N°2/2021
3027 Bern Die Post CH AG
HKB-Zeitung
Hochschule der Künste Bern HKB
Juni 2021 4 × jährlich
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HKB aktuell
Thema: Kultur- und Kreativwirtschaft 4 «Der Glaube, dass Kunst und Kultur Probleme lösen können, ist weit verbreitet.» Round Table mit Franziska Burkhardt, Silvia Hofer und Regula Staub 6 Zurück in die Gegenwart: Wirtschaftlichkeit, Kultur förderung und Gesellschaft von Stefanie Manthey
9 Unternehmertum als letztes Abenteuer im Kapitalismus Interview mit Chris Jenny 10 «Einheimische aus der ganzen Welt» Interview mit Stefan Miesch 11 «Abgeben zu können ist eine grosse Herausforderung» Interview mit Marius Disler
12 Künstler*in als Unternehmer*in von Claudia Kühne 14 «Es muss Sinn machen, sonst wird nichts Gescheites draus» Interview mit Jana Ristic 15 «Mitarbeitende finden, die unsere Leidenschaft teilen.» Interview mit Michail Kyriazopoulos
16 «Mein Tipp an alle Jungen: Probiert etwas aus!» Interview mit Elena Nedelkoska 18 Stellungnahme von Christoph Reichenau
21 Veranstaltungen 22 Ausgezeichnet: Christoph Schneeberger 23 Zu Gast: Lucie Kolb 24 Absolvent im Fokus: Ilmārs Šterns
24 Studentin im Fokus: Carol Kiechl 25 Rückblick: Eine Briefmarke entsteht 27 Ein Studiengang stellt sich vor: MAS in Musik-Management 28 Schaufenster – Arbeiten aus der HKB
JUNI 2021
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HKB-ZEITUNG
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EDITORIAL N°0 -
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REDIGIERT / LEKTORIERT FREIGEGEBEN
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PAULI, CHRISTIAN 2) Titel
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EDITORIAL
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Die gesellschaftliche Krise infolge der Corona-Pandemie hat besonders auch die sogenannte Kultur- und Kreativwirtschaft erfasst. Deren Arbeitsmodelle, Businesspläne und Lebensentwürfe sind fragil und wurden durch Lockdown-Massnahmen nachhaltig herausgefordert. Was aber genau umfasst die Kultur- und Kreativwirtschaft, für die in diesen Zeiten besondere Aufmerksamkeit aufgebracht werden muss? Wo grenzen sich Kulturschaffen und Kreativwirtschaft ab, sind vielleicht gar konträr? Wie kann die Kultur- und Kreativwirtschaft besser gestützt und gefördert werden?
JUNI 2021
Liebe Leser*innen
In dieser HKB-Zeitung nähern wir uns der Kultur- und Kreativwirtschaft von verschiedenen Seiten. Historisch, diskursiv und vor allem: mit Worten und Porträts von und über Akteur*innen in diesem beruflichen Feld. Und wir stellen uns die Frage, welche Beiträge für die Kultur- und Kreativwirtschaft die Studierenden der Hochschule der Künste Bern und der Berner Fachhochschule liefern? Wie werden an der HKB und BFH Karrieren und Start-ups lanciert? Was heisst Unternehmer*innentum – oder sagen wir neudeutsch: Entrepreneurship – an einer Hochschule? Wir freuen uns, Ihnen Einblicke und Gedanken zur und über die Kultur- und Kreativwirtschaft in Bern und darüber hinaus zu vermitteln. Lassen Sie sich inspirieren von kreativen Köpfen und innovativen Ideen aus der HKB und ihrem – wie wir etwas grossspurig sagen – Umfeld. Christian Pauli, Redaktionsleiter HKB-Zeitung
HKB-ZEITUNG
Über diese Fragen wird in wissenschaftlichen, staatlichen und privatwirtschaftlichen Stellen seit Jahrzehnten diskutiert. Eine Einigung, nur schon zum Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft, wurde bisher keine gefunden.
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INTERVIEW N°1
Kurzinfo Gäste Invités de courte durée Breve info ospiti
1) Franziska Burkhardt ist Leiterin von Kultur Stadt Bern. 2) Silvia Hofer ist Geschäftsführerin des Kulturzentrums Progr Bern.
1) Von
JUNI 2021
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2) Gäste
GEISER, JULIA PAULI, CHRISTIAN
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invités
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«DER GLAUBE, DASS KUNST UND KULTUR PROBLEME LÖSEN KÖNNEN, IST WEITVERBREITET.» Einleitungstext
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ie Beschäftigung mit Kultur- und KreativD wirtschaft (KKW) zeigt, dass allein der Begriff sehr unklar ist. Was bedeutet Kulturund Kreativwirtschaft? Regula Staub: Die Definition ist sehr weit gefasst, es fallen viele verschiedene Branchen und Tätigkeitsfelder unter das Begriffspaar. Aber etwas verbindet die Tätigkeiten und die Branchen. Die Leistungen der Kultur- und Kreativwirtschaft sind nämlich sowohl für die Gesellschaft als auch für die Wirtschaft von grosser Bedeutung. Jedoch scheint von der Wirtschaft bis heute zu wenig anerkannt zu werden, welchen Mehrwert die KKW der klassischen Wirtschaft bietet. Die Kulturwirtschaft hat einen stärkeren Fokus auf die intellektuelle Verarbeitung gesellschaftlicher Themen, etwa in Form von Theater, Literatur oder Film, die auch der Unterhaltung dienen. Die Kreativwirtschaft beschäftigt sich mehr damit, Dienstleistungen und Produkte für die Gesellschaft zu erbringen. Franziska Burkhardt: Ich kann mich gut den Erläuterungen von Regula anschliessen und die Kulturwirtschaft in der intellektuellen Auseinandersetzung verorten, während die Kreativwirtschaft das Stattfinden der Kultur überhaupt ermöglicht. Die Arbeit im Theater oder für ein Festival umfasst ja immer auch zum Beispiel Grafik und Technik. Daher ist es schwierig, die beiden Bereiche klar abzugrenzen, denn das eine bedingt eben auch das andere. Silvia Hofer: Ich vermisse beim Wort «Wirtschaft» im Zusammenhang mit Kultur und Kreativität den nicht monetären Mehrwert der Bereiche für die Gesellschaft. Die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gesellschaft ist nicht rein finanziell fassbar, denn sie geht weit über die Dienstleistungen und Paybacks der klassischen Wirtschaft hinaus. Ich erlebe im Selbstverständnis eine Abgrenzung der Tätigkeitsfelder. Viele Akteur*innen aus der Kreativwirtschaft verstehen sich stärker als Dienstleistungssektor. Natürlich machen auch sie freie Arbeiten, aber sie überlegen eher, was die Kund*innen möchten. A Im Design gibt es klarere Berufsfelder als in anderen Bereichen. Das Selbstverständnis beginnt bereits in der Ausbildung: Lehre und Studium als Grafiker*in sind auf
STAUB, REGULA
1)
HOFER, SILVIA
2)
BURKHARDT, FRANZISKA
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introduttivo
Im Auftrag der Stadt Bern hat die HKB die Studie «Empfehlungen für eine Berner Strategie für die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft» verfasst. Die Studie liegt derzeit beim Wirtschaftsamt der Stadt Bern. Auszüge davon wurden im BERNpunkt Magazin publiziert. Die HKB Zeitung trifft sich mit drei Repräsentantinnen zum Austausch über Zustand und Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft: Ein Roundtable mit Franziska Burkhardt (Leiterin Kultur Stadt Bern), Silvia Hofer (Geschäftsführerin Progr Bern) und Regula Staub (Geschäftsführerin Creative Hub).
+ B In Bezug auf diese schöpferischen Zukunftsmodelle diskutierte der Round Table darüber, dass diese Utopien und Kreationen nicht bewertet werden. So seien etwa auch Überwachungssysteme oder politische Kampagnen von Designer*innen gestaltet. Diese schöpferische Eigenschaft kann somit nicht als politische Aussage gehandelt werden, sondern muss als ein wertfreies Potenzial betrachtet werden.
6) Foto
HAMETNER, NICOLE
5) Kurzer
+ A Am Round Table wurde auch die Frage aufgeworfen, inwiefern die Kultur stärker lokal verankert ist, während die Kreativwirtschaft internationaler ausgerichtet sein könnte. Identität und Herkunft/Regionalität werde etwa in der Kultur anders verhandelt als im Design. Ob eine Person als Berner Künstler*in oder Designer*in aufgefasst wird, hat mehr damit zu tun, ob man in ihren Werken den lokalen Bezug erkennt oder ob diese sich an den regionalen Markt richten. Ob Lokalität oder Umgang mit Identität nun ein Wesenszug ist, der die beiden Begriffe voneinander abgrenzt, blieb indes offen. Es wurde aber auch betont, dass es gar nicht überall sinnvoll sei, diese Abgrenzung vorzunehmen, da sich die beiden Begriffe gegenseitig befruchten.
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REDIGIERT / LEKTORIERT FREIGEGEBEN
BURKHARDT, FRANZISKA HOFER, SILVIA STAUB, REGULA
3) Fotografin - photographe - fotografo
4) Titel 3) Regula Staub ist Geschäftsführerin des Creative Hub.
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B
eine Berufsbefähigung ausgerichtet und spezifischer als etwa die freie Kunst. RS: Kunst und Design ist gemein, dass eine Leidenschaft zur Tätigkeit im Vordergrund steht und erst in einem zweiten Schritt ein gewinnorientierter Ansporn dazukommt. Diese intrinsische Motivation wird von vielen Menschen in der KKW geteilt, aber eben auch die Probleme, die nicht zuletzt dadurch entstehen. FB: Leidenschaft finde ich in diesem Zusammenhang einen schwierigen Ausdruck. Er befördert ein Cliché und impliziert indirekt auch, dass andere Berufsfelder ohne Leidenschaft auskommen. In der KKW sprechen wir von einem grossen Spektrum an Berufsgattungen. Diese gehen von Angestellten in grossen Institutionen bis hin zu Freischaffenden. Die Leidenschaft mag dabei ein Stichwort sein, aber auch die Kreation und das Schöpferische verbinden die beiden. RS: Dieses schöpferische Arbeiten konfrontiert die Gesellschaft mit diversen Themen und bietet auch Zukunftsmodelle oder eben Produkte und Dienstleistungen, die auf die Zukunft ausgerichtet sind und die sich mit Problemen der heutigen Zeit auseinandersetzen können. B Welche Aspekte, Schwachstellen und Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft wurden durch die Pandemie verstärkt beleuchtet? FB: Am Anfang der Pandemie haben sich die Menschen vor allem dank der Kultur noch wohlfühlen können. Zu Hause im Lockdown haben wir Filme geschaut, Bücher gelesen und Musik gehört. Gerade eine Pandemie zeigt, wie wichtig die Arbeit der KKW ist. Jedoch hat sich auch gezeigt, wie fragil unser gesamtwirtschaftliches System ist. Diese Fragilität ist nicht nur der KKW anhaftend, sie hat jedoch eine grosse Lücke in der sozialen Sicherheit. Wir wissen zwar schon länger, dass die Akteur*innen der KKW durch die Maschen der Sozialversicherungen und der Vorsorge fallen, die Pandemie hat es aber noch einmal dramatisch aufgezeigt. RS: Viele Kultur- und Kreativschaffende arbeiten projektspezifisch. Durch Corona wurde sichtbar, wie prekär diese Arbeitsweise ist,
wenn etwa die Planungssicherheit verloren geht. Da die sozialen Einrichtungen nicht auf diese Arbeitsprozesse der KKW ausgelegt sind, trifft eine Pandemie viele Kultur- und Kreativschaffende besonders stark. SH: Leider greifen auch viele der kurzfristigen sozialen Massnahmen während der Pandemie nicht. So haben viele Akteur*innen keinen Zugang zu Taggeldern, da sich ihr Gehalt patchworkartig zusammensetzt. Viele arbeiten etwa in tiefprozentigen Anstellungsverhältnissen, sind daneben freischaffend und leben von kurzfristigen Projektarbeiten. Die Verwaltungen waren damit überfordert. So gibt es etwa Musiker*innen, die pro Tag nur eine Lohnausfallentschädigung von 20 Franken erhielten. Es wurde in der Pandemie auch schnell klar, dass die Kultur- und Kreativszenen eine viel zu kleine Lobby haben. Es zeichnet sich aber auch ab, dass sich dies durch Corona ändern wird, denn es braucht dringend Lösungen für die soziale Absicherung der KKW. FB: Um die Ansprüche und die unterschiedlichen Funktionsweisen bei den sozialen Versicherungen geltend machen zu können, gilt es, den Berufsstand der KKW zu stärken. Darum ist die Kampagne «Kultur ist mein Beruf» der Taskforce Culture entstanden. Dieses Anliegen ist auch auf der politischen Ebene angekommen und die Diskussion muss nach der Pandemie dringend weitergeführt werden. Die strukturellen Probleme der sozialen Sicherheit können nicht durch die Förderung behoben werden. Die Förderung kann aber einen Beitrag an die berufliche Vorsorge leisten. Die Stadt Bern leistet bei geförderten Projekten einen Beitrag an die dritte Säule, sofern die Kulturschaffenden ihrerseits einzahlen. Leider wird diese Möglichkeit heute kaum in Anspruch genommen. Wir hoffen, dass sich das durch die Pandemie ändert. Die Pandemie hat die Wichtigkeit der KKW für die Gesellschaft aufgezeigt. Was sind die Potenziale der KKW und wie können diese in Zukunft noch besser genutzt werden? FB: Ich glaube nicht, dass dies eine neue Erkenntnis ist. Kultur wird von der öffentlichen Hand seit Jahrzehnten mit Millionen unterstützt. Das macht man nicht, weil man die KKW als einen unwichtigen Wirtschafts-
zweig empfindet. Es gibt diesen gesellschaftlichen Konsens: Kultur ist wichtig, sie ist nicht selbsttragend und wird darum gefördert. SH: Durch die Pandemie ist die KKW sichtbarer geworden, das liegt einerseits an den neuen Verbänden, an der Taskforce Culture, die auf die prekäre Situation für die Kultur hinweisen konnten, aber vielleicht auch daran, dass die Menschen im Lockdown mehr Zeit für Kultur hatten. Der Nutzen der Kultur war im Grunde aber schon vor der Pandemie klar und ich glaube kaum, dass die breite Bevölkerung durch die gegenwärtige Situation der KKW eine neue oder andere Bedeutung zuschreibt. FB: Ein Berufsstand für Kultur- und Kreativschaffende würde das Verständnis stärken, dass die KWW einen wichtigen Teil der Berufswelt darstellt und eine wichtige Arbeit für die Gesellschaft ist. Dabei muss man sich aber auch fragen, von welcher Gesellschaft wir eigentlich reden. Mit Kultur kann man nie alle erreichen, denn sie ist so divers wie die Gesellschaft selbst. RS: Ich hoffe schon, dass die Bevölkerung schätzen gelernt hat, was die KKW leistet und anbietet. Es wäre in Zukunft sicher wichtig, die Annäherung von Kultur und Kreativszenen an weitere Wirtschaftsbranchen zu fördern, sei dies durch den Bund, den Kanton oder die Stadt. Dabei kann man dies durchaus als Investition verstehen. FB: Es ist auch gefährlich, die KKW zu instrumentalisieren. Der Glaube daran, dass Kunst und Kultur Probleme lösen können, ist weitverbreitet. Die Kunstfreiheit sollte dabei aber immer noch an erster Stelle stehen. C Über 12 000 Personen arbeiten in der Berner Kultur- und Kreativwirtschaft (Vollzeitäquivalent). Wie geht es der Kulturund Kreativwirtschaft in der Schweiz und in Bern? FB: Die geförderten Institutionen in der Schweiz sind gut abgesichert. Sie erhielten weiterhin Subventionen und konnten zusätzliche Massnahmen wie Kurzarbeit und Ausfallentschädigung in Anspruch nehmen. Bei den selbstständigen und den freischaffenden Akteur*innen sieht es anders aus. Viele fallen durch alle Maschen der Hilfs- und Absicherungsnetze. RS: Auch die Berner Klein- und Einzelunternehmen im Design leiden sehr. Im Gegensatz zur Kultur fehlen in diesen Bereichen oft die Formate für den Austausch untereinander. Leider ist die Kreativwirtschaft schlechter vernetzt als die Kultur. Dort wäre es wichtig, Austauschgefässe zu schaffen, die auch gefördert werden sollten.
Es darf nicht erwartet werden, dass alle Probleme durch die Kulturförderung aufgefangen werden können. Kultur- und Wirtschaftsförderung müssen klar voneinander abgegrenzt werden. SH: Kulturförderung darf nicht auch die Wirtschaftsförderung übernehmen. Die Kreativwirtschaft ist vermehrt erwerbswirtschaftlich aufgestellt und müsste durch die Wirtschaftsförderung besser unterstützt werden. Auch wenn die Kulturförderung indirekt Kreativschaffende wie Grafiker*innen oder Lichttechniker*innen mitträgt, darf es nicht die Aufgabe der Kultur sein, die Förderung der Kreativwirtschaft zu stemmen, denn die Mittel sind begrenzt und würden sonst in anderen Sparten fehlen. Anderes Beispiel: Das Wirtschaftsamt macht bei den Vermieter*innen keinen Unterschied: Egal ob der Immobilienbesitzer eine Versicherung oder eben eine Stiftung aus der Kultur ist – wenn der Vermieter den Mieter*innen keine Mietreduktion gewähren kann, haben sie auch keinen Anspruch auf Mietzinshilfe der Stadt Bern. RS: Der Creative Hub war ein Pionierprojekt, das von Engagement Migros für eine beschränkte Zeit gefördert wurde. Wir versuchten, als Anschlussfinanzierung Wirtschaftsförderungen anzugehen und gleichzeitig auch Kulturämter. Im Idealfall hätten sich sowohl die Kultur als auch die Wirtschaft beteiligt, da es ein Projekt ist, das eine Schnittstelle zu beiden Bereichen herstellt. Der Creative Hub schuf verschiedene Formate, die die Wirtschaft sowie die Kultur- und Kreativbranche näher zusammenrücken liessen. Diese Formate waren auch durchaus beliebt, da es oftmals wenig oder keine Berührungspunkte gibt. Auch kommt das wirtschaftliche Denken in vielen Kunstund Kreativausbildungen zu kurz, weswegen der Creative Hub versuchte, diese Lücke zumindest teilweise zu schliessen. Es hat sich aber gezeigt, dass es eine Tendenz dazu gibt, solche Projekte dem einen oder anderen Förderbereich zuschreiben zu wollen. Dadurch fallen solche Projekte oft durch die Maschen der verschiedenen Fördermöglichkeiten. FB: Für mich ist ein solches Projekt wie der Creative Hub ganz klar der Wirtschaftsförderung zuzuweisen, da es ja ein ausgewiesenes Ziel ist, Ideen zur Marktreife zu bringen. Jedoch fehlt es wohl nach wie vor an einem Verständnis für die Wichtigkeit und Wirkungsweise der Kultur- und Kreativwirtschaft. D FB:
+ Info Autor*innen, Architekt*innen, Filmschaffende,Musiker*innen, Designer*innen und viele weitere schöpferische und gestaltende Menschen tragen rund 12 Prozent zum Schweizer Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Mehr als 10 Prozent der gesamten Schweizer Kultur- und Kreativwirtschaft sind im Kanton Bern angesiedelt. Der Gemeinderat der Stadt Bern hat das Potenzial dieses Wirtschaftszweiges erkannt und das städtische Wirtschaftsamt beauftragt, eine Strategie zu entwerfen, wie die Kultur- und Kreativwirtschaft in Bern gefördert werden könnte. In dieser Sache hat das Wirtschaftsamt sich an das Institute of Design Research der HKB gewandt, um in Kooperation eine entsprechende Strategie auszuarbeiten. Der Prozess von der Ausschreibung über die Auftragsvergabe bis hin zur Erstellung der Empfehlungen für eine «Berner Strategie für die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft» wurde von einer Steuergruppe mit Vertreter*innen des Kulturamts der Stadt Bern, der Standortförderung des Kantons Bern, der Fachstelle des Engagements in Kultur und Gesellschaft der Burgergemeinde Bern und des Wirtschaftsamts der Stadt Bern begleitet. Basierend auf Gesprächen mit 30 Berner Kultur- und Kreativschaffenden formulierten Julia Geiser, Robert Lzicar und Matthias Vatter konkrete Empfehlungen, die dem Amt für Wirtschaft seit Ende letzten Jahres vorliegen und im Magazin des Wirtschaftsraums Bern «BernPunkt. Magazin für Stadt und Region Bern» zusammengefasst veröffentlicht wurden: wirtschaftsraum.bern.ch
Die Interessengruppe Kreativwirtschaft hat im März 2020 eine Strukturdatenumfrage erstellt, die zeigt, dass auch die Designwirtschaft von den gleichen oder ähnlichen Problemen wie die Kultur betroffen ist. Viele haben ein Patchwork-Arbeitsumfeld, in dem sie selbstständig und projektbezogen arbeiten, und/oder befinden sich in tiefprozentigen Anstellungsverhältnissen. Diese Patchwork-Struktur überfordert die Sozialversicherungen.
