In diesem Semester, im Winter 2012/2013 geht die Vortragsreihe horizonte an der Bauhaus-Universität Weimar in ihr vierzigstes Semester. 1992 entstand die studentische Initiative in der unmittelbaren Nachwendezeit aus Mangel an Materiellem, dafür aber einem Reichtum an Ideen. Seither veränderte sich mit dem vielbeschworenen »Ende der großen Erzählungen« die Welt; auch die der Architektur: das ›Computer Aided Design‹ hat das Reißbrett verdrängt, der ›Iconic Turn‹ den ›Spatial Turn‹ abgelöst, ein ›Kritischer Pragmatismus‹ heute wiederum den bedingungslosen Glauben an die suggestive Kraft der (leeren) Bilder. Die Hochschule für Architektur und Bauwesen (HAB) von damals existiert heute nicht mehr. Horizonte aber hatte Bestand und wurde seither von mehreren Generationen Studierender geprägt, hat durch ihr Programm wiederum prägende Eindrücke hinterlassen. Mithin ist weder die heutige Bauhaus-Universität, noch horizonte, noch die Architektur dieselbe. Ausrichtung und Ausgestaltung der Vortragsreihe änderten sich fortwährend, immer aber, so lässt sich retrospektiv feststellen, hat sich horizonte die Diskussion über Architektur zum Ziel gesetzt. Der Ursprungsgedanke, den Diskurs, neue Ideen und Konzepte nach Weimar zu holen, wie ihn Martina Prokop für die Anfangszeit beschreibt, zieht sich wie ein roter Faden durch diese Zeit. Dass EDITORIAL
das Architekturstudium eben nicht als Ausbildung, sondern als Entwicklungsmöglichkeit zur Herausbildung einer eigenen Haltung zu verstehen wäre, wie es Raimund Abraham in seinem Vortrag 1995 beschreibt, entspricht diesem Ziel. Die Notwendigkeit, den Blick gleichsam hinter den Horizont zu richten, hatPeter Cook für zwingend befunden. Entsprechend waren keineswegs nur Architekten, sondern auch Künstler oder Designer, wie der Grafiker Kurt Weidemann Gäste bei horizonte. In der jüngsten Zeit hat die Initiative versucht, die vor Ort geführten Debatten auch über Weimar hinaus zu tragen. Mit der Zeitschrift für Architekturdiskurs – HORIZONTE ist aus der Vortragsreihe ein Format hervorgegangen, das durch inhaltliche Rückkopplung aus der Symbiose, oder oftmals gar der Identität von Vortragsorganisierenden und Redaktion neue Dynamik in die Initiative bringt. Die in dieser Jubiläumsbeilage versammelten Vorträge, die Interviews und Bilder aus 20 Jahren können selbstverständlich keinen umfassenden, sondern nur einen schlaglichtartigen Blick auf die Entwicklung horizontes werfen. Wie die Reihe selbst spiegelt diese Auswahl – wenn überhaupt – noch die individuellen Interessen der Kurator/innen, der vorangegangenen, der aktuellen und nachfolgenden HorizontlerInnen.
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(23. Juli1933 – 4. März 2010)
Der österreichische Architekt Raimund Abraham (1933-2010) darf wohl mit Recht als der, oder zumindest einer der Architekturlehrer überhaupt gelten. Nach über vierzigjähriger Lehrttätigkeit, die längste Zeit an der New Yorker Cooper Union, starb er 2010 bei einem Verkehrsunfall – unmittelbar nach einem Vortrag am SCI-Arc. Er ist einer jener Gäste der frühen Jahre, dessen Werk und Wort die Arbeit der Initiative auch weiterhin geprägt haben. In seinem Vortrag berichtet Abraham von so genannten ›Star-Architekten‹, dem Denken und Machen von Architektur und fordert die Auseinandersetzung mit dieser und nicht zuletzt mit sich selbst.
Raimund Abraham 18. April 1994
Das Programm der Menschlichkeit.
--Ob Geschichten wahr sind, ist mir nicht so wichtig. Da ist zum Beispiel die einer Delegation afrikanischer Stammeshäuptlinge, die nach London kamen. Die wurden dort durch die Flughafenhalle geführt, als sie sich plötzlich im Kreis niedergesetzt haben. Auf Fragen worauf sie denn warteten, erklärten sie, dass die Seele länger brauche als das Flugzeug. Das Auto ist zwar etwas langsamer als ein Flugzeug, aber hätte ich im Hilton auf meine Seele gewartet, wäre sie wahrscheinlich noch nicht da. [Lachen]
Ich weiß nicht ob Sie das wissen, aber Heike [Büttner, d. Red.] hat mir erzählt, dass die Studenten mich im Hilton unterbringen wollten. Wahrscheinlich hatten sie Angst mich in einem Hotel einzuquartieren, in dem auch der Hitler schon einmal gewohnt hat. [Lachen]
Aber das kann ich nicht glauben. Es wäre nicht das erste Hotel, in dem der Hitler gewohnt hat, in dem ich wohne. Sehr wohl aber wäre es das Erste, in dem der Thomas Mann gewohnt hat. [A. spricht vom Hotel Elephant; das Hilton liegt weiter außerhalb.] IV
Über solche Kleingeschichten will ich mich dann zur Architektur vorarbeiten. Ich komme gerade von einer intensiven Architekturdiskussion und muss mich noch ein bisschen erholen. [Lachen]
Sagen wir es mal so: meine Seele ist etwas angeschlagen und ich muss Ihnen sagen: wenn meine Freundschaft zur Heike nicht wäre, hätte ich diesen Vortrag heute abgesagt. Gestern wollte ich weder eine Studentin, noch einen Lehrer, noch eine Schule sehen. Der Grund dafür war, dass – ich muss jetzt ein bisschen ausholen – ich auf der Insel Hombroich bei Düsseldorf war. Dort gab es unter den Reichen einen Visionär, der eine Stiftung für seine Kunstsammlung ins Leben gerufen und vom Heerich [Bildhauer Erwin Heerich, d. Red.] entwerfen und bauen lassen hat. Inzwischen hat dieser Reiche auch eine ehemalige Raketenstation erworben und den Siza, den Tadao Ando und mich eingeladen dort Interventionen zu machen. Der Grund meines Aufenthaltes hier ist, dass wir, der Ando, der [unverständlich]
und ich eingeladen wurden, Vorträge zu halten. Ich hatte mich eigentlich gefreut, den Ando wiederzusehen, seine neuen Arbeiten zu sehen. Nachdem ich mir nie Architekturzeitschriften anschaue, wusste ich nicht, wie sich seine Arbeit entwickelt hat, aber das war nicht so sehr der Grund meiner Besorgnis: das waren die Studenten. Der Ando hat einen Vortrag gehalten wie sie üblich sind und das hat mich nicht erstaunt. Mich hat auch letztlich nicht erstaunt wie schlecht die Arbeiten geworden sind, aber ich will jetzt auch nicht … – also: das ist sein Problem, nicht mein Problem. Nach dreißigjähriger Lehrtätigkeit scheint es aber mein Problem zu sein, mich mit Studenten zu identifizieren. Aber dieser Vortrag: ich glaube es kam nicht ein philosophischer Gedanke, aber es kamen sehr viele Gebäude vor. Dazwischen waren japanisch-humoristische Bemerkungen, die darin gipfelten, dass er einen Schnitt durch das Gebäude seines Büros gezeigt und erklärt hat, dass im unteren Geschoß, da wo kein Licht ist, seine Studenten arbeiteten. Er arbeitet mit Studenten und die arbeiteten dort unten und dürften ab und zu hinauf ins Licht. Das wurde dann mit
ich behaupte, dass die disziplin der architektur nicht den disziplinen der visuellen künste nahesteht, sondern der disziplin der strukturellen künste: der liter at u r o d e r d e s s c h r e i bens, der musik, oder des schreibens der musik und des films.
schallendem Gelächter und tosendem Applaus bedacht und plötzlich lief es mir eiskalt über den Rücken – plötzlich waren das Studenten, wie ich sie nicht kannte. Ich will das nicht verallgemeinern, aber es waren immerhin sehr viele Studenten dort. Mich hat das an etwas anderes erinnert: ich glaube ich war fünf Jahre alt und hatte schon geschlafen, wurde aufgeweckt, bin dann zum Fenster und sah Menschenmassen – soweit eine Kleinstadt Menschenmassen zulässt. Diese Menschen haben gewartet und sie haben gewartet auf ein Flugzeug, das den Führer – es war 1938 – quer durch, quer über Österreich geflogen hat. Wir haben auf etwas gewartet, das eigentlich ein Nymbus, etwas Unangreifbares war, aber etwas, das man bewundern konnte. Das war es eben, was ich wiederum fühlte. Es war nicht so sehr, was Ando sagte, was er zeigte sondern was er war – und er war: ein weltberühmter Architekt. Ich habe 30 Jahre meines Lebens dazu verwendet den Studenten zum Widerstand aufzufordern. Das heißt zum Widerstand gegen genau diese Nymbus, einen Widerstand gegen die Gurus, einen Widerstand gegen mich selbst. Deshalb war das was für mich ein Moment der Erschütterung. Ich hoffe, dass es nur ein Moment war und ein Moment bleiben wird; ich vergesse schnell. Jetzt möchte ich ein ganz kurzes Zitat eines großen, des vielleicht nach Nestroy größten österreichischen Zynikers, Thomas Bernhard, vorlesen. Es setzt sich mit genau dem auseinander, was kritisch ist, wenn man über seine Arbeit spricht: »Viele Ideen werden zu Missbildungen, die dann das ganze Leben nicht mehr auszumerzen sind«,
Vortrag Raimund Abraham 18. April 1994
sagte er, die Ideen erstaunten einen oft nach Jahren, machten aber immer den, der sie gehabt hat, früher oder später lächerlich. Aber die Ideen kämen aus einem Reich, das sie doch niemals verließen, blieben immer in ihm, in diesem Reich, Ideen, im Reich der Träume. Es gibt ja keine Idee, die sich auslöscht, die ausgelöscht werden könnte. Die Idee ist wirklich und bleibt es. Über das möchte ich heute reden. Obwohl alles, was ich über meine Arbeit, über meine theoretische Position zu sagen habe, mit meiner Arbeit an sich nichts zu tun hat. Die Arbeit entsteht in einer anderen Welt. Sie entsteht in der Einsamkeit des eigenen Ateliers und sie wird erst dann öffentlich, wenn ich eine Zeichnung von meinem Tisch herunternehme und an die Wand hänge. Das ist der kritische Moment, in dem die Zeichnung nicht mehr V
e s wa r n i c h t s o s e h r , wa s a n d o s a g t e , wa s e r z e i g t e , s o n d e r n wa s e r wa r – u n d e r w a r : e i n w e l t b e r ü h m t e r architekt. ich habe 30 jahre meines lebens dazu verwendet, den studenten zum w i d e r s ta n d a u f z u f o r d e r n . d a s h e i s s t , z u m w i d e r s ta n d g e g e n g e n a u d i e s e n y m b u s , e i n e n w i d e r s ta n d g e g e n d i e g u r u s , e i n e n w i d e r s ta n d g e g e n m i c h selbst.
