Leseprobe LLS 2018

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Jahrgang 6 / Heft 1 / 2017

Lernen und Lernstörungen

Geschäftsführende Herausgeberin Liane Kaufmann Herausgeber Michael von Aster Cordula Löffler Marianne Nolte Gerd Schulte-Körne Gastherausgeberin Silvia Pixner

In Zusammenarbeit mit

Fachverband für integrative Lerntherapie e.V.

Themenschwerpunkt Dyskalkulie-Therapie


Mehr Lernerfolg für Ihr Kind – wissenschaftlich erwiesen und nachhaltig

Regula Everts / Barbara Ritter

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Memo, der vergessliche Elefant Mit Gedächtnistraining spielerisch zum Lernerfolg

PD Dr. Regula Everts Neuropsychologin, Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Inselspital Bern

2., überarb. u. erg. Aufl. 2017. 304 S., Gb € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-456-85697-1 Auch als eBook erhältlich

Dr. Barbara Ritter Neuropsychologin, Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen

Das  Memo-Training

dem Elefanten ern entwickelt, g vermittelt ft Kindern ab olg. Die eine kunterbunten Lernerlebnis Das Memoachpersonen

Das Memo-Training

Everts / Ritter

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Regula Everts Barbara Ritter

Das MemoTraining

Memo ist ein Zirkuselefant und lebt in der Schweiz. Weil es ihm dort zu kalt ist, will er zurück in seine Heimat Botswana reisen. Doch Memo ist leider sehr vergesslich. Wie gut, dass er im Zirkus eine Menge Freunde hat, die ihm dabei helfen, die abenteuerliche Reise nach Botswana mit schlauen Gedächtnistricks zu meistern.

Memo, der vergessliche Elefant Mit Gedächtnistraining spielerisch zum Lernerfolg 2., überarbeitete und ergänzte Auflage

ISBN 978-3-456-85697-1

2. Aufl.

23.08.16 10:38

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Das neurowissenschaftlich begründete Gedächtnistraining mit dem Elefanten Memo wurde an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde in Bern entwickelt, angewendet

und auf seine Wirkung hin untersucht. Das Training vermittelt Gedächtnisstrategien und stärkt das Arbeitsgedächtnis. Es verhilft Kindern ab sieben Jahren erwiesenermaßen und nachhaltig zu mehr Lernerfolg. Die einfache Handhabung, die kindgerecht gestalteten Übungen und die kunterbunten Geschichten machen das Memo-Training zu einem gelungenen Lernerlebnis sowohl für die Kinder als auch für die Trainerinnen und Trainer. Das Memo-Training wird seit der Erstausgabe im Jahr 2013 von Eltern und Fachpersonen mit Begeisterung und Erfolg angewendet.


Lernen und Lernstörungen

6. Jahrgang / Heft 1 / Januar 2017 Gastherausgeberin Silvia Pixner Herausgeber Liane Kaufmann (geschäftsführend) Michael von Aster Cordula Löffler Marianne Nolte Gerd Schulte Körne

Fachverband für integrative Lerntherapie e.V.


Geschäftsführende Herausgeberin

PD Dr. Liane Kaufmann Landeskrankenhaus Hall Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie A Milser Str. 10 6060 Hall in Tirol Österreich liane.kaufmann@tirol-kliniken.at

Assoziierte Herausgeber

Prof. Dr. Cordula Löffler, Weingarten Prof. Dr. Marianne Nolte, Hamburg Dr. Silvia Pixner, Hall in Tirol Prof. Gerd Schulte-Körne, München Prof. Michael von Aster, Potsdam, Berlin und Zürich

Redaktion

Marlies Lipka, Ludwigsburg (Leitung); Ursula Chaudhuri, Göttingen; Jasmin Leitner, Hall in Tirol

Beirat

Daniel Ansari, London, Ontario Günter Esser, Potsdam Silke Göbel, York Thomas Günther, Aachen Judith Hollenweger, Zürich Lutz Jäncke, Zürich Petra Küspert, Würzburg Kristin Krajewski, Frankfurt a. M. Karin Kucian, Zürich Karin Landerl, Graz Jens-Holger Lorenz, Heidelberg Elisabeth Moser Opitz, Zürich

Verlag

Hogrefe AG, Länggass-Str. 76, Postfach, 3000 Bern 9, Schweiz Tel. +41 (0)31 300 45 00, Fax +41 (0)31 300 45 93 verlag@hogrefe.ch, www.hogrefe.com

Anzeigenleitung

Josef Nietlispach, Hogrefe AG, Länggass-Str. 76, Postfach, 3000 Bern 9, Schweiz, Tel. +41 (0)31 300 45 69, Fax +41 (0)31 300 45 91 inserate@hogrefe.ch

Satz & Druck

AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten im Allgäu, Deutschland

ISSN

ISSN-L 2235-0977, ISSN (Print) 2235-0977, ISSN (Online) 2235-0985

Erscheinungsweise

4 Hefte jährlich

Bezugsbedingungen

Jahresabonnement Institute: € 142.− / CHF 183.−; Private: € 71.− / CHF 95.−; plus Porto und Versandgebühren: Schweiz CHF 14.− / Europa € 13.− / übrige Länder CHF 26.−; Einzelheft € 34.− / CHF 46.− zzgl. Porto und Versandgebühren zeitschriften@hogrefe.ch

Indexierung

PsycINFO und PSYNDEX

Elektronischer Volltext

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Korbinian Möller, Tübingen Hans-Christoph Nürk, Tübingen Bea Latal, Zürich Franz Petermann, Bremen Ralph Radach, Wuppertal Marcel Romanos, München Hubert Schaupp, Graz Elsbeth Stern, Zürich Günther Thomé, Frankfurt Susanne Walitza, Zürich Sabine Walper, München

Lernen und Lernstörungen ist Mitgliederzeitschrift des Fachverbands für integrative L ­ erntherapie e. V. (FiL) und des Legasthenie-Zentrums Berlin e. V.


Inhalt Editorial

Dyskalkulie hat viele Gesichter – Eine Differenzierung in der Erkennung und Förderung ist daher besonders wichtig

5

Silvia Pixner Fokus Forschung

Implementation des Trainingsprogrammes Kalkulie in der Grundschule

7

Alexander Müller und Annemarie Fritz-Stratmann Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche – Messen wir, was wir fördern wollen?

25

Ursula Fischer, Stephanie Roesch und Korbinian Moeller Fokus Anwendung

Dyskalkulie bei Erwachsenen in drei Fallbeschreibungen

Rezensionen

Autogenes Training – Ein alltagsnahes Übungsprogramm zum Erlernen der AT-Grundstufe von Günter Krampen

19

Adelheid Mueller und Korbinian Moeller 39

Marlies Lipka Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten von Kindern und Jugendlichen – Handlungsmöglichkeiten für Lehrkräfte von Helmut Lukesch (Hrsg.)

41

Almut Dietzfelbinger Wissen – kurz notiert

Mehr Mut zur Qualität auch in den Wissenschaften

43

Liane Kaufmann Subtypen von Rechenschwäche: Ergebnisse einer Meta-Analyse und Implikationen für die Interventionsplanung

44

Liane Kaufmann und Michael von Aster

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 3

3


Umfassend und aktuell – das komplette Wissen der Psychologie Markus Antonius Wirtz (Hrsg.)

Dorsch – Lexikon der Psychologie Unter Mitarbeit von Janina Strohmer. 18., überarb. Aufl. 2016. 1952 S., Gb € 74,95 / CHF 95.00 ISBN 978-3-456-85643-8 Der DORSCH in der 18. Auflage: mit über 2000 aktualisierten und überarbeiteten Stichwörtern – inklusive Dorsch Lexikon Online [www.hogrefe. com/dorsch]. Der Dorsch ist das Standardwerk, das eine umfassende Orientierung über Grundlagen, Konzepte und

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Der Fach- und Berufsverband für Lerntherapeut/innen, Dyslexie- und Dyskalkulietherapeut/innen lädt ein zur 26. Fachtagung 2017 in Berlin

Motivation und Kommunikation – die Basis erfolgreichen Lernens! u.a. mit Prof. Dr. Michaele Brohm, Prof. Dr. Sebastian Wartha, Prof. Dr. Hans Brügelmann, Dr. David Gerlach Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie unter www.lerntherapie-fil.de


Editorial

Dyskalkulie hat viele Gesichter Eine Differenzierung in der Erkennung und Förderung ist daher besonders wichtig

E

ine Dyskalkulie kann sich bei jedem Kind nicht nur vom Schweregrad, sondern auch von den Sym­ ptomen sehr unterschiedlich darstellen. So haben Kinder mit Dyskalkulie sehr vielfältige Beeinträchtigun­ gen im rechnerischen Bereich. Dem einen fällt es schwer, Mengen korrekt zu schätzen und diese abzuzählen, ein anderer merkt sich die vorgegebenen Malreihen kaum. Mangelndes Stellenwertverständnis ist ebenfalls ein häu­ figes Problem von Kindern mit Dyskalkulie. Das Erschei­ nungsbild nach außen kann also unterschiedlicher nicht sein. Dies macht die Förderung sehr komplex und erfor­ dert in vielen Fällen ein Einzelsetting, um sich gut nach den Problemen des Kindes ausrichten zu können. Zusätz­ lich haben Kinder mit Dyskalkulie nicht selten auch noch andere Päckchen zu tragen (weitere Infos zu diesem The­ ma siehe auch Beitrag Huck & Schröder, 2016). Mangeln­ der Selbstwert aufgrund vieler Misserfolgserfahrungen oder negativer Feedbacks ist eine häufige Folge. Auch Prüfungsangst tritt vermehrt auf. Kommen zusätzlich feinmotorische Probleme, Probleme in der räumlichen Verarbeitung und der Merkfähigkeit oder eine mangeln­ de Konzentration dazu, werden die Schwierigkeiten im­ mer komplexer. Dies beeinträchtigt dann natürlich wie­ derum sehr stark die Motivation des Kindes, sich mit dem Thema Rechnen noch weiter zu befassen. Gut evaluierte Interventionsprogramme können Praktikern helfen, die Förderung der Teilkompetenzen effektiv zu gestalten. Dabei sind gute Theorien notwendig, um die effektive Vorgangsweise bei der Förderung zu sichern. Mit diesen Themen rund um die Förderung bei Dyskalkulie befasst sich das vorliegende Helft. Die Berücksichtigung anderer Schwierigkeiten und der Gesamtsituation des Kindes bleiben in der Verantwortung des Dyskalkulie-Therapeu­ ten bzw. Trainers. In jedem Fall sind sehr viel Wissen, Erfahrung und Einfühlungsvermögen nötig, all diese Ein­ zelheiten gut in der Therapie bzw. im Training zu berück­ sichtigen, um Kinder mit Dyskalkulie erfolgreich zu the­ rapieren. Dr. Silvia Pixner Hall in Tirol, Österreich Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 5 – 6 DOI 10.1024/2235-0977/a000157

Inhalte der aktuellen Ausgabe von Lernen und Lernstörungen Die vorliegende Ausgabe unserer Zeitschrift befasst sich mit dem Thema der Förderung von Rechenschwächen bzw. Dyskalkulien. Im „Fokus Forschung“ sind zwei Beiträge abgedruckt. Im ersten Beitrag von Fischer, Roesch & Möl­ ler (2017) wird die Vielfältigkeit von Aufgaben in Bezug auf Zahlenverarbeitung und Rechnen analysiert. Es werden (primär numerische) Kernkompetenzen definiert und im Anschluss daran untersuchen die Autoren, ob die in Praxis und Forschung häufig verwendeten standardisierten Tests und evaluierten Förderprogramme tatsächlich die gesamte Breite der möglichen Beeinträchtigungen im numerischen Bereich abdecken. Der zweite Beitrag von Müller und Fritz (2017) befasst sich mit einem ebenso spanenden und wich­ tigen Feld in Bezug auf die Fördermethoden, genauer ge­ sagt mit der Implementation des Trainingsprogramms Kal­ kulie in der Grundschule. Trotz belegter Wirksamkeit des Programms im Einzelsetting zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie, dass die Verwendung des Trainings­ programms Kalkulie im schulischen Alltag durch viele Fak­ toren beeinflusst wird. Die Daten des ersten Jahres der Im­ plementation zeigen ein ernüchterndes Bild, aus dem man jedoch viel lernen kann (vor allem in Hinblick auf die Vor­ teile und Grenzen der Anwendbarkeit des Trainingspro­ gramms Kalkulie im schulischen Alltag). Im „Fokus Anwendung“ stellen Müller und Möller (2017) drei sehr spannende Falldokumentationen der Dyskalkulie bzw. Rechenstörung im Erwachsenenalter vor. Obwohl die­ ses Feld bisher noch wenig erforscht ist, gibt es in der Fach­ literatur vereinzelt Hinweise für das Vorhandensein und die Folgen einer Dyskalkulie bei Erwachsenen. In den vor­ liegenden Fallbeispielen wird sehr schön skizziert, dass ­Pro­bleme der Betroffenen mit basis-numerischen Inhalten nicht nur deren Schullaufbahn, sondern auch für andere Lebensbereiche (wie Beruf und Alltag) belastend sein kann. Spannend hierbei ist auch die Betrachtung der Unterschie­ de und Gemeinsamkeiten über die drei Fälle hinweg. In der Rubrik „Wissen – kurz notiert“ werden dem inte­ ressierten Leser zwei aktuelle Publikationen vorgestellt. Im ersten Beitrag widmet sich Ferguson (2016) der Diskrepanz 5


Editorial zwischen (der allseits angestrebten) Quantität und (der teil­ weise vernachlässigten) Qualität in den Wissenschaften und plädiert für eine vermehrte Fokussierung und Akzep­ tanz der Wissenschaftsqualität. Der zweite Beitrag, der in der Rubrik vorgestellt wird, passt zum Themenschwerpunkt dieser Ausgabe und fasst die wichtigsten Befunde einer Meta-Analyse zusammen, die auf die Identifikation von Subtypen der Rechenschwäche abzielt (Szúcs, 2016). Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern eine spannende und abwechslungsreiche Lektüre.

Literatur Fischer, U., Roesch, S. & Moeller, K. (2017). Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche – Messen wir, was wir fördern wollen? Lernen und Lernstörungen, 6, 25 – 38. Huck, L. & Schröder, A. (2016). Psychosoziale Belastungen und Lernschwierigkeiten. Lernen und Lernstörungen, 5, 157 – 164. Müller, A. & Fritz-Stratmann, A. (2017). Implementation des Trainingsprogrammes Kalkulie in der Grundschule. Lernen und Lernstörungen, 6, 7 – 17. Mueller, A. & Moeller, K. (2017). Dyskalkulie bei Erwachsenen in drei Fallbeschreibungen. Lernen und Lernstörungen, 6, 19 – 24.

Liane Kaufmann und Marlies Lipka

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Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 5 – 6


Motivationspsychologische Grundlagen der Begabungsentwicklung

Gerhard Lehwald

Motivation trifft Begabung Begabte Kinder und Jugendliche verstehen und gezielt fördern 2017. 224 S., 37 Abb., 12 Tab., Kt € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85588-2 Auch als eBook erhältlich

Im Fokus dieses Sachbuches steht die Individualität begabter Kinder. Auch wenn wir von „den Begabten“ sprechen, heißt das nicht, alle wären gleich. Sie sind genauso unterschiedlich wie andere Kinder. Woher kommt die große Streubreite der Lern- und Persönlichkeitsmerkmale? Begabte Kinder fassen bekanntermaßen Inhalte schneller auf als gleichaltrige und zeigen oft andere und tiefgründigere Interessen und Lernbedürfnisse. Ausgehend von den Lern- und Motivmerkmalen begabter Kinder und Jugendlicher weckt „Motivation trifft Begabung“ das Verständnis für ihre individuellen Anlagen, individualisierte Bildung, Förderung im Elternhaus und in der Schule.

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Dabei geht der Autor einen neuen Weg, indem er – anders als bislang in der Begabungsforschung üblich – gegenstands- und tätigkeitsbezogene Motive (Neugier, Wissbegier, Erkenntnisstreben) ins Zentrum der Betrachtung stellt. Gerhard Lehwald stellt Checklisten und Fragebögen zur Verfügung und erklärt an Fallbeispielen aus der eigenen Beratungspraxis, wie Begabungsentwicklung und Begabtenförderung erfolgreich verlaufen können. Dadurch werden nicht nur exzellente Leistungen Begabter besser erklärt, sondern auch Störungen der Begabungsentwicklung verständlich.


BALDT

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Berufsverband Akademischer Legasthenie-Dyskalkulie-TherapeutInnen

Berufsverband Akademischer Der Berufsverband Akademischer LRS-TherapeutInnen sieht sich als kompetenter Legasthenie-Dyskalkulie-TherapeutInnen und verantwortungsbewusster Ansprechpartner für alle Betroffenen und deren Eltern sowie für Berufsgruppen, die mit dieser Problematik konfrontiert sind. A-5431 Kuchl, +43 680 30 60 831, office@lrs-therapeuten.org www.lrs-therapeuten.org, www.legasthenie-dyskalkulie.at

Das Beste von Paul Watzlawick – in einem Band! Trude Trunk (Hrsg.) / Paul Watzlawick

Man kann nicht nicht kommunizieren Das Lesebuch

Zusammengestellt von Trude Trunk und mit einem Nachwort von Friedemann Schulz von Thun. 2., unveränderte Auflage 2016. 376 Seiten € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85600-1 Auch als eBook erhältlich

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Ein wichtiger Ratgeber James T. Webb et al.

Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung Ein Ratgeber für Fachpersonen und Betroffene 2015. 360 S., 15 Tab., Gb € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-456-85365-9 Auch als eBook erhältlich Intellektuell und kreativ hochbegabte Menschen unterscheiden sich in ihrem Verhalten oft signifikant von ihren Mitmenschen. Immer wieder werden bei ihnen deshalb fälschlicherweise ADHS, Zwangsstörung, Asperger, Autismus oder andere Verhaltens- und affektive Störungen diagnosti-

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ziert. Gerade für Ärzte, Psychologen oder Betreuer dieser Kinder und Erwachsenen ist es deshalb essenziell zu wissen, welche Verhaltensweisen für diese Menschen normal sind und welche tatsächlich auf eine psychische Störung hinweisen.


Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

Empirische Arbeit

Implementation des Trainingsprogrammes Kalkulie in der Grundschule Alexander Müller und Annemarie Fritz-Stratmann Fakultät für Bildungswissenschaften, Universität Duisburg-Essen

Zusammenfassung: Viele Studien belegen die Wirksamkeit von Trainings- und Förderprogrammen unter spezifischen kontrollierten Bedingungen. Eine seit längerem bemängelte Forschungslücke besteht in der oft nicht bewiesenen Effektivität dieser Programme an dem Ort, für den sie eigentlich konzipiert wurden, die Schule, bzw. das unterrichtliche Handeln. In der hier vorliegenden Studie geht es um die Implementation des Trainingsprogrammes Kalkulie. Geplant ist ein Implementationszeitraum von drei Jahren, beteiligt sind zwei Grundschulen mit je zwei Klassen und zwei Kontrollschulen. An dieser Stelle wird über die Ergebnisse der Implementation nach einem Jahr berichtet. Die Effekte der Implementation werden anhand zweier unterschiedlicher Transferstrategien erfasst: die „partizipative Strategie“ nimmt die individuelle Umsetzung der Konzeption vor Ort, ihrer Weiterentwicklung und optimierenden Maßnahmen in den Blick, die evidenzbasierte Strategie die Veränderungen in den Schülerleistungen. Es zeigt sich, dass vor allem im ersten Jahr der Implementation partizipative Transferstrategien in den Fokus treten. Schulen beschäftigen sich vorrangig mit schulorganisatorischen Maßnahmen und Weiterbildungen der Lehrkräfte. Steigerungen in den Schülerleistungen sind nur für einen Teil der Schülerinnen und Schüler nachweisbar.

Einleitung

N

eben zahlreichen Lese-Rechtschreibtrainings existiert inzwischen auch eine Vielzahl spezifischer Förderprogramme für Kinder mit Schwierigkeiten im Rechnen. Dies gilt für den internationalen ebenso wie für den deutschsprachigen Bereich. Die Metanalysen von Ise, Dolle, Pixner und Schulte-Körne (2012) sowie von Chodura, Kuhn und Holling (2015) listen insgesamt 38 Evaluationsstudien zu unterschiedlichen Förderkonzepten auf. Mit Ausnahme von drei Studien handelt es sich durchweg um kurze, auf einige Wochen (drei bis zehn) befristete Interventionen. Diese wurden in der Regel unterrichtsbe­ gleitend oder extern von geschulten Projektmitarbeitern durchgeführt. In der Mehrzahl konnte die Wirksamkeit der Trainings in wissenschaftlich kontrollierten Settings belegt werden. Inwieweit der Leistungszuwachs der Kinder jedoch gehalten werden konnte oder die Kinder gar den Anschluss an die Klasse fanden, wird selten berichtet. Vereinzelt tauchen Hinweise auf, dass die Leistung der Kinder nach dem Ablauf der Förderung wieder abnimmt, da die Inhalte der Förderung und die Anforderungen des schulischen Unterrichtes zu wenig aufeinander abgestimmt sind (vgl. Aunio, Hautamäki & van Luit, 2005). Das Ziel der Entwicklung und Evaluation von Trainings zur Verbesserung der schriftsprachlichen oder Rechenleis-

tungen ist jedoch (in erster Linie) deren effektiver Einsatz in Unterricht und Förderung. Zumindest im Bereich der Interventionsforschung zur mathematischen Förderung besteht aus unserer Sicht eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Erforschung der Effektivität eines Trainings unter wissenschaftlichen Bedingungen und der Erforschung der Bedingungen, unter denen ein Training in der Schule nutzbar gemacht werden kann (Transferforschung). Erst in jüngerer Zeit wird diese Diskrepanz in der Bildungsforschung als Problem aufgegriffen und kritisiert, dass evidenzbasierte Konzepte immer noch zu wenig in die Praxis des Schulalltags überführt und auf ihre Wirkung hin überprüft werden (vgl. Hasselhorn, Köller, Maaz & Zimmer, 2014). Ein Grund für die lange Zeit unberücksichtigte Forschungsfrage liegt sicherlich in der methodischen Herausforderung, die Effekte eines Trainingskonzeptes unter den zum Teil nicht kontrollierbaren Bedingungen des schulischen Alltages zu überprüfen. „Randomisierung und Konstanthaltung von ‚Störvariablen‘ sind in solchen Kontexten meist nicht möglich. Man hat es mit einer Variablenkomplexion zu tun, die nur schwer aufzudröseln ist“ (Einsiedler, 2010, S. 65). Einsiedler (2010) schlägt daher eine Methodenerweiterung und die Betrachtung prozessualer Veränderungen vor. Dies kann in der praxisnahen Forschung nur durch das

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17 7 DOI 10.1024/2235-0977/a000158

Fokus Forschung

Schlüsselwörter: Implementation, mathematische Förderung, schulische Förderung, Rechenschwäche, Transferforschung


Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

Fokus Forschung

Zusammenfügen verschiedener Methoden quantitativer und qualitativer Art gelingen. Solche als „Variablenbündeln“ oder „Klasse von Variablen“ (ebd.) bezeichneten Vorgehensweisen beziehen mehrere messbare Faktoren ein, die auf eine inhaltlich zusammenhängende Struktur hindeuten. Transferstrategien Im Bildungsbereich wird die Implementation verschiedener Konzepte, Methoden, Trainings usw. als Innovationsbzw. auch Transferforschung bezeichnet. Dabei können vier verschiedene Transferstrategien klassifiziert werden (vgl. Gräsel, 2010). Innovationen, durch die klassische Top-Down-Strategie umgesetzt, werden nicht in Schulen entwickelt, sondern durch externe Stellen entworfen und schließlich durch übergeordnete Stellen, z. B. administrative Vorgaben, zum Einsatz gebracht. Hier sei vor allem die Umsetzung neuer Lehrpläne und Richtlinien genannt. Mit der evidenzbasierten Strategie hingegen besteht die Absicht, durch die Umsetzung einer Innovation positive, messbare Resultate – z. B. verbesserte Schülerleistungen – zu erzielen. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Transferstrategien bilden bei der partizipativen Strategie wissenschaftliche Begleitung und adaptive Maßnahmen in den jeweiligen Schulen einen prozesshaften Implementationsverlauf. Dieser vollzieht sich in der individuellen Umsetzung einer Konzeption, ihrer Weiterentwicklung und optimierender Maßnahmen vor Ort (Gräsel, 2010). Der Transfer durch Design-Forschung baut auf ähnlicher Grundlage wie die partizipative Strategie auf, soll jedoch durch erhöhten wissenschaftlichen Anspruch zur Weiterentwicklung auch auf theoretischer Basis führen. Merkmale des Transfers in die schulische Arbeit Die Implementation einer Maßnahme wird dann als ­erfolgversprechend angesehen, wenn sie sich in einem Prozess, bestehend aus Merkmalen der Innovation, Merkmalen der Lehrkräfte, Merkmalen der Schule und Bedingungen des Schulsystems vollzieht (Goldenbaum, 2013, Gräsel, 2010). Merkmale der Innovation Wird in Schulen ein Bedarf an spezifischen Fördermaßnahmen wahrgenommen, steigen die Chancen einer erfolgreichen Implementierung. Akzeptanz oder Ablehnung durch die beteiligten Lehrkräfte spielen eine ebenso wichtige Rolle wie das Erkennen eines Vorteils im Vergleich zu bestehenden Arbeitsweisen. Die Zielsetzungen und Wege des Implementationsprozesses müssen klar formuliert sein. Ein weiterer Aspekt ist in der Komplexität einer Innovation zu finden. Damit sind die im Implementationsprozess neu zu erlernenden Fähigkeiten, zu verändernde Strukturen wie auch die Einführung 8

und der Umgang mit neuen Materialien gemeint. Grundsätzlich gilt: Je komplexer eine Innovation, desto schwerer die Implementation – jedoch auch: Je einfacher eine Innovation ist, desto leichter die Implementation, aber auch geringer die Veränderung in der Praxis. Förderprogramme an Schulen müssen inhaltlich so konzipiert sein, dass sie sich an die curricularen Gegebenheiten der jeweiligen Schulstufe anpassen lassen. Sie sollten leicht einsetzbar sein und gerade für den Beginn klare Rahmenvorgaben liefern, auf denen eine Förderung aufgebaut werden kann. Daneben müssen sie variable Einsatzmöglichkeiten bieten, um ständigen Veränderungen der Schülerschaft oder des Unterrichtstalltages gerecht zu werden. Zu bevorzugen sind modellbasierte Konzeptionen, die neben aufeinander aufbauenden Fördermaßnahmen auch diagnostische Instrumente beinhalten (Fritz, Ehlert & Müller, 2016). Merkmale der Lehrkräfte In der Qualifikation der Lehrkräfte als durchführende ­Organe findet sich ein bedeutender, individueller Aspekt. Jäger (2004) verweist darauf, dass es besonders effizient erscheint, zu Beginn geeignete Lehrpersonen zu identifizieren, die über grundlegende Kenntnisse und eine erste Bereitschaft für die Umsetzung verfügen. Eine Vielzahl von Studien beschäftigt sich mit den Einstellungen von Lehrinnen und Lehrern während des Implementationsprozesses (z. B. George, Hall & Stiegelbauer, 2006; Hall & Hord, 2008; Hall & Hord, 2011. Die Bereitschaft, Veränderungen bei bestehenden Praktiken und Überzeugungen zu vollziehen, korreliert deutlich mit den eigenen Theorien zur Selbstwirksamkeit und der Motivation. Lehrkräfte müssen den Vorteil der Innovation erkennen, sich den Anforderungen durch die Innovation gewachsen fühlen und Möglichkeiten der Partizipation wahrnehmen, damit eine effiziente und erfolgreiche Umsetzung der Maßnahme gelingen kann (vgl. Goldenbaum, 2012). Merkmale der Schule Bei der Einführung von Trainings- und Förderprogrammen reicht es nicht aus, sie nur anzubieten oder durch einmalige Fortbildungsangebote vorzustellen. Vielmehr müssen kooperative Arbeitsstrukturen in der Schule geschaffen werden, durch die Lehrkräfte konzeptionell wie inhaltlich eine programmatische Arbeit zum Trainingsund Förderkonzept entwickeln. Eine Schlüsselrolle kommt den Schulleitungen zu, da sie durch ihre Einstellung zur Innovation einen erheblichen Beitrag zur Akzeptanz in der Schule leisten, aber auch wichtige organisatorische wie personelle Rahmenbedingungen schaffen. Der Schul- und Organisationskultur wird ein wichtiger Faktor zugesprochen, wobei allerdings noch unklar ist, wie genau innovationsförderliche Einflüsse hierbei zu identifizieren und beschreiben sind (Goldenbaum, 2012). Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17


Alle Faktoren bilden nach heutigem Stand der Forschung wesentliche Elemente für einen gelingenden Implementationsprozess. Offen ist jedoch die Frage, wie sich die einzelnen Bedingungen wechselseitig beeinflussen und welche Bedeutung ihnen bei der Betrachtung des gesamten Prozesses zukommt (Goldenbaum, 2012). Das Trainingsprogramm Kalkulie Nachfolgend soll kurz das Trainings- und Förderprogramm Kalkulie vorgestellt werden, das für die Implementation ausgewählt worden ist. Das Trainingsprogramm Kalkulie (Gerlach, Fritz, Ricken & Schmidt, 2007) ist aus drei aufeinander aufbauenden Bausteinen konzipiert und kann von Schulbeginn bis zur dritten Klasse eingesetzt werden. Kalkulie basiert auf dem empirisch geprüften Modell zur Entwicklung arithmetischer Konzepte mit fünf voneinander abgegrenzten, aufeinander aufbauenden Niveaus (Fritz, Ehlert & Balzer, 2013). yy Niveau 1: Zählzahl Neben dem schrittweisen Erlernen der Zahlwortreihe, erkennen die Kinder durch die Strategie der 1zu1-Zuordnung, dass Zahlen zum Zählen von Objekten eingesetzt werden können. yy Niveau 2: ordinaler Zahlenstrahl Kinder lernen, dass die Zahlwortreihe eine feste Abfolge darstellt, Zahlen einen Vorgänger bzw. Nachfolger haben und in der Reihe immer größer oder kleiner werden. Erste Additions- und Subtraktionsaufgaben werden durch Abzählen möglich. yy Niveau 3: Kardinalität und Zerlegbarkeit Zahlen werden nun als Ausdruck einer bestimmten Mächtigkeit verstanden. Die enthaltenen Einzelobjekte einer Gesamtmenge können bestimmt werden. Kinder beginnen Zusammenhänge zwischen Gesamtmenge und Teilmenge zu verstehen. yy Niveau 4: Enthaltensein Kinder vertiefen die Beziehungen zwischen Teilmenge und Gesamtmenge. Das Wissen, dass jede weitere Zahl alle vorherigen Zahlen enthält, lässt differenziertes Wissen um die Zerlegung in Teilmengen zu. Das Zerlegen einer bestimmten Menge in kleinere Teilmengen gelingt. yy Niveau 5: Relationalität Nun sind Kinder immer mehr in der Lage Differenzen zwischen Mengen exakt zu bestimmen, da sie erkennen, wie groß der Abstand zwischen zwei Mengen ist. Eine Zahl steht damit nicht mehr nur für eine spezifische Menge, sondern auch für eine Distanz auf dem Zahlenstrahl oder für eine Anzahl von Zählschritten. Ein an die Bausteine angepasster Diagnoseteil des Kalkulie-Programmes erlaubt es, den Lernstand der Schülerinnen und Schüler (SuS) von Beginn an zu erfassen. Dieser

kann im weiteren Verlauf wiederholt eingesetzt werden. Somit können individuelle Anpassungen an die Lernfortschritte der Kinder vorgenommen werden. Durch den konzeptionellen Zusammenhang zwischen Modell, Diagnostik und Förderung ist eine evidenzbasierte Grundlage geschaffen, die sich gerade im Rahmen der schulischen Arbeit des Anfangsunterrichts als unverzichtbar erweist. (Fritz et al., 2016). Die Orientierung an den Niveaustufen beschreibt einen systematischen, hierarchischen Aufbau. Die in der Diagnostik festgestellten Kompetenzen der SuS lassen sich nach den Niveaustufen des Modells qualitativ beschreiben, so dass Konsequenzen für die Förderung und den Unterricht gezogen werden können. Die Auswahl der notwendigen Übungen kann durch die variable Ausrichtung des Trainingsprogrammes effektiv im Klassen- oder Förderunterricht umgesetzt werden. Die regelmäßige Überprüfung der individuellen Lernfortschritte kontrolliert die eingeleiteten Maßnahmen in Unterricht und Förderung. Eine zeitnahe Modifikation der Förderziele ist somit bei nicht erwarteten Fortschritten oder auch bei vorzeitigem Erreichen möglich. Bedeutendes Merkmal des Trainingsprogrammes Kalkulie sind die Prinzipien der Strategiereflexion und Verknüpfung von Präsentationsebenen. Die in Kalkulie an­ gebotenen Erarbeitungs- und Übungsaufgaben bieten Hilfestellungen zum Einsatz unterschiedlicher alternativer Strategien. Zusätzlich werden Hinweise gegeben, wie eine sprachliche Reflexion dieser Strategien sinnvoll möglich ist. Aufgabenformate werden immer in unterschied­ lichen Repräsentationsebenen (handelnd – anschaulich – symbolisch) umgesetzt. Die Übungen orientieren sich an den Inhalten des Faches Mathematik im Anfangsunterricht der Grundschule. Der strukturierte Aufbau hilft beim Einstieg, lässt im weiteren Verlauf aber immer die flexible Auswahl der Aufgaben zu. Zahlreiche Kopiervorlagen und Aufgabenvorschläge gestatten eine variable, anpassungsfähige Materialerstellung durch die Lehrkräfte.

Abbildung 1. Diagnostik und Förderung im Mathematikunterricht der Grundschule.

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17 9

Fokus Forschung

Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule


Fokus Forschung

Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

Ziele der eigenen Untersuchung In dieser Studie wird der Transfer des Trainingsprogrammes in den schulischen Alltag untersucht. Die Überprüfung der Implementation wird durch eine Koalition von partizipativer und evidenzbasierter Implementationsstrategie hergestellt. Der Zusammenhang zwischen Diagnostik und Förderung spielt in diesem Zusammenhang die entscheidende Rolle. Partizipative Ansätze in der Transferforschung gehen mit einer Professionalisierung der Kompetenzen einher, während bei evidenzbasierten Strategien ohne differenzierte Diagnostik nicht die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüft werden kann. Dies erfordert eine Qualifizierung der Lehrkräfte in Diagnostik und Förderung im Sinne der Grundlagen des Trainings- und Förderprogrammes. Fortwährende Weiterbildung zu theoretischen Aspekten des Förderprogrammes sind für eine erfolgreiche Durchführung der Implementation ebenso bedeutsam wie die fachliche Auseinandersetzung mit den Inhalten des Trainingsprogrammes in Unterricht und Förderung. Im Sinne der partizipativen Strategie soll sich ein Implementationserfolg am Aufbau nachhaltiger kooperativer Strukturen in den Schulen zeigen. Neben der Qualifikation der Lehrkräfte sind die organisatorische und konzeptionelle Weiterarbeit am Trainingsprogramm durch die Lehrerinnen und Lehrer der jeweiligen Schulen maßgebliche Ziele. Folgende Fragestellungen, die sich aus den oben beschriebenen Merkmalen erfolgreicher Implementation und ihrer Strategien ableiten lassen, sollen für das erste Jahr der Implementation in den Blick genommen werden: partizipative Implementationsstrategien: yy Wie wird das Trainingsprogramm in der Schule realisiert? yy Entstehen schulorganisatorische Veränderungen, die den Einsatz garantieren? yy Wird das Trainingsprogramm vom Kollegium akzeptiert? evidenzbasierte Implementationsstrategien: yy Kann mit der Durchführung des Trainingsprogrammes eine signifikante Verbesserung der Schülerleistungen im Bereich mathematischer Kompetenzen erreicht werden?

Methoden Stichprobe Die beiden teilnehmenden Schulen befinden sich in einem sozialen Brennpunktgebiet einer Großstadt in NordrheinWestfalen. Die Gesamtschülerzahl beziffert sich in den Schulen durchschnittlich mit knapp über 200 SuS. Der Migrationsanteil beträgt in beiden Schulen über 90 %. Bei dreiviertel der Kinder ist Deutsch nicht die Familienspra10

che. Der überwiegende Teil der Kinder stammt aus türkisch- oder arabischsprachigen Elternhäusern. Insgesamt sind über 20 verschiedene Nationalitäten an den Schulen zu finden. Die Grundschulen sind Orte des Gemeinsamen Lernens mit einem durchschnittlich prozentualen Anteil von Kindern mit festgestelltem Unterstützungsbedarf von ca. 5 %. Die Förderschwerpunkte sind Lernen, Sprache und soziale-emotionale Entwicklung, in sehr wenigen Fällen auch geistige Entwicklung. Die Implementationsstudie startete im Schuljahr 2014 / 2015 mit je zwei ersten Schuljahren. yy Grundschule 1: n = 56, 27 Jungen / 2 9 Mädchen, Alter 79 M (SD 4,7) yy Grundschule 2: n = 48, 22 Jungen / 26 Mädchen, Alter 77 M (SD 3,5) Die Effekte des Trainings werden durch ein Kontrollgruppendesign mit zwei Kontrollschulen geprüft. Beide Schulen befinden sich im gleichen Einzugsgebiet und sind ­hinsichtlich Schülerpopulation, sowie räumlicher und materieller Ausstattung mit den Schulen der Experimentalgruppe vergleichbar. In beiden Kontrollschulen werden keine spezifischen Programme mathematischer Förderung durchgeführt. Auch hier haben jeweils zwei erste Klassen teilgenommen: yy Grundschule 3: n = 44, 20 Jungen / 24 Mädchen, Alter 79 M (SD 3,3) yy Grundschule 4: n = 52, 24 Jungen / 2 8 Mädchen, Alter 79 M (SD 3,8) Untersuchungsdesign Insgesamt ist die Implementation des Trainings für einen Zeitraum von drei Jahren geplant. Zum Einstieg in den Implementationsprozess wurden zunächst Voraussetzungen für den Aufbau partizipativer Strategien hergestellt. In einer Fortbildungseinheit wurden ausgewählte Lehrkräfte beider Schulen mit den Inhalten des Trainingsprogrammes vertraut gemacht. Dies betrifft grundlegende Kenntnisse zum Entwicklungsmodell mathematischer Kompetenzen wie auch die Struktur der Diagnostik und Förderung des Trainingsprogrammes Kalkulie. In Gesprächen mit den Schulleitungen wurden relevante Strategien personeller und organisatorischen Art besprochen. In jeder Schule wurde eine Arbeitsgruppe Kalkulie, bestehend aus mehreren Lehrkräften gebildet, die an der eigenen Schule die Umsetzung der mathematischen Förderung planen und durchführen sollte. Die Schulleitung bestimmte im Einvernehmen mit den Kolleginnen und Kollegen eine verantwortliche Lehrkraft für Kalkulie, die die organisatorischen und materiellen Aufgaben der Umsetzung vor Ort übernehmen sollte. Dazu gehören die Organisation der Diagnostik und Förderung sowie als AnsprechpartnerIn für Kalkulie zu Verfügung zu stehen. Die Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17


Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

Schulleitungen der beiden Grundschulen planten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Stundenpläne mit der Einrichtung von Förderstunden und entsprechender Zuweisung von Lehrerstunden. Abbildung 2 verdeutlicht das Untersuchungsdesign. Im Sinne der partizipativen Strategie schaffen die Lehrkräfte innerhalb ihrer Schule organisatorische Rahmenbedingungen, die Unterricht und Förderung im Sinne des Kalkulie-Konzeptes nachhaltig verändern. Eine Reflexion, Anpassung oder Veränderung des Prozesses findet nach bzw. auch vor den Schuljahren statt. Die Erfassung von Schü­ lerleistungen zu Beginn und zum Ende des Schuljahres kennzeichnet die evidenzbasierte Strategie. Während des Schuljahres finden neben der Durchführung des Trainings auch kooperative Arbeitsgruppen der Lehrkräfte und die wissenschaftliche Begleitung durch Weiterbildungen und Fallsupervisionen statt. Instrumente für eine partizipative Strategie Erfassung schulorganisatorischer Veränderungen Um Veränderungen zu erkennen, identifizieren wir durch regelmäßiges Erfassen der schulstatistischen Daten Entwicklungen in den schulischen Bedingungen. Dies wird in den für die zusätzliche, individuelle Förderung bereitgestellten Förderstunden deutlich. Die Planungen zu Beginn eines Schuljahres werden mithilfe der Schulleitungen erfasst und dann zu den tatsächlich durchgeführten Stunden

in Beziehung gesetzt. Ziel ist es, Veränderungen in den schulischen Strukturen zu erkennen, die darauf hinweisen, dass die Förderung mit dem Trainingsprogramm steigend im Arbeitsalltag integriert werden kann. Folgende Faktoren gehen in die Analyse der Veränderung innerschulischer Bedingungen ein: yy Anzahl der geplanten und tatsächlich durchgeführten Fördereinheiten yy Anzahl und Organisation der durchgeführten Unterrichtsstunden zum Trainingsprogramm in der Klasse yy Anzahl und Inhalte der Arbeitsgruppenarbeit zum Trainings- und Förderprogramm yy Anzahl und Inhalte der Gesamtkonferenzen zum Thema Implementation und mathematische Förderung Erfassung der Veränderungen in den Einstellungen der Lehrkräfte Neben den statistischen Schuldaten misst sich der Erfolg der Implementation in den Veränderungen der Einstellung zur Innovation. Die Einstellung der beteiligten Lehrkräfte wird mithilfe von Fragebögen mit skalierten Antworten untersucht. Diese sind angelehnt an den Stages of Concern Questionnaire von George, Hall & Stiegelbauer (2006) zu folgenden Faktoren entwickelt worden: yy Wirkung des Förderprogrammes auf Schüler und Informationsbedürfnis zum Förderprogramm Beispielfragen: a. Es interessiert mich, ob das Trainings- und Förder-

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17 11

Fokus Forschung

Abbildung 2. Untersuchungsdesign.


Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

Fokus Forschung

programmes Kalkulie für unsere Schülerschaft ein geeignetes Förderinstrument ist. b. Ich möchte genau wissen, welchen Arbeits- und Zeitaufwand das Trainings- und Förderprogrammes Kalkulie verlangt. yy Befürchtungen u. Distanz zum Implementationsprozess Beispielfragen: a. Ich mache mir Sorgen, dass ich beim Einsatz im Unterricht und der Förderung nicht allen Anforderungen des Trainings- und Förderprogrammes Kalkulie gewachsen bin. b. Ich möchte wissen, inwieweit sich wegen der Einführung des Trainings- und Förderprogrammes Kalkulie mein Unterricht oder meine übrigen Aufgaben in der Schule verändern sollen. yy Wirkung des Förderprogrammes auf organisationale Strukturen u. Prozesse Beispielfragen: a. Ich möchte Kolleginnen und Kollegen helfen, das Trainings- und Förderprogramm Kalkulie in unserer Schule zu realisieren. b. Ich möchte über den Sinn und den Nutzen des Einsatzes des Trainings- und Förderprogrammes Kalkulie in unserer Schule diskutieren. Der Fragebogen wird jeweils zu Beginn eines Schuljahres eingesetzt und soll die Veränderungen in der Einstellung, der Motivation und den Überzeugungen der Lehrkräfte wiedergeben. Instrumente für eine evidenzbasierte Strategie Im Sinne der evidenzbasierten Strategie werden die Effekte des Trainings hinsichtlich der mathematischen Kompetenzen der SuS zu bestimmten Messzeitpunkten festgehalten. Die Daten werden zu Beginn und zum Ende eines Schuljahres zu gleichen Zeitpunkten an allen Schulen erhoben. Neben der von den Lehrkräften durchgeführten Ermittlung des Lernstandes mithilfe des Kalkulie-Diagnosematerials (Gruppentest) werden von wissenschaftlicher Seite für den Pre- wie Posttest Schülerleistungen durch folgende diagnostische Verfahren erhoben: yy Marko-D (Ricken, Fritz & Balzer, 2013) und Marko D1 (Fritz, Ehlert, Balzer & Ricken, in Vorb.) yy Trog-D (Fox, 2013) yy CFT1-R, Subtest 4 – 6 (Weiß & Osterland, 2012) yy Heidelberger Rechentest 1 – 4 (Haffner, Baro, Parzer & Resch, 2005) Die Planung der Förderung orientiert sich an den Ergebnissen des Marko-D. Dieser beruht auf dem o. g. Entwicklungsmodell mathematischer Kompetenzen und erlaubt neben der üblichen Prozent- und T-Wert-Ergebnisse, eine qualitative, nach 12

den Niveaustufen orientierte Interpretation der Schülerleistungen. Dadurch ist ein direkter Zusammenhang zwischen Diagnostik und Förderung mit Kalkulie gegeben.

Ergebnisse Im Fokus der nachfolgenden Ergebnisdarstellung betrachten wir die einzelnen Aspekte des Implementationspro­ zesses in Unterricht und Förderung mit den ersten Klassen beider Grundschulen unseres ersten Messzeitpunktes (Ende des Schuljahres 2014 / 2015). Detailliert werden wir darstellen, mit welchen Schwierigkeiten die Implementation eines Trainings an einer Schule verbunden sind. Grundschule 1 – Ergebnisse Schuljahr 2014 / 2015 Partizipative Strategie Die Lehrerinnen und Lehrer dieser Grundschule entschieden sich für eine deutliche Veränderung in der Struktur des Stundenplanes. So wurden drei Wochenschulstunden als individuelle Lernzeiten (ILZ) ausgewiesen, an denen jedes Kind mit Förderbedarf an einer Förderung teilnehmen sollte. Unterschieden wurden neben mathematischer Förderung mit Kalkulie auch Fördermaßnahmen im Bereich Lesen und Motorik. Die jahrgangsbezogene, klassenübergreifende Struktur der Lernzeiten ermöglichte eine Bündelung der Lehrerstunden, so dass bei sinnvoller Organisation effektive Individualförderung stattfinden kann. Nach Durchführung und Auswertung der Kalkulie-Diagnostik wurden 11 Kinder des ersten Schuljahres für die mathematische Einzelförderung ausgewählt. Für sie wurde eine jeweils wöchentlich stattfindende Einzelfördereinheit (ca. 20 – 2 5 min) geplant. Die Arbeitsgruppe Kalkulie bestand aus insgesamt drei Lehrerinnen, neben der Kalkulie-Beauftragten aus zwei weiteren Lehrerinnen, die die Förderung durchführen. Über die Einzelförderung hinaus sollten Inhalte des Trainingsprogrammes auch im Klassenunterricht als Grund­ lagenförderung umgesetzt werden. Die vorgenommenen Planungen wurden nur sehr eingeschränkt realisiert. Häufiger Unterrichtsausfall infolge von Krankheitsvertretungen und ein Wechsel in der Leitung einer Klassenführung erschwerten die Umsetzung. Der Einsatz des Trainingsprogrammes im Klassenunterricht gelang im ersten Jahr nicht. Förderung fand nur in den oben erwähnten individuellen Lernzeiten als Einzelförderung außerhalb des Klassenverbandes statt. Eine Gegenüberstellung der geplanten Verankerung im Stundenplan und der tatsächlich durchgeführten Stunden für das Schuljahr 2014 / 2015 verdeutlicht dies: Bei den pro Kind durchgeführten Fördereinheiten besteht eine erhebliche Streuung von 6 bis zu 15 Fördereinheiten. Diese erklärt sich daraus, dass Fördereinheiten zuLernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17


Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

Tabelle 1. Gegenüberstellung der geplanten und tatsächlich durchgeführten Fördereinheiten, Grundschule 1 SJ 2014/2015 Grundschule 1

Geplante Fördereinheiten

Realisierte Fördereinheiten

Pro Kind im Durchschnitt

28 Fördereinheiten

9 Fördereinheiten

Schule insgesamt (11 SuS)

308 Fördereinheiten

99 Fördereinheiten

gunsten von Vertretungsstunden ausfallen mussten. Hervorzuheben ist, dass lediglich ein Anteil von 32,14 % der geplanten Förderstunden umgesetzt werden konnte. Evidenzbasierte Strategie Trotz der noch nicht optimalen Förderbedingungen zeigten jedoch die meisten der SuS der Einzelförderung deutliche Leistungssteigerungen. Wie der Tabelle 2 zu entnehmen ist, wiesen alle geförderten SuS zu Beginn erhebliche Leistungsrückstände im mathematischen Bereich auf: 4 Kinder befanden sich erst auf der Kompetenzstufe 1, was bedeutet, dass sie lediglich Zahlen zum Zählen einsetzen können und auch hierbei noch keine Sicherheit aufwiesen. Die restlichen acht SuS befanden sich auf Kompetenz­ stufe 2, was bedeutet, dass sie dabei sind, zählend rechnen zu lernen. Nach der Förderung (Niveau Posttest) zeigten 8 Schüler deutliche Lernfortschritte. Fünf Kinder steigerten ihre Leistungen um zwei Stufen. Drei Kinder verbesserten sich um eine Niveaustufe. Keine Veränderung ist bei drei SuS feststellbar gewesen. Nach Auswertung der Dokumentationen lässt sich die Stagnation bei diesen Kindern vor allem auf krankheitsbedingtes Fehlen und den oben erwähnten Ausfall der Förderstunden zurückführen. Die qualitative Auswertung nach Niveaustufen durch den Marko-D und Marko-1 verdeutlicht die Leistungsveränderungen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe erweisen sich die Leistungssteigerungen aber als nicht signifikant.

Evidenzbasierte Strategie Wissenschaftlich durchgeführte Tests im Rahmen der evidenzbasierten Strategie sollten hier nach Wunsch der Schulleitung und des Kollegiums erst im zweiten Jahr des Implementationsprozesses erhoben werden. Schülerleistungen im mathematischen Bereich wurden ausschließlich mithilfe des Kalkulie Diagnosematerials erfasst. Erfassung der Einstellungen der Lehrkräfte beider Schulen Die Auswertung der Fragebögen, bezogen auf die Einstellungen der Lehrkräfte zur Implementation des Trainingsprogramms, lässt sich entlang der o. g. dreiteiligen Struktur darstellen. 1. Wirkung des Förderprogrammes auf Schüler und Informationsbedürfnis zum Förderprogramm Die Lehrkräfte zeigten ein hohes Interesse an den Inhalten des Förderprogrammes, seiner Umsetzung und des Einsatzes in der Schule. Ebenso wichtig war ihnen die positive Wirkung auf die SuS. Der Anpassung des Trainingsprogrammes auf ihre Schülerschaft sprachen die Lehrkräfte ebenfalls eine hohe Bedeutung zu.

