösserer Wurf gelungen. 2018 wird sich zeigen, ob dies anlässlich des Jubiläums «10 Jahre UNESCO Welterbe RhB» in Zusammenarbeit mit der Bahn im Oberengadin wiederum gelingt.

Alle Infos zum Club 1889

Informationen zum Club, den Mitgliedern, ihrer Arbeit sowie den Fahrzeugen finden Sie unter www.club1889.ch

Das Clubcatering Seit der Club 1889 im Jahr 2001 den Bistrowagen «La Bucunada» eingeweiht hat, betreibt die Familie Vital aus Pontresina das Catering in historischen Zügen. In Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten servieren sie in historischen Wagen – sei's im öffentlichen Dampfzug, sei's für private Charterfahrten – Getränke und einfache Speisen. Auch zahlreiche Events in der RhB-Betriebswerkstätte Samedan konnte das Cateringteam bereits durchführen. Zusammen(arbeit) Mit unseren historic-RhB-Partnern, dem Verein Dampffreunde der RhB sowie dem Verein pro Salonwagen RhB haben wir im Oktober 2016 im «Wagi-Museum» in Schlieren einen Workshop

durchgeführt und dabei intensiv über Schwächen und Stärken vom manchmal komplexen historic-RhB-Vereinsverbund diskutiert. Es zeigte sich, dass die Schwächen nur mit einer starken Zusammenarbeit unter gleichen Partnern überwunden werden können. Als unmittelbares Ergebnis dieser Gespräche wurde anfangs dieses Jahres auch eine «Fahrtenkommission» ins Leben gerufen, in welcher Vertreter der Vereine der RhB in Zukunft Vorschläge für attraktive Reiseangebote mit historischen RhB-Zügen unterbreiten und mit den Bahnverantwortlichen diskutieren werden. Dies geschieht in der Hoffnung, dass vermehrt neue, frische Angebote generiert werden können.

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RhB sei Dank! Für unseren Verein gab es in den letzten 22 Jahren diverse Höhen und Tiefen. Besonders die Unterstützung der aktuellen RhB-Geschäftsleitung sowie ihr grosses Interesse an ihrer eigenen historischen Fahrzeugsammlung und damit nicht zuletzt auch an den drei grossen Bündner Bahnvereinen, die sich dafür einsetzen, motiviert uns enorm. Es stehen damit für uns und unsere Partnervereine alle Signale auf Grün. Setzen wir unseren grossen Nostalgiezug in Bewegung, nehmen wir viele Fans der «Bündner Bahnkultur» mit und lassen wir das Kulturbahnherz höher schlagen. Bündner Bahnkultur ist letztlich ein ganz besonderes Gefühl; alle können einsteigen und mitfahren!

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Der zuletzt als P 10059 bezeichnete, frühere M 7070 von 1903 auf seinem langjährigen Abstellplatz im Bahnhof Bever. Foto: Armin Brüngger

Erstes Club-1889-Jugendprojekt von Gitti Götz Manchmal passt alles zusammen: Über die sozialen Medien und dank beherzten Recherchen konnte ein verloren geglaubter historischer Güterwagen gefunden und vor der Verschrottung gerettet werden. Jüngere Mitglieder vom Club 1889 warten schon länger auf ein Restaurationsprojekt und die ältere Clubmitglieder freuen sich über jüngere, die sich handwerklich engagieren wollen: Die Geburtsstunde des ersten Club-1889-Jugendprojekts?

Zum historischen rollenden Erbe der RhB gehören auch einsatzfähige Güterwagen. Diese Tatsache ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt, macht aber die besondere Qualität der Sammlung historischer Bündner Eisenbahnfahrzeuge aus. Einer davon, der «Niederbordwagen» M 7070 – seit über 110 Jahren im Einsatz – war im November 2017 plötzlich spurlos von den RhB-Gleisen verschwunden. Der Wagen steht auf der Liste der erhaltenswerten Fahrzeuge (vgl. Seite 11). Er war im Jahr 1903 in der Waggonfabrik Nürnberg gebaut worden und ist der letzte, weitgehend original vorhandene Standardgüterwagen seiner Zeit mit klappbaren Seitenwänden aus Stahlblech. Die RhB besass um 1900 über 100 standardisierte Güterwagen zum Transport unterschiedlichen Frachtguts. Im Jahr 2000 wurde der «Niederbordwagen» von der RhB an die private Gleisbaufirma Müller Gleisbau AG verkauft