mir gehört. Wenn ich über meine Zeichnung und über meine Arbeit spreche, spreche ich also als Außenstehender. Darum will ich Sie warnen, dass theoretische Behauptungen letztlich nicht anwendbar sind. Auf der Raketenstation hatte ich da einmal ein schönes Erlebnis: Der Heerich hat die Gebäude für die Insel Hombroich im architektonischen Konzept entwickelt. Er hat gestern auch einen Vortrag gehalten und, wie es viele Bildhauer tun, behauptet, dass Architektur aus der Bildhauerei kommen müsse um Kunst zu sein. Ich bin auf dieses Argument fast allergisch. Aber – und ich werde später auch darüber sprechen – was für mich interessant war ist, dass seine Theorie meiner Überzeugung nach falsch, seine Bauten aber richtig waren. Das heißt, er konnte eine falsche Theorie in Architektur umsetzen. Ich glaube es sind mit die schönsten Ausstellungsräume – nicht alle, aber einige davon – die Schönsten, die ich kenne. In diesem Zusammenhang könnte ich dann auch langsam zu meinen Positionen in der Architektur übergehen: Ich behaupte, dass die Disziplin der Architektur nicht den Disziplinen der visuellen Künste nahesteht, sondern der Disziplin der strukturellen Künste: der Literatur oder des Schreibens, der Musik, oder des Schreibens der Musik und des Films. Diese sind Sprachen, die aus kleinsten Elementen gebaut sind. Ich hatte gerade einen empirischen Beweis: ich spielte in all den Stunden auf der Autobahn Mozarts Klaviersonaten von Pugno und plötzlich wurde mir diese Analogie zwischen Inhalt Syntax der Musik klar: Wenn die Melodie sich der Syntax fügt, das heißt wenn sich in der Architektur die Nutzung letztlich der Form fügt, wird diese zur Architektur und jene zur Musik. Das Faszinierende an dieser Analogie ist, dass geschriebene Musik aus Punkten und Linien besteht. Es gibt Musiker, die ihre eigene Musik nie gehört haben. Das heißt diese Punkte und diese Striche existieren für sich, sie sind autonom. Ebenso ist in der Architektur die Zeichnung für mich nicht ein Medium um sich zum Bauwerk zu begeben, oder eines der Evolution von der Idee zum Bauwerk. Sondern ich glaube, dass Architektur gezeichnet, geschrieben, in Modellen gebaut und erdacht werden kann. Jede von diesen Realitäten hat andere Voraussetzungen, andere Problematiken und es ist so, dass man im Übergang von der Einen zur Anderen etwas verliert und etwas gewinnt. In dem Zusammenhang möchte ich einen kurzen Text von Vilém Flusser, über die Schrift, lesen:
»Wir verfügen über einen Mythos und zwar einen der grundlegenden Mythen des Westens, der die etymologische Präzedenz des Grabens über das Malen beschreibt. Diesem Mythos zufolge hat Gott sein Ebenbild aus Lehm, hebräisch Adama, geformt, darin seinen Odem eingegraben und daraus den Menschen, hebr. Adam, geschaffen. Wie jeder Mythos ist auch dieser bedeutungsvoll und diese Fülle kann auseinander gefaltet werden, zum Beispiel: Lehm ist das Material, die große Mutter, in welche Gott, der Große Vater, seinen Odem hineintrug, und so sind wir, die begeisterten Materialien aus diesem Beischlaf, entstanden. Es lässt sich, ohne diese Deutung des Mythos zu leugnen, darin der Ursprung des Schreibens erkennen. Der mesopothamische Lehm, von dem der Mythos erzählt wird zu einem Ziegel geformt und so ist die erste Inschrift, der Mensch, geschaffen worden. Deswegen lassen sich diese Deutungen mit anderen kombinieren und führen dann zu bodenlosen und teils esoterischen Interpretationen. Das ist jedoch hier nicht die Absicht. Hier wird der Mythos als Schilderung der Geste des Grabenden ernst genommen. Und was dann? Was tat Gott eigentlich, als er seinen Odem in den Lehm einhauchte? Er hat zuerst seinen Gegenstand, Lehm, in die Hand genommen, dann hat er ihn umgeformt, er hat gearbeitet und schließlich hat er ihn formiert. Er hat Formen in ihn gegraben. Wir wissen freilich, dass damit die Sache noch nicht erledigt war. Er hat nämlich den deformierten Ziegel gebrannt, um ihn zu härten. Davon erzählt zwar nicht der hier besprochene Mythos aber jener, der von der Vertreibung aus dem Paradies handelt. Das vorbereitende Begreifen und Arbeiten kann aus den folgenden Überlegungen ausgeklammert werden, denn es geht hier nicht um die Beschreibung. Was hier interessiert, sind das Informieren und das Brennen. Informieren ist eine negative, gegen den Gegenstand gerichtete Geste. Diese VI
Geste eines jeden Objektes vorgeben Subjekte sie gräbt Löcher in Gegenstände, sie gräbt Löcher des Geistes. In die füllt er die sich selbst erfüllenden Dinge, damit diese Dinge die Welt nicht bedingen mögen. Es ist die Geste des SichBefreien-Wollens vom sturen Widerstand, die die Gegenstände dem Subjekt bieten. Das grabende Schreiben ist immer eine informierende Geste der Absicht, es aus dem Kerker der Bedingungen zu brechen. Das heißt Ausbruchsschächte in die uns einkerkernden Mauern, Mauern der objektiven Welt zu graben.«
Ich hasse Geschichte, das heißt die aufgezeichnete Geschichte, die aufgehäufte Geschichte. Die Geschichte, die uns dieses Wohlbehagen des Wissens bietet. Für mich ist Geschichte eine Möglichkeit durch die Zeit zu schneiden, durchzudringen zu den Zeiten und Räumen des Unbekannten; zu einer Zeit von der man ahnt, dass in ihr die ersten Ereignisse zu den Disziplinen der Kunst entstanden sind. Und deshalb ist es für mich wesentlich, eine Sensibilität zu entwickeln und zu fördern, die sich mit diesen Ereignissen auseinandersetzt. Das heißt, ich muss zuerst ein Loch graben und einen Hügel aufschütten, bevor ich die Form dieses Loches und die Form dieses Hügels bestimme. Das Ereignis ist eine Verletzung eines Ortes, ein Ritz in der Erde ist bereits eine entscheidende Veränderung des Ortes. Ich glaube, man sollte speziell hier daran erinnern: Ihr seid alle noch jung und baut noch nicht – alle die sich, die ihre Seelen dem Bauen verschrieben haben: für die ist es ohnehin schon zu spät. Aber die, die das noch nicht gemacht haben, sollten vielleicht nach Hause gehen, ihre Architekturzeitschriften auf den Müll werfen und vielleicht, ja, Gedichte lesen und sich daran erinnern, wie verletzbar die Erde ist. Dann kann man wieder über das Bauen nachdenken. Ich denke nie in Gebäuden. Meine Arbeit hat sich aus einer Auseinandersetzung mit diesen ursprünglichen Gegebenheiten entwickelt. Einem Phänomen, auf dem meine Arbeit gründet, ist also die Verletzbarkeit des Ortes, die Affinität der Architektur zu den Disziplinen des Schreibens, der Musik und des Films, also zu Sprachen. Ich stelle mir immer vor wie es wäre, wenn sich die Präzision des Schreibens in die Architektur übersetzen ließe. Diese Präzision zu übersetzen ist
das ereignis ist eine verletzung eines ortes, ein ritz in der erde ist bereits eine entscheidende veränderung des ortes. ich glaube, man s o l lt e speziell hier daran erinnern: ihr seid alle noch jung und baut noch nicht – alle die s i c h , die ihre seelen dem bauen verschrieben haben: für die ist es ohneh i n s c h o n z u s p ät .
unmöglich, weil die Verschiebung eines Buchstaben von einem Millimeter den Sinn eines Wortes, eines Satzes, des Lautes und der Stille verändert – aber man müsste diesen Versuch unternehmen. Man müsste versuchen, diesen einen Punkt, der nie erreichbar ist, erreichen zu wollen. Ich habe einen jungen Praktikanten, der Tischler gelernt hat, an der AA in London studiert und jetzt bei mir i c h d e n k e i m m e r 1 : 1 , n i c h t i n k l e i n Modelle baut. Der kann sehr gut mit den Maschinen umgehen u n d g r o s s ; a u c h w e n n i c h g a n z e i n und baut auch ganz schöne Modelle. Am Anfang habe ich k l e i n e s m o d e l l m a c h e , o d e r e i n e nicht so genau hingeschaut, als ich dann aber das erste Mal kleine zeichnung. genau hingeschaut habe, bemerkte ich, dass dort Toleranzen von zwei Millimetern waren. Ich habe ihn auf diese Toleranzen aufmerksam gemacht und er versuchte mir die Ursachen zu erklären, warum es nicht stimmte. Ich habe gesagt: Sie können sich dem Phänomen der Präzision nur nähern, wenn Sie annehmen, dass es null Toleranz gibt. Es gibt natürlich keine null Toleranzen im Holz, aber wenn ein Toleranzfehler eines Millimeters entsteht mit der Sehnsucht die Nulltoleranz zu erreichen, ist es eine andere Toleranz. Das ist sehr eigenartig. Präzision in diesem Sinne hat nichts mit mechanischer Präzision zu tun – die Maschine kann das besser bauen, so wie auch Computerzeichnungen präziser sind. Ich schweife jetzt etwas ab, aber meiner Ansicht nach hat das alles mit dem selben Problem zu tun. Wann immer ich eine Computerzeichnung anschaue, sehe ich Linien, die keine sind. Sie schauen wie Linien aus und die können auch verschwinden, man braucht nur – also ich schaue da meinem Computermann immer zu, wie der das macht: er drückt auf einen Knopf und dann ist alles weg. Wunderbare Gebilde, die ganz schnell entstehen und genauso schnell entschwinden – und in diesem Zusammenhang des Ritzens, des Grabens, fängt es an mit dem Zeichnen. Ich bin kein Zeichner, der Bilder schaffen will. Ich bin ein Zeichner, der konstruiert. Das heißt, ich bin mir völlig bewusst wie schwer meine Hand ist, wie weich das Papier ist, wie hart oder weich die Mine ist. Das macht andere Linien und diese Linien sind – ich denke immer in Architektur – sind für mich immer analog zu einer Karte. Das heißt, wenn ich eine Farbe in meiner Zeichnung verwende, ist das ein Ersatz für Material. Ich denke immer 1:1, nicht in Klein und Groß; auch wenn ich ganz ein kleines Modell mache, oder eine kleine Zeichnung. Das zweite Phänomen, das meine Arbeit bestimmt hat, ist die Kollision, der Zusammenprall, ein dialektischer Zusammenprall unversöhnlicher Elemente. Das heißt weder ›form follows function‹ noch ›function follows form‹ – die wohlbekannten, konventionellen Definitionen der dialektischen VII
Auseinandersetzung von Form und Nutzung. Es gibt keine Form in meinen architektonischen Manifestationen, die sich nicht mit der Nutzung auseinandersetzt. Ich sage sehr wohl auseinandersetzt: das heißt konfrontiert. Das heißt, ich kann diese Nutzung verneinen, aber ich muss mich mit ihr auseinandersetzen. Das ist vielleicht auch symptomatisch für die Moden unserer Zeit. Obwohl es möglich geworden ist, durch die Manipulation der Geometrie – die letztlich nichts anderes als die Idealsprache, die Grammatik der Architektur ist –, äußerst raffinierte und verführerische Gebilde zu schaffen. Die aber natürlich nur als Bilder und als solche, als falsche Fiktionen Eindruck machen und speziell für Studenten sehr verführerisch sind. Denn wenn man das einmal gelernt hat, kann man das sehr gut. So wie auch die, die für die Dekonstruktivisten arbeiten, sehr bald deren Maschen kennen und dann für den Meister sehr gut machen können, was dieser will. Es ist also ein Zauberlehrlingsproblem, das aber natürlich nur dann entsteht, wenn man die echte Alchemie umgeht und falsches Gold macht. Ich möchte jetzt versuchen, nur ganz kurz und sehr im Stakkato durch Fragmente, durch Querschnitte meiner Arbeit zu gehen, in denen diese Auseinandersetzung mit den vorher beschriebenen Phänomenen stattfindet. Zuerst gleich zwei Häuser: das eine ist das Haus ohne Räume, das in den frühen Siebzigerjahren entstanden ist. Dort habe ich versucht Räume zu schaffen, die gegen das Auge gerichtet sind. Das heißt Räume, in denen die unmittelbare Auseinandersetzung des Körpers mit der Architektur einen Raum schafft. Dann ein tektonisches Gebilde, in dem die unmittelbare Auseinandersetzung des Bewohnenden, des Menschen, seiner Figur und seines Körpers, mit der Architektur die Kraft hat, diese tektonische, sehr begrenzte Räumlichkeit zu durchdringen und diese unmittelbaren symbolischen Räume des Bewohnens, des Rituals des Bewohnens direkt in tektonische, architektonische Sprache umzusetzen. Gleichzeitig habe ich versucht zu beweisen, dass in einem tektonischen Ganzen jedes Fragment für sich seine autonome Klarheit und Kraft behält. Das Gegensätzliche daraus ist das Haus für Euklid, das dann drei Jahre später entstand. Hier bewohnt nicht mehr der physische Bewohner das Haus, sondern die Arbeit des Bewohners, die Thesen des Geometers. Ein Haus, das deshalb auch nicht gegen das Wetter schützen muss; also alle diese Kräfte vernachlässigt, mit denen wir ringen, um die Gebäude in Architektur umzusetzen. Hier besteht also die Möglichkeit einen Raum zu schaffen, der rein von geometrischen Elementen bedingt ist.
Es ist ein Projekt, das interessanterweise auf einem Traum beruht; einem Architekturtraum – meinem erstem und wahrscheinlich meinem letzten, zumindest dem Einzigen. Mir erschien Jim [James, d. Red.] Stirling in diesem Traum. [Lachen]
Jim hat mir das nie geglaubt, er hat immer geglaubt ich hätte das erfunden, aber das stimmt nicht. Also: Jim Stirling – oder jemand, der wie er ausgeschaut hat – ist erschienen und hat mir einen Hügel gezeigt, auf dem sich eine quadratische Plattform mit vier Kuben befand, die sich auf Gelenken bewegten. Das war die Voraussetzung für die weitere Entwicklung. Ich habe dann die vier Kuben als Fundamente für den Rahmen des Kubus verwendet. Dieser Rahmen ist völlig steif und auch die Gelenke können sich nicht bewegen, wenn diese vier Eckfragmente fix verbunden sind. Wenn man sie aber löst, werden sie befreit. Sie können sich in unendlich viele geometrische Gebilde verwandeln und gleichzeitig gibt es eine kinetische Latenz, die das Prinzip der geometrischen Erfindung Euklids in räumliche Gebilde übersetzen. Mich interessiert gerade der Gegensatz, die Möglichkeiten auf rein geometrischen Prinzipien beruhender Manipulationen. Mich interessiert zum Beispiel, die Symmetrie in Frage zu stellen, ohne die Symmetrie zu verneinen. Das heißt, die Stabilität in Frage zu stellen, ohne die Stabilität zu verneinen. Geschichte infrage zu stellen ohne Geschichte zu verneinen. Zu einer Zeichnung brauchen Sie so nur einen Tisch, ein Blatt Papier und einen Bleistift. Ich habe nie auf einen Bauherren gewartet, ich habe Architektur gemacht; manchmal gebaut, manchmal gezeichnet – mehr gezeichnet als gebaut. Es ist entscheidend, nicht in die Versuchung zu kommen, die Architektur als Beruf, sondern die Architektur als Problem zu sehen; speziell so lange Sie noch studieren. Das ist die letzte Zeit, in der Sie diese Entscheidung treffen können, in der Sie Ihre Freiheit genießen können; aber es ist eine Freiheit, die Verpflichtungen hat. Für mich ist eine Schule nicht eine Vorbereitung auf einen Beruf, auf eine Karriere, sondern es ist ein Forum einer intellektuellen Auseinandersetzung mit der Disziplin, die einem dann letztlich sein Leben bedeuten soll. Diese Auseinandersetzung ist nicht ohne Opfer, darum gibt es immer so wenige. Verstehen Sie, es ist nicht eine Konsequenz des Intellekts, nicht eine Konsequenz der Vorstellungsgabe, der Imagination, es ist eher die Angst vor der Vorstellungsgabe. In der Schule, hat die Lehrerin VIII
gesagt: der Baum ist nicht blau, der Baum ist grün. Die Sonne ist nicht grün, sie ist gelb. Und es gibt Wenige, die darauf bestanden haben, dass der Baum blau bleibt. Das heißt, die Auseinandersetzung fängt mit den Anderen an und erst dann mit sich selber. Wenn man den anderen schon gehorsam war, kann man nicht hoffen die eigene Auseinandersetzung zu finden. Und ohne diese Auseinandersetzung, also Suche und Verteidigung meiner persönlichen Integrität und der Integrität meiner Vision gäbe es weder Ihre, noch meine, noch unsere Architektur.
zu einer zeichnung br auchen sie so nur einen t isch, ein bl at t pa pie r u n d e i n e n bl e i s t i f t. ich habe nie auf einen bauh e r r e n ge wa rt e t, ich habe architektur gem a c h t ; m a n c h m a l g e b a u t, manchmal gezeichnet – mehr gezeichnet als ge b au t. e s i s t e n t s c h e idend, nicht in die versuchung zu kommen, die a r c h i t e k t u r a l s b e ru f, s o n d e r n di e a r c h i t e ktur als problem zu sehen; speziell so lange sie noch studieren.
»The Gap« 2010 [Rural Studio + Esterni]
»Raumpiloten« 2008 [Ecosistema Urbano]
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»The Gap« 2010 [Rural Studio + Esterni]
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»Mind The Gap« Vorbereitungsworkshop 2010 [Rural Studio + Esterni]
»Trashformation« 2009 [Raumlabor Berlin]
»Trashformation« 2009 [Raumlabor Berlin]
GESPRÄCH
MARTINA PROKOP
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Martina, Du warst 1992 die Wegbereiterin für eine der am längsten bestehenden Initiativen in Weimar. Was war Deine/Eure Motivation, eine Vortragsreihe studentisch zu organisieren?