Grundschule 2 – Ergebnisse Schuljahr 2014 / 2015 Partizipative Strategie In dieser Grundschule entschieden sich die Lehrerinnen und Lehrer dazu, die Förderstunden der Schüler ausschließlich nach der Doppelbesetzung des Stundenplanes zu organisieren. Die Durchführung der Kalkulie-Diagnostik und der Förderung oblag von Beginn an zunächst nur der ausgewählten Kalkulie-Beauftragten der Schule. Sie organsierte

Tabelle 2. Pre- Postest-Veränderungen der qualitativen Auswertung der SuS nach Niveaustufen Schüler / Schülerin

Kind 1

Kind 2

Kind 3

Kind 4

Kind 5

Kind 6

Kind 7

Kind 8

Kind 9

Kind 10

Kind 11

Niveau Pretest

1

2

2

2

2

2

2

1

1

1

2

Niveau Posttest

2

2

2

3

2

4

4

3

3

2

4

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17 13

Fokus Forschung

die Diagnostik, entschied welche Kinder in die Förderung aufgenommen wurden und führte diese allein durch. Es wurden acht SuS der ersten Klassen für die Förderung ausgewählt. Die Kinder der Klasse 1a wurden allerdings nicht wie geplant in Einzelförderung gefördert. Die Schüler der Klasse 1b erhielten auf Wunsch der Klassenlehrerin die KalkulieFörderung gemeinsam mit acht anderen rechenschwachen Kindern. Daher sind die Ergebnisse dieser Schule nur unter Betrachtung dieser Einschränkung zu bewerten. Auch hier ist ein erheblicher Unterschied zwischen den geplanten und tatsächlich durchgeführten Fördereinheiten festzustellen (Differenz von 28.6 %), wobei dieser Unterschied aufgrund der ungeplanten Änderung der Lehrerin in eine Gruppenförderung unter Vorbehalt zu bewerten ist.


Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

Fokus Forschung

Tabelle 3. Gegenüberstellung der geplanten und tatsächlich durchgeführten Fördereinheiten, Grundschule 2 SJ 2014 / 2015 Grundschule 2

Geplante Fördereinheiten

Realisierte Fördereinheiten

Pro Kind im Durchschnitt

28 Fördereinheiten

11 Fördereinheiten – Einzelförderung (4 Schüler) 20 Fördereinheiten – Gruppenförderung (4 Schüler)

Schule insgesamt (8 SuS)

224 Fördereinheiten

44 Fördereinheiten – Einzelförderung 20 Fördereinheiten – Gruppenförderung

2. Befürchtungen und Distanz zum Implementationsprozess Die durchschnittlichen Antworttendenzen bezüglich der Befürchtungen, ob es zu zeitlichen Konflikten oder koordinativen Problemen mit Kolleginnen und Kollegen kommt, waren insgesamt im unteren Bereich. Die Lehrkräfte sahen somit wenig Konflikte oder Probleme im Verlauf der Implementation des Trainingsprogrammes auf sich zu kommen. Fragen zur Distanz zum Trainingsprogramm (z. B. ob sie mehr an anderen Förderprogrammen interessiert seien) beantworteten die Lehrkräfte mit sehr niedrigen Werten, was darauf schließen lässt, dass alle Lehrerinnen und Lehrer zufrieden mit der Wahl des Trainingsprogrammes Kalkulie waren. yy Wirkung des Förderprogrammes auf organisationale Strukturen und Prozesse Die Lehrkräfte bekundeten ein hohes Interesse an der grundsätzlichen Realisierung des Trainingsprogramms in ihrer Schule, am Konzept des Trainings, den Aufgaben und dem Material. Deutlich weniger positiv waren ihre Angaben, wenn es darum ging, ob sie selbst an der Umsetzung des Trainings in der Schule, an der Adaptation des Trainings an die Schüler, der Herstellung der schulorganisatorischen Bedingungen und am Implementationsprozess mitarbeiten wollten. Reflexionsgespräche mit den Schulleitungen zum Ende des Schuljahres resümierten den bisherigen Stand der Implementation hinsichtlich partizipativer und evidenzbasierter Strategien. Für eine erfolgreiche Weiterführung der Implementation wurden folgende Fragestellungen thematisiert. yy Wie können die bisherigen Ergebnisse der Schüler, die Rückmeldungen der Lehrkräfte und Erfahrungen der Schule mit dem Trainingsprogramm Kalkulie bewertet werden? yy Welche schulstrukturellen Veränderungen müssen in personeller und organisatorischer Hinsicht für eine effektivere Umsetzung des Trainingsprogrammes vorgenommen werden? yy Welche konzeptionellen Verbesserungen müssen am Trainingsprogramm vorgenommen werden, damit es effektiver im Unterricht und der Förderung eingesetzt wird? yy Welche Hilfestellungen seitens wissenschaftlicher Seite sollen den Implementationsprozess unterstützen? 14

Diese Reflektion führte zu Veränderungen an den beiden Grundschulen. Vorranging wurden weitere Maßnahmen zur Professionalisierung der Lehrkräfte (regelmäßige Arbeit in der Kalkuliegruppe, zwei Konferenzen zum Implementationsprozess) und bessere schulinterne Organisa­ tionsbedingungen (erhöhte Anzahl an Förderstunden, genauere Dokumentation der Förderung, Einbindung von Kalkulie-Inhalten in den Unterricht) gewünscht, auf deren Basis der Implementationsprozess unterstützt werden sollte.

Diskussion Nach dem ersten Jahr der Implementation lässt sich konstatieren, dass sich eine gelungene effektive Einbettung eines Förderprogrammes an vielen Faktoren messen lassen muss. Anhand der oben formulierten Fragestellungen diskutieren wir folgend unsere Ergebnisse: Partizipative Implementationsstrategien Die konkrete Planung der individuellen Förderstunden für das Schuljahr konnte nicht in die Tat umgesetzt werden. Die Auswertung der Anzahl durchgeführter Förderstunden macht deutlich, dass es den Lehrkräften in beiden Schulen erhebliche Schwierigkeiten bereitete, das Kalkulie-Programm kontinuierlich im Förderunterricht durchzuführen oder in den Unterricht zu integrieren. Aus unterschiedlichen Gründen wurden in beiden Schulen nur ein Drittel aller geplanten Förderstunden realisiert. Beide Schulen weisen vergleichbare Voraussetzungen hinsichtlich der Schülerpopulation, den Lehrkräften und den schulstrukturellen Bedingungen auf, planten jedoch die Umsetzung des Trainingsprogramms durch unterschiedliche schulorganisatorische Maßnahmen. In der zuerst beschriebenen Grundschule wurden von Beginn an schulorganisatorische Veränderungen vorgenommen, die eine Durchführung von zusätzlichen Einzelförderstunden gewährleisten sollte. Es wurde eine Lehrkraft für die Organisation ausgewählt, die Förderung jedoch auf mehrere Lehrkräfte verteilt. In der anderen Grundschule wies man die Umsetzung einer ausgewählten Lehrkraft zu, die sich allein mit allen Aufgaben der Organisation, des Materials, der Diagnostik und Förderung auseinandersetzte. Dies Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17


Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

Evidenzbasierte Implementationsstrategien Die entscheidende Frage war, ob die Lehrkräfte mit der Durchführung des Trainingsprogrammes signifikante Verbesserungen der Schülerleistungen im Bereich mathematischer Kompetenzen erreichen können. Trotz nicht optimaler Förderbedingungen und unregelmäßiger Durchführungsfrequenzen, zeigten die Förderkinder nach der kriterialen Betrachtung der Ergebnisse zufriedenstellende Lernzuwächse. Über die Gesamtgruppe hinweg sind die Ergebnisse in den Schülerleistungen im Schuljahr 2014 / 2015 bisher je-

doch nicht zufriedenstellend. Im Vergleich zur Kontroll­ gruppe lassen sich für die Gesamtgruppe der Schüler und Schülerinnen keine signifikanten Lernzuwächse auf das Trainingsprogramm zurückführen. Wir fassen zusammen, dass im ersten Schuljahr der Implementation vor allem partizipative Strategien der Umsetzung eine entscheidende Rolle spielen. Bedingungen der Schule und ihrer Lehrkräfte bestimmen den Implementationsprozess. Wie deutlich wurde, konstruieren Schulen zu Beginn vor allem die strukturellen Rahmenbedingungen. Veränderungen im Schulalltag neu zu etablieren, stellen für das System und seine Lehrkräfte große Herausforderungen dar, die nicht in einem Jahr bewältigt werden können. Das Wissen um die Notwenigkeit der individuellen Förderung im mathematischen Bereich und auch die grundsätzliche Bereitschaft, Förderstunden einzusetzen, führte nicht zu der tatsächlichen Umsetzung. Ausblick Für das zweite Jahr der Implementation werden aus den bisherigen Erkenntnissen entscheidende Veränderungen angestrebt, die den Anstoß zu weiteren, erfolgsver­ sprechenden Implementationsprozessen in den Grundschulen geben. Für eine erfolgreiche Weiterführung der Implementation müssen in beiden Kollegien im Sinne partizipativer Strategien mehr kommunikative Austauschprozesse initiiert werden. Beide Schulen reflektierten umfangreich ihre Vorgehensweisen und setzen im Schuljahr 2015 / 2016 eine erhöhte Anzahl der Förderstunden für diesen Bereich ein. Besonders wichtig erscheint eine einheitliche, regelmäßige Dokumentation der Förderung, um personelle Wechsel aufzufangen und eine aktive Auseinandersetzung mit Lerninhalten zu verstärken. Neben den oben erwähnten Informationsangeboten für das ganze Kollegium sind spezielle, regelmäßige Arbeitstreffen in der Kalkulie-Arbeitsgruppe zum Aufbau nachhaltiger, kooperativer Strukturen erforderlich. Die Struktur und das Material des Trainingsprogrammes Kalkulie haben sich bisher in der additiv zum Unterricht stattfindenden Förderung als einsetzbar erwiesen. Schwierigkeiten bereitete es den Lehrkräften, das Kalkulie-Programm in den Unterricht zu integrieren. Dies soll im Schuljahr 2015 / 2016 durch eine Veränderung der personellen Besetzung in den ersten Klassen anders gestaltet werden. Bestimmte Lehrerinnen, die in der Förderung aktiv sind, übernehmen Anteile des Mathematikunterrichtes der gesamten Klasse. So wird ein sinnvoller Zusammenhang zwischen Unterricht und Förderung angestrebt. Dazu wird mit den Kalkulie-Beauftragten der Schulen eine Konzeption für den Klassenunterricht (erste 8 Wochen) entworfen, die BasisÜbungsformen der ersten beiden Niveaustufen beinhaltet.

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17 15

Fokus Forschung

führte zu einer regelmäßigeren Förderung sowie genaueren Dokumentation, allerdings auch geringeren Veränderungen in der schulstrukturellen Ausrichtung. Die Organisation klassenübergreifender Lernzeiten mit dem Verteilen der Förderung auf mehrere Lehrkräfte, steht der auf eine Lehrperson bezogenen Umsetzung der anderen Schule gegenüber. Beide Strategien wiesen im ersten Jahr bestimmte Vor- und Nachteile auf. Erfolgreich angenommen wird die Funktion einer beauftragten Lehrkraft für das Trainingsprogramm, da diese organisatorische und materielle Aufgaben für alle Lehrkräfte übernimmt. Sie wurde jedoch an den Schulen mit unterschiedlichen Aufgaben bedacht und einem anderen Rollenverständnis ausgefüllt. Beide Vorgehensweisen führten insgesamt jedoch nicht zum gewünschten Erfolg: die Förderstunden wurden oft hinter den Ablauf des schulischen Alltags zurückgestellt. Die Befragung der Lehrkräfte zur ihrer Einstellung dem Implementationsprozess gegenüber liefert eine Erklärung für den geringen Implementationserfolg. In beiden Schulen zeigte sich ein einheitliches Bild. Die Notwendigkeit des Einsatzes einer individuellen Förderung im mathematischen Bereich wurde von allen Lehrkräften gesehen. Die grundsätzlich positive Einstellung zum Förderprogramm genügt aber nicht, um eine aktive Teilnahme an der Umsetzung des Vorhabens zu gewährleisten. Zwischen der wahrgenommenen Notwendigkeit, etwas zu tun, und der Handlungsbereitschaft, dies in Angriff zu nehmen, klafft eine Lücke. Um einen Vorsatz in Handlung umzusetzen, bedarf es der Willensbildung, dies auch zu tun, d. h. den „Rubikon zu überschreiten“ (Heckhausen & Gollwitzer, 1987). Erst das „Überschreiten des Rubikon“ geht mit der endgültigen Entscheidung für eine Sache einher, sodass Planung und Umsetzung der Zielhandlung beginnen kann. Dies ist deutlich in den schulstatistischen Daten des ersten Schuljahrs erkennbar. Die Bereitschaft und die Motivation Förderstunden für rechenschwache Kinder durchzuführen war, zu Beginn des Schuljahres an den Planungen der Schulen erkennbar. Die Anzahl der geplanten Stunden individueller Förderung konnte aber nicht annähernd in eine ähnliche große Anzahl durchgeführter Stunden realisiert werden.


Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

Implikationen für die Praxis In der Bildungsforschung kann im Bereich der Interventionsforschung zur mathematischen Förderung eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Erforschung der Effektivität eines Trainings und der Erforschung der Bedingungen, unter denen ein Training in der Schule nutzbar gemacht werden kann, konstatiert werden. Es wird seit Jahren kritisiert, dass in der Wissenschaft entwickelte Konzepte noch zu selten in die Praxis überführt werden und dort ihre Wirkung unter Beweis gestellt haben.

Dies wollen wir mit der vorliegenden Studie überprüfen. Wir begleiten und unterstützen einen Implementationsprozess an zwei Grundschulen. Über mehrere Jahre hinweg überprüfen wir Variablen wie die Veränderungen in den schulischen Bedingungen, in den Einstellungen der Lehrerinnen und Lehrer sowie in den Schülerleistungen. Ziel ist es, den Prozess des Aufbaus nachhaltiger, kooperativer Strukturen in den Systemen festzuhalten und die Wirksamkeit der Förderung im Bereich mathematischer Kompetenzen im schulischen Feld zu überprüfen.

Fokus Forschung

Forschungsmethoden In dieser Studie werden zwei verschiedene Strategien der Implementation verfolgt und überprüft. Zum einen die partizipative Strategie, die nachhaltige, kooperative Strukturen in den Systemen aufbaut. Im Vordergrund stehen die konzeptionelle Mitarbeit der Lehrerinnen und Lehrer bei Aufbau, Organisation und Durchführung des Trainingsprogrammes. Um diese prozessualen Veränderungen zu erkennen, wollen wir durch regelmäßiges Erfassen der schulstatistischen Daten, Veränderungen in den schulischen Bedingungen identifizieren. Neben den statistischen Schuldaten misst sich der Erfolg der Implementation in den Veränderungen der Einstellung zur Innovation.

Extended abstract Implementation of the intervention program ­„Kalkulie“ in primary school Many studies have demonstrated the effectiveness of training and development programs under specific controlled conditions. However, a research gap that has existed for a long time is the often unproven effectiveness of these programs in the place for which they were actually designed, namely the school, or in the act of teaching. The present study deals with the implementation of the training program “Kalkulie”. This training program is planned to have an implementation period of three years, involves two primary schools with two classes and two control schools. At this point, the results of the implementation after one year are presented. The effects of the implementation are recorded using two different strategies: the ‘participatory strategy’ which takes the individual implementation of the concept on site, along with the development and optimizing measures into consideration and the evidence-based strategy which looks at changes in student performance. The focus after 16

Die Einstellung der beteiligten Lehrkräfte zum Implementationsprozess wird mithilfe von Fragebögen untersucht. Zum anderen kennzeichnet die evidenzbasierte Strategie eine Überprüfung der Wirksamkeit des Trainings im schulischen Alltag anhand der Schülerleistungen. Wir erwarten, dass sich im Laufe des Implementationsprozesses, durch wachsende Akzeptanz, Qualifikation der Lehrkräfte, Kooperationen und effektiver, integrierter Förderung ein positiver Zusammenhang zwischen partizipativen und evidenzbasierten Forschungsergebnissen ergibt. Je tiefer und nachhaltiger das Training implementiert wird, desto eindeutiger korreliert es mit den Schülerleistungen.

the first year of implementation is primarily on the participatory transfer strategies. Schools prioritize organizational measures and development of the teaching staff. At this stage, increases in student performance are only measurable for a limited amount of the pupils. Keywords: implementation, math intervention, math difficulties, intervention characteristics, transfer research

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Trainingsprogramm Kalkulie in der Grundschule

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Alexander Müller Universität Duisburg-Essen Fakultät für Bildungswissenschaften Institut für Psychologie Universitätsstr. 2 45141 Essen alexander.mueller.biwi@uni-due.de

Fokus Forschung

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Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 7 – 17 17


BASIS-MATH-G 4+–5 Gruppentest zur Basisdiagnostik Mathematik für das vierte Quartal der 4. Klasse und für die 5. Klasse

Elisabeth Moser Opitz / Okka Freesemann / Urs Grob / Susanne Prediger BASIS-MATH-G 4+–5 ist ein Verfahren zur Abklärung von Rechenschwäche und zur Evaluation des Bedarfs an Fördermaßnahmen für rechenschwache Schülerinnen und Schüler. Er überprüft anhand von 19 Aufgaben zentrale Kompetenzen der Grundschulmathematik, indem in den Bereichen Arithmetik und Sachrechnen der Umgang mit Zahl und Maß, Operationen und Rechenverfahren überprüft wird.

Test komplett Bestehend aus: Manual, je 5 Testheften

Das Zahl- und Operationsverständnis wird mittels Aufgaben zum Stellenwertverständnis (Zahlen aufschreiben, Große Zahlen, Zahlenstrahl, Multiplikation und Division) sowie Aufgaben zum Operationsverständnis und zu den Grundvorstellungen (Malaufgaben am Punktefeld, Mal- und Geteiltaufgaben, Textaufgaben) überprüft. Rechnen wird mittels Aufgaben zum Kopfrechnen (Kopfrechnen, Mal 2/Durch 2), Aufgaben zur Zahlzerlegung (Finde Rechnungen, Ergänzen) und Aufgaben zum Zählen (Zählen vorwärts in Zweierschritten, Zählen rückwärts in Zehnerschritten, Zählen rückwärts in Hunderterschritten) überprüft. Schriftliche Rechenverfahren werden mit zwei Aufgaben (Addition und Subtraktion) überprüft. Beide Testhefte (G4+ und G5) liegen in zwei parallelen Testformen vor.

G4+ Testform A und B, G5 Testform A und B, je 5 Auswertungsbogen G4+ (viertes Quartal 4. Klasse und erstes Quartal 5. Klasse) Testform A und B, G5 (viertes Quartal 5. Klasse) Testform A und B, Auswertungsvorlagen Testform A und B, Auswertungsprogramm und Box. Best.-Nr. 03 195 01 ca. € 191,00 / CHF 224.00

www.hogrefe.com

BASIS-MATH-G 4+–5 kann in Schulklassen oder Kleingruppen sowie als Einzeltest eingesetzt werden. Es liegen parallele Testformen vor. Auswertung und Interpretation werden durch ein Auswertungsprogramm unterstützt.


Dyskalkulie bei Erwachsenen

Dyskalkulie bei Erwachsenen in drei Fallbeschreibungen 1 2 3 4

Blickwechseln e. V. Tübingen Leibniz-Institut für Wissensmedien, Tübingen Fachbereich Psychologie, Eberhard-Karls Universität Tübingen LEAD Graduiertenschule und Forschungsnetzwerk, Eberhard-Karls Universität Tübingen Zusammenfassung: Das Thema Dyskalkulie / Rechenstörung und damit verbundene Probleme in der numerischen Entwicklung von Kindern rückt inzwischen immer mehr in den Fokus von Forschung und Bildungspraxis. Demgegenüber sind die Folgen einer Rechenstörung im Erwachsenenalter bislang nur wenig erforscht. Dementsprechend fehlen oft nicht nur diagnostische Verfahren, sondern auch evaluierte Therapieansätze. In einem ersten Blick auf Auswirkungen von Dyskalkulie im Erwachsenenalter werden im vorliegenden Artikel drei Einzelfälle beschrieben. Dabei wird deutlich, dass die Probleme der betroffenen im Umgang mit numerisch-mathematischen Inhalten nicht nur die Schullaufbahn massiv beeinflussten, sondern auch darüber hinaus bei der Berufswahl, aber auch im alltäglichen Leben zu erheblichen Schwierigkeiten führten. Über die inhaltliche Problematik hinaus zeigt sich auch, dass das wiederholte Erleben von Misserfolg, Versagen und Hilflosigkeit im ­Umgang mit numerisch-mathematischen Zusammenhängen auch zu nicht zu vernachlässigenden psychischen Belastungen führte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den beschriebenen Einzelfällen die vorhandene Rechenstörung das Leben der betroffenen in den verschiedensten Bereichen prägte.

Einleitung

Z

ahlen sind ein integraler Bestandteil unseres Le­ bens zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Sie begleiten uns in Form von Preisen, Uhrzeiten, Geschwindig­ keiten, Telefonnummern und vielem mehr durch jeden Tag. Damit zählen numerische Fähigkeiten (d. h. die Fä­ higkeit Zahlen adäquat zu verstehen und numerische ­Informationen zu verarbeiten) zu den Kernkompetenzen unserer Zeit. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass unzureichende numerische Fähigkeiten gra­ vierende negative Auswirkungen auf die Lebensverläufe der betroffenen Personen haben. So zeigen verschiedene Studien, dass Menschen mit unzureichenden numeri­ schen Fähigkeiten nicht nur in der Schule mehr Hilfe be­ nötigen, sondern auch später ein niedrigeres Einkommen, sowie auch größere gesundheitliche Risiken haben (z. B. Bynner & Parsons, 2006; NRDC, 2008). Epidemiologi­ sche Studien zeigen, dass die Prävalenz von spezifischen numerischen Defiziten (auch Rechenstörung oder Dys­ kalkulie genannt) zwischen 2 % und 8 % liegt (z. B. Fisch­ bach et al., 2013; Wyschkon, Kohn, Ballaschk & Esser, 2009; siehe auch Hasselhorn & Schuchardt, 2006). Auf gesellschaftlicher Ebene geht dies mit immensen Kosten für die öffentliche Hand einher, die sich – auf Deutschland übertragen – auf bis zu 4,3 Milliarden EUR pro Jahr sum­ mieren (nach Gross, Hudson, & Price, 2009). Durch diese Zahlen wird die Tragweite numerischer Defizite sowohl für die betroffenen Individuen als auch für unsere Gesell­ schaft als Ganzes deutlich.

Betrachtet man allerdings die Forschung zum Thema Rechenstörung und Dyskalkulie genauer, so lässt sich schnell feststellen, dass der weit überwiegende Teil der durchgeführten Studien sich mit Dyskalkulie bei (Grund­ schul)Kindern beschäftigt (siehe Kaufmann & von Aster, 2012 für einen Überblick). Obwohl man inzwischen weiß, dass sich eine solche Rechenstörung nicht „auswächst“ und damit ohne spezifische Behandlung bis ins Erwachse­ nenalter bestehen bleibt (z. B. Butterworth, Varma & Lau­ rillard, 2011; Gerber, 2012), sind wissenschaftliche Unter­ suchungen und Berichte über die Konsequenzen von unbehandelten Rechenstörungen im Erwachsenenalter immer noch sehr selten (siehe aber z. B. Kaufmann, Pixner & Goebel, 2011). Anliegen des vorliegenden Artikels ist es entsprechend drei verschiedene Fälle von Erwachsenen mit Dyskalkulie zu beschreiben, um eben diese Auswirkun­ gen darzustellen. Abschließend werden wir die drei Fallbe­ schreibungen übergreifend bewerten und diskutieren.