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und war nach weiterem Handwechsel zuletzt am Bahnhof Bever abgestellt. Nach dem Verschwinden des Wagens wurden einige Mitglieder des Club 1889 nervös und starteten eine Suchaktion über Facebook und über das «Buschtelefon» (also von Mund zu Mund): Wo ist der Wagen hingeraten und was ist mit ihm geplant? Zum Glück wurde er wenige Tage später gefunden, und zwar auf dem Lagerplatz der Bauunternehmung Lazzarini in Chur. Koni Zingg, pensionierter Bauingenieur der RhB, fand heraus, dass der Niederbordwagen zuletzt von der ARGE Magnacun für die Sanierung des gleichnamigen Tunnels verwendet worden war. Von der historischen Bedeutung des Wagens hatte das an der ARGE beteiligte und für den Wagen verantwortliche Bauunternehmen Lazzarini aber keine Kenntnis. Der Abbruch, der firmenintern bereits beschlossene Sache war, wurde auf Intervention von Koni Zingg vorläufig wohlwollend ausgesetzt. Da-

mit ist der Erhalt des «Niederbordwagens» aus der Zeit der Eröffnung der Albulabahn in letzter Minute gesichert worden. Daraufhin begutachtete Gion Caprez, unser Fachmann für historisches RhB-Rollmaterial, den Zustand des Wagens auf dem Werkgelände der Firma Lazzarini. Der M 7070 ist dank der robusten Konstruktion auch nach mehr als 100 Jahren verhältnismässig gut im Schuss. Neben der Revision von Federn, Laufwerk und der Bremsanlage ist der Ersatz der Holzteile und eine Aufarbeitung der Metallteile notwendig.

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Ein ideales Jugendprojekt Die meisten der anfallenden Arbeiten können durch Freiwilligenarbeit bewerkstelligt werden. Spontan haben sich eine Handvoll jüngere Mitglieder vom Club 1889 gemeldet und grosses Interesse an der Aufarbeitung bekundet. Da die meisten der erfahrenen Aktivmitglieder das Pensionsalter erreicht oder überschritten waren, zeigten diese grosses Interesse am Mitwirken der Jüngeren bei diesem idealen «Übungsobjekt». Auf jeden Fall darf man gespannt sein, wie die Zusammenarbeit funktioniert und wie sich die jüngeren behaupten. Als Startkapital sollen die Einnahmen der FairFotografen von 2018 verwendet werden.

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Fotos: Tibert Keller

Das Bahnmuseum Albula in Bergün Von Roman Sommer Das Bahnmuseum Albula in Bergün führt Bahnliebhaber und Familien durch die Bahngeschichte Graubündens. Alte Bahnutensilien, Filme und Modelle begeistern die Besucher. Im Simulator in der legendären Krokodillokomotive führen Besucher die Lokomotive selbst über die Albulalinie. 600 Austellungsobjekte aus mehr als 100 Jahren Bahngeschichte zeugen von Pioniertaten in Graubünden, von den Menschen, die die Bahn prägten – und Landschaften, die von ihr geprägt wurden.

Faszination Bahn Der Zauber der Eisenbahn - worin liegt er? Im silbernen Netz von Schienen und Weichen, im dynamischen Räderwerk einer Dampflokomotive, in der Elektronik moderner Signalanlagen oder in der Ingenieurkunst und Architektur? In den waghalsigen Kunstbauten oder vielleicht doch eher in der Harmonie, mit der sich die Eisenbahn in die Landschaft einzufügen vermag? Die Rhätische Bahn und die Albulalinie im Speziellen – sie verzaubern. Das Bahnmuseum Albula kommt diesem Zauber auf die Schliche. Das Bahnmuseum Albula in Bergün liegt an der Bahnstrecke nach St. Moritz und ist dank ganzjährigem Betrieb der Rhätischen Bahn leicht erreichbar. Das Bahnmuseum liegt im Herzen Graubündens und wird von hundert-

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tausenden von Bahnreisenden wahrgenommen. Das Museum garantiert jegliche Barrierefreiheit und ist für unterschiedliches Publikum in 4 Sprachen (deutsch, italienisch, englisch und französisch) konzipiert. Die populäre, atmosphärische und niederschwelige Vermittlung eignet sich für jegliche Art von Besuchergruppen. Dauerausstellung Die Dauerausstellung zeigt ein interessantes Spektrum aus der Kultur- und Sozialgeschichte der Rhätischen Bahn. Besucher wandern durch Täler und Tunnels, erfahren Wissenswertes zu den Pioniertaten rund um den Bau der Strecke, lauschen den Erzählungen der ersten RhB-Kondukteurin, vertiefen

sich in die von «Götti Hans» – einem Bankier im St. Moritz der Jahrhundertwende – überlieferten Bericht über die Ausschweifungen der Kurgäste während der Belle Epoque, lauschen den Erinnerungen eines Lehrers aus Chur an seine Kindheit in einer Bahnstation der 1950er bis 1970er Jahre, oder nehmen Teil an einem Gespräch zwischen einem pensionierten Lokomotivkonstrukteur und einem aktiven Lokführer der RhB. Anhand multimedial gestalteter Räume und originaler Exponate werden sowohl historische und aktuelle Aspekte der spektakulärsten aller Schweizer Bahnstrecken vermittelt. Mittels eines Topografie-Simulators wird die Geschichte der Albula-Strecke erläutert. Dieser besteht einerseits aus einem Topografiemodell im Massstab 1:2000, das die landschaftliche Situation darstellt, andererseits wird anhand historischen Bildmaterials, Texten und 3D-Animationen die Planung und der Bau der UNESCO Streckenführung ausführlich erläutert. Gebaut von Menschen für Menschen Verschiedene herausragende Persönlichkeiten prägten Projektierung und Gründung der Bahngesellschaften in Graubünden, die Planung und den Bau der Strecken sowie den Betrieb und die Instandhaltung der Bahnen, was schliesslich zur Würdigung der Albulaund Berninabahn als UNESCO-Weltkulturerbe führte. Die Geschichte ist eng

