ANGST – ein beklemmendes Gefühl, welches den Brustkorb zusammenschnürt, den kalten Schweiß von den Schläfen tropfen lässt und uns nicht zuletzt dazu bringt, die Flucht zu ergreifen. ENGE – die Übersetzung des lateinischen Wortes ANGUSTIAE, welches die Herkunft des Wortes Angst darstellt, versinnbildlicht die Beziehung der Angst zum Räumlichen. Augenscheinlich stellt sich diese Verknüpfung dar: wir kennen die Angst vor Höhe, vor zu großen oder zu kleinen, überfüllten oder leeren Räumen; die Angst vor Dunkelheit, in Kellern, auf Dachböden und Friedhöfen. Jeder Raum kann gewissermaßen zur Projektionsfläche von Ängsten werden, da wir diese permanent in uns tragen. Die Angst schützt vor Gefahren, zeigt wenn nötig Grenzen auf; sie hemmt oder mobilisiert womöglich letzte Kräfte. Architektur nimmt im räumlichen Bezug der Angst eine dialektische Stellung ein. Während sie einerseits ebenjene furchteinflößenden Räume generiert, bietet sie im gleichen Moment den nötigen Schutz vor ihnen. 1
Die sechste Ausgabe von HORIZONTE, Angst , zeigt hierbei eine Auswahl an Texten, welche unterschiedliche Beziehungen aufzeigen, die Angst und Raum zu einander einnehmen können. Dazu widmen wir uns zunächst den singulären Orten, die das Potential der Verängstigung in sich tragen, wie die von CHARLOTTE BARTHES beschriebenen Friedhöfe, oder eine Miene tief im Berg, die im Fokus des Gesprächs mit dem schwedischen Duo von VISIONDIVISION steht. Wie sich Architekten diese Angsterfahrung in der Geschichte auch in der Produktion von Räumen zu Nutze gemacht haben, zeigen zunächst GUILLEM CARABÍ und MÒNICA M. BOIX in ihrem Text Repetition As A Strategy. Aufbauend auf Freuds These der Wiederholung als angsteinflößende Methode übertragen sie diese auf drei Architekturen: das Labyrinth des Daidalos, des Collegio von Piranesi und die Werke Gaudís und Jujols. Die Generierung von Angst durch räumliche Konstruktionen findet sich paradoxerweise auch in aktuellen Beispielen der Sicherheitsarchitektur. SUSANNE JANY verdeutlicht anhand des London Heathrow Airport, dass die Verbesserung von Sicherheit ein zweischneidiges Schwert ist; dass die Erhöhung der Sicherheit zwar beabsichtigt, Angst zu mildern, diese aber zugleich in neuer Form wieder hervorbringt. CHARLOTTE SAMTLEBEN verdeutlicht indessen, dass Angst durch politisches Handeln verursacht wird. Sie untersucht, wie die israelische Politik den arabischen Bewohnern Jerusalems das Errichten eines eigenen Hauses nahezu unmöglich macht und verdeutlicht damit die Angst, von einem auf den anderen Tag das eigene Heim zu verlieren. Thematisch schließt sich daran die Typologie „gebauter Macht“ an, die MICHAEL HIRSCHBICHLER in Theatrum Orbis Terrarum zeigt. Das Phänomen Angst als kollektive Erscheinung, bleibt ihrerseits natürlich nicht ohne Auswirkung und so verarbeitet eine Gesellschaft – unter anderem charakterisiert durch den massenmedialen Umgang mit der Thematik – ihre Paranoia, ihre Angst- und Feindbilder. Diese Praxis beschreiben gleich drei Autoren in ihren Essays. Während sich NICOLAS OXEN und TIM PEETERS jeweils der durch filmische und narrative Mittel erzeugten Angst widmen, beispielsweise in den Horror-Filmen wie Psycho oder The Shining, sieht MARC BONNER einen direkten Zusammenhang zwischen den szenographischen Erzählungen im Film, der realen, gebauten Umwelt und ihrer komplexen Verbindung im Gamedesign des Computerspiels. Neben der Einflussnahme der 2
EDITORIAL
Angst — an oppressive feeling that ties up the chest, sends chills down the spine and last but not least causes us to stampede recklessly. Narrowness - i.e. the translation of the Latin term angustiae, from which angst is derived, typifies the relation between angst, or fear and space. Hence, the following conjunction becomes apparent: we are familiar with the fear of either too consticted or tight or spacious of chambers – expressed as either claustro- or agoraphobia; the fear of pitch black darkness, of cellars, attics and cemeteries. To this effect, virtually any space might become the projection screen of permanently internalized fears. Nevertheless, the feeling of angst can empower by activating one in a particular time and space; it has the potential of unleashing otherwise dormant feelings, such as adrenaline, when necessary. Architecture in this case takes a dialectical position; whilst having the capability of engendering fear, it can, conversely, pacify fear emanating in and from space. The sixth issue of HORIZONTE, Angst contains a range of contributions that illustrate the diverse relationships between fear and space. In this regard, we commit ourselves to several spaces that bear a certain disquieting potential within themselves, like the cemeteries described by Charlotte Barthes, or a mine deep below ground, which is the subject of our interview with Visiondivision from Sweden. In Repetition As A Strategy, Guillem Carabí and Mònica M. Boix discuss the way architects have utilised experiences of angst for the production of space. Here, Freud’s thesis of repetition as an angst-inducing method is translated into the following examples of architecture: the labyrinth of Daidalos, Piranesi’s Collegio and the works of Gaudí and Jujol. Paradoxically, the manufacture of angst through spatial aggregate/ ensamble is engendered by the contemporary spectacle of "security" architecture. Through the lens of London’s Heathrow Airport, Susanne Jany elicits perpetual securitisation in architecture as a double-edged sword; although its ostensible intention is to ward off angst, it actually reinforces it and permeates feelings of angst as a consequence. Charlotte Samtleben on the other hand focuses on the topic of politically-induced angst. Her investigation explores Israeli policy, namely, its refusal to allow Arab inhabitants to construct homes in Jerusalem, thereby illustrating the persistent threat of losing one's dwelling. Subsequently, Michael Hirschbichler’s Theatrum Orbis Terrarum continues with a typological analysis of “built power”. The phenomenon of angst as a collective experience will obviously remain a part of a society which is psychologically saturated with angst, fear of the enemy and tendencies towards paranoia – not at 3
gebauten Architektur auf Unterhaltungsmedien wirken sich die Ängste der Film- und Computerwirklichkeit über den Status einer Eigendynamik hinaus auch auf die physisch existente Welt aus. Beispielhaft manifestiert sich diese Rückkopplung in ROBERTO COSTAS Essay The Cinematic Shelter, wenn architektonische Vorlagen aus Filmen bewusst in real gebauter Architektur eingesetzt werden, um konkrete Sicherheits- und Kontrollansprüche bei den Benutzern zu befriedigen. Auch das Projekt des mexikanischen Architekten ISRAEL LOPEZ BALAN, zeigt mit einfachsten Mitteln die fließenden Grenzen zwischen dem Realen und der Illusion; jenem Raum, in dem sich unsere Ängste konstruieren. Die Ängste der Menschen können auch als Mittel zum Erfolg gebraucht werden. Im Gespräch mit GERD DE BRUYN kommen wir auf den Architekten als Heroen, als angstfreien Menschen, zu sprechen und SCOTT SØRLI analysiert in seinem Essay die Wirkung von menschlichen Wänden, das heißt, den Anwendungen und Einflüssen von Polizeikesseln auf die Eingeschlossenen und die urbanen Schauplätze eines solchen polizeilichen Eingriffs. Eine andere Art der Konfrontation mit Angst findet sich in GORDON SELBACH & THE HAMLET‘S Projekt eines Wohnhauses, in dem die einzelnen Familienmitglieder durch Architektur dazu angeregt werden, ihren Umgang mit Intimität und innerfamiliären Disputen neu zu betrachten. Wem dieser Überblick Angst macht, der sei beruhigt. Eine Auseinandersetzung mit unseren Ängsten ist ein Schritt um uns und unser Handeln zu verstehen. Dies gilt ebenso für die Architektur als dialektische Disziplin; als Verursacher und Instrument zur Entfaltung von – und Schutz vor – Angst . HORIZONTE – Zeitschrift für Architekturdiskurs lehrt mit der sechsten Ausgabe das Fürchten, denn wie Søren Kirkegaard in Der Begriff Angst sagte:
„ … [jeder Mensch] muss das Fürchten lernen, um nicht in Verderben zu geraten, entweder weil er niemals in Angst gewesen ist oder weil er in Angst versinkt; wer sich richtig zu fürchten gelernt hat, der hat deshalb das Höchste gelernt.“ 4
EDITORIAL
all eased by the generally provocative inclination of mass-media on the subject matter. This circumstance is characterised by no less than three authors in their essays. Nicolas Oxen and Tim Peeters dedicate their research on conematic and narrative means of creation of angst. Marc Bonner, on the other hand, traces a connection between stenographical narratives in movies, the built environment and its complex synthesis in computer game design. Beyond the influence of built architecture, these essays explore the anxieties arising from cinematic and virtual reality on every life and the physical world. These too have the potential of expounding the momentum of fear, reaching far beyond their own medium. This feedback effect is especially exemplified in Roberto Costa‘s essay The Cinematic Shelter, in which architectural templates from movies become reality in built architecture on purpose, in order to meet certain demands of safety and control of its users. The project of the Mexican architect Israel Lopez Balan demonstrates the fluid boundaries between reality and illusion; spaces in which anxieties are actively constructed. Nevertheless, it may be argued that multifarious fears of the people may also be exploited as a means to success. In a conversation with Gerd de Bruyn we address the theme of the architect as a brave hero. Scott Sørli analyses the effect of human walls, i.e. the effects of police kettling on the confined individual in an urban setting in his essay. Gordon Selbach & The Hamlet‘s project of a private residential building offers a different approach to the topic, wherein his architecture, as a physical manifestation of interpersonal relationships, provokes the family members to reconsider their intimate habits, long-held disputes or attitudes. Those who are frightened by this overview ought to remain worried. Nonetheless, an understanding of our fears is a fundamental step in interpreting our actions. This is valid not only to architecture as a dialectical discipline but also in its propensity to instigate fears. The sixth issue of HORIZONTE – Journal for Architectural Discourse teaches us fear, or with the words of Søren Kirkegaard from The Concept of Anxiety:
"[…] this is an adventure that every human being must go through – to learn to be anxious in order that he may not perish either by never having been in anxiety or by succumbing to anxiety. Whoever has learned to be anxious in the right way has learned the ultimate." 5
02
EDITORIAL
09
THE INEXORABLE FINITUDE OF HUMAN LIFE (Architecture of) Essay von Charlotte Malterre-Barthes
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ARCHITEKTUR UND HEROISMUS Ein Beruf, der das Fürchten lehrt? Interview mit Gerd de Bruyn
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REPETITION AS A STRATEGY: Building the Angst Essay von Guillem Carabí & Mònica M. Boix
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THEATRUM ORBIS TERRARUM Architekturen der Überredung und Einschüchterung Projekt von Michael Hirschbichler
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THE MOUNTAIN THAT EATS MEN A Shrine for Tio Interview mit Visiondivision
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HAUNTED HOUSES Amerikas Architekturen der Angst in Literatur und Horror-Film Essay von Nicolas Oxen
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ED GEIN’S HOUSE How horror movies turn the ordinary terrifying, but the real still remains far scarier Essay von Tim Peeters
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I DID HEAR YOU SCREAM Fotoserie von Ina Niehoff & Katrin Steiger
6
INHALT
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PERVERTED INTIMACY The Family Hamlet Projekt von Gordon Selbach & The Hamlet
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DIE VISUALISIERUNG VON ANGST UND ALPTRAUM IN COMPUTERSPIELEN DURCH DIE FORMENSPRACHE REAL ERBAUTER ARCHITEKTUREN Essay von Marc Bonner
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A MONUMENT TO FEAR Projekt von Israel Lopez Balan
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THE ‘CINEMATIC’ SHELTER Essay von Roberto Costa
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VOTRAGSREIHE horizonte 2012 Fotoserie von Das Schmott
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JERUSALEM Heilige Stadt Essay von Charlotte Samtleben
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WENN SICHERHEIT BEDROHLICH WIRD Zum Flughafen als Gefahrenraum Essay von Susanne Jany
171
MASS PROTEST AND MASS ORNAMENT Essay von Scott Sørli
186
BUCHREZENSIONEN
191
FURTHER READING
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IMPRESSUM
7
8
MALTERRE-BARTHES
THE
OF
FINITUDE
LIFE
inexorable human (ARCHITECTURE OF) Charlotte Malterre-Barthes
“When from a long-distant past nothing subsists, after the people are dead, after the things are broken and scattered, still, alone, more fragile, but with more vitality, more unsubstantial, more persistent, more faithful, the smell and taste of things remain poised a long time, like souls, ready to remind us, waiting and hoping for their moment, amid the ruins of all the rest; and bear unfaltering, in the tiny and almost impalpable drop of their essence, the vast structure of recollection.” Marcel Proust, Vol I: Swann’s Way, New York, The Modern Library, 1992, original published 1913
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« Si on allait au cimetière / voir mon nom gravé sur la pierre / saluer les morts FACE À LA MER / Ivres de vie dans la lumiére Dans la chaleur, le silence / à l’heure ou les cyprès se balancent / Les morts reposent au cimetière / Sous le sable, FACE À LA MER »
Les Negresses vertes, Face à la mer, Famille Nombreuse, 1991
10
MALTERRE-BARTHES
When I was a child in the South of France, I use to spend whole weekend afternoons in our village’ cemetery. It was like a quiet city, I thought. I had a favorite tomb that I would always visit first, a 3-year-old victim of the 1918 Spanish Influenza. The little girl was looking at me from a faded enameled photograph, a white bow in her hair. Her grave was a metal-framed childbed with a cross. I was fascinated. It was as visiting people I knew, like an invisible friendship. I loved the massive family graves that I assumed were houses. Doors, windows, name shields, even knocking hands, as if one would be able to knock and get invited in. Steps, stone beds and metal curtains, ornaments, flowers under globes: a revealed universe parallel to my own. But real, tangible, huge, intricate, populated, dense like a city, a city of death.