Ich muss ein bisschen weiter ausholen um die Zeit, in der diese, und viele andere Ideen, entstanden ist, zu erläutern. Die damalige Hochschule für Architektur und Bauwesen (HAB) Weimar war im Umbruch. Gegenüber den Vorjahren, mit nur rund 70 Immatrikulationen, kamen in den Jahrgängen 1991 und ’92 alleine im Studiengang Architektur auf einmal 200-300 Studenten aus ganz Deutschland nach Weimar. Wir alle waren begeistert, am Gründungsort des Bauhauses studieren zu können. Es war als hätte die Zeit stillgestanden: als ob Itten, Schlemmer und Gropius gerade erst durch die Hintertür hinausgegangen wären. Entsprechend war aber leider auch die Infrastruktur nicht eben auf dem Stand, wie man das an einer Universität erwartete. Die Bestände der Bibliotheken waren bescheiden und veraltet, für inspirierende Architekturliteratur musste man nach Berlin oder in eine andere große Stadt. Computer gab es nicht, Internet sowieso nicht. Lediglich drei Professoren hatten die Enquete Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur überstanden. Die Berufungsverfahren für 13 neue Professoren waren noch nicht angelaufen und sollten noch mindestens zwei Jahre dauern. Demgegenüber erwartete man von uns Studenten viele neue und kreative Entwurfsideen. Dieses Vakuum musste gefüllt werden und so entstand die Idee, Gäste zu Vorträgen nach Weimar einzuladen.
W I E
I C H
S C H O N
Studieren in Weimar hieß Anlässlich der Gründung 1992 vor allem, innovativ der Fakultät Gestaltung an im täglichen Leben zu sein: der damaligen HAB sagte kein Telefon, keine ZentralLucius Burckhardt 1993: heizung sondern Kohleofen, »Vom Bauhaus können wir kein Bad sondern Plumpsklo lernen, dass man in seiner auf halber Treppe, halb imZeit innovativ sein muss. provisierte oder (wegen un[...] Vom Bauhaus lernen geklärter Eigentumsverhältheißt also gerade nicht, das nisse) gar keine MietverBauhaus wiederholen. träge, und mindestens sechs Lernen vom Bauhaus heißt Stunden im Bummelzug bis vielmehr, darüber nachdennach Hause – und das war nur ken, was heute Not tut...« der Anfang. Alles musste Aus Eurer Sicht: was war ständig improvisiert werden. wichtig, was hieß es 1992, In Weimar wohnen bedeutete innovativ zu sein? aber auch: spontan vorbekommen, Partys in Kohlekellern, selber einen Duschboiler oder Sanibroy [WC Hebeanlage, Anm. d. Red.] installieren oder wochenlang an einer Seifenkiste basteln.
S A G T E : Z U R
Eine programmatische Ausrichtung gab es nicht. Innerhalb der Fachschaft Architektur existierte allein die Idee zu einer Vortragsreihe; der Rest war eigentlich gar nicht so schwierig. Mein Vater ist auch Architekt und hatte neben seinem Studium am Institut für Flächentragwerke bei Frei Otto gearbeitet; in der Zeit als das Olympiastadion in München gebaut wurden. Am Küchentisch meiner Eltern haben wir eine Liste seiner ehemaligen Studienfreunde gemacht, die mittlerweile entweder selbst Professoren waren oder als freischaffende Architekten an interessanten Projekten arbeiteten. Das waren Leute wie Julius Natterer, Leon Krier oder Günter Behnisch – und die habe ich dann einfach angeschrieben. Zuvor hatte ich noch bei unserem Dekan, Gerhard Lindner, angeklopft, um zu fragen ob er einer Vortragsreihe zustimme. Herr Lindner war positiv überrascht und sicherte uns seine Unterstützung zu. Ziel war es, ein wöchentliches Programm semesterfüllend zusammenzubekommen. Darum wurde es letztendlich auch eine Liste unterschiedlicher Redner und Themen.
Gab es zu Beginn eine programmatische Ausrichtung? Welche Rolle spielte die Unterstützung bzw. der Einfluß durch die Hochschule?
Der Dekan Herr Lindner hatte mir gleich zu Beginn gesagt, dass es nicht viel Geld für die Vortragenden geben werde. Lediglich die Reisekosten, das heißt eine Kilometerpauschale oder Zugfahrkarte, keine Flüge, die Übernachtung mit Frühstück, ein Abendessen
Gleich zu Beginn gab es ein sehr umfangreiches, ambitioniertes Programm. Wie war die finanzielle Situation?
diesen oder jenen einladen könnten. Es gab immer irgendjemanden der hier oder dort einen Praktikumsplatz hatte oder jemanden kannte. So kam die Liste der namenhaften Architekten und Sprecher zusammen. Ich weiß nicht, ob dies so viel mit Es fällt auf, dass mit den Jahren die dem Umbruch zu tun hat. Ich glaube eingeladenen Gäste bei horizonte aber, dass generell der Zeitgeist ein immer jünger wurden. Gab es früher anderer war. Ich würde uns als Vervor allem Vorträge zum Teil sehr treter der Generation X beschreiben renommierter Redner, ist heute auch wollen: einerseits individualistisch, schon mal jemand Gast, der erst kürzfreiheitsliebend und ambitioniert, lich seinen eigenen Abschluss gemacht anderseits aber vielleicht auch nicht hat. Glaubst Du, es gab damals, in einer selbstsicher genug. Aufgewachsen in Zeit des Umbruchs auf vielen Ebenen, einem hierarchischen System, waren eine größere Sehnsucht nach Orientiewir gewöhnt, uns in den »Stararchirung durch Beispiele oder Leitfiguren tekten« Vorbilder zu suchen; oder gegenüber heute? besser noch in den kommenden Stars. Die heutigen StudentInnen der Generation Y sind meiner Ansicht nach viel mehr fokussiert, gemeinsam ein Ziel zu erreichen; mit viel Teamgeist, geschickter Kommunikation und ohne Skrupel, die Ansichten von Persönlichkeiten in Frage zu stellen, verfolgen sie ihren Weg. Das passt genau in den Trend, dass in den horizonte-Vorträgen auch junge Hochschulabsolventen Ihre Ideen an die jüngeren Studierenden weiter geben wollen. Eine Tendenz, die ich überaus lobenswert finde. Am Anfang waren wir ein ganz kleines Wie habt Ihr Euch organisiert? Team von nicht mehr als fünf Studenten, die sich an dem Abend, an dem wir ein Plakat machen mussten, den Namen HAB’s Horizonte ausdachten. Als die HAB später in Bauhaus-Universität umbenannt wurde, haben wir das HAB’s dann weggelassen und bis heute heißt die Reihe schlicht horizonte. Für jeden Vortrag wurden Aushänge gemacht, außerdem Poster und XI
sowie ein kleines Tagegeld konnten beim zuständigen Thüringer Ministerium deklariert werden. Damit müsste ich es mal probieren. Es gab natürlich auch Absagen, aber ausschlaggebend für die zahlreichen Zusagen war, dass wir als Studenten anfragten. Es war Wendezeit und da gab es eine Gruppe StudentInnen im Osten, die wirklich Interesse an den Vortragenden hatte. Die Meisten fühlten sich entsprechend verpflichtet, uns etwas mitzugeben. Ich erinnere mich noch, dass ich Nachmittage lang in einem kleinen Dachbodenzimmer im Winkelbau [Van-de-Velde-Bau, d. Red.] gesessen habe, mit meiner Liste und einem Telefon – ein privates Telefon hatte kaum jemand – um alle potenziellen Gäste abzutelefonieren. Mit einer Kombination der Worte studentische Initiative, Bauhaus, Weimar und Vortrag kam man bei jedem Sekretariat durch. Als es dann einmal lief, bekamen wir auch viele Anfragen von Kommilitonen und Dozenten, ob wir nicht
Wie habt Ihr es geschafft, so viele namenhafte Architekten nach Weimar zu bekommen? Das Argument der Tradition von horizonte, wie wir es gewöhnlich verwenden, dürfte es wohl kaum gegeben haben.
E R W E I T E R U N G
Flyer sowie Videoaufnahmen der Vorträge. Jede Woche mussten die Sprecher begleitet, die Korrespondenz und die Abrechnungen gemacht werden – alles in allem ein bisschen viel, um das neben dem Grundstudium zu machen. Nach dem ersten erfolgreichen Durchlauf starteten wir deshalb einen Aufruf, um mehr Mitstreiter zu gewinnen. Rund 15 begeisterte Studenten erweiterten unser Team; damit war das Fundament geschaffen, um die Vorlesungsreihe als festen Bestandteil des universitären Lebens etablieren zu können. Ohne das Engagement der Mitstudenten hätten wir das aber nie geschafft. Gemeinsam stellten wir eine longlist unserer Favoriten auf. Neben den allgemeinen organisatorischen Aufgaben hatte jeder Student in der horizonte-Gruppe ein oder zwei Vorträge, die er oder sie betreute. In einer Art Patenschaft wurde jeder Gast vom Anschreiben über Poster, Empfang bis zur Abrechnung von einer eigenen Kontaktperson begleitet. Allein durch diese individuelle Verantwortlichkeit war der Arbeitsaufwand überschaubar und es auch für die Beteiligten sehr interessant, »ihren« Star-Architekten einzuladen. Wie ich schon sagte: zur Erweiterung des Horizonts! Und es klang natürlich gut in Verbindung mit HAB’s Horizonte.
D E S
Warum der Name horizonte? Gab es Alternativen?
H O R I Z O N T S !
Die besondere Situation bei horizonte Es ist schon lange her und die Erinliegt damals wie heute, Du hast es be- nerungen werden mit der Zeit leider ein bisschen fragmentarisch. Ein paar schrieben, zum einen in der studentiHighlights gibt es aber: Unglaublich schen Organisation, vor allem aber verrückt fand ich zum Beispiel den auch in der persönlichen Betreuung der Gäste durch die Studierenden. Von Vortrag von Sir Peter Cook. Er zeigte uns seine futuristischen Entwurfsgeder nachmittäglichen Führung durch die Uni bis zum letzten Bier im Gast- bilde von Archigram und versuchte haus Zum Falken entstehen dabei im- uns in einem feurigen Plädoyer zu vermitteln, wie wichtig »fun, play & mer wieder spannende, interessante pleasure in architecture« seien. Es oder amüsante Situationen. Was ist Deine lebhafteste Erinnerung an einen war eine große Show. Ein Vortrag, den ich heute gerne noch einmal in der horizonte-Abend? Videofassung genießen wollte. Ah, das werde ich tun. Jedenfalls: Ein anderer bemerkenswerter Vortrag war der des Grazer Architekten Günther Domenig, der damals schon rund 60 Jahre alt war und heute leider nicht mehr unter uns. Der Vortrag stand unter dem Motto: kam, sah und siegte. Bis kurz vor der Beginn war es nicht sicher, ob er überhaupt kommen würde. Er kam dann im letzten Moment, hielt vor vollem Haus einen amüsanten Vortrag über die Reaktionen, die seine dekonstruktivistischen Bauten im überwiegend konservativen Österreich hervorriefen, um sofort überglücklich, nach schallendem
Den besagten Vortrag kannst Du auf Seite 24 nachlesen.
Applaus und kurzer Umarmung im weißen Trenchcoat davonzuwehen. Sein Chauffeur erwartete ihn vor dem Hörsaal um ihn in seiner luxuriösen Limousine über Nacht nach Wien zurück zu fahren. Das sind Begegnungen die mir im Gedächtnis hängen geblieben sind. Die meisten Vorträge aber endeten in Begleitung von einer kleineren oder größeren Gesellschaft damals noch im Café Residenz, wo wir je nach Laune Ideen austauschten, über Architektur diskutierten oder auf Servietten zeichneten. Die lustigsten Abende waren natürlich diejenigen, bei denen man in kleiner Runde bis in den frühen Morgenstunden im Café in der Gerberstrasse ... gibt es das noch? … Oh. Na jedenfalls saßen wir ... ja, aber die Studenten dort bei einem Absacker, heute mögen wohl eher lachten und diskutierten. andere Läden. Und da standen wir dann: wie bringt man einen plötzlich über dem Tisch ein-geschlafenen Professor zurück ins Hotel? Auch das kam gut: Ein paar starke Jungens brachten den Herrn unter dem Arm geklemmt ins Hotel Anna-Amalia. Ein Zeichen, dass man sich ganz vertraut und zu Hause fühlte in Weimar…
XII
»Martina Prokop bei der Einführung zum ersten horizonte-Vortrag am 27.10.1992, zu Gast: Vinzenz Sedlak«
horizonte ist sogar ein kleines bisschen Schuld, dass ich heute in den Niederlanden arbeite: Der damalige Professor für Entwerfen und Industriebau, Horst Hahn, hatte vom Dekan von unseren Plänen einer Vortragsreihe gehört und bat mich darum, ein niederländisches Büro einzuladen, in dem seine Tochter als Architektin arbeitete. Ich hatte damals zwar noch nie von Mecanoo gehört und wusste so gar nichts über niederländischeArchitektur, dachte aber, neue internationale Ideen seien immer gut. Es kam Erik van Egeraat, der in fehlerfreiem Deutsch seine Projekte (damals noch zusammen mit seinen Partnern von Mecanoo) präsentierte. Die Entwürfe sprachen mich an und schnell interessierte ich mich für alle Ideen, die aus Holland kamen. Ein Jahr später fuhr ich in die Niederlande um einen Praktikumsplatz zu suchen und klapperte der Reihe nach die damaligen Größen ab: Rem Koolhaas, Jo
Heute, 20 Jahre nach der Gründung, bist Du selbst erfolgreich in Amsterdam tätig, trägst also den horizonte-Gedanken des Austauschs in umgekehrter Richtung weiter. Was hat Dir rückblickend die Arbeit bei horizonte persönlich gebracht?
Coenen, Herman Hertzberger, Meijer & van Schooten usw. In Delft traf ich per Zufall auf der Straße Erik van Egeraat, der mit seinen Kollegen auf dem Weg zum Mittagstisch war. Spontan fragte ich ihn, ob er nicht einen Praktikumsplatz für mich hätte. Dieser war so überrascht, dass er einfach ja sagte und ein paar Wochen später fing ich dort an. Die sehr kollegiale Art und Weise, wie man hier Holland geschäftlich miteinander umging, die Ideen und die Arbeit machten mir so viel Spaß, dass ich mir damals vornahm, nach meinem Studium zurück zukommen. Und das habe ich dann auch getan. Ob es nun Schicksal war oder: »One person can make a difference …«, ich habe letztendlich mein Glück hier gefunden. Und um den Spruch noch zu Ende zu bringen: ›... and everyone should try‹. Egal ob als Zuhörer oder Sprecher, ich denke, dass es unglaublich wichtig ist, sich für die Ideen anderer zu interessieren, offen zu sein für Neues und sich kreativ auszutauschen. Vor 20 Jahren hätte ich niemals gedacht, dass die horizonte-Reihe sich so lange fortsetzt. Hut ab vor dem Engagement aller Beteiligten, Jahr für Jahr ein Stückchen beizutragen, den Horizont von so vielen zu erweitern!