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verbunden mit dem Wirken von Politikern und Ingenieuren, Tunnelarbeitern und Depothandwerkern, Menschen wie zum Beispiel dem Zugführer Augustin, der im Bahnmuseum zu Wort kommt. Das Bahnmuseum Albula sammelt persönliche Geschichten, gefunden in Archiven und Zeitzeugenberichten, in historischen Filmfragmenten und Fotografien, in Radioreportagen und Zeitungsartikeln. Erst durch diese Aufzeichnungen beginnen die Objekte in der Sammlung von technischem Gut der Rhätischen Bahn zu sprechen. Dabeisein und mitmachen Der Besucher wird eingeladen, mitzudenken und anzupacken, sei es an geopolitischen Diskussionen und Entscheidungsprozessen zur Streckenführung am eigens für das Bahnmuseum entwickeltem Topografie-Simulator, oder beim Versuch, am Bremssimulator seine Geschicklichkeit beim punktgenauen Halten eines Zuges mittels einer Vakuumbremse zu testen. Weitere digitale und analoge Interaktionsmöglichkeiten begleiten Jung und Alt durch die Geschichte der Rhätischen Bahn. Clà Ferrovia Kindertour Den jungen Besuchern des Bahnmuseums Albula werden auf einem speziell für sie gestalteten Weg durch die Ausstellung Informationen und Erlebnisse vermittelt. Die Kinder erhalten ein Pixibuch mit einer Mehrfahrtenkarte; über die Ausstellung verteilte mechanische Ticketentwerter dienen als Wegweiser. An jeder dieser Stationen können kinder-

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gerechte Informationen abgerufen oder interaktive Aufgaben gelöst werden – am Viaduktmodell üben Nachwuchs-Baumeister die Konstruktion eines Lehrgerüstes und im Büro der Staziun versuchen sich junge Stationsvorsteher im Umgang mit Kunden und Angestellten. Am Schluss erhalten die jungen Entdecker eine kleine Belohnung. Attraktionen im Bahnmuseum Ein Highlight des Museums steht vor dem Museum: die «Krokodil-Lokomotive» mit der Betriebsnummer RhB Ge 6/6 I 407. Nach über 50 Jahren im Dienst und drei Jahrzehnten als Denkmal wurde die «Krokodil-Lokomotive» wieder zum Leben erweckt und mit einem Fahrsimulator ausgestattet. Besucher können nun im Führerstand die Lokomotive mittels originaler Schalter und Hebel virtuell durch das Albulatal steuern. Modellbahn-Werkstatt Die aussergewöhnlich detailliert ausgeführte Modellanlage von Bernhard Tarnutzer in Spur Om (Massstab 1:45) zeigt Gebäude, Viadukte und Tunnels im authentischen Zustand der 1950er und 1960er Jahre. Die Modellanlage von Bernhard Tarnutzer ist als Werkstatt konzipiert. Er ist regelmässig vor Ort anzutreffen und gibt gerne Auskunft über den Bau und die Gestaltung der Anlage. Kulturvermittlung Mit unterschiedlichen Führungen, Veranstaltungen und Workshops werden verschiedene Besuchergruppen ange-

sprochen. So zum Beispiel Kinder, Jugendliche, Kulturinterssierte, Technikfreaks oder Besucher, die in der Region Ferien verbringen. Eine wichtige Rolle spielt die Vermittlung bei Schulklassen. Dazu ist ein Kulturvermittlungsprogramm im Einsatz und wird laufend erweitert.

Bahnmuseum Albula in Bergün

Öffnungszeiten Bahnmuseum Dienstag bis Freitag und Sonntag von 10.00 bis 17.00 Uhr Samstag von 10.00 bis 18.00 Uhr Montag geschlossen Betriebsferien des Museums: Vom 19. November bis 13. Dezember 2018.

Öffnungszeiten Büfèt und Shop Dienstag bis Freitag und Sonntag von 09.30 bis 17.30 Uhr Samstag von 09.30 bis 18.30 Uhr Montag geschlossen

Kontakt Bahnmuseum Albula Plazi 2A 7482 Bergün / Bravuogn Telefon +41 (0)81 420 00 06 contact@bahnmuseum-albula.ch

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Freunde der Schmalspurbahnen – Highlights des Clubjahrs 2017 Von Michael Marugg Wie üblich starteten die Mitglieder der Thusner Schmalspurfreunde das Clubjahr mit der ordentlichen Generalversammlung Anfangs März 2017. Neben dem statutarischen Teil wurde dabei auch das Kameradschaftliche gepflegt.