1 — Philippe Ariès, The Hour of Our Death, Oxford Univ. Press, New York, 1981 2 — Id. “In 1231, the Church Council of Rouen forbade dancing in cemeteries or churches under pain of excommunication”.
3 — Michel Foucault, Of Other Spaces: Utopias and Heterotopias, Diacritics, 1986
Cemeteries and graves are a prevalent research topic and much has been written about death and its social rituals. Scholars have been researching anthropological, social, legal, economical and political aspects of human finality. Philippe Ariès, specialist of death, focused on the history of attitudes and cultural responses to death and dying. While he claims that medieval Christian Europe had has death tamed, apprivoisée, as a simple switch from life to paradise, he argues that modern relations towards death evolved in excluding death from our ordinary existence. Due to growing individualism, communal and spiritual responses towards death have been erased and modern death has become ‘invisible’.1 This is not only a social trend related to the ‘act’ of dying, but also to the spatial presence of death, the storage of remains and their representation. The late XVIIth century marks the spatial move of cemeteries towards the outside of urban centers, revealing a change in function, graveyards are no more spaces of social interaction.2 As urban growth encompassed cemeteries in ever-growing urban centers, new remote sites were chosen in vain attempts to leave the city behind. But while the displacement of graveyards translated the urge to keep death at distance, and to have the living separated from the dead, honoring the sepulchers was still required. Foucault in Of other Spaces points at the precise relation between the city and its dead: It is a space that is however connected with all the sites of the city, state or society or village, etc., since each individual, each family has relatives in the CEMETERY.3 11
fig. 1 — Saint Nazaire d Aude cemetary sepulture Lafare Embry
fig. 2 — Saint Nazaire d Aude cemetary sepulture Azema
fig. 3 — Saint Nazaire d'Aude cemetary sepulture Bonnarel
fig. 4 — Saint Nazaire d Aude cemetary sepulture Pech Dalci
fig. 5 — Saint Nazaire d'Aude cemetary sepulture benet
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MALTERRE-BARTHES
ARCHITEK TUR
&
Heroismus
Interview mit Gerd de Bruyn
ODER:
EIN BERUF DER DAS FÜRCHTEN LEHRT? 15
Im Rahmen der zurückliegenden Vortragsreihe horizonte ANGST sprach Gerd de Bruyn zum Thema: Bauen suggeriert Sicherheit — Architektur macht ANGST. Er konstatierte darin einen paranoiden Zustand in der Architektur: Einerseits herrsche der Wunsch nach Auslagerung von Gewalt, andererseits die Sehnsucht eine ANGST-Lust zu befriedigen. Im Gegenzug besuchten wir Gerd de Bruyn am IGMA der Universität Stuttgart, dessen Leiter er seit 2001 ist, und fragten noch einmal genauer nach wie Architektur und Angst zueinander positioniert sind und wie es angesichts dessen um die Profession selbst bestellt ist.
HORIZONTE: Søren Kirkegaard stellte in seinem Werk über die Angst fest, dass wenn man das Fürchten gelernt hat, zugleich das Höchste gelernt hat.1 Das heißt, dass man sich seinen Ängsten stellen sollte, um zu etwas Höherem zu gelangen. Gilt dies auch für Architekten?
Gerd de Bruyn: Wenn ihr so weit ausholt und mit Kirkegaard kommt, greife ich noch weiter zurück und komme mit Homer. Kürzlich habe ich auf CD die Ilias gehört, in der Neuübersetzung von Raoul Schrott. 16
Dabei wurde mir klar: verstehen wir Homer und die griechische Antike als Ursprung der europäischen Zivilisation, dann steht an deren Beginn die Idee des Heroismus. Die Ilias ist ja keine Geschichte über Soldaten, die zu zigtausenden auf den Schlachtfeldern verbluten, sondern eine Geschichte der Heroen. Auch im Kampf um Troja lassen viele Menschen ihr Leben, aber sie haben alle einen Namen und Homer konnte sie alle beim Namen nennen. DE BRUYN
Und nicht genug damit, nennt er uns auch ihre Eltern und Großeltern. Heroen sind Individuen mit einer genealogia, einem Stammbaum. Ihr Schicksal besteht darin, auf dem Schlachtfeld ruhmvoll zu bestehen oder getötet zu werden, damit ein Sänger von ihren Taten erzählt und die Erinnerung an sie lebendig hält. Die Erinnerung an Menschen, die scheinbar keine Angst haben. Wenn wir von Homer einen Bogen zum Architekten schlagen, würde ich in einer ersten, nicht ganz ernst gemeinten, Annäherung sagen: in unserer Zeit ist der Architekt immerhin ein negativer Held. Meiner Beobachtung nach tauchen Architekten seit gut zehn Jahren in Film und Fernsehen nur noch als Bösewichte auf. Man weiß immer gleich, dass sie „Dreck am Stecken“ haben.
Abb. 1
H: Sind Architekten gescheiterte Existenzen?
Die Drehbuchautoren haben offenbar mitbekommen, dass es nicht mehr einfach ist, als Architekt zu überleben. Dass es ein Fluch ist, große Bauvorhaben zu verantworten, mit einem zu kleinen Budget. Schon mein Lehrer an der Städelschule, Günter Bock, schärfte uns ein: „Als Architekt steht man immer mit einem Bein im Gefängnis.“ Und wenn wir mehr darüber wissen wollten, erzählte er, dass er nachts auf seine eigenen Baustellen geschlichen ist, um heimlich GD B
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Dinge zu verändern, die ihm nicht gefallen haben. Auf diese Weise riss er ganze Wände ein oder mauerte neue auf. Wenn man der Selbstmythologisierung des Architekten Glauben schenken will, dann ist da schon eine Tendenz zum Heroismus festzustellen. Zumal ja jeder Architekt und selbstverständlich auch jede Architektin so tun muss, als habe sie keine Angst. Davor zum Beispiel, dass ein Gebäude, das man entworfen hat, einstürzt. Man muss schon ein dickes Fell haben, wenn man das Risiko auf sich nehmen will, dass Menschen durch die eigene Arbeit zu Schaden kommen könnten. Dazu ist nicht jeder und schon gar nicht jeder Berufsstand in der Lage. H: In ihrem Buch „Domesticity at War“ 2 schreibt Beatriz Colomina, dass gute Architektur nur dann entsteht, wenn sich Architekten viel trauen und uns mit ihren Werken provozieren. Wieso müssen Architekten dieses Risiko auf sich nehmen?
Weil ein so hoher ökonomischer Druck auf der Architektur lastet. Das hat schon Boullée beklagt im Zusammenhang mit der Frage, weshalb die Architektur nicht Schritt halten kann mit den zeitgenössischen Künsten. Damals, im ausgehenden 18. Jahrhundert, im Dunstkreis der Französischen Revolution, beobachtete er, dass die Literatur, die Malerei und die Musik in Siebenmeilenstiefel der Moderne entgegen stürmen, während die Architektur weit dahinter zurückblieb. Er führte diesen Umstand darauf zurück, dass beim Bauen zu viel Geld im Spiel ist und sich die Architekten darum nicht wagen, etwas Neues zu machen. GD B
Repetition as a Strategy:
Guillem CarabĂ
&
BUILDING THE ANGST Mònica M. Boix
In his essay DAS UNHEIMLICHE (The Uncanny), published in 1 9 1 9, Freud identified, depending on the combination of certain circumstances, the repetition of the same thing as the prime factor that arouses an uncanny feeling; this feeling is essentially manifested by the absence of a visual reference. It is a sensation which, translated in terms of spatial positioning, involves the disorientation of the person who travels through that space with a systematic REPETITION of his or her own movements and involuntarily returning to the same starting point. 24
CARABI & BOIX
We can recognise this as repetition and return, according to Freud, in situations such as the loss of a sense of direction when we find ourselves in a landscape filled with fog that homogenises and renders any possible visual reference identical; or when we stumble through a dark, unfamiliar room only to trip over the same piece of furniture numerous times. A second manifestation of this reiterative characteristic – always in the realm of the uncanny – is the one triggered randomly by involuntary repetitions, such as recognising the same number on a car number plate, a hotel room or a cloakroom tag. Coincidences of exhaustive repetitions change our perception of the facts, to the point of arousing certain negative suspicions about them. It is in the very essence of the uncanny, continues Freud, where angst finds its niche. An angst which is also understood as the return to something shrouded, hidden and submerged in our inner being – and thus already existing – that is manifested under the right circumstances. In the wake of Freud’s essay, repetition and return would be the two technical and spatial conditions that essentially define the physical realm in which spaces of angst can be developed. It is thus possible to establish a categorically close relationship between the feeling of angst and the idea of a repetitive space – where the counterpoint that would allow orientation inside disappeared – associated with a return mechanism; in other words, déjà vu, going back to a situation that has already been experienced. It is possible to ascertain the architectural form that defines this relationship in several ways:
Yedij_jkj_d] Wd Whj[\WYj Wi W fhee\ e\ ^kcWd YWpability: the labyrinth. Angst arises from the difficulty, not the impossibility, of finding the way out. fh[i[dj_d] WhY^_j[Yjkh[ Wi W Z[l_Y[ e\ Wb_[dWj_ed" negating its own place, where angst is caused by the power of a geometry that cancels out any possibility of travelling through its spaces. [nf[h_[dY_d] j^[ ceij ^Whhem_d] \ehc e\ Wd]ij ed a permanent basis, where it is caused by the pervasive need to be acquitted in a provisional world. 25
5 — For an overview see Juan Manuel Lizarraga Echaide, Cárceles y otras fantasías arquitectónicas de Giambatista Piranesi en la Biblioteca Histórica, Estudio bibliográfico y catálogo, documentos de trabajo UCM, Biblioteca Histórica, Madrid, 2011/12, p. 13—18, URL: www.ucm. es/BUCM/foa/doc18677.pdf, (Accessed: 09/05/12) See also Juan Calatrava (ed.), De la magnificencia y Arquitectura de los romanos y otros escritos, Giovanni Battista Piranesi, Akal, Madrid, 1998, p. 9
6 — The second plate is Part of a great harbour. See Arthur M. Hind, Giovanni Battista Piranesi. A critical study. With a List of his Published Works and Detailed Catalogues of the Prisons and the Views of Rome, The Costwold Gallery, London, 1922, p. 80
from fruitless meandering; no, entering into the confused game proposed by the labyrinth itself, the repeated vision of the same space that constantly returns to the retina of the incautious visitor. A space that does not even warn us that we are about to enter it; only a short while after finding ourselves inside it do we lose all sense of direction. Daedalus built the monster’s dwelling but failed to recognise its architecture. The palace whose entrance condemns whoever is forced to enter does not make it impossible to return but demonstrates the conflict aroused by knowing that the exit exists, yet being unable to recognise its position. Ariadne found the solution by the only way of bypassing any illusion, any deception, thrown up by the structure: fixing one end of a ball of thread at the entrance is the same as establishing the start of a journey and, consequently, identifying the geometric position of every turn, every corner, every path that makes up the labyrinth. These three factors – the initial identification of the entrance, the presence of the Minotaur inside it, and the impossibility of distinguishing the path travelled – would be overcome by Ariadne by identifying the form – in other words, the architecture. In this respect, the labyrinth of Daedalus and Ariadne constitutes the earliest of the architectural operations that celebrate angst, aligning itself with the most implacable phenomenon of repetition since original sin: time. Losing oneself in a labyrinth is thus the same as stopping time with no value; once inside, it is impossible to speed up any process because the only alternative, if you manage to escape the Minotaur, will be death from starvation. The exit, we should not forget, is only there in the imagination.