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+ D Anhand der Berner Tourismusagentur Bern Welcome wurde diskutiert, wer solche Vernetzungen und auch die Bekanntmachung der Berner KKW fördern könnte. Aufgrund der Studie «Empfehlungen für eine Berner Strategie für die Förderung der Kulturund Kreativwirtschaft» soll Bern Welcome damit beauftragt werden, die Angebote der Berner KKW einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Es gebe eine Tendenz, wichtige Massnahmen für die KKW an bestehende Formate abzugeben, ohne zu eruieren, ob diese die richtige Adresse dafür darstellten. Bern Welcome müsse sehr viele Sparten decken, wie Sport, Wissenschaft und Kongresse. Da stelle sich schon die Frage, inwiefern Bern Welcome der Sichtbarkeit von spezifischen Berner Kultur- und KreativAkteur*innen noch dienlich zu sein vermag. Die Ausstrahlung von Bern als Kulturstadt müsste besser gefördert werden, dabei habe Bern Welcome für den Tourismus sicherlich Potenzial. Jedoch dürften die verschiedenen Ansprüche und Möglichkeiten nicht vermischt werden.
HKB-ZEITUNG
+ C Am Beispiel des Upcycling diskutierte der Round Table darüber, wie kreative Strategien sowohl in der Kunst als auch in der Kreativszene angewandt werden. Die Strategie, Bestehendes neu zu besetzen, neu zusammenzusetzen sei ein gutes Beispiel dafür, wie in der Kultur- und Kreativindustrie ähnliches Denken und ähnliche Überlegungen möglich sind. Dabei wurde auch die Frage gestellt, ob von der Wertschöpfung, die solche Kulturstrategien ermöglichen, genügend in die KKW fliesst. Dies zeige sich auch über die kreativen Ausbildungen, wo die Studierenden auf diese Kulturstrategien ausgebildet werden und in der Lage sind, auch in sogenannten «branchenfremden» Bereichen einen erheblichen Mehrwert zu schaffen. Dort komme aus dem Kultur- und Kreativschaffen doch ein erhebliches Potenzial , was der Gesellschaft sehr zugute kommt, auch wenn es oft keine Gegenleistung erhält. Es gebe zwar auch immer mehr Unternehmen die sogenannte Labs eröffnen, in denen sie kreative Strategien wie etwa DesignThinking nutzen, um neue Lösungen zu finden, jedoch seien diese Tendenzen in der Schweiz noch nicht gross etabliert. Dieses Potential der KKW kann sowohl genutzt als eben auch ausgenutzt werden.
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life is short.
do stuff that matters.
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Kurzinfo Autorin Informations succintes sur l’auteure Breve info sull’autore
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1) Stefanie Manthey ist Autorin, Kunsthistorikerin und -vermittlerin in Basel.
ARTIKEL ARTIKEL N°2 N°2 1) Von
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MANTHEY, STEFANIE
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ZURÜCK IN DIE GEGENWART: WIRTSCHAFTLICHKEIT, KULTURFÖRDERUNG UND GESELLSCHAFT
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HKB-ZEITUNG
Vor gut zehn Jahren hat der Diskurs über Kreative und Kreativität als Wirtschaftsfaktor in der Schweiz an Fahrt aufgenommen. Wo steht die Kreativwirtschaft heute, am Ausgang einer Pandemie, die einen fundamentalen gesellschaftlichen Wandel evoziert? Die HKBZeitung hat mit Hedy Graber und Christoph Weckerle gesprochen, die an Schaltstellen der Kreativwirtschaft in der Schweiz agieren.
D + 1 Kreativwirtschaft Schweiz. Daten, Modelle, Szene, hrsg. von Christoph Weckerle, Manfred Söndermann, Manfred Gehrig, Basel – Boston – Berlin 2008, S. 27. + 2 Kreativwirtschaft Schweiz 2008, S. 155 – 157. + 3 Studie zur Basler Kreativwirtschaft. Strukturdaten, Positionen, Handlungsfelder, hrsg. von Raphael Roussel. Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Basel-Stadt, Basel Mai 2010, S. 12 – 13. + 4 Studie Kreativwirtschaft Basel 2010, S: 138 – 139, 150 – 151. + 5 Joël Luc Cachelin, Kultur 2040. Trends, Potenziale, Szenarien der Förderung,hrsg. von Forum Kultur und Ökonomie, Basel 2020. + 6 Das KulturbüroWeissbuch, hrsg. von Ivan Sterzinger im Auftrag des MigrosKulturprozent, Zürich 2009; Evaluieren in der Kultur. Warum, was, wann und wie? Ein Leitfaden für die Evaluation von kulturellen Projekten, Programmen, Strategien und Institutionen, hrsg. von Migros-Kulturprozent und Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, 2. Überarbeitung. Auflage 2014; Migros-Kulturprozent. Eine Kultur des Kulturförderns, hrsg. von Migros-Kulturprozent, Zürich 2014; Edition Digital Culture, Bände 1 – 6, hrsg. von Dominik Landwehr, MigrosKulturprozent, Basel 2020. + 7 sagw.ch/sagw/aktuell/ publikationen/details/ news/bulletin-1-19soziale-innovation.
+ 8 Siehe Joël Luc Cachelin, Kultur 2040. Trendes, Potenziale, Szenarien der Forderung, hrsg. von Forum Kultur und Ökonomie, Basel 2020. + 9 Siehe ruangrupa.id; documenta-fifteen.de
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2008 erschien die Studie Kreativwirtschaft Schweiz. Daten. Modelle. Szene im Birkhäuser Verlag. Sie wurde von der Research Unit Creative Industries, einer Einheit des Departements Kulturanalysen und -vermittlung, umgesetzt, das Christoph Weckerle zwischen 2007 und 2010 an der neu formierten Zürcher Hochschule der Künste etablierte. Der Begriff «Kreativwirtschaft» wurde in der Zürcher Studie als Paradigma verwendet, um die Situation Kulturschaffender in der Schweiz im europäischen Kontext in den Blick zu nehmen. Mit dieser Studie wurden definitorische Grundlagen geschaffen und Handlungsempfehlungen für eine Förderung der Kreativszene formuliert, die bis heute zitiert werden: «Unter Kreativwirtschaft versteht man in der Schweiz diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen, welche überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und medialen Verbreitung von kulturellen und kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen.» 1 Anstelle eines Fazits wurde aufgezeigt, wie das Ergebnis der Studie, eine Vorgehensweise für die Schweiz in vier Phasen, umgesetzt werden könnte, für die eine Dachorganisation zu gründen wäre, die als Förderagentur für Innovation des Bundes den Wissens- und Technologietransfer zwischen Unternehmen und Hochschule unterstützt.2 Diese Dachorganisation gibt es heute nicht. In der Rückschau markiert 2008 das Jahr, in dem die Olympischen Spiele in Peking feierlich eröffnet wurden, die chinesische Provinz Sichuan von einem folgenschweren Erdbeben heimgesucht wurde, die globale Finanzkrise ihren Höhepunkt erreichte, Barack Obama sein Amt als President of the United States of America antrat und in der Schweiz die Einbürgerungsinitiative abgelehnt wurde. Während ein Massnahmenpaket auf Bundesebene und eine damit verbundene Zentralisierung ausblieben, wurden einzelne Kantone und Städte mit unterschiedlicher Intensität aktiv. In der Folge haben sich Zürich und Basel um die Erhebung von Daten, den Austausch und die Diskussion mit Akteur*innen bemüht. An die Stelle von Angst, dass die Kultur flächendeckend ökonomisiert, von der Wirtschaft ohne jedwede Chance auf Aushandlung von Interessen vereinnahmt werden könnte, trat das Interesse, sich mit den Realitäten auseinanderzusetzen, Untersuchungsmethoden wie mündliche Interviews und quantitative
Befragung zu verschränken, zu evaluieren und Handlungsfelder aufzuzeigen. Auskommen in Strukturen und Förderpolitiken Im Wirtschaftsbericht des Kantons BaselStadt 2007/2008 wurde die «Kreativwirtschaft» neu neben den Lifesciences, der chemischen Industrie, der Logistikwirtschaft und den Finanzdienstleistungen in den Status der Zielbranche zur Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts Basel erhoben. Der Studie, die im Auftrag des Amt für Wirtschaft und Arbeit, Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt erstellt und im Mai 2010 publiziert wurde, liegen drei Fragen zugrunde: «Braucht Basel die Kreativwirtschaft? Welche wirtschaftliche Rolle und Bedeutung haben die Kreativen? Lohnt es sich aus einer ökonomischen Perspektive die Kreativwirtschaft oder Teile davon staatlich zu fördern?» 3 Mit der Designwirtschaft, dem Architekturmarkt und dem Kunstmarkt wurden drei besonders ausgeprägte Märkte identifiziert, übergeordnete Handlungsfelder aufgezeigt und politische Entscheidungsträger*innen und Institutionen aufgerufen, die «kulturellen Leistungen der Kreativwirtschaft nicht nur aus der Sicht des Standortmarketings» zu betrachten, sondern als «umfassendes, heterogenes und dynamisches Wirtschaftsfeld».4 Die damaligen Sprecher*innen und Akteur*innen aus den drei Kernmärkten haben mehrheitlich ihren Platz und ein Auskommen in Strukturen und Förderpolitiken gefunden, die sie vorgeschlagen, mitaufgebaut haben, oder Möglichkeiten gefunden, sich aus den Abhängigkeiten der Kulturförderung zu emanzipieren. Schweizer Städte, insbesondere Zürich, haben in die Schaffung von baulichen, steuerrechtlichen und digitalen Infrastrukturen investiert, die für Creative Industries attraktiv und notwendig sind. Die Hochschulen bringen sich im innerschweizerischen, europäischen und globalen Wettbewerb in die Professionalisierung künftiger Kulturschaffender ein. Neues Krisenbewusstsein Mit der seit Ende 2019 weltweit grassierenden Pandemie ist deutlich geworden, dass derartige Studien historische Quellen sind – mit einem langen Schatten in die Gegenwart. Es zeigt sich, dass in ihren Prämissen Aspekte
nicht vorkommen, die wie Krisenbewusstsein und Ökonomien, die sich von der auf Wachstum ausgerichteten Geldwirtschaft unterscheiden, zum Kulturschaffen dazugehören. Rechenschaftsberichte über die Nützlichkeit der Studien liegen nicht publiziert vor. Eine kontinuierliche Erfassung von Daten, wie viele Kulturschaffende in einem Kanton in welchen prekären, anteilig oder gesamthaft selbsttragenden Beschäftigungsverhältnissen tätig sind, hat in den Verwaltungen nicht stattgefunden. Die Herausforderung wird konkret, die drängenden Fragen aus einer Gesellschaft für eine Gesellschaft und eine Kultur als Teil eines Selbstverständnisses zu stellen, das Themen wie soziale Ungleichheit, Rassismus, Klimawandel und Ethik nicht ausweicht. Was wird sichtbar, wenn man die Frage nach Wirtschaftlichkeit und Kulturförderung bewusst aus einer postpandemischen Zeit stellt und dabei berücksichtigt, dass das Forum Kultur und Ökonomie zu seinem zwanzigjährigen Bestehen Trends, Potenziale und Szenarien der Förderung für 2040 thematisiert und publiziert hat? 5 Vor allem, dass nach der Erholung der globalen Finanzmärkte viel Zeit mit Diskussionen vergangen ist, Symptome der Wechselwirkungen zwischen globalem Kapitalismus und Epidemiegeschehen unterrepräsentiert blieben und dass Akteur*innen aus der Anfangsphase der Sensibilisierung wie Hedy Graber (Leiterin Direktion Kultur und Soziales, Migros-Genossenschafts-Bund) und Christoph Weckerle (Leiter Zurich Centre for Creative Economies) nach wie vor in dem Feld tätig sind, das sie miterschlossen haben. Diese Prämisse macht sie zu interessanten Gesprächspartner*innen zu Fragen danach, wo sie aus ihren Erfahrungshorizonten die Erfolge und Defizite der Entwicklungen der letzten zehn Jahre sehen, was ihre Einschätzung zur gegenwärtigen Lage der Kreativwirtschaft in der Schweiz ist und wo sie sich an ihren aktuellen Stellen und mit den Verantwortlichkeiten aus ihrem eigenen Werdegang einsetzen. Neue Fördermodelle Hedy Graber übernahm 1990 die Co-Leitung der Kunsthalle Palazzo in Liestal gemeinsam mit Philip Ursprung, zwischen 1998 und 2004 war sie als Beauftragte für Kulturprojekte des Kantons Basel-Stadt tätig: Wir wollten einen Kunstraum betreiben, der Künstler*innen unserer Generation eine Plattform gibt, und setzten auf lokale, nationale und internationale Positionen. Heute können wir mit Stolz sagen, dass zahlreiche dieser Positionen ihren Weg gefunden haben und international bekannt sind. Es war für mich auch ein Ort, erste Erfahrungen als Kuratorin, aber auch als Geschäftsführerin zu machen. Die Kunsthalle Palazzo funktionierte wie ein Offspace: Wir hatten wenig finanzielle Mittel und machten deshalb fast alles selbst – eine wertvolle Erfahrung. (…) Als Beauftragte für Kulturprojekte war ich für die sogenannte freie Szene zuständig: Da galt es, neue Fördermodelle zu konzipieren und Festivals weiterzuentwickeln. Weckerle war Anfang der 1990er-Jahre Mitglied eines Advisory Board des Europarats, der sich mit Forschung im Bereich Kulturpolitik befasste. Ebenfalls hatte er in den 1990er-Jahren für das NFP 42 die kulturellen Aussenbeziehungen der Schweiz analysiert. Es war augenfällig, dass sich der Kulturbegriff im Wandel befand. Auch wurde erkennbar, dass sich die Definition der Künstlerin, des Künstlers, der Kunst und die Art über Kunst zu sprechen, dynamisch entwickelte. Mir war es unter dem Einfluss der damaligen Hochschule für Gestaltung und Kunst und ihrer Studierenden ein Anliegen, die Dynamiken so abzubilden, wie sie sich nah am Geschehen präsentierten. Seit 2004 leitet Graber die Direktion Kultur und Soziales beim Migros-Genossenschafts-Bund, verantwortet die nationale Ausrichtung des Migros-Kulturprozent und den Migros-Pionierfonds, ist Präsidentin des Vereins Forum Kultur und Ökonomie und Mitglied verschiedener Jurys, Stiftungs- und Verwaltungsräte. Die Lage der Kreativwirtschaft hat sich im letzten Jahr dramatisch verändert. Wie sich die aktuelle Situation auswirken wird, ist noch nicht abschätzbar. Mit dem Forum Kultur und Ökonomie organisieren wir am 22. Juni eine Online-Tagung für Kulturfinanzierende, die sich spezifisch mit den anstehenden Transformationen auseinandersetzen wird: Wir beleuchten die Pandemie als Prüfstein und als Chance zur Transformation für Kultur, Publikum und Kulturfinanzierung.
Das Versagen der Kreativwirtschaft Weckerle wird konkreter, er bezieht seine Beobachtungen während der Zeit der Pandemie in die Einschätzung der aktuellen Situation ein: In statistischen Analysen braucht die Schweiz keinen Vergleich zu scheuen. Es gibt jedoch Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen: Wir sollten uns nun von der definitorischen Debatte (Was zählen wir alles zur Kreativwirtschaft?) lösen und mehr auf die Ebene von Praktiken und Prozessen fokussieren: Wer gehört eigentlich zur Kreativwirtschaft und was tun diese Leute? Eine solche Sichtweise eröffnet interessante Schnittstellen mit dem hochkarätigen Forschungsbereich der Schweiz, mit Initiativen zu sozialer Innovation, mit interessanten Labs. Es ist während Covid-19 nicht gelungen, Kunst/Kultur als systemrelevant zu definieren. Hier hat auch die Kreativwirtschaft versagt. Grabers Äusserungen zum aktuellen Tätigkeitsfeld stehen selbstbewusst in einer Erfolgsgeschichte von Fördermassnahmen und -methoden, die wie die Kulturbüros, der Leitfaden zur Evaluation in der Kultur und die Edition Digital Culture umgesetzt wurden und werden 6: Es ist uns ein Anliegen, den aktuellen Bedürfnissen der Kunstschaffenden Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund entwickeln sich unsere Förderformate und unsere eigenen Projekte stetig weiter. Letztes Jahr lancierten wir die Ideations- und die Diffusionsförderung, dieses Jahr für audiovisuelle Formate das Migros-Kulturprozent Story Lab: Wir sehen uns einerseits als Ermöglichende. An den Stellen, an denen wir Akzente setzen wollen, sehen wir uns andererseits als «Driver». In Weckerles aktuellem Tätigkeitsprofil als Leiter des Zurich Centre for Creative Economies (ZCCE) durchdringen sich Aufgaben, zu denen auch die Lehre im Studiengang Kulturmanagement an der Universität Basel und an der Universität Lausanne gehört: Ich unterrichte an der Uni Basel, an der Uni Lausanne, gebe Workshops für Länder der arabischen Welt oder für Programme in Hongkong. Es ist mir wichtig, den direkten Austausch mit der «next generation» zu haben, weil ich von ihr viel lerne. Dabei stehen die Länder, in denen ich unterwegs bin, auch für die Tatsache, dass die Creative Economies nur als globales Phänomen verstanden werden können. So unterschiedlich die Kontexte und Rahmenbedingungen sind, so verschieden sind die Verständnisse von Kunst, von Kultur, von Wirtschaft, von Creative Economies. Dies ist auch eine meiner Hauptbotschaften: Es gibt kein fertiges Modell, welches übernommen oder kopiert werden kann.» Creative Core in Creative Business Im Bulletin der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften 1/2019 hat Weckerle den Beitrag «Kreativwirtschaft – schillernd, unscharf, neu zu denken» veröffentlicht. In diesen Beitrag sind Überlegungen zu einem Verständnis von Innovation eingeflossen, das sich vom technologischen Fokus und von linearen Logiken emanzipiert, transdisziplinär und iterativ gedacht ist. Der Beitrag mündet in der Vorstellung eines Modells der Creative Economies, das als «dynamisches Zusammenspiel von drei Sphären, dem Creative Core, der Collocated Sphere und der Extended Sphere, gedacht ist. (…)» 7 Der Creative Core ist zugleich weiter und enger gefasst als im Verständnis der Creative Industries: Weiter insofern, als wir wissen, dass Inventions-, Realisierungs- und Vermitt-
lungsprozesse meist zwischen den traditionell definierten Branchen der Kreativwirtschaft und anderen gesellschaftlichen Feldern wie Wissenschaft, Technologie oder Industrien stattfinden. Enger insofern, als kein unscharfer Kreativitätsbegriff postuliert wird, sondern spezifische Praktiken und Prozesse der Kreation, die sich empirisch beschreiben lassen. Diese Fundierung der postulierten sozialen Innovationskraft der Kreativwirtschaft ist notwendig, wenn die Diskussion über die Creative Economies zukunftsfähig bleiben soll. Wird der Blick von 2040 als anvisiertem Datum der Studie des Forums Kultur und Ökonomie zurück in die Gegenwart gerichtet, zeigt sich Gouvernementalität (gouvernementalité) als Teil eines Prozesses, der gerade erst begonnen hat. 8 Dazu gehört das Interesse, Foren und Förderformate selbst anzubieten, die Ende der 2000er-Jahre noch von politischer Seite erhofft wurden. In diesem Prozess unterzieht sich ein (kleiner) Teil des Kulturbetriebs und seiner Akteur*innen einer Selbstreflexion auf Machtstrukturen, Ausschlussmechanismen und Ökologie. Das ist ein Anfang mit offenem Ausgang, in dem neu verhandelt wird, was kulturell relevant ist, und nach einer Pause die Gesellschaft wieder als Faktor in den Blick rückt, vor dem es sich zu verantworten gilt.
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Fundamentaler Generationenwechsel Dass für die documenta 15 mit ruangrupa ein Künstler*innenkollektiv aus Indonesien verpflichtet wurde, das sich konsequent dem ökologischen Handeln verpflichtet sieht, mag ein Zufall sein. 9 Es zeigt aber in aller Deutlichkeit, dass sich im Kulturbereich ein fundamentaler Generationswechsel vollzieht. Darin liegen auch die Chancen eines Umbaus von Verwaltungs- und Förderstrukturen. Diese Transformationen werden begleitet von Forschung und einer vertiefenden Auseinandersetzung mit gemeinschaftlichem Arbeiten und Künstler*innen-Kollektiven aus einer globalen Perspektive.
do
you
want
it?
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Verpasst: interessantere Konzepte Als einer der drei Autoren der Studie zur Kreativwirtschaft Schweiz sieht Weckerle kritisch, welche Konsequenzen aus der Verankerung der Debatte in der Schweiz gezogen wurden: Es ist sicherlich gelungen, die Debatte in der Schweiz breit zu verankern. Es gibt kaum mehr Verbände, Städte, Regionen, Ausbildungsgänge, welche den Begriff nicht auf die eine oder andere Art in ihren Konzepten, Leitbildern oder Strategien erwähnen. Gleichzeitig hätte die Schweiz mit ihrer Kleinräumigkeit und der hohen Dichte an interessanten Organisationen und der Ausstattung mit Ressourcen die Voraussetzung für interessantere Narrative und Konzepte geboten. Grabers Einschätzung der gegenwärtigen Lage setzt die Erfolge der Professionalisierung in ein Verhältnis zur Qualität der Inhalte: Die Kreativwirtschaft hat sich in den letzten Jahren professionalisiert: Wirkungsorientierung und Nachhaltigkeit sind in den Fokus gerückt, gekoppelt an Strategien, die auf ein zeitgenössisches gesellschaftliches Bild abzielen. Es gibt Ausbildungsgänge, Weiterbildungen, Vernetzungsangebote für unterschiedliche Akteur*innen der Kreativwirtschaft.