Da wird zusammengesessen und gefachsimpelt, sei es über die neuste Entwicklung der Digitaltechnik, übers Fotografieren oder über angekündigte Modelleisenbahnneuheiten. Bei uns findet jeder Gesprächs- und Diskussionsstoff. Genau dies, so ist der Präsident Peter Schumacher überzeugt, darf und soll im Verein nicht zu kurz kommen. Ein lebhafter, fachlicher und auch mal kritischer Austausch belebt die Szene und schweisst zusammen. So können nicht nur gestandene Mitglieder für ein aktives Vereinsleben motiviert werden, nein, es sollen auch junge Modelleisenbähnler für dieses spannende und vielseitige Hobby gewonnen werden. Ein attraktives und aktives Vereinsleben, eine gute Gesprächskultur und die Zusammenarbeit mit anderen Clubs sind deshalb unser Credo. Und so erlebten wir auch im 2017 wieder einige Highlights. Highlight Nr. 1: Saftiges Grün entsteht Der Blick aus dem Fenster des Thusner Schulhauses könnte gegensätzlicher kaum sein: Noch bedeckt eine dicke Schneedecke die Gipfel der Stätzerhornkette und der schneebedeckte Piz Beverin leuchtet in der Frühlingssonne, während es unten im Tal bereits kräftig grünt. Derweil haben sich eine Handvoll motivierter Modellbauer in den Werkräumen der Schule zu einem zweitägigen Work-

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shop versammelt. An der diesjährigen GV wurde nämlich beschlossen, nebst Aktivitäten rund um die richtige Eisenbahn wieder vermehrt dem gemeinsamen Hobby Modelleisenbahn zu frönen. Dabei geht es primär um den Bau und Unterhalt der vereinseigenen Module. Das sind gestaltete Segmente, welche nach einer Norm gebaut werden, um mit anderen Modulen zu einer Anlage zusammengebaut zu werden. Diese Module müssen viel ertragen. Der Transport zu den Clubausstellungen, der Auf- und Abbau, aber auch die gelegentlich unerlaubt greifenden Fingerspitzen von Gross und Klein hinterlassen Spuren. Diese gilt es immer wieder auszubessern. Unter fachkundiger Begleitung konnten an jenem Frühlingstag im 2017 einige Tipps erlernt und neue Methoden über die Begrünung der Wiesen, Gestaltung von Gewässern und sonstigen Details in der Gestaltung einer Modellbahnlandschaft erlernt werden. Das gefärbte Sägemehl von damals musste längst realistisch wirkenden künstlichen Grasfasern den Platz räumen. Oft unterscheiden sich die liebevoll gestalteten Landschaftsmodule in 1:87 kaum mehr von der Realität. Dies ist einerseits dem Können der Modellbauer, andererseits aber auch den immer besseren und vorbildgetreueren Baumaterialen zu verdanken. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Nach dem zweitätigen Workshop

leuchteten die Module der Thusner Modellbauer wieder im saftigen Grün. Highlight Nr. 2: Auf Spurensuche im «Zigerschlitz» Kennen Sie den «Zigerschlitz»? Er liegt auf dem Weg zwischen Zürich und Graubünden. Mit letzterem hat er sogar eine gemeinsame Kantonsgrenze. Man kennt Persönlichkeiten und ein UNESCO-Welterbe von ihm und manch ein Schweizer Soldat absolvierte auf seinem Panzerschiessplatz seine Diensttage. National wird im Frühling und Herbst über ihn berichtet, wenn die Sonne durch das Martinsloch auf die Kirche scheint. Haben Sie erraten, von welchem Kanton hier die Rede ist? Genau – Glarus, im Volksmund auch «Zigerschlitz» genannt (wegen des weltweit bekannten Schabzigers, ein Kräuterkäse aus dem Glarnerland). Unser Verein hat aber nicht etwa wegen des Schabzigers den Weg ins Glarnerland unter die Räder genommen. Vielmehr machten wir uns auf Spurensuche nach der Sernftalbahn, eine kleine Überlandbahn, welche Schwanden mit Elm