XIII
»Martina Prokop bei der Einführung zum ersten horizonte-Vortrag am 27.10.1992, zu Gast: Vinzenz Sedlak«
Der Grafikdesigner Kurt Weidemann (1922-2011) war einer jener Gäste, die das Programm der Vortragsreihe auch und gerade jenseits der Architektur im engeren Sinne bereichert haben. Ganz im Sinne der folgenden Anmerkungen Weidemanns versucht horizonte Denkanstöße zu liefern, die eben nicht die Architektur als die ›Mutter aller Künste‹ verstehen, sondern vielmehr als diskursive Praxis im gesellschaftlichen Kontext verorten.
Kurt Weidemann 28. Mai 1996
(15. Dezember 1922 – 30. März 2011)
Ist Wertewandel das Deckwort für Ratlosigkeit? Anmerkungen zu den gestaltenden Berufen
--Ich sage Ihnen nichts Neues (Wenn ich nichts Neues sage, muss ich dem etwas hinzufügen, das Ihre Aufmerksamkeit verdient) mit der Feststellung, dass wir in einer Interessen- und Verbändedemokratie leben: Gewerkschaften, Unternehmer, Aktionärs- Berufs-, Rentner-, Steuerzahler-, Postbenutzer-, Schwulenverbände befehden und lähmen sich in längst ranzig gewordenen Ritualen, die sich allenfalls im Stillstand festfressen und schlimmerenfalls in einer »Wolfsordnung« enden. In den profilneurotischen Gesichtswahrungsspielen maskiert man sich kaum noch. Jeder Handgriff wird heute nur noch durch Handaufhalten beendet. Damit stehe ich nicht im zeitgemäßen Klageweibertrend. Man soll keine Krisen herbeireden. Das ist auch nicht nötig, wir sind ja bereits mitten drin. Nur: Darin liegt auch unsere Chance. Die Mittel und Methoden, die wir bisher angewandt haben, greifen nicht mehr. Und ihre Erfinder und Verfechter quasseln sich – wenn nicht um den Verstand – so doch um die Vernunft. Die schrumpft dabei auf den Radius Null. Also muss die junge Generation ihre Zukunft in die Hand nehmen, bevor der Verfall von Konsens und Solidarität keine Anstrengung mehr lohnen. Dazu reicht es nicht, Zuspruch und Schulterklopfen zu üben. Zum Vertrauen muss auch Einfluss und Macht übergeben werden, muss Verantwortung vorbehaltlos abgetreten werden. Angst und Zaudern sind schlechte Ratgeber. Alles im Voraus besser zu wissen, kann man so wenig, wie man sich auf Vorrat rasieren kann. Die Anforderungen sind gewaltig und das Anpacken muss herzhaft sein. Und auch die Probleme sind gewaltig und ihre Bewältigung muss entschlossen und beschlossen sein. Die ›jobless growth‹, das Wachstum ohne neue Jobs muss sowohl vom Wachstum amls auch vom Beschäftigungsmodell neu gedacht werden. Nach dem Grundsatz des englischen Gartenbesitzers: »Wer seinen Garten liebt, braucht ein hartes Herz und eine scharfe Säge.« Wohlan. Ich bin guter Hoffnung. Vor bald zweihundert Jahren schrieb Hegel XIV
seinem Freund Niethammer: »Ist erst die Vorstellung revolutioniert, so hält die Wirklichkeit nicht stand.«
Vorstellungen müssen revolutioniert, Besitzstände müssen hinterfragt und Vorstände müssen überprüft werden. Die Wirklichkeit hält nicht stand vor der Vision eines Realisten. Und wer nicht an Visionen glaubt, ist kein Realist. Sie haben als angehende Architekten einen überkommenen Anspruch darauf, die Architektur als ›Mutter der Künste‹ zu bezeichnen. Das entspricht nicht mehr recht heutigem Anspruch. Gelegentlich ist die Architektur noch Behausung der Künste. Diese verschmelzen heute aber ineinander oder vegetieren miteinander. Von Kunst kann kaum noch die Rede sein, wenn Gesetzesauflagen, Baurechtsbestimmungen, Verkehrs- und Sicherheitsvorschriften, Denkmalschutz und Nachbarschaftseinsprüche in einer Zeit des angeblichen ›anything goes‹ festlegen, dass nichts mehr geht. Die Berufsgruppen, die unter solchen Gegebenheiten intelligente Befreiungsschläge üben, werden unter anderen auch von den Designberufen erhofft. Diese Berufe könnten einem neuen Zeitgeist auf die Sprünge helfen, wenn Designer sich nicht nur als Verkaufshelfer (›Strichjungen der Marketingleiter‹ wurden sie schon genannt), als Oberflächenkosmetiker, Krawattenmustermaler und Verschönerungsspezialisten verstehen. Etwas machen, was allen gefällt, kann am besten derjenige, der einer von Allen ist. Sie brauchen für ihren Beruf etwas, das den ›buy low – sell high‹-Krämern, den Politikern, den Wohlstandsbürgern fehlt: Phantasie, Kreativität, vielleicht sogar Visionen. Das ist alles, was heute eingeklagt – und wenn es deutlich vorhanden ist – auch wieder ängstlich eingedämmt wird. In einer verkopften Welt darf die Phantasie dem Wissen überlegen sein. Wissen ist heute weitgehend abrufbereit. Um erfolgreich zu sein, genügen manchmal schon 10 Prozent Inspiration wenn sie mit 90 Prozent Transpiration realisiert wird. In Zeiten harter Marktauseinandersetzung, in Zeiten der Rezession, des Strukturwandels, der Innovationsschübe wird nach wohlfeilen Begriffen gerufen; nach Kreativität, nach Visionen, nach Erkenntniswerten, nach Schlankheit in allem und jedem. Und bei allen. Unternehmen und ihre Mitarbeiter leben in Existenzangst, in Existenzbedrohung. Manche sind wie die Maus, die in den Milchtopf gefallen ist
man soll keine krisen herbeireden. das ist auch nicht nötig, wir sind ja bereits mitten drin. nur: darin liegt auch unsere chance.
»wer seinen garten liebt, braucht ein hartes herz und eine scharfe säge.«
in einer verkopften w e lt d a r f d i e p h a n ta s i e dem wissen überlegen sein. wissen ist heute weitgehend abrufbereit.
vorstellungen müssen revolutioniert,besitzs tä n d e m ü s s e n h i n t e r f r a g t u n d v o r s tä n d e müssen überprüft werden. die wirklichkeit h ä lt n i c h t s ta n d v o r d e r vision eines realisten. und wer nicht an visionen glaubt, ist kein realist. sie haben als angehende architekten einen überkommenen anspruch darauf, die architektur als »mutter der künste« zu bezeichnen. das entspricht nicht mehr recht heutigem anspruch.
und so lange strampelt, bis sie Butter unter den Füßen hat, um nicht zu ertrinken. Manche wähnen sich wieder in wärmeren Gewässern und merken nicht, dass sie bereits im Kochtopf sitzen. Eine Bestandsaufnahme der Situation in Politik, Gesellschaft und in den Unternehmen fällt nicht ermutigend aus: Wir leiden. Aber auf einem hohen Niveau. Ein halbes Jahrhundert West haben die Politiker zur Wiederwahl und zum Machtwechsel gebraucht, indem sie uns mit Gürtel und Hosenträger versorgt haben. Nun sollen wir eins davon wieder ablegen und das löst Zeter und Mordio aus: »Schon’ mein Haus, zünd’ ein anderes an!«
Unser Sicherheits- und Versorgungsdenken macht uns nicht zufrieden, sondern freudlos. Ein halbes Jahrhundert Ost hat die Menschen in unwürdige und trostlose Daseinsformen gepresst, bestenfalls in Solidargemeinschaften des ebenso freudlosen Überlebenwollens verhaftet. Über den Zeitraum von mehr als einer Generation haben Menschen in beiden Teilen dieses Landes Recht und Freiheit, Not und Wohlstand, Anspruch und Gehorsam auf sehr unterschiedliche Weise erleben und erleiden müssen. Daraus zu schließen, dass in der Achtung der Grundwerte auch völlig abweichende Vorstellungen sichtbar werden müssten, ist falsch. Die Abstumpfung oder Bewusstseinsschärfung kann sich unter den unterschiedlichen Systemen entwickeln und begründen lassen. Was sich erkenntlich oder unterscheidungsfähig macht zwischen Ost und West, sind allenfalls Sekundärmerkmale, Dialekte zum Beispiel. Seit der Katerstimmung nach dem Befreiungsrausch rackern nun die mehr oder weniger Trostlosen gemeinsam weiter. Sind die Zeiten denn wirklich schlimm? Im vorigen Jahrhundert erfand oder vielmehr erlebte der Schriftsteller Adolf Glaßbrenner den Berliner Eckensteher Nante. Eine Kreatur ohne soziales Netz, Arbeitslosengeld oder Mindestlohn und ohne Anspruchsdenken, aber mit einer Mentalität, die uns heute abgeht. Er ließ ihn den Satz sagen: »Lebenslauf, ick erwarte Dir!«
Das steht diametral zu unserer heutigen Vollkaskomentalität. Ein Graffito hat mich wie folgt belehrt: XV
»Durch Kirchgang wird man so wenig zum Christen wie man zum Auto wird, wenn man eine Garage betritt.«
Entwicklungen, die früher Jahrzehnte gebraucht haben, sind heute manchmal schon überholt, bevor wir sie recht begriffen haben. Die Computer-Generationen reichen sich den Schnuller weiter. Die Änderungen seitdem sind viel rasanter und wesentlich einschneidender für die Informationsgesellschaft, in der wir uns bereits befinden. Das Schreiben, das Nacheinanderordnen von Buchstaben und das Lesen, das Wiedereinsammeln dieser Buchstaben mit den Augen, setunser sicherheits- und versorzen die Fähigkeit zum Folgedenken voraus: Das ist eine hohe gungsdenken macht uns nicht Trainingsstufe des Intellekts in Richtung auf das logische zufrieden, sondern freudlos. Denken. Die Informationsübermittlung über Bänder, Platten, Video, Disketten, so meinte der Kommunikationsphilosoph Vilem Flusser, ist besser und leichter. Wenn man per Video auf Besuch gehen kann, warum soll man dann noch Briefe schreiben? Der Zeitraum der Verständigung über Zeichencodes umfasst gerade, breit gerechnet, vier Jahrtausende der Menschheitsgeschichte. Davor waren es Bilderbotschaften, und ab jetzt drängen wieder Bilder nach vorn. In den Vereinigten Staaten – uns immer ein Jahrzehnt voraus – können 27 Millionen Bürger weder lesen noch schreiben, weitere 60 Millionen sind auf einem mühsam erreichten Volksschulniveau hängengeblieben, und die Trendberechnungen sehen im Jahr 2000 jeden dritten US-Bürger als ›functionally illiterate‹ voraus, sozusagen in Betrieb befindlichen Analphabeten. Derweil tobt sich die Ausdrucksschwäche der Graffiti-Sprayer an den Wänden aus. Sie setzen meterlange schriftähnliche Zeichen, bringen aber kein Wort und damit keinen Sinn mehr zustande. Weniger denn je lassen sich heute Entwicklungen vorausbestimmen. Sie lassen sich nicht mehr linear weiterführen, sondern finden häufig über Sprünge und Verwerfungen statt. Was gestern noch richtig war, kann heute schon falsch sein und morgen in die Pleite führen. Auf dem unter Innovationsschüben schwankenden elektronischen Boden sind mehr Ahnungen als Wissen auszumachen. Es kann alles vorkommen und es kommt alles vor in der individuellen, chaotischen Kommunikation des Internet. Nach Sinn und Folge daraus wird nicht gefragt, wenn nur die Technik ständig neue, schnellere, komplexere Lösungen gebiert, ohne dabei auch eine kulturelle Dimension zu suchen und zu erkennen.
Die in der Erprobung befindlichen Passworte für das Kommende: virtual reality, Cyberspace, Datenautobahn, Global Network, Infotainment lassen nur die fatalen Alternativen des dualen Prinzips zu: yes – no, on – off. Und dies vor einem Menschen, der zwischen: weder – noch und: sowohl – als auch in Ratlosigkeit und immer widersprüchlicher werdenden Zukunftsperspektiven verharrt. Auf der Datenautobahn wird es auch Stauungen und Unfälle geben. Einen Datenfußweg, ohne an die Anfänge zurückzugehen, hat noch niemand angeboten. Der Fortschritt der Technik ist dabei der Fortschritt der Technik. Und sonst nichts. Was der Fortschritt bewirkt, hat immer noch mit einem Menschen zu tun, der zwischen den Steinzeitvölkern und der Cyberspacegesellschaft nach wie vor eine Menge Adam mit sich herumschleppt, der zwischen menschenleeren Fabriken, papierlosen Büros und sinnleerer Freizeit umherirrt. Seine fünf Sinne teils unterfordert, teils überfordert, teils ungebraucht, suchen nach Orientierung. Bei allem Eifer, herauszufinden, was noch menschenmöglich ist, vergessen wir zu suchen, was menschlich ist. Verlorene Hoffnung ist verlorenes Leben. Bewusstes Leben setzt gewonnene Einsichten in Erleben um, stellt die Hoffnung über die Erfahrung. Ein Gewissen, das nur deshalb rein ist, weil es nicht benutzt wird, ist kein Gewissen. Es verliert seine Gewissheit. Der Klügere gibt nicht nach und gibt nicht auf.
die in der erprobung befindlichen passworte für das kommende: virtual reality, cyberspace, d at e n a u t o b a h n , g l o b a l n e t w o r k , i n f o ta i n m e n t l a s s e n n u r d i e f ata l e n a lt e r n at i v e n d e s d u a l e n prinzips zu: yes – no,on – off. und dies vor einem menschen, der zwischen: weder – noch und: sow o h l – a l s a u c h i n r at losigkeit und immer widersprüchlicher werdenden zukunftsperspektiven verharrt.