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Kurzinfo Autorin Informations succintes sur l’auteure Breve info sull’autore
1) Nathalie Pernet ist Leiterin der Fachstelle Forschung und Entwicklung (F+E) an der HKB.
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PERNET, NATHALIE
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INTERVIEW N°3
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JENNY, CHRIS
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UNTERNEHMERTUM ALS LETZTES ABENTEUER IM KAPITALISMUS
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+ Info HKB-Business Lab Seit Anfang Mai hat die HKB das Business Lab eingerichtet. Dieses steht Studierenden und Mitarbeitenden gleichermassen offen wie Forschenden, die sich in ihren Vorhaben bezüglich Entrepreneurship beraten bzw. begleiten lassen wollen. Das HKB-Business Lab bringt unternehmerisches Denken in die HKB und wirkt als Inkubator bei Start-ups oder Spinoff-Gründungen. Zudem baut es direkte Brücken in den Markt und die Kreativwirtschaft. Koordinator des HKBBusiness Lab ist Chris Jenny, christoph.jenny@ hkb.bfh.ch
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Chris Jenny, dich interessiert es, dich an der Schnittstelle von Unternehmertum, Bildung und Innovation zu bewegen. Warum? Erstens habe ich beim Impact Hub das Programm Youngpreneurs begründet, bei dem ich jeweils während acht Monaten an Gymnasien das Wahlfach Entrepreneurship unterrichte und den Schüler*innen beibringe, Geschäftsideen vor einem grösseren Publikum zu präsentieren. Meiner Meinung nach sollten junge Leute möglichst früh mit Unternehmertum in Berührung kommen, denn es ist eine Alternative zum klassischen Arbeitsmodell. Ein Start-up gründet man, wenn man noch frei in der Lebensgestaltung ist – also nach dem Gymnasium, während des Studiums oder dann in der Pension. Zweitens sehe ich das Unternehmertum als «letztes Abenteuer im Kapitalismus». Es ist die beste Lebensschule, weil man jeden Tag mit seinen eigenen Stärken und Schwächen konfrontiert ist. Dabei gehört es dazu, Fehler zu machen – und Fehler zu machen, ist gut! Denn daraus muss man versuchen, zu lernen. «Life is a pitch!» Zentral ist es, sein Projekt und seine Idee nach innen und aussen jeweils gut zu kommunizieren. Denn eine Idee kann noch so brillant und super sein – wenn man sie nicht gut präsentieren und vermitteln kann, erreicht man nichts. Seit Anfang Mai koordinierst du das Business Lab an der HKB. Künste und Unternehmertum – geht das denn zusammen? Können Künste auch «unternehmerisch sein»? Für mich, ja. Nehmen wir das Beispiel eines Musikers: Dieser ist für mich per se ein Unternehmer. Nach fünf Jahren Studium muss er die Fähigkeiten, die er sich in seiner Ausbildung angeeignet hat, so in der Praxis umsetzen, dass er davon leben kann. Dies lässt sich mit einer Festanstellung zu 100 Prozent realisieren – oder etwa in einer Kombination aus mehreren Tätigkeiten, bspw. Teilzeit als Musiklehrer, Bandleader, Produzent und weiteren Engagements. Wenn er als Musiker aber selbstständig mehrere Tätigkeiten verbinden möchte – also gleichzeitig eine Band leiten, unterrichten und eine eigene CD produzieren möchte –, stellen sich ganz schnell unternehmerische Fragen: Wie kann ich eine Produktion machen, wie zahle ich meine Bandmitglieder, wie vermarkte ich mich bzw. die Band, wie organisiere ich eine Tour oder wie präsentiere ich mich auf Spotify? Marketing, Buchhaltung, Akquise und Verkauf werden zentrale Anliegen. In diesem Fall ist für mich ein Musiker per se ein «Cultural Entrepreneur». Als Unternehmer muss er stets den Überblick behalten, effizient und organisiert sein, weil diese Ressourcen wie Zeit und Geld immer limitiert sind. Somit gilt es, den «notwendigen Teil» so effizient wie möglich zu gestalten, damit er viel Zeit hat für seine Passion: das Musizieren. Unternehmertum ist also weder «Pain» noch Schimpfwort, aber richtig eingesetzt ein sehr effizientes Werkzeug, welches das Leben von der eigenen Passion ermöglicht.
Kreativwirtschaft trägt mit einem immer grösser werdenden Teil zur Schweizer Volkswirtschaft bei. Werden die Creative Economies deiner Meinung nach immer noch unterschätzt? Ich glaube, dass dies vor Corona so war, ja. Man konnte Kultur jederzeit konsumieren. Irgendjemand spielte immer irgendwo ein Konzert. Wie die Kulturschaffenden aber finanziert sind, kümmerte die Leute wenig, und die Wertschätzung fehlte oft. Durch die Krise hat die Gesellschaft nun realisiert, dass es ohne Kunst still um uns herum wird. Es fehlt etwas. Jetzt sind die Menschen hungrig darauf, wieder Kultur zu konsumieren – und zwar live und nicht am Bildschirm. Dies sehe ich als Chance für die Kreativwirtschaft: Nun können sich Kulturschaffende so positionieren, dass ihr Schaffen als etwas Wichtiges angesehen wird und nicht bloss im Hintergrund mitrauscht. Du sagst, dass Unternehmertum deine grosse Passion ist. Was zeichnet denn einen guten Unternehmer, eine gute Unternehmerin – mit Blick auf die Künste – für dich aus? Meiner Meinung nach muss ein*e gute*r Unternehmer*in bereit sein, Fehler zu machen und die eigene Komfortzone immer wieder zu verlassen. Jedes Mal, wenn man dies tut, wird das Feld, in dem man sich gerne bewegt, grösser. Dabei kann man niemandem das Lampenfieber nehmen, aber man kann es verkleinern, um die eigene Bühne anschliessend zu vergrössern. Persönliche Motivation und persönliche Ziele sind für ein unternehmerisches Vorhaben also absolut zentral. Wie möchtest du als Inkubator Studierende und Mitarbeitende bei der Umsetzung ihrer Projekte/Geschäftsideen unterstützen und motivieren? Mir ist wichtig, dass man niemanden dazu zwingt, Unternehmer*in zu werden oder unternehmerisch zu denken. Aber Werkzeuge des Unternehmertums können Studierenden und Mitarbeitenden helfen, ihre Projektarbeit zu erleichtern. Ich möchte diese Instrumente stufengerecht vermitteln und ihre «Benefits» aufzeigen. Mein Ziel ist es, die Leute auf dem Weg, den sie mit ihrem Vorhaben gehen wollen, mit meinem unternehmerischen Wissen und Netzwerk bestmöglich zu unterstützen. Das HKB-Business Lab der Zukunft – wie zeichnest du es? Was wünschst du dir? Ich wünsche mir, dass Studierende und Mitarbeitende jederzeit vorbeikommen, wenn sie Fragen haben. Zudem sollen Studierende mit praxisorientierten Lehrangeboten das Unternehmertum verstehen lernen und Leute aus der Unternehmerwelt kennenlernen, mit denen sie sich identifizieren können. Und ich möchte ihnen dabei helfen, Netzwerke aufzubauen. Auch möchte ich für Mitarbeitende Möglichkeiten entwickeln, im Arbeitsalltag unternehmerisch zu handeln und diesen so mitzugestalten.
HKB-ZEITUNG
Chris Jenny koordiniert an der HKB seit Mai 2021 das Business Lab. Er hat Geschichte, Medienwissenschaften und Kommunikation in Bern studiert und anschliessend in Norwegen einen Master of Science in Innovation und Entrepreneurship absolviert. Vor fünf Jahren gründete er mit fünf anderen Partner*innen den Impact Hub Bern und baute diesen weiter auf. Heute leitet er dort noch das Youngpreneur-Wahlfach.
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Kurzinfo Autor Informations succintes sur l’auteur Breve info sull’autore
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PAULI, CHRISTIAN
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REDIGIERT / LEKTORIERT FREIGEGEBEN
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INTERVIEW N°4
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MIESCH, STEFAN
1) Christian Pauli ist Redaktionsleiter der HKB-Zeitung. 4) Titel
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JUNI 2021
«ES SIND EINHEIMISCHE AUS DER GANZEN WELT, DIE SICH ALS EINHEIMISCHE BEZEICHNEN.»
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HKB-ZEITUNG
Stefan Miesch arbeitet als Grafiker in Interlaken und studiert im Master Design an der HKB. Miesch hat kreative Ideen für die Wirtschaft, zum Beispiel den Tourismus. Im Rahmen von «HKB geht an Land» stellt er seine Initiative FIFI vor. + Info Der Blog hkb-mad.miesch.com zeigt die Entwicklung des Konzeptes, das Stefan Miesch im Master Design an der HKB gestartet hat.
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Wer bist du? Ich heisse Stefan Miesch. Aufgewachsen bin ich in Baselland und im Aargau. Seit sieben Jahren wohne ich in Bern und arbeite seit fünfeinhalb Jahren als Gestalter für die Jungfrau Sports Holding. Wie kam es dazu? Nach dem Abschluss des Bachelors in Industrie- und Produktdesign an der FHNW und anschliessenden Anstellungen als Designer brachte mich meine Affinität zu den Bergen nach Bern. Darauf habe ich mich nach einer Stelle umgeschaut, die ich mit dem damals für mich sehr wichtigen Gleitschirmfliegen verknüpfen konnte. Wieso lebst du nicht in Interlaken? Das wäre mir zu monoton, zu unreal. Der Tourismus dominiert hier vieles. Es gibt einerseits den Massentourismus der neben dem Individualtourismus das Ortsbild massgeblich prägt. Daneben Leute, die sich für den Bergsport interessieren. Klar lassen sich dabei unterschiedliche Schattierungen ausmachen, doch die Diversität, die z.B. Bern bietet, fehlt mir dabei. Auf der anderen Seite sind die Einheimischen in Interlaken eine sehr heterogene Gruppe: Zugezogene aus der ganzen Welt treffen auf hier geborene und hier aufgewachsene. Was machst du bei der Jungfrau Sports Holding? Die JSH ist eine Firma, die sich auf den Outdoorsport spezialisiert hat. Actionsport wie Riverrafting, Canyoning, Bungy-Springen, aber auch Bergsport in allen Facetten zählen zu unserem Portfolio. Wir führen zudem den Seilpark am Rugen und unser Angebot wächst jährlich. Zu Beginn meiner Anstellung habe ich für die JSH von der Shopgestaltung bis zum Onlineauftritt das meiste mitgestaltet. Mittlerweile hat sich unser Team vergrössert, und wir haben mehr Spezialist*innen. Jetzt bin ich primär für das Printmaterial verantwortlich. Du studierst an der HKB. Was war die Motivation für das Studium? Seit Herbst 2018 studiere ich im Masterprogramm an der HKB mit der Vertiefung «Entrepreneurship». Ich bin jetzt seit fast zwanzig Jahren als Gestalter unterwegs, habe vor zehn Jahren Produktdesign abgeschlossen und ursprünglich mal das Handwerk des Schriftenmalers gelernt. Ich habe gemerkt: Ich möchte mehr. Mich interessieren Prozesse, die Herangehensweise hinter der Gestaltung. Wie macht man eine User Research? Wie geht man mit einer Nutzergruppe um? Mir fehlten die ganzen theoretischen Grundlagen, die ich auch als Gestalter einbringen möchte. Ist das ein neues Verständnis von Gestaltung? Da bin ich mir nicht sicher. Als Produktdesigner habe ich gelernt, alles zu hinterfragen: Muss dieses Design, diese Funktion so sein? Wieso ist das so? Könnte man es nicht anders machen? Meine Erfahrung zeigt, dass ich als
Gestalter jedoch oft erst zum Schluss, zum «Schönmachen» hinzugezogen werde. Ich frage mich dann oft, warum bezieht ihr mich nicht schon früher in die Prozesse mit ein? Es geht mir dabei nicht darum, die Expertise anderer Fachleute infrage zu stellen. Aber als Gestalter möchte ich verstehen, was ich gestalte. Ich glaube, durch meine Ausbildung und Erfahrung habe ich eine andere Sicht auf Dinge, nehme Sachen anders wahr und kann sie auch anders wiedergeben. Während deines Studiums bist du in ein Projekt eingestiegen, das sich mit Fragen des Tourismus in Interlaken beschäftigt. Kannst du dazu etwas sagen? In Interlaken gibt es viele Leute, die wegen einer sportlichen Passion hierhergekommen sind. Sie mögen das Umfeld, die Natur, die sportlichen Möglichkeiten. Sie können hier ihrem Hobby nachgehen, ihren beruflichen Werdegang aber, was sie bisher beruflich gemacht haben, müssen sie dem unterordnen. Andererseits fühlen sich die Einheimischen nicht mehr wohl in Interlaken, das an vielen Orten zu einer Disney World geworden ist, in der sie nur noch Schauspieler*in sind in einer Kulisse, die sie oft gar nicht wirklich verstehen oder gar nicht verstehen wollen. Sie sind hier aufgewachsen, sie haben ihre Familie hier, sie haben ein Umfeld, arbeiten im Tourismus und arrangieren sich damit. Viele flüchten sich in ihre eigenen Freizeitinseln. Um dieser Spannung auf den Grund zu gehen, habe ich viele Interviews mit den Betroffenen aus Interlaken geführt. Aus diesem Research, diesen Erfahrungen und Überlegungen ist das Projekt Interlaken anders aka FIFI entstanden? Ja: Ausgangspunkt meines Projektes ist die Erkenntnis, dass vielen Einwohner*innen ein Ort fehlt, an dem sie wieder ankommen können, also ein physischer Ort. Die Gemeinde hat das überhaupt nicht auf der Agenda und werden Orte im öffentlichen Raum entwickelt, haben diese vor allem immer auch eine touristische Ausrichtung. Wir fragen: Wie können wir einen Ort gestalten, der auch von den Bewohner*innen bespielt werden kann? Noch während wir diese Ideen in der genannten Arbeitsgruppe «Interlaken Anders» entwickelten, kam Simon Hirter (Coach beim alpenlab.ch) zusammen mit der BLS mit der Idee auf uns zu, ein altes Schiff dafür zu nutzen. Da kommt mir der Film von Werner Herzog in den Sinn: Fitzcarraldo. Ein Verrückter lässt ein Schiff über einen Berg ziehen … Auch in München gibt es ein solches Schiff (Alte Utting), das trockengelegt wurde. Um das Schiff in Betrieb zu nehmen, waren jedoch zwei komplette Jahre und diverse behördliche Massnahmen nötig. Nun beherbergt es einen Kulturbetrieb für weitere drei Jahre. Unsere Frage in Interlaken lautet: Was soll das Schiff? Was kann unser Schiff für die Einheimischen sein? Die BLS will die Schiffe per Ende 2021 aus dem Wasser haben. Ich bin gespannt, wohin sich das Ganze entwickelt.
Eigentlich sind das politische Fragen, die du als Gestalter stellst. In Interlaken hat man oft den Eindruck, dass die Gemeinde mit dem Austarieren von enormen wirtschaftlichen Interessen und Player*innen absorbiert ist – Interessen, die eigentlich viel grösser sind als die Gemeinde selbst. Das sehe ich genauso. Ich nehme die Situation in Interlaken oft so wahr, dass reagiert statt agieret wird. Im Tourismus gibt es viele gute Geschäftsmodelle, aber sie sind meistens sehr kurzfristig angelegt. Ich will der Region, der Gemeinde keinen Vorwurf machen. Ich glaube, sie haben jahrelang sehr gute Arbeit geleistet. Nun steht die Region aber vor ganz neuen Herausforderungen – der globale Tourismus ist komplett weggebrochen. Man könnte behaupten, dank der Pandemie können viele wieder durchatmen, über einiges nachdenken. Man müsste das als Chance sehen. Und es gibt auch schon diverse solche Projekte, wie zum Beispiel im Flight-Club. Wo sich Tandem-Gleitschirmpiloten ihren Lagerraum zu einem Co-Working umgebaut haben. Ich höre das aus deinen Ausführungen: Man sollte den Tourismus auch als Teil einer Kreativwirtschaft anschauen, als Gebiet, das ständig weiterentwickelt werden muss, bis hin zu sozialen Aspekten, die mit der Bevölkerung zu tun haben. Korrekt, ich glaube, Interlaken als ganzes könnte profitieren, wenn sich die vorhandene Kreativwirtschaft den touristische Herausforderung annehmen würde. Bei meiner Masterarbeit an der HKB ging es darum, ein mögliches Geschäftsmodell zu entwickeln, was für den erwähnten Ort und das Schiff Sinn ergibt. Ob das Projekt zum Fliegen kommt, werden die nächsten Monate zeigen. Danke Stefan, für dein Vorhaben wünschen wir viel Glück.
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Kurzinfo Autorin Informations succintes sur l’auteure Breve info sull’autore
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ISELI, CARMEN
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INTERVIEW N°5
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DISLER, MARIUS
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1) Carmen Iseli ist Kommunikationsspezialistin bei der BFH Kommunikation. 4) Titel
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JUNI 2021
«ABGEBEN ZU KÖNNEN IST EINE GROSSE HERAUSFORDERUNG.»
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+ Info Das Start-upUnternehmen mikafi hat sich zum Ziel gesetzt, das Kaffee-Erlebnis der Zukunft neu zu designen. Gastronomiebetriebe und Detailhändler sollen die grünen Kaffeebohnen dereinst direkt vom Importeur beziehen, vor Ort rösten und damit den Konsument*innen ein frisches und nachhaltiges KaffeeErlebnis bieten können. mikafi entwickelt das Konzept und die digitale Plattform, über die der ganze Prozess gesteuert werden soll. Auf der Plattform werden sich nur Importeure anmelden können, die gewisse Standards zu Transparenz, Nachvollziehbarkeit der Herkunft des Kaffees, zum direkten Einbezug der Farmer sowie eine faire und direkte Vergütung sicherstellen. Gastronomiebetriebe und Detailhändler sollen auf der Plattform detaillierte Informationen zu den Kaffeebohnen finden und ihre Herkunft genau nachvollziehen können. Und nicht zuletzt wird die mikafi-Plattform vollautomatisch den Röstprozess der Maschine steuern, die beim Gastronomiebetrieb oder beim Detailhändler vor Ort steht. Die erste Pilotphase startet im Sommer 2021. mikafi.com
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Marius Disler, die Geschichte von mikafi beginnt mit einem Masterstudium in Design an der HKB. Wie kam es dazu? Ich arbeitete in einer Marketing- und Brandingagentur in Zug und studierte berufsbegleitend Wirtschaft. In der Agentur lernte ich, wie Designer arbeiten, rutschte selbst immer mehr ins Kreative und wollte schliesslich mehr konzeptionell mitarbeiten und nicht nur Projekte leiten. Deshalb habe ich mich für den Master Design an der HKB beworben und wurde angenommen.
First Ventures der Gebert Rüf Stiftung gewonnen. Wie war das für Sie und was hat es verändert? Das war mein erster Wettbewerb und ich habe gleich gewonnen. Erst später habe ich so richtig verstanden, was für ein grosses Glück das war und was das bedeutet. Es ist brutal schwierig, Geld für ein Projekt zusammenzubekommen, mit dem man noch kein Geld verdient. Ich bin unglaublich dankbar dafür. Wäre das nicht passiert, würde es mikafi heute wohl nicht geben.
Der Master Design ist ein Projektstudium für gesellschaftlich relevante Designund Designforschungsprojekte. Wie haben Sie vom Studium an der HKB am meisten profitiert? In vielerlei Hinsicht, aber vor allem, indem ich lernte, Selbstdisziplin an den Tag zu legen. Anstelle von Frontalunterricht boten uns die Dozent*innen ein breites Angebot an Wissensquellen, aus denen wir uns selbst bedienen konnten. Zu Beginn fühlte ich mich fast ein wenig alleingelassen, aber es animierte mich, aktiv zu werden und mir zu holen, was ich brauchte. Und ich lernte, sehr schnell Ideen umzusetzen und auszuprobieren.
So konnten Sie aber das Start-up mikafi gründen und loslegen. Ja. Ich habe mir nur so viel Lohn ausgezahlt, wie ich zum Leben brauchte, und alles andere in die Entwicklung der Plattform und der Röstmaschine investiert. Ausserdem habe ich rasch angefangen, mir ein mikafi-Ökosystem aufzubauen, mit vielen Partner*innen und Hochschulen zusammenzuarbeiten und wertvolles Wissen von Expert*innen einzuholen. Zudem haben insgesamt sicher 15 Studienarbeiten uns unterstützt. Dieser partnerschaftliche Ansatz wurde zum wichtigen Fundament von mikafi.
Auslöser für die Idee zu mikafi war aber ein Erlebnis unmittelbar vor Studienbeginn? Ja genau, vor Studienbeginn reiste ich nach Kolumbien. Ich besuchte eine Kaffeeplantage, wo ich lernte, wie Kaffee angebaut, geerntet und geröstet wird, und durfte frische Röstungen, von nussig-schokoladiger bis Orangenote, kosten. Das war ein einschneidendes Erlebnis. Ich habe diesen Kaffee mit einem ganz anderen Gefühl getrunken und wusste: Dieses Erlebnis muss ich zu Hause anderen zugänglich machen. Nach Ihrer Masterarbeit haben Sie mit mikafi einen Förderpreis des Programms
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Inzwischen ist mikafi ein Start-up mit einem kleinen Team. Wir haben inzwischen ein ambitioniertes Team, das die Produkte entwickelt und vorantreibt. Anfangs habe ich noch viel mehr selbst designt, alles selbst gemacht. Heute ist mein Kalender eher voll mit Terminen für Kunden- und Investorenakquise, aber auch für Besprechungen mit unseren Partnern und Ingenieur*innen. War es schwierig, den Schritt zu machen vom mikafi-Einzelkämpfer zum mikafi-Team? Ja, sehr schwierig. Abgeben zu können, ist eine grosse persönliche Herausforderung.