AMPIO MAGNIFICO COLLEGIO. PIRANESI Opere varie di architettura, prospettive, grotteschi, Antichità is a compendium of various prints that Piranesi made during his youth. This compilation volume was published for the first time in 1750, when Piranesi had already settled in Rome; from then on, different editions were published in a steady stream, each adopting minor changes and some additions.5 This first edition, along with various series, contains two prints that escape any attempt at pigeonholing; one of them, entitled Plan of a Large and Magnificent College,6 is also notable for only being represented by a plan – the other images are shown in perspective. The project Fig. 3 was a proposal – not submitted – for the Klementino competition convened by the Accademia di San Lucca in Rome in 1750. The competition rules were very clear: a building was sought in which to teach Mathematics, separate from those where the Fine Arts of Painting and Architecture were taught. The 28
CARABI & BOIX
7 — A detailed description of events can be read in Félix Fernández Murga, Carlos III y el descubrimiento de Herculano, Pompeya y Estabia, Ediciones Universidad de Salamanca, Salamanca, 1989, p. 75—84 8 — John Wilton-Ely, The Mind and Arts of Giovanni Battista Piranesi, Thames and Hudson, London, 1978, p. 23
9 — "Arq. Piranesi, dirimpetto l’Accademia di Francia in Roma". Henry Focillon, G. B. Piranesi, Henri Laurens éditeur, Paris, 1963, p. 52
10 — Manfredo Tafuri, “G. B. Piranesi: L’architettura come utopia negativa” in Angelus Novus, Marsilio Editori, Roma, giugno 1971, p. 97
project was to be rounded off with majestic chambers, a church, a courtyard surrounded by a portico and all the facilities necessary for the headmaster, the teachers and other families employed on the maintenance of the Collegio to live there. Rome was, at that time, an essential stopping point for English, German and French students, who, in this millennial city, managed to reacquaint themselves with the past. The competition was enshrined in the late-Baroque Italian tradition which, around the middle of the 18th century, coincided with the rediscovery of the Classics and the first expeditions to the ancient world; in that same year, 1750, Pompeii was discovered 7 and archaeological digs started attracting private funding. This passion for archaeological objects grew at the same rate as their discoveries, unleashing a desire to rebuild Antiquity. An Antiquity moored in time, which would soon collide with the death rattle of Baroque and the first utterings of a new aesthetic sensibility which Kant was responsible for implanting: it is impossible to reach absolute truth unless it is through sensitive knowledge; something that Piranesi would express through angst. Piranesi created the project while he was in contact with the French Academy students ; 8 they brought with them, from Paris, a pre-revolutionary attitude, his appreciation of which the Venetian architect expressed through the signature that would underscore some of his works: “Architect Piranesi, before the French Academy of Rome”.9 In this context, the Collegio project emerged as an exercise in variegated symmetries elaborated in line with the strict laws of geometry. However, one simply has to take a closer look to distance the plan from any temptation to interpret the project partly in terms of a Baroque object. Its scope is more ambitious: it is possible to identify the plan of the Collegio as an implacable mechanism which announces, from its configuration, the violent expulsion of the subject against the presence of the domain of reason. An announcement that would challenge the yet-to-arrive proposals from the so-called revolutionaries – Boullée, Ledoux, Lequeu – and their sensitive architecture at the service of grandiose ideas. Fig. 4 Tafuri has made an in-depth study of the composition and aspects of the project; he asserts that everything presented as a subject is, in the Collegio, negated and moved to an accessory. 10 This gives rise to the first of the Piranesian angsts: the resolution of the concentric whole that defines the main body of the plan is, paradoxically, what leads on to a smaller space. The geometric centre corresponds to an empty room, with no purpose, which is served by a staircase that distributes the eight radial arms that emanate from it. A geometry which, as we distance ourselves, makes the rooms increase in scale and purpose. A paradox which demonstrates the conundrum of the journey; while in the labyrinth the repetition of 29
fig. 3
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CARABI & BOIX
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fig. 4
fig. 5
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CARABI & BOIX
fig. 6
fig. 7
fig. 3 — Plan of a Large and Magnificent College, Giambatistta Piranesi. Source: from Bouchard, Paris, 1750, in Grabados, Biblioteca Histórica UCM
fig. 4 — Etienne-Louis Boullée, Newton cenotaph; Claude Nicolas Ledoux, Interior of the municipal Theatre of Besançon seen in the mirror of an eye, and Jean-Jacques Lequeu, Monument to the exercise of popular sovereignty in primary assemblies. Source: from Gallica bnf.fr / Bibliothèque Nationale de France fig. 5 — Detail of a column with a carved inscription, Casa Milà, Antoni Gaudí. Photo by Mònica M. Boix
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fig. 7 — Negre House façade, and details of medallions with inscriptions. Source: from Josep Llinàs, Jujol, Taschen Benedikt, 2007, p. 72—73
fig. 6 — Detail of an archway with a carved inscription in the Bofarull house, Josep Maria Jujol. Photo by Guillem Carabí
P ROJ E K T
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HIRSCHBICHLER
THEATRUM ORBIS TERRARUM ARCHITEKTUREN DER ÜBERREDUNG UND EINSCHÜCHTERUNG
Michael Hirschbichler
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Abb. 2
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HIRSCHBICHLER
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Abb. 3
E S S AY
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HIRSCHBICHLER
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Hirschbichler
Von diversen Machtansprüchen hervorgebrachte Bühnen der Einschüchterung und Architekturen der Beeindruckung und Verängstigung durchziehen die menschliche Kulturgeschichte. Die Vermittlung von Absichten, die mit Hilfe von körperlicher und psychischer Überwältigung durchgesetzt werden, bildet einen Grundantrieb der ideologisch ausgerichteten Baukultur. Repräsentationsbauten und Paläste, Monumente und Denkmäler, Kathedralen und Tempel, Gefängnisse und Lager, Festungen, Bunker und Wohnmaschinen weben einen engmaschigen Teppich der Einflussnahme auf Gesellschaften und Individuen. Abb. 1 — Einleger – Theatrum Orbis Terrarum , Plankarte, 304 x 567 cm, Michael Hirschbichler 2012
Die Arbeit THEATRUM ORBIS TERRARUM versucht im Medium der Plan-Karte Grundrisse realisierter und unrealisierter Bauten der Machtausübung aus verschiedensten historischen Epochen und Kulturkreisen im Zuge einer imaginären Archäologie zu einer dystopischen „Idealstadt“ zu montieren. In einem kritischen Abriss der Architekturgeschichte werden im Zeitraffer die Jahrtausende durchschritten und ihre Ablagerungen zu einem sowohl zeitlich als auch örtlich simultanen Zustand verdichtet. 46
HIRSCHBICHLER
Grundrisse werden als Machtnotationen verstanden, die auf einem längst nicht mehr neutralen Territorium aufeinandertreffen und ein komplexes, vielfach widersprüchliches und gegenseitig sich verstärkendes ideologisches Feld aufspannen. Neue Lesarten bieten sich an, plötzliche Kontraste und unerwartete Synergien treten zum Vorschein. Extrapolationen und Spiegelungen von Fragmenten unserer Städte verdichten sich zu vielschichtigen Geographien gebauter oder geplanter Ordnungsschemen und Bühnen eines von Machtbestrebungen geprägten Weltgeschehens. Historische Planpartituren erleben ihre Uraufführung oder Wiederaufführung, megalomane Entwürfe steigern sich durch Skalierungen und Repetitionen ins Absurde. Ideologien grenzen sich voneinander ab, überlagern sich und gehen letztendlich ineinander über, werden austauschbar. Die Architektur offenbart ihre ideologische Grundlegung und ihre Bühnenhaftigkeit in einem gleichzeitig erschreckenden und vertrauten Welttheater.
Theatrum Orbis Terrarum wurde für die Swiss Art Awards 2012 nominiert und im Kontext der Art Basel ausgestellt. Das Buch gleichen Titels erscheint demnächst im Havelka Verlag. www.havelkaverlag.com
Abb.2 — Monument III Abb.3 — Monument IV Abb.4 — Monument V Fotocollage auf Zeichenkarton, 59 x 84 cm
www.atelier-hirschbichler.com, 2012
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THE MOUNTAIN THAT EATS MEN
Abb. 1 — Section: Chapel for Tio
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VISIONDIVISION
Interview Visiondivision
SHRINE FOR TIO
HORIZONTE in conversation with VISIONDIVISION about their work high up in South America but also deep inside mother earth. 49
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VISIONDIVISION
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VISIONDIVISION
Abb. 1 & 2 — Chapel for Tio, Potosi Bolivia
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We met Anders Berensson and Ulf Mejergren of Visiondivision, a Stockholm based architectural office during their stay in Weimar, where they also held a lecture at horizonte’s lecture series.
We have probably made the world‘s highest chapel. It is located inside a mine in Potosi, Bolivia at over 4200 meters height and is made to a mining cooperative. The city of Potosi is a mythical place; it is the world‘s highest town and became one of the world‘s largest cities during the silver rush in the 15th century. [The mountain] Cerro Rico, where the Spaniards extracted huge amounts of silver dominates the skyline and it is there where the chapel is located at. It is estimated that incredible eight million people – the majority of them were slaves – have died in the mountain, often called „the mountain that eats men“. Today there is hardly any silver deposits left but the mining activity is still active, although now the search is on for the less valuable tin and zinc. The working conditions are very stressful and dangerous anyway. VD V
all, we were on a new continent and there was so much that we wanted to explore! The main reason to go to Buenos Aires at first, was that we could live a much better life there for the amount of money that we received/borrowed from the government to do our final thesis. So instead of sitting around in a gloomy student apartment in Gothenburg in the winter and eat pasta, we had a nice flat with a rooftop pool and excellent and very affordable meat and wine to eat instead. We had the idea that if we lived well, we might do better architecture as well. But to answer the question; Bolivia was just a stop in our exploration of the continent. We did not have any plans to actually do stuff there. But after coming to Potosi and learning all about the conditions in the town and in the mines – which are dreadful to work in – we wanted to do a pro bono project for the miners. It was not planned but the place was so overwhelming that we started thinking and discussing – and when that happens, it usually becomes a project in one way or another. H: Was this your first project after your studies?
Well, we have done a lot of projects even as students and technically we were still students when we did this project. VD V
HORIZONTE: First of all, what was the reason for you to go to Bolivia and especially to Potosi?
Well, we went there because we had decided to make our final thesis in South America, to be more precise, to do it in Buenos Aires in Argentina. But after a while in Buenos Aires we got a bit restless and after VD V
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H: What impressed you the most about the mine?
The fact that the time had stood still for such a long time, they basically had the same working conditions as in the 17th century and that they actually worshipped VD V
VISIONDIVISION
Abb. 4 — Plan: Chapel for Tio
a form of the devil inside of the mine is pretty mind-boggling, too. It is definitely one of the harshest places on earth with the combo of the DEVIL, the ALTITUDE and the CONDITIONS INSIDE the MINE. 55
H: We assume that you did not arrive there with a big sign depicting you as architects. How did the miners react when they recognized your profession?
Well, they were not that happy with us interfering with their work space, but when they understood that we actually were doing a functional space for them to worship VD V
H: In saying it does not belong to a “stylish family of architecture“; do you think it is more important to catch the needs and emotions of the participants?
Well, it is not a stylish design in terms of perfect finishes and perfect details because we pretty much did everything ourselves with the tools and materials that where available in that remote city. But that was OK because the whole feeling in the mine was like that; there were no machines and hardly any industrial tools, it was man-made and made by individuals with crude tools. It was not important to do a hip piece of architecture to miners that believe in the DEVIL. So you could say that our chapel followed the existing aesthetics and that would not become something completely apart from their world and their mine; then they might not want to use it in the end. VD V
H: At first sight, the shrine does not quite appear to be a cosy place and it differs a lot from the rest of the mine. Why did you not propose a space which provides security and a feeling of cosiness and peace instead?
Aesthetically, it actually does not differ a lot, but its function differs as you can sit and take it easy for a while and sacrifice to T I O. But this chapel is as much for T I O as for the miners and that was also their request when we asked if they needed anything. They told us that the only thing they wanted was to please T I O, so cosiness and peace was secondary. Making a cosy place with a DEVIL’s head as the main focal thing would seem a bit out of order anyway. VD V
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H: The glitter you used on the walls seems to provide a spiritual atmosphere in connection with the miners’ headlights. It also appears to emulate a more heavenly-, rather than a hellish space. Do you think to offer somebody – in this case, the miners – a more or less religious space enables them to leave some of their fears there?
The silver glitter was a sublime thing, a sort of a hope for the miners to find treasures perhaps – because to pay their bills is why they are in there in the first place. So perhaps the glitter is more of a reminder why they are there, rather than something "heavenly". The chapel’s aesthetics is made up with the same balance as the life in the mine for the miners, you have respect (and fear) of the mountain (and the devil) but you also have the longing to find something valuable there, too. VD V
H: In conclusion, did you get any response from the miners whether they feel safer or at least a little bit more comfortable inside the mountain now?