Darstellung Fallbeschreibung Frau F., 49 Jahre, selbstständige Unternehmensberaterin Frau F. erlebte ihre Kindheit in einer süddeutschen Klein­ stadt als sehr behütet. Bei den Tests zur Einschulung fielen bereits erste Defizite bei der Verarbeitung von Mengen und grundlegenden geometrischen Formen auf. Ihre starke Kurzsichtigkeit wurde erst mit Schuleintritt korrigiert. Pro­ bleme in Mathematik traten dann vor allem ab der 2. Klasse auf. Frau F. erlebte bei ihren bildungsbürgerlich orientier­

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Adelheid Mueller1 und Korbinian Moeller2,3,4


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ten Eltern eine hohe Erwartungshaltung bzgl. schulischer Leistungen. Beide übten sehr viel mit ihr, konnten jedoch – ebenso wie die zu Rate gezogenen Mathematiklehrer – die trotz des vielen Übens anhaltenden Schwierigkeiten in Ma­ thematik nicht nachvollziehen. In der Sekundarstufe ver­ längerten sich die auferlegten Übungszeiten und verhin­ derten so auch Freizeitaktivitäten. Die Leistungen in Mathematik rückten damit mehr und mehr ins Zentrum des (Er)Lebens. Auch zusätzliche Nachhilfe und intensives Lernen mit Klassenkameraden brachten keine Verbesse­ rung, so dass Frau F. schließlich die 7. Klasse zur großen Enttäuschung der Eltern wiederholen musste. In der Ober­ stufe ließen sich dann Mathematik und verwandte Fächer (z. B. Physik) abwählen, so dass sie das Abitur mit drei Fremdsprachen erfolgreich ablegen konnte. Danach konnte Frau F. den gewünschten Studiengang „Europäische Betriebswirtschaft“ jedoch nicht antreten, weil sie die Aufnahmeprüfung aufgrund mangelnder ma­ thematischer Kompetenzen nicht bestand. Stattdessen ab­ solvierte sie eine Lehre als Buchhändlerin, die sie trotz der Note „mangelhaft“ in Rechnungswesen erfolgreich ab­ schloss. Es folgten verschiedene Anstellungen als Sachbe­ arbeiterin. Innerhalb weniger Jahre qualifizierte sich Frau F. dabei für Führungspositionen. Der durch den berufli­ chen Erfolg anhaltend hohe Verdienst floss ihr über Jahre durch die Hände. Aus Scham versuchte Frau F. ihre Schwä­ chen generell zu verheimlichen. Wenn sie beispielsweise Freunden beim Führen eines Lokals aushalf, glich sie hin­ terher regelmäßig fehlende Geldbeträge aus eigener ­Tasche aus. Auch versuchte sie ihre Schwächen durch be­ sonderen Fleiß auszugleichen. Diese Verhaltensmuster zusammen mit einer beruflichen Veränderung, die eine Auseinandersetzung mit Rechnungswesen unausweich­ lich machte, mündeten letztlich in einen Burnout. Als eine Reaktion auf diese Krise entschied Frau F. ihre Rechen­ schwäche untersuchen zu lassen. In der Untersuchung zeigte sich, dass sie selbst im Um­ gang mit einstelligen Zahlen schnell verunsichert ist. Bei Aufgaben zur Anzahlbestimmung von Mengen verzählt sie sich, bemerkt es aber sofort. Textaufgaben im Zahlenbe­ reich bis 10 löst sie richtig, obwohl sie die Aufgaben in Stress versetzen. Aufgaben mit Zehnerübergang bewältigt sie mit Hilfe der Finger zählend (z. B. 8 + 7), sofern sie nicht auswendig präsent sind (z. B. 8 + 6). Zehnerübergänge in Subtraktionsaufgaben kontrolliert sie zusätzlich durch die additive Gegenprobe. Additionen und Subtraktionen im zweistelligen Bereich löst sie, indem sie sich die Zehnerzif­ fer wegdenkt und erst nach dem Bearbeiten der Einer wieder anfügt. Das kleine 1 × 1 ist zum größten Teil als ­Faktenwissen auswendig präsent und kann auf einfache Sachzusammenhänge übertragen werden (z. B. jeweils 8 Äpfel in drei Tüten). Frau F. erinnert sich diesbezüglich an das permanent im Alltag präsente Pauken von 1 × 1-Reihen 20

während der Schulzeit. Bei mehrstufigen Sachaufgaben (z. B. Zwei Dutzend Bücher sind vorhanden, ein Dutzend benötigt 45 cm, ein Meter Regal steht zur Verfügung, wie­ viel Platz bleibt frei?) kann Frau F. die quantitativen In­ formationen nicht strukturiert verarbeiten und verliert schnell den Faden. Brüche, proportionale Zusammenhän­ ge und Größenumwandlungen entpuppen sich als kaum überwindbare Hürden. Rechnungen im dreistelligen Be­ reich kann sie nur schriftlich lösen. Insgesamt entsteht das Bild einer numerischen Entwick­ lung, in der die funktionale Abstraktion von Zahlen und Zahlbeziehungen früh misslang. So greift sie bis heute beim Erfassen von Mengen und bereits bei einfachen Rechenauf­ gaben auf Zählstrategien zurück. Auch bereitet ihr das Ver­ ständnis von Zehner-Einer-Relationen im Stellenwertsys­ tem spezifische Probleme. Als Kompensationsmechanismus versuchte Frau F. mathematische Ergebnisse und Abläufe exzessiv auswendig zu lernen, was jedoch dazu führte, dass diese meist nicht übertragbar verstanden wurden, sondern als isoliertes Faktum auf einen bestimmten Kontext be­ schränkt funktionierten. All dies wird auch durch ihr Ergeb­ nis im Subtest „Rechnerisches Denken“ des HAWIK III (Te­ wes, Schallberger & Rossmann, 1999) deutlich, das der durchschnittlichen Rechenleistung eines 10-jährigen Kin­ des entspricht (es sei hier angemerkt, dass die beobachtete Leistung der hier beschriebenen Fallbeispiele im Untertest „Rechnerisches Denken“ des HAWIK III lediglich die Schwere der vorliegenden numerischen Probleme veran­ schaulichen soll und nicht als etwaige Diagnostik einer vor­ liegenden Rechenstörung zu interpretieren ist). Natürlich blieben die beschriebenen massiven Probleme mit numerischen und mathematischen Inhalten und das damit sich stets wiederholende Erleben von Misserfolg und Versagen auch psychisch nicht ohne Folgen. Seit sie sich er­ innern kann ist das Verhältnis von Frau F. zu Zahlen und mathematischen Zusammenhängen geprägt von Angst und dem Gefühl der Unzulänglichkeit. Dies führte zu Strategien des Vermeidens und Verheimlichens, die als Bewältigungs­ muster große Teile des Lebens durchdrangen – und schließ­ lich lähmten. Der erlebte Burnout führte dann zu dem Schritt sich mit ihren numerischen Schwierigkeiten, aber auch mit den sekundär entwickelten dysfunktionalen Be­ wältigungsmustern auseinanderzusetzen. Dies eröffnete eine neue Entwicklung: Durch die Beschäftigung mit der Problematik Rechenschwäche fühlte sich Frau F. von einer „großen Last“ befreit. Sie konnte ihre Schwächen endlich zuordnen und es wurde ihr dadurch möglich, diese einzuge­ stehen und bestehende Bewältigungsmuster zu verändern. Fallbeschreibung 2: Frau G., 47 Jahre, Krankenpflegerin Frau G. wuchs in ländlichem Umfeld in Süddeutschland auf. Beide Eltern hatten eine Berufsausbildung abge­ schlossen. Die ersten beiden Schulklassen verliefen bis auf Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 19 – 24


Schwierigkeiten beim Erlernen der Uhr unauffällig. Dies änderte sich jedoch dramatisch in der dritten Klasse: Frau G. verstand plötzlich „überhaupt nichts mehr in Mathe“, wie sie es selbst beschreibt. Daran änderte sich trotz eifri­ gen Lernens nichts, obwohl ihr alle nichtmathematischen Schulfächer keinerlei Schwierigkeiten bereiteten. Diese Problematik blieb auch nach dem Wechsel in die Real­ schule erhalten. Im Prinzip machte ihr Lernen Spaß und auch in Mathematik und Physik versuchte sie immer wie­ der einen Neuanfang – mit Nachhilfe, mit Lerngruppen, usw. – und verstand dann doch wieder nichts. Auf die Schwierigkeiten reagierten die Eltern mit Entwertung und der Mathematiklehrer mit Desinteresse. Die Abschluss­ prüfung in Mathematik erlebte sie so belastend, dass sie während der ersten 10 Minuten einen Blackout hatte. Den­ noch schloss Frau G. die Realschule erfolgreich ab. Nach der Schulzeit war Frau G. ohne jedes Selbstvertrau­ en und ihr fehlte jegliche Orientierung im Blick auf ihre berufliche Zukunft. Durch Zufall geriet sie an eine kinder­ reiche Familie, bei der sie ein Hauswirtschaftsjahr ableiste­ te. Erst nach mehreren Anstößen durch diese Familie trau­ te sie sich zunächst einen Schwesternhelferkurs und dann eine Ausbildung zur Krankenpflegehelferin zu. Nur auf­ grund weiterer Impulse (durch Vorgesetzte) begann sie schließlich doch noch die Ausbildung zur Krankenpflege­ rin. Dabei versuchte sie numerische Aufgaben weitgehend zu vermeiden, was aber nicht gänzlich möglich war: Wäh­ rend einer Prüfung sollte sie eine Infusion berechnen und zubereiten, was sie nicht konnte und darüber völlig außer sich geriet. Gleichwohl absolvierte Frau G. die Ausbildung erfolgreich und wurde nach kurzer Berufstätigkeit sogar als stellvertretende Stationsleiterin vorgeschlagen. Nach wie vor ist ihr jedoch ein Arbeiten mit Perfusoren, Tropfzeitbe­ rechnungen und speziellen Infusionen nicht möglich. Im alltäglichen Leben versucht Frau G. die meisten nu­ merischen bzw. rechnerischen Zusammenhänge so gut es geht zu vermeiden. Gesprächen mit mathematischen Im­ plikationen, z. B. zur Personalplanung oder zur wirtschaft­ lichen Entwicklung kann sie nicht folgen, die Steuererklä­ rung gestaltet sich schwierig, Bausparverträge versteht sie nicht, vorhandenes oder nichtvorhandenes Geld wird aus­ gegeben. Der Umgang mit Bargeld versetzt Frau G. immer wieder in Stresssituationen. Dies alles schrieb sie ihrer persönlichen Unfähigkeit zu, bis sie durch Zufall erfuhr, dass die Phänomene Ausdruck einer Dyskalkulie sein könnten. Daraufhin entschied sie sich für eine Untersu­ chung. Dabei zeigte sich, dass die Probleme schon bei sehr basa­ len numerischen Aufgaben auftreten. Während sie Re­ chenaufgaben aus dem Zahlenbereich bis 10 noch ohne zu zögern richtig lösen kann, greift sie bei Zehnerüberschrei­ tungen bereits häufig auf Zählstrategien zurück (d. h. sie zählt bis zur Zehnergrenze hoch und addiert die verblei­

bende Anzahl dann dazu, z. B. 8 + 6 als 8, 9, 10 + 4 = 14). Multiplikationen löst sie mittels Hochzählen der jeweiligen Malreihen (z. B. 4 × 9 = 9, 18, 27, 36). Daran angelehnt löst Frau G. auch Division vorrangig durch inverse Multiplikati­ on, indem sie die Malreihen aufzählt (und sich bisweilen verzählt, 36: 4 = 4, 8, 12, 16, … mit der Lösung 8). Mehrstel­ lige Divisionen kann sie nicht ohne Taschenrechner lösen. Bei schwierigeren (Sach)Aufgaben kann sie zur Lösung notwendige Informationen oft nicht mehr eindeutig zuord­ nen. So multipliziert Frau G., statt zu dividieren, vergisst Rechenschritte, verwechselt Zeitpunkte und Zeitspannen, oder kann Bruchinformationen nicht entschlüsseln. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Frau G lediglich über eine ungefähre Größenvorstellung von Zahlen bis etwa 1 000 verfügt, wenn die Zahlen kontextuell in wie­ derkehrende Alltagserfahrungen eingebunden sind (z. B. Preise und Verbrauchsmengen von Gütern des täglichen Gebrauchs, Fahrstrecken). Die Größenvorstellung verliert sich jedoch beim Verarbeiten von arithmetischen Bezie­ hungen. Darüber hinaus sind ihre Vorstellungen arithmeti­ scher Operationen sowie arithmetische Implikationen des Stellenwertsystems (z. B. Übertrag, Größenverhältnis der Stellen) unzureichend. Proportionale Zusammenhänge kann sie nur mangelhaft abstrahieren. In Folge dessen kann Frau G. quantitative Zusammenhänge kaum rechne­ risch verstehen bzw. abbilden oder lösen. Dies wird u. a. dadurch verdeutlicht, dass sie im Subtest „Rechnerisches Denken“ des HAWIK III (Tewes et al., 1999) lediglich die durchschnittliche Rechenleistung eines 10-jährigen Kin­ des erreicht. Bereits die Beschreibung des Lebensweges von Frau G. legt nahe, dass die massiven numerischen Schwierigkeiten auch psychische Auswirkungen hatten. Frau G. erlebte sich über die gesamte Schulzeit hinweg und darüber hinaus als unfähig, rechnerische Zusammenhänge erfassen zu kön­ nen – obwohl sie sich große Mühe gab und immer wieder neue Anläufe unternahm. Da sie diese Schwierigkeiten weder verstehen noch einordnen konnte hielt sie sich prin­ zipiell für „blöd“ und damit zu „dumm“ für eine vernünfti­ ge Ausbildung. Diese Selbstwertproblematik durchdrang ihr ganzes Lebensgefühl und sie empfand sich durchgän­ gig als defizitär – bis zur Diagnose. Erst daraufhin begann sie ihre Schwierigkeiten zu verstehen und möchte sie bear­ beiten. Fallbeschreibung 3 Frau P., 29 Jahre, Erzieherin Frau P. besuchte eine Grundschule in einer Kleinstadt. Die Schwierigkeiten in Mathematik begannen bereits mit der ersten Klasse. Das Aussehen der Arbeitsblätter ist ihr noch heute präsent – und die Tatsache, dass sie nur die ersten Aufgaben manchmal rechnen konnte und die weiteren dann nicht mehr. Häufig wurde sie von Lehrern und Eltern gedrängt in Mathematik „mehr und richtig“ zu lernen. Ob­

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wohl ihre Leistungen in den nichtmathematischen Fä­ chern Gymnasialniveau hatten, kamen ihr Lehrer und ihr Vater überein, dass sie weiterführend die Hauptschule be­ suchen sollte, weil sie in Mathematik ein Erfolgserlebnis bräuchte. Trotzdem verschärften sich die Probleme in Ma­ thematik, weil die bisherige Strategie, die Aufgaben mög­ lichst auswendig zu lernen, aufgrund der kombinatori­ schen Vervielfachung der Aufgaben und Ergebnisse nicht mehr funktionierte. Die Eltern hatten kein Verständnis für Frau P.s Schwierigkeiten. Das regelmäßige Lernen mit dem Vater geriet zur Tortur, bei der Frau P. vor allem ver­ suchte zu vermeiden, dass sich der Vater aufregte. Durch einen schließlich hinzugezogenen Nachhilfelehrer wurde Frau P. klar, dass sie numerisch-mathematische Inhalte gar nicht lernen konnte. Sie saß die Nachhilfestunden ab, um Schwierigkeiten mit den Eltern zu vermeiden. In allen nichtmathematischen Fächern hingegen war Frau P. völlig unterfordert. Auswege aus diesem Spannungsfeld suchte sie außerhalb der Schule in der Punkszene sowie mit Alko­ hol und Drogen. Dennoch absolvierte Frau P. den Haupt­ schulabschluss und ein Jahr später den Realschulabschluss erfolgreich, wenn auch mit der Note 5 in Mathematik. Sie profitierte dabei von dem Umstand, dass die Anmeldeno­ ten der Abschlussklasse wegen eines Brandes verschollen waren und deshalb geschätzt werden mussten. Nach einem freiwilligen sozialen Jahr wurde die Ent­ scheidung für den weiteren Berufsweg von zwei Kriterien geleitet: „Geld verdienen und keine Mathematik.“ Eine Schreinerausbildung war aufgrund mangelnder mathema­ tischer Kenntnisse nicht realisierbar. Frau P. absolvierte eine Ausbildung als Jugend- und Heimerzieherin und be­ kam nach einem Jahr Auslandsaufenthalt die Gelegenheit eine Kindertagesstätte mit aufzubauen. Gegenwärtig wird sie den Anforderungen ihres Berufes gerecht, fühlt sich je­ doch unterfordert. Mathematische Aspekte des Lebens bereiten ihr nach wie vor große Schwierigkeiten – bei­ spielsweise das Ausfüllen des Stundenzettels, die Berech­ nung der Urlaubstage, die Haushaltskassenabrechnung, die Steuererklärung. Wo immer sich numerisch-mathema­ tische Inhalte nicht vermeiden lassen, hat sie sich Strategi­ en zum Überspielen und Vertuschen angeeignet. Frau P. las in der Tageszeitung die Fallbeschreibung eines jungen Mannes mit Rechenschwäche und entschied sich darauf­ hin ihre numerisch-mathematischen Probleme untersu­ chen zu lassen. Diese genauere Betrachtung der numerisch-mathe­ matischen Probleme von Frau P. zeigt, dass ihr Aufgaben im einstelligen Zahlenbereich keine Schwierigkeiten ­be­reiten. Sobald jedoch der Zehner überschritten wird ­(z. B. 8 + 6) unterteilt sie die Aufgaben aufwändig in Einzel­ schritte (z. B. 8 bis 10 = 2; 6 – 2 = 4; 10 + 4 = 14). Multiplika­ tionsergebnisse sind kaum als Faktenwissen vorhanden und werden hochzählend erreicht (z. B. 3 * 8 : 2 * 8 = 16, 17, 22

18, 19, 20 + 4 = 24). Bei Aufgaben, die mehrere Operatio­ nen bzw. Rechenschritte zur Lösung benötigen (z. B.: Ein Buch kostet 6,– €. Er kauft drei Bücher und bezahlt 20,– €. Wieviel bekommt er zurück?), kann sie die einzelnen An­ gaben nicht strukturiert den einzelnen Schritten zuordnen und diese entsprechend abarbeiten. Sachaufgaben, die Di­ visionen erfordern, bereiten ihr besonders große Mühe (z. B. bei: Wie viele Stunden hat er benötigt bei 4 km / h und 36 km Gesamtstrecke?). Das kompensiert sie, indem sie sich den konkreten Handlungsablauf mehrfach vor­ stellt und sich auf diese Weise dem Ergebnis nähert. Auf­ gaben, deren Handlungen nicht durch ein Vorstellen des konkreten Ablaufs lösbar sind, kann sie gar nicht oder bei einfachen Strukturen nur mit Taschenrechner bewältigen. Dies betrifft sämtliche Aufgaben, die den zweistelligen Zahlenraum überschreiten und die proportionale Bezie­ hungen, z. B. in Bruch- oder Prozentform enthalten (und komplexer als alltagsübliche Proportionen wie ½, ¼, 25 % sind). Diese Problematiken schlagen sich auch in ihrer Leistung im Subtest „Rechnerisches Denken“ des HAWIK III (Tewes et al., 1999) nieder, in dem Frau P. lediglich die durchschnittliche Rechenleistung eines 10-jährigen Kin­ des erreicht. Damit wird deutlich, dass Frau P. massive domänenspe­ zifische Einschränkungen hat – bereits beim Verständnis sehr basaler numerischer Konzepte wie der Zahlengröße, vor allem aber bei mehrstelligen Zahlen und damit in Zu­ sammenhang mit dem Verständnis des Stellenwertsys­ tems. Dies wird – neben ihrem fehlenden arithmetischen Faktenwissen – insbesondere dann hinderlich, wenn die Aufgaben die Verarbeitung von abstrakten numerischen Zusammenhängen (z. B. Verhältnisse) bzw. die Integration verschiedener numerischer Informationen (in mehreren Schritten) erfordern und damit nicht mehr konkret visuali­ sierbar sind. Diese sehr basalen Defizite haben das Leben von Frau P. außerordentlich stark bestimmt und eingeschränkt und gingen auf psychologischer Seite mit tief verwurzelten Selbstzweifeln und Gefühlen der Hilf- und Wertlosigkeit einher. Auch im Fall von Frau P. gab die Erkenntnis, dass es so etwas wie die umschriebene Rechenstörung gibt, einen ersten Impuls zur Lösung vor allem psychischer Belastun­ gen. Frau P. fasste neuen Mut und will einen Weg finden sich beruflich wie persönlich weiter zu entwickeln. Sie möchte Frühpädagogik studieren und in ihrem Leben „nicht vor jedem Dreisatz zurückschrecken müssen“. Sie sucht momentan eine Möglichkeit eine Dyskalkuliethera­ pie zu finanzieren.

Fazit Drei Frauen etwa 30, 45 und 50 Jahre alt, aufgewachsen in Süddeutschland. Alle drei kämpfen aufgrund ihrer Re­ Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 19 – 24


chenstörung mit einer schwerwiegenden Selbstwertprob­ lematik. Sie hielten und halten sich selbst für unfähig, inkompe­ tent, haben Schwierigkeiten ihr Können einzuschätzen, fühlen sich hilflos und haben Angst zu versagen. Die jahre­ lang erlebten Misserfolge in Mathematik – die sich auch mit überdurchschnittlich hohem Lernaufwand nicht min­ dern ließen – wirkten sich damit nachhaltig auf das Selbst­ bewusstsein aus, da die numerischen Schwierigkeiten als persönliche Schwäche (mit entsprechenden Schuld- und Schamgefühlen) erlebt wurden. Alle drei Frauen hätten sich beruflich gerne weiter und anders entwickelt. Frau G. arbeitet als kompetente Kran­ kenpflegerin, kann aber keine Infusionen zubereiten. Frau F. wollte Europäische Betriebswirtschaft studieren, fiel we­ gen Mathematik durch die Aufnahmeprüfung und begann eine Lehre. Und Frau P. kam aufgrund der Rechenstörung auf die Hauptschule, war in allen Fächern unterfordert, nur in Mathematik überfordert. Sie arbeitet heute als Er­ zieherin, weil der Beruf vordergründig keine mathemati­ schen Kompetenzen erfordert. Alle Drei versteckten und überspielten ihre Schwäche. Mit Hilfe konzentrationsaufwändiger Vorstellungen kon­ kreter Handlungsabläufe lernten sie alltagsrelevante nu­ merische Aufgaben zu bewältigen. Um beispielsweise ein Kochrezept anzupassen, stellen sie sich die vorgesehene und die angegebene Personenanzahl bildlich vor und übertragen dies dann mühsam auf jede Zutat. Dieser Typ von Bewältigungsstrategien spiegelt sich bei allen dreien in überdurchschnittlichen Arbeitsgedächtnisleistungen wider. Die kompensatorisch hohe Beanspruchung des Ar­ beitsgedächtnisses für ein detailorientiertes, konkretes Vorgehen zur Lösung numerischer Alltagsprobleme hat natürlich auch ihre Grenzen in den zur Verfügung stehen­ den Arbeitsgedächtnisressourcen. Ähnlich verhält es ich mit anderen möglichen Kompensationsstrategien (z. B. zählendes Rechnen, konkrete Hilfsmittel wie Würfelbil­ der, wiederholtes Addieren statt zu multiplizieren, etc.), die meist kognitiv wie zeitlich aufwendiger und damit nicht in jeder Situation einsetzbar sind. Darüber hinaus ist in der Praxis oft zu beobachten, dass je nach Lebenskon­ text, allgemeiner kognitiver Leistungsfähigkeit und psy­ chosozialem Hintergrund intra- wie interindividuell sehr unterschiedliche Kompensationsstrategien genutzt wer­ den – oder evtl. auch kaum Kompensationsstrategien ent­ wickelt und benutzt werden und stattdessen Resignation dominiert. Hier drängt sich entsprechend die Frage auf, in wie vie­ len Lebensverläufen numerische Defizite und deren Fol­ gen unerkannt zu dauerhaften, auch psychischen, Be­ einträchtigungen führen – in den hier dargelegten Fällen konnte die Schwäche wenigstens teilweise kompensiert werden. Allerdings steckt die Forschung zur Auswirkung

von Rechenstörungen auf emotionale und psychische Be­ einträchtigungen im Erwachsenenalter bzw. im Lebens­ verlauf noch in den Kinderschuhen. Für Kinder gibt es empirische Belege dafür, dass eine Rechenstörung mit emotionalen und psychischen Beeinträchtigungen einher­ gehen kann (z. B. Vedi & Bernard, 2012; von Aster, Schwei­ ter & Weinhold-Zulauf, 2007) – für Erwachsene, die von einer Rechenstörung betroffen sind, gibt es jedoch noch keine Ergebnisse. Vor diesem Hintergrund wäre unseres Erachtens insbesondere zu untersuchen, wie stark numeri­ sche Schwierigkeiten mit Erfahrungen der Überforderung und Hilflosigkeit sowie einem mangelhaften Selbstbe­ wusstsein assoziiert sind, um durch die Rechenstörung bedingte psychische Belastungen besser zu verstehen und damit auf sie eingehen zu können. Gerade dafür bieten solche Fälle von oftmals unbehandelten Rechenstörungen bei Erwachsenen interessante Möglichkeiten. Auch wäre es interessant in zukünftigen Studien zu un­ tersuchen, welche salutogenen oder Resilienzfaktoren dazu beitragen, trotz der Rechenstörung das Leben erfolg­ reich zu gestalten und die Rechenstörung gegebenenfalls therapeutisch anzugehen und zu bewältigen. In diesem Kontext entspricht die Auswahl und Beschreibung aus­ schließlich weiblicher Betroffener unserer Erfahrung, dass es bei über 20-Jährigen überwiegend Frauen sind, die Klarheit über ihre numerischen Probleme suchen und eine Diagnostik nachfragen. Epidemiologische Studien zur Prävalenz von Rechenstörungen gehen bisher jedoch nicht auf ein ungleiches Geschlechterverhältnis bei den Betrof­ fenen ein (z. B. Kaufmann & von Aster, 2012). Das macht es wahrscheinlich, dass es ggf. eher sekundäre Faktoren wie z. B., dass Männer evtl. später oder weniger Hilfe su­ chen, emotional nicht so belastet sind von einer Rechen­ störung, oder andere Kompensationsstrategien einsetzen, die zu dieser beobachteten Geschlechterdisparität führen. Allerdings gibt es unseres Wissens nach weder zu mögli­ chen Resilienzfaktoren noch zu möglichen Unterschieden zwischen den Geschlechtern im Umgang mit Rechenstö­ rungen wissenschaftliche Untersuchungen, so dass auch dazu weitere Forschung notwendig ist, um diese salutoge­ nen Faktoren zu identifizieren und möglicherweise auch therapeutisch nutzen zu können. Indessen liegen bislang keine wissenschaftlichen Studi­ en vor, die die Bedeutung solcher Faktoren, wie auch kog­ nitiver (z. B. Intelligenz, Arbeitsgedächtnis, Aufmerksam­ keit) und emotionaler Faktoren (z. B. Versagensängste, Resignation) für den Erfolg von Dyskalkulietherapien bei Erwachsenen untersucht hätten. Entsprechend können wir hierzu nur aus unserer eigenen Erfahrung berichten. Diese zeigt, dass bei gut auf das kognitive Profil und die Lebenssituation abgestimmtem Therapiekonzept und aus­ reichender Compliance der Betroffenen eine deutliche Verbesserung der numerisch-mathematischen Kompeten­

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zen erreicht werden kann. Diese ermutigenden Ergebnisse sind im Allgemeinen unabhängig vom Bildungsniveau, d. h. für Betroffene von Förderschulniveau bis hin zu Gym­ nasialniveau zu beobachten. Dabei ist allerdings zu beach­ ten, therapeutisch bei den individuell basalsten nichtfunktionalen numerisch-mathematischen Kompetenzen anzusetzen und mit dem Aufbau funktionaler Verarbei­ tungsstrukturen zu beginnen (siehe Kaufmann, Handl, & Thöni, 2003; Wißmann, Heine, Handl, & Jacobs, 2013 für ähnliche Ergebnisse bei rechenschwachen Kindern). Auf numerischen und geometrischen Basiskompetenzen auf­ bauend können dann schrittweise komplexere mathe­ matische Abstraktionen funktional gebildet und durch sinn­hafte Verknüpfungen in die Lebenswelt implemen­ tiert werden. Dabei ist oft festzustellen, dass die inhaltli­ che Auseinandersetzung der Betroffenen mit ihren nume­ risch-mathematischen Problemen einen positiven Einfluss auf eine strukturiertere Verarbeitung von Informationen und eine Verbesserung von Bewältigungsstrategien gene­ rell hat, sowie auch auf emotionaler Ebene zu Verbesse­ rungen der Lebensqualität führt.