Wir sind ein Team, alle sind an mikafi beteiligt und ich habe einen Co-Gründer, der auf der gleichen Ebene ist wie ich. Trotzdem spüre ich, wie viel ich immer noch selbst in der Hand haben und entscheiden möchte. Was war die grösste Herausforderung beim Aufbau des Start-ups? Sicher die finanzielle Unsicherheit. Während der Coronapandemie wollten wir die erste Finanzierungsrunde realisieren, und das mit der Zielgruppe Gastronomie. Wir hatten über 70 Investorengespräche. Das ging ein halbes Jahr lang so, bis wir den Perfect Match gefunden hatten. Und dazu die Unsicherheit auf Businessseite: Was passiert morgen? Kopiert uns jemand? Finden wir die richtigen Leute? Letztlich ist es immer eine Frage der Perspektive: Ich lerne immer noch, Herausforderungen als Chance zu sehen. Denn dann wird es superpositiv, und das gefällt mir. Wie ist der aktuelle Stand des Projekts? Im Sommer wird die vierte Version der Röstmaschine fertig. Sie ist ein wichtiger Teil unseres Konzepts, obwohl wir sie nicht selbst bauen. Diese Maschine mit einer Betaversion unserer Plattform wird mit ersten Kund*innen in einen Pilot gehen. Geplant sind mehrere Pilotphasen, um verschiedene Marktsegmente, die Maschine, die digitale Plattform und das Kaffee-Erlebnis vor Ort zu testen. Die Pilotphase steht vor der Tür und doch ist der Weg noch weit. Wie motivieren Sie sich immer wieder neu? Erstens machen wir mit mikafi etwas Gutes, das die Welt positiv verändern kann, den bewussten Genuss fördert. Zweitens kann ich nirgendwo so viel lernen wie bei mikafi. Das treibt mich jeden Morgen an.
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HKB-ZEITUNG
Als grösstes Abenteuer seines Lebens bezeichnet Marius Disler sein Start-up-Unternehmen mikafi, mit dem er das nachhaltige Kaffee-Erlebnis der Zukunft neu gestalten will. Die Idee dazu entstand auf Reisen in Kolumbien, wo eine Tasse frisch gerösteter Kaffee sein Leben veränderte.
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Kurzinfo Autorin Informations succintes sur l’auteure Breve info sull’autore
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KÜHNE, CLAUDIA
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KÜNSTLER*IN ALS UNTERNEHMER*IN
JUNI 2021
1) Claudia Kühne leitet die Synapse HKB (synapse-hkb.ch) und die Studierendenagentur KULT der HKB. (kult-agentur.ch)
ARTIKEL ARTIKEL N°2 N°6
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Entrepreneurship ist das Schlagwort der Stunde. Wie geht Unternehmer*innentum an der HKB konkret? Vier Beispiele aus dem Netzwerk von Studierenden, Alumni*ae und Forschenden.
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+ 1 Vgl. Creative Economy Report 2010, Weckerle Christoph / Theler Hubert, Dritter Kreativwirtschaftsbericht Zürich, Zürich 2010 (zit. Bericht). + 2 Vgl. Ryser Thomas / Liebig Brigitte, Freischaffen in Medien, IT und Kunst / Kultur: Facts und Figures zur Schweiz, in: Liebig Brigitte / Morandi Pietro (Hrsg.), Freischaffen und Freelancen in der Schweiz, Zürich 2010 + 3 Vgl. Kotler Philip et al., Grundlagen des Marketing, München 2011
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Für Künstler*innen ist die Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Fragen oft eine Liebe auf den zweiten Blick: eine zu erlernende, aber lohnenswerte Fremdsprache; etwas unangenehm und bei einigen mit Ängsten besetzt, aber notwendig und letztlich befreiend. Denn diese Sprache eröffnet die Möglichkeit zu einem Dialog mit wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Aktualitäten, die uns permanent umgeben. Die Beherrschung dieser Sprache erlaubt eine professionelle Souveränität, schafft Gestaltungsspielräume, um die verschiedenen Bälle künstlerischer Tätigkeiten erfolgreich in der Luft zu halten.
eben diese vier – teils ehemaligen – Musikstudierenden sind: Melissa da Silva, Fabio da Silva, Johanna Schwarzl und Dan Marginean. Daneben konnten sie weitere Geschäftspartner*innen an Bord holen: Digital Dood aus Rumänien ist verantwortlich für IT-Entwicklung, Studio21 in Bern übernimmt für das Audio das Streaming, Moving Water aus Bern das Video. Im Rahmen der Bachwochen Thun 2021 kommt SwipeKam als digitales Vermittlungstool erstmals zum Einsatz. swipekam.com
Ob es darum geht, für eigene Produktionen in der freien Szene Fördergelder zu beantragen, sich im Theaterbereich selbstständig zu machen, oder darum, sich von der Konkurrenz abzugrenzen und eine kreative Nische zu finden: Der unscharfen Definition dessen, was als Creative Entrepreneurship bezeichnet wird, steht der individuelle Weg der Kulturschaffenden auf dem Kulturmarkt gegenüber. Anhand der folgenden Stichproben stelle ich Beispiele aus Forschung, Theater, Musik- und Kunstvermittlung vor, die Entrepreneurship als ganzheitlichen Ansatz und als ein Bündel von Kompetenzen betrachten, als interaktives Netzwerk mit der sie umgebenden Gesellschaft, innerhalb dessen es sich künstlerisch zu behaupten gilt.
Emily Magorrian – Bühne als Ort der Verletzlichkeit Theaterschaffende haben selten nur einen Tätigkeitsbereich, ihre künstlerischen Projekte sind stark individuell geprägt und von einem grossen Idealismus getrieben. In der Arbeit der HKB-Alumna Emily Magorrian zeigen sich diese Züge exemplarisch. Im Fachbereich Theater schloss Emily Magorrian 2017 mit dem Master Expanded Theater ab und gewann während des Studiums mehrere Preise. Als Theaterpädagogin arbeitet sie regelmässig mit dem Schlachthaus Theater Bern, mit der Bühne Aarau als Regisseurin. Ausserdem erhält sie Engagements von der Junge Bühne Bern, Low Tech Magic und Ernestyna Orlowska. Selbstständigkeit bedingt in diesem Beruf geradezu, parallel an mehreren Projekten, in verschiedenen Produktionszyklen für verschiedene Auftraggebende arbeiten zu können. Ihren thematischen Schwerpunkt setzt die Theaterfrau auf die Wunden der Gesellschaft: «Use the stage to talk about failure and magic – otherwise known as vulnerability. Failure of the body, failure to vote, failure in many ways.» Magorrians Arbeiten – (auto-)biografisches, dokumentarisches Theater – sind oft partizipativ, prozesshaft. Thematisiert wurden die eigene Krebserkrankung, Kinderwunsch und Elternschaft in Zeiten von Corona, aber auch der Umgang mit politischer (Nicht-)Beteiligung, dem eigenen Versagen und dem Überleben in vielen Facetten. Damit trifft sie den Nerv der Zeit und schafft sich ihr eigenes Netzwerk von Produktionspartnerschaften und Publikumssegmenten. emilymagorrian.ch
SwipeKam – von Musikstudierenden zu den App-Entwickler*innen Vier Studierende des Fachbereichs Musik (Music in Context/Musikvermittlung) brachen Anfang 2020 zu einer Exkursion nach Berlin auf – und kamen mit einer ersten Geschäftsidee zurück, die sie nicht mehr losliess: Um klassische Konzerte für ein junges Publikum zugänglicher zu machen und zugleich die Kosten eines professionellen Streamings zu verringern, entwickeln sie eine interaktive Live-Streaming-Plattform und eine App, die es Nutzer*innen ermöglicht, die Videoübertragung vom eigenen Gerät aus zu steuern und beispielsweise die Kameraperspektive auszuwählen. Tatsächlich existiert auf dem Markt derzeit noch nichts Vergleichbares. Die Gründung eines Start-up Unternehmens ist bereits in Planung, die Suche nach sogenannten Business-Angels läuft. SwipeKam wurde durch den Verein ArtConnection initiiert und entwickelt, dessen Gründungsmitglieder
Kollektiv Ortie – Médiation künstlerisch et kritisch Das Kollektiv Ortie mit Sitz in Fribourg wurde im April 2021 als Verein gegründet und ist vorwiegend in der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz – entlang des Röstigrabens – tätig. Die Zweisprachigkeit des Teams ist eine Kernkompetenz, welche sogar zur Entstehung einer eigenen Schreibstrategie mittels einer verspielten und leicht verständlichen Mischsprache führte. Die beiden HKB-Alumnae Fanny Delarze und Esther Tellenbach haben ihre Zusammenarbeit 2018 bereits während ihres Studiums Master Art Education / Kunst- und Kulturvermittlung im Fachbereich Gestaltung und Kunst begonnen und beschäftigen sich seither intensiv mit Entrepreneurship von Kunstvermittler*innen. Den inhaltlichen Schwerpunkt setzt Kollektiv Ortie auf Projekte mit sozialem und politischem Charakter, die partizipative, emanzipatorische und bildende Ansätze aufweisen.
Unternehmer*innentum und Kreativität sind sich gegenseitig bedingende Pole: In der Berufsrealität von Künstler*innen sind unternehmerische Fähigkeiten und Handeln bewusst oder unbewusst Teil des Alltags. Von 1 welchem der verschiedenen Modelle zur Kreativwirtschaft wir auch ausgehen: Gekennzeichnet werden sie durch einen hohen Anteil an Selbstständigen und sehr kleinen Unternehmen 2. Teil davon sind aber auch Vereine und Stiftungen, welche im Rahmen ihres kulturellen Vereins- oder Stiftungszweckes wirtschaftlich tätig sind. Aus ökonomischer Sicht erzeugen Künstler*innen «Produkte» in Form von Gütern, Rechten, Werten, Ideen sowie Dienstleistungen 3. Sie sind damit Teil einer Wertschöpfungskette und eines durch Wettbewerb gezeichneten Marktes.
× × Sie zielen in ihrer Arbeit darauf ab, binäre und diskriminierende Ansichten zu hinterfragen und aufzubrechen. Wichtig ist die Arbeitsweise: Angestrebt werden stets Koproduktionen und Kollaborationen, das gemeinsame Denken für eine bessere Zukunft zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit des Kollektivs. Kontakt: e.tellenbach@gmx.ch Klingendes Museum Bern – Zutaten für ein überraschendes Erfolgsrezept Seit 2017 gibt es im Zentrum von Bern ein auf Blasinstrumente spezialisiertes Museum, basierend auf der Sammlung Burri. Das Museum wird von einer gemeinnützigen Stiftung geführt, die 2014 ins Leben gerufen wurde. Die Stiftung wird durch private Gelder und Sponsor*innen getragen. Im Stiftungsrat ist die HKB vertreten. Als vor der Eröffnung des Museums ein Aufruf gestartet wurde für Freiwillige, die Betreuung der Ausstellung während der Öffnungszeiten zu übernehmen, hätte niemand zu träumen gewagt, dass das Klingende Museum seit vier Jahren in den Händen von zwanzig meist pensionierten Benevols liegt, welche das Museum betreuen. Das Museum arbeitet eng mit Forschung und Lehre der HKB zusammen, daneben konnte es sich innerhalb von der Museumslandschaft und Tourismus Bern etablieren und führte 2019 noch knapp 125 Führungen durch. Dr. Adrian von Steiger, Geschäftsleiter des Museums, sieht einen Grund für den Erfolg darin, dass die Schweiz die höchste Dichte an Blasmusikverbänden weltweit habe. Von Steiger ist an der HKB tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Koordinator des Forschungsfelds Musikinstrumente im Institut Interpretation. Derzeit läuft die Sonderausstellung «Kuriositäten – merkwürdige Blasinstrumente» mit einem aussergewöhnlichen Spezialgast, dem Theremin, welcher coronakonform berührungsfreies Musikmachen ermöglicht. klingendes-museum-bern.ch
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i sell fire in hell
JUNI 2021
i sell ice in the winter
HKB-ZEITUNG
i am a hustler
i'll sell water to a well
feeling
i’m not
very today
worky
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SOMMER, MIKE
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INTERVIEW N°7
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RISTIC, JANA
1) Mike Sommer schreibt für das Textatelier in Biel.
JUNI 2021
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«ES MUSS SINN MACHEN, SONST WIRD NICHTS GESCHEITES DRAUS.»
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Jana Ristic arbeitet im Rahmen ihrer Bachelorthesis am Konzept einer Holzwerkstatt, die auch Bar, Ludothek und Begegnungsort ist. «Viele Menschen möchten kreativ tätig sein, wissen aber nicht, wie sie es angehen sollen», sagt sie. Mit ihrem Projekt will sie ihnen dabei helfen.
HKB-ZEITUNG
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Sie haben erst mit 19 Jahren ihre Schreinerlehre und mit 27 das Studium BSc Holztechnik an der BFH begonnen. Nehmen Sie nicht immer den kürzesten Weg? Mit 16 ist man zu jung, um zu wissen, was man beruflich das ganze Leben lang machen will. Jedenfalls für Leute wie mich, die eine grosse Neugier für verschiedene Dinge haben. Deshalb habe ich mir Zeit gelassen, die Schule noch etwas verlängert und vor der Lehre in unterschiedlichsten Jobs gearbeitet. Meine Eltern haben mich dabei unterstützt, auch als ich während der Lehre ein Praktikum in Südkorea und ein Volontariat in Thailand absolvierte. So konnte ich viele Erfahrungen sammeln und habe mir angewöhnt, das zu tun, was mich gerade interessiert. Und warum wurden Sie Schreinerin? Ich wollte auch Grafikerin oder Game-Designerin werden. Doch ich hörte auf meinen Vater, der ein handwerklicher Allrounder ist und mir dazu riet, nicht mein Leben im Bürosessel zu verbringen. Da ich auch gerne manuell tätig bin, entschied ich mich für eine Schreinerlehre. Um mir alle Wege offenzuhalten, habe ich während der Lehre noch die gestalterische Berufsmatura absolviert. Nach dem Lehrabschluss orientierten Sie sich wieder neu. Warum? Ich wollte einfach ohne den Druck arbeiten, mich als Frau in einer von Männern dominierten Branche wieder beweisen zu müssen. Deshalb arbeitete ich in der Gastronomie und als Flight Attendant – Dinge, die sowieso auf meiner To-do-Liste standen. Und mit meinem Vater gründete ich eine Art Familienunternehmen. Warum entschieden Sie sich nach vier Jahren doch noch für ein Studium? Weil mich das Campus-Leben reizte – Leute kennenlernen, eine gute Zeit verbringen, wie in diesen Hollywood-Filmen (lacht). Der Hauptgrund war aber, dass ich bei der Arbeit mit meinem Vater merkte, dass wir beide zwar das Handwerkliche im Griff, ich aber keine
Ahnung von Marketing und Business hatte. Mit dem Studium BSc Holztechnik wollte ich diese Lücken schliessen. Haben sich Ihre Erwartungen an das Studium erfüllt? Ja, nur ist leider Corona dazwischengekommen. Sonst würde ich jetzt in einem Praktikum in Neuseeland nachhaltig produzierte Surfbretter herstellen und anschliessend darüber meine Bachelorthesis schreiben. Weil dieses Projekt ins Wasser fiel, musste ich mir ein anderes Thema für die Thesis überlegen. Es musste etwas sein, das mich anspricht und das Sinn macht, sonst wird bei mir nichts Gescheites draus. Ich beschloss deshalb, ein eigenes Projekt zu entwickeln, in dem ich alle meine Interessen und Neigungen kombinieren kann. Was kam dabei heraus? Meine Bachelorthesis heisst «Geschäftsmodell an der Schnittstelle» und mein Projekt ist ein Unternehmen, in dem alle Beteiligten miteinander, füreinander und auch für die Gesellschaft tätig sind. Mich interessiert vieles: psychologische und soziale Fragen, Gastronomie, Strategie-Brettspiele, Handwerk. Das alles will ich zusammenbringen. Das Konzept ist ein Lokal, das sowohl Bar, Ludothek als auch Werkstatt ist. Dort kann man etwas trinken und snacken und an Tischen Brettspiele spielen. Die Werkstatt ist vor allem für die Holzbearbeitung ausgerüstet, aber man kann auch töpfern, malen oder was auch immer. Wie kamen Sie auf dieses Konzept? Mein Eindruck ist, dass viele Menschen eigentlich gerne handwerklich und kreativ tätig wären. Aber sie wissen nicht, wie sie es angehen sollen. Oft ist die Hürde zu gross, sich für einen Kurs anzumelden, weil die Informationen im Internet wenig visuelle Anreize vermitteln. Ich will diese Hürde senken. Von der Bar in die Werkstatt sind es nur ein paar Schritte, und ich kann den Leuten sagen: Kommt rein, schaut euch um, hier könnt ihr zum Beispiel ein altes Möbel reparieren oder
in einem Workshop kreative und handwerkliche Tätigkeiten ausprobieren. Und Sie glauben an den Erfolg dieser Idee? Viele Leute haben eine versteckte Leidenschaft für das Handwerkliche und gerade das Arbeiten mit Holz findet bei Umweltbewussten grossen Anklang. Gleichzeitig stelle ich fest, dass traditionelle handwerkliche Tätigkeiten wie das Möbelschreinern es zunehmend schwer haben. Ich möchte mit dem Projekt auch das Interesse am Handwerk und speziell am Arbeiten mit Holz wieder wecken. Vielleicht ist eine Zusammenarbeit mit Schulen möglich, um die Kids anzusprechen. Sehr wichtig ist mir auch die soziale Komponente. Die Leute haben heute mit Internet und Social Media so viele Möglichkeiten, und trotzdem fühlen sich viele einsam. In meiner Werkstatt-Bar könnten sich unterschiedlichste Menschen treffen, austauschen und kennenlernen. Darum gehts mir, da fliesst mein Herzblut. Derzeit ist Ihr Projekt eine Bachelorthesis, also Papier. Werden Sie es nach dem Studium umsetzen? Eigentlich wollte ich im nächsten Schritt Investoren suchen, die dem Projekt auf die Beine helfen. Aber ich bin jetzt 30 und verspüre mit meinem Freund den grossen Wunsch, eine Familie zu gründen, Kinder zu haben. Deshalb werde ich nach dem Studium als Projektleiterin in einer Holzbaufirma arbeiten, weil es mir gefällt und um mich finanziell abzusichern. Mein eigenes Projekt muss also vorerst warten. Ich will mich nicht festlegen. Ich wäre auch zufrieden, wenn jemand anderes meine Idee und die damit verbundene Philosophie realisiert. Vielleicht mein Freund. Oder vielleicht entsteht ein Trägerverein, und ich bin dann im Vorstand und begleite das Projekt. Ich bin da sehr offen.
and
love what you do
1) Peter Bader schreibt für das Textatelier in Biel.
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BADER, PETER 4) Titel
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KYRIAZOPOULOS, MICHAIL titolo
«FÜR UNS WAR ES SEHR WICHTIG, MITARBEITENDE ZU FINDEN, DIE UNSERE LEIDENSCHAFT TEILEN.»
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JUNI 2021
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Kurzinfo Autor Informations succintes sur l’auteur Breve info sull’autore
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REDIGIERT / LEKTORIERT FREIGEGEBEN
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INTERVIEW N°8
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«In diesem ganzen Prozess sammeln wir jeden Tag so viele neue Erfahrungen, dass wir als Personen und Berufsleute laufend wachsen – unabhängig von Erfolg oder Misserfolg», sagt Michail Kyriazopoulos, Gründer von NaturLoop. Das Start-up stellt aus den Ernteresten der Kokosnussproduktion nachhaltiges und günstiges Baumaterial her. D
Herr Kyriazopoulos, was ist die Geschäftsidee Ihres Start-ups? Wir stellen aus Fasern der Kokosnussschalen nachhaltige und günstige Faserplatten her. Daraus entstehen dann Möbel und Platten für Wand- und Deckenverkleidungen. Unser Hauptmarkt für das Cocoboard wird auf den Philippinen liegen, aber auch Europa könnte für uns interessant sein.
zeitig den Energieverbrauch für Pressung und Erhitzung. Dieser Klebstoff basiert auf Tanninen, die durch einfache Heisswasserextraktion aus Holz gewonnen werden. Anders als herkömmliche Klebstoffe enthält er also kein gesundheitsschädigendes Formaldehyd. Das Cocoboard hat mechanische und physikalische Eigenschaften, die mit jenen von mitteldichten Faserplatten (MDF) vergleichbar sind.
