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Den Blick auf die Chancen richten

Wie optimistisch blicken Schweizer:innen auf Herausforderungen wie die Zukunft der Altersvorsorge, die Finanzierung des Gesundheitssystems oder die Klimaerwärmung? Welche Rollen spielen Chancen für das politische Engagement? Das Chancenbarometer 2021 ist eine repräsentative Studie und zeigt auf, dass die Befragten Herausforderungen mit positiven Veränderungen verbinden. Tina Freyburg, Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft an der Universität St.Gallen, ist Projektleiterin des Chancenbarometers.

Autorin Sabrina Rohner

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Menschen tendieren oftmals dazu, ein verzerrt negatives Bild der Entwicklungen in der Welt und auch in der Schweiz zu haben. Berichte über Lösungen sind eher selten. «Mit dem Chancenbarometer wollen wir den Blick auf die Chancen richten», so Tina Freyburg, Politikwissenschaftlerin und Mit-Initiantin des Chancenbarometers. «Wir wollen dazu einladen, Probleme und Risiken als Herausforderungen zu begreifen und ihr Potenzial für positive Veränderungen zu erkennen.» Für die repräsentative Studie des Chancenbarometers wurden schweizweit 4530 Bürger:innen befragt.

Energie in konstruktives