Yes, we have had some correspondence with our guide/dynamite expert and he said that they use it regularly which is very nice to hear, so it seems to work and we are sure that the miners feel safer when they know that they have done their sacrifices in order not to be "eaten". VD V
Das Gespräch führten Tom Erdmann und Jonas Malzahn
VISIONDIVISION
Nicolas Oxen
HAUNTED HOUSES Amerikas Architekturen der Angst in Literatur & Horror -Film
Abb. 1 — Edward Hopper : House by the railroad, 1925
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4 — Algernon Blackwood, Das leere Haus, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1997, S. 7
5 — H. P. Lovecraft, The Best of H. P. Lovecraft, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1996, S. 56
Biedermannslächeln: schon die kürzeste Bekanntschaft mit ihnen hinterläßt in uns die festgefügte Überzeugung, es müsse mit dem Dasein solcher Menschen etwas radikal Böses auf sich haben.“ 4 Bei H.P. Lovecraft, einem der großen Bewunderer Poes und Blackwoods, werden die unheimlichen Häuser zum Symbol für die zurückgebliebenen und degenerierten Bewohner Arkhams. Dies ist Lovecrafts fiktive Stadt, die zum Ort seiner imaginativen Rache an der von ihm so sehr verachteten, geistigen und architektonischen Provinzialität seiner Heimat Providence (Rhode Island) wird.
„Den schrecklichsten Anblick bieten die kleinen, ungestrichenen Holzhäuser, fernab der begangenen Straße, die gewöhnlich auf einem feuchten Grasabhang stehen oder sich an einen rießigen Felsausbiß anlehnen. Zweihundert Jahre oder länger stehen oder lehnen sie schon dort, während die Ranken an ihnen emporgeklettert und die Bäume dicker und breitästiger geworden sind. Sie sind jetzt beinahe in ungebändigt üppigem Grün und schützend umhüllenden Schatten versteckt, aber die Fenster mit den winzigen Scheiben starren noch immer furchteinflößend, als ob sie durch eine tödliche Betäubung hindurch blinzelten, die den Wahnsinn in Schach hält, in dem sie die Erinnerung an unangenehme Dinge abstumpft.“ 5 62
OXEN
Bei Blackwood gibt es noch Geisterhäuser, in denen das Böse lauert und verflucht sind sie durch die grausigen Taten ihrer Bewohner oder wie diese durch trügerische Fassaden getarnt. Lovecrafts Horror und seine Behausungen haben etwas übernatürlich Organisches an sich. Sie sind die degenerierten architektonischen Auswüchse einer kranken Gesellschaft, verflucht durch kosmische Mächte aus dem All. In Lovecrafts Cosmic Horror ist nicht einmal mehr die Erde der Ort des schützenden Obdachs. In einer seiner Geschichten leuchtet aus dem märchenhaft verwunschenem Brunnen bedrohlich der herabgestürzte Komet einer fremden Macht und wie eine übernatürliche Plage drängen die Ratten aus dem Gemäuer. Amerika fehlt es an den von dunklen Geschichten überwucherten Schlössern und vielleicht rückt gerade deshalb das einfache Haus in den Fokus der unheimlichen Fiktionen. Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ist die amerikanische Architektur, ähnlich wie in Europa, von Historismus und dem Formengemisch des Eklektizismus geprägt. Seit der Unabhängigkeitserklärung ist der Aufbau der amerikanischen Nation – auch im architektonischen Sinne – eine Emanzipationsbewegung in Anlehnung und Abgrenz ung zur europäischen Kultur- und Architekturgeschichte. Auch die Architekturtheorie ist gespalten zwischen ästhetischen Vorstellungen und den rein technischen Möglichkeiten der sich stetig weiterentwickelnden Konstruktionstechniken. Zwischen einer organischen und technischen Formsprache versucht man einen Ausgleich zu finden – ein Gegensatz, wie er sich besonders in den ästhetischen Schriften Ralph Waldo Emersons (1805-1882) finden lässt. Was dort als organisch bezeichnet wird, folgt einer Konzeption des Schönen, die einer idealistischen Ästhetik und Kants Konzept des Naturschönen verpflichtet ist. Emerson fordert darin, dass die organische Schönheit architekturtechnisch durch die ewig gültigen Ideale des vollkommenen Bauwerks realisiert werde:
6 — Don Giffort (Hg.), The Literature od Architecture. The evolution of architectural theory and practice in nineteenth century America, Dutton, New York 1966, S. 107. Darin: Ralph Waldo Emerson, „Thoughts on Art“, Original in: The Dial, Vol. I No. III, S. 367–378
“We feel, in seeing a noble building, which rhymes well, as we do in hearing a perfect song, that it is spiritually organic, that is, had a necessity in nature for being, was one of the possible forms in the Divine mind, and is now only discovered and executed by the artist, not arbitrarily composed by him.” 6 63
8 — Georg Seeßlen und Fernand Jung, Horror. Geschichte und Mythologie des Horror-Films, Schüren, Marburg, 2004, S. 347
Abb. 5 — Die MonroevilleMall in Pittsburgh. Drehort für George A. Romerors SplatterKlassiker Dawn of the dead
dem gewaltsamen Eindringen in die schützenden vier Wände. In Psycho verändert sich nicht nur der Umgang mit der Architektur, sondern auch der Umgang mit der Angst. Der unsichtbare, psychische Horror, der sich klassischerweise in dunklen Häusern versteckt, tritt in den Hintergrund. In der Dusche, dem kalten gekachelten Ort hygienisch-moderner Intimität, wird er in Form roher physischer Gewalt sichtbar. Doch nur beinahe, denn im Schnitt-Stakkato der weltbekannten Duschszene trifft kein einziger Messerstich den Körper von Marion Crane. Mit Psycho beginnt auch der SlasherFilm, ein Sub-Genre, dass sich mit allen möglichen Formen des Eindringens in Häuser und Körper beschäftigt. In unzähligen Varianten von John Carpenters Halloween (1978) bis zu Wes Cravens Scream (1996) wurde so mit der Angst gespielt, wie sie um die nächtlich beleuchteten Häuser schleicht und als Serienkiller die schutzlosen Baby-Sitter heimsucht. Mit Psycho wird vielfach eine generelle Wende vom psychischen Gothic-Horror zum physischen, brutalen Slasher-, Splatter- und Ekel-Horror assoziiert.8 Doch auch über sein blutiges Spektakelpotential hinaus, seziert Tobe Hoopers in The Texas Chainsaw Massacre (1974) die Topographie einer kulturellen Angst und versucht die zivilisatorische Ideologie und den Fortschrittsgeist der USA zu zerstückeln. In Texas, an der Grenze zum unbebauten Land, wohnt die degenerierte Familie der „Hinterwäldlerkannibalen“ und wartet in einem gewöhnlichen Farmhaus auf ihre Opfer. Weg von den mondbeschienen Schlössern, hin zu den unscheinbaren Bretterhäusern am Straßenrand, hat der AmericanHorror jetzt architektonisch und demokratisch die Mitte der Gesellschaft heimgesucht und selbst durch die idyllische Elm Street zieht sich fortan eine blutige Spur. Eines der architektonisch eindrucksvollsten Beispiele für die neue Sichtbarkeit des Horrors ist George A. Romerors ZombieKlassiker Dawn of the Dead, durch den die Monroeville-Mall in Pittsburgh zu touristischer Berühmtheit gelangte. Im ersten Teil der Filmreihe, der Low-budget-Produktion Night of the Living Dead von 1968, mussten sich die beiden Hauptdarsteller noch vor einer aus dem Nebel anrückenden ZombieArmee in einem Bretterhaus verschanzen und die Fenster vernageln. Später, in Dawn of the Dead von 1978, spielt sich die lebendig-tote Zombie-Invasion in der elegant verglasten Transparenzarchitektur der Monroeville-Mall ab. Dieser Film zielte ganz im Geiste der 70er Jahre auch auf eine blutige Schändung der heiligen Hallen des Konsum-Kapitalismus ab, der für seine archaische Logik von Fressen und Gefressen-Werden nur neue architektonische Formen und Fassaden gefunden hatte. 66
OXEN
9 — Dale Baily, American Nightmares. The Haunted House Formula in American popular Fiction, Bowling Green State University Press, Darin: „Unmanned by the American Dream. Stephen King's: The Shining“, S. 91–107
Abb. 6 — Timberline Lodge in Oregon. Erbaut in den 30er Jahren
Nach den kunstvollen Blutexzessen des Genres wird der Mythos des Haunted Houses 1980 von Stanley Kubrick so meisterhaft wiederbelebt, dass alles gesagt schien – über das ungeheuerliche Potential von klaustrophobischer Angst, unheimlichen Hotelfluren und verbotenen Zimmern. In Kubricks The Shining ist Angst ganz Architektur geworden, die Matrix für die psychotische Störung der potentiellen Bestie Mensch. Wie das Stakkato zu seiner fortschreitenden Psychose, so hallen die Anschläge von Jack Torrances Schreibmaschine durch die riesige Hotelhalle, vor deren Tür sich meterhoch der Schnee türmt. Durch Leere und Isolation verdichtet hier die Architektur, Angst zu blutrünstigem Wahnsinn. Ohne Hotel, aber genauso erfolglos wie der AmateurAutor Jack Torrance in The Shining war auch Steven King selbst, als er alkoholabhängig und kurz vor dem sozialen Kollaps den Roman in einem Wohnwagen schrieb und damit zu Weltruhm gelangen sollte. 9 Die Idee zu dem Buch, kam King während eines Urlaubs mit seiner Familie in dem am Ende der Urlaubssaison fast völlig verlassenen Stanley Hotel, dem ebenfalls übernatürliche Vorfälle nachgesagt wurden. Für die Außenaufnahmen wählte Kubrick später die Timberline Lodge – das beeindruckende Resultat einer riesigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme unter Franklin D. Roosevelt. Mit der Blutwelle, die aus dem Fahrstuhl brach, schien für die große Zeit der Geisterhäuser der Vorhang gefallen. Erst Ende der 90er Jahre kehrte dann das Unbehagen des Unheimlichen zurück. In The Blair Witch Project (1999), diesem mit wackeliger Handkamera gedrehten Pseudo-Doku-Horror, ist die Angst ganz Angst, weil sie nämlich allgegenwärtig ist und doch vollständig unsichtbar bleibt. Eine Gruppe von jungen Leuten sucht in den endlosen Wäldern der amerikanischen Ostküste nach der Hexe von Blair. Sie verirren sich und wandern ziellos durch den Wald, der von immer mehr unheimlichen Zeichen und unsichtbaren Vorfällen beherrscht wird. Es ist die filmische Darstellung einer paranoiden, ortlosen Angst ohne Grund und Ziel. Es ist schlichtweg der Horror der fehlenden Orientierung und abwesenden Architektur), der seinen Endpunkt dennoch an einem verlassenen Haus im Wald findet. Auch hier bleibt die Angst grundlos und ungreifbar. Sie gleitet nur im Licht der Taschenlampe über die fleckigen Wände des verwaisten Hauses. Wenn man so will markiert The Blair Witch Project in unserer Geschichte des Horror-Films das Ende der Angst durch Architektur. Aber auch dieses vermeintliche Ende ist nur ein neuer Anfang, ein Rekurs hin zur ursprünglichen Beziehung zwischen beidem. Das Schreckliche dieses Films liegt nicht im eigenen Ich, dass im eigenen Haus nicht mehr Herr ist, nicht im Unheimlichen der eigenen Wohnung oder der dämonischen Heimsuchung. Es ist die generelle Angst des Menschen vor Unbehaustheit und existenzieller Obdachlosigkeit, der Kultur und Architektur nur vorläufig ein schützendes Dach bieten können. 67
Tim Peeters
ED GEIN'S HOUSE
“Not too long, I had other things to do.”
Ed Gein, when asked if he wore the masks he made of human skin for long periods of time.