Wie kam es dazu? Seit den 1960er-Jahren wurden mehr als die Hälfte der weltweiten Tropenwälder zerstört. Um die verbleibenden natürlichen Ressourcen zu schützen, werden unter anderem Abholzungsverbote erlassen. Die begrenzte Verfügbarkeit von Holz erhöht nicht nur die Preise, sondern macht viele Länder auch stark vom Import von Holzwerkstoffen abhängig. Für die Philippinen ist das besonders problematisch: Das Land umfasst mehr als 7000 Inseln. Demgegenüber produzieren Indonesien, die Philippinen und Indien über 75 Prozent des weltweiten Bedarfs an Kokosnüssen. Insgesamt fallen dabei jährlich 21 Millionen Tonnen Kokosnussschalen an, alleine 5 Millionen auf den Philippinen. Der grösste Teil davon wird verbrannt oder deponiert, was eine erhebliche Verschwendung von natürlichen Ressourcen ist.
Wie wurde daraus eine Business-Idee, die 2018 zur Gründung von NaturLoop führte? Entscheidend waren nicht in erster Linie wirtschaftliche Überlegungen, sondern der Umstand, dass solche Platten auf den Philippinen wirklich gebraucht werden, sie also einem grossen Bedürfnis entsprechen. Zu Beginn fanden sich keine privaten Investoren, um die Produkte weiterzuentwickeln. Ohne die Gelder von Innosuisse und des Schweizerischen Nationalfonds hätten wir das nicht geschafft.
Wie wurden Sie auf das Problem aufmerksam? 2014 gelangte die gemeinnützige Hilti-Stiftung ans Institut für Werkstoffe und Holztechnologie (IWH) der Berner Fachhochschule (BFH) mit der Anfrage, ob es nicht möglich sei, aus diesen Abfällen günstige und nachhaltige Baumaterialien herzustellen. In dieser Zeit absolvierte ich dort den Master in Wood Technology. Ich wurde also eher zufällig auf das Projekt aufmerksam.
Wie reagiert man am besten auf Zweifel? Mit einem guten Team innerhalb des Startups und guten Berater*innen darum herum. So kann man schwierige Entscheidungen gut vorbereiten.
Wie wurde das Problem gelöst? Für die Herstellung des Cocoboard werden die Fasern der Kokosnussschalen pulverisiert und anschliessend erhitzt und gepresst. Beigegeben wird zudem ein ebenfalls an der BFH entwickelter, natürlicher Klebstoff. Er bindet und festigt das Material und reduziert gleich
Haben Sie oft gezweifelt? Ja, immer wieder, das gehört dazu. Für ein Start-up gibt es viele Hindernisse. Die Produkte müssen im Labor entwickelt werden. Danach folgt der wirklich grosse Schritt: sie aus dem Labor auf den Markt zu bringen. Es braucht also insgesamt viel Know-how, viel Geld, viel Ausdauer.
Welche Unterstützung war in der Start-up-Phase besonders wichtig? Von Innosuisse bekamen wir nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch aufschlussreiche Beratung bei technischen, finanziellen oder geschäftlichen Fragen. Auch die Seminare von Venturelab sind gut: Dort erfährt man zum Beispiel, wie man am besten Investoren für sein Projekt gewinnt. Die wichtigste Unterstützung leistete aber die BFH: Insbesondere die hochwertige Infrastruktur der BFH-Labors war und ist für uns von grossem Nutzen. Zudem profitieren wir vom techni-
do what you love
schen Know-how der BFH-Mitarbeitenden. Und auch bei der Übertragung des Patents an NaturLoop war die Hochschule sehr kulant. Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit als Start-up-Gründer besonders? Natürlich ist es sehr erfüllend, wenn die Resultate aus dem Labor schliesslich produziert und verkauft werden können. Aber in diesem ganzen Prozess sammeln wir jeden Tag auch so viele neue Erfahrungen und lernen so viel Neues dazu, dass wir als Personen und Berufsleute laufend wachsen – unabhängig von Erfolg oder Misserfolg. Das ist für mich genauso faszinierend. Auf was müssen Gründer*innen besonders achten? Für mich und meinen Co-Gründer Daniel Dinizo war es sehr wichtig, Mitarbeitende zu finden, die unsere Leidenschaft und Motivation für das Projekt teilen. Das ist gar nicht so einfach, aber absolut unerlässlich. Im Moment sind wir insgesamt zu fünft. Ausserdem ist es sehr wichtig, sich neben der Arbeit für das eigene Unternehmen immer auch über die neusten technischen und Business-Trends und -Innovationen auf dem Laufenden zu halten. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Dass alles aufgeht wie geplant. Im Moment führen wir eine Reihe von industriellen Versuchen durch, um die Produktionstechnologie zu finalisieren. 2022 wollen wir die Rohmaterialbeschaffung sicherstellen und die entsprechenden Logistikprozesse vor Ort definieren. Ende 2022 soll der erste Produktionsstandort auf den Philippinen in Betrieb genommen werden. Wir gehen von einem jährlichen Produktionsvolumen von 30 000 m3 und einem Jahresumsatz von 12 bis 15 Millionen Franken aus. Auf längere Sicht sind weitere Produktionsstandorte geplant. Im Moment wünsche ich mir aber vor allem, dass der Corona-Ausnahmezustand endlich zu Ende geht und wir wieder zum normalen Alltag zurückkehren können. Allein schon, dass wir wieder reisen und fliegen können, ist für unser Start-up sehr wichtig.
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INTERVIEW N°9
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NEDELKOSKA, ELENA
1) Mike Sommer schreibt für das Textatelier in Biel.
JUNI 2021
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«MEIN TIPP AN ALLE JUNGEN: PROBIERT ETWAS AUS!»
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«Obwohl es im ersten Anlauf noch nicht geklappt hat, habe ich wertvolle Erfahrungen gemacht», sagt Elena Nedelkoska. Die Holzingenieurin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der BFH konnte ihre Vision eines Start-ups vorerst nicht umsetzen. Aber sie ist einen grossen Schritt weitergekommen.
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Elena Nedelkoska, Sie sind vor fünf Jahren in die Schweiz gekommen, um an der BFH den Masterstudiengang in Wood Technology zu absolvieren. Was hat Sie dazu motiviert? Ich hatte in meiner Heimat Nordmazedonien einen Bachelor «Interieur und Möbeldesign» gemacht und war dann fünf Jahre als Innenarchitektin tätig. Dann fand ich, dass es Zeit ist für etwas Neues. Mich interessierte die andere Seite der Objekte, mit denen ich bis dahin gearbeitet hatte: das Material an sich. Da war ein Studium in Holztechnologie an der BFH genau das Richtige. Schon im Studium habe ich zu 50 Prozent als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Thema Holzverdichtung gearbeitet und dann meine Masterthesis dazu geschrieben. Die BFH forscht schon eine Weile an der Technologie, wie man einheimisches Holz so bearbeiten kann, dass es praktisch die Eigenschaft von Tropenholz annimmt. Die Erfahrung auf dem Gebiet der Holzverdichtung ist dann in Ihr Projekt WoDens Technology eingeflossen. Welche Idee steckt dahinter? Als ich in unseren Labors zum ersten Mal verdichtetes Holz sah und berührte, war es um mich geschehen – ich habe mich in das Material verliebt! Von da an habe ich viel darüber nachgedacht, wie ich daraus Möbelstücke oder Schmuck herstellen könnte. Speziell interessiert hat mich die Frage, wie man das Holz beim Verdichtungsprozess mit beliebigen Farben einfärben könnte. Das Ziel ist eigentlich, die Wertigkeit von Schweizer Holz zu erhöhen – und zwar mit umweltverträglichen Methoden. Wie wichtig ist Ihnen der ökologische Aspekt? Wenn wir einheimische Rohstoffe und Produkte verwenden, ist das gut für die Umwelt, denn damit vermeiden wir Warentransporte. Wir können sicher nicht auf alle Importe verzichten, aber wir sollten uns in diese Richtung bewegen.
Wie schwierig war es, ein Produkt für den Markt zu entwickeln? Es war mein Chef, der mir vorschlug, mit der Technologie der Holzverdichtung ein Startup zu gründen. Ich dachte mir: O.K., das tönt interessant. Ich hatte mir ja schon als Kind immer vorgestellt, wie ich später einmal zusammen mit einem Team kreativ tätig sein und Dinge entwerfen würde, die für andere Menschen nützlich sind. Hier bot sich nun eine Möglichkeit. Aber wir standen erst ganz am Anfang. Die Technologie musste weiterentwickelt werden. Und um ein Unternehmen zu gründen, muss man sich zuerst einmal über das Geschäftsmodell im Klaren sein. Wie sah Ihr Geschäftsmodell aus? Es war ein B2B-Konzept: WoDens Technology sollte Holzwerkstoffe mit spezifischen Eigenschaften für Hersteller zum Beispiel von Möbeln oder von Schmuck produzieren. Es ging also nicht darum, eigene Objekte zu designen. Das möchte ich dann schon irgendwann tun, aber man muss Schritt für Schritt vorwärtsgehen. Als Erstes beschlossen wir, am Programm «First Ventures» der Gebert Rüf Stiftung teilzunehmen. Es unterstützt Studierende, die eine innovative Geschäftsidee entwickeln und diese mit einem Spin-off nach dem Studium umsetzen wollen. Sie mussten also eine Projekteingabe verfassen. Ja, und zwar eine, die das Geschäftsmodell genau beschreibt. Das war für mich etwas Neues, ich musste recherchieren und Marktforschung betreiben. Dabei wurde ich von meinen Kollegen, den Dozenten, aber auch von Studierenden des Departements Wirtschaft der BFH unterstützt. Daraus entstand praktisch ein interdisziplinäres Team von Experten, in dem alle vom Wissen der anderen profitierten. Hilfreich waren für mich auch die Erfahrungen aus meiner beruflichen Tätigkeit als Innendesignerin. Damals betreute ich Kunden von der ersten Idee bis zum
Abschluss der Projekte. Dieser Austausch war mir immer sehr wichtig. Das kam mir zugute, als ich für meine Marktforschung Unternehmen in verschiedenen Branchen besuchte, um ihre Bedürfnisse abzuklären. Obschon Sie einen First VenturesUnterstützungsbeitrag gewonnen haben, wurde dann doch nichts aus dem Spin-off WoDens Technology. Warum? WoDens Technology ist noch nicht reif für ein Unternehmen, aber wir werden im Rahmen von Innosuisse-Projekten und zusammen mit industriellen Partnern weiter daran arbeiten. Wir wissen jetzt, was noch fehlt zu einem Produkt mit guten Marktchancen. Wir müssen noch einige technische Herausforderungen meistern und die Kosten unseres Verfahrens senken. Daran arbeiten wir jetzt. Sind Sie zuversichtlich, dass aus Ihrer Vision einmal Realität wird? Auf dem Weg zu einem Unternehmen muss man flexibel und offen sein. Ich möchte natürlich, dass das Konzept irgendwann funktioniert. Sie sind aber nicht enttäuscht, dass es nicht sofort geklappt hat? Überhaupt nicht. Das ist Teil der Reise und keine Tragödie, wenn sich die Dinge anders entwickeln als geplant. Niemand fällt gerne an einer Prüfung durch. Und mit einer Geschäftsidee und einem Unternehmen ist es dasselbe: Niemand möchte scheitern. Obwohl es im ersten Anlauf noch nicht geklappt hat, habe ich trotzdem wertvolle Erfahrungen gemacht. Und jede Erfahrung wird mir irgendwann nützen. Wer kein Risiko eingeht, kann zwar auch nicht scheitern. Aber er verzichtet auf wertvolle Erfahrungen. Das ist mein Tipp an alle Jungen: Probiert etwas aus! Wenn es nicht funktioniert, habt ihr etwas gelernt und werdet davon profitieren. Wer weiss, wohin euch euer Weg noch führen wird.
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with a deadline
just a dream
JUNI 2021 MÄRZ 2021
a goal is
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dress
for
success
like a boss
win some and loose some
as long as the outcome is income
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STELLUNGNAHME N°10 -
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REICHENAU, CHRISTOPH 2) Titel
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STELLUNGNAHME
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«Kulturschaffende», hat der Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti 1994 geschrieben, sei im heute gängigen, «insgeheim elitären Sinn» ein Misswort und gehöre in den Müll des Unbrauchbaren. Denn Kultur sei «nicht das Aussergewöhnliche, sondern das Alltägliche, nicht das absolut Gute, sondern das ambivalent Menschliche, nicht die Ausnahme von der Regel, sondern die Summe aller Regeln und Tätigkeiten.» Marti fragt: «Ist unsere Kultur überhaupt denkbar z.B. ohne Briefträger, ohne Kioskfrauen, ohne SBB (…) ohne Kanalisationsarbeiter, ohne (meist ausländische) Maurer. Ohne (meist ebenfalls ausländisches) Spitalpersonal, ohne Polizisten und – erst recht! – ohne Gärtner, ohne Bauern (Agrikultur war die erste Kultur, die schlechthinnige Kultur sogar)?» Nun soll neu in der Stadt Bern die Kultur- und Kreativwirtschaft gefördert werden. Der Begriff «Kreativwirtschaft» ist etwa so alt wie Martis Text. Man versteht darunter Personen und Betriebe, die sich mit der Schaffung, Verteilung und medialen Verbreitung kultureller bzw. kreativer Güter und Dienstleistungen befassen. Der Verband Kreativwirtschaft Schweiz zählt 483 000 Kreativschaffende und 71 000 Betriebe (Musik, Buch, visuelle Kunst, Film, Rundfunk, darstellende Künste, Kunsthandwerk und Design, Architektur, Werbung, Games, Presse, Phono), die 22 Milliarden Wertschöpfung erarbeiten, rund 4 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Zu den darstellenden Künsten gehören, um ein Beispiel zu nennen, das Opernhaus Zürich mit mehr als 80 Millionen Jahressubvention so gut wie ein gänzlich unsubventioniertes Tanzensemble am freien Markt. Und unter «Presse» figuriert die TX Group, die eben «Bund» und «Berner Zeitung» zusammenlegt, ebenso wie ein lokales Onlinemagazin. Auffällig: Zur Kreativwirtschaft gehören sich selbst finanzierende Tätigkeiten wie Architektur oder Werbung und auf staatliche Unterstützung angewiesene Bereiche wie Musik (in allen Stilrichtungen und Kommerzschattierungen) oder Tanz. Was also ist in dieser kreativen und wirtschaftlichen Vielfalt die Kulturwirtschaft? Die vom Staat unabhängige Wirtschaft? Die vom Staat subventionierte Wirtschaft? Und woran misst sich Kreativität, die diese Wirtschaft prägt – an besonders neuen, nachhaltigen, nützlichen Leistungen und Produkten? Oder ist das, was sie schafft, einfach nicht oder noch nicht marktfähig und bedarf deshalb der Unterstützung? Unterstützung verdient für mich jede wirtschaftliche Tätigkeit, die gesellschaftlich unabdingbare und nützliche Leistungen erbringt und Produkte erzeugt. Das gilt für eine Theateraufführung wie für die Erfindung des Dampfkochtopfs. Für den Schreiner, der ein Büchergestell liebevoll exakt einpasst, wie für die Designerin eines Stuhls. Für die Metallbauer eines Wanderstegs wie für die Bühnenbildnerin am Theater. Wir sind als Gesellschaft – in Martis Sinn «als Kultur» – auf alle sinnvollen Leistungen aller angewiesen. Da fragt man sich: Weshalb gibt es keine Unterstützung und Auszeichnung für Kassiererinnen und Strassenarbeiter, selbstverständlich jedoch für Bucherstlinge? Hier müssen wir einmal gründlich über die Bücher. Um sicher zu sein, dass der Förderung des kreativen Schaffens kein «insgeheim elitärer Sinn» (Marti) anhaftet. Christoph Reichenau ist Fürsprecher, Autor und ehemaliger Kultursekretär der Stadt Bern.
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smells
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team spirit
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Suchbegriffe: #entrepreneur; #entrepreneurship; #startup; #startupculture; #motivationquote; #motivation; #workhard; #workinglife; #success; #mindset; #business; #successclub; #creation; #creative; #thinktank; #businesscasual; #dailysuccess; #worklifebalance; #designthinking; #ideas; #developingideas; #positivevibes; #buildyourempire; #empoweryourself; #workfromhome; #digitalnomad; #gadgets; #tools; #digitaltools; #teammeeting; #macbook; #iphone; #apple; #limitless; #workfromhome; #dreams; #dreambig; #passion; #hustler; #learning #thumbsup; #teambuilding; #teamspirit; #office; #homeoffice; #officeinspo; #officeinspiration; #officeinterior; #coffee; #latteart; #plants; #hands; #human; #goals; #lifegoals; #50cent; #motivationmonday; #9to5; #beyourownboss; #noexcuses; #planner; #dailyplanner; #dailygoals; #liveyourdream; #dreamwork; #dreamjob; #stayhumble; #lifestyle; #selffunded; #ideasarereal; #dailybusiness; #businessasusual; #creativebusiness; #astarisborn; #dropshiplifestyle; #businesscoach; #usp; #bossbabe; #onlinebusiness; #startupstory; #entrepreneurspirit; #ladyboss; #contentmarketing; #contentcreator; #gottastayfocused; #selfgrowth; #personaldevelopment; #alwayslearning; #followtheleader; #millionairementor; #workanywhere; #mycreativebiz; #creativelifehappylife
the only way is up
Impressum HKB-Zeitung Aktuelles aus der Hochschule der Künste Bern HKB N°2/2021 Herausgeberin Berner Fachhochschule BFH Hochschule der Künste Bern HKB
Redaktion Christian Pauli (Leitung) Sébastien Armure Urs Lehni Lara Kothe Peter Kraut Marco Matti Nathalie Pernet Andi Schoon Bettina Wohlfender Mitarbeiter*innen für diese Ausgabe Julia Geiser, Robert Lzicar und Carmen Iseli
Gestaltungskonzept und Layout Atelier HKB Marco Matti (Leitung) Jacques Borel Lara Kothe Sebastian Wyss Druck DZB Druckzentrum Bern Auflage: 7750 Exemplare Erscheinungsweise: 4 × jährlich
© Hochschule der Künste Bern HKB. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitung darf ohne schriftliche Genehmigung der HKB reproduziert werden. Berner Fachhochschule BFH Hochschule der Künste Bern HKB Fellerstrasse 11 CH-3027 Bern hkb.bfh.ch
Die Einnahmen aus den Inseraten kommen vollumfänglich dem Stipendienfonds zugute, der HKBStudierende in prekären finanziellen Verhältnissen gezielt unterstützt.
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FAN T FES
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19. TIVA I B A D L F Ü R AN T E R N EN / N I M AT I O N S AT C A H 7. – 1 2. S WEIZ IONSFI LES E LM WW PTEMB W. F ANT ER 2021 OCH E.CH
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Preisverleihung 15. «Der Bund»-Essay-Wettbewerb Wird uns Corona nachhaltig verändern - hier und überhaupt in allen Ländern? 7. September 2021 18.30 Uhr Dampfzentrale Bern Lesung & Slam-Performances Moderation - Renato Kaiser Sound - The High Horse Bühne und Visuals - HKB Tickets www.derbund.ch/essay Tel. 0800 551 800
Bild: Yvain Genevay
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Fr, 28.5. / Sa, 29.5.2021 Diplome 21 Oper
Hermann Reutter: Die Brücke von San Luis Rey In Zusammenarbeit mit dem deutsch-syrischen Aktionskünstler Manaf Halbouni zeigen unsere Opernstudierenden Hermann Reutters Rundfunkoper aus dem Jahre 1954. Basis bildet die grossartige Novelle von Thornton Wilder. → Fr, 19.30 Uhr / Sa, 19 Uhr → Theater Biel, Burggasse 19, 2502 Biel Sa, 29. – So, 30.5.2021 HKB
Abschlusswochenende HKB geht an Land Das Kooperationsprojekt zwischen der Hochschule der Künste Bern HKB und Berner Gemeinden geht in die dritte Runde: nach Interlaken ins Berner Oberland. → Interlaken (verschiedene Standorte) → hkbgehtanland.ch Sa, 29.5. – So, 30.5.2021 Forschung
Performance: The Ethics and the Politics of Care 1. Mapping the Field. This is the first event in the series of annual colloquia on the topic of the conservability of performance art and performance-based works. → hkb.bfh.ch/veranstaltungen
JUNI Mi, 2.6.2021, 17.30 Uhr Forschung
Forschungs-Mittwoch #121 Social Design by A/BZ – Growing a studio that experiments within society. Jo Japenga, research director at Afdeling Buitengewone Zaken (A/BZ) and teacher at Willem de Kooning Academy in Rotterdam (NL). He will show example projects and talk about the evolving practice of A/BZ. → hkb.bfh.ch/forschungs-mittwoch Do, 3.6.2021, 18 Uhr Klassik
Halt auf Verlangen Die HKB-Konzertreihe unmittelbar neben dem Bahnhof Bern. Studierende der Klasse von Christian Roellinger (Saxofon) und Gertrud Weinmeister (Viola). Im Jazzspot: «Collectif LeChat» mit Ludmilla Mercier (Querflöte), Ulysse Loup (E-Bass) und Loïc Baillod (Kontrabass) → Spittelkapelle im Burgerspital, Bahnhofplatz 2, Bern
hkb.bfh.ch /veranstaltungen
Fr, 4.6. – Sa, 11.9.2021 Diplome 21 Musik und Bewegung
Fr, 11.6.2021, 19.30 Uhr Oper
Fr, 18.6. / Fr, 25.6. / Sa, 26.6.2021 Musik und Bewegung
Mo, 30.6. – So, 9.7.2021 Diplome 21 Gestaltung und Kunst
Di, 24.8.2021, 18.30 Uhr Jazz
Masterdiplome
Qui est Micaëla?