Abstract The topic of dyscalculia / arithmetic learning disability and related problems in the numerical development of chil­ dren is becoming more and more a focal point of research and educational practice. On the other hand, the conse­ quences of arithmetic learning disabilities in adults have been very little researched so far. Accordingly, not only di­ agnostic procedures, but also evaluated therapeutic ap­ proaches are often lacking. In a first look at effects of dys­ calculia in adulthood, this article describes three individual cases. It becomes clear that the problems in­ volved in dealing with numerical and mathematical con­ tents did not only strongly affect influence school career, but also led to considerable difficulties in career choices as well as in everyday life. In addition to these issues, it is also shown that the repeated experience of failure and helpless­ ness in dealing with numerical-mathematical correlations also led to significant psychological stress. In summary, it can be concluded that in the cases described, the arithme­ tic learning disability affected various life areas.

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Adelheid Mueller Diplom-Ingenieurin, Diplom-Pädagogin, Dyskalkulietherapeutin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und arbeitet seit 1999 mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Lernstörungen. In diesem Kontext gründete sie den Verein Blickwechseln e. V. in Tübingen, der sich insbesondere mit der Prävention und Therapie von Lernstörungen befasst. Frau Mueller entwickelte in ihrer langjährigen Tätigkeit u. a. ein Fortbildungskonzept zur alltagsorientierten Frühförderung logisch-mathematischer Kompetenzen sowie zur Therapie von Dyskalkulie bei Schülern der Sekundarstufe. Zudem ist sie engagiert in der Ausbildung von DyskalkulietherapeutInnen sowie der Fortbildung von ErzieherInnen und LehrerInnen.

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Das Programm gegen Mobbing in Schule und Kindergarten

Françoise D. Alsaker

Mutig gegen Mobbing in Kindergarten und Schule 2., unveränd. Aufl. 2017. 272 S., 18 Abb., 2 Tab., Kt € 29,95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-456-85667-4 Auch als eBook erhältlich

Mobbing unter Kindern und Jugendlichen hat viele Gesichter. Es kann grob und offensichtlich sein, aber ebenso gut auch subtil und versteckt. Es kann in der Schule, auf dem Spielplatz, im Internet oder per SMS stattfinden. „Mutig gegen Mobbing“ legt den heutigen Kenntnisstand umfassend dar – und präsentiert ein wissenschaftlich fundiertes sowie in der Praxis erprobtes Programm gegen Gewalt in Kindergärten und Schulen. Es bietet Fachpersonen wie Lehrerinnen, Psychologinnen

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und Sozialarbeitern sowie Eltern ein umfangreiches Instrumentarium, damit sie präventiv gegen Mobbing vorgehen und bei Mobbing erfolgreich intervenieren können. Das Buch soll Mut machen: denn der Umgang mit Mobbing ist keine Zauberkunst. Wenn man bereit ist, eigene Vorstellungen zu überdenken, Handlungsmuster zu ändern und miteinander über unangenehme Themen zu reden, dann kann mit etwas Mut viel erreicht werden.


GISC-EL Gießener Screening zur Erfassung der erweiterten Lesefähigkeit Nils Euker / Arno Koch / Jan Kuhl Das GISC-EL ist ein Einzeltest zur Erfassung der Lesekompetenz bei Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Es kann an Förderschulen und im Inklusiven Unterricht eingesetzt werden, bei Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung über alle Altersstufen hinweg (ca. 6–20 Jahre), bei Schülern mit dem Förderschwerpunkt Lernen im Grundstufenalter (ca. 6–10 Jahre).

Test komplett Bestehend aus: Manual, Stimulusbuch, 10 Protokollbogen, 10 Klassenauswertungen und Box. Best.-Nr. 03 224 01 € 135,00 / CHF 165.00

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Das GISC-EL erfasst die verschiedenen Facetten des Lesens im weiteren (Lesen ikonischer und symbolischer Zeichen) und engeren Sinne (Lesen der Alphabetschrift) und berücksichtigt auch relevante Vorläuferkompetenzen (phonologische Bewusstheit und Buchstabenkenntnis). Das Verfahren folgt den Erwerbsstufen des erweiterten Lesens und erfasst insgesamt 8 Kompetenzstufen, die vom Lesen fotorealistischer Abbildungen bis hin zum sinnentnehmenden Textlesen reichen und jeweils durch einen Subtest repräsentiert sind. Die Aufgabenformate sind leicht verständlich und auch bei Schülern mit stärkerer kognitiver Beeinträchtigung einsetzbar. Die Testergebnisse er-

möglichen eine gezielte Planung der schriftsprachlichen Förderung und der lebenspraktischen Unterstützung. Eine zusätzliche Evaluationsstudie zeigte, dass das Verfahren auch bei Kindern mit Förderschwerpunkt Lernen eingesetzt werden kann. Zuverlässigkeit Die Werte für die innere Konsistenz der Testbereiche liegen zwischen α = .83 und .99. Die Retest-Reliabilität beträgt für die Subtests zum Lesen im weiteren Sinne rtt = .83, für die Subtests zum Lesen im engeren Sinne rtt = .98 und für den Gesamttest rtt = .98. Gültigkeit Es liegen positive Befunde zur inhaltlichen und zur konvergenten und diskriminanten Validität vor. Normen Aufgrund der großen Heterogenität der Zielgruppe wurde auf eine Normierung verzichtet. Die Auswertung erfolgt kriterial. Bearbeitungsdauer Je nach Lesekompetenz ca. 15 bis 35 Minuten.


Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche

Übersichtsarbeit

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche Messen wir, was wir fördern wollen? Ursula Fischer1, Stephanie Roesch2 und Korbinian Moeller2,3,4 1 2 3 4

Lehrstuhl für Schulpädagogik, Universität Regensburg Leibniz-Institut für Wissensmedien, Tübingen Fachbereich Psychologie, Eberhardt-Karls Universität, Tübingen LEAD Graduiertenschule, Eberhardt-Karls Universität, Tübingen

Schlüsselwörter: Rechenschwäche, Dyskalkulie, Diagnostik, Förderung

Einleitung

N

icht nur in Schulen, sondern auch in außerschulischen Einrichtungen wird zunehmend Förderung für Kinder mit Rechenschwäche angeboten. Bei Rechenschwäche (oder auch Rechenstörung bzw. Dyskalkulie) handelt es sich um eine umschriebene Entwicklungsstörung des Rechnens, bei der die Leistungen eines Kindes in den grundlegenden Rechenfertigkeiten unter dem Niveau liegen, dass gemäß Alter und Intelligenz zu erwarten wäre (ICD-10; Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2013). Die Literatur zur Förderung erstreckt sich dabei von ganz konkreten Anleitungen für einzelne Fördereinheiten (z. B. Gerlach, Fritz & Leutner, 2013) bis hin zu eher übergreifenden Rahmenarbeiten, in denen ein übergeordnetes Gesamtkonzept für die Förderung beschrieben wird (z. B. Kaufmann & Wessolowski, 2014). Meist verfolgen Fördermanuale einen praxisorientierten Aufbau, der in vielen Fällen am Lehrplan ansetzt oder sich aus didaktischen (z. B. Krauthausen & Scherer, 2007) und praktischen (z. B. Herdemeier, 2012) Ansätzen ableiten lässt. Sie sind damit an den Problemstellungen orientiert, die sich in der Rechenschwächeförderung ergeben.

Anders gestalten sich hingegen standardisierte psychometrische Tests zur Feststellung einer Rechenschwäche. Diese werden oft in Anlehnung an theoretische Modelle entwickelt (z. B. von Aster, 2013; Dehaene, Piazza, Pinel & Cohen, 2003; Krajewski, 2008). Da der Aufbau somit vom theoretischen Modell abhängt, decken die Tests jeweils unterschiedliche Bereiche ab (für einen Überblick siehe Mann, Fischer & Nuerk, 2012; Moser Opitz & Ramseier, 2012). Wie von Moser Opitz und Ramseier (2012, S. 102) beschrieben, sollten Tests zur Rechenschwächediagnostik „diejenigen Kompetenzen überprüfen, von denen bekannt ist, dass rechenschwache Lernende sie nicht beherrschen“. Dies ist besonders für Praktiker relevant, die durch die Diagnostik eine erste Grundlage für den Ansatz der Förderung erhalten möchten. Relevant ist hierbei vor allem, dass eine gewisse Bandbreite an numerischen Inhaltsbereichen überprüft wird, um Förderbedarf zuverlässig zu erkennen und jene Problembereiche identifizieren zu können, die später gefördert werden sollen. Mit Hilfe einer Rechenschwächediagnostik lassen sich jedoch nicht nur wichtige Hinweise für die Förderung ableiten. Eine fundierte Diagnostik liefert darüber hinaus testdiagnostische Kennwerte anhand derer eine Diagnose

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38 25 DOI 10.1024/2235-0977/a000160

Fokus Forschung

Zusammenfassung: Die Literatur zur Rechenschwäche und Dyskalkulie wird zunehmend umfangreicher. So wurden bereits zahlreiche standardisierte Tests entwickelt und vielfältige Fördermanuale für Kinder mit Rechenschwäche publiziert. Dadurch verbessert sich zunehmend die Qualität von Diagnostik und Förderung. Es ist jedoch zu beobachten, dass die Entwicklung von Test- und Fördermaterial oft unabhängig voneinander geschieht: Während Fördermanuale meist aus dem tatsächlichen Förderbedarf sowie einem didaktischen Hintergrund erwachsen, werden standardisierte Tests oft aus einer theoretischen Perspektive hergeleitet und entwickelt. Somit stellt sich die interessante Frage, inwieweit die Diagnostik den tatsächlichen Förderbedarf abbildet und inwiefern den standardisierten Tests zur Rechenschwächediagnostik wertvolle Förderhinweise entnommen werden können. Zu diesem Zweck werden in diesem Übersichtsbeitrag die Inhalte mehrerer gängiger Tests und Fördermanuale gegenübergestellt. Somit soll sowohl Praktikern als auch Forschern die Gelegenheit gegeben werden, die potenziellen Überschneidungspunkte aber auch Gegensätze in den beiden Publikationssträngen zu vergleichen.


Fokus Forschung

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche gestellt und schulische Nachteilsausgleiche gewährt werden können. Diese Form der Rechenschwächediagnostik ist sowohl von der Schulleistungsdiagnostik mit curricular orientierten Verfahren abzugrenzen (z. B. DEMAT 1+; Krajewski, Küspert, Schneider & Visé, 2002; HRT 1 – 4; Haffner, Baro, Parzer & Resch, 2005) als auch von einer Förderdiagnostik mit qualitativen Verfahren (z. B. Informeller Rechentest; Kaufmann & Wessolowski, 2014). Während curriculare Verfahren dazu genutzt werden können (und auch werden), eine Rechenschwächediagnose zu stellen, geben sie nur begrenzt Hinweise für die Förderung. Denn aufgrund ihrer curricularen Orientierung werden meist komplexe Fähigkeiten abgeprüft, während die basalen Zahlenverarbeitungsfähigkeiten, die häufig bei Rechenschwäche beeinträchtigtet sind, wenig bis keine Berücksichtigung finden. Qualitative Verfahren hingegen versuchen häufig neben der Lösung auch die Denkschritte oder Rechenvorgänge des jeweiligen Kindes zu erfassen und können dadurch detaillierte Hinweise auf förderrelevante Problembereiche liefern. Testdiagnostische Kennwerte für eine Rechenschwächediagnose liefern sie hingegen nicht. In diesem Beitrag befassen wir uns mit solchen Rechenschwächetests, die für die klinische Diagnose einer Rechenschwäche konzipiert wurden. Curricular orientierte sowie qualitative Verfahren werden nicht berücksichtigt, wenngleich diese z. B. für eine Leistungsdiagnostik im Schulkontext oder für die individuelle Förderplanung durchaus relevant sind. Mit dem Ziel, nicht nur Unterschiede hervorzuheben, sondern auch Gemeinsamkeiten aufzudecken, sollen in diesem Beitrag verschiedene Tests und Fördermanuale im Hinblick auf ihre theoretische Fundierung sowie ihre Inhalte miteinander verglichen werden. Modelle der Zahlenverarbeitung und der ­numerischen Entwicklung Um diesen Vergleich zwischen Förderliteratur und standardisierten Tests vornehmen zu können, wird im Folgenden zunächst auf einige Modellvorstellungen der Zahlenverarbeitung und numerischen Entwicklung sowie deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede eingegangen. Das am besten etablierte Modell der Zahlenverarbeitung ist das sogenannte Triple-Code-Modell von Dehaene und Kollegen (Dehaene & Cohen, 1995; Dehaene et al., 2003). Das Modell wurde auf Basis von erwachsenen Probanden und Patienten mit Gehirnschädigungen entwickelt und bildet daher die Zahlenverarbeitung im Erwachsenenalter nach dem Abschluss der numerischen Entwicklung ab. Im Triple-Code-Modell werden drei Module unterschieden, die für die erfolgreiche Verarbeitung von Zahlen relevant sind (z. B. Dehaene et al., 2003): die semantische Größenrepräsentation (Repräsentation von numerischer Größe, z. B. beim Vergleich von Mengen), die verbale Zah26

lenform (Repräsentation von Zahlwörtern wie z. B. „zweiundvierzig“ oder einfachen Rechenfakten wie z. B. „2 × 2 = 4“) und die visuelle Zahlenform (Repräsentation von Zahlen als Symbolen, z. B. 42). Da sich das Triple-Code-Modell mit der Zahlenverarbeitung bei Erwachsenen befasst, fehlt darin jedoch die Beschreibung der numerischen Entwicklung im Kindesalter. Dies ist jedoch wichtig, um einschätzen zu können, in welchem Bereich der numerischen Entwicklung Kinder mit Rechenschwäche Defizite aufweisen (Krajewski, Renner, Nieding & Schneider, 2009). Entwicklungsmodelle der Zahlenverarbeitung beschreiben hingegen diesen Verlauf und ermöglichen es dadurch, die Entstehung von Rechenschwäche in einen Entwicklungsverlauf einzuordnen. Drei prominente Entwicklungsmodelle werden im Folgenden kurz vorgestellt (siehe auch Abbildung 1). Im Vier-Stufen-Modell der Entwicklung zahlenverarbeitender Hirnfunktionen von von Aster und Kollegen (von Aster, 2013; von Aster & Shalev, 2007) werden vier Stufen der numerischen Entwicklung postuliert, deren Beeinträchtigung zur Entstehung einer Rechenschwäche beitragen könnte. Dabei orientiert sich das Modell an den Gehirnarealen, die laut Triple-Code-Modell an der Zahlenverarbeitung beteiligt sind (z. B. Dehaene et al., 2003). Gleichzeitig schlägt es mögliche Defizite vor, die resultieren können, wenn eben diese Gehirnregionen nicht effizient zusammenarbeiten. Die vier Stufen setzen sich zusammen aus 1) basis-numerischen Fertigkeiten (konkrete Mengen­ erfassung), 2) Zahlwortsymbolen (phonologisch / alphabetisch), 3) visuell-arabischen Zahlensymbolen und 4) einer Zahlenraumvorstellung (mentaler Zahlenstrahl). Ein entwicklungspsychologisches Niveaustufenmodell früher mathematischer Kompetenzen wurde von Fritz und ­Ricken (z. B. Fritz & Ricken, 2008) entwickelt, die von fünf Niveaus der Entwicklung numerisch-mathematischer Konzepte ausgehen: 1) Zählzahl im Sinne von Fähigkeiten des Reihenbildens, des Mengenvergleichens und der Beherrschung der Zahlwortreihe, 2) Ordinaler Zahlenstrahl, auf dem Zahlworte eine feste Abfolge haben, ohne dass der Abstand zwischen den Zahlworten von Bedeutung ist, 3) Kardinalität von Zahlen, wobei die Anzahl der Elemente in der Menge als Mächtigkeit der Menge verstanden wird, 4) Enthaltensein und Klasseninklusion, wobei Mengen aus anderen Mengen zusammensetzbar und in Teilmengen zerlegbar sind und 5) Relationalität, also das Wissen, dass Teilmengen gebildet und „verschoben“ werden können, ohne dass sich die Gesamtmenge ändert. Anders als das Modell von Fritz und Ricken (z. B. 2008) beschreibt das Entwicklungsmodell früher mathematischer Fähigkeiten von Krajewski (Krajewski, 2008; Krajewski & Schneider, 2009) nur drei Ebenen der numerischen Entwicklung. Diese reichen von 1) Basisfertigkeiten wie Mengenunterscheidungen, Zählprozeduren und der exakten Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38


Abfolge der Zahlen über 2) das Anzahlkonzept im Sinne von Mengenrelationen sowie die Mengen-Zahlen-Verknüpfung, also dem Verständnis von Zahlen als Anzahlen, bis hin zur 3) Ebene der Anzahlrelationen, auf der Zahlen zerlegt und der Unterschied zwischen Anzahlen wiederum durch Zahlen ausgedrückt werden kann. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Modellen Auch wenn zwischen den drei vorgestellten Entwicklungsmodellen (von Aster, 2013; Fritz & Ricken, 2008; Krajewski, 2008) durchaus Unterschiede bestehen, lassen sich doch einige zentrale Gemeinsamkeiten finden, die wir im Folgenden darstellen möchten. Unserer Meinung enthalten die Modelle – explizit oder zumindest implizit – acht Kompetenzbereiche, die wir im Folgenden als numerische Kernkompetenzen bezeichnen werden: 1) Mengen schätzen und vergleichen, 2) Zahlwortreihe und Zählen (ordinales Zahlverständnis), 3) Zahlensymbole lesen und schreiben, 4) Zahlengröße verstehen (kardinales Zahlverständnis), 5) Zahlbeziehungen verstehen (relationales Zahlverständnis), 6) Zahlenraumvorstellung, 7) Rechnen (Addition / Subtraktion) und 8) Stellenwertverständnis. Diese numerischen Kernkompetenzen bauen weitgehend aufeinander auf, wobei es sich jedoch nicht um eine zwingend hierarchische Abfolge von Entwicklungsschritten handelt (für einen Überblick siehe Abbildung 1). Eine Ausnahme stellen 7) Rechnen und 8) Stellenwertverständnis dar, die sich parallel zu den übrigen Kernkompetenzen entwickeln, wobei z. B. die ein-

gesetzten Rechenstrategien im Laufe der Entwicklung immer elaborierter werden. Im Folgenden werden wir die sieben numerischen Kernkompetenzen mit Bezug zu den Entwicklungsmodellen im Detail darstellen und voneinander abgrenzen. Die sehr basale numerische Kernkompetenz Mengen schätzen und vergleichen wird in allen dargestellten Entwicklungsmodellen als Ausgangspunkt der numerischen Entwicklung genannt (siehe Abbildung 1). Darunter wird beispielsweise die grundlegende Fähigkeit verstanden, zwei Punktmengen hinsichtlich ihr Größe zu vergleichen oder einzuschätzen, wie viele Gegenstände (z. B. Büroklammern) auf einem Bild dargestellt sind. Ebenso fällt darunter die Fähigkeit beurteilen zu können, ob beispielsweise zwanzig Flaschen Milch im Kühlschrank viel oder wenig sind. Darauf aufbauend folgt – ebenfalls in allen Modellvorstellungen – ein Kompetenzbereich, der sich als Zahlwortreihe und Zählen benennen lässt (d. h. von Aster: 2. Schritt; Fritz & Ricken, 2008: Stufe 1 & 2; Krajewski, 2008: Ebene 1). Darunter wird neben dem Erwerb der Zahlwortreihe vor allem das Erlernen der Zählprozedur beim Abzählen von Gegenständen verstanden (z. B. die Eins-zu-Eins-Zuordnung zwischen Zahlwort und Objekt), wodurch in Folge ein ordinales Zahlverständnis erworben wird (d. h. das Verständnis dafür, dass jede Zahl eine feste Position in der Zählsequenz hat, vgl. Gelman & Gallistel, 1978). Diesem Kompetenzbereich wird in den Modellen von Fritz und Ricken (2008) sowie Krajewski (2008) mehr Gewicht beigemessen als bei von Aster und Kollegen (2013).

Abbildung 1. Darstellung der verschiedenen Stufen der Entwicklungsmodelle im Abgleich mit den vorgeschlagenen Kernkompetenzen. Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38

27

Fokus Forschung

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche


28

Subtraktion

Ergänzungsaufgaben

3, 7

3, 5, 7

Division

Addition

3, 7

-

Prozedurales / konzeptuelles Verständnis Addition und Subtraktion

3, 7

Multiplikation

Orientierung im ­Zahlenraum

3, 6

-

Stellenwertsystem

3, 8

Prozedurales / konzeptuelles Verständnis Multiplikation und Division

Mengen- und Zahlvorstellung

1, 3

Untertests

-

Ende 1. Klasse bis Mitte 5. Klasse

Altersgruppe

BADYS 1 – 4+ R

Merdian, Merdian & Schardt

Kernk.

Autoren -

Titel

2, 3

5

2

2

-

Zahlenraumorientierung mit Einern

Mengen-­ operation

Ordinales ­Zahl­ver­ständnis

Eins-zu-einsZuordnung

Serialität; Abfolgen reproduzieren

Klassifizieren

Vergleichen ­(visuelle Diffe­ renzierung)

-

-

Kopfrechnen

Zahlencodierung

Raum-LageOrientierung

Ende 1. Schuljahr bis Mitte 2. Schuljahr

Schaupp, ­Holzer & Lenart

ERT 1+

3, 7

3

-

Kernk.

5, 7

Anwenden von ­Zahlenwissen

Resultatives Zählen

Synchrones und verkürztes Zählen

2

2

Zahlwörter ­benutzen

Nach Reihenfolge ordnen

-

2, 4

Eins-zu-EinsZuordnen

Klassifizieren

Vergleichen

Größenvergleiche von Zahlen (verbale Darbietung) Kopfrechnen Addition

7, 8

Größenvergleiche von Zahlen (visuelle Darbietung) 8

3, 8

Kontextbezogene Mengenbewertung

Mengenschätzen

1

1

Positionen auf dem Zahlenstrahl

Abzählen ­rückwärts

Abzählen ­vorwärts

Zahlen schreiben

Zahlen lesen

6, 8

2

2

3, 8

3, 8

Ende der 2. bis Mitte der 6. Klasse

Kinder von 4;6 bis 7;6 Jahren

RZD 2 – 6 Jacobs & ­Petermann

Kernk.

van Luit, van de Rijt & Hasemann

OTZ

-

-

1

Kernk.

Tabelle 1. Überblick über die ausgewählten Tests für Rechenschwäche im Grundschulalter

Fokus Forschung

Transkodieren – Zahlen lesen

Transkodieren – Zahlen schreiben nach Diktat

3, 8

3, 8

Dekadisches Positionssystem – Repräsentation mit Plättchen

Größenvergleich Zahlwörter

Entscheidung ­Zahlwortsyntax?

Entscheidung Zahlwort?

Größenvergleich arabische Zahlen

Entscheidung arabische Zahl?

Abzählen

Zählprinzipien

Perzeptive Mengen­ beurteilung

1

Kognitive Mengenbeurteilung

Zahlenvergleich (Worte)

8

1

Zahlen nachsprechen vorwärts und rückwärts

Anordnen von Zahlen auf einem Zahlenstrahl

Zahlen lesen

Kopfrechnen

Zahlen schreiben

Zählen rückwärts mündlich

Abzählen

-

3, 6, 8

3, 8

7

3, 8

2

2, 3

1. bis 4. Klasse

Ende vorletztes Kindergartenjahr bis Mitte 3. Klasse

ZAREKI-R von Aster, ­Weinhold Zulauf & Horn

Kernk.

Kaufmann, L., ­Nuerk, Graf, ­Krinzinger, ­Delazer & Willmes

TEDI-MATH

-

8

-

-

3, 8

3

2, 4

2

Kernk.