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PEETERS
How HORROR MOVIES turn the ordinary terrifying, but the REAL still remains much scarier
Scary books and movies are often based on true events: the real is usually a good place to start when venturing into the macabre, the gruesome or the terrifying . Many serial killers, have inspired movie directors, for example — some of them depicting horrific crimes in spine-chilling detail. Like other events, crimes committed in the real world occasionally get transferred into the realm of story telling. 69
But apart from a legacy in the world of fiction many crimes also leave a sinister physical residue: the scenes of the crimes that stay behind as a reminder of the horrible things that happened even after the perpetrator has been convicted and the blood has been washed away. In some cases, these places and the memories they contain prove to be too much for a society to deal with. The following details two of these cases: terrible things happened in the home of ED GEIN, murderer and psychopath extraordinaire, and the hotel/abattoir of professional maniac H. H. HOLMES, things that necessitated the destruction of the edifices in which they took place. Both buildings played a significant role in the crimes these two men committed. Both buildings inspired scriptwriters and directors. And both buildings mysteriously burned down shortly after the horrific events that took place in them came to light. fig. 1
fig. 2
fig. 1 — Ed Gain fig. 2 — H. H. Holmes
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PEETERS
ED GEIN had combined his interest in amateur human taxidermy with a knack for creative home decoration and fashion design
fig. 3 — Isometry of Gein’s house. Based on pictures taken by journalists after his arrest
fig. 3
THE HOME OF ED GEIN On November 16th, 1957, the town of Plainfield, a small and quiet place like hundreds of others in Wisconsin, was unveiled to be the stage of one of the most bizarre and gruesome crimes in the United States history. In the home of Ed Gein, until then considered to be a somewhat odd but ultimately harmless person by other Plainfield residents, the lifeless body of hardware store owner Bernice Worden was found. Bernice had gone missing that morning and a very short investigation into her disappearance had led police to Gein, who had been overheard talking about going to visit the store that morning to buy anti-freeze for his car. Police officers – among which a deputy Worden, Bernice’s son – entered Gein’s house and almost immediately found the dead woman hanging in an annex. She had been decapitated and gutted. And then, as the search of the house continued, police officers found evidence of what would become the crime story of the decade. 71
HOLMES erected a perfect killing apparatus:
H. H. HOLMES built himself a hotel.
a hotel designed specifically to TORTURE and MURDER as many guests as possible.
fig. 4
A murder hotel. 74
PEETERS
Sometimes LOCAL GOVERNMENT steps in to get rid of a ‘cursed’ building, occasionally even making sure no structure will ever again occupy the cursed land on which so many pain was caused. TRUTH IS SCARIER THAN FICTION The destruction of both the home of Ed Gein and the Murder Castle of H. H. Holmes shows how strong a link between an event and a physical location can be: sometimes a community needs to destroy all physical evidence of a horrible event that took place in its midst. At the same time it is not often considered distasteful for works of fiction to be inspired on true events. Perhaps that both somewhat opposing acts – retelling stories of crime through fiction while destroying all physical evidence of the same crime – are elements of the same process through which society tries to cope with traumatizing events. There are other examples of the ‘purging’ of a crime scene that show how far people and communities are willing to go in the process of erasure. It is not always the people themselves who commit the act of destruction, as in the cases of Gein and Holmes. Sometimes local government steps in to get rid of a ‘cursed’ building, occasionally even making sure no structure will ever again occupy the cursed land on which so many pain was caused. In the case of Jeffrey Dahmer, who turned his apartment in Milwaukee into a mausoleum
for 16 young boys keeping parts of their bodies in the refrigerator,
fig. 5 — Jeffrey Dahmer
the council decided to destroy the whole apartment building he lived in after being pressured to do so by families of the victims. The plot on which the building once stood still remains empty after 20 years; in the summer of 2012 the council sold it to a developer under the condition that it will be turned into a publicly accessible garden. Interestingly, the house where Dahmer committed his first murder at the age of 18 still stands today, and is actually inhabited: an artistmusician bought the house, which also boasts two acres of beautiful forest property, in 2005. Perhaps it is its secluded location deep in the forests of Ohio which has prevented the house from being demolished, or maybe it is the fact that Dahmer would only murder there once. The house did get tainted somewhat by its notorious 77
inhabit though: it got sold for much less than it would have if it had not once been the home of a serial killer. A second – and somewhat more extreme – example of a local government assisting in the erasure of a horror house and sowing the earth where it stood with salt is the house-turned-torturedungeon of the British couple Fred and Rosemary West, located at 25 Cromwell Street in Gloucester. The couple committed a series of atrocities that shocked the United Kingdom; their crime spree lasted for two decades and would leave eleven young women dead. After their arrest (Fred would eventually commit suicide in prison) Gloucester council decided to break the house down and pulverize each individual brick to discourage people from taking souvenirs; the plot on which the house once stood was turned into a public pathway, effectively removing the address entirely. THE SLASHER GENRE COMING HOME The teenager slasher genre originated by the Chainsaw Massacre would move away from the countryside, and leave locations like Gein’s house behind in order to bring the action closer to the audience’s home. Following the successful formula of John Carpenter’s Halloween, slasher movie killers would oftentimes not stay within the confinement of their own home anymore when murdering and torturing: they would rather come visit their victim’s homes and neighbourhoods, which would be scarily similar to those of the people who watched these movies. Horror houses where traded in for generic urban scenery to really give the audience the idea that the murderer could be standing in their closet too. This approach would eventually encompass most of the places where the target demographic could be found in real life: from the generic American suburb (Halloween, 1978; A Nightmare on Elm Street, 1984) and college campuses where they reside (The House on Sorority Row, 1983) to summer camps (Friday the 13th, 1980) and, later, tropical beach resorts (I Still Know What You Did Last Summer, 1998) where they spend their holidays. Most of these films would not be based on true events, but all use the familiarity of the spectator with a specific environment and certain urban typologies to bring the action closer to the viewer. However, the future will undoubtedly bring more horror movies based on true events featuring adaptations of real life horror houses, condominiums and studio apartments: in the end there are few things that make a movie as frightening as the knowledge that once there really was a guy who decorated his home with the skins of the dead and who kept his mother’s room as if she could be coming home any minute. In Halloween, director John Carpenter would cement all the clichés the genre would become so well known for. 78
PEETERS
fig. 6 — Isometry of the Oxford Apartments, Milwaukee. Jeffrey Dahmer lived in apartment 213 for three years. Based on scarce news footage of the building
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I DID HEAR
YOU
SCREAM PHOTOS
POSTER zur Vortragsreihe horizonte 2012
Ina Niehoff & Katrin Steiger
Manuel Birnbacher & Yan Ziegner
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I DID HEAR YOU SCREAM
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I DID HEAR YOU SCREAM
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PERVERTED INTIMACY Gordon Selbach
&
THE FAMILY HAMLET
The Hamlet
fig. 1 — 1. Combination of all sibling apartments, each with a different typology. 2. Resulting labyrinthine inner sculpture (insulated), windows pushing into the facade
a b
I think he has arrived. Finally.
a
I haven't seen him yet. I only heard him. His heavy, careless pace. Damn, I couldn't sleep all night long.
b
I'm glad he came. The house is coming to life eventually.
a
Be honest. This place is strange enough for me inevery way. The ghostly nocturnal silence of the countryside. Some nights I lie in my bed and, although sleepy, my senses are even more alarmed. The walls aren't protective here, they simply make it impossible to see the beasts approaching. Muffled voices, floorboards creaking, branches screeching across the slates. Logic fades with daylight, imagination intensifies with darkness. I don't hear branches dragging over the roof and sheep bickering and feeding, but some menace roaming and rummaging around the house.
b
I know, I'm not used to the silence either. But I think you're overreacting. We are going to work everything out here. In the end, we will all find back to each other again.
a
I don't think so. This is family. It takes more than a house to amend this mess. 96
SELBACH
Both pause at a bend in the farm lane. A field wall, defeated by the harsh weather, lies in rubble underneath an old elm tree, skewed and distorted by the incessant winds of the Irish Sea. Speckled with ochre ferns, white sheep and odd grey field walls, a lush green field spans between the small forests of Fell End Valley down below. Fast moving clouds effortlessly play with the countryside, illuminating or darkening the fells. Two rugged stone houses lodge within. The sibling house lies in the protective wind shadow offered by the parents' house. b
It looks so safe and unified. So calm. So simple.
They continue their stroll on the winding farm lane down into a vale, closer to the hamlet. Still wet from the morning rain, the slate roofs of the two houses reflect the evening sky. They appear to flee into the vertical axis. Despite thick stone walls and slate roofs, sturdy in their impression, the reflection generates a gradient from the dark anthracite houses to the white sky, merging them seamlessly into the countryside, heavy slate roofs appearing eerily light. b
a
He kicks a stone.
b
How did you part last time anyway?
It was bad. Really bad. I am not in the mood for all this anymore. I suppressed this chapter, got on with my life and feel more conscious and confident than ever before. And right now I'd rather be out here in the fells, than to encounter him in this spatial confinement down there. It's a damn maze. I am still puzzled by all these stairs and doors and passages. Why did he get this place anyway? The old fool somehow seems to believe in it. And so do I.
a
Actually it is not so much him, nor any of the others. It's the house itself that becomes a threat to me. The longer I stay in there, the more certain I am that a madman must have built this place.
b
Maybe it's the madness of the maze that enables us to meet freely. Maybe that is the reason why we got the place. We are all bound to the 'family' term, as is the house, but everyone can find his or her own access to the other.
a
I would agree that it suits a family well in two terms: it's archaic and chaotic. 97
fig. 4 — The maisonette apartment in the family house. The secret door leading to a sibling’s apartment is locked on this side. Hearing someone in the adjacent apartment.
fig. 3 — A room of one of the children’s apartments in the family house. Peaking into the room of another sibling, across the hall.
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SELBACH
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E S S AY
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SELBACH
fig. 5 — The space between the inner sculpture of labyrinthine apartments and the facade, used for the numerous stairs. Windows conically push out of the sculpture and into the facade. The hatch of another apartment was opened, letting this sibling observe who is using the stairs.
103
fig. 6 — Ground floor of the family house. Via this corridor, all siblings access their respective apartments. To the right, a hall separates the kitchen from the living room. At the rear end, a door leads to the only spatial connection to the parents’ house – the wine-cellar. Indications of other siblings; items left in front of the door.
fig. 7 — Dining room in the parent’s house. The parents’ house protects the family house from the harsh winds of the Irish Sea.
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fig. 8 — South-side. After the decease of the parents, the house will decay. Merely the 0,80 m strong wall in the west will remain, protecting the family house furthermore.
SELBACH
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Marc Bonner
Die Visualisierung von Angst & Alptraum in Computerspielen durch die Formensprache real erbauter Architekturen ANGST ALS UNTERHALTUNG
1 — In Bezug auf Goya sind im Speziellen die Grafiken Capricho 43: El sueño de la razón produce monstruos von 1797/1798 und Disparate 2: Disparate de miedo aus den Jahren 1815–1824 zu nennen 2 — Gerade die von Lovecraft erdachten Welten inspirierten und inspirieren Regisseure, Künstler und Spieledesigner. Anhand seines Œuvres ist die Verflechtung zwischen einzelnen Gattungen unter dem gemeinsamen Nenner von Angst und Furcht gut erkennbar
Die Darstellung von Angst und Alptraum zieht sich durch alle Kunst- und Unterhaltungsmedien. Zunächst war das Thema Angst besonders in Sagen, Märchen und Malerei ein tragendes Moment in belehrender Funktion. In Bezug auf letztere Disziplin können Hieronymus Boschs Darstellungen des Jüngsten Gerichts oder der Hölle in Werken wie Der Heuwagen und Der Garten der Lüste als Beispiele genannt werden. Beide stammen aus den Jahren zwischen 1580 und 1605, waren einer breiten Masse zugänglich und verbildlichten die durch den christlichen Glauben geschürte Angst vor dem Tag des jüngsten Gerichts, des Fegefeuers und der Hölle. Im 18. und 19. Jahrhundert wies Francisco de Goya eine neue, subjektive Darstellung von Angst in Form von Alptraumszenen auf, während Surrealisten wie Salvador Dalí oder Max Ernst sich im 20. Jahrhundert generell mit Furcht und Angst beschäftigten.1 Darüber hinaus wurden Angst hervorrufende Narrationen auch in Form von Romanen und Kurzgeschichten einer breiten Leserschaft zuteil. An dieser Stelle sei lediglich auf H.P. Lovecrafts Geschichten wie das 1926 verfasste Call of Cthulhu oder das 1936 publizierte At the Mountains of Madness verwiesen.2 Nur zwei Jahre später sorgte Orson Welles’ Hörspieladaption zum von H. G. Wells 1898 verfassten Science-Fiction-Klassiker War of the Worlds in Form einer Radioübertragung für Verwirrung und Hysterie unter der Bevölkerung. 106
BONNER
Den Höhepunkt in Bezug auf das konsumier – respektive erfahrbare Amüsement Angst bilden die Bewegtbildmedien im 20. Jahrhundert. Dabei ist nicht nur von Fernsehund Kinoformaten wie den Filmen ALFRED HITCHCOCKS, der Godzilla-Reihe, RIDLEY SCOTTS Alien aus dem Jahr 1979, DAVID LYNCHS Serie Twin Peaks zu Beginn der 1990er Jahre, die Serie The X-Files oder STEVEN SPIELBERGS Jaws
3 — Im weiteren Verlauf des Artikels sollen die Begriffe Computer- und Videospiel aus Gründen der Vereinfachung synonym verwendet werden. Zum Begriff des Avatars im Kontext digitaler Spiele, siehe: Benjamin Beil. Avatarbilder: Zur Bildlichkeit des zeitgenössischen Computerspiels. Bielefeld: Transcript, 2012; Benjamin Beil: First Person Perspectives: Point of View und figurenzen-trierte Erzählformen im Film und im Computerspiel, Lit Verlag, Münster, 2010
zu sprechen, sondern auch von Computer- und Videospielen, die aufgrund ihrer zunehmenden grafischen, narrativen und spielmechanischen Entwicklung bereits mit der Traumfabrik Hollywood gleichgezogen sind.