Pulsations
Finale 21
Kultur im Viktoria
Der Bereich Musik und Bewegung bietet einen Bachelor an – die Diplomand*innen 2021 haben bereits im Januar im Rahmen des Festivals Playtime abgeschlossen. Im Master zeigen wir im laufenden Jahr drei Masterdiplome.
Die Geschichte von Georges Bizets Carmen aus der Sicht von Micaëla. Ein Projekt der Operstudentin Tereza Kotlanova. → HKB Burg Biel, Saal Oper
Präsentation der Abschlussarbeiten der Bachelor-Studiengänge Vermittlung in Kunst und Design, Visuelle Kommunikation und dem Master-Studiengang Art Education. → HKB Fellerstrasse 11, 3027 Bern → finale21.ch
Fr, 4.6. / Sa, 5.6.2021 Diplomveranstaltung Sound Arts
Let’s Talk About Race
Pulsations zeigt die Farbigkeit von Projekten, die im vielseitigen Zusammentreffen von Musik und Bewegung entstanden sind. → Fr, 18.6., 20 Uhr / Fr, 25.6., 18 / 20 Uhr / Sa, 26.6.2021, 18 / 20 Uhr → HKB Burg Biel, Jakob-Rosius Strasse 16, 2502 Biel → Reservation: rhythmik@hkb.bfh.ch Juni 2021 – Datum folgt online Oper
Fr, 2.7.2021, 18 Uhr Gestaltung und Kunst
Hinter deinen Worten – Frische Literatur und leichtfüssiger Jazz. Ein gemeinsamer Auftritt des Triologs Démontage und von Studierenden des Schweizerischen Literaturinstituts zum Thema «Verbundenheit». Der Anlass wird vom Radio RaBe live übertragen. → www.az-viktoria.ch/leben/kultur → Kapelle Alterszentrum Viktoria AG, Schänzlistrasse 63, 3000 Bern → Reservation: Tel. 031 337 21 11
Stabat Mater
Season Closing
von Giovanni Pergolesi. Ein szenisches Projekt von Polina Kulykova. → HKB Burg Biel, Saal Oper
Carte Blanche to Lorena Stadelmann, performer and president of STAMM Studio; a work, creation and residency space for artists of all disciplines, in Porrentruy (CH). → Cabane B, Kunstraum beim Bahnhof Bümpliz Nord, Mühledorfstrasse 18, 3018 Bern → cabaneb.ch
à suivre #39 Die hybride Edition von à suivre zeigt, was im Bereich Sound Arts im letzten Semester entstanden ist: Zu entdecken gibt es Soundinstallationen, Live-Electronics, Performances und mehr. → Fr, ab 17 Uhr / Sa, ab 14 Uhr → HKB Papiermühlestrasse 13d, Bern → hkb-soundarts.ch Di, 8.6.2021, 18.30 Uhr Musik Klassik
Kultur im Viktoria Mit Schirm, Charme und Herzklopfen. Drei Studierende des Schweizer Opernstudios (Adi Denner, Tereza Kotlanova und Xuenan Liu) begeben sich gemeinsam mit dem Pianisten Reto Schärli auf einen erfrischenden Spaziergang durch die Operettenwelt: Mit Schirm, Charme und Herzklopfen geben sie Arien (u. a. von J. Strauss, E. Kálmán, F. Lehár und E. Künneke) zum Besten, stets gewürzt mit einem Lächeln und einer Prise Humor. → www.az-viktoria.ch/leben/kultur → Kapelle Alterszentrum Viktoria AG, Schänzlistrasse 63, 3000 Bern → Reservation: Tel. 031 337 21 11 Do, 10.6.2021, 17.30 Uhr Forschung
Donnerstags-Vortrag Living Materials: Ethics and Principles for Embodied Stewardship This conversation between artist and archivist Cori Olinghouse and art historian Megan Metcalf examines embodied conservation skills, which are essential for the preservation of performance and related mediums. → Anmeldung unter: performanceconservation@ gmail.com Do, 10.6. / Fr, 11.6.2021, 18 Uhr Composition / Creative Practice
Uraufführungsabend Die Semesterpräsentationen in Composition / Creative Practice mit Projekten, Uraufführungen und Répertoire-Werken bieten stets ein Kaleidoskop an unterschiedlichen (medial erweiterten) Musiken. → HKB, Auditorium, Ostermundigenstrasse 103, 3006 Bern
Fr, 11.6. – Mi, 30.6.2021 Gestaltung und Kunst In her movie Let’s Talk About Race Arathy Pathmanathan deals in her film with the different faces of racism within Switzerland. → Cabane B, Kunstraum beim Bahnhof Bümpliz Nord, Mühledorfstrasse 18, 3018 Bern → cabaneb.ch Fr, 11.6.2021, 9 – 16 Uhr Weiterbildung
Fr, 18.6.2021, 19.30 Uhr Oper
Projektpräsentationen CAS Kulturelle Bildung
V životě člověkem
Die Absolventinnen des CAS Kulturelle Bildung 2020/21 präsentieren ihre Abschlussprojekte. Sie sprechen über ihre Erfahrungen und Learnings. Und vielleicht inspirieren sie Sie zu einem eigenen Projekt? → Link auf Anmeldung weiterbildung@hkb.bfh.ch Fr, 11.6. – Sa, 12.6.2021, 18 Uhr Diplome 21 Theater
BachelorAbschlussprojekte In ihren Abschlussprojekten haben die Schauspielstudierenden inhaltlich und formal freie Hand, dem nachzugehen, was sie wirklich bewegt. Das Ergebnis ist ein vielfältiger Theaterabend. Mit Jonas Dumke, Jonathan Ferrari, Nanny Friebel, Nola Friedrich, Maria Goletz, Lea Jacobsen, Timo Jander, Antoinette Ullrich und Joshua Walton → HKB Theater, Zikadenweg 35, 3006 Bern Do, 17.6.2021, 19.30 Uhr Oper
Herzog Blaubarts Burg Eine Körperoper. Ein Projekt der Operstudentin Leonora Gaitanou. → HKB Burg Biel, Saal Oper Do, 17. – Fr, 25.6.2021 Diplome 21 Jazz
Bachelorkonzerte Als Abschluss des dreijährigen Bachelorstudiums spielen die Studierenden ihre eigenen Kompositionen mit ihren eigenen Ensembles. → HKB, Auditorium, Ostermundigenstrasse 103, 3006 Bern
Im menschlichen Leben. Gedichte von Matěj Hájek in verschiedenen Vertonungen dargestellt, ein Projekt von Kristýna Háblová. → HKB Burg Biel, Saal Oper Sa, 19.6.2021, 21 Uhr Forschung
2nd Global Piano Roll Meeting The Global Piano Roll Meeting aims to continue the communication and collaboration sparked by the 2018 gathering, and to be a third prelude to a planned 2022 conference in Switzerland. → Link auf Anmeldung → hkb-interpretation.ch/2nd-global piano-roll-meeting Do, 24.6. – Do, 15.7.2021 Diplome 21 Literarisches Schreiben
Bachelorpräsentationen Schweizerisches Literaturinstitut Die 15 Diplomand*innen des BA in Literarischem Schreiben präsentieren – online und vor Ort – Auszüge aus ihren Abschlussarbeiten. Auf literaturinstitut.ch gibt es ab diesem Tag ausserdem Audioclips mit Gesprächen und Lesungen, die Einblick in die vielfältigen literarischen Welten der 15 Diplomand*innen geben. → literaturinstitut.ch → Anmeldung für die Lesungen am Literaturinstitut erforderlich: lit@hkb.bfh.ch Fr, 25.6. – Sa, 26.6.2021 Diplome 21 Expanded Theater
Rainer Begoihn Plektrum
JULI
Do, 15.7.2021 Diplome 21 Gestaltung und Kunst
Finale 21
Hardlaunch der Diplomplattform → finale21.ch Fr, 23.7. – Sa, 24.7.2021 Diplome 21 Expanded Theater
Lukas Dittmer a piece of me «a piece of me» ist, wenn du im Bett liegst und nicht schlafen kannst. «a piece of me» ist, wenn du fantasierst und die Gedanken schweifen lässt. «a piece of me» ist das fast Vergessene und doch nicht Losgelassene. «a piece of me» sind Träume, die nur ein müdes Lächeln bleiben. «a piece of me» ist ein Teil von mir. «a piece of me» bin ich. → Anmeldung unter: theater@hkb.bfh.ch → HKB Theater, Zikadenweg 35, 3006 Bern
SEPTEMBER Mo, 6.9. – Di, 14.9.2021 Diplome 21 Jazz
Masterkonzerte Im Studienbereich Jazz gibt es Abschlüsse in vier verschiedenen Masterprogrammen. In jedem Fall spielen die Studierenden ihre eigenen Kompositionen mit ihren eigenen Ensembles. → HKB, Auditorium, Ostermundigenstrasse 103, 3006 Bern Mo, 13.9. / Mi, 15.9. / Fr, 17.9.2021 Diplome 21 Conservation-Restoration
Master-Präsentationen Die Studierenden präsentieren öffentlich die Ergebnisse ihrer Master-Thesen. → hkb.bfh.ch/Diplome 21 Do, 16.9.2021, 16 – 17 Uhr Diplome 21 Konservierung und Restaurierung
BachelorDiplomübergabe
Veranstaltung zur BachelorDiplomübergabe 2021. → HKB Auditorium, Fellerstrasse 11, 3028 Bern
OKTOBER
AUGUST Mi, 18.8.2021, 17.30 Uhr Weiterbildung
Infoveranstaltung Signaletik-Kurse Erfahren Sie mehr zu unseren Herbst-Kursangeboten In-situWorkshops – Orientierungsdesign in Spitälern und Präsentationstraining – mit Wirkung überzeugen → Link auf Anmeldung weiterbildung@hkb.bfh.ch
Fr, 22.10.2021, 17 Uhr Diplome 21 Conservation-Restoration
Master Graduation, Swiss CRC
The diploma ceremony for the Master graduates in ConservationRestoration. → Abegg-Stiftung, Werner Abeggstrasse 67, 3132 Riggisberg → swiss-crc.ch/ crc-ma-graduation-ceremony
In seinem Abschlussprojekt Plektrum untersucht Rainer Begoihn das Verhältnis zwischen Schauspieler*in und Zuschauer*innen im Wechselspiel von Sein und Schein. → Anmeldung unter: theater@hkb.bfh.ch → HKB Theater, Zikadenweg 35, 3006 Bern
Fr, 18.6. – Di, 22.6.2021 Contemporary Arts Practice
Fr, 19.6.2021, 19.30 Uhr Musik Klassik
Sa, 19.6., 15 Uhr / So, 20.6.2021, 11 Uhr Oper
Fr, 2.7. – So, 25.7.2021 Fine Arts
Das CAP-Diplomfestival führt die künstlerischen Arbeiten von 21 Abgänger*innen zusammen. Es umfasst Ausstellungsbeiträge und Performances im Kunsthaus Pasquart, Lesungen im Le Singe, sowie eine Klangskulptur und Sound Installation in der Association Usinesonore in Biel.
Wir sind zurück im Casino Bern – nach den Solist*innen-Diplomkonzerten im Bieler Kongresshaus 2020 spielt das Bieler Sinfonieorchester nun vor Ort, um fünf Solistinnen und Solisten beim letzten Schritt ihrer Ausbildung zu begleiten. Unter der Leitung von Dirigent Kaspar Zehnder werden Werke von Arild Plau für Tuba, Martinu für Oboe, Villa-Lobos für Fagott, Sibelius für Violine und Tschaikowski für Klavier (natürlich das 1. Klavierkonzert), präsentiert, alles live und gestreamt fürs Publikum zuhause. Die glücklichen Studierenden sind: Benjamin Sars, Inal Jioev, Gianmarco Canato, Aleksander Daszkiewicz und Tamila Salimdjanova.
Ein Titel, der auf eine mythologische Frauenfigur ins Zentrum rückt. Sie führt als roter Faden durch verschiedene musikalische Arien und Szenen, die im ehemals römischen Amphitheater Vindonissa (zu finden z’Windisch) «open air» von Sänger*innen des Schweizer Opernstudios der aufgeführt werden. Inspiriert vom antiken Theater richtet sich das Augenmerk auf Ariadne, ihre Musik (natürlich ohne Verstärkung) auf die Aktion im Theaterrund und auf das Instrumentalensemble, für das Studierende Komposition HKB die Arrangements erarbeiten: Bohuslav Martinů (Komposition), Vinzenz Weissenburger (musikalische Leitung), Mathias Behrends (Konzept, Inszenierung). → Open-Air-Aufführung im Amphitheater Vindonissa, Hauserstrasse, 5210 Windisch → Eintritt frei, Kollekte für den HKB Stipendienfonds
Zwei Flächenmasse weisen sowohl expansiv als auch limitierend auf Räume hin, die den Bachelor Fine Arts für ihre Diplomausstellung zur Verfügung stehen. Die erste Etage im Kunsthaus Langenthal und der Showroom der ehemaligen Central Garage sind die Orte, an denen aus individueller, aber auch kollektiver Perspektive über aktuelle Möglichkeiten der Kunst nachgedacht. Raum schaffen, wenn die Wände näher rücken, ist eine gemeinsame Erfahrung, die in viele Facetten aufgeblättert, seismografisch nach Möglichkeiten öffentlichen Sprechens und Denkens sucht.
Pièces jointes
→ Kunsthaus Pasquart, Seevorstadt 71, 2502 Biel → Le Singe, Untergasse 21, 2502 Biel → Association Usinesonore, Rue de la Gurzelen 31, 2502 Biel
Solist*innen Diplomkonzerte
→ Livestream auf hkb-musik.ch
MÄRZ 2021
MAI
N°2/2021
Ariadna Vindonissensis / 405m²_132m² D’Ariadne z’Windisch
→ Kunsthaus Langenthal, Marktgasse 13, 4900 Langenthal → Central Garage, Mittelstrasse, 4900 Langenthal → hkb.bfh.ch/diplome21 → kunsthauslangenthal.ch
HKB-ZEITUNG
HKB aktuell
21
Ausgezeichnet
22
News
Christoph Schneeberger MAS Popular Music – neue Leitung, neuer Titel Der Weiterbildungsgang MAS Popular Music steht unter neuer Leitung: Andreas Schoenrock übernimmt die Studienleitung von Immanuel Brockhaus. Der MAS Popular Music bietet – in der deutschsprachigen Hochschullandschaft einzigartig – Musiker*innen und Musikpädagog*innen berufsbegleitend Professionalisierung in populärer Musik und Popkultur. Das Studium verknüpft musikalische Praxis mit musiktheoretischem Know-how und vermittelt Audio-, Produktions- und Music Business-Kenntnisse. Andreas Schoenrock ist Toningenieur, Musikwissenschaftler und Musikberater für Marken. Vor diesem Hintergrund wird er neue Schwerpunkte im Studiengang setzen: Der Fokus liegt zukünftig u. a. auf einem weiten Begriff von populärer Musik, auf Popular Music Studies, auf Music-Business / Musik und Marke. Andreas Schoenrock wird aus seinem breiten Netzwerk vermehrt internationale Gäste zu diesen Themen in den Studiengang als Dozierende einladen.
HKB-ZEITUNG
MÄRZ 2021
Der Autor, Künstler und Aktivist Christoph Schneeberger (45) hat für seinen Debütroman Neon, Pink & Blue ein Stipendium der Stadt Bern sowie den Schweizer Literaturpreis erhalten. Im Gespräch erzählt der ehemalige HKB-Studierende, wie er als Dragqueen auftrat, zeitweise obdachlos wurde und schliesslich über viele Umwege zur Literatur fand. Christoph Schneeberger trägt bei unserem Treffen eine Kappe und einen Schal mit Totenköpfen. Die Nägel sind schwarz lackiert, allerdings so, als bräuchten sie dringend eine Auffrischung. «Manchmal habe ich auch perfekt lackierte Nägel», lacht Schneeberger, den manche auch als schicke Dragqueen oder als Aufsichtsperson in der Berner Kunsthalle kennen dürften. Aktuell steht Schneeberger als Literat mit seinem Debütroman Neon, Pink & Blue im Mittelpunkt. Er schrieb den Text für seine Masterarbeit, die er 2018 im Rahmen seines Studiums, im Bereich literarisches Schreiben, an der HKB einreichte. Das Buch, das im Brotsuppe-Verlag erschienen ist, lässt sich in keine Schublade stecken. Für Leser*innen sind die Sprache und Form erst mal gewöhnungsbedürftig. «Er», «sie» oder auch «es» – die Pronomen, mit denen von der Hauptfigur berichtet wird, verändern sich laufend. «X Schneeberger», wie der Künstlername des Autors und des Protagonisten im Buch lautet, erzählt von einer Kindheit im aargauischen Vogelsang, von dem Wunsch, ein Mädchen zu sein, später von Auftritten als Dragqueen in Zürich, von Obdachlosigkeit und Ärger mit den Behörden. «Autofiktion»,nennt Schneeberger sein Werk, das nicht nur über Queer-Erfahrungen berichtet, sondern auch von Verdingkindern und anderen an den Rand Gedrängten. Aus seinem eigenen Leben zu schöpfen und dabei auch Privates über die eigene Familie preiszugeben, sei keine leichte Sache für ihn gewesen, so der Autor. Seine Verlegerin Ursi Anna Aeschbacher ermutigte ihn: «Wenn du einen Preis für dein Buch bekommst, wird deine Familie stolz in der ersten Reihe stehen.» Schneeberger hat nun tatsächlich Preise bekommen. Die Stadt Bern hat ihn mit dem mit 10 000 Franken dotierten Stipendium Weiterschreiben ausgezeichnet. Mit dem mit 25 000 Franken dotierten, vom Bundesamt für Kultur vergebenen Schweizer Literaturpreis hat Schneeberger als einer von acht Ausgezeichneten gar die wichtigste Auszeichnung für hiesige Schriftsteller*innen bekommen. Die Kritiken sind positiv bis überschwänglich. «Fast ein bisschen unheimlich, nicht?», findet Schneeberger. Und natürlich «muss» er jetzt weiterschreiben. Das tut er auch. In seinem Wohnatelier im Schwobhaus, in der Berner Länggasse, wo er gemeinsam mit anderen Kunstschaffenden lebt. «Ich habe Lust, etwas ganz anderes zu schreiben. Es wird vielleicht ein Krimi», verrät er. Aktivist für Flüchtlinge Schneeberger scheint angekommen zu sein. Das war nicht immer so. «Das Buch resultiert aus einer riesigen Identitätskrise, klar», gibt er unumwunden zu. Er habe ursprünglich eine Wirtschaftsmatur abgeschlossen und angefangen, Philosophie und Soziologie zu studieren. «Als ich gemerkt habe, dass es nur um Zahlen geht, bin ich ausgestiegen.» Sein politischer Aktivismus sei ihm damals wichtiger gewesen. Schneeberger hat sich in den 90er-Jahren für bosnische Flüchtlinge stark gemacht. «Ich glaube, viele Schweizer*innen haben gemerkt, dass etwas nicht stimmt, wenn ein bestens integrierter junger Mensch ausgeschafft wird, statt seine angefangene Lehre abschliessen zu dürfen.» Er selbst reiste zweimal selbst nach Bosnien, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Schneeberger kennt das Prekäre aus eigener Erfahrung. Unter anderem, weil er mit Bürokratie auf Kriegsfuss steht, verlor er zeitweise seine Wohnung. «Ich habe praktisch nie draussen geschlafen, da ich immer bei Freund*innen übernachten konnte», relativiert er die schlimme Zeit. Er habe damals gemerkt: «Ich lebe ein Leben, das nichts mit mir zu tun hat.» Und er habe realisiert, dass in einer akuten Krise das Schreiben nicht zwangsläufig helfe. «Kunst und Leben sind am Ende doch zwei Paar Schuhe.» «Drag saved my life», steht in Schneebergers Buch mit dem Folgesatz «Travestie habe ihr das Leben gerettet.» Im letzten Teil des Buches übernimmt dann auch «X Noëme» die Funktion
Ein Bär für Alumnus Ramon Zürcher Schöner Erfolg für den HKB-Absolventen Ramon Zürcher, der den Berlinale-Preis für Beste Regie abgeräumt hat. Der Regisseur Ramon Zürcher hat mit seinem Film Das Mädchen und die Spinne (2021) einen Bären geholt. Der Film gewinnt den Preis für Beste Regie in der Sektion Encounters. Das Mädchen und die Spinne wird als tragikomischer Katastrophenfilm bezeichnet und sei eine poetische Ballade über Veränderung und Vergänglichkeit. Geboren wurde Ramon Zürcher 1982 in Aarberg. Nach dem Abschluss seines Bachelorstudiums 2005 an der HKB (Bachelor Fine Arts) besuchte er die Deutsche Filmund Fernsehakademie Berlin, wo er Filmregie und sein Zwillingsbruder Silvan Filmproduktion studiert hat. Gemeinsam haben sie dort ihre Studien mit einem ersten Langspielfilm Das merkwürdige Kätzchen (2013) abgeschlossen. Das Mädchen und die Spinne ist der zweite Langspielfilm der Brüder und ist derzeit in den Schweizer Kinos zu sehen.