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Die Bündner Kulturbahn | 61 verband. Die rund 14 Kilometer lange Meterspurstrecke wurde 1905 eröffnet und 1969 stillgelegt. Der aufstrebende Individualverkehr, die laufend in Betrieb genommen Autobahnen und die immer besser motorisierten Lastwagen versetzten Lokalbahnen wie die Sernftalbahn in aussichtslose Konkurrenzsituationen. Kam dazu, dass sich im Sernftal Bahn und Strasse das Trassee teilten. Da der Verkehr auf der Strasse immer mehr zunahm, wurde die in der Strasse verlaufende Überlandbahn immer mehr zu einem Verkehrshindernis. Wie so viele vor über 100 Jahren gebaute Eisenbahnen trug auch die Sernftalbahn nach ihrer Eröffnung zur wirtschaftlichen Entwicklung des Tales bei. So lieferte sie den Textilbetrieben das Rohmaterial, holte deren Endprodukte ab, bediente Steinbrüche, brachte Touristen nach Elm und transportierte die Pendler täglich ins Tal und abends wieder zurück. Am ersten Sonntag im Mai reisten jeweils so viele Leute per Bahn zur Glarner Landsgemeinde, dass Viehwagen behelfsmässig mit Sitzgelegenheiten ausgerüstet wurden. Und trotzdem: Die jährlich beförderten Tonnagen und die tiefe Passagierfrequenz reichten für einen Weiterbetrieb nicht, so dass die Strecke letztendlich auf Busbetrieb umgestellt wurde. Zurück in die Gegenwart: Seit über zehn Jahren engagiert sich der Verein Sernftalbahn in Engi für die Erhaltung einstiger Zeitzeugen der Bahn. So renovierte eine Arbeitsgruppe den dortigen Güterschuppen und unterhält das ehemalige Stationsbüro von Engi-Vorderdorf. Darin betreibt der Verein ein kleines Museum. Auf Holzbänken der früheren Triebwagen kann unter anderem einem flimmernden schwarz/weiss Film die Aufmerksamkeit geschenkt werden. Oder sich beim Studium der Infotafeln und den aufgearbeiteten Bahnutensilien wie Uniformen, Stationstafeln, Lampen, Billettkästen oder der eindrücklichen Güterwaage in die Goldenen Jahre der Sernftalbahn zurück versetzen

lassen. Das Highlight der Ausstellung findet sich jedoch vor dem Museum: Zwei Originaltriebwagen der einstigen Sernftalbahn – Triebwagen BDe 4/4 5 und 6. Diese gelangten nach der Stilllegung zuerst in die Westschweiz und anschliessend nach Österreich zur Attergaubahn, wo sie bis vor kurzem noch im täglichen Einsatz standen. Dank des Engagements des Vereins und zahlungskräftigen Sponsoren konnten diese beiden Zeitzeugen vor der drohenden Verschrottung gerettet und zurück in ihre alte Heimat gebracht werden.

Interessantes zur Braunwaldbahn Man kann es nicht leugnen: Auf den ersten Blick ist der Glarner öV am einheitlichen Erscheinungsbild sofort erkennbar. So tragen Bus- und Bahnunternehmen alle dasselbe Corporate Design. Als Erinnerung an die Sernftalbahn verkehrt jedoch ein Glarnerbus im rot-gelben Farbkleid der Bahn. Dieser Bus brachte uns nach unserer Spurensuche zurück nach Schwanden, wo wir die S-Bahn nach Linthal bestiegen. Von dort aus ging es dann per Standseilbahn hinauf nach Braunwald. Nach dem Mittagessen im autofreien Braunwald konnten wir einen Blick hinter die Kulisse der über 100jährigen Braunwaldbahn werfen. Von kompetenten Mitarbeitern erfuhren wir, wie die Anfahr- und Bremskraft geregelt wird oder wie das Notbremssystem funktioniert. Aber auch, dass das dicke Stahlseil stark auf Temperaturunterschiede reagiert und entsprechende Beobachtung braucht. Die Geschwindigkeit der Braunwaldbahn betrage laut unseren Referen-

ten rund 6 Meter pro Sekunde. Moderne Kabinen aus schweizerischer Produktion befördern die Fahrgäste in etwas mehr als fünf Minuten von Linthal hinauf nach Braunwald.

Highlight Nr. 3: Dorffest Thusis Am 25. und 26. August 2017 war es wieder so weit: Wir feierten zusammen unter dem Motto «Mitanand - Füranand» das traditionelle Thusner Dorffest. Im Restaurant zur Alten Brauerei präsentierten wir einer grossen und breiten Öffentlichkeit unsere Vereinsarbeit. Dazu haben wir unsere Module zu einer grossen Anlage zusammengebaut. Neben dem Bahnhof Versam war auch ein Teil der Rheinschlucht “en miniature“ ausgestellt. Dabei legten wir viel Wert auf vorbildgerechten Betrieb auf unserer Modelleisenbahnanlage. Das heisst, wir liessen nur Züge fahren, welche auch in der Realität in der Rheinschlucht anzutreffen sind. Die zahlreichen und begeisterten Reaktionen des Publikums bestätigten uns: Das ist uns an diesem Anlass bestens gelungen!

Freunde der Schmalspurbahnen

Wer sind wir?

Der Verein Freunde der Schmalspurbahnen wurde 1988 gegründet und pflegt und unterstützt den Modellbau zum Thema RhB. Vermittelt werden Kenntnisse durch Baukurse, durch Erfahrungsaustausch und durch Exkursionen zum grossen Vorbild in der ganzen Schweiz und nahem Ausland. www.schmalspur.ch

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Die «Stationshalterin» von Bonaduz, Carmen Gredig, am Billett-Schalter.