Gerade das Gefühl der Angst dominiert dabei verschiedene Genres, die sich in ihren Grundzügen von etablierten Stilmitteln und Erzählperspektiven des Horrorfilms und der -literatur inspirieren lassen. Die Computerspiele generieren aufgrund ihrer interaktiven Räumlichkeiten jedoch weitere, spielimmanente Aspekte, die den Spielern und deren Avataren das Amüsement Angst näherbringen.3 107
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LOPEZ BAL AN
Israel Lopez Balan
A MONUMENT TO FEAR
“My mother gave birth to twins: myself and fear.” Thomas Hobbes
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During early colonial times, the Plaza was bordered by the new church to the north, the Cortes new place to the east, built upon using the ruins of Moctezuma's palace. The plaza is almost always called the Zocalo because in the late XIX century plans were made to erect a column as a monument to Independence of Mexico, but only the base, or zocalo, was ever built. The plinth was destroyed long ago but the name has lived on. Today the Zocalo is bordered by the Cathedral to the north, the National Palace to the east, the Old Portal de Mercaderes to the west. It is the center of government of both the nation and of the capital, the seat of the powers-that-be. This makes it a popular place for protests and it is often dotted with protesters. Since 1982, due to efforts to revitalize the city center, the Zocalo has become the scene of a number of artistic and cultural events.
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LOPEZ BAL AN
Roberto Costa
THE CINEMATIC
SHELTER 121
As of August 2010, the whistleblowing organisation Wikileaks has been storing some of its servers at data centre Pionen White Mountain, in Sweden. Located 30 meters below downtown Stockholm, in the granite bedrock of the Vita Berg Park, the 1.200 square-metre facility was originally designed as a Cold War era, nuclear-proof bunker and has now been converted into a highsecurity data centre.
While the paranoia of Pionen’s designers was initially the possibility of a nuclear holocaust, today the paranoia is rooted in the cyber risks of a pervasive digital age.
1 — Albert France-Lanord, E-mail message to author, March 30, 2010. Information about the project: http://www.af-la.com (accessed January 20, 2011)
2 — Conversations between the Abbé Pierre and Einstein. Found in Paul Virilio, War and Cinema, Verso, London 1989, p. 6 3 — Paul Boyer says: “It is as though the Bomb has become one of those categories of Being ...that, according to Kant, are built into the very structure of our minds”. Paul Boyer, By the Bomb’s Early Light: American Thought and Culture at the Dawn of the Atomic Age, Pantheon Books, New York 1985, p. XVIII 4 — Paul Boyer asserts that “Hollywood contributed its bit” to what amounts to society’s bipolar “cycles” between paranoia and denial. Found lbid., p. 352–67
The designers of the modern facility, the Swedish Internet provider service Bahnhof’s CEO Jon Karlung and architect Albert France-Lanord,1 used cinematic architecture – that is, theatrical in effect and thematic in nature – of Cold War paranoia films to express today’s cyber anxiety. The retrofitted interior of the bunker is one where the subjects of fiction and reality are entwined, and, like jagged views reflected by a cracked mirror, these distortions contain disconcerting shards of truth. Such imageries resulted from dealing with anxiety and inform us about the inherent psychology of the Pionen bunker. The films sets of Ken Adam, namely Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (1964) and the James Bond 007 series from the 60s and 70s, are used here as tools to investigate how the architecture of the bunker is reshaped by the job it is given to do. A significant characteristic of paranoia is the tendency in which the intellectual powers of the sufferer are neither entirely undermined nor completely cut off from reality, but rather deployed with a peculiar distortion. The nuclear threat of the Cold War once created a collective paranoia of total destruction, of secretive control, and of pervasive military logistics. Hiroshima and Nagasaki triggered in the minds of people that information explosion which Einstein, towards the end of his life, thought to be as formidable as the atomic blast itself.2 Cultural historian Paul Boyer argues that the bomb was a virtual Kantian category – an internal filter, so to speak, of the mind – that shaped our very understanding of the world.3 Much of the Cold War, however, happened away from the eyes of the observer and was left to the imagination. What we picture of the bomb paranoia is in fact partly a product of a distorted reality, greatly influenced by, as Boyer suggests, the cinematic arts.4 Such “atomic bomb cinema”, which Jerome F. Shapiro argues were “part of a process that helped people to understand the threat of 122
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5 — Jerome F. Shapiro, Ato-mic Bomb Cinema, Routledge, London 2002, p. 5 6 — Horatia Harrod, ‘Ken Adam: the man who drew the Cold War’, in The Telegraph, September 28, 2008, www.telegraph.co.uk/ culture/film/3561380/KenAdam-the-man-who-drewthe-Cold-War.html (accessed April 7, 2011)
7 — Stephen Evans, ‘Going underground at the Wikileaks nerve centre’, in BBC Panora-ma, December 10, 2010, www.bbc.co.uk/news/ world-europe-11968386 (accessed April 10, 2011)
8 — Sharon Packer, Movies and the Modern Psyche, Praeger Publishers, Westport, Connecticut 2007, p. 114
9 — Bahnhof AB, ‘Pionen – Bahnhof ’s computer facility movie1’, in Bahnhof AB’s Youtube Channel, January 14, 2009, www.youtube. com/user/BahnhofAB#p/ a/u/2/wn8pz1HLYp8 (accessed April 15, 2011)
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10 — You Only Live Twice, directed by Lewis Gilbert, production design by Ken Adam (MGM, 1967)
nuclear war”,5 had a profound effect on conceiving an architectural language for paranoia. These film sets had the power to influence not only the audience’s responses in the theatre, but also the development of society and culture’s perceptions of spaces that could deal with fear. Perhaps the greatest visual artist to capture this anxiety was Ken Adam, “the man who drew the Cold War” 6 and whose work as production designer was the main reference for refurbishing Pionen. T H AT B O N D ( I S H ) F E E L I N G The first impression one gets when approaching the Pionen bunker is that of secretiveness reminiscent of a Bond villain’s secret lair. Steven Evans, from BBC News, says the entrance on the street is discrete, a door in a face of rock, and steam billows from pipes alongside into the cold air. 7 Such imagery suggests a hidden place reserved for a few mysterious people who are allowed inside for an unknown reason. According to psychiatrist Sharon Packer, these symbolisms, like in Bond films, are “paranoid by definition” because they deal with concealment and secretiveness.8 While Ian Fleming’s settings dealt with the paranoia of the increasing “Red Scare” of the time, here the idea that one’s data is secretively kept away from anyone else’s knowledge but the client’s assures psychological comfort. This feeling is enhanced by high security doors that only open when the door behind has closed, dividing the journey into the inner cavern into a series of stages of concealment.9 In there, where only the client and the company’s specialists are allowed, confined by rocky walls underneath the wooden houses of Stockholm, secrets are kept. The designers of the Pionen bunker also appealed to the techno-fantastic reality of the Bond films to evoke awesomeness. The reoccurring contrast between carved-rock walls and aluminium stands carrying cables or the submarine engines bring to mind that trademark motif of Adam’s designs. Fig. 5 These pseudo high-tech gadgets, which are in fact functional, give Bahnhof’s specialists an aura of having limitless technological competence. Its server room is worthy of the volcano interior that functions as Spectre’s Japanese headquarters in You Only Live Twice (1967). 10, Fig.'s 1 and 6 The techno-fantastic here serves to evoke a sense that the bunker is part of a bigger plan than meets the eye. Technical features that are used to provide Bahnhof’s services are augmented in drama to further the feeling of digital supremacy. It pushes the edge of believability – almost to the point we can dismiss the design as too fantastic, but not quite. Although company Bahnhof doesn’t launch world-domination rockets from its facility, its data has hit many targets recently. It is from such place, deep inside an extinct volcano, that Wikileaks launches its information-filled rockets into the outer space of the network. 123
Architect Albert France-Lanord, in the fashion of the ‘High-Tech’ Movement, Archigram and Superstudio, sought in Adam’s science fiction design an essence that could describe reality.
The bunker ultimately acts as a tool of perception, that is to say, stimulants that make themselves felt through neurological processes, affecting human reactions and even the perceptual identification and differentiation of objects. It functions as a fantasy escape because it removes viewers from everyday reality and transports them to unreal realms that are otherwise unavailable. Perhaps the most important lesson here, finally, is while designers have been acutely aware of their tendencies to project fears onto the built environment, and have developed a healthy set of provisions to real threats, they have been astonishingly successful in creating a completely new language in architecture that was not necessarily derived from traditional architectural discourse.
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LECTURE SERIES 2012 PHOTOGRAPHY Das Schmott
The 40th horizonte lecture series welcomed authors, scientists, theorists and architects of different backgrounds to take part in a dialog concerning the relationship between fear and architecture. Our investigation led us to questions like what is the link between architecture and fear or angst? How does fear influence the production and experience of architecture? Furthermore, how in turn does architecture incite fear? These questions, among many more, were discussed during our weekly lectures.
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Markus Miessen is an architect and writer. He has published: The Nightmare of Participation and Actors, Agents and Attendants amongst other titles. His work has been exhibited internatio-nally, including at the Manifesta and the Lyon, Venice, Gwangju, and Shenzhen Biennales.
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Patricia Reed is a writer and artist, based in Berlin. Her practice reflects on structures of co-habitation and the immanent contingencies of normalized order through artistic and philosophical means.
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Prof. Dr. Tania Singer, Director at the Max-Planck-Institute for Human Cognitive and Brain Sciences, Department for social neuroscience, Leipzig.
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The two young architects from Stockholm show in relation to their work simply put, no fear, at least that is what they shared at horizonte on May 15. 2012. Self assured, relaxed, and with a great deal of humor they presented Taboos in Architecture, projects by their office Visiondivision . 131
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Marc Frohn of FAR Frohn & Rojas based in Berlin, Santiago de Chile and Los Angeles presented his lecture Master of Fear on May 22, 2012. Featured was their work on an Embassy in Belgrade where they experimented with military materials and technologies.
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For about the last 20 years Petra Peterrson has been working as an architect in Berlin. With her firm Realarchitektur she was able to realize the project Wohnhaus Sammlung Boros in 2008. On May 29, 2012, she guided us through a converted bunker in central Berlin. Despite its new use as a gallery and residence, the structure retains its historical integrity
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Katja Kullmann is an essayist and non-fiction writer, known for her book Echtleben (Real Living) (Eichborn publishing house, 2011). She presented her most recent work, inspired by her travel to Detroit in 2011.
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Björn Martenson and Jan Theissen from AMUNT (Aachen) and Atelier Nagel Theissen (Stuttgart) spoke on June 12, 2012. Under the title Fragen und Versuche, specific projects of their collaborative work were presented for us.
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The Berlin office Huber Staudt Architecture elicited a pertinent case of "fear" architecture, exhibited by the planning and design of the Friedricshafen psychiatric center on Lake Constance. Sometimes healthcare facilities, especially psychiatric clinics, treat patients against their will, necessitating architecture which can restrict freedom.