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38


Textaufgaben 5, 7

Letzteres Modell benennt dafür als einziges explizit die Kernkompetenz Zahlensymbole lesen und schreiben (von Aster, 2013: 3. Schritt), worauf die anderen beiden Modelle nicht explizit eingehen. Diese beschreibt die Fähigkeit arabische Ziffern (z. B. 6, 2, 9) aufzuschreiben oder vorzulesen und ist damit auch beim Lösen visuell präsentierter Rechenaufgaben (z. B. 6 + 3 = ?) oder beim Aufschreiben eines Rechenergebnisses von Bedeutung. Die Kernkompetenz Zahlengröße verstehen (d. h. kardinales Zahlverständnis), die wiederum im Modell nach von Aster (2013) nicht explizit Erwähnung findet, bildet einen Meilenstein der numerischen Entwicklung nach Fritz und Ricken (2008; Stufe 3) sowie Krajewski (2008; Ebene 2). Darunter wird die zentrale Einsicht verstanden, dass jede Zahl nicht nur eine Position in der Zahlwortreihe angibt (vgl. ordinales Zahlverständnis), sondern stets auch für eine spezifische Menge steht. So gibt z. B. am Ende eines Zählvorgangs die letzte genannte Zahl die Anzahl der gezählten Objekte an. Aufbauend auf dem kardinalen Zahlverständnis wird dann gemäß der Entwicklungsmodelle von Fritz und Ricken (2008; Stufe 4 & 5: Enthaltensein / Klasseninklusion und Relationalität) sowie Krajewski (2008; Ebene 3: Anzahlrelationen) eine numerische Kernkompetenz erworben, die wir als Zahlbeziehungen verstehen (d. h. relationales Zahlverständnis) bezeichnen wollen. Darunter wird die Erkenntnis verstanden, dass Zahlen nicht nur eine Position in der Reihe (ordinales Zahlverständnis) oder eine Anzahl beschreiben (kardinales Zahlverständnis), sondern auch in Beziehung zueinander gesetzt werden können. So kann eine Zahl den Unterschied zwischen zwei Zahlen beschreiben (z. B. 6 und 4 unterscheiden sich um 2) oder auch andere Zahlen enthalten (z. B. 6 enthält 4 und 2). Anders als in den beiden anderen Entwicklungsmodellen nach Fritz und Ricken (2008) sowie Krajewski (2008) geht von Aster (2013) in seinem Modell nicht im Detail auf das relationale Zahlverständnis ein. In seinem Modell wird jedoch die Zahlenraumvorstellung als Entwicklungsschritt genannt, weshalb wir diese ebenfalls als

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38 29

Fokus Forschung

Kenntnisse arithmetischer Konzepte Zählrahmen 7, 8

Textrechnungen Maße -

3, 5, 7

Additionen und Subtraktionen mit ganzen Zehnern Zeitliche ­Orientierung -

3, 7, 8

Subtraktionen Seriations-­ leistungen -

3, 7, 8

7

Textaufgaben 5, 7 Regelverständnis 7

Multiplikation Flexibles ­Anwenden 5, 7

-

Subtraktion 7 Schriftliches Rechnen 3, 7, 8

Addition 7 Kopfrechnen Division Additionen 3, 7, 8 Räumliche ­Vorstellung -

Numerische Mengen­ perzeption 3, 8 Gedächtnis­ leistungen rückwärts -

Zahlenraumorientierung mit Zehnern 2, 3, 8 Gedächtnis­ leistungen vorwärts -

Anmerkungen: Kernk. = zugeordnete Kernkompetenz: 1 = Mengen schätzen und vergleichen, 2 = Zahlwortreihe und Zählen, 3 = Zahlensymbole lesen und schreiben, 4 = Zahlengröße verstehen, 5 = Zahlbeziehungen verstehen (relationales Zahlverständnis), 6 = Zahlenraumvorstellung, 7 = Rechnen (Addition / Subtraktion), 8 = Stellenwertverständnis

Zahlenvergleich (Ziffern) 3, 8 Rechnen mit Objektab-­bildungen Kopfrechnen Multiplikation -

7

Textaufgaben 5, 7 Additive Zer­legung Kopfrechnen Subtraktion 7, 8

5

RZD 2 – 6 Kernk. OTZ Kernk. ERT 1+ Kernk. BADYS 1 – 4+ R Kernk. Titel

Tabelle 1. Überblick über die ausgewählten Tests für Rechenschwäche im Grundschulalter (Fortsetzung)

Kernk.

TEDI-MATH

Kernk.

ZAREKI-R

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche


Fokus Forschung

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche numerische Kernkompetenz mit aufnehmen. Unter Zahlenraumvorstellung wird gemeinhin verstanden, dass Zahlen entsprechend ihrer numerischen Größe auf einem mentalen Zahlenstrahl verortet werden können. Das Lösen von Additions- und Subtraktionsaufgaben wird in keinem der Modelle als separater Entwicklungsschritt erwähnt, vielmehr lässt sich das Rechnen in Abhängigkeit von der verwendeten Lösungsstrategie (z. B. zählend oder Zahlbeziehungen nutzend) in unterschiedliche Stufen einordnen. Da das Rechnen von Additionen und Subtraktionen in Diagnostik und Förderung einen zentralen Stellenwert einnimmt, wird eine numerische Kernkompetenz Rechnen (Addition / Subtraktion) mit aufgenommen. Darunter verstehen wir nicht nur das prozedurale Rechnen (Lösen von Rechenaufgaben nach einer erlernten Prozedur), sondern auch das konzeptuelle Verständnis für die Rechenoperationen (Wissen über Rechenregeln oder Zahlzusammenhänge, siehe auch Nuerk, Graf & Willmes, 2006). Ähnlich wie Addition und Subtraktion findet sich auch das Stellenwertverständnis implizit in den Modellen von von Aster (2013: 2. Schritt) und Fritz und Ricken (2008: Stufe 5). Dieses beschreibt die Fähigkeit, Zahlen in das Stellenwertsystem einzugliedern (d. h. das Verständnis für die Zusammensetzung von Zahlen aus Einern, Zehnern, Hundertern, …). Da das Stellenwertverständnis in Diagnostik und Förderung viel Beachtung findet (Nuerk, Moeller & Willmes, 2015) und gemäß dem aktuellen Stand der Forschung besonders bei Kindern mit Rechenschwäche beeinträchtigt ist (Dietrich, Huber, Dackermann, Moeller & Fischer, 2016), wurde es als eine letzte Kernkompetenz mit aufgenommen (siehe auch Nuerk et al., 2006). Auf Basis dieser acht numerischen Kernkompetenzen werden in diesem Beitrag verschiedene Tests und Fördermanuale miteinander verglichen. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern Tests und Fördermanuale die numerischen Kernkompetenzen aufgreifen und somit aufeinander bezogen werden können. Die Reihenfolge, in der die Kernkompetenzen in den jeweiligen Publikationen behandelt werden, wird dabei zwar codiert, erlaubt aber keine Aussagen über die Güte oder Qualität der jeweiligen Publikationen. Hierfür bedarf es im Fall der Testverfahren einer Überprüfung der Testgütekriterien (siehe Info-Box Forschungsmethodik), sowie Evaluationsstudien im Fall der Fördermanuale (siehe z. B. Ehlert & Fritz, 2016). Vorweg soll in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass bereits Tests und Fördermanuale existieren, die sowohl direkten Bezug aufeinander als auch auf ein spezifisches Entwicklungsmodell nehmen. Hervorzuheben sind dabei der Test MARKO-D (Ricken, Fritz-Stratmann & Balzer, 2013) und das Förderprogramm MARKO-T (Gerlach et al., 2013), sowie das Diagnose- und Trainingsprogramm Kalkulie (Gerlach, Fritz, Ricken & 30

Schmidt, 2007), die direkt auf das Entwicklungsmodell von Fritz und Ricken (2008) aufbauen, und bei denen der Bezug zueinander auch klar gegeben ist. Diese Programme werden hier nicht weiter diskutiert.

Methodik Der vorliegende Beitrag dient als Überblicksarbeit, so dass hier ein qualitativer inhaltlicher Vergleich der Förder- und Diagnoseinstrumente vorgenommen wurde. Literaturauswahl Es wurde sowohl bei der Auswahl der Diagnose- als auch Förderliteratur darauf geachtet, dass diese möglichst für das gesamte Grundschulalter geeignet und in deutscher Sprache verfasst sind. Daher wurden einige etablierte Förderprogramme für Kinder im Vorschulalter (z. B. „Mengen, zählen, Zahlen“; Krajewski, Nieding & Schneider, 2007), Förderprogramme für einen sehr begrenzten Zahlenraum (z. B. Claus & Peter, 2005) oder auch Förderliteratur für Erwachsene (z. B. „Dyskalkulie im Erwachsenenalter“; Kopp-Duller & Pailer-Duller, 2012) nicht aufgenommen. Ein Grund dafür ist, dass in anderen Altersgruppen sowohl die Förderung als auch die Diagnostik andere Schwerpunkte umfasst und somit nicht unmittelbar mit den Materialien für die Grundschule vergleichbar ist. Ebenso wurden keine computerbasierten Tests und Förderprogramme aufgenommen (z. B. „Teddy-PC“; Schroeders & Schneider, 2008; „Dybuster Calcularis“; Käser et al., 2013), da dies den Rahmen des Beitrags sprengen würde. Ausgeschlossen wurden zudem Testverfahren, die vornehmlich curricular orientiert sind (z. B. „HRT 1 – 4. Heidelberger Rechentest“; Haffner et al., 2005; „DEMAT 1+. Deutscher Mathematiktest für erste Klassen“; Krajewski et al., 2002) und damit oft keine basisnumerischen Kompetenzen überprüfen. Zudem wurden bei mehreren Tests bzw. mehreren Förderheften einer Reihe jeweils jene ausgewählt, die am ehesten die numerischen Kernkompetenzen abdecken, die in den gängigen Entwicklungsmodellen enthalten sind (z. B. „Eggenberger Rechentest 1+“, „Sicher unterwegs im Zahlenraum. Band 1“). Allerdings ist die resultierende Liste an Test- und Förderinstrumenten nicht exhaustiv und soll lediglich einen Einblick in den gängigen Aufbau der Literatur liefern. Zuerst erfolgten eine Auswahl sowie eine Dokumentation der Literatur, bei der aus den ausgewählten deutschsprachigen Tests sowie der Förderliteratur die einzelnen Komponenten festgehalten wurden. Diagnostik – Überblick Folgende Tests wurden in den Test-Überblick aufgenommen: Bamberger Dyskalkuliediagnostik (BADYS 1 – 4+ R; Merdian, Merdian & Schardt, 2015), Eggenberger RechenLernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38


Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche

Förderung – Überblick Als Fördermanuale wurden Publikationen klassifiziert, die dezidiert für die Förderung bei Rechenschwäche bzw. deren Prävention konzipiert wurden. Eine Evaluation des Materials war nicht ausschlaggebend für die Aufnahme in den Überblick. Folgende Fördermanuale wurden in den Überblick über die Förderliteratur aufgenommen: „Rechenschwache Kinder individuell fördern“ (Herdemeier, 2012), „Rechenschwäche überwinden, Band 1“ (Ganser, Schindler & Schüler, 2014), „Rechenschwäche vorbeugen“ (Gaidoschik, 2007), „Rechenstörungen“ (Kaufmann & Wessolowski, 2014) und „Sicher unterwegs im Zahlenraum. Band 1 & 2” (Merdian, 2013a, 2013b). Ein Überblick kann Tabelle 2 entnommen werden, in der auch jeweils die Kernkompetenzen zu den jeweiligen Förderbereichen zugeordnet werden.

Ergebnisse Diagnostik: Inhaltsbereiche der Testverfahren Die Inhaltsbereiche der verschiedenen Testverfahren überschneiden sich für den Bereich der Grundschule sehr stark. Allerdings gibt es auch viele Unterschiede bei der Zusammenstellung der Tests und auch darin, mit welchen Aufgaben die jeweiligen Kompetenzen getestet werden (siehe Tabelle 1). Im Hinblick auf die oben beschriebenen Kernkompetenzen ergeben sich folgende Beobachtungen: Mengen schätzen und vergleichen Das Vergleich von Mengen wird im OTZ (Untertest „Vergleichen“) und dem TEDI-MATH (Untertest „Approximativer Größenvergleich Punkte“, nicht in Tabelle 1 aufgenommen da optional) überprüft. Das Schätzen von Mengen ist Bestandteil der BADYS 1 – 4 R (Untertest „Mengen- und Zahlenvorstellung“), des RZD 2 – 6 (Untertest „Mengenschätzen“) und des ZAREKI-R (Untertest „Perzeptive Mengenbeurteilung“). Nur der ERT 1+ enthält hierzu keine Aufgabe. Die Untertests zum Vergleich von geschriebenen Zahlen bzw. Zahlwörtern werden nicht die-

ser Kategorie zugeordnet, da sie nicht direkten Mengenvergleich, sondern eher das Verständnis für Zahlensymbole und das Stellenwertsystem überprüfen. Zahlwortreihe und Zählen (ordinales Zahlverständnis) Die Zählkompetenzen werden in einigen der Tests überprüft, und erhalten in diesen auch einen hohen Stellenwert. So enthalten OTZ, RZD, TEDI-MATH und ZAREKI gleich jeweils zwei bzw. drei Untertests, in denen die Zahlwortreihe und Zählfertigkeiten in unterschiedlichen Aufgaben überprüft werden. ERT 1+ und BADYS 1 – 4 R sehen keine Überprüfung der Zählkompetenzen vor, der ERT 1+ enthält jedoch einen Untertest zum ordinalen Zahlenverständnis (z. B. „Male das 3. Feld an.“). Zahlensymbole lesen und schreiben Diese Kompetenz wird in allen Testverfahren mit Ausnahme des OTZ überprüft, und zwar in Form von Untertests zum Schreiben diktierter Zahlen. Dazu kommt in ZAREKIR, RZD 2 – 6 und TEDI-MATH das Lesen gedruckter Zahlen. Da die jeweiligen Untertests immer mehrstellige Zahlen enthalten, wird somit jeweils nicht nur die Kenntnis der Zahlensymbole, sondern auch das Stellenwertverständnis überprüft. Einige Tests, wie der ERT 1+ und die BADYS 1 – 4 R, bestehen zudem zum Großteil aus einem schriftlichen Antwortformat, bei dem die Ergebnisse im Zahlensymbolformat aufgeschrieben werden. Zahlengröße verstehen (kardinales Zahlverständnis) Der Kardinalität werden durchgehend keine eigenen Untertests gewidmet. Lediglich im OTZ und im TEDI-MATH wird das Verständnis für Kardinalität als Teil von Zählaufgaben überprüft. So wird zum Beispiel im TEDI-MATH im Untertest „Abzählen“ nach dem abgeschlossenen Zählvorgang die Frage danach gestellt, wie viele Objekte es insgesamt sind. Zahlbeziehungen verstehen (relationales Zahlverständnis) Diese Kompetenz wird im TEDI-MATH (Untertest „Additive Zerlegung“) und ERT 1+ (Untertest „Mengenoperation“) durch Aufgaben zur Zahlzerlegung überprüft. In der BADYS 1 – 4 R wird die Zahlzerlegung unter den Subtests zur Addition / Subtraktion in einigen Aufgaben thematisiert, jedoch nicht als eigener Subtest. ZAREKI-R, OTZ und RZD enthalten zu dieser Kompetenz keine Aufgaben. Zahlenraumvorstellung Der Zahlenstrahl ist ebenfalls in vielen Tests enthalten. So testen BADYS 1 – 4 R, RZD 2 – 6 und ZAREKI-R direkt die Fähigkeit, Zahlen auf einem Zahlenstrahl zu verorten. Im ERT 1+ wird in den Untertests „Zahlenraumorientierung mit Einern“ / „Zahlenraumorientierung mit Zehnern“ indirekt die Zahlenraumvorstellung überprüft, wohingegen TEDIMATH und OTZ keine Zahlenstrahlaufgaben enthalten.

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Fokus Forschung

test 1+ (ERT 1+; Schaupp, Holzer & Lenart, 2007), Osna­ brücker Test zur Zahlbegriffsentwicklung (OTZ; van Luit, van de Rijt & Hasemann, 2001), Rechenfertigkeiten- und Zahlenverarbeitungs-Diagnostikum für die 2. bis 6. Klasse (RZD 2 – 6; Jacobs & Petermann, 2006), Test zur Erfassung numerisch-rechnerischer Fertigkeiten vom Kindergarten bis zur 3. Klasse (TEDI-MATH; Kaufmann et al., 2009), und Neuropsychologische Testbatterie für Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern (ZAREKI-R; von Aster, WeinholdZulauf & Horn, 2006). Tabelle 1 gibt einen kurzen Überblick über die enthaltenen Tests und ihre Untertests. Hierbei haben wir versucht, die Subtests den zuvor beschriebenen numerischen Kernkompetenzen zugeordnet.


32

Eins-zu-Eins-Zuordnung

Mengeninvarianz

Zahlvorstellung im Zahlenraum bis 20

Simultanauffassung im Zahlenraum bis 20

Zerlegungen im ­Zahlenraum bis 10

Verdopplung im ­Zahlenraum bis 20

Halbierung im Zahlenraum bis 20

Aufgabenfamilien

Analogieaufgaben im Zahlenraum bis 20

Zehnerüberschreitung im Zahlenraum bis 20

Zahlvorstellung im Zahlenraum bis 100

Simultanauffassung im Zahlenraum bis 100

Analogieaufgaben im Zahlenraum bis 100

­Zehnerüberschreitung im Zahlenraum bis 100

1

1

2, 4, 6, 8

6, 8

5, 7

-

-

5, 7

7, 8

7, 8

6, 8

6, 8

7, 8

7, 8

Teil­ bereiche

Rechenschwache Kinder individuell fördern

Herdemeier

Kernk.

Autoren

Titel

Rechnen im Zahlenraum bis 10 Verdoppeln / Halbieren

-

Zahlenvergleiche > < =

2, 8

5, 7

Nachbarzehner benennen

Nachbarzahlen ­benennen

Orientierung im ­Hunderterfeld

Zählen im Hunderterraum

Zahlen bis 100 erfassen und darstellen

Dekadischer Aufbau unseres Zahlen­ systems

Zahlzerlegung bis 10

Zahlen vergleichen und ordnen

Strukturierung von Mengen zur Simultanerfassung

Mengen bilden und auszählen

Räumliche Vorstellung

Ganser, Schindler & Schüler

Rechenschwäche überwinden

2, 8

2

6, 8

2

8

8

5

1, 2

-

1, 2, 4

-

Kernk.

3, 8

5, 7

7

7

-

7

Zehner und Einer

Gleichungen

Üben und anwenden

Weitere nicht-zählende Rechenstrategien

Verdoppeln und ­Halbieren

Erstes Automatisieren

Zahlwissen erweitern: Zerlegen mit System

Rechnungen verstehen

5, 7

5

Ziffern

3

Zahlen in ihrer Beziehung zu fünf und zehn

Um eins mehr – um eins weniger

2

5

Vergleichen

Zählen

Gaidoschik

Rechenschwäche vorbeugen

1

2, 4

Kernk.

Tabelle 2. Überblick über die ausgewählten Fördermanuale für Rechenschwäche im Grundschulalter

Fokus Forschung

5, 7

-

5

7

2, 4, 5

1

6, 8

2

6, 8

6, 8

3, 8

2

2

2

Kernk.

Aufgaben von und zu der 10

Verdopplungs-familien im Zahlenraum bis 10

Zahlzerlegungen im Zahlenraum bis 10

Operationsverständnis

Ordinaler und kardinaler Aspekt / TeilGanzes-Beziehung

Perzeptive und kognitive Mengenbeurteilung

Zahlverortung am Zahlenstrahl

Zahlbeziehungen (­Verdoppeln / Halbieren, Vorgänger / Nachfolger, größer / kleiner)

Zahlauffassung und Zahldarstellung bis 100

Zahlauffassung und Zahldarstellung bis 20

Zahlen lesen und schreiben

Zählen

Dinge zählen / Abzählen

Zahlwortreihe

Kaufmann, S. & ­Wessolowski

­Rechenstörungen. Diagnose und ­Förderbausteine

2, 3, 4, 6, 8

3, 5, 6, 7

2, 3, 4, 5, 6

-

-

-

Zahlerfassung bis 20

Addition / Subtraktion bis 10

Zahlerfassung bis 10

Symmetrie und ­Spiegelungen

Raumlagebeziehungen / Raumorientierung

Räumliche Grundfertigkeiten

Orientierung im Zahlenraum (bis 20)

Vergleichen und ordnen

1, 2

2, 3, 6, 8

Vorwärts und rückwärts zählen

Gedächtnis-leistungen

Seriation

Wahrnehmungskonstanz

Figur-Grund-Wahrnehmung

Klassifizieren und Sortieren

Merdian

Sicher unterwegs im Zahlenraum. Band 1 & 2

2, 3, 4

-

-

-

-

-

Kernk.

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38


Multiplikation / Division

Automatisierung von Einmaleinsaufgaben

-

-

Verdoppeln und ­Halbieren

Rechnen (Addition / Subtraktion) Die Grundrechenoperationen Addition und Subtraktion werden in allen beschriebenen Test mit Ausnahme des OTZ überprüft, wenn auch in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen (Zahlenräumen). Zudem werden teilweise die Zeiten gemessen, die für die Bearbeitung pro Aufgabe (RZD, ZAREKI-R) oder Untertest (TEDI-MATH) benötigt werden. Stellenwertverständnis Stellenwertaufgaben sind Bestandteil der BADYS 1 – 4 R, des TEDI-MATH, sowie des RZD 2 – 6. Außerdem wird Stellenwertverständnis in allen beschriebenen Tests (mit Ausnahme des OTZ) in Kombination mit Aufgaben zum Schreiben oder Lesen von arabischen Zahlen überprüft, und ist in denselben Tests auch relevant beim Lösen der Rechenaufgaben, die durchgängig mehrstellige Zahlen enthalten. Auffällig ist, dass in allen Tests außer der BADYS 1 – 4 R zusätzlich das Lösen von Textaufgaben überprüft wird. Aufgrund der hohen Alltags- und schulischen Relevanz von Textaufgaben kommt diesen meist ein hoher Stellenwert in der Rechenschwächediagnostik zu, auch wenn sie sich aufgrund der verschiedenen mathematischen Inhalte und erforderlichen Kompetenzen nicht ohne weiteres in eine unsere vorgeschlagenen Kernkompetenzen einordnen lassen. Besondere Vorsicht ist bei der Interpretation von Testleistungen in Textaufgaben immer dann geboten, wenn bei der Testperson ein Verdacht auf eine komorbide Legasthenie besteht, da bei deren Bearbeitung schriftsprachliche Fähigkeiten eine große Rolle spielen. Von den vier Grundrechenarten erfassen viele der Tests neben Addition und Subtraktion auch noch die Multiplikation, meist in Form von einfachen Aufgaben aus dem kleinen Einmaleins (z. B. TEDI-MATH, ZAREKI-R), teilweise aber auch darüber hinaus (z. B. RZD 2 – 6). Division wird hingegen nur in wenigen Tests zusätzlich überprüft (RZD und BADYS 1 – 4 R). Förderung: Inhaltsbereiche der Fördermanuale Ebenso wie die Tests überschneiden sich die Fördermanuale inhaltlich zu großen Teilen. Dabei ist die Reihenfolge und Schwerpunktsetzung der einzelnen Bausteine oft unterschiedlich, was unter anderem der Tatsache geschuldet ist, dass die Manuale auf unterschiedlichen Modellen beruhen, unterschiedlich umfangreich und für unterschied­ liche Altersgruppen konzipiert sind. Mengen schätzen und vergleichen Obwohl diese Kompetenz bei Kindern mit Rechenschwäche bekanntermaßen beeinträchtigt ist (z. B. Landerl, Fussenegger, Moll & Willburger, 2009), wird diese nicht in allen Fördermanualen ausführlich thematisiert. Nur

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38 33

Fokus Forschung

Rechnen im Zahlenraum bis 100 7, 8

Anmerkung: Kernk. = zugeordnete Kernkompetenz: 1 = Mengen schätzen und vergleichen, 2 = Zahlwortreihe und Zählen, 3 = Zahlensymbole lesen und schreiben, 4 = Zahlengröße verstehen, 5 = Zahlbeziehungen verstehen (relationales Zahlverständnis), 6 = Zahlenraumvorstellung, 7 = Rechnen (Addition / Subtraktion), 8 = Stellenwertverständnis

Rechnen im 2. Zehner 7, 8 Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis 100 7, 8

- Einmaleins -

Sachaufgaben 5, 7 Rechnen auf dem Rechenstrich 6, 7, 8

Addition / Subtraktion bis 20 mit Zehner­ übergang 5, 6, 7, 8 7, 8

Rechnen im Zahlenraum bis 100

Mengen- und Zahlenvergleich 1, 5, 7 7, 8

Zehnerübergang (­Addition / Subtraktion)

Addition / Subtraktion bis 20 ohne Zehner­ übergang 5, 6, 7, 8 5, 7, 8

Dezimale Analogien im Zahlenraum bis 20

Sicher unterwegs im Zahlenraum. Band 1 & 2 Rechenschwäche vorbeugen Kernk. Rechenschwäche überwinden Kernk. Rechenschwache Kinder individuell fördern Kernk. Titel

Tabelle 2. Überblick über die ausgewählten Fördermanuale für Rechenschwäche im Grundschulalter (Fortsetzung)

Kernk.

­Rechenstörungen. Diagnose und ­Förderbausteine

Kernk.

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche


Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche „Sicher unterwegs im Zahlenraum. Band 1“ und „Rechenschwäche überwinden“ behandeln sowohl Schätzen als auch Vergleichen, wohingegen „Rechenstörungen“ nur das Schätzen und „Rechenschwäche vorbeugen“ nur den Vergleich von Mengen thematisiert, „Rechenschwache Kinder individuell fördern“ enthält hierfür keine Aufgaben. Eine mögliche Erklärung für die vergleichsweise geringe Auseinandersetzung mit diesem basalen Kompetenzbereich könnte sein, dass die meisten Fördermanuale für die Grundschulzeit konzipiert sind, und möglicherweise bereits eine gewisse Kompetenz zum Schätzen und / oder Vergleichen von Mengen vorausgesetzt wird. Alternativ wäre denkbar, dass davon ausgegangen wird, dass dieser Bereich nicht durch Förderung verbessert werden kann (Sullivan, Frank & Barner, 2016) und die Förderung daher an einem späteren Punkt ansetzt.