Wir sind auch ein Bahnhof Von Christian Meyer Seit 2004 führt und betreibt der Verein Dampffreunde der RhB den Bahnhof Bonaduz. Mit der vereinseigenen Geschäftsstelle bieten wir unseren Kunden eine professionelle Infound Verkaufsstelle. In diesen 14 Jahren hat sich der Bahnhof im Dorf etabliert und steht inzwischen finanziell auf sehr guten Füssen.

Der Bahnhof Bonaduz ist seit seiner Inbetriebnahme 2004 stets das grösste Thema innerhalb unseres Vereins. Der Betrieb der Verkaufsstelle im Stationshaltermodell mit zwei versierten Teilzeitangestellten (ehemalige RhB-Mitarbeiterinnen) bedeutet jedes Jahr einen nicht zu unterschätzenden Kraftakt. Leider wurde in der Vergangenheit insbesondere auch durch den Dachverband historic RhB und die Partnervereine viel zu wenig wahrgenommen und geschätzt, was eine zentrale, personell besetzte Buchungsstelle für enorme Vorteile im «Bündner Nostalgiemarkt» bringen kann; das geht weit über die Funktion des Bahnhofs als Zentrum und Anlaufstelle unseres Vereins hinaus. Es herrschte in den Partnervereinen in Bezug auf den Bahnhof vor allem die

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Befürchtung, dass sich unser Verein mit dem Bahnhof finanziell übernehmen könnte; entsprechend hielten sie sich zurück. Tatsächlich hat es der Bahnhof Bonaduz aber nach längerer Durstrecke geschafft, sich einen soliden Kundenstamm aufzubauen und sich finanziell zu festigen. Der virtuelle Bahnschalter Heute spielt der «Onlinemarkt» zwar eine immer wichtigere Rolle, trotzdem wird die persönliche Beratung immer noch sehr geschätzt (wenn nicht sogar mehr als früher). Einen Bahnhof, als Anlaufstelle für Ticketfragen aller Art zu haben, zeichnet uns als Verein aus. Der Dachverband historic RhB war nie direkt in die Frage über die Übernahme involviert. So war der Bahnhof von Anfang an ein Vereinsthema. Nichts desto trotz gab es innerhalb des Dachverbands kritische Stimmen. Dass der Bahnhof Bonaduz innerhalb der Organisation nie einen Rückhalt fand, mag viele Gründe haben. Im Zuge eines vereinsübergreifenden Workshops, durch Gespräche mit Schweizer Eisenbahnvereinen sowie einem ausländischen Reiseveranstalter wurde allgemein erkannt, dass ein «Kompetenzzentrum Nostalgiereisen

Graubünden» uns allen nur Vorteile bringen kann. Deshalb wurde in einem ersten Schritt auf der Webseite www. bahnoldtimer.ch der virtuelle Bahnhof Bonaduz eingerichtet, welcher die Angebote auch anderer historic-RhB-Vereine fokussiert darstellt und trotz insgesamt komplizierter, teilweise verzettelter Verkaufs- und Vertriebskanäle einfache Buchungsmöglichkeiten bietet. So besitzt der Verein Dampffreunde der RhB neben dem traditionellen Schaltergeschäft in Bonaduz nun auch eine Verkaufsplattform, welche weltweit eingesehen werden kann. Die Zukunft wird nun weisen, inwiefern das online-Angebot ausgebaut und professionalisiert werden kann und welche «Player» mitmachen wollen. Das wichtigste Argument, Billette beim Bahnhof Bonaduz zu kaufen bzw. zu buchen, war und wird hoffentlich vermehrt sein: Mit jedem gekauften Ticket werden die historischen Fahrzeuge der RhB finanziell unterstützt; eine runde Sache! Wir sind stolz, online-Angebote der Vereine und traditionelles Schaltergeschäft auf optimale Art und Weise mit unserer althergebrachten Geschäftstelle im «virtuellen Bahnhof» unseren Kunden zur Verfügung zu stellen.

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Interview mit unserer «Stationshalterin» Carmen Gredig Der Bahnhof Bonaduz wird durch Carmen Gredig sehr persönlich und mit Liebe zum Detail geführt. Gerne möchten wir unsere Leiterin der Geschäftsstelle vorstellen. Nebst Carmen Gredig arbeitet auch Denise Salutt als Ferienablöserin am Bahnhof Bonaduz. Obwohl beide nicht Vereinsmitglieder sind, fühlen sie sich sehr mit dem Verein verbunden und engagieren sich auch in der Freizeit für den Verein. Wir haben uns mit Carmen Gredig unterhalten: Wie habt ihr die Zeit der Übernahme von Bonaduz durch den Verein Dampffreunde der RhB erlebt? Carmen: Die Entscheidung des Dampfvereins, ein Kundendienstzentrum zu führen, betrachte ich als optimal. Dadurch, dass ich bereits vorher beim Bahnhof Bonaduz einige Ablösungen gemacht habe, kannte ich mich ein bisschen aus. Die Übergabe an mich verlief recht kurzfristig und spontan. Wie erlebst du die Arbeit in Bonaduz? Du und Denise sind ja bei einem Verein angestellt, was nicht alltäglich ist. Carmen: Die Arbeit am Bahnhof ist sehr vielseitig und macht Spass. Da wir bei einem Verein angestellt sind, der verschiedene und manchmal auch neu gewählte Vorstandsmitglieder hat, bleiben wir flexibel und offen für Neues. Die Zusammenarbeit mit dem Vorstand ist sehr angenehm und unkompliziert. Wie erlebst du die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen innerhalb historic RhB? Carmen: Ich denke es besteht noch viel Potential und Möglichkeiten, diese Zusammenarbeit zu vertiefen. Dies ist jetzt auf gutem Weg und wir spüren auch die gute Stimmung unter den Vereinen. So sollte es sein und als Einheit haben wir viel mehr Möglichkeiten.