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Gerd de Bruyn is Professor of Architecture theory at the University of Stuttgart, where he directs Institut Grundlagen der moderenen Architektur und Entwerfen (Igma). On July 3 2012, Bruyn presented his thoughts in his lecture at horizonte „Bauen suggeriert Sicherheit – Architektur macht Angst“ the Paranoid state in architecture: On the one hand the desire to control outsourcing of violence, on the other hand, the desire to satisfy a lust for anxiety. 139
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Charlotte Samtleben
JERUSALEM "Keine zehn Minuten vom Zentrum entfernt weigert sich der Taxifahrer weiterzufahren. Am östlichen Rand der jüdischen Siedlung TALPYOT MIZRAH steige ich aus und gehe zu Fuß weiter. Die breiten Straßen enden abrupt und werden zu einspurigen, schlecht asphaltierten Wegen. Die dichte Bebauung, niedrige und mehrgeschossige Häuser aus Sandstein, rohem Beton, oft auch nur aus Plastikplanen und Holzlatten, fügt sich an die steilen Hänge. Tierkadaver liegen am Straßenrand und verwesen in der Sonne. Es ist ein Tag nach dem islamischen Opferfest. Feindliche Blicke. Eine verschleierte Frau ruft ihre spielenden Kinder vor mir, der vermeintlichen Jüdin, zurück. Ich befinde mich im arabischen Stadtteil JABEL MUKABER. Fein säuberlich lässt sich eine Linie zwischen räumlicher Entwicklung und Verfall ziehen, zwischen jüdisch und arabisch, so präzise, dass sich dahinter eine Systematik vermuten lässt." Jerusalem, 17. November 2010 145
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“Social space is a social product. [...] the space thus produced also serves as a tool of thought and action. [...] in addition of being a means of production it is also a means of domination and power. Every society – every mode of production – produces a certain space, its own space.” 1
2 — Sari Hanafi, „Spaciocide”, in City of Collision - Jerusalem and the Principles of Conflict Urbanism, Birkhäuser, Basel, 2006, S.94 3 — Christian Salmon, A Bulldozer War, Le Monde Diplomatique, 22.05.2008
1 — Henri Lefebvre, The Production of Space, Blackwell Publishing, Oxford, 1991, S.26
Analog zum Begriff Genozid prägt der syrische Soziologe Sari Hanafi den Ausdruck des Spaziozid für das israelische Kolonialprojekt. Ziel sei nicht die Ermordung, sondern die Vertreibung der Palästinenser aus ihrem angestammten Land. Ein Kampf um die Kontrolle des Raumes. Spaziozid bringe deshalb nicht den Begriff der postmortem city mit sich, wie Chris Hables Gray ein Luftbild der Stadt Tokyo kurz nach einem US-Luftangriff im März 1945 bezeichnete, in dem innerhalb weniger Stunden 130 000 Menschen getötet wurden. Die Tötung von Raum, der Spaziozid, ist ein Spektakel, das nur wenig Tote verursacht. 2 Der Krieg um das Heilige Land werde mit Zement und Steinen geführt, mit Baustellenfahrzeugen und Planierraupen, nicht mit Panzern und Raketen - a bulldozer war, wie Christian Salmon nach einem Besuch in Ostjerusalem und den Besetzten Gebieten schreibt. 3 Der untersuchte Jerusalemer Stadtteil Jabel Mukaber bildet die Grenze zwischen israelischem Staatsgebiet und der Westbank. In diesem Mikrokosmos Ostjerusalems, dieser hochmilitarisierten Grenzgeographie, lässt sich der Spaziozid im Kleinen deutlich ablesen: Eine strategische Negation der Entwicklungsbedürfnisse der arabischen Bevölkerung, die Einschränkung der Mobilität und die ständige Bewachung durch Militäreinrichtungen sowie die gezielte Förderung und Positionierung jüdischer Bauvorhaben zerstören gezielt den Lebensraum des ehemaligen palästinensischen Dorfes. 152
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4 — Etan Felner, A Policy of Discrimination, BeTselem, Jerusalem, 1995, S. 10
5 — Eyal Weizman, Sperrzonen - Israels Architektur der Besatzung, Nautilus, Hamburg, 2008, S. 61
6 — Wendy Pullan, Jerusalem: The Cost of Failure, Clatham House, London, 2010, S.39
7 —Eyal Weizman, Sperrzonen – Israels Architektur der Besatzung, Nautilus, Hamburg, 2008, S. 17
Im Zuge des Sechs-Tage-Krieges im Juni 1967 nimmt Israel das Westjordanland und und Ostjerusalem ein. Um vor Angriffen geschützt zu sein, definiert Israel die Stadtgrenzen Jerusalems neu und erweitert das Verwaltungsgebiet der Stadt im Osten um 64 km2. Nicht Städteplaner sondern ein Militärkomitee wird mit der Planung beauftragt. 4 Die Sicherheit der israelischen Bevölkerung und nicht eine urbane Kontinuität spielen hierbei eine Rolle. 28 palästinensische Dörfer, darunter Jabel Mukaber, sowie Teile der Trabantenstädte Ramallah und Bethlehem werden eingemeindet. Die künstliche Grenzziehung unterliegt der demographischen Strategie, möglichst viel Territorium mit möglichst wenig feindlicher arabischer Bevölkerung zu annektieren. Auf das erweiterte Stadtgebiet wird seitdem Gesetz und Gerichtbarkeit des israelischen Staates angewandt. Den arabischen Bewohnern, die zum Zeitpunkt der Stadtvereinigung anwesend sind, wird der Status eines permanenten Bewohners gewährt. Dieser gibt ihnen das Recht in Ostjerusalem zu leben, sich in Israel und der Westbank zu bewegen, sie haben Anspruch auf Sozial- und Krankenversicherungen sowie eine Arbeitserlaubnis. Sie zahlen regulär Steuern. Sie dürfen kommunal wählen, allerdings nicht auf nationaler Ebene am politischen Leben Israels teilnehmen. Um diesen Status zu behalten, müssen die Araber nachweisen, dass sich ihr Lebensmittelpunkt in Ostjerusalem befindet. Ein längerer Aufenthalt außerhalb lässt ihren Status verfallen und sie verlieren ihr Recht zurückzukehren. 5 Trotz aller israelischen Deklarationen, Jerusalem sei die ewige und vereinte Hauptstadt Israels, bleibt die Stadt eine klassische geteilte Stadt: umstritten von zwei Völkern, ethnisch religiös, sprachlich geteilt durch materielle und immaterielle Grenzen. 6 Viele Bewohner leben ihr Leben lang in Jerusalem ohne sich aus dem Westen oder dem Osten der Stadt heraus zu bewegen. Kontakt zwischen Arabern und Juden findet nur selten statt. Ein staatliches, jüdisches sowie ein privates arabisches System von öffentlichem Nahverkehr bedienen die unterschiedlichen Teile Jerusalems. Es gibt zwei Schulsysteme, selbst Strom und Wasser werden von unterschiedlichen Anbietern geliefert. Ein Land, zwei Völker. Während die Grüne Linie zwischen 1948 und 1967 noch eine eindeutige räumliche Grenze definierte, hat sich die heutige Trennung in ein komplexes, vielschichtiges, dreidimensionales System verwandelt. 7 Der politische Konflikt hat deutliche Spuren in der urbanen Struktur Jerusalems hinterlassen. Die Trennung von Ostund Westjerusalem entlang der ehemaligen Waffenstillstandsgrenze ist morphologisch noch heute klar erkennbar. Ostjerusalem hat sich seit 1967 weder in sich, noch mit Westjerusalem zu einem kontinuierlichen Stadtgewebe entwickelt. Der Teil der Stadt hat sich zu einem strukturell stark fragmentierten, zerklüfteten Raum entwickelt, geprägt durch ein unmittelbares Nebeneinander formeller 153
Nach Henri Lefebvre wäre der Stadtteil JABEL MUKABER, wie jeder soziale Raum, räumliches Produkt eines spezifischen Beziehungsgeflechts verschiedener Akteure mit verschiedenen Interessen und Motivationen. SPAZIOZID hingegen produziert keinen Raum, er tötet ihn. Eine antiurbane Militärstrategie, die gezielt Lebensräume zerstört. Spaziozid führt zu einer Enträumlichung, zum Verlust der Identifikation mit der Heimat. Bereits 50000 palästinensische Jerusalemiten haben israelisches Staatsgebiet verlassen. 18 VOLUNTARY TRANSFER 19 ist die offizielle Bezeichnung dieser Auswanderungsbewegung, ein Euphemismus für die permanente Unterdrückung die in der Verdrängung der arabischen Bevölkerung, im Exodus mündet.
18 — Wendy Pullan, The space of contested Jerusalem, in Jerusalem Quarterly, Issue Nr. 39 19 — Aree Makdisi, Palestine Inside Out - An Everyday Occupation, Norton & Company, New York, 2010
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»For your safety: Bagagge left unattended will be REMOVED and destroyed «
Susanne Jany
ZUM FLUGHAFEN ALS GEFAHRENRAUM
Wenn Sicherheit bedrohlich wird
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Abb. 1
Die Reihendurchleuchtung sowohl von Mensch als auch Gepäck ist ein massenhaftes Verfahren, um einzelne Gefährder zu identifizieren. Es basiert ebenso wie das Profiling auf einem Generalverdacht, der zunächst alle Subjekte als verdächtig erklärt, um sie dann über den Beweis der Ungefährlichkeit wieder zu entlasten. Der medizinische Hintergrund der Detektionspraxis hat sich ebenfalls im sicherheitstechnischen Fachvokabular erhalten: „Sterilitäten” zu erzeugen heißt, mittels Kontrollen und Durchsuchungen gesicherte, „sterile” Zonen von ungesicherten, „nicht-sterilen” Zonen zu differenzieren und dadurch allgemeine Sicherheit herzustellen. Unabhängig vom militärischen Kontext, der die reihenhafte Durchleuchtung als kriegsvorbereitende Praxis erkennbar werden lässt, hat das massenhafte Röntgen am Flughafen auch andere, offensichtlichere Unsicherheiten erzeugt. Die Strahlenbelastung beim Röntgenverfahren ist besonders zu Beginn der 1970er Jahre ein vieldiskutiertes Thema, über dessen Gefährdungspotential sich anfangs auch die Experten nicht einig sind. Die Debatten reichen dabei von Vorschlägen, die Röntgenapparaturen auch zur Durchleuchtung von Personen zu nutzen, über Unklarheiten hinsichtlich der strahlenbedingten Gefährdung von Passagieren, Mitarbeitern und Filmmaterial im Handgepäck bis hin zum Vorschlag, die Sicherheitsleute an US-amerikanischen Flughäfen zum eigenen Schutz mit Ausweisen auszustatten, die Strahlenwerte registrieren. 166
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Abb. 1 & 2 — Militärpräsenz auf dem Flughafen London Heathrow, Januar 1974. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Hounslow Library Local Studies Collection (Fotografien von The Middlesex Chronicle).
TERRORISIERUNG
11 — Vgl. Walter Laqueur: Terrorismus, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1982, S. 12
Terrorismus ist eine Methode, die ins 19. Jahrhundert zurückreicht und seitdem von sehr unterschiedlichen politischen Gruppierungen eingesetzt wird, um mittels Gewalt gegen Regierungen und Bevölkerungen Protest zu äußern und politische Änderungen zu erzwingen.11 Terroristische Akteure entwickeln ihre subversiven Potentiale im Verborgenen, um sie dann umso zufälliger, unvorhergesehener und wirkungsvoller zum Einsatz kommen zu lassen. Dadurch stellen sie ein Bedrohungsszenario her, das ebenso zur Wirkkraft des Terrorismus gehört wie das eigentliche terroristische Attentat in seiner vollen Destruktivität. Gerade die Latenz terroristischer Gefahr ist es, welche die Politik nötigt, derart umfassende Sicherheitsmaßnahmen durchzusetzen. Schließlich muss der Schutz nicht nur im Ernstfall garantiert, sondern ständig und möglichst uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Ein genauerer Blick auf die Sicherheitspraktiken gibt zu erkennen, dass diese sich in nicht unerheblichem Maße auf die genannten terroristischen Prinzipien stützen. Dies betrifft zunächst die Informationspolitik der Sicherheitsbehörden, die in weiten Teilen auf Geheimhaltung setzt. Die sicherheitsrelevanten Dokumente der 1970er Jahre für London Heathrow etwa unterliegen dem politi167
ergeben sich nicht nur aus der Erfahrung des Flughafens als eines für terroristische Anschläge gefährdeten Raums. Viel bedrohlicher erscheinen mitunter die teils drastischen und intrusiven Sicherheitsmaßnahmen, denen sich der Fluggast nicht entziehen kann. Bemerkenswert ist, dass sich diese Form der Verunsicherung von der eigentlichen Gefahrensituation löst, denn ihren primären Ursprung hat sie nicht mehr im Terrorismus, sondern im Sicherheitsapparat, der auf den Terrorismus reagiert.
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Mass Protest & Mass Ornament
Abb. 1
Scott Sørli
“There is no document of civilization that is not also a document of barbarism.” 1
1 — Walter Benjamin, “Theses on the philosophy of history” in Walter Benjamin and Hannah Arendt, Illuminations, Schocken Books, New York, 1986, p. 256
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Abb. 1 — The Battle of Stalingrad. German Federal Archive Image 183-B22081 of August 1st, 1942
Encirclement is the military strategy of arranging troops to surround and isolate an enemy force. Duration is the temporal constituent of encirclement that permits the delivery of a condition of supply depletion. This can be understood as the delivery of absence, a throttling of supply, the opposite of a delivery of excess. This uneven distribution of supply and demand is corporatist. General disregard for civilian casualties is another constituent of encirclement. The Battle of Stalingrad lasted from August, 23rd 1942 until the February, 2nd 1943 with nearly two million deaths due to hunger, illness and exposure, as well as the more conventional mechanical and technological means. The German word for military encirclement (which will be useful for our etymology) is Kesselschlacht, literally ‘cauldron battle.’ The aerial view from the bombing bay was a new way of seeing the city.
“Man can be in ecstatic contact with the cosmos only communally. It is the dangerous error of modern men to regard this experience as unimportant and avoidable, and to consign it to the individual as the poetic rapture of starry nights. It is not; its hour strikes again and again, and then neither nations nor generations can escape it, as was made terribly clear by the last war , which was an attempt at a new and unprecedented commingling with the cosmic powers. Human multitudes, gases, electrical forces were hurled into the open country, high frequency currents coursed through the landscape, new constellations rose in the sky, aerial space and ocean depths thundered with propellers, and everywhere sacrificial shafts were dug in 172
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2 — Walter Benjamin, “One Way Street” in Peter Demetz, Reflections: essays, aphorisms, autobiographical writing, Schocken Books, New York, 1986, p. 93
3 — Oskar Negt and Alexander Kluge, Public sphere and experience: toward an analysis of the bourgeois and proletarian public sphere, University of Minnesota Press, Minneapolis, 1993, p. 9
Mother Earth. This immense wooing of the cosmos was enacted for the first time on a planetary scale, that is, in the spirit of technology. But because the lust for profit of the ruling class sought satisfaction through it, technology betrayed man and turned the bridal bed into a bloodbath.” 2 Military encirclement, aerial bombardment, and supply depletion are not new ways of experiencing the city. Nor is the betrayal of man by technology because of a lust for profit.