Foto: Corinne Futterlieb
der Erzählerin. X Noëme ist Schneebergers Name als Dragqueen. Wer an schrille Perücken und künstlich gemachte Brüste denkt, liegt falsch. «Ich trage keine Schichten von Make-up, wie andere Queens das gerne tun, und hasse die in dieser Szene zelebrierte Konkurrenz.» Schneeberger versteht sich als Diseuse, also als eine Künstlerin, die fremde oder selbst geschriebene Texte vorträgt. Seinen ersten Auftritt hatte er im Kulturzentrum Baden. Die alternative Szene sei damals nicht sehr dragfreundlich gewesen und hielt glamouröse Looks für kapitalistisch. Doch als der 19-jährige Schneeberger auftrat, tobte der Saal. «Jedes Mal, wenn ich mich umzog, wurde die Menschenmenge, die mir zujubelte, grösser», erinnert er sich an das Spektakel. Er präsentiert einen Flyer aus dieser Zeit: Eine Schönheit in einem Kleid aus den Zwanzigerjahren ziert den verblichenen Zettel. Zeitweise wünschte sich Schneeberger, eine Frau zu sein. Doch tragische Schicksale, wie jenes der Transsexuellen Coco, die unter den Folgen ihrer angleichenden Operation litt, hielten ihn von diesem Schritt ab. Oft geprügelt «Meine Freund*innen nennen mich Kris, das ist geschlechtsneutral.» Die Welt sei freundlicher geworden, glaubt Schneeberger. Doch die Politik hinke der Realität hinterher. Alte Herren, die einst Begriffe wie «Tschingg» oder «Fräulein» bekämpft hätten, täten sich jetzt schwer mit neuen Genderregeln. Schneeberger ist zweifelsohne ein politischer Kopf – selbst in eine Partei eintreten, das wollte er indes nie. «Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause wollte mich mal in die CVP holen, wahrscheinlich, weil ich wie er Aargauer bin», lacht er. Er habe abgelehnt. Die von Minderheiten erlangten Rechte könnten leider schnell wieder zunichte gemacht werden. «Trittst du als Frau auf, erlebst du fast zwangsläufig Gewalt.» Als Jugendlicher gab sich der in einem rauen Industriequartier wohnende Schneeberger betont männlich. «Ich habe mich oft geprügelt.» Männlich genug war er trotzdem nicht, zumindest nicht für seinen vom Leben
verhärteten Grossvater, einen Verdingbuben. Immerhin fand Schneeberger einen Zugang zu dem alten Mann über die Liebe zu den Pflanzen. Das erklärt auch, warum in seinem Buch so viele Bäume und deren lateinische Definitionen vorkommen: «Eine Gemeine oder Gewöhnliche oder eben Hohe Esche – Fraxinus excelsior,» – wächst da etwa frech über einen Kirchturm hinaus. Schneeberger dazu: «Ich liebe Latein und mir gefällt die Idee, dass man mit diesen Bezeichnungen wenigstens etwas ganz genau definieren kann.»
Jan-Tschichold-Preis für Krispin Heé Erfreulicher Erfolg für Alumna Krispin Heé, die als Grafikdesignerin freischaffend für Kunstbuchverlage wie Edition Patrick Frey, Edition Fink, Vexer Verlag und Editioni Periferia arbeitet. Ihre Bücher wurden schon mehrfach ausgezeichnet. In diesem Jahr hat sie den mit 25 000 Franken dotierten JanTschichold-Preis zugesprochen erhalten. Mit dem Preis zeichnet das Bundesamt für Kultur seit 1997 eine Persönlichkeit, eine Gruppe oder eine Institution für hervorragende Leistungen in der Buchgestaltung aus. Die Auszeichnung wird auf Empfehlung der Jury und unabhängig vom Wettbewerb Die schönsten Schweizer Bücher verliehen. Die 1979 geborene Krispin Heé hat an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und an der HKB studiert. Krispin Heé darf ihren Preis am 24. Juni 2021 im Rahmen der Vernissage der Ausstellung Die schönsten Schweizer Bücher 2020 im Helmhaus in Zürich entgegennehmen. Jeanne Le Moign Jeanne Le Moign, Studierende im Master Expanded Theater, wurde Ende März am International Festival of Theater Schools SETKÁNÍ/ENCOUNTER 2021 in Brünn, Tschechien, als Outstanding Actress ausgezeichnet. In der Laudatio wird hervorgehoben: Her inspiring use of different acting solutions of theatrical situations and the creative approach in the collective creation of the script. Die HKB gratuliert Jeanne Le Moign und dem gesamten YES! (Maybe)-Team.
Text: Helen Lagger
Schliessung Stadtgalerie Direktor Prof. Dr. Thomas Beck hat im Namen der Hochschule der Künste Bern das Ansinnen des Gemeinderats der Stadt Bern, die Subventionen für die Stadtgalerie zu streichen, in einem Statement kritisiert. Für die HKB, insbesondere ihre Studierenden und Absolvent*innen im Bereich visuelle Künste, ist die Stadtgalerie von zentraler Bedeutung als Austauschplattform und Anlaufstelle. Junge Künstler*innen leiden zudem besonders unter den pandemischen Umständen. Die HKB hofft, dass der Stadtrat diesen Sparentscheid im September zurückweist.
Forschungsfenster
Zu Gast
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Lucie Kolb
Online-Tagung Sterbesettings Wie wird das Lebensende eines Menschen begleitet und gestaltet? Dieser Frage widmet sich das SNF-Projekt Sterbesettings der BFH (Departemente HKB und Gesundheit) und der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Forschende aus den Bereichen Kulturwissenschaft, Pflegeforschung, Religionssoziologie und Designforschung untersuchen darin Sterbesettings aus interdisziplinärer Perspektive. Das Forschungsteam lud nun am 19. März zu einer Online-Tagung ein, an der Expert*innen aus den verschiedenen Feldern die Frage erörterten, wie diese Disziplinen am Lebensende ineinandergreifen. Gratulationen Im März 2021 hat der SNF Beiträge für sechs neue Projekte in der Höhe von insgesamt rund vier Millionen Franken bewilligt: → Claudio Bacciagaluppi mit Luigi Cherubini und die Kompositionslehre am Pariser Conservatoire als umfassende Ausbildungspraxis (ca. 1810–1840): Untersucht wird der damalige Musiktheorie- und Kompositionsunterricht und was davon für uns heute von Interesse sein könnte. → Thomas Gartmann mit Im Brennpunkt der Entwicklungen: Der Schweizerische Tonkünstlerverein 1975–2017: Wie hat sich der Diskurs um neue Musik entwickelt und welche Rolle spielten dabei die Frauen, die Improvisation oder das Fernsehen? → Michael Harenberg mit Schreiben mit Stimmen – zur Wechselwirkung symbolischer und technischer Kompositionspraktiken der Stimme in der zeitgenössischen Musik: Hier geht es um medienästhetische Überlegungen, künstlerische Experimente sowie das Fallbeispiel Hans Wüthrich. → Hanna B. Hölling mit Activating Fluxus: Wie lässt sich eine vergängliche Kunstform wie Fluxus wiederbeleben – künstlerisch, kunsthistorisch und konservatorisch? → Yvonne Schmidt mit Ästhetiken des Im/ Mobilen: Wie Tanz- und Theaterperformances reisen: Wie reisen Theater und Tanz von und mit Menschen mit Behinderungen? Welche Potenziale der Zirkulation und Mobilität eröffnen sich für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Tanz und Theater? → Andi Schoon mit Collaborative aesthetics in global sound art: Wie arbeiten Schweizer und südafrikanische Künstler*innen live und in Internetradios zusammen, welche postkolonialen Herausforderungen stellen sich dabei und was bedeutet dies für die Kulturdiplomatie?
Foto: Nicole Hametner
Lucie Kolb (35) ist Künstlerin, Theoretikerin und Autorin. An der HKB hat sie das Projekt wir publizieren geleitet und gemeinsam mit Studierenden Publikationen aus subkulturellen Zusammenhängen studiert. Aktuell schreibt sie an ihrem Theorieroman zur «letzten kritischen Kunstinstitution». Lucie Kolb, du bist 1985 in Bern geboren. Wie muss man sich dein Elternhaus vorstellen? Spielte Kunst eine wichtige Rolle? Auf jeden Fall. Meine Mutter ist Restauratorin und hat unter anderem für die Galerie Kornfeld Gemälde der klassischen Moderne restauriert. Ich sass als Kind bei ihr im Atelier und zeichnete, während sie arbeitete. Du hast schliesslich bildende Kunst und Kunstgeschichte studiert, arbeitest heute aber vor allem in der Forschung … Ja, das ist richtig. Zur Forschung bin ich über die künstlerische Praxis gekommen. Vor meiner Promotion habe ich in Basel und Zürich bildende Kunst studiert. Ich habe allerdings bereits während des Studiums viel im Bereich der Kunstvermittlung gemacht. So habe ich zum Beispiel ein Radioprojekt lanciert oder das bis heute bestehende Online-Magazin Brand New Life mitgegründet. Was fasziniert dich daran, über Kunst zu schreiben? Was mich bereits während meines Studiums beschäftigt hat, ist die Tatsache, dass die Bedeutung von Kunst nicht vom Darübersprechen oder -schreiben zu trennen ist. Aus dieser Perspektive haben mich Künstler*innen fasziniert, die das nicht den Kritiker*innen überlassen haben, sondern die ihre eigene Arbeit thematisieren. Ein historisches Beispiel ist das 1968 gegründete Konzeptkunst-Kollektiv Art & Language. Womit hast du dich in deiner Doktorarbeit befasst? Ich habe mich mit drei Magazinen befasst: Mit dem Magazin The Fox, das Art & Language in den Siebzigerjahren herausgaben, mit dem Magazin A.N.Y.P. aus Deutschland, das in den 1990er-Jahren als Kunstmagazin nicht mehr nur über Kunst schreiben wollte und unter anderem Kritik an der Gentechnologie äusserte, und mit dem seit 2008 in digitaler Form erscheinenden e-flux Journal aus New York. Ich lese die Magazine als eine Vorgeschichte künstlerischer Forschung. Du schreibst aktuell an einem Theorieroman mit dem Titel Die letzte kritische Kunstinstitution. Wie kam es zu diesem Projekt? Seit dem Abschluss meiner Doktorarbeit 2017 arbeite ich an der HGK an einem kollaborativen künstlerischen Forschungsprojekt zum Erbe der Institutionskritik. Darin geht es um Künstler*innen, die die Rolle und Aufgabe
von Kunstinstitutionen befragen und Wege suchen, sie zu verändern. In diesem Rahmen entsteht das Buch, mit dem ich nach einer Form des Schreibens suche, die über das Kommentieren und Analysieren hinausgeht und eine spekulative Funktion hat. Welche Institution ist gemeint mit der letzten kritischen Kunstinstitution? Das verrate ich nicht. Mein Buch ist noch am Entstehen. Aber wie gesagt, es handelt sich um eine Fiktion. Beim Stichwort «Institutionskritik» denke ich spontan an die Berner Kunsthalle. Es wurde dort doch in regelmässigen Abständen die Rolle des Ausstellungsortes innerhalb der eigenen Ausstellungen hinterfragt … Es gibt dort tatsächlich viele interessante Ansätze. Ich konnte im Rahmen der Reihe Archivgespräche eine Ausstellung der Zürcher Schule F+F ausgraben. Die Schule entwarf in den Siebzigerjahren neue Modelle der Kunstausbildung, die ein Verhältnis von Schule und Ausstellungsbetrieb erprobten, das nicht auf dem Modell des Wettbewerbs beruhte. Ab den Sechzigerjahren kamen viele sogenannte Selbstpublikationen heraus. Du hast eine grosse Auswahl davon in einer Ausstellung in der Kunsthalle präsentiert. Was macht den Reiz dieser Schriften aus? Nicht ich allein, die Ausstellung entstand im Kontext des Projekts wir publizieren, eine rKooperation zwischen der HKB und der HfK Bremen. In den Sechzigerjahren gab es eine regelrechte Explosion an Alternativ- und Subkulturen, die eigene Publikationen hervorbrachten. Ich finde es wichtig, mit Studierenden, die mit Social Media aufgewachsen sind, diese Publikationen anzuschauen, deren Texte mit Schreibmaschine oder von Hand geschrieben sind, die dann ausgeschnitten und zusammengeklebt wurden, bevor das Ganze gedruckt oder kopiert wurde. Es ist faszinierend, wie vielfältig die Layouts gestaltet wurden und wie viele «Nachbarschaften» durch diese Kleb- und Bastelästhetik entstanden. Da findet man nebst Kunstkritik etwa eine YogaAnleitung neben einem Bericht über eine Heavy-Metal-Sammlung.
in Papierform ein Objekt ist, das man sich zuschicken lassen muss oder das man irgendwo abholen muss, schafft andere Gemeinschaften als ein Online-Magazin. Es gibt sehr viele Messen für Künstler*innenpublikationen. Das beweist doch: Das Gedruckte hat immer noch Bedeutung. Du setzt dich mit paratextuellen Phänomenen auseinander. Was genau ist darunter zu verstehen? Paratext ist ein Begriff aus der Literaturwissenschaft. Darunter versteht man alles, was nicht Teil des eigentlichen Textes ist. Das kann der Umschlag des Buches sein oder das Vorwort. Es handelt sich um Texte, die sich an der Schwelle zum Werk befinden, die unseren Blick lenken. Gibt es eigentlich Tage, an denen du nicht schreibst? Nein, die gibt es nicht (lacht). Allerdings schreibe ich im Moment wenig am Buch, sondern vor allem an einem Forschungsantrag zur Produktion und Zirkulation von Gegenwissen in Alternativmedien im deutschsprachigen Raum. Das Projekt soll 2022 an der HKB starten. Was bedeutet es für dich, eine Autorin zu sein, die ihren Namen unter einen Text setzt und sich somit ein Stück weit exponiert? Man übernimmt Verantwortung und wird ansprechbar. Das Schöne daran ist, dass ein Dialog entsteht und ein Austausch stattfinden kann. Bei Brand New Life arbeiten wir allerdings auch mit Pseudonymen. Die meisten Schreibenden betreiben Kunstkritik nicht als Hauptberuf und haben verschiedene Hüte an. Da kann es von Vorteil sein, anonym zu bleiben.
Du hast an der HKB, am Y Institut, ein Seminar zum Selbstpublizieren angeboten. Wie ist das bei den Studierenden angekommen? Es war interessant, wie engagiert die Studierenden über die Grenzen ihrer Disziplinen hinaus waren. Sie machten schliesslich selbst ein Magazin … … das auch in Papierform erschien. Haben Printmedien doch noch nicht ganz ausgedient? Ich glaube, dass Papier nie ganz unwichtig werden wird. Die Tatsache, dass ein Magazin
Interview: Helen Lagger
HKB-ZEITUNG
Magic Piano bringt Welte-MignonReproduktionsklaviere näher Unter dem Titel Wie von Geisterhand befassten sich Forschende in mehreren SNFProjekten mit den Welte-Mignon-Klavieren. Vor über 100 Jahren waren diese die ersten Musikautomaten und ermöglichten, dass mittels gestanzter Papierrollen musikalische Interpretationen live und ohne Anwesenheit der Pianist*innen abgespielt werden konnten. Das SNF-Agora-Projekt Magic Piano zeigt nun Quellen, Daten und Projekterkenntnisse – mit Konzerten, Diskussionen und Workshops, vor allem aber mit eigenem Tun. Der kürzlich gedrehte Film Magic Piano – Faszination Geisterhände gibt Einblicke in die Blütezeit des Reproduktionsklaviers, in den Salon Bleu des Hotels Waldhaus in Sils Maria, wo ein originales Welte-Mignon steht. → magic-piano.ch
MÄRZ 2021
Archiv zum Jazz in der Schweiz geht online Die HKB öffnet am 8. Mai ein Online-Archiv mit umfangreichen Materialien zum Jazz in der Schweiz während der Jahre des Aufbruchs (1960–1980). Einer der besten Kenner des Schweizer Jazz, Christian Steulet, hat sie im Rahmen des SNF-Projektes Growing Up. Die Emanzipation des Jazz in der Schweiz 1965–1980 zusammengetragen für seine an der Universität Bern und der HKB entstehende Dissertation 1960–1980: Emergence d’une scène musicale populaire en Suisse. Protagonistes, organisations et performances. Der allzu frühe Tod von Steulet vor einem Jahr verhinderte leider ihre Fertigstellung. Einer Idee von ihm folgend haben nun die Musikhochschulen von Bern, Lausanne und Luzern sowie die Universität Bern gemeinsam die Website erstellt: → hkb-interpretation.ch/materialien zum-jazz-in-der-schweiz
Absolvent*in im Fokus
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Ilmārs Šterns
MÄRZ 2021
dazwischen sein. Jeder Raum existiert mit seiner eigenen Szenografie, wie dieser schöne Park, in dem wir uns befinden. Darin agieren wir durch Gespräche, Gesten oder einfach durch das Trinken dieser Limonade. Was mich interessiert, ist eine andere Perspektive auf die Erfahrung der Realität im physischen Moment in Zeit und Raum.
Foto: Alex Anderfuhren
HKB-ZEITUNG
Ilmārs Šterns, Klang-Performance-Künstler und Komponist, HKB-Alumnus Contemporary Arts Practice CAP. Der Berner Stadtpark füllt sich mit Kindern, verspäteten Mittagesser*innen und frühen Petanquespieler*innen. Hier treffe ich Ilmārs Šterns, Performancekünstler aus Lettland, der im Rahmen des «HKB geht an Land»-Abschlusswochenendes gemeinsam mit (ehemaligen) Mitstudierenden die Performance Postauto Orchestra in den Postautos von Interlaken realisiert – zu normalen Abfahrtszeiten. Wie wurde Performance das zentrale Element deiner künstlerischen Praxis? Ilmārs Šterns: Menschen performen die ganze Zeit, bewegen sich, machen Gesten oder sprechen. Mein Vater war Musiker und manchmal sangen ich und meine Schwestern bei Weihnachtskonzerten mit. Das war der erste Impuls, auf einer Konzertbühne zu stehen. Dann schickte mich mein Vater auf die Musikschule,
wo ich Cello spielte. Inspiriert von Michael Jackson und Beyoncé aus dem TV-Musikkanal rückte das Singen für mich mehr in den Mittelpunkt – ich dachte, das ist meine Berufung, ich will mich mit meiner Stimme ausdrücken! Während meines Masterstudiums in Musikpädagogik und Psychologie widmete ich mich der Komposition. Ich merkte, nur auf der Bühne stehen und Musik machen ist ein sehr enger Fokus; es gibt so viel mehr, auf das man sich einlassen kann – den Raum und die Menschen! Ich begann, mich für Szenografie zu interessieren, und studierte an der lettischen Kunstakademie und beschäftigte mich mit Musik, Tanz und Design. Daraus entstand das Bedürfnis, andere Kulturen zu erkunden. Die Chance für diese Reise bot mir das Studium an der HKB im Studiengang Contemporary Arts Practice CAP. Was reizt dich an der künstlerischen Arbeit im öffentlichen Raum? Öffentliche Räume bedeuten nicht unbedingt Aussenraum, sie können auch drinnen oder
Was fasziniert dich an Kleidung besonders? Ich lasse mich von Avantgarde- und FluxusPerformances inspirieren, in denen Künstler*innen alles infrage stellen; den kulturellen Code und die Vorstellung davon, was ästhetisch ansprechend ist. Meine in klassischer und Jazzmusik ausgebildete Gesangsstimme in diesem Kontext einzusetzen, fand ich schwierig und ich hörte mit dem Singen auf. Ich begann, mit meiner eigenen Haut zu arbeiten, und realisierte eine Nacktperformance mit der italienischen Künstlerin Elisabetta Cuccaro. Wir rutschten, schlugen und kratzten unsere Haut mit Geigenbogenhaar, an dem ein Kontaktmikrofon befestigt war. Ich war aber nicht zufrieden mit dem elektronischen Klang. Er erreichte weder die gleiche Intimität wie der Gesang noch entsprach er genau dem akustischen Klang der Haut. Ich fragte mich: Womit interagieren Menschen in ihrem täglichen Leben? Mit Kleidern! Daraus folgte der Entschluss, nicht nur mit den Kleidern selbst zu arbeiten, sondern mit der Beziehung und der Interaktion des menschlichen Körpers mit ihnen. Kamen also die Nähe zum Alltag und das Verhalten der Menschen als Thema wieder rein? Ja, als ich Gesangslehrer an der Universität für Musikpädagogik in Riga war, waren die Technik und die Interpretationsfähigkeiten meiner Schüler*innen sehr avanciert, wohl wegen der Zugänglichkeit von Lehrmaterialien im Internet, was in meiner Jugend nicht verfügbar war. Aber sie konnten keine Verbindung zu sich selbst herstellen. Sänger*innen müssen die spezifischen musikalischen Formen und Techniken lernen und die Komposition interpretieren, so wie es der*die Autor*in beabsichtigt hat. Aber
die Interpret*innen schenken in diesem Prozess der Frage nicht genug Aufmerksamkeit, wie diese Interaktion den Geist und den Körper der Interpret*innen beeinflusst. Für mich sind Kleider performative Klanginstrumente und ich erforsche ihre mögliche Instrumentalität. Ich beobachte das Verhalten der Kleidung und das Verhalten des menschlichen Körpers. Gibt es eine Reaktion auf eine deiner Performances, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist? Nach der Kleider-Performance kam eine Person aus dem Publikum zu mir und sagte: «Ilmār, ich wusste wirklich nicht, wie ich reagieren sollte. Ich wollte lachen, aber es war so ernst.» Ich finde es spannend, wenn die Leute das Gefühl haben, dass sie an einem fremden Ort sind, diese widersprüchlichen Gefühle und Reaktionen auf etwas haben und nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Das vorhin genannte Beispiel ist die grösste Nähe, die man mit dem Publikum haben kann. Wie kann man sich als Aussenstehende den Prozess vor einer Performance vorstellen? Man recherchiert, macht sich Notizen und findet andere Dinge, die man braucht. Man versucht, mit Materialien zu experimentieren, um eine Art Enzyklopädie zu schaffen, wie Umberto Eco das umschrieb. Als Komponist und Autor des Konzepts nehme ich Codes und Elemente heraus, mit denen ich spielen werde. Es geht nicht darum, Dinge zu proben, sondern darum, kritisch darüber nachzudenken, was sie bedeuten. Wie kann ich an diesen Punkt kommen, dass mir das klar ist – zumindest im Vokabular der Dinge? Erst dann kann es auch für das Publikum nachvollziehbar werden. Die PerformanceKunst selbst bezieht den Körper mit ein. Ich benutze viele Imitations- oder Spiegelungselemente, aber nutze sie als Mittel, um «Dinge zu tun», wie Karen Bardad es formulierte. Das gibt mir mehr Freiheit und eröffnet eine neue Welt.