Was sind aus deiner Sicht die Stärken des Bahnhofs Bonaduz für unsere Kunden? Was ist besser als an einem anderen Bahnhof? Carmen: Die Kunden und Dorfbewohner schätzen den persönlichen Kontakt zu uns. Wir sind gelernte RhB-Disponenten mit jahrelanger Erfahrung und dies spüren und schätzen unsere Kunden sehr. Durch unser modernes Verkaufsgerät können wir nationale und internationale Billette und Reservationen ganz einfach ausstellen. Da wir im Dorf wohnen und uns aktiv am Dorfleben beteiligen, werden wir gerne als Anlaufstelle für alle Bahnfragen genutzt. In Zukunft bahnen sich grosser Veränderungen in Bonaduz an. Es werden vermehrt «RhB- Externe» Aufträge akquiriert. Wo siehst du die Stärken für die Kundschaft? Carmen: Unsere Stärke ist unser Fachwissen im Bereich historische Wagen und Züge. Nostalgische Züge werden immer gerne gebucht und dieses unvergessliche Erlebnis schätzen Vereine, Firmen und auch Privatpersonen. Da wir kurze Wege zu den Verantwortlichen der RhB, des Vereins und zu den Partnerorganisationen haben, können wir sehr schnell und flexibel auf kleine und grosse Problemstellungen und Fragen reagieren. Wie siehst du die Zukunft in Bonaduz? Carmen: Es wird sicher nicht einfacher, aber ich denke, dass wir bis jetzt gute Arbeit am Bahnhof sowie im Verein geleistet haben und wenn wir gemeinsam in eine Richtung gehen, erreichen wir sehr viel. Wir (Denise und ich) freuen uns auf weitere erfolgreiche, abwechslungsreiche und interessante Jahre am Bahnhof Bonaduz und im Verein Dampffreunde der RhB.

Haben Sie Interesse an einer Vereinsmitgliedschaft? Dann melden Sie sich ganz einfach beim Kundendienstzentrum: Verein Dampffreunde der RhB Bahnhofstrasse 1 CH-7402 Bonaduz Telefon: +41 (0)81 641 11 78 Handy: +41 (0)79 610 46 72 kundendienst@dampfvereinrhb.ch Informationen (auch das aktuelle Nostalgieprogramm der RhB) unter: www.dampfvereinrhb.ch

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Überholung in Trun: Der Dampfzug mit Lok 107 fährt am Dampfzug mit Lok 11 «Heidi» vorbei. Foto: Georg Trüb

Vorwärts in die Vergangenheit oder zurück in die Zukunft? Von Christian Meyer Letztes Jahr feierte der Verein Dampffreunde der RhB (Dampfverein RhB) sein 40 jähriges Geburtstagsfest. Viele Höhepunkte und eine grosse Überraschung prägten das Vereinsjahr. Neben dem Feiern wurden aber auch bedeutende Weichen für die Zukunft des Vereins gestellt.

die Teilnehmer. Ziel des Vereins war, während drei Tagen Bahngenuss auf höchstem Niveau zu bieten und die Gäste für das Rollmaterial und die Geschichte der Bündner Staatsbahn zu begeistern. Der Erlös der Fahrt wurde zu 100% dem laufenden Projekt «G 3/4 1 Rhätia» zugeführt. Petrus meinte es gut mit uns und die Organisatoren durften eine illustre Rei-

segesellschaft in Landquart begrüssen. Ein abwechslungsreiches Programm erwartete die Teilnehmer. Am Samstag konnte eine weitere Gruppe im zweiten Dampfzug willkommen geheissen werden. Höhepunkt war hier die Parallelfahrt der zwei Dampfzüge inmitten einer imposanten Kulisse. Mit einem Rundgang in der Hauptwerkstätte der RhB wurde das reichhaltige Dreita-

Vorwärts in die Vergangenheit Die Jubiläumsfeierlichkeiten zum 40-jährigen Vereinsbestehen waren auf das ganze Jahr verteilt. Angefangen mit der 40. ordentlichen Generalversammlung vom 25. März 2017 in Ilanz, über den Höhepunkt, der 3-Tagesfahrt zwischen dem 15. und 17. September 2017 sowie dem Vereinsworkshop vom 28. Oktober 2017. Der grossartige Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten war die vom Verein organisierte Dreitagesfahrt «40. Jahre Verein Dampffreunde der RhB». Ein vielseitiges Programm erwartete Das Lokpersonal von Dampflok «Heidi»: Heizer Menn Capadrutt und Lokführer Marcel Fischer. Foto: Ludwig Dünbier