Fokus Forschung

Zahlwortreihe und Zählen (ordinales Zahlverständnis) Das Zählen und die Zahlwortreihe werden in der Förderung genau wie in den Tests durchgehend behandelt, wobei dieser Kompetenz einmal mehr (z. B. „Rechenstörungen“), einmal weniger (z. B. „Rechenschwäche überwinden“) Aufmerksamkeit gewidmet wird. Hier herrscht Einigkeit auch dahingehend, dass das Zählen früh in der Förderung behandelt werden sollte. Zahlensymbole lesen und schreiben Das Schreiben und Lesen von Zahlensymbolen wird kaum explizit behandelt. Nur in „Rechenschwäche vorbeugen“ und „Rechenstörungen“ gibt es hierzu eigene Kapitel, wobei in „Rechenstörungen“ der Fokus auf das Stellenwertverständnis gelegt wird. Allerdings enthalten die meisten Fördermanuale Arbeitsaufgaben, bei denen die Ergebnisse in Ziffernform aufgeschrieben werden müssen, so dass diese Kompetenz implizit mit gefördert wird. Zahlengröße verstehen (kardinales Zahlverständnis) Im Gegensatz zu den Tests wird das Verständnis für Kardinalität in allen Fördermanualen adressiert, wobei auch hier meist eine Einführung im Zusammenhang mit Zählaufgaben erfolgt. Zudem enthält „Rechenstörungen“ explizit einen eigenen Abschnitt für den „ordinalen und kardinalen Aspekt“ der Zahlbedeutung. Zahlbeziehungen verstehen (relationales Zahl­ verständnis) Diese Kernkompetenz ist ein großer Bestandteil in allen Manualen, meist in Form von Aufgaben zur Zahlzerlegung. Neben dem Verständnis für die Zerlegung von Zahlen wird oft auch eine Automatisierung der Zahlzerlegungen bis 10 angestrebt, um Kindern den Zehnerübertrag zu erleichtern. 34

Zahlenraumvorstellung Eine relationale Zahlenraumvorstellung wird in allen Fördermanualen angestrebt, wenn auch nicht immer in Form eines Zahlenstrahls. Die Zahlen bis 20 werden in vielen Manualen über ein Zwanzigerfeld bzw. einen Rechenrahmen (Abakus) erarbeitet, in dem zwei Reihen von Objekten übereinander präsentiert werden (z. B. „Sicher unterwegs im Zahlenraum“, „Rechenstörungen“, „Rechenschwache Kinder individuell fördern“). Alternativ kommen Zahlenschnüre (z. B. „Rechenschwäche überwinden“) oder Rechenketten (z. B. „Rechenschwäche vorbeugen“) zum Einsatz, auf denen die Zahlen auf einer Schnur befestigt oder Perlen verschoben werden können. Dieses Format kommt einer Darstellung auf einem Zahlenstrahl schon recht nahe. Mit wachsendem Zahlenraum wechselt die Darstellung der Zahlen dann oft zum Zahlenstrahl, so zum Beispiel in „Rechenstörungen“. Hervorzuheben ist hier „Sicher unterwegs im Zahlenraum“, wo in Band 2 fast jeder Inhaltsbereich anhand einer Zahlenraumvorstellung veranschaulicht wird. Rechnen (Addition / Subtraktion) Die beiden Grundrechenarten Addition und Subtraktion finden in allen Fördermanualen mehr Beachtung als alle anderen Kernkompetenzen. Hier wird meist im Vergleich zur Diagnostik weiter differenziert, so dass zumeist Aufgaben im Zahlenraum 10 behandelt und automatisiert werden, bevor der Zehnerübergang und der Zahlenraum 20 thematisiert werden (z. B. „Sicher unterwegs im Zahlenraum“). Je nach Fördermanual erfolgt danach auch eine Erweiterung in den Zahlenraum 100 (z. B. „Rechenschwäche überwinden“). Oft werden Addition und Subtraktion im Zuge der Zahlzerlegung eingeführt, so dass hier oft eine inhaltliche Überschneidung besteht (z. B. „Rechenschwäche vorbeugen“, „Rechenschwache Kinder individuell fördern“). Stellenwertverständnis Das Stellenwertverständnis wird ebenfalls in allen Fördermanualen behandelt. Alle Fördermanuale, die den Zahlenraum bis 100 behandeln, enthalten auch dezidierte Übungen für die Zusammensetzung von Zahlen aus Zehnern und Einern (z. B. mit Stellenwertrastern, in die jeweils Hunderter, Zehner und Einer eingetragen werden). Da das Stellenwertverständnis auch für alle Rechenaufgaben ab dem Zahlenraum 20 relevant ist, taucht er in der Förderung sehr häufig auf. Reihenfolge der Diagnose- und Förderbausteine Hier zeigt sich wie erwartet ein sehr uneinheitliches Bild, das dafür spricht, dass z. B. unterschiedliche modelltheoretische Konzeptionen zu unterschiedlichen Abfolgen führen. Es ist zu beobachten, dass sowohl Tests als auch Fördermanuale einen Ablauf von basalen Aufgaben hin zu Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38


Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche

Diskussion Ziel des vorliegenden Beitrags war es zum einen zu überprüfen, inwiefern Tests und Fördermanuale die in den Entwicklungsmodellen postulierten numerischen Kernkompetenzen aufgreifen. Zum anderen sollte der Frage nach der Passung von Fördermanualen und Testverfahren nachgegangen werden. Dies ist vor allem insofern von Bedeutung, als sich aus einer standardisierten Diagnostik im besten Fall relevante Förderhinweise ergeben sollten. Schwerpunktsetzung von Fördermanualen und Testverfahren Insgesamt zeigt die vorangegangene Darstellung, dass in den Tests vor allem die numerischen Kernkompetenzen Mengen schätzen und vergleichen, Zahlensymbole lesen und schreiben, Zahlenraumvorstellung, Rechnen sowie Stellenwertverständnis explizit erfasst werden. Damit unterscheiden sich die Schwerpunkte teilweise von denen der Fördermanuale, in denen die Kernkompetenzen Zahlwortreihe und Zählen, Zahlengröße verstehen, Zahl­ beziehungen verstehen (relationales Zahlverständnis), Zahlenraumvorstellung, Rechnen und Stellenwertverständnis durchgängig thematisiert werden. Der bedeutsamste Unterschied besteht somit darin, dass die Tests eine stärkere Gewichtung auf das Lesen und Schreiben von Zahlen sowie das Schätzen und Vergleichen von Mengen legen, während in der Förderung der Zahlengröße und den Zahlbeziehungen eine größere Bedeutung zukommt. Eine mögliche Erklärung hierfür liegt in der theoretischen

Ausrichtung vieler Tests an neuropsychologischen Modellen. Denn sowohl das Triple-Code-Modell von Dehaene (Dehaene et al., 2003) als auch das Entwicklungsmodell nach von Aster (von Aster & Shalev, 2007) beinhalten die Komponenten Zahlworte (verbale Zahlenrepräsentation) und arabische Zahlensymbole (visuelle Zahlenrepräsentation), die in den meisten Tests überprüft werden. Im Gegensatz dazu folgen die Fördermanuale eher dem Aufbau der Entwicklungsmodelle von Fritz und Ricken (2008) sowie Krajewski (2008), in denen das Verständnis für Zahlengröße und die Zerlegbarkeit von Zahlen eine wesentlich größere Berücksichtigung findet. Das Verständnis, dass Zahlen in andere Zahlen zerlegt werden können, stellt zudem eine fest in der Didaktik der ersten Klasse verankerte Kernkompetenz dar (siehe z. B. Hasemann & Gasteiger, 2014), die als Grundlage für das Operationsverständnis gesehen wird und möglicherweise auch aus diesem Grund deutlich häufiger in den Fördermanualen thematisiert wird. Konzeptuelle Unterschiede zwischen Tests und ­Fördermanualen Der vorgenommene Vergleich von Tests und Fördermanualen ergab darüber hinaus jedoch noch weitere konzeptuelle Unterschiede. So ist zunächst erkennbar, dass Fördermanuale oft einen breiteren Bereich an numerischen Kompetenzen adressieren. Dies ist insofern zu erwarten, als sie zum einen für eine Anwendung über einen längeren Zeitraum hinweg ausgelegt sind, während Testverfahren meist an einem Termin durchgeführt werden sollen. Zum anderen haben standardisierte Tests den Anspruch, gewissen Testgütekriterien zu genügen (z. B. Amelang & Schmidt-Atzert, 2006). So müssen die einzelnen Untertests zwischen den Kindern differenzieren, aber auch objektive, reliable und valide Ergebnisse liefern (siehe Infobox Forschungsmethodik). Untertests, die möglicherweise zu leicht oder zu schwer sind oder keine ausreichenden Gütekriterien aufweisen, werden daher meist nicht in die Testverfahren aufgenommen. Auch kann es sein, dass bestimmte Untertests nur für bestimmte Altersgruppen vorgesehen sind, vor allem wenn sie sehr basale Kompetenzen erfassen (z. B. Untertest „Zählprinzipien“ im TEDI-MATH). Da Kinder mit Rechenschwäche jedoch oft schon in diese basalen Kompetenzen Defizite aufweisen, könnten diese Inhalte im Rahmen einer Förderung dennoch relevant sein. Darüber hinaus geben die meisten Testverfahren im Gegensatz zur Förderdiagnostik keine differenzierten Hinweise im Hinblick auf die Leistung eines Kindes innerhalb eines spezifischen Zahlenraums. So werden in vielen Tests zwar verschiedene Zahlenräume abgefragt, jedoch meist nicht separat ausgewertet. Zum Beispiel starten Aufgaben zum Schreiben und Lesen von Zahlen (vgl. ZAREKI-R, von

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38 35

Fokus Forschung

Rechenfertigkeiten vorschlagen, wenn auch der individuelle Aufbau stark voneinander abweicht. So wird unter den basalsten Fähigkeiten nicht immer dasselbe verstanden, und die Aufgaben werden an unterschiedlichen Stellen eingeführt. So wird zum Beispiel teilweise mit Zählaufgaben begonnen (TEDI-MATH, „Rechenschwäche vorbeugen“, „Rechenstörungen“), teilweise aber auch mit nicht zahlspezifischen Vorläuferfertigkeiten wie der räumlichen Wahrnehmung (ERT 1+, „Rechenschwäche überwinden“) oder dem Klassifizieren von Objekten („Sicher unterwegs im Zahlenraum. Band 1“). Da sich eine Rechenschwäche jedoch in unterschiedlichen Beeinträchtigungen zeigen kann, die nicht zwingend einem hierarchischen Aufbau gemäß einem Entwicklungsmodell folgen, sollte der Reihenfolge der Bausteine nicht zu viel Gewicht beigemessen werden. Bedeutsam ist vor allem, dass die relevanten Bereiche enthalten sind und im Fall der Fördermanuale auch, dass die Bausteine modular, d. h., voneinander unabhängig eingesetzt werden können, um die Förderung möglichst an die Stärken und Schwächen des jeweiligen Kindes anpassen zu können.


Fokus Forschung

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche Aster et al., 2006; TEDI-MATH, Kaufmann et al., 2009; RZD 2 – 6, Jacobs & Petermann, 2006) oft im Zahlenraum bis 10, reichen dann jedoch in den Zahlenraum bis 1000 oder 10.000 hinein. Da jedoch stets nur ein Gesamtwert pro Untertest berechnet wird, kann daraus nicht einfach auf den tatsächlich bekannten bzw. beherrschten Zahlenraum eines Kindes geschlossen werden. Dies wäre für die Förderung jedoch notwendig, da Förderprogramme wie jene von Merdian (2013a, 2013b) nach Zahlenraum differenzieren. Trotzdem decken die meisten der Testverfahren viele der Kernkompetenzen ab und können daher auch als erste Orientierungshilfe für die Förderung verwendet werden, ersetzen jedoch keine qualitative Förderdiagnostik. Da ein Rechenschwächetest stets nur eine Momentaufnahme darstellt und schlussendlich der Gewinnung von Testkennwerten dient, werden oft nicht alle möglichen Förderbereiche überprüft, und diese können zudem nur in geringem Umfang erhoben werden, weshalb eine zusätzliche qualitative Förderdiagnostik (z. B. der informelle Rechentest von Kaufmann & Wessolowski, 2014) notwendig bleibt. Auch eine detaillierte Fehleranalyse oder eine gezielte Beobachtung der verwendeten Rechenstrategien ist im Zuge einer Rechenschwächetestung nicht möglich, und so können erst im Zuge der Förderdiagnostik Aufschlüsse darüber gewonnen werden, an welcher Stelle die Förderung ansetzen sollte (z. B. Hemminger, Roth, Schneck, Jans & Warnke, 2000). Brauchen Fördermanuale eine theoretische ­Grundlage? Die verfügbaren Fördermanuale können aufgrund ihrer Herleitung aus der Praxis erfolgreich genutzt werden, um Kinder mit Rechenschwäche erfolgreich zu unterstützen (für eine Metaanalyse zur Wirksamkeit von evaluierten Förderprogrammen siehe auch Ise, Dolle, Pixner & Schulte-Körne, 2012). Trotzdem sind wir der Ansicht, dass die Entwicklung von Förderprogrammen von einer fundierten theoretischen Grundlage profitieren könnte. So können Theorien der numerischen Entwicklung helfen, bestimmte Beeinträchtigungsmuster in einen Entwicklungsverlauf einzuordnen. Dies wird zum Beispiel im Training ­MARKO-T (Gerlach et al., 2013) oder dem Programm „Mengen, zählen, Zahlen“ (Krajewski et al., 2007) genutzt, um die Förderung zu strukturieren. Hierbei ist jedoch wichtig zu berücksichtigen, dass Rechenschwäche kein einheitliches Störungsbild darstellt und somit auch nicht jedes rechenschwache Kind in ein hierarchisches Schema eingeordnet werden kann. Somit ist es wichtig, dass auch theoriegeleitete Förderprogramme einem modularen Aufbau folgen, bei dem einzelne Bestandteile je nach Bedarf flexibel für die Förderung eingesetzt werden können. 36

Brauchen Praktiker standardisierte Testverfahren? Diese Frage beantworten FörderlehrerInnen und DyskalkulietherapeutInnen ganz unterschiedlich. Wir plädieren jedoch dafür, standardisierte Tests in Kombination mit qualitativen Verfahren durchzuführen. Tatsächlich spielt es z. B. rein inhaltlich für den Aufbau der Förderung keine entscheidende Rolle, welchen Prozentrang ein Kind in einem standardisierten Test erreicht. Interessant ist hingegen aber die Verlaufsdiagnostik, die ein standardisierter Test ermöglicht (siehe auch Hasselhorn, Schneider & Trautwein, 2014). Denn wird zu Beginn der Förderung ein standardisierter Test durchgeführt, so kann nach erneuter Testdurchführung der Lernfortschritt konkret quantifiziert werden. Dies kann besonders in der Kommunikation mit Eltern und LehrerInnen von Vorteil sein, da eine Rechenschwächetherapie nicht am Schulstoff ansetzt und somit besonders für Außenstehende schwer ersichtlich ist, ob und wenn ja, wieviel Lernfortschritt bereits erzielt wurde. Darüber hinaus ermöglicht die Durchführung eines standardisierten Testverfahrens einen Vergleich mit einer Normstichprobe. Dies ist besonders dann relevant, wenn bereits über längere Zeit eine Therapie erfolgte und nun abgeschätzt werden soll, ob bzw. wie weit das Kind zu seiner Altersgruppe aufgeschlossen hat. Somit können standardisierte Tests auch dabei helfen, über den weiteren Therapieverlauf bzw. die Therapiefortsetzung zu entscheiden. Ise und Schulte-Körne (2013) weisen zudem darauf hin, dass die Qualität der verfügbaren standardisierten Tests sich zunehmend verbessert, da nun neben den rein curricularen Rechenfertigkeiten viele Tests auch basale Fertigkeiten der Zahlenverarbeitung beinhalten. Dies konnte in unserem Überblick durchaus bestätigt werden, da die meisten der für die Förderung relevanten Kernkompetenzen in den Tests enthalten sind. Fazit Der vorliegende Überblick macht deutlich, dass – auch wenn Diagnostik und Förderung unterschiedliche Schwerpunkte setzen – große Überschneidungen in deren Inhalten bestehen. So hat in den vergangenen Jahren einerseits die Diagnostik davon profitiert, dass viele für die Förderung relevante Inhalte Eingang in die Testverfahren fanden. Ebenso wurde die Wirksamkeit theoriegestützter Förderansätze in erfolgreichen Evaluationsstudien nachgewiesen, so zum Beispiel für das Training MARKO-T (Ehlert & Fritz, 2016) und das Programm „Mengen, zählen, Zahlen“ (Ennemoser, Sinner & Krajewski, 2015). Die wachsende Auswahl an Test- und Fördermaterial bestätigt zudem insgesamt die zunehmende Anerkennung und Relevanz der Rechenschwäche, was sowohl auf der Forschungs- als auch auf der Praxisseite zu positiven Entwicklungen geführt hat. Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38


Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche

Implikationen für die Praxis Mit dieser Überblicksarbeit hoffen wir, Praktikern einen Einblick zu liefern, welche Tests möglicherweise zu welchem Zweck geeignet sein könnten und welche numerischen Kompetenzen mit diesen erfasst werden können. Zudem soll eine gleichzeitige Darstellung der Inhalte von gängigen Fördermanualen dazu dienen, auch bei der Auswahl der Förderung eine informierte Entscheidung treffen zu können. Wichtig ist es, darauf zu achten, dass

die Diagnostik im mathematischen Basisbereich ansetzt, damit festgestellt werden kann, wo ein Kind mit Rechenschwäche Schwierigkeiten hat. Nur dann kann an der Basis gearbeitet werden, bevor komplexere Inhalte behandelt werden. Durch eine Abstimmung von Diagnostik und Förderung kann gewährleistet werden, dass eine gute Förderplanung erfolgt, die wesentlich zum Therapieerfolg beiträgt.

Forschungsmethoden wie die Testergebnisse zu interpretieren sind. Des Weiteren soll ein Test das Kriterium der Reliabilität oder auch Messgenauigkeit erfüllen. Das heißt, er sollte zum Beispiel bei wiederholter Durchführung möglichst dieselben Ergebnisse bringen, also die getesteten Inhalte zuverlässig überprüfen. Als drittes Hauptgütekriterium gilt die Validität eines Tests, die beschreibt, ob der Test auch tatsächlich das misst, was er zu messen vorgibt. So sollte z. B. ein Mathematiktest die mathematischen Kenntnisse eines Kindes überprüfen und nicht seine Intelligenz.

Extended abstract

Literatur

Dyscalculia diagnosis and treatment: Are we ­measuring what we want to improve? The growing interest in mathematical learning difficulties or dyscalculia has led to a steady increase in available literature for both the diagnosis and remediation of children with mathematical learning difficulties. Through this increase, both the quality of diagnosis as well as remediation is improving. However, the development of standardized tests and remediation manuals often happens separately. While remediation programs are often developed based on practical considerations and didactic principles, tests are often constructed based on a theoretical background. This raises the interesting question of whether diagnostic tools reflect the actual remediation needs of children with mathematical learning difficulties, and whether standardized tests provide practitioners with valuable information for individualizing remediation. For this reason, we use this review article to compare a selection of established tests and remediation manuals. Our goal is to provide practitioners and researchers with the opportunity to evaluate both potential overlaps but also contradictions in both areas of publications.

Amelang, M. & Schmidt-Atzert, L. (2006). Psychologische Diagnos­ tik und Intervention. Berlin: Springer. Claus, H. & Peter, J. (2005). Finger, Bilder, Rechnen. Förderung des Zahlverständnisses im Zahlraum bis 10. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Dehaene, S. & Cohen, L. (1995). Towards an anatomical and functional model of number processing. Mathematical Cognition, 1(1), 83 – 120. Dehaene, S., Piazza, M., Pinel, P. & Cohen, L. (2003). Three parietal circuits for number processing. Cognitive Neuropsychology, 20(3), 487 – 506. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) (2014). ICD-10-GM 2014. Systematisches Verzeich­ nis: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 11. Revision-German Modification Version 2014 Koeln: Deutscher Aerzteverlag. Dietrich, J. F., Huber, S., Dackermann, T., Moeller, K. & Fischer, U. (2016). Place-value understanding in number line estimation predicts future arithmetic performance. British Journal of De­ velopmental Psychology. Advance online publication. DOI: 10.1111/bjdp.12146 Ehlert, A. & Fritz, A. (2016). “MARKO-T” – Ein mathematisches Förderprogramm evaluiert an Kindern mit dem Förderschwerpunkt Lernen. In M. Hasselhorn & W. Schneider (Hrsg.), Förderprogram­ me für Vor- und Grundschule (S. 29 – 48). Göttingen: Hogrefe. Ennemoser, M., Sinner, D. & Krajewski, K. (2015). Kurz- und langfristige Effekte einer entwicklungsorientierten Mathematikförderung bei Erstklässlern mit drohender Rechenschwäche. Ler­ nen und Lernstörungen, 4, 43 – 59.

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38 37

Fokus Forschung

Gütekriterien psychometrischer Tests: Standardisierte psychologische Tests sollen gewissen Gütekriterien erfüllen. Dabei gibt es drei Hauptgütekriterien, auf die besonders viel Wert gelegt wird (vgl. Amelang & SchmidtAtzert, 2006). Zum einen soll ein Test das Kriterium der Objektivität erfüllen, das heißt er sollte unabhängig davon, wer ihn durchführt, dieselben Ergebnisse bringen. Dafür bedarf es genauer Anleitungen für die Durchführung (wie der Testleiter sich verhalten sollte), die Auswertung (wie der Test ausgewertet werden muss), und auch


Fokus Forschung

Diagnostik und Förderung bei Rechenschwäche

Fritz, A. & Ricken, G. (2008). Rechenschwäche. München Basel: Ernst Reinhardt Verlag. Gaidoschik, M. (2007). Rechenschwäche vorbeugen. Wien: G&G Verlagsgesellschaft. Ganser, B., Schindler, M. & Schüler, S. (2014). Rechenschwäche überwinden, Band 1, 7. Auflage. Donauwörth: Auer Verlag. Gelman, R. & Gallistel, C. H. (1978). The Child's Understanding of Number. Cambridge, MA: Harvard University Press. Gerlach, M., Fritz, A. & Leutner, D. (2013). MARKO-T. Mathematikund Rechenkonzepte im Vor- und Grundschulalter – Training. Göttingen: Hogrefe. Gerlach, M., Fritz, A., Ricken, G. & Schmidt, S. (2007). Kalkulie: Dia­ gnose- und Trainingsprogramm für rechenschwache Kinder. Berlin: Cornelsen. Haffner, J., Baro, K., Parzer, P. & Resch, F. (2005). HRT 1 – 4. Heidel­ berger Rechentest. Erfassung mathematischer Basiskompeten­ zen im Grundschulalter. Göttingen: Hogrefe. Hasemann, K. & Gasteiger, H. (2014). Anfangsunterricht Mathema­ tik. Berlin Heidelberg: Springer Spektrum. Hasselhorn, M., Schneider, W. & Trautwein, U. (2014). Lernverlaufs­ diagnostik, Tests und Trends: Jahrbuch der pädagogisch-psy­ chologischen Diagnostik. Göttingen: Hogrefe. Hemminger, U., Roth, E., Schneck, S., Jans, T. & Warnke, A. (2000). Testdiagnostische Verfahren zur Überprüfung der Fertigkeiten im Lesen, Rechtschreiben und Rechnen. Eine kritische Übersicht. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psycho­ therapie, 28(3), 188 – 201. Herdemeier, C. (2012). Rechenschwache Kinder individuell fördern. Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr. Ise, E., Dolle, K., Pixner, S. & Schulte-Körne, G. (2012). Effektive Förderung rechenschwacher Kinder – Eine Metaanalyse. Kind­ heit und Entwicklung, 21(3), 181 – 192. Ise, E. & Schulte-Körne, G. (2013). Symptomatik, Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung. Zeitschrift für Kinder- und Ju­ gendpsychiatrie und Psychotherapie, 41(4), 271 – 281. Jacobs, C. & Petermann, F. (2006). RZD 2 – 6. Rechenfertigkeitenund Zahlenverarbeitungs-Diagnostikum für die 2. bis 6. Klasse. Göttingen: Hogrefe. Käser, T., Baschera, G., Kohn, J., Kucian, K., Richtmann, V., Grond, U. et al.. (2013). Design and evaluation of the computer-based training program Calcularis for enhancing numerical cognition. Frontiers in psychology, 4, 489. Kaufmann, L., Nuerk, H.-C., Graf, M., Krinzinger, H., Delazer, M. & Willmes, K. (2009). TEDI-MATH. Test zur Erfassung numerischrechnerischer Fertigkeiten vom Kindergarten bis zur 3. Klasse. Bern: Huber. Kaufmann, S. & Wessolowski, S. (2014). Rechenstörungen. Diagno­ se und Förderbausteine (4. Auflage). Seelze: Klett / Kallmeyer. Kopp-Duller, A. & Pailer-Duller, L. R. (2012). Dyskalkulie im Erwach­ senenalter. Klagenfurt: KLL-Verlag. Krajewski, K. (2008). Prävention von Rechenschwäche. In M. Hasselhorn & W. Schneider (Hrsg.), Handbuch der Pädagogischen Psychologie (S. 360 – 370). Göttingen: Hogrefe. Krajewski, K., Küspert, P., Schneider, W. & Visé, M. (2002). DEMAT 1+. Deutscher Mathematiktest für erste Klassen. Göttingen: Hogrefe. Krajewski, K., Nieding, G. & Schneider, W. (2007). Mengen, zählen, Zahlen: Die Welt der Mathematik verstehen (MZZ). Berlin: Cornelsen. Krajewski, K., Renner, A., Nieding, G. & Schneider, W. (2009). Frühe Förderung von mathematischen Kompetenzen im Vorschulalter. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 10, 91 – 103. Krajewski, K. & Schneider, W. (2009). Early development of quantity to number-word linkage as a precursor of mathematical school achievement and mathematical difficulties: Findings from a fouryear longitudinal study. Learning and Instruction, 19(6), 513 – 526. 38