“…one has to accept the fact that the state is in occupation of the public sphere and the rebel is not…” 3 Police kettling is a recent cultural-spatial phenomenon in which the police use a line of their bodies to encircle and hold in place several hundred people over an extended duration of time.
Abb. 2 — Police terror against anti-nuclear activists: 800 people kettled in one day. Hamburg Heiligengeistfeld June, 8th 1986 nadir.org/nadir/ initiativ/sanis/archiv/ brokdorf/kap_06.htm Retrieved 2012-03-18
The earliest well documented police kettle occurred in Hamburg on June, 8th 1986 on over 800 people, lasting up to thirteen hours. Despite requests, no washroom breaks during were permitted. The Hamburg police report noted of the 838 people taken into custody, there were 22 arrests, leading to 15 investigations, 7 of which were for illegal assembly. The protesters were protesting the state withdrawal of the right to protest. Eingekesselt is German for ‘surrounded,’ or ‘encircled,’ – ‘en-cauldrened.' 173
While gas warfare violates the Geneva Protocol, teargas, pepperspray, and other atmospheric media continue to be commonly deployed domestically. Negative emotions of those kettled include anger, fear, anxiety, dread, despair. Because of the indiscriminate nature of police kettling, it is an example of collective punishment. As the roll out of economic austerity programs continues to be implemented by the political class with similar lack of discrimination (against the middle and lower classes, in any case) repressive techniques such as kettling that deploy the aesthetic transmission of affect are expected to increase, intensify and mutate. As Benjamin writes in his Artwork essay:
“Efforts to aestheticize politics culminate in one point. That one point is war.” 21
21 — Walter Benjamin, “The work of art in the age of its technological reproducibility” in Walter Benjamin, Michael W. Jennings and Brigid Doherty, The Work of Art in the Age of Its Technological Reproducibility, And Other Writings on Media, Harvard University Press, Cambridge, Mass., 2008, p. 121-122. The earlier version of the essay is Walter Benjamin, “The work of art in the age of mechanical reproduction” in Walter Benjamin and Hannah Arendt, Illuminations, Schocken Books, New York, 1986, p. 242
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BUCHREZENSION
PAUL VIRILIO Der große Beschleuniger Welches Maß an Beschleunigung verkraftet die Realität? Auf diese knappe Frage lässt sich das Anliegen in Paul Virilios neuem Essay DER GROSSE BESCHLEUNIGER vielleicht am besten zurückführen. Virilio, französischer Architekt, Stadtplaner und Schriftsteller, nimmt einmal mehr das Missverhältnis, zwischen fortschrittsorientierter Zeitproduktion und unserem natürlichen Zeitrhythmus ins Visier. Sein Essay gliedert sich in drei übersichtliche Abschnitte, von denen sich die ersten beiden mit Grundfragen zum Thema befassen und sich thematisch auf DIE VERWALTUNG DER ANGST – ein Gespräch zwischen Virilio und Betrand Richard – beziehen lassen. So beginnt er, vereinfacht gesagt, mit einer komplexen Betrachtung zur Verschiebung der Zeitproportionen: Das Phänomen Zeit, das spätestens seit Giedions SPACE, TIME & ARCHITECTURE Eingang ins architektonische Denken und Handeln fand, gipfelt bei Virilio in einem „rasenden Stillstand“. Bezugnehmend Joseph Roth, stellt der Autor treffend fest, dass mit dem sogenannten INTERNATIONAL STYLE die Auflösung des Privaten eingesetzt habe; dass „sich die Vitrine dazu anschickte, ein Glashaus zu werden, das seine Bewohner jeglicher Intimität beraubt und sie jedermanns Blicken aussetzt und überbelichtet.“ Die Verhältnismäßigkeit von Zeit und Raum zum Menschen 187
bildet die Quintessenz im Schlussteil. Virilio sieht sie in einer Extremarchitektur verkörpert – dem ringförmigen Teilchenbeschleunigers LARGE HADRON COLLIDER LHC des CERN in der Nähe von Genf. Hier entdeckt Virilio ein Prinzip der Beschleunigung, das sich auch auf gesellschaftlicher Ebene abzuspielen scheint. Die unheimliche Beschleunigung der Zeit in der Technik, auf medialer Ebene oder im Bereich der Mobilität, kollidiert mit dem natürlichen Gefühl für Zeit. Die permanente und scheinbar unausweichliche Beschleunigung hat sich schon seit längerem ausgeweitet und ist nicht mehr allein in der Technik und den Wissenschaften zu Hause. Sie ist – ähnlich wie es die Futuristen um Marinetti vor einem Jahrhundert manifestiert hatten – zum essentiellen Bestandteil unseres Lebens geworden. Und daran reibt sich Virilios zum Teil polemische Kritik, die mit überraschenden wie unberechenbaren Wendungen aufwartet und gerade deshalb etliche Anknüpfungspunkte für eine kritische Reflexion des Themas bietet. DER GROSSE BESCHLEUNIGER ist vielleicht kein großer Wurf Virilios aber eine lesenswerte Lektüre, für die man sich durchaus Zeit nehmen kann. — MR
Herausgegeben von Peter Engelmann und aus dem Frz. übersetzt von Paul Maercker, Wien: Passagen Verlag, 2012 ISBN 9783709200261, 11,90 EUR
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BUCHREZENSION
KATJA KULLMANN Rasende Ruinen – Wie Detroit sich neu erfindet
„Manche (vor allem Leute, die nicht in Detroit wohnen) empfinden einen lustvollen Grusel beim Anblick der zerfallenen Gebäude.“ Katja Kullmann nimmt den Leser mit auf ihre Reise in die Stadt in den Vereinigten Staaten, welche als die am härtesten von den verschieden Krisen getroffene gilt. Das „Shithole“ wie sie von manchen Einheimischen genannt wird besitzt den Ruf die gefährlichste und heruntergekommenste Großstadt der USA zu sein, jedoch wird ihr seit kurzem nachgesagt, dass nächste Berlin zu werden. Katja Kullmann untersucht diese Vorurteile und Prophezeiungen indem sie einen sehr persönlichen Einblick gewährt in die Schicksale verschiedener Bewohner von Detroit. Ihr Bericht der Reise beschäftigt sich mit Charakteren 189
wie der jungen Designerin Veronika Scott oder den Gründern der Underground Resistance, welche als Urväter des Techno gelten. Sie zeichnet durch ihre Gespräche und sehr aufschlussreichen Beschreibungen des urbanen Umfeldes, ein persönliches und doch bemerkenswert informationsreiches Bild einer Stadt, die dank ihrer Bewohner die Hoffnung nicht aufgibt und sich neu erfindet. Man hat nach der Lektüre Lust sich selbst ein Bild zu machen. RASENDE RUINEN bietet die perfekte Grundlage sowohl für eine weiterführende Untersuchung der Stadt Detroit als auch einfach eine spannende Geschichte für die Lesefreude. — JM edition suhrkamp digital Suhrkamp Verlag Berlin 2012 ISBN 978-3-518-06218-0
Further Reading Beyond Shelter: Architecture and Human Dignity Marie Jeannine Aquilino Metropolis Books, 2011 ISBN 978-1-935202-47-9
Exit-Architecture. Design Between War and Peace Stephan Trüby und Robert Payne Springer Vienna, 2008 ISBN 3211779698
Architecture and Violence Bechir Kenzari Actar, 2011 ISBN 84-92861-73-8
MSC Maximal Stress Cooperation: The Driving Force of Cultures Heiner Mühlmann Springer Vienna, 2010 ISBN 3211256784
Imperfect Health Giovanna Borsari Montreal, CCA, 2012 ISBN 978–1–927071–01–4 (gebunden) Lars Müller Publishers, 2012 ISBN 978-3-03-778279-8 5 Codes - Architektur, Paranoia und Risiko in Zeiten des Terrors IGMADE, Gerd de Bruyn, Stephan Trüby, Daniel Hundsdörfer Birkhäuser, 2006 ISBN 3-7643-7597-3
Sperrzonen. Israels Architektur der Besatzung Eyal Weizman Edition Nautilus, 2008 ISBN 978-3-89401-605-0 Territories: The Frontiers of Utopia and other Facts on the Ground Anselm Franke und Eyal Weizman König, 2004 ISBN 3-88375-839-6
The Architectural Uncanny: Essays in the Modern Unhomely Anthony Vidler MIT Press, 1992 ISBN 0262720183
Enduring Innocence: Global Architecture and Its Political Masquerades Keller Easterling MIT Press, 2005 ISBN 0-262-05079-X
Bunker Archeology Paul Virilio Princeton Architectural Press, 2008 ISBN 978-1-568-98015-7
Domesticity at War Beatriz Colomina Actar Editorial, 2006 ISBN 8496540111
Architecture of Fear Nan Ellin, Edward James Blakely Princeton Architectural Press, 1997 ISBN 1-568-98082-5
Reinheit und Gefährdung Mary Douglas Suhrkamp, 1988 ISBN 351828312X
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IMPRESSUM HORIZONTE - Zeitschrift für Architekturdiskurs 3. Jahrgang /Ausgabe 02 © horizonte | 2013 ISSN 2190-5649
Herausgeber
Schriften
Studentische Initiative horizonte Bauhaus-Universität Weimar Haus der Studierenden Marienstraße 18 D-99423 Weimar www.uni-weimar.de/horizonte/
Korpus Regular/Italic - www.binnenland.ch mit freundlicher Genehmigung des Autors BP Suisse Int‘l Medium & Regular
Auflage 700
horizonte@archit.uni-weimar.de
Preis
Redaktion
Deutschland 8,50 EUR Europa 9,50 EUR Schweiz 12,50 CHF Denmark 70 DKK United Kingdom 8,50 GBP USA $13,50
Jonas Malzahn (V.i.S.d.P.) David Bauer, Frederike Lausch, Konrad Angermüller, Konrad Lubej, Marco Rüdel, Martin Pohl, Charlotte Samtleben, Tom Erdmann
Redaktionsassistenz
Rechte
Dorothea Külbel, Vitus Gerlach
Die Redaktion behält sich alle Rechte, inklusive der Übersetzung und Kürzung vor, Das Verwertungsrecht der Beiträge verbleibt bei den Autoren. Ein auszugsweiser Nachdruck ist mit Genehmigung der Urheber und mit Quellenangabe gestattet. Ein Nachdruck von Photographien und anderen Abbildungen ist nicht gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Photographien wird kein Gewähr übernommen. Ein Autorenhonorar kann nicht gezahlt werden.
Design, Layout & Satz Jan Ziegner, Manuel Birnbacher
Übersetzung Illiana Hauptmann, Diljana Daskalova
Kommunikation und Vertrieb Julia Hemkes, Kathrin Hertle, Stella Simon
Beiträge von Marc Bonner, Guillem Carabí & Mònica M. Boix, Roberto Costa, Gerd de Bruyn, Michael Hirschbichler, Susanne Jany, Israel Lopez Balan, Charlotte Malterre-Barthes, Nicolas Oxen, Tim Peeters, Charlotte Pfrommer, Scott Sørli, Charlotte Samtleben, Das Schmott, Gordon Selbach & The Hamlet, Katrin Steiger & Ina Niehoff, Visiondivision
Druck, Bindung und Veredelung Jörg von Stuckrad, Druckwerkstatt der Bauhaus-Universität Weimar Buch- und Kunstdruckerei Kessler, Weimar Buchbinderei Weispflug, Großbreitenbach
Die Redaktion hat versucht für alle Abbildungen, die in dieser Ausgabe verwendet wurden, die Rechteinhaber zu kontaktieren, dies war leider nicht für alle möglich. Wenn sie Anspruch auf das Urheberrecht von Abbildungen in dieser Ausgabe besitzen und von uns nicht ausreichend erwähnt worden sind, dann melden sie sich bitte bei uns. Wir werden dies dann in der folgenden Ausgabe richtig stellen.
Danksagung Horizonte dankt allen Autoren und Beteiligten für die Unterstützung bei der Arbeit an der sechsten Ausgabe. Wir danken der Bauhaus-Universität Weimar, der Universitätskommunikation und dem Studierendenkonvent StuKo. Wir freuen uns über Anmerkungen und Kritik und vor allem über Einreichungen Unterstützung für die nächste Ausgabe in schriftlicher, ideeller oder finanzieller Form.
Papier Graukarton-Silberschrenz 350g Munken Print Cream 15 90g
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