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Zum Programm der Dreitagesfahrt gehörte auch diese Fahrzeugaufstellung vor dem Depot Landquart. Foto: Robetus Laan

Für die Gäste sicher eines der grossen Highlights: Die Parallelfahrt der beiden Dampfzüge auf der Doppelspur zwischen Chur und Reichenau-Tamins. Foto: Michaela Rapp

Der frisch restaurierte Jubiläumswagen K1 5563 auf dem Soliser Viadukt. Foto: Christian Dörsam

gesprogramm abgeschlossen. Einige Eindrücke finden Sie hier in unserer «Schlusslaterne». Die Organisatoren dürfen mit Fug und Recht behaupten, dass die Ziele erfüllt wurden und den Gästen eine einmalige Fahrt geboten wurde. Vor allem die Parallelfahrt der zwei Dampfzüge blieb allen Anwesenden in sehr guter Erinnerung. Mit diesem Programm wurde etwas Neues, noch nie Dagewesenes und Einzigartiges geboten. Der Verein legte somit einen weiteren Meilenstein in der Fahrtenorganisation. Diese Reise reiht sich bestens ein in die Reihe der grossen Ereignisse auf dem RhBNetz. Unvergesslich bleiben die Events wie «Dampffestival Untervaz» (2006), «Bahnoldtimer im Stundentakt» (2016) oder die dreifache Dampftraktion «Winterdampf» (2017).

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In Castrisch konnten die Gäste ihren Zug bei einer Scheinausfahrt fotografieren. Foto: Christian Dörsam

Parallelfahrt der beiden Dampfzüge zwischen Chur und Reichenau-Tamins. Foto: Lucca Projer

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Die Reisegesellschaft vor ihrem Zug in Arosa. Foto: Willy Hartmann

Unterwegs von Chur nach Arosa: Der Extrazug mit Ge 4/4 I 610 beim Obertor in der Stadt Chur. Foto: Georg Trüb

Auch in der Kommunikation und im Verkauf wurden wichtige Meilensteine gesetzt. In der engeren Zusammenarbeit innerhalb unseres Verbandes «historic RhB» mit dem «Club 1889» und «Verein pro Salonwagen» sollen die Verkaufsplattform vereinfacht und gleichzeitig gestärkt werden. Die Homepage www. bahnoldtimer.ch soll als DIE Website für nostalgische und historische Reisen in Graubünden aufgebaut werden.

Einige Rosinen aus dem reichhaltigen Programm • Fahrt mit dem «Alpine Classic Pullman Zug» ins Engadin • Mittagessen in der Betriebswerkstätte der RhB in Samedan • Besichtigung der Leitstelle «RailControlCenter» in Landquart

Der «Alpine Classic Pullman Zug» während eines Fotohalts auf dem Soliser Viadukt. Foto: Christian Dörsam

• Parallelfahrt zweier Dampfzüge sowie gegenseitige Überholungen • Rückfahrt mit den «vereinigten Dampfzügen» ab SumvitgCumpadials • «Fahrzeugaufstellung» in der Rotonde Landquart • Extrafahrt mit dem «Fliegenden Rhätier» (ABe 4/4 501) • Geführter Stadtführung durch Chur inkl. Besichtigung des RhB-Verwaltungsgebäudes • Reise im «rollenden Restaurant» durchs Schanfigg

Ein weiterer Fotohalt legte der «Alpine Classic Pullman Zug» oberhalb von Filisur beim Schlossbergtunnel ein.

• Fahrt im offenen Aussichtswagen • Geführter Rundgang durch die RhB-Werkstätte in Landquart

Foto: Christian Dörsam

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Erlebnisfahrten mit SBB Historic Erleben Sie mit uns eine unvergessliche Fahrt. Zum Beispiel am 10. November 2018, wenn wir anlässlich des Jubiläums «100 Jahre Buchli-Antrieb» mit der Ae 3/6 I mit Buchli-Antrieb von Rapperswil durchs Toggenburg via Wil nach Zürich HB fahren. An der ETH, wo Jakob Buchli, der Erfinder des Buchli-Antriebs, sein Maschineningenieur-Studium absolvierte, erfahren Sie in einem Vortrag mehr über das Wirken von Jakob Buchli und seine Bedeutung für den Lokomotivbau.

© Patricia Högger

Detaillierte Informationen zu dieser Fahrt und weiteren unvergesslichen Erlebnisfahrten finden Sie auf www.sbbhistoric.ch. Stiftung Historisches Erbe der SBB | Lagerstrasse | CH-5210 WindischT +41 56 566 52 22 | info@sbbhistoric.ch | www.sbbhistoric.ch

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