Das Problem dabei ist es, herauszufinden, wer der Klügere ist. Nicht nur für einen Moment, sondern auf Sicht oder auf lange Sicht. In einer Situation aber, in der das Verhindern, Vertagen, Verleugnen und Verleumden die Tagesordnung beherrschen, ist Nachgeben beim Klügeren mit Feigheit gleichzusetzen. Das lässt sich nicht vertuschen oder durch gegenseitige Handwaschungen und wechselseitiges Schulterklopfen »um des lieben Friedens willen«
aus der Welt schaffen. Im Geschäft ist es nicht unbedingt vorteilhaft, beständig Charakter und Standfestigkeit, Wahrheitsliebe und Kämpfertum, Ethik und Moral zu haben, zu zeigen und zu demonstrieren. Knallharte Wahrheiten sind nicht immer opportun, gelegentlich XVI
geschäftsschädigend. Aber die Angstgrenzen zur Wahrheit geduldig abzubauen, das gibt Profil. Identity ist ein kompliziert verflochtenes Netz von historisch gewachsenen unternehmenspolitischen, sozialpsychologischen und vom Marktgeschehen beeinflussten Größen und Wirkungen, die mehr sind als Auftritt und Fassadenanstrich, als Produktgestaltung und Marketingstrategie. Die Hohepriester der Corporate Identity verbreiten sich in den Meinungsspalten der Wirtschaftspresse. Im diskreten Lärm ihrer Gedanken wabert metaphysischer Bodennebel. Da sie sich im Grundsätzlichen verbreiten, müssen sie sich nicht der Mühe unterziehen, »mit den Köpfen anderer Leute zu denken« (Brecht).
Unsere Berufe wirken auf unterschiedliche Weise auf ein Erscheinungsbild ein. Es setzt sich mosaikartig aus Handlungen, Informationen, Auftritten und Verhaltensweisen zusammen. Es kann sich opportun darstellen, charakteristisch sein und es kann Charakter haben. Das letztere setzt Stil und Haltung voraus. Vorgesetzte in Führungsverantwortung und Mitarbeiter in Handlungsverantwortung prägen diesen Charakter. Unzulängliche Handlungen sind korrigierbar, bei unzulänglichem Stil ist es schwieriger. Die deutliche Gestalt, der geprägte Charakter muss aus Führungsstil, Mitarbeitermotivation, Produktqualität, Marktverhalten und sozialer Partnerschaft zusammenwachsen. Das setzt Entscheidungskompetenz und Handlungsbereitschaft voraus. Profil gilt es in jedem Beruf zu zeigen: 1. durch Analyse des Sachverhalts, 2. durch Meinungsbildung zu diesem Sachverhalt, 3. durch Bekanntgabe der Unternehmenshaltung zu diesem Sachverhalt. Nur so kommt Kompetenz und Schärfe in dieses Profil. Dieses Profil vermitteln keine Anpasser: empfindlich, aber nicht empfindsam, beherrschbar, aber nicht beherrscht, geflissentlich, aber nicht fleißig. Ebenso helfen nicht die übereifrigen Aktionisten: Wer zuviel zugleich will, erreicht nachher gar nichts. Das lehrt uns, nicht nach Musterschülern zu suchen, sondern Ahnungsvollen, Phantasiebegabten, Neulandsuchern Sitz und Stimme bei uns zu geben, um ihre
ein gewissen, das nur deshalb rein ist, weil es nicht benutzt wird, ist kein gewissen. es verliert seine gewissheit. der klügere gibt nicht nach und gibt nicht auf.
unzulängliche handlungen sind korrigierbar, bei unzulänglichem stil ist es schwieriger.
Einsichten nicht zu verschlafen, um zielstrebig, unruhig, hart und ideenreich zu arbeiten. Ideen, die nicht gelebt werden, verkümmern. Logik und Folgedenken in Regeln und Normen reichen nicht mehr aus, um Zukunft zu gewinnen. »Schöpferische Naturen«, sagte Robert Walser, »sind unspekulativ; das unterscheidet sie von den Nachahmern.«
w e r u r t e i l s k r a f t h at , löst seine aufgaben nicht mehr mit dem scharfen blick für das unwesentliche. mut zur veränderung muss von gleichzeitiger umsicht im entscheiden getragen sein.
Wer Urteilskraft hat, löst seine Aufgaben nicht mehr mit dem scharfen Blick für das Unwesentliche. Mut zur Veränderung muss von gleichzeitiger Umsicht im Entscheiden getragen sein. Mit Begriffen wie Philosophie, Kultur und Ethik sollte man in Unternehmen und Gesellschaft sparsam umgehen. Wenn man den Beratungsgurus auf den Zahn fühlt, ist Unternehmenskultur lediglich der Tarnbegriff für Effizienz und Effektivität, für die Steigerung von Leistung und Wirksamkeit. Dafür sind diese Begriffe weder geprägt noch gedacht. Etikettenschwindel nimmt da seinen Ausgang und endet bei der Unglaubwürdigkeit. Theoretiker sind suspekt. Playboys lesen keine Bücher über Liebestechnik. Bevor es eine Unternehmenskultur geben kann, muss es eine Unternehmerkultur geben: ein weitgehend unbestellter Acker. Es ist besser, zum Philosophen zu gehen als zum Psychiater. Wer sich in der Arbeit der reinen Rationalität hingibt, muss sich bald nachtherapieren lassen. Carl Zeiss hat in seinem Unternehmen die Qualitätskontrolle noch persönlich vorgenommen: mit dem Vorschlaghammer. In den ersten 20 Jahren haben das tausend Mikroskope überstanden. Diese heutigem Denken nicht mehr nachvollziehbare Methode hat immerhin zu einem bis heute anhaltenden Weltruf geführt. Robert Bosch, der Pfennigfuchser, war jederzeit überzeugt, dass es besser ist, Geld zu verlieren als Vertrauen. Gottlieb Daimlers Glaubensbekenntnis hieß: »Das Beste. Oder nichts.«
Geld und Ideen verhalten sich gelegentlich zueinander wie in kommunizierenden Röhren: Wenn das Geld abnimmt, fangen die grauen Zellen an zu tanzen, man lässt sich was einfallen um aus der misslichen Lage herauszukommen. Nimmt das Geld zu, vertraut man auf die Wucht der Masse, die wird’s schon richten. In der Tat regt aber das Nichthaben das Denken mehr an als das Haben. XVII
Bei den Bemühungen um zukunftsgerichtete Formen ist die Hauptaufgabe immer noch, das Umdenken in den Köpfen der Mitarbeiter zu bewirken. Erfahrungen können manchmal rascher veralten als sie brauchen, um sich zu bilden. Wer zwanzig Jahre Falschgemachtes als Erfahrung verkauft, gehört in die Leichtlohngruppen des Denkbetriebes. Führung heute ist ein Mannschaftsspiel w e n n m a n d e n b e r a t u n g s g u r u s a u f und kein Konfirmandenunterricht. Gewohnheitsdenker kann d e n z a h n f ü h l t , i s t u n t e r n e h m e n s - man leicht verwirren. k u lt u r l e d i g l i c h d e r ta r n b e g r i f f f ü r e f f i z i e n z u n d e f f e k t i v i t ä t , f ü r »Der Kopf ist rund«, meinte Francis Picabia, d i e s t e i g e r u n g v o n l e i s t u n g u n d »damit das Denken die Richtung ändern kann.« wirksamkeit. dafür sind diese beg r i f f e w e d e r g e p r ä g t n o c h g e d a c h t . Das Denken wohlgemerkt, nicht der Charakter. Eigenartigere t i k e t t e n s c h w i n d e l n i m m t d a s e i n e n weise werden bei uns Leute, die geradeaus denken können, a u s g a n g u n d e n d e t b e i d e r u n g l a u b - als Querdenker bezeichnet. Das Erfassen einer Botschaft muss w ü r d i g k e i t . t h e o r e t i k e r s i n d s u s - über eine empfängerorientierte Kommunikation erfolgen, p e k t . p l a y b o y s l e s e n k e i n e b ü c h e r nicht über eine senderorientierte. Jedoch läuft der weitaus über liebestechnik. größere Teil aller Kommunikationsbemühungen senderorientiert – also falsch: Man redet von sich selbst, seiner Tüchtigkeit, der Einmaligkeit seiner Produkte. Empfängerorientiert ist das Denken mit den Köpfen der Kunden, ihren Bedürfnissen, ihren Wünschen, Vorstellungen, Vorurteilen, Erwartungen, Hoffnungen. Wenn man das einmal verstanden hat, ist ab da Kommunikation immer noch ein langwieriges und verlustreiches Geschäft, das Konrad Lorenz so charakterisierte: »Gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden, verstanden ist nicht einverstanden, einverstanden ist nicht angewendet und angewendet ist nicht beibehalten.«
Wenn die Kommunikationskette nicht bis zum Beibehalten verbunden bleibt, sind alle vorausgegangenen Bemühungen nicht umsonst, aber vergeblich gewesen. Für den Visions- und Innovationsprozess läuft eine ähnliche Kette: von der Vision zur Intuition, also dem inneren Gesicht, zum unmittelbaren Erkennen, von dort zur Eingebung, von der Eingebung zum Denken, zum Wissen, und vom Wissen zum
Urteilen. Um dann noch vom Urteilen zum Handeln zu kommen, das ist ebenso verlustreich wie im Konrad-Lorenz-Zitat. Ein zügiges, gelegentlich auch sofortiges, aber nicht überstürztes Vorgehen ist nur möglich, wenn die internen Abstimmungsmarathonläufe wesentlich verkürzt werden, das heißt, auf die alleinigen Kompetenz- und Entscheidungsträger beschränkt werden. Das allseitig abgesicherte, wagnislose Vortasten kann einen Ruf nicht befördern und ein Image nicht zur Wirkung bringen. Zuviel Abstimmung drückt auf die Stimmung und verwässert Ideen und Absichten. Stets fordert man: »Wir bilden einen Ausschuss!« (Das Wort sagt schon alles.)
Ausschuss sollte man vermeiden. Und Bildungsmangel in Ausschüssen ist der Normalfall. Ihn bilden zu wollen, ist fruchtlos. Die Hoffnung, mit Hilfe der neuen Technologien in halber Zeit, bei gleichem Lohn dreimal so viel zu produzieren, hat einen Generalnenner: die Illusion! Das funktioniert so wenig wie die Hoffnung, dass die Armen reicher werden, wenn man die Reichen reicher macht. Der amerikanische Negerführer (sic) Stokely Carmichael traf folgende Feststellung: Immer wenn sich in einer Gesellschaft bestimmten Schichten günstige Gelegenheiten boten, zu Reichtum und Ansehen zu kommen, waren Sie nach kurzer Zeit der Ansicht, diese Begünstigungen stünden ihnen »von Rechts wegen« zu.
Es wäre schlimm um Feld und Wald bestellt, wenn immer nur der Vogel singen darf, der es am besten kann. Alle haben eine Stimme im Konzert, in dem es in der Natur allerdings keine Dissonanzen gibt. Und bei uns dürfen sie nicht überwiegen. Entweder, wir kommen miteinander aus, oder wir gehen miteinander ein. Der Pluralismus hat jedoch auch Orientierungslosigkeit im Gefolge, und er entlässt uns nicht aus der Anstrengung, zwischen Freiheit und Schrankenlosigkeit, zwischen Leistung und Anspruch, zwischen Duldung und Schwäche, zwischen Arroganz und Selbstbewusstsein, zwischen Wirklichkeit und Wahrheit zu unter-
die hoffnung, mit hilfe der neuen technologien in halber zeit, bei gleichem lohn dreimal so v i e l z u p r o d u z i e r e n , h at einen generalnenner: die illusion!
XVIII
scheiden, zu werten und zu urteilen. Denken ist »PROBEHANDELN«. Handeln ohne Denken ist Leichtsinn. Denken ohne Handeln ist wertlos. Autorität gibt nicht das Amt, sondern sie bildet sich dort, wo umfangreicheres Wissen, überlegenere Einsichten und bessere Urteilsfähigkeit auftritt. Herabstufende Sozialstrukturen sind überholt, aufbauende Leistungsbereitschaft wird gefördert. Der Mitarbeiter ist ein Mitgesellschafter. Eine grundsätzliche Gewährung von Selbstverwirklichung führt nicht zwangsläufig zum Finden eigener Fähigkeiten und Begabungen, eher verstärkt sie die Selbstsucht und macht unfähig zur Kooperation. »Der Mensch lässt sich eher durch Lob ruinieren«, meinte Bernard Shaw, »als durch Kritik bessern.«
Aufgaben übernehmen heißt, erforderliche Befugnisse geben, sonst wird aus Mitarbeit Gehorsam. Zahlengewohnte Entscheidungsträger, die den Diesseitskräften des Verstandes verhaftet sind, finden einen besseren Sinn in ihrer Tätigkeit, wenn darin Fortdauer sichtbar wird. Wir müssen das Denken mehr vom Rationalen zum Intuitiven verlagern, aber nicht das Eine durch das Andere ersetzen. Erfolgsstories funktionieren nicht logisch, sondern psychologisch. Wie oft löst der Fortschritt auf der einen Seite deutliche Nachteile auf der anderen aus. Aus Japan wurde berichtet, dass ein außer Kontrolle geratener Roboter einen Mechaniker erschlagen hat. Das könnte auch aus einem Chaplin-Film sein. Sicher sind durch Roboter Betriebsunfälle zurückgegangen. Vor allem auch dadurch, dass die Mechaniker arbeitslos zu Hause sitzen. Der Gebrauch unserer Verstandeskräfte ist eindeutig auf das Materielle konzentriert. Visionäre Kräfte bleiben ungenutzt. Das Reich der Phantasie, der Kreativität und des Mutes muss erobert werden. Und es muss nicht das Reich der Erfahrungsgewohnheiten, Selbstgefälligkeiten und der Hackordnungen erhalten bleiben. Aus der Verhaltenspsychologie wissen wir nun mal, dass der Mensch erst unter Leidensdruck imstande ist, Ideen und Kräfte zu entwickeln, die diesen unangenehmen Zustand verändern sollen. Einsichten wachsen aber meist erst, wenn Marktanteile schwinden. Der Prince de Ligne, aus altem belgischen Geschlecht, vor 200 Jahren ein erfolgreicher Feldherr, Diplomat, Großmeister der österreichischen Artillerie, russischer
handeln ohne denken ist leichtsinn.
Feldmarschall, also ein Manager von internationalem Zuschnitt, ergab sich, von den Franzosen seiner Güter beraubt, eifrig literarischer Tätigkeit. Er stellte fest, dass Zerstreutheit ein Zeichen von Klugheit und Güte ist, »nur die Dummen sind ständig geistesgegenwärtig«.
Dieser Art von Geistesgegenwart muss man sich auch heute noch allenthalben erwehren. Eine Zeit der Besinnung, des Neubeginns, des Aufbruchs sollten wir nicht nur erwarten, sondern fordernd mitgestalten. Das bringen nicht die Technokraten und Erbsenzähler, die Netzplanstricker und Rationalisierer, das bringen Menschen, nach denen man immer deutlicher ruft: Anpacker des kalkulierten Risikos. Man kann Parallelen sehen: Auf den kraftlosen Stilragout gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gab es einen großartigen Neubeginn. Peter Behrens, der Macher, hat es auf der Darmstädter Ausstellung im Jahre 1901 mit dem Mut zur poetischen Formulierung verkündet: »Ein erster Schritt zu großen Taten, ein erstes Wort von hoher Rede, ein erster Ton von rauschender Musik.«
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in eine Aufbruchzeit hineinkommen werden. Dann werden wieder Inhalte gefragt und Formen gesucht. Mein Kollege in Akademiezeiten, Alfred Hrdlicka, hat das so formuliert: »Der liebe Gott ist nicht so lieb, dass er denjenigen, die keinen Inhalt haben, auch die Form schenkt. Sondern es ist so, dass Leute, die Inhalte zu gestalten vermögen, auch die stärkere Form haben. Je intelligenter die Inhaltsbewältigung, desto stärker auch die Form. Inhalt und Form steigern sich gegenseitig.«
Um Wertewandel als Ratlosigkeit zu entlarven, muss ein Wertbewusstsein vorhanden sein. In unserer Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung und ihrem Gezerre um Abgaben und Gejammer um Verzicht sieht man sich schon dem Kollaps nahe. XIX
Das wandelt nicht und schafft kein Bewusstsein. Welche Not ist eigentlich die größere? Was für Musik hätte Mozart eigentlich schreiben müssen? Abgerichtet und ausgebeutet von einem ehrgeizigen Vater, herumkutschiert und vorgeführt wie ein Zirkusäffchen, um seine Kindheit betrogen. Gegen Schulden, Krankheit und Antreiber ankämpfend und komponierend; und dann irgendwo verscharrt. In diesem Jammertal entstand eine Musik bar jeder Erdenschwere (die auch zur Trauer fähig war). Wenn denn nun unser Leben in des lieben Gottes Hand liegen soll, dann hätte er über dieser Wiedergeburt seines Sohnes etwas schützender seine Hand halten sollen. Und die heutigen Nabelbeschauer ihrer Selbstbefindlichkeiten sollte er ab und zu in den Hintern treten.
»Transkript zur Verfügung gestellt von Prof. Indra Kupferschmid, damals Studentin der Visuellen Kommunikation in Weimar«
P L A Y B O Y S K E I N E Ü B E R
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GESPRÄCH
UWE BRESAN
XXII
Ein paar Freunde und ich gehörten zu den Stammhörern. Das heißt, wir waren jeden Dienstag da. Häufig waren wir auch bei den anschließenden Abendessen mit dabei, wo man mit den Referenten in kleinerer Runde diskutierte – beim Italiener am Frauenplan oder im Gasthof Luise mit den wunderbaren, selbst gemachten Pommes Frites. Irgendwann wurden wir halt gefragt, ob wir nicht Lust hätten in der Organisation zu helfen. Ich denke, so lief das schon immer und so läuft es wohl heute immer noch. Das Problem war damals nur, dass alle alten horizonte-Mitstreiter fast gleichzeitig aufgehört haben und wir Neuen plötzlich auf uns allein gestellt waren.
Uwe, Du hast Dich zwischen 2004 und 2007 bei horizonte engagiert. Wie kam es dazu?
Das war nicht unbedingt bewusst gesteuert. Es war nicht mal richtig abgesprochen, sondern immer stark vom Zufall und dem Engagement beziehungsweise dem Interesse einzelner Mitglieder bestimmt. Wir hatten zwar immer die Idee, das Semester-Programm unter ein bestimmtes Thema zu stellen, doch hat sich dann niemand darum gekümmert. Als wir uns zum Beispiel zur ersten Besprechung des Wintersemesters 2004/2005 trafen – das Semester lief schon eine Woche – war noch keine einzige Einladung verschickt. Obwohl wir eigentlich etwas zum Thema Nachhaltigkeit machen wollten, haben wir uns dann spontan den Katalog von »Deutschlandschaft« besorgt. Das war damals der aktuelle deutsche Biennale-Beitrag, an dem gut 40 deutsche Büros beteiligt waren. Die haben wir dann alle an einem Tag angefragt. Da kamen der Peter Haimerl und die Regina Schineis, die heute fast keiner mehr kennt.
Wie habt Ihr damals das Programm für jedes Semester bestimmt?
Auch Meixner Schlüter Wendt, Titus Bernhard und Exilhäuser kamen über »Deutschlandschaft« zu horizonte. Im folgenden Semester auch Manuel Herz und Bayer Uhrig. Das war dann fast eine Serie! Hatte nur keiner gemerkt, weil wir spontan auch immer wieder neue Leute ins Programm gehoben haben. Zum Beispiel den Ole Scheeren, der damals frisch zum Partner von Rem Koolhaas geworden war. Das war alles sehr schwierig Wie lief die Organisation? damals. Wie gesagt, wir waWer kümmerte sich um ren drei oder vier Leute, die die Plakate? Um Hörsaal gerade alle neu bei horizonte und Technik? Um die Abeingestiegen sind. Unsere rechnung mit der UniverVorgänger hatten uns zwar sitätsverwaltung? noch grob eingewiesen, aber davon blieb wenig in Erinnerung. Wir haben dann beschlossen, dass jeder für alles verantwortlich ist. Im Klartext hieß das jedoch, dass man für alles alleine verantwortlich war. Wenn man jemanden eingeladen hatte, war man für die Plakate, für Hörsaal und Technik und für die Abrechnung zuständig – und natürlich auch dafür, dass sich der Gast wohl fühlte und ein Hotelzimmer hatte. Da passierte es mitunter, dass es eben keine Plakate gab, der Hörsaal verschlossen war oder das Honorar nicht überwiesen wurde. Vor allem für Letzteres möchte ich mich nachträglich bei allen unseren Gästen von damals entschuldigen.
Irgendwann lief das alles dann auch besser. Vor allem die neuen Mitglieder, die nach einiger Zeit dazu gestoßen waren, haben sich um eine vernünftige Organisation gekümmert. Besonders Thomas Gehnke hat sich im Hintergrund unermüdlich engagiert.
gekommen! Und wahrscheinlich hätte ich mir das allein auch nicht zugetraut. Aber durch den Zuspruch von Frau Schineis und das viele Bier, das wir an diesem Abend getrunken haben, ermutigt, schickte ich am nächsten Tag eine Bewerbung an das »Deutsche Architekturmuseum« in Frankfurt am Main.
Überrascht hat mich Ole Scheeren mit seinem Wunsch, Goethes Gartenhaus zu besuchen. Ich werde die leuchtenden Augen nicht vergessen, mit denen er in der kleinen Schreibstube des Dichters stand. Wie diese Begeisterung für das Bescheidene mit seinen monströsen Planungen in China vereinbar ist, gibt mir bis heute Rätsel auf. Martin Schmitz, der Spaziergangswissenschaftler, bleibt in Erinnerung, weil ich nach unserem Besuch im Falken noch drei Tage später einen Kater hatte. Und natürlich: Kisho Kurokawa, für den wir extra einen Audi A6 samt Fahrer organisiert hatten, der es dann aber doch bevorzugte mit einer weißen Stretchlimousine anzureisen. Nachdem er damit auf dem Hof hinterm Hauptgebäude geparkt hatte, waren alle Plakate, die seinen Vortrag ankündigen sollten, umsonst. Er machte selbst schon soviel Wind, dass der Hörsaal bis auf den letzten Platz belegt war.
Ich wurde angenommen und blieb Was wurde daraus? dann fast zwei Jahre. Das war auch für horizonte gut, weil ich ab und an einen Museumsgast nach Weimar vermitteln konnte, etwa Kisho Kurokawa oder Rob Krier. Nach Frankfurt habe ich mein Diplom gemacht und bin dann bei der Architekturzeitschrift AIT gelandet. Bis heute bin ich Frau Schineis für den kleinen Tipp und ihre Ermutigungen dankbar. Wer weiß, wo ich ohne dieses Gespräch damals gelandet wäre.
Gibt es Gäste oder Situationen, an die Du Dich gern erinnerst?
Mein Wunsch war es immer Leon Krier nach Weimar zu holen. Das wäre sicherlich kontrovers gewesen und hätte für Stimmung gesorgt im Hörsaal. Nachdem ich Ihn dreimal angeschrieben hatte, kam irgendwann ein Fax zurück. Er käme sehr gern. Bedingung: Ein 1.
Gab es Referenten, die Ihr gern gehabt hättet, die aber nicht kommen wollten?
Mmmh. Schwierige Frage. Zuerst ein- Du bist also nach horizonte im mal finde ich, dass heute viel zu viel Bereich der Architekturvermittüber Architektur geredet wird. Ich lung geblieben. Warum ist es, frage mich: Hört da überhaupt noch Deiner Meinung nach, wichtig jemand zu? In Stuttgart, zum Beispiel, über Architektur zu reden? einer Provinzhauptstadt im deutschen Südwesten, könnte ich jeden Tag auf irgendeine Veranstaltung gehen, auf der über Architektur gesprochen wird. Es gibt eine Kunstakademie, eine Hochschule, eine FH, die Architektenkammer, einen BDA-Ausstellungsraum, das Weißenhof-Museum und eine Architekturbild-Galerie. Das bedeutet jede Woche unzählige Ausstellungseröffnungen, Finissage- Feste, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Pecha-Kucha-Nächte und und und... Zudem ist in den letzten Jahren eine wahre Flut neuer Architektur-Medien entstanden: Internetblogs, die mal mehr und mal weniger professionell, das heißt gewinnorientiert arbeiten, Unternehmensmagazine, die mal mehr und mal weniger gut gemacht sind, wobei die besseren tatsächlich das Niveau einer guten Fachzeitschrift erreichen können, und natürlich die Fülle neuer Architektur-Blätter, die mittlerweile auf den XXIII
Klasse-Direktflug nach Weimar und zurück sowie zweieinhalbtausend Euro Honorar. Naja, wir haben dann seinen Bruder Rob eingeladen. Ja, sehr sogar. Als ich im achten Semester bei horizonte anfing, hatte ich an Entwürfen und Baukonstruktionsübungen schon lange das Interesse verloren. Ich besuchte eigentlich nur noch Vorlesungen und Seminare über Architekturgeschichte und Architekturtheorie. Nur wusste ich nicht, was ich mit diesem Wissen einmal anfangen sollte. Und vor allem beschäftigte mich die Frage, welches Architektur-Büro jemanden wie mich für ein Praktikum, das ich vor meinem Diplom noch absolvieren musste, gebrauchen könnte. Über dieses Problem unterhielt ich mich auch mit Regina Schineis. Sie gehörte zu unserer »Deutschlandschaft«-Serie und hatte gerade im Rahmen von horizonte einen wunderbar poetischen Vortrag über ihre neuesten Projekte gehalten. Danach saßen wir ganz unpoetisch bei Bockwurst und Bier im Falken, wo wir eigentlich nur mit Gästen hingingen, mit denen wir uns so gut verstanden, dass man ihnen das schnodderige Ambiente zumuten konnte. Hier gab sie mir den Tipp, mich doch bei einem Architektur-Museum um eine Praktikumsstelle zu bewerben. Darauf wäre ich selbst nie
Hat das Engagement bei horizonte in irgendeiner Form Deinen Lebenslauf geprägt?
Markt drängen – Stichwort: ›archizines‹. Wer hier den Überblick nicht verlieren will, der ist ganztägig beschäftigt. Aber welcher Architekt – egal ob Bürochef oder Angestellter – hat denn dafür die Zeit oder die Muse? Versteht mich nicht falsch: Ich begrüße es sehr, dass über Architektur diskutiert wird. Ich begrüße es auch, dass es zahlreiche Anlässe und Medien dafür gibt. Die Frage ist nur, finden auch alle Medien ein Publikum? Gerade unter den ›archizines‹ beschleicht einen das Gefühl, dass sich der Leserkreis mit dem der Autoren deckt. Das würde dann bedeuten, man redet vor allem deshalb über Architektur, damit man nicht zuhören muss. Nein, nein! Wie gesagt, ich begrüße die Vielfalt und ich begrüße auch den Dialog. Ich brauche aber nicht noch einen Vor- Klingt nach einer derben tragsabend, nicht noch eine PodiumsSchelte – auch für die diskussion, nicht noch ein Interview HORIZONTE-Zeitschrift? mit X, dem auch nicht mehr ganz jungen, aber immer noch hippen Architekten aus Berlin, der mir seine Glossy-Renderings als Architektur verkaufen will. Wir sollten die Vielfalt der Medien lieber nutzen, um vielfältige Themen zu besetzen – jenseits der etablierten Diskurse und vielleicht auch abseits der gängigen Diskursregeln. Gerade von den jungen Medienmachern wünsche mir da wesentlich mehr Offenheit und weniger Angst vor echten Kontroversen. Danke.
Vielen Dank.
A69, Prag – 13.01.09
Rural Studio - Danny Wicke, Auburn, AL – 01.12.09
XXIV
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BeL - Jörg Leeser, Köln 09.12.08
Rob Krier, Wien – 24.01.06
Aristide Antonas, Athen – 05.06.2012
BeL - Anne-Julchen Bernhardt, Köln – 09.12.08
Hermann Josef Hack, Köln – 19.01.2010
* 17. November 1937
Sir Peter Cook 04. Mai 1995 What Peter Really Does
Good Evening. I certainly thought that I would start off the lecture in a slightly different way from usual. Your chairperson has just said that they had been trying to get me here for three years and so you probably wonder: why now? You probably expect to see some material, some pictures. Those of us in the business often call that a ‘kiss and tell’-lecture: this is what I did and this is my story this evening. But today, suddenly, a question occurred to me this evening: When some of you are sitting here on an evening, which is so beautiful and you could well be doing something else, you think: what is it these guys really do? I was just looking down the list of your lecturers, some of whom are friends of mine and some are not. [Laughter]
It probably reflects your kind of cultural and geographical condition; somewhere between Switzerland, England [Laughter]
and various opinions of German architecture. I’ve just been sitting there and admitted two portfolios of two of your students, who for some quite bizarre reason seem to think that they want to come to our school in London for a year and be sent back to you in a condition that will never leave them as you found them. That I can guarantee on. So I wondered if you wondered what people like me really do. I could show you some pictures but instead I am telling you what I am actually doing, what I am actually doing this evening. Why am I here, what have I been doing yesterday? Well, yesterday I took a plane to Frankfurt. I was picked up by about seven people, most of them might be in this room. One of them is sitting extremely uncomfortably over there – but he’s from Scotland, he likes doing things like that. [Laughter]
So I was picked up and we went to Chemnitz of which I have heard for many years. We were looking at a brewery building, because the students of the StaedelXXV
in other words: people like me are a curious kind of hybrid between academic, designer, bullshitter, teacher.
schule, where I am still occasionally offering a class three days a month, are doing a project there and I was the last person to go and see this brewery, where we are hoping to be able to think of some reason to make it into a useful place for acting, exhibiting – God knows what could be done with it. The day before that, I was teaching. The day before that, I was writing a book. The day before that I, was recovering from coming back from Germany again, where I had been opening and speaking at an exhibition of visionary architecture. And sometimes I get near the drawing board. In other words: people like me are a curious kind of hybrid between academic, designer, bullshitter, teacher, somebody-wondering-why-you-happended-to-bethere-that day-but-it’s-convenient-because-it’s-between-place-A-and-place-B. Tomorrow morning I will be on the six-o’clock-train to Berlin, because Daniel Libeskind has the roofing ceremony for his museum. My wife flies in and we go there. We will probably spend the rest of the weekend with another friend of ours called Zvi Hecker, who has done a bizarre looking building. In other words: we are not going with my younger friends, who are officially called “students” but with my older friends, who are officially called “slightly-weirdo-architects”. We have to be there together, because there are quite a lot of people there who come and talk to you who, by my standards, do extremely clever but extremely boring architecture. [Laughter]
However much I may amuse you, irritate you or leave you cold with the kissand-tell-part of this evening, in a sense anybody who bothers to do this, bothers to do things like writing a book of the kind I am writing or dealing with guys like the one hanging on the rail [the Scot mentioned above] or spending the weekend with Zvi Hecker, must do it because they love it. They must do it because there is a kind of evangelical issue at stake. It is the reason, I suppose, why in my primitive view I started a thing called “Archigram”; not really knowing where it would lead but perhaps having an inkling of where it came from, which leads me to linking up to where I thought I was going to be: I was swanking people in London last week saying I will speak in a Henry van de Velde-room – isn’t that marvelous, I am collecting, in my career, speaking in rooms done by famous people. But in fact it’s not the honoring van de Velde-Room. It’s kind of ‘business-as-usual’.
[instead of the main building by Henry van de Velde, the lecture was held in Lecture Hall A, Marienstraße 13]
You do these kinds of things, being some kind of evangelist, meaning that my passion is about architecture. My passion is about not only the discussion of architecture but I suppose the language of architecture. I think that if I was really forced into a corner and was asked what I really, really did; What I was really, really attracted to; What all these devices such as teaching, drawing, writing etc. were moving towards, I would say: they are concerned with the language of architecture. Rather than necessarily philosophy, rather than necessarily the techniques of architecture and rather than necessarily the correct practice of architecture the language that surrounds architecture. I think that, obviously, if one gets involved in these things, one isn’t completely divorced from language is the vocabulary of architecture. So I am going to show you, without further ado – I could well carry on with no slides at all, but it would be very boring for me and the next ones [two Slides of the Plugin City are shown], of course, are thirty years old. I had published them just before I ever started teaching; which is a very frightening thing to do. I came, as a humble, 27-year old, spotty young architect, to be an assistant at the AA in London and by some curious timing this had been published a month before in a very popular newspaper. In other words: I came in, being a humble assistant, but in fact 80 students sitting in front of me knew this thing. I would guess that of all these 80 students probably 50 of them thought it was a load of rubbish, about ten of them didn’t know what the hell it was anyway, and maybe 20 of them thought: God, we have a strange one here, but it might be interesting. Of course in all the time since, whatever I have done – as a critic, or a teacher or in any sense trying to stand objectively aside –, I have had this as a label on me and in a sense cannot stand objectively aside. Alternatively you can take the other view of teaching or doing, which is: perhaps it’s very useful for everybody who teaches you to declare their hand. In all of my career I have been teaching older rather than younger students and in a sense any tutorial discussion, was actually a discussion between two architects. I have often said to people: I am not a teacher, I am an architect, who is interested in what XXVI
other architects do and therefore any discussion of a project is a discussion between me – with whatever is my baggage – and with whatever baggage happens to be on the table. In a funny way that can sometimes relax the situation. It can mean that, in a way, you are on the same side of a firing line. You might say: I would do it like this, how would you do it? I have always been most fascinated by students who don’t do what I do. Because I know how to do what I do. It might, for very selfish reasons, be, that I am interested in the vocabulary of architecture and the vocabulary of architecture – thank God – has not been completed. Perhaps only half of it has ever been discovered. I like to sometimes do a piece of total bullshit, but useful bullshit, which is in the manner of a Time-Magazine statement, like the one you get when the Time Magazine does a special issue on something. […]
I think one could say that more architectural ideas have been created in the 20th century than in the whole rest of history. I can’t prove it, but you can’t deny it. It amuses me, if you think of the acceleration in the exchange of ideas. You know, the guys that started your institution and then moved to Dessau [NB: The Bauhaus-Universität Weimar wasn’t actually founded by the first Bauhaus, whereas what most people refer to as ›The Bauhaus‹ didn’t happen in Weimar, but… nevermind.] –
they could communicate with a few friends. What I love doing, what is like a secret hobby of mine, is to look at some historical situation, say: in the 19th and 20th century and to imagine the people. You know: being those people.
my passion is about not o n ly t h e d i s c u s s i o n o f architecture but, i suppose, the language of architecture.
You can imagine Henry van de Velde getting on the phone, saying: we have got this thing started up, how about a few Deutsch Mark and some jolly people, and a few glasses of wine? […] I have once been in a small town in Norway which has miraculously been changed into a Jugendstil-town because there had been a fire, in Ålesund, and with a very minimum amount of asking questions I realized that there had been some architects there who didn’t come from that part of Norway, probably didn’t even come from Norway at all. But had actually been down somewhere in Germany and had heard about it – just like people in the late 20th century heard that there’s a job up there in this funny place. And they all had gone on boats or whatever there was and had gone up to Ålesund and built this bloody thing. And some of them settled down with local fisher folks and some moved on to Gothenburg, because they heard some more action was going on there. And you can actually see this in the detailing of the windows, you can see that there are certain pieces of competition winning. In other words: as architects I think we are – and have been for a very long time – spread in our cultural activities and cultural references and in our survival pattern. Which is why I find it extremely odd when our ideas, or influences or methods of drawing, or buzzwords or references are kept incredibly hermetic and incredibly local. I have some sort of respect for the vernacular. And I have a considerable respect for acknowledging the influences of a site but what I have no respect for at all is not knowing what is going on on the other side of the mountain. I really believe that this is something that we have to guard again and why I wanted to see a list of your lecturers. Because it tells me something about your school.
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horizonte Vortrag 2011
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horizonte Vortrag 1994, Bild: Philipp Wiegandt
XXVII Martin Haas, Benisch Architekten
StĂŠphane Malka
Prof. Burkhard Grashorn und Luis Callejas, Paisajes Emergentes
Roland Gruber, NONCONFORM
Daniel G. Wicke, Rural Studio
Visiondivision
horizonte
GESPRÄCH
HORIZONTE
XXIX
Die Entwicklung dahin begann eigentlich schon früher. Im Wintersemester 2008/ 2009 haben wir erstmals statt einer reinen Werkschau verschiedener Architekturbüros eine zusammenhängende Themenreihe innerhalb der Vortragsreihe organisiert. Zu »Eastern Horizons« luden wir sechs junge Büros aus den östlichen europäischen Ländern sowie deutsche Büros, die dort tätig waren, nach Weimar ein, um die aktuelle Situation der Architektur nach der EU-Osterweiterung zu diskutieren. Das war der Startschuss, von da an jedes Semester unter ein Oberthema zu stellen. Wir glauben, dass durch die so entstehenden Querverbindungen zwischen den Vortragenden ein Mehrwert gegenüber den sonst üblichen Werkberichten erreicht wird. Im darauffolgenden Semester, im Sommer 2009, lief dann schon das ganze Semester unter einem übergreifenden Titel, hier »Das Unfassbare«. Im Winter 2009 lief schließlich die Reihe »Design /// Response /// Ability«, die auch Thema der ersten Ausgabe wurde. Wir haben uns schlichtweg gefragt, was nun mit den zusammenhängenden Themen der Vorträge passieren könnte,
Ihr habt im Sommer 2010 die erste Ausgabe von HORIZONTE herausgebracht. Wie kam es dazu?
wie dieser beschriebene Mehrwert nutzbar würde und waren uns schnell einig, dass das Ganze in irgendeiner Form aufbereitet und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Die Idee zur Zeitschrift war geboren. Die Kernfrage war, was wir mit dem im Wie habt Ihr konkret angefangen? Rahmen der Vortragsreihe wöchentlich gelieferten Input anfangen könnten. Einfach nur die Vorträge zu transkribieren und in einer Art semesterweisen Tagungsband zu veröffentlichen, schien uns eher langweilig, denn die Vorträge könnte man genauso gut per podcast ins Netz stellen. Viel lieber wollten wir das jeweilige Semesterthema auf Grundlage der Vorträge tiefergehend erforschen, also über die Vorträge hinaus zum Beispiel Gespräche mit einigen Gästen führen. Das schien uns zunächst die naheliegendste Art, weitere Inhalte zu generieren. Der erste Gast, mit dem wir ein Interview führten, war dann Didier Faustino. Nein, nein. Die Idee war ja gerade, über Wie ging es weiter? Das kann die Vorträge und den Kreis der Vortra- doch nicht alles gewesen sein? genden hinaus Inhalte zusammenzutragen. Daher sollten von Anfang an auch Beiträge von Autoren erscheinen, die nicht zu einem Vortrag in Weimar waren. Außerdem war horizonte ja auch immer schon die Verbindung von Theorie und Praxis wichtig. Deshalb sollten auch besondere Projekte und
Aristide Antonas im Interview auf der roten Couch.
Fotostrecken oder Illustrationen vorgestellt werden, die es vielleicht nicht in die allgemein bekannten Architekturzeitschriften schaffen. Letzten Endes: wer wollte uns denn vorschreiben, wie eine Zeitschrift auszusehen hat, wenn nicht wir selbst? v.l.o.n.r.u.: Andreas Ruby, David van Severen, Alejandro Aravena, Mark Smout, Didier Faustino
Für die erste Ausgabe war das mehr oder weniger genauso, auch weil die Zeitschrift natürlich völlig unbekannt war und sich erst einmal etablieren musste. Neben Interviews mit einigen Gästen haben wir den ehemaligen Vertretungsprofessor für Architekturtheorie Kari Jormakka um einen Beitrag gebeten, außerdem der damals gerade in Weimar aktiven mensadebatte Raum gegeben. Das war durchaus auch eine Idee der Zeitschrift: Debatten, die deutlich über Weimar hinaus gehen, hier also zum Beispiel die Frage der Denkmalwürdigkeit der späten Moderne, an Beispielen aus Weimar zu beleuchten. Der Clou für die erste Ausgabe war aus unserer Sicht aber ein Projekt, auf das uns einer unserer Interviewpartner, der Künstler Hermann Josef Hack, aufmerksam gemacht hat. Dabei handelte es sich um den bis dahin unveröffentlichten Bericht von Frei Otto zur »Planung des Fahrweges der Magnetschnellbahn [Transrapid] nach
Wie erreicht Ihr die Autoren? Zur Vortragsreihe wird ja jeder Gast persönlich eingeladen, macht ihr das auch für die Beiträge?
XXX
ästhetischen und ökologischen Gesichtspunkten« von 1992, den wir in Auszügen dem Heft beigelegt haben. Nach der ersten Ausgabe haben wir versucht, mit einem offenen Call for Papers möglichst viele externe Autoren zu erreichen. Mit diesem internationalen Aufruf, Beiträge einzusenden, wenden wir uns gleichermaßen an Architekten, Forscher und Studenten. So soll das Thema möglichst breit bearbeitet werden. Das hat auch gleich ganz gut funktioniert, die erste Ausgabe war in einigen Medien sehr gut besprochen worden, und so war das Interesse auch bei externen Autoren geweckt. An diesem Konzept haben wir festgehalten und freuen uns, dass mittlerweile regelmäßig eine große Bandbreite internationaler Einsendungen auch aus verschiedenen Fachgebieten bei uns eingehen. Nach welchen Kriterien und wer wählt Wir sind immer ein Team von fünf bis acht Redakteuren, die sich meist auch dann die Beiträge aus, die in der bei der Vortragsreihe engagieren, was Zeitschrift erscheinen? aber keine Bedingung ist. Gemeinsam entscheidet das Redaktionsteam, welche Beiträge unseren Vorstellungen und Qualitätskriterien entsprechen. Grundsätzlich sind wir offen für jegliche Art von Einsendungen. Ob Projekt, Essay, Polemik, Fotostrecke oder Comic, solange es uns überzeugt, relevant für das entsprechende Thema der aktuellen Ausgabe zu sein, hat es die Chance, ausgewählt zu werden.
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Natürlich gibt es Projekte Gibt es bestimmte oder Essays auf die wir Stolz Beiträge die ihr hervor sind, dass wir sie veröffentheben würdet? lichen konnten. Neben dem schon erwähnten Projekt von Frei Otto zählen dazu etwa in Ausgabe No. 5 ein Beitrag von Beatriz Colomina oder ein Gespräch zwischen Rem Koolhaas und Alexander Kluge in Ausgabe No.2. Jedoch ist unser Wunsch und Anspruch, dass der Beitrag eines Professors oder praktizierenden Architekten gleichwertig neben den Arbeiten von Studenten und Architekturlaien steht, so dass der Diskurs erweitert wird. Wir haben versucht uns auf Wie organisiert Ihr Euch? das zu konzentrieren, was Letztlich gibt es ja wesentwir als Architekturstudent/ lich mehr Aufgaben als nur Innen auch wirklich leisten die inhaltliche Arbeit. können – und das ist nun mal vor allem die architekturbezogene inhaltliche Arbeit. Die Gestaltung erarbeiten wir dann lieber gemeinsam mit Studierenden anderer Fachbereiche. Das gilt übrigens auch für die Vortragsreihe: jahrelang war das Erkennungszeichen der horizonte-Plakate ein
W E I T E R H I N
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schlecht kopiertes A3 in schwarz/weiß. Gleichzeitig gibt es an der Bauhaus-Universität StudentInnen, die sich mit genau diesen Dingen beschäftigen. Dasselbe gilt auch für PR oder die klassischen Vertriebsarbeiten – auch das können Andere viel besser und wir waren sehr dankbar für die Unterstützung, die wir hier auch von StudentInnen der Medienkultur bekommen haben. Gleichzeitig haben wir dabei auch sehr viel gelernt; zum Beispiel wie die vielbeschworene »Interdisziplinarität« ganz praktisch aussehen kann. Es geht dabei vor allem darum, den Prozess, wenn man so will, »interaktiv« zu gestalten. So, dass wir eben nicht die inhaltliche, die redaktionelle Arbeit machen, die Grafiker das Ganze dann noch schön aussehen lassen und die Medienkulturler das Ergebnis unter die Leute bringen. Wir versuchen stattdessen schon von Beginn an möglichst eng zusammenzuarbeiten – und da kommt es zwangsläufig auch zu Konflikten, wenn die Einen etwas wollen, was die Anderen nicht verstehen und umgekehrt; seien das nun innenliegende Seitenzahlen mit denen die Grafiker uns oder elendig lange Interviews, mit denen wir umgekehrt schon die Gestalter konfrontiert haben. HORIZONTE ist so insgesamt, auch wenn es weiterhin um Architektur geht, praktisch interdisziplinär geworden. Die Zeitschrift ist nicht nur in Weimar erhältlich sondern auch in Berlin, München und vielen weiteren Orten. Wie habt ihr es geschafft, dass es HORIZONTE in fast ganz Europa gibt?
In den meisten Fällen ist tatsächlich einfach jemand spontan dort vorbei gegangen; sei es, weil er aus der jeweiligen Stadt kommt oder dort zufällig im Urlaub war. Es empfiehlt sich also
Im weiteren Sinne sicherlich schon. Gab es Vorbilder für Vielleicht nicht so sehr in Bezug auf HORIZONTE – Zeitschrift das Format als vielmehr mit Blick auf für Architekturdiskurs? die Organisation. Es gibt natürlich eine ganze Reihe ebenfalls studentischer Zeitschriften, die uns ermutigten, dass das ganze funktionieren könnte. Etwa die Trans an der ETH oder natürlich das berühmte Perspecta Journal in Yale. Zusammen mit der dem Heft vorausgehenden Vortragsreihe, steht HORIZONTE aber eben auch in einer eigenen Tradition. Im Kern ging es schon darum etwas eigenes zu machen, was uns – so hoffen wir – auch gelungen ist. Betrachtet man die Ausgangslage, war das aber sicherlich auch nicht so schwer. Durch die Vortragsreihe gab es eben bereits sowohl Material, als auch Kontakte zu potentiellen Autoren. Dass die Zeitschrift letztlich aus der Vortragsreihe entstanden ist und, auch wenn das nach außen hin etwas aus dem Blick gerät, sehr stark auf ihr aufbaut, ist schon ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal. Im Prinzip ist sie somit auch logische Fortführung des Kerngedankens der Vortragsreihe, überregionale und internationale Debatten nach Weimar zu holen, die in dessen Umkehrung liegt: indem die Zeitschrift den hier vor Ort geführten Diskurs wiederum nach Außen trägt. Im Großen und Ganzen hat sich an unserer Arbeitsweise nicht viel verWie hat sich die Arbeit an der Zeitändert – wenn man beständige Verschrift und das Feedback von Außen änderung als eine Form von Konseit der ersten Ausgabe verändert? stanz begreift. Das Redaktionsteam verändert sich von Ausgabe zu Ausgabe und auch die Arbeitsweise der Gestalterteams variiert von Mal zu Mal. Wir sehen das aber als Herausforderung und Bereicherung, da man so eine Menge lernt, immer neuen Input von den dazustoßenden Redakteuren bekommt und nie in einen »Alltagstrott« verfällt. Das Feedback zu den letzten Ausgaben war meist positiv und dass XXXI
dringend, immer eine aktuelle Ausgabe dabei zu haben – man weiß ja nie, wo man noch einen guten Laden findet ... Wir freuen uns, dass HORIZONTE international gelesen wird, wissen aber natürlich auch, wer vor allem unsere Leser sind: die Weimarer Studenten und Alumni. Und auch dabei hilft die Verbindung zur Vortragsreihe: Es wäre vermutlich nicht von Beginn an so gut gelaufen, hätten wir nicht auf eine bereits 18-jährige horizonte- und damit Absolventen-Geschichte bauen können. So gab es zumindest schon zu Beginn eine realistische Zielgruppe. Dass die Zeitschrift also in recht vielen, teils auch sehr renommierten Buchhandlungen erhältlich ist, ist also zumindest zum Teil auch mit der weiten Streuung der Weimarer Absolventen zu erklären. Letztlich gibt es HORIZONTE neben unserem festen Händlernetz ja aber sowieso praktisch überall; durch direkte Bestellung bei uns oder zum Beispiel online.
P R A K T I S C H G E W O R D E N .
wir in letzter Zeit vermehrt zu Veranstaltungen wie der ArchizinesAustellung oder Messen und Diskussionsrunden zum Thema Independent Publishing eingeladen werden, sehen wir als eine Wertschätzung unserer Arbeit. Einige Designpreise, wie den TDC-Award, den European Design Award oder den Red Dot-Award, hat die Zeitschrift auch schon gewinnen können, was sich dann aber sicherlich in erster Linie die Grafiker auf die Fahnen schreiben dürfen. Für die Zukunft der Zeitschrift ist Wie soll es weiter gehen? es wichtig, dass sich immer wieder Was sind eure nächsten Pläne junge und engagierte Studenten mit der Zeitschrift? sowohl an der redaktionellen Arbeit der Zeitschrift, als auch an der Organisation der Vortragsreihe beteiligen. Mit dem Engagement und einem gewissen Verantwortungsbewusstsein steht und fällt alles, was bislang geschaffen wurde. Unser Ziel ist dementsprechend, die erreichte Qualität und Wertschätzung aufrecht erhalten zu können und durch das Nachrücken von neuen Mitstreitern deren Ideen und Vorstellungen mit einzubeziehen und zu verwirklichen. Klar ist: es lohnt sich immer, über Architektur zu reden und zu schreiben und es gibt noch viele spannende Themen!
I N T E R D I S Z I P L I N Ä R
K a r i
J o r m a k k a
Aus Paul Valérys Aphorismenband Mauvaises pensées et autres von 1942 stammt das Bonmot, wonach Gott zwar alles aus dem Nichts erschaffen habe, dieses Nichts aber dann und wann noch immer durchscheine. Wohl auch, weil es die Widersprüchlichkeiten der Welt in so prägnanter Form bündelt, gehörte es zu den liebsten Zitaten Kari Jormakkas. Als Vertretungsprofessor für Theorie und Geschichte der modernen Architektur von 2007 – 2010 und zuvor als Inhaber der Gropius-Professur von 1993 – 1997 lehrte Kari Jormakka an der Architekturfakultät der Bauhaus-Universität Weimar. Weitere berufliche Stationen waren Assistenzprofessuren an der Ohio State University von 1989 – 1995 und an der University of Illinois in Chicago von 1995 – 1998 sowie eine Gastprofessur an der Harvard University von 2006 – 2007. Schließlich hatte er seit 1997 die Professur für Architekturtheorie und die Direktion des Instituts für Architekturwissenschaften an der Technischen Universität in Wien inne. So beeindruckend sein akademischer Lebenslauf, so weit das diskursive Feld, auf dem sich Kari Jormakka traumwandlerisch sicher, eloquent, belesen, mit Witz und bisweilen einem Funken Ironie bewegte. Wohl nur er konnte ernsthaft darüber referieren, wie das Neue in die Welt kommt, und dabei den bildhaften Vergleich zwischen Jean Nouvel und Dr. Evil ziehen oder die Jurysitzung eines studentischen Lebkuchenhauswettbewerbes zu einem Grundsatzreferat über das Wesen der Architektur machen. Was anderen als Slapstick ausgelegt würde, verband Kari Jormakka immer zu handfesten Argumentationssträngen, denen sich auch nach mehrstündigen Referaten noch folgen ließ – mehr noch: denen man gern noch weiter folgen wollte. Bei Kari Jormakka konnte man sicher sein, dass alles immer auch ganz anders hätte sein können. Das spiegelte sich nicht zuletzt in seinen Vorlesungen, die er immer aufs Neue weiter entwickelte – zum Teil bis zum Moment des Vorlesungsbeginns Bilder und Argumente neu sortierend. Wir Studierenden hatten so stets Anteil am Werden seiner diskursiven Strategie, die Vorlesung wurde zum Testgebiet seiner Überlegungen. Was folgte, war stets eine Reihe von für uns zunächst offensichtlichen Gewissheiten. Bis ins Detail argumentativ untermauert, bestand für den Zuhörer schließlich kein Zweifel mehr, dass es nur so und nicht anders sein könne. In jeder Vorlesung allerdings verblüffte Kari Jormakka gegen Ende mit einem Kontrapunkt, der alles zuvor sicher Geglaubte ins Wanken brachte und dennoch alles zuvor Gesagte und Gezeigte inhaltlich verband. Seine gemessenen 3,85 Kilometer Laufleistung während einer Vorlesung waren dabei der sichtbare Ausdruck eines immer im Werden befindlichen argumentativen Prozesses. Mit dieser Art des offenen Diskurses, der Freude an der Formulierung und Abwägung von Argumenten, am Spiel von These und Antithese, hat Kari Jormakka das Denken, nicht nur über Architektur, mehrerer Generationen von Studierenden geprägt.
Sein unheimlich breites Wissen, das die verschiedensten Themen, Denkweisen und Fachrichtungen umfasste und das er vorbehaltlos teilte, versetzte nicht nur seine Studierenden in Erstaunen. Mit Kari Jormakka ließ sich im Laufe eines Nachmittages gleichermaßen erschöpflich – und ebenso unterhaltsam – über Theorie und Geschichte der Architektur, Philosophie, Kunst, Musik, Film, Literatur, Politik, Pop und Mode diskutieren. Dabei ging es ihm nicht um das Durchbringen eigener Argumente. Vielmehr brachte er seinen Gesprächspartnern, gleich ob Professor oder Student, ein ehrliches Interesse und helle Aufmerksamkeit entgegen, was diese mit Respekt und Anerkennung erwiderten. Kaum ein anderer war mit so hohem Engagement und unerschöpflicher Energie für das persönliche Gespräch mit seinen Studierenden bereit. Für das gemeinsame Abwägen von Argumenten und Strukturen gab es keinen Feierabend, wurden Konsultationen beim Mittagessen in der Mensa oder beim Kaffee auf dem Frauenplan gegeben. Nur das abendliche Klavierspiel in der M18, scheint es, bescherte ihm an den Tagen in Weimar kurze Momente der Ruhe. Allerdings nur, um sogleich mit fast kindlicher Freude in ein neues Gespräch mit den Studierenden im Haus einzutauchen – unermüdlich wissenschaftliche Werte vermittelnd, Argumentationen schärfend, schwache Thesen entwaffnend durch immer neue alternative Sichtweisen und dabei unterstützend, fördernd und vor allem: begeisternd. Von Kari Jormakka lernen, hieß, sich auf eine gewaltige Schule des Denkens einzulassen. Horizonte verbindet mit Kari Jormakka die Erinnerung an viele Jahre des Austauschs und der gemeinsamen Diskussion. Von seinem Auftritt als Vortragsgast 2004 bis zur Gründung der Zeitschrift für Architekturdiskurs 2010 und darüber hinaus blieb er uns persönlich und inhaltlich verbunden. Als einer der ersten hat Kari Jormakka an das Potential einer solchen Plattform geglaubt, uns ermutigt, die ersten Schritte zu machen und mit Zuspruch, Anregungen und Hinweisen geholfen, unsere Zeitschrift auf den Weg zu bringen. Viele Mitglieder der Initiative haben bei Kari Jormakka studiert, von ihm gelernt und unter seiner Betreuung Abschlussarbeiten verfasst. Für sie alle war er Symbolfigur dafür, wie akademischer Diskurs und wissenschaftliches Arbeiten auch aussehen können: lebhaft, offen, assoziativ. Mit Kari Jormakka verliert die Welt der Architekturtheorie einen ihrer kreativsten und außergewöhnlichsten Denker, die Bauhaus-Universität einen ihrer angesehensten Wissenschaftler und beliebtesten Lehrer und horizonte einen ganz besonderen Freund und Förderer. Seine Begabung, für das Denken zu begeistern und uns immer neu dazu zu inspirieren, seine Fähigkeit, scheinbar sicher Geglaubtes zu hinterfragen und neu zu deuten und sein Vermögen, gleichzeitig zu verwundern und zu enträtseln, bleiben ebenso unvergessen wie sein Einsatz für die Lehre und akademische Werte, sein Witz und unverwechselbares Charisma. Kari Jormakka ist am 13. Januar 2013, unerwartet und viel zu früh, kurz vor seinem 54. Geburtstag in Wien verstorben.
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HORIZONTE – Zeitschrift für Architekturdiskurs Release von Ausgabe 1
XXXII
Red Dot Award 2011
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Korrekturphasen Zeitschriften No. 1 und No. 3
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Herausgeber Studentische Initiative horizonte :¸z:¸§|.ˆ}Âş\¤§}¹Ĩ¹ 2\}ƒ:¤ J :¸§ S\¤ *¹¸S}\¤\ˆS\ˆ :¤}\ÂˆÂ§ÂąÂ¤:s\ Â?] J ‰‰pœ² 2\}ƒ:¤ www.uni-weimar.de/horizonte horizonte@archit.uni-weimar.de Redaktion J V.i.S.d.P. }Kz:\ ¤:¸§ J *}ƒŒˆ *Kz\}Âąz:¸\¤ Transkription - Kurt Weidemann, Anmerkung zu den Gestaltenden Berufen: Indra Kupferschmidt Alle anderen Texte: die Redaktion.
Lektorat J :ˆ¸\ :  :¸¹ Gestaltung Œˆ¤:S ÉŚÂˆr\Â¤ÂƒÄ˝Â Â \¤ J \ €: ¤\¹ž§Kzƒ:¤ Druck Universitätsdruckerei – BUW JĂśrg von Stuckrad Schrift KORPUS – www.binnenland.ch mit freundlicher Genehmigung des Autors
Linotype Didot Bold Papier Opakal 60g HORIZONTE – Zeitschrift fßr Architekturdiskurs Sonderbeilage Š horizonte | 2013
Footwaac J :ˆˆ\§ *KzÂť\¤¹d\r\¤ bureau baubotanik J :¤¤½ ¸rr\¤ harry gugger studio J \Œ¤r ¤:ˆK€ tu wien J Œ €\ ĸBB\¤ }ˆr kĂśbberling/kaltwasser J :ˆˆ\¹¹\ Jackowski, Ricardo de Ostos naja & deostos J ÂŒz:ˆˆ\§ Œ¤ :ˆS\¤ johannes norlander arkitektur J ¤}K de Broche des Combesluxigon J Alfred Jacoby fh dessau J \:¹¤}ž Colomina princeton university J Beatriz Ramostar strategies + architecture J :ˆˆ} ¤:¸Q ¤:ˆ€ SchĂśnerthĂźttenundpalästeJ ,zŒƒ:§ Karsten, Alexandra Ehrhard karhard architektur + design J \ }Âź Burrichterpin-up magazine J :¤€¸§ Miessen, Patricia Reedstudio miessen J ,:ˆ}: *}ˆr\¤max planck institut J ÉŚÂˆS\¤§ \¤\ˆ§§ŒˆQ U l f M e j e r g r e n visiondvision J Marc Frohn far frohn & rojas J Petra Peterssonrealarchitektur J :Âą : ¸  ƒ:ˆˆ J :ˆ Theissen, Sonja Nagel, BjĂśrn Martenson amunt nagel theissen J Joachim Staudt Huber staudt architekten J \¤S S\ Â¤Â¸Â˝Âˆ tu stuttgart J }Kz\ \ ÉŚÂ¤Âˆ:BŒ S} J Gunter Klixapc
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