Krauthausen, G. & Scherer, P. (2007). Einführung in die Mathema­ tikdidaktik (3. Überarb.). Heidelberg: Spektrum Verlag. Landerl, K., Fussenegger, B., Moll, K. & Willburger, E. (2009). Dyslexia and dyscalculia: Two learning disorders with different cognitive profiles. Journal of Experimental Child Psychology, 103(3), 309 – 324. Mann, A., Fischer, U. & Nuerk, H.-C. (2012). TEDI-MATH – Test zur Erfassung numerisch-rechnerischer Fertigkeiten vom Kindergarten bis zur 3. Klasse. In M. Hasselhorn, A. Heinze, W. Schneider & U. Trautwein (Hrsg.), Diagnostik mathematischer Kompetenzen, Tests und Trends: Jahrbuch der pädagogisch-psychologischen Diagnostik (S. 97 – 112). Göttingen: Hogrefe. Merdian, G. (2013a). Sicher unterwegs im Zahlenraum. Teil 1: Fördern im mathematischen Basisbereich. Bamberg: PaePsy Verlag. Merdian, G. (2013b). Sicher unterwegs im Zahlenraum. Teil 2: För­ dern im Zahlenraum bis 20. Bamberg: PaePsy Verlag. Merdian, G., Merdian, F. & Schardt, K. (2015). BADYS 1 – 4+ (R). Bamberger Dyskalkuliediagnostik. Bamberg: PaePsy Verlag. Moser Opitz, E. & Ramseier, E. (2012). Rechenschwach oder nicht rechenschwach? Eine kritische Auseinandersetzung mit Dia­ gnoseinstrumenten unter besonderer Berücksichtigung von älteren Schülerinnen und Schülern. Lernen und Lernstörungen, 1, 99 – 117. Nuerk, H.-C., Graf, M. & Willmes, K. (2006). Grundlagen der Zahlenverarbeitung und des Rechnens. Sprache· Stimme· Gehör, 30, 1 – 7. Nuerk, H.-C., Moeller, K. & Willmes, K. (2015). Multi-digit number processing – Overview, conceptual clarifications, and language influences. In R. Cohen Kadosh & A. Dowker (Eds.), Oxford Hand­ book of Mathematical Cognition (pp. 106 – 139). Oxford, UK: Oxford University Press. Ricken, G., Fritz-Stratmann, A. & Balzer, L. (2013). MARKO-D. Ma­ thematik- und Rechenkonzepte im Vorschulalter – Diagnose. Göttingen: Hogrefe. Schaupp, H., Holzer, N. & Lenart, F. (2007). ERT 1+. Eggenberger Rechentest 1+. Bern: Hans Huber. Schroeders, U. & Schneider, W. (2008). TeDDy-PC: Test zur Diagnose von Dyskalkulie. Göttingen: Hogrefe. Sullivan, J., Frank, M. C. & Barner, D. (2016). Intensive Math Training Does not Affect Approximate Number Acuity: Evidence From a Three-Year Longitudinal Curriculum Intervention. Journal of Numerical Cognition, 2(2), 57 – 76. van Luit, J. E. H., Rijt, B. A. M. van de & Hasemann, K. (2001). OTZ. Os­ nabrücker Test zur Zahlbegriffsentwicklung. Göttingen: Hogrefe. von Aster, M.. (2013). Wie kommen Zahlen in den Kopf und was kann sie daran hindern? Ein Modell der normalen und abweichenden Entwicklung zahlenverarbeitender Hirnfunktionen. In M. von Aster & J. H. Lorenz (Hrsg.), Rechenstörungen bei Kindern (S. 15 – 38). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG. von Aster, M. & Shalev, R. S. (2007). Number development and developmental dyscalculia. Developmental Medicine and Child Neurology, 49(11), 868 – 873. von Aster, M., Weinhold-Zulauf, M. & Horn, R. (2006). ZAREKI-R – Neuropsychologische Testbatterie für Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern. Frankfurt am Main: Harcourt. Dr. Ursula Fischer Lehrstuhl für Schulpädagogik Universität Regensburg Universitätsstraße 31 93053 Regensburg ursula.fischer@ur.de

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 25 – 38


Rezensionen

Marlies Lipka, Diplomlehrerin, M.A. Bildungsmanagement, Integrative Lerntherapeutin FiL über

Autogenes Training Ein alltagsnahes Übungsprogramm zum Erlernen der AT-Grundstufe

Günter Kramp

en

Autogenes Training Ein alltagsnahes Übungsprogramm zum Erlernen der AT-Grundstufe 3., überarbe

Günter Krampen (2012), 3. überarb. Ausgabe, Göttingen: Hogrefe, 12,95 €, ISBN 978-3-8017-2408-5, 50 Seiten. eBook: ISBN 978-3-8409-2408-8, 10,99 € Der Autor stellt auf 50 Seiten das Autogene Training gut strukturiert und verständlich vor. In fünf Kapiteln wird in das Training eingeführt: 1. Kurze Einführung in das Autogene Training 2. Die Körperhaltung beim Üben 3. Der Ablauf der Übungen und das Zurücknehmen 4. Die Formelsätzen der AT-Grundstufe 5. Wie geht es nach der Einführung weiter – Alltagstaugliche Anwendungen des Autogenen Trainings Der Leser kann die Übungen leicht nachvollziehen und so die Grundstufe des Autogenen Trainings Schritt für Schritt erlernen und üben. Kapitel 6 – 8 geben Informationen zur Erweiterung des Trainings, zu evtl. auftretenden Problemen beim Üben

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 39 DOI 10.1024/2235-0977/a000161

itete Auflage

sowie zu weiterführenden Literaturhinweisen. Ein Merkblatt auf der letzten Seite fasst noch einmal checklistenartig alle Übungsschritte kurz zusammen. Besonders zu Beginn kann dieses für das Training sehr hilfreich sein, bis der Trainingsablauf automatisiert ist. Das Autogene Training ist eine relativ einfach zu erlernende Methode zur Entspannung. Da der Zeitaufwand gering ist und das Training fast überall durchgeführt werden kann, ist es gut in den Tagesablauf einzubauen, um sich im Sinne der Selbstfürsorge regelmäßig und besonders in stressigen Situationen oder Zeiten bewusst Momente der Entspannung zu verschaffen. Ziel des Buches ist es, die Grundlagen des Autogenen Trainings zu erlernen und anzuwenden. Hinweise, wie die Methode im therapeutischen Rahmen eingesetzt werden kann, werden damit nicht gegeben. Möchte man das Training entsprechend verwenden, sollte unbedingt eine Fortbildung besucht werden.

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FAIR-2 Frankfurter Aufmerksamkeits-Inventar 2 2., überarbeitete, ergänzte und normenaktualisierte Auflage H. Moosbrugger / J. Oehlschlägel Das FAIR-2 ist die zweite Auflage eines vielfach bewährten Verfahrens zur Erfassung interindividueller Unterschiede in Aufmerksamkeitsleistung und Konzentrationsfähigkeit. Es eignet sich für Personen im Alter zwischen 9 und 85 Jahren und kann in allen Praxisbereichen der Psychologie sowie in der Pädagogik, Psychiatrie, Pädiatrie, Gerontologie, Sportwissenschaft u. a. eingesetzt werden. Das FAIR-2 ist ein Paper-Pencil-Test und erfordert die genaue und schnelle Diskrimination visuell ähnlicher Zeichen unter gleichzeitiger Ausblendung aufgabenirrelevanter Information. Es sind zwei parallele Testformen A und B enthalten.

Die aktualisierten Normen basieren auf Stichproben mit einem Gesamtumfang von N = 2993. Als zeitökonomische Alternative für die Auswertung ist ein Testauswerteprogramm verfügbar. Test komplett bestehend aus: Manual, 10 Testheften Form A, 10 Testheften Form B, 16 Auswerteschablonen und Box Bestellnummer 03 171 01 € 125,00/CHF 154.00 zusätzlich erhältlich: Testauswerteprogramm Bestellnummer 50 941 02 € 210,00 / CHF 271.00

FAKT-II Frankfurter Adaptiver Konzentrationsleistungs-Test II Grundlegend neu bearbeitete und neu normierte 2. Auflage des FAKT H. Moosbrugger / F. Goldhammer Der FAKT-II ist die grundlegend neu bearbeitete und neu normierte Realisierung eines seit 1997 bewährten computerbasierten Konzepts zur adaptiven Messung der individuellen Konzentrationsfähigkeit. Zur Bestimmung der Konzentrationsfähigkeit werden die Aspekte Konzentrations-Leistung, Konzentrations-Genauigkeit und Konzentrations-Homogenität erfasst. Die Auswertung des Tests erfolgt automatisch und wird entweder auf dem Bildschirm oder auf dem Drucker ausgegeben. Die Testergebnisse können für den wissenschaftlichen Einsatz expor-

www.hogrefe.com

tiert und mit Statistik-Programmen weiterverarbeitet werden. Die aktualisierten Normen basieren auf einer neuen Normierungsstichprobe von N = 859 Probanden beiderlei Geschlechts zwischen 16 und 55 Jahren. HTS 5* Testkit inkl. Manual und 50 Nutzungen Bestellnummer H5 149 01 € 580,00/CHF 748.00 * HTS 5 benötigt eine HTS 5-Edition oder eine entsprechende HTS 5-Jahreslizenz. Mehr Informationen zu HTS 5 erhalten Sie bei Ihrer Testzentrale.


Rezensionen

Almut Dietzfelbinger, Dipl. Kommunikationsdesignerin, Psychologische Beraterin (SGD) über

Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten von Kindern und Jugendlichen

Helmut Luke sch

(Hrsg.)

Handlungsmöglichkeiten für Lehrkräfte Helmut Lukesch (Hrsg.) (2016), Göttingen: Hogrefe, 39,90 €, ISBN 978-3-8017-2746-8, 440 Seiten. eBook: 35,90 €, ISBN 978-3-8409-2746-1 Die Anforderungen an Lehrpersonen sind vielfältig und sie verändern sich permanent. Offenbar sind LehrerInnen diesen Anforderungen immer weniger gewachsen. Aktuelle Zahlen besagen, dass ca. 30 Prozent der Beschäftigten im Bildungswesen an psychischen Problemen leiden, weil sie zu wenig darauf vorbereitet sind, dass Unterricht heute nicht nur bedeutet, braven Kindern das Lesen beizubringen.

Hilfe zur Selbsthilfe Was also sollen Lehrpersonen tun, wenn sie feststellen, dass sie den aktuellen Anforderungen nicht gewachsen sind? Den Beruf wechseln? Oder aber proaktiv dafür sorgen, dass der gewählte Beruf souverän ausgeführt werden kann! Ein Beitrag für Letzters könnte das Buch von Helmut Lukesch sein. Der 1946 in Linz geborene Psychologe ist nach seiner Professur für Pädagogische Psychologie und Medienpsychologie an der Universität Regensburg als Autor tätig. Gemeinsam mit 11 weiteren AutorInnen hat er das vorgestellte Buch herausgegeben.

Probleme von Kindern und Jugendlichen In 20 Kapiteln mit jeweils ca. 20 Seiten geben die AutorInnen einen Einblick in die Lebenswelt von verhaltensauff älligen Kindern und Jugendlichen. Folgende Themen werden dabei in gut verständlicher Sprache vorgestellt: y Lernschwierigkeiten, Lernstörungen, Lernbehinderungen (Helmut Lukesch) y Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche (Peggy Wagner) y Legasthenie (Benedikt Wisniewski) y Rechen- und Mengenschwäche (Ruth Lohr) Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 41 – 42 DOI 10.1024/2235-0977/a000162

y y y y y y y y y y y y y y

Auffälligke iten im Erleben un d Ve von Kindern rhalten und Jugendlich en Handlungsmö

glichkeiten

für Lehrkräft e

Aggressivität und Aggression (Helmut Lukesch) Delinquenz (Julia Weikamp) Mobbing unter Schülern (Helmut Lukesch) Sexueller Missbrauch (Peggy Wagner) Kindesmisshandlung und Vernachlässigung (Helmut Lukesch) Prüfungsangst (Benedikt Wisniewski) Schüchternheit (Julia Beblo) Suizid (Kathrin Emmerdinger) Essstörungen (Christina Bernhard) Adipositas (Christina Bernhard) Drogen und Alkohol (Christina Bernhard, Kathrin Emmerdinger, Stefanie Karl) Pathologische Internet- und Computernutzung (Antje Hornung) Unterrichtsstörungen (Stefanie Karl) Hochbegabung (Monika Schanderl)

Helmut Lukesch möchte mit diesem Buch „… ein Angebot (…) gestalten, das zum Lesen und Lernen verführt und das auf einer fachlich-wissenschaftlichen Grundlage einer Lehrkraft helfen soll, auftretende Probleme im Schulalltag fundiert anzugehen und auch zu lösen.“

Wie hilfreich ist die Lektüre? Das Buch bietet für alle genannten Themen einen sehr gut belegten, wissenschaftlich aktuellen Einblick – eingeteilt in jeweils kurze Unterkapitel. Die Literaturverzeichnisse zu den einzelnen Kapiteln sind recht umfangreich, was klar macht, dass Lehrkräfte weitere Bücher werden lesen müssen, wenn sie mit verhaltensauff älligen Kindern zurechtkommen wollen. Es werden zwar Interventionsmöglichkeiten aufgezeigt, dies aber eher übersichtsartig im Sinne einer „Linkliste“. Insofern ist dieses Buch ein guter erster Einstieg für alle, die verstanden haben, dass sie eine Beratungsauf41


Rezensionen gabe haben, die weit über das Lehren und Lernen hinausgeht. Besonders erwähnt werden soll hier das Kapitel „Beratungsgespräche mit Eltern“, da die Bemühungen von Lehrpersonen durch Eltern unterstützt oder zunichte gemacht werden können. Helmut Lukesch zeigt auf, was Lehrpersonen tun können, damit Gespräche mit Eltern konstruktiv verlaufen. In diesem Kapitel wird besonders deutlich, dass LehrerInnen sich in weiteren Gebieten professionalisieren müssen, wenn sie auch ihrer Rolle als BeraterInnen und LernbegleiterInnen gerecht werden wollen.

Resümee Die Vor- und Nachteile dieses Buches noch einmal im Überblick: yy Guter, verständlicher Einstieg für Lehrpersonen, die mit schwierigen Kindern zu tun haben yy Aktueller wissenschaftlicher Stand der beschriebenen Problemfelder yy Kurz gefasste Kapitel mit umfassendem Literaturver-

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yy yy yy yy yy

zeichnis und Hinweisen zu weiterführender Literatur / Materialien Sehr breites Spektrum an beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten Neutrale Sicht der Autorinnen Keine eigenen Thesen, keine eigenen Ideen, wie LehrerInnen Schwierigkeiten mit Kindern angehen könnten Handlungsmöglichkeiten werden wenig ausführlich beschrieben, weiterführende Literatur ist notwendig Ein Methodenkoffer wird geöffnet. Welche Haltung der Lehrkräfte aber ist nötig, um mit diesen Methoden produktiv arbeiten zu können? Dieser Aspekt wird in dem Buch nicht beleuchtet.

Dieses Buch ist ebenfalls LerntherapeutInnen zu empfehlen, da sie wie Lehrkräfte mit Kindern oder Jugendlichen und deren Schwierigkeiten zu tun haben. Auch wenn LerntherapeutInnen die Kapitel „Legasthenie“, „Rechen- und Mengenschwäche“, „Lernschwierigkeiten …“ überspringen möchten, finden sie dort evtl. aktuelle wissenschaft­ liche Belege und Literaturempfehlungen.

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 41 – 42


Wissen – kurz notiert

Wissen – kurz notiert

Mehr Mut zur Qualität auch in den Wissenschaften Liane Kaufmann

D

er Autor dieses in der Fachzeitschrift Nature publizierten Beitrags ist Generaldirektor des Irischen Wissenschaftsfonds und wissenschaftlicher Chefberater der irischen Regierung. Umso gewichtiger ist seine sorgfältig begründete Kritik am herrschenden Wissenschaftssystem, in dem Wissenschafter (und deren Arbeiten) primär aufgrund quantitativer Merkmale gemessen werden. Dazu zählen die in Wissenschaftskreisen allseits bekannten konventionellen Maßstäbe wie beispielsweise die Anzahl an anonym begutachteten Publikationen, die Qualität der Fachzeitschriften (meist reflektiert im so genannten Impact Factor bzw. IF), der h-Index eines Wissenschafters (eine vom IF abweichende Art der quantitativen Gewichtung des wissenschaftlichen Outputs) etc. Gemäß Ferguson (2016) birgt die Fokussierung auf diesen bibliometrischen Bewertungen die Gefahr der Verarmung der wahren Werte der Wissenschaften, da wichtige qualitative Aspekte nicht in diesen Bewertungssystemen berücksichtigt werden. Werden Bewerber für eine wissenschaftliche Stelle beispielsweise nicht nach der Anzahl ihrer Publikationen gefragt, sondern aufgefordert, die drei wichtigsten Publikationen vorzulegen (gemeinsam mit ihrer Einschätzung, warum

diese so relevant seien), so werden nicht selten auch solche Publikationen aufgezählt, die in wenig prestigeträchtigen (open access) Zeitschriften veröffentlicht wurden. Nach den Gründen für diese Auswahl befragt, nannten Bewerber dann beispielsweise eine breite Öffentlichkeitswirksamkeit dieser Arbeiten, die sich unter anderem auch in der Verbreitung (klinisch wichtiger) anwendungsbezogener Themen oder Methoden äußern kann. „What you measure is what you get“ (p. 455): Diese Aussage impliziert auch, dass der Fokus einer soliden Forschung (und Forschungsförderung) mehr auf den qualitativen Merkmalen wissenschaftlicher Arbeit (z. B. wie relevant und zuverlässig sind diese Ergebnisse für die klinisch-therapeutische Praxis) und weniger auf den bibliometrischen Spielarten (z. B. wie hoch ist der IF der Fachzeitschrift, in der die Arbeit veröffentlicht werden soll) liegen sollte.

Literatur Ferguson, M. W. J. (2016). Treat metrics only as surrogates. Nature, 538, 453 – 455.

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 43 43 DOI 10.1024/2235-0977/a000163


Wissen – kurz notiert

Subtypen von Rechenschwäche: Ergebnisse einer Meta-Analyse und Implikationen für die Interven­ tionsplanung Liane Kaufmann und Michael von Aster

W

enn Kinder bedeutsame und lang anhaltende Schwierigkeiten beim Zählen- und Rechnen­ lernen haben, ist die Diagnose einer Rechenschwäche bzw. Rechenstörung gerechtfertigt (auch Dyskalkulie genannt). Obwohl es inzwischen eine Fülle an wissenschaftlichen Studien gibt, die sich der Diagnostik und der Förderung von Rechenschwächen widmen, bleibt eine empirisch fundierte (und die zahlreichen Einzelbefunde zu einem Gesamtbild integrierende) Charakterisierung der Rechenschwäche nach wie vor ein erstrebens­wertes Ziel für Praxis und Forschung. Der vorliegende Beitrag (Szúcs, 2016) bringt uns diesem Ziel vielleicht ein Stück näher. In einer Meta-Analyse fasst der Autor 36 bereits publizierte Studien (mit insgesamt 665 Kindern mit sowie 1049 Kindern ohne Diagnose einer Rechenschwäche) zusammen und untersucht deren Ergebnisse post-hoc in Bezug auf mögliche Subtypen der Rechenschwäche. Die Ergebnisse zeigen (wenig überraschend), dass es verschiedene Subtypen gibt (siehe auch Kaufmann & von Aster, 2012). Neu an diesen Befunden ist, dass Kinder mit Rechenschwäche nicht nur domänen-spezifische (d. h. numerische) und domänen-unspezifische Schwierigkeiten (das sind nicht-numerische wie z. B. Schwächen im Lesen oder Arbeitsgedächtnis) haben können, sondern dass diese Kinder auch in Bezug auf die kognitive Verarbeitungsmodalität besonders ausgeprägte Schwierigkeiten haben können. Mit

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Verarbeitungsmodalität ist die Art der Informationsverarbeitung gemeint, nämlich verbal (sprachlich) oder nonverbal bzw. visuell-räumlich. Diese Ergebnisse haben weitreichende Implikationen für die Interventionsplanung und unterstreichen einmal mehr die Relevanz einer individuellen Diagnostik (zur Erstellung von Leistungsprofilen) und einer maßgeschneiderten Förder- bzw. Interventionsplanung, bei der auch die individuell bevorzugten Informationsverarbeitungskanäle (verbal versus non-verbal) berücksichtigt werden sollten (siehe auch Kaufmann et al., 2013).

Literatur Szúcs, D. (2016). Subtypes and comorbidity in mathematical learning disabilities: Multidimensional study of verbal and visual memory processes is key to understanding. Progress in Brain Research, 277, 277 – 304.

Zusatzliteratur Kaufmann, L., Mazzocco, M., Dowker, A., von Aster, M., Göbel, S. M., Grabner, R. H., Henik, A., Jordan, N. C., Karmiloff-Smith, A., Kucian, K., Rubinsten, O., Szucs, D., Shalev R., & Nuerk, H.-C. (2013). Dyscalculia from a developmental and differential perspective. Frontiers in Developmental Psychology, 4: 516. DOI: 10.3389/fpsyg.2013.00516 Kaufmann, L., & von Aster, M. (2012). Diagnostik und Intervention der Rechenstörung. Deutsches Ärzteblatt, 109(45), 767 – 778. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0767

Lernen und Lernstörungen 2017; 6 (1): 44 DOI 10.1024/2235-0977/a000164


Theorie und Praxis der Systemtheorie

Norbert Bischof

Struktur und Bedeutung Einführung in die Systemtheorie 3., vollständig überarb. u. erweiterte Aufl. 2016. 664 S., 402 Abb., 12 Tab., Gb € 49,95 / CHF 65.00 ISBN 978-3-456-85225-6

Seit Langem ist es ein Anliegen der Psychologie, ihre Aussagen zu formalisieren. Gesucht wird eine Mathematik, die nicht, wie die Statistik, in erster Linie Daten aufbereiten hilft, sondern als echtes Medium der Theoriebildung taugt. In dieser Hinsicht kann bislang die Systemtheorie die beste Erfolgsbilanz aufweisen. An die aber trauen sich die wenigsten Psychologen heran. Das vorliegende Lehrbuch setzt sich zur Aufgabe, ihnen Mut zu machen. Es ist didaktisch konzipiert und bevorzugt Anschaulichkeit vor formaler Abstraktion; es verwendet nach Möglichkeit nicht technische, sondern psychologische und biologische Beispiele; es setzt nur Abiturmathematik voraus, führt aber auch an anspruchsvollere Problemstellungen heran. Vor allem aber möchte das Lehrbuch nicht nur ein passives Verständnis der Systemtheorie, sondern die Kompetenz vermitteln, das erlernte Handwerkszeug auch aktiv zur

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Lösung anstehender Forschungsprobleme einzusetzen und überhaupt im neuen Medium kreativ zu denken. Für die dritte Auflage wurden alle Kapitel überarbeitet. Neu hinzugekommen sind unter anderem • eine Diskussion der Gründe, warum die kybernetische Herangehensweise für die wissenschaftliche Psychologie interessant, wenn nicht sogar unverzichtbar ist • die Bereinigung modischer Missverständnisse, die sich mit den Begriffen Systemtheorie und Kybernetik verbinden • eine vergleichende Gegenüberstellung von Kybernetik und Synergetik • eine ausführliche Darstellung des Zürcher Modells der sozialen Motivation. Applikationen mit begleitendem Demonstrations- und Übungsmaterial sind im Internet abrufbar.


Das DSM® aus Sicht der ICD Horst Dilling / Klaus Reinhardt

Überleitungstabellen ICD-10/DSM-5® Ein Praxishandbuch 2016. 120 S., Kt € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85559-2 Auch als eBook erhältlich

Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM®) der American Psychiatric Association ist ein weltweit etabliertes Klassifikationssystem für psychische Störungen. Die neue, 2014 auf Deutsch erschienene Ausgabe DSM-5® bietet auch deutschsprachigen Benutzer tiefergehende Anregungen zu einer differenzierten und prozeduralen Diagnostik psychischer Störungen. Jedoch wird die Benutzung des DSM-5® für den mit der ICD-10 Vertrauten dadurch erschwert, dass zwar viele einzelne Diagnosen, nicht jedoch Struktur und Reihenfolge der beiden Klassifikationssysteme übereinstimmen. Zudem verwendet DSM5® als Diagnoseziffern diejenigen der amerikanischen Modifikation ICD-10-CM, die vielfach von der in den deutschsprachigen Ländern zur Diagnosenverschlüsselung und Abrechnung gebrauchten ICD-10-GM (German Modification) abweicht.

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Die Tabellen in diesem Buch erschließen die neue DSM-5®-Klassifikation aus der Sicht der vertrauten ICD-10 und erhöhen damit wesentlich die Benutzbarkeit des DSM-5® für deutschsprachige Leser.


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