Text: Virginie Halter
Student*in im Fokus
Carole Kiechl Carole Kiechl (27) aus Zürich hat im Rahmen ihres Studiums der visuellen Kommunikation an der HKB im Auftrag der Post eine Briefmarke gestaltet. Ihr Entwurf setzte sich durch und wird nun umgesetzt: Die angehende Grafikerin hat sich von einem Kreuzworträtsel inspirieren lassen. Kreuzworträtsel sind beliebt, und zwar nicht nur bei älteren Damen. Carole Kiechl, Studierende an der HKB, hat sich an der Form dieser Knacknüsse für die Gestaltung einer Briefmarke inspirieren lassen. Sie studiert im Bachelor visuelle Kommunikation und möchte Grafikerin werden. «Gestalterische Prozesse faszinieren mich», verrät sie im Gespräch. Ihre Klasse, die aus 22 Studierenden besteht, bekam einen praxisnahen Auftrag der Schweizerischen Post. «Wir sollten Briefmarken gestalten, die verschiedene Aspekte zum Thema ‹Nachhaltigkeit› aufgreifen», so die Studentin. Zuerst wurde während drei Wochen in Gruppen in enger Begleitung der Dozierenden Jimmy Schmid und Andréas Netthoevel zu den Themen Ökonomie, Ökologie, Kultur und Soziales gearbeitet. «Wir haben viel Bildmaterial zusammengetragen und uns untereinander ausgetauscht», so Kiechl. Schliesslich machten sich alle hinter ihr eigenes Projekt. Auch Kiechl beschäftigte sich anfangs mit Bildlösungen. Doch schliesslich stiess sie zufällig auf ein Kreuzworträtsel, das ihre Aufmerksamkeit erregte, und fand eine ebenso zwingende wie originelle Lösung. Ihre Briefmarke besteht aus einem bereits ausgefüllten Kreuzworträtsel, in dem man Wörter in den drei Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch rund um das Thema Nachhaltigkeit findet. Unwillkürlich beginnt man, zu entziffern, und sucht nach Begriffen: Sole, biodégradable, synergie, fair oder sozial – es sind positiv konnotierte Wörter, die Kiechl ausgewählt hat. Auf Begriffe wie «Umweltverschmutzung» wurde bewusst verzichtet. «Das war der Wunsch der Post», erklärt sie. Der in Zürich lebenden Studierenden ist es gelungen, das Briefing optimal umzusetzen.
Aus den 22 Entwürfen wurden die 8 besten ausgewählt und der Briefmarkenkommission vorgelegt. Die Jury der Schweizerischen Post wählte ihren Entwurf aus allen Eingaben aus. Nun kommt ihr Design als Sonderbriefmarke heraus. «Ich habe mich ultra gefreut», sagt Kiechl. Mit den drei Sprachen zu jonglieren, sei ganz schön kniffelig gewesen, da es ja buchstäblich schön aufgehen musste. Die Begriffe «HELVETIA» und der Taxwert «100» sind bereits eingekreist. Alle drei Sprachen haben gleich viele Wörter zugeteilt bekommen. Der Jury gefielt an Kiechls Entwurf, dass er interaktiv ist. Es gibt eine*n Sender*in und eine*n Empfänger*in. «Italienischsprachige sehen wohl andere Wörter zuerst als Deutschsprachige», so Kiechl. Das Rätseln spreche sowohl Grosseltern wie Enkel an. Breit und praxisnah Wie geht sie als Gestalterin durch die Welt? «Klar, man achtet schon darauf, wie Dinge gestaltet sind.» Die überall in der Stadt hängenden Corona-Plakate etwa würden ihren Zweck erfüllen. «Es geht dabei darum, möglichst eingängig Informationen rüberzubringen, weniger um Ästhetik.» Corona zwang auch die HKB-Studierenden, alles von zu Hause aus zu erledigen. Alles Soziale fiel weg. Mittlerweile ist Präsenzunterricht wieder möglich. Kiechl schätzt ihre Ausbildung, die unter anderem aus Editorial Design, Brand Identity, Grundlagen der Fotografie und des Films, Designtheorie und Coding besteht. Ein Highlight sei etwa der Besuch des in Zürich ansässigen Grafikateliers Offshore gewesen. «In einem Workshop konnten wir zusammen ein Projekt realisieren.» Für die Firma Fashion Revolution durfte die Klasse Plakate und eine Social-Media-Kampagne entwerfen. «Diese Praxisnähe schätze ich.» So habe sich auch die Post im Rahmen des ausgeschriebenen Gestaltungswettbewerbs wie ein realer Kunde verhalten. Nach den Präsentationen gab der Artdirector zu allen Vorschlägen Feedback. Ursprünglich habe sie eine KV-Lehre gemacht. «Aber ich merkte
Foto: Alex Anderfuhren
bald, dass ich nicht mein ganzes Leben lang in der Administration arbeiten möchte.» Sie entschied sich schliesslich dazu, die gestalterische Berufsmatur zu absolvieren. Als Studierende wurde sie zu guter Letzt in Bern aufgenommen. Dinge neu denken «Nach dem Bachelor möchte ich zuerst einmal Berufserfahrung sammeln. Dann sehen wir weiter», sagt Kiechl. Sie kann sich gut vorstellen, in einer Werbeagentur tätig zu sein. «Ich arbeite gerne mit anderen Leuten zusammen.» Dass Grafik ihren Preis hat, versteht sich von selbst. Es könne schon mal vorkommen, dass sie eine Geburtstags- oder Hochzeitskarte für Freunde gestalte, aber es sei allgemein wichtig, dass man für alles, was man entwerfe, marktübliche Honorare verlange. «Praktika sollten an der HKB nur angenommen werden, wenn man entlöhnt wird.» Kreativität liegt bei Kiechl in der Familie. «Mein Grossvater war Schaufensterdekorateur
und hat sich auch mit Siebdruck befasst.» Die Grossmutter wiederum liebte es, zu zeichnen, und ihr Cousin war Maler. Der Grafiker*inberuf hat sich heute sehr stark ins Digitale verschoben. Aber das Analoge sei immer noch wichtig, findet Kiechl. Für sie selbst ist nicht nur der eigene Stil das Wichtigste, sondern dass man versucht, «Dinge neu zu denken». Genau mit diesem Ansatz ist sie auf die Idee mit dem Kreuzworträtsel gekommen. Auf ihrem Entwurf basierend durfte sie für die Post auch den sogenannten Ersttagsumschlag mit Stempel und einem Motiv gestalten. Nachhaltigkeit sei ein Thema, mit dem wir uns alle auseinandersetzen sollten, findet Kiechl. «Ich achte darauf, möglichst wenig Plastik zu generieren, mich saisonal zu ernähren und viele Kleider im Brockenhaus zu kaufen.» Auch Kleidertauschbörsen findet Kiechl eine super Sache. Und Kreuzworträtsel? «Klar mag ich sie, aber ich löse auch gerne Sudoku.» Text: Helen Lagger
Rückblick
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Eine Briefmarke entsteht
Sichten der Briefmarken im Museum für Kommunikation.
Bilden der Teams.
HKB-ZEITUNG
Eröffnungstag. Die Post brieft die Studierenden.
Ideen- und Bildfindungsprozess nach den unterschiedlichsten Kreativmethoden.
Studierende bei den wöchentlichen Werkgesprächen mit den Dozierenden.
Vertreter der Post jurieren zusammen mit Dozierenden die Projekte: Die definitive Auswahl trifft anschliessend das dafür zuständige Gremium bei der Post.
Carole Kiechl präsentiert die neue Briefmarke am 6. Mai an der HKB Fellerstrasse.
Die HKB-Studentin Carole Kiechl hat die Sondermarke «Nachhaltigkeit» der Post kreiert. Die Sondermarke ist das Resultat eines Gestaltungswettbewerbs der Schweizerischen Post in Zusammenarbeit mit der Hochschule der Künste Bern.
Dimensionen zum Thema «Nachhaltigkeit» auf positive und freundliche Weise auf kleinstem Format festzuhalten – auf einer Briefmarke. Die Studierenden sollen dadurch eine Methodenvielfalt kennenlernen und eigene Kriterien für die Entscheidungsfindung entwickeln. Als Siegersujet wurde der Entwurf von Carole Kiechl erkoren. Die Briefmarke soll dazu anregen, sich aktiv auf Wortsuche zu be-
Der Bachelor-Studiengang Visuelle Kommunikation – Schwerpunktprojekt Bildfindung beinhaltet die Konzeption und Entwicklung einer eigenständigen, dem Inhalt und dem Adressaten entsprechenden Bildsprache/Formgebung: Im Entwicklungsprozess werden verschiedene und unterschiedliche Entwurfsmethoden empirisch erprobt und diskutiert. Ziel des Wettbewerbs mit der Post war es, verschiedene
geben – dies sowohl vor dem Verschicken als auch nach dem Erhalt des Briefes: Neben dem bereits eingekreisten Begriff «HELVETIA» und dem Taxwert «100» lassen sich weitere 24 deutsche, französische und italienische Wörter mit Bezug zum Thema Nachhaltigkeit entdecken. Fotos: Andreas Netthoevel, Nicola Fischer
24.6. – 3.7.21
38. AUSGABE
FREIBURG/CH
HKB-ZEITUNG
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24.6. – 3.7.21
38e ÉDITION
FRIBOURG/CH
Albrecht Schnider, Landschaft (Detail), 2020–2021, Öl auf Leinwand, 16.5 × 33 cm, Courtesy der Künstler, Foto: Dominique Uldry, Bern
Mit der Zeit. Gegen den Strom. Für die Kultur.
ALBRECHT SCHNIDER ENTWEGTE LANDSCHAFT 29.5.– 15.8.2021
www.progr.ch
Kunstmuseum Thun, Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun Di–So, 10–17 Uhr / Mi 10–19 Uhr, www.kunstmuseumthun.ch
Ein HKB-Studiengang stellt sich vor
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Master of Advanced Studies in Musik-Management MÄRZ 2021
In den letzten dreissig Jahren hat sich die Musikbranche stark gewandelt. Einerseits wurde die Musikwirtschaft mit dem Aufkommen der Digitalisierung und des Internets in vielerlei Hinsicht gefordert, ja sogar durchgeschüttelt. Nebst den veränderten Absatzkanälen ist es heute auch viel einfacher, sich mit einer Band oder einem Ensemble zu präsentieren, in der Hoffnung, vom Kuchen ein kleineres oder grösseres Stück abzubekommen.
Im Rahmen des MAS Musik-Management lernen die Studierenden verschiedene Aspekte im breiten Feld des Musikmanagements kennen. Der berufsbegleitende MAS-Studiengang gliedert sich in vier Certificate of Advanced Studies (CAS) und ein Thesismodul. Ein Einstieg ins Studium ist mit jedem CAS möglich, zudem können auch einzelne CAS belegt werden. Die vier CAS kurz vorgestellt: CAS Selbstmanagement Personale Kompetenz im künstlerischen Kontext Dieses CAS stärkt die Selbst- und Sozialkompetenzen. Die Studierenden erwerben sich Werkzeuge und ein Handlungsrepertoire, um mit den hohen Anforderungen im Berufsalltag umgehen zu können. Das CAS beinhaltet die Schwerpunkte Arbeitsmethodik, Energie- und Ressourcenmanagement und Kompetenzen wie Kommunikation, Verhandeln und Arbeiten in und mit Teams. CAS Leadership Führung in Musikschulen und Musikinstitutionen In einem ersten Teil analysieren die Studierenden die gesellschaftlichen Entwicklungen unter den Aspekten Kultur, Bildung, Politik und Wirtschaft. Im zweiten Abschnitt stehen Leadership mit Managementmethoden und Organisationsentwicklung im Zentrum. CAS Konzept- und Projektdesign Konzeption, Realisierung und Kommunikation musikalischer und interdisziplinärer Projekte Innovative Projekte legen den Boden für eine vielfältige Kulturlandschaft und übernehmen oft eine Vorreiterrolle. Dieses CAS vermittelt die Kompetenzen für den Auftritt an die Öffentlichkeit. Zentrale Themen bilden Konzeptarbeit, Projektmanagement, Marketing und Fundraising. CAS Praktika Den wesentlichen Kern dieses CAS bildet ein mindestens zehntägiges Praktikum in einer Musikinstitution. Integriert in das CAS ist zudem ein Personal Coaching. Aus einem Pool von Coachs steht den Studierenden eine Begleitung für eine spezifische Situation/Fragestellung zur Verfügung. Im Rahmen des Studiengangs, den es bereits seit über 16 Jahren gibt, ist ebenfalls eine Publikation entstanden. Das Buch Musikmanagement – bereits in dritter aktualisierter und erweiterter Auflage – erscheint im Mai 2021 beim Haupt Verlag Bern. Die Publikation leistet als Nachschlagewerk nützliche Dienste. Namhafte Autor*innen aus Wissenschaft und Praxis umreissen die breite Themenpalette zu Musikmanagement, flechten theoretische Modelle ein und erteilen vor allem konkrete Tipps für die (Musik)Praxis.
HKB-ZEITUNG
Andererseits hat sich auch in der musikalischen Bildung einiges verändert, zum Beispiel strafften die Partner von Musikschulen (in der Regel die Gemeinden und Kantone) ihre Ansprüche und Vorstellungen oder wurden durch digitale Möglichkeiten neue Angebote geschaffen. Somit sind die Anforderungen an Musiker*innen und ihre Institutionen gestiegen, sei es im künstlerischen oder pädagogischen Bereich, aber vor allem auch in der Organisation, im Marketing und in der Kommunikation.
Foto: Balz Kubli
Fragen an Absolvent*in: Marietta Bosshart, 31, Oboistin, Musikschulleiterin und Projektmanagerin aus Wil Was war Ihre Motivation, sich in Musikmanagement weiterbilden zu wollen? Als Musikerin und Musikpädagogin organisiere ich viele Konzerte. Meine organisatorischen Tätigkeiten wollte ich mit dem Studium Musikmanagement professionalisieren. Ich konnte mir vorstellen, die Leitung einer Musikschule zu übernehmen. Musikmanagement war das ideale Studium dafür. Mit welchen Fragen sind Sie zu uns gekommen? Wie kann ich eigene Projekte besser planen und umsetzen? Passt die Rolle der Schulleiterin zu mir? Wie führe ich ein Team? Welche Fähigkeiten konnten Sie im MAS erwerben oder entwickeln? Ich lernte Instrumente der Projektplanung kennen, optimierte mein persönliches Zeitmanagement, profitierte von Kommunikationsund Verhandlungstechniken und wurde mit Führungsaufgaben vertraut. Wie empfanden Sie den Austausch mit Ihren Kommiliton*innen? Der Austausch mit den Mitstudierenden war sehr wertvoll. Wir haben viel miteinander diskutiert, uns über verschiedenste Themen unterhalten und uns gegenseitig inspiriert. Zwischen den Kursen blieb Zeit für private Gespräche. Es entstanden Kontakte, die ich bis heute pflege. Wie liess sich das Studium mit Ihrer Berufstätigkeit vereinen? Die Termine wurden uns vor Semesterbeginn bekannt gegeben. Da die Kurse, bis auf wenige Ausnahmen, immer freitags und samstags stattfanden, konnte ich das gut mit meiner Unterrichtstätigkeit vereinbaren. Ich organisierte meinen Stundenplan so, dass ich am Freitag keine fixen Termine hatte. Auf die Konzerttätigkeit verzichtete ich für zwei Jahre des Öfteren, da ich im Studium nicht fehlen wollte. Inwiefern entsprach die Weiterbildung Ihren Erwartungen? Ich erhielt Antworten auf meine Fragen, entwickelte ein breites Wissen, das ich im Alltag anwenden kann, und lernte Gleichgesinnte kennen. Das entsprach meinen Erwartungen an das Studium.
Was haben Sie am MAS besonders geschätzt? Wir lernten viele verschiedene Dozierende kennen und das Netzwerk, das ich dank diesem Studium aufbauen konnte, ist unbezahlbar. Ich fand die Kurse erwachsenengerecht gestaltet und genoss den direkten Bezug zur Praxis. Was ist für Sie das Wichtigste, was Sie im MAS gelernt haben? Es gibt für mich nichts, was am wichtigsten ist. Es ist die Summe aller Einzelteile, die das Studium für mich insgesamt lohnenswert machten. Was können Sie konkret aus der Weiterbildung mitnehmen für Ihre berufliche Zukunft? Ein gutes Zeitmanagement hilft mir, alle meine Ideen und verschiedenen Tätigkeiten umzusetzen und zu realisieren. Verhandlungstechniken und verschiedene Kommunikationsformen bringen mich oft weiter. Dank dem MAS lernte ich, Situationen schneller einzuschätzen und entsprechend zu handeln. Was hat sich an Ihrer Arbeit verändert, seitdem Sie die Weiterbildung bei uns abgeschlossen haben? Bessere Life-Work-Balance und bewusster Umgang mit der Zeit. Welchen Einfluss hat das Studium auf Ihre beruflichen Tätigkeiten? Optimal war für mich, dass die Musikschulleiterausbildung in diesem Studium integriert ist. Zeitgleich mit dem Studienabschluss erhielt ich eine Stelle als Co-Schulleiterin einer Musikschule. Aktuell schreibe ich meine Masterarbeit zum Thema Tonstart Bildung. Ein Weiterbildungsangebot für Musikschulen und möchte eigene Kurse vermitteln. Ein Projekt, das ich ohne MAS kaum in Angriff genommen hätte. Wem können Sie die Weiterbildung empfehlen? Allen musikbegeisterten Menschen, die eine organisatorische oder eine Führungsaufgabe übernehmen wollen. Die Zeit, die man in den MAS investiert, lohnt sich auf jeden Fall. Der Austausch mit den Dozierenden, der Studiengangsleitung und den Mitstudierenden ist einmalig – eine Chance, die man nutzen muss!
→ hkb.bfh.ch/de/aktuell/news/wb-publikationmusikmanagement-in-3-auflage-erschienen Felix Bamert, Leiter MAS Musik-Management
Interview: Christian Schütz
Informationen Der Weiterbildungsstudiengang richtet sich an Musiker*innen, die sich auf dem Arbeitsmarkt profilieren und ihre Auftritte als Solist*in, als Band, Ensemble, Chor, Verein oder Orchester professionalisieren wollen. Gleichzeitig werden auch Leitende und Verantwortliche in Musikinstitutionen, in Musikschulen und in der Musikwirtschaft angesprochen. Der Studiengang wird in Kooperation mit dem Verband Musikschulen Schweiz (VMS) angeboten. Für den erfolgreichen Abschluss von drei CAS erhalten die Studierenden das Diplom als Musikschulleiter*in VMS.
Steckbrief → Titel/Abschluss: Master of Advanced Studies (MAS) → Studienform: Teilzeit (überwiegend Fr. und Sa.) → Dauer und Umfang: 4 Semester, 60 ECTS-Credits → Unterrichtssprache: Deutsch → Studienort: Bern → Nächster Studienbeginn: Herbstsemester 2021
Aufbau → CAS Selbstmanagement → CAS Leadership → CAS Konzept- und Projektdesign → CAS Praktika → Thesismodul
Was der Studiengang bietet → Sie erwerben fundierte Kenntnisse verschiedener Managementmethoden, reflektieren deren Anwendbarkeit im Musikbereich und können künftige Entwicklungen antizipieren. → Sie lernen den Aufbau des musikalischen Bildungswesens und der Musikwirtschaft kennen. → Sie erfahren, wie Sie die politischen und die wirtschaftlichen Einflüsse auf Ihre Aufgaben einschätzen und diese entsprechend anpassen. → Sie erwerben die nötigen Methoden-, Selbstund Sozialkompetenzen, um Problemlösungen zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen.
Kontakt Sekretariat HKB Weiterbildung Fellerstrasse 11, 3027 Bern +41 31 848 38 15 weiterbildung@hkb.bfh.ch → hkb.bfh.ch/musik-management
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Schaufenster – Arbeiten aus der HKB: Strapazin ist ein in München gegründetes und heute in Zürich sesshaftes Comics-Magazin. Seit über 36 Jahren publiziert Strapazin vierteljährlich Comics aus aller Welt und bietet vor allem unabhängigen Zeichner*innen eine Plattform. In der aktuellen Ausgabe (Nr. 142) sind Arbeiten der HKB-Alumna Hanna Schiesser publiziert. Auszug aus Strapazin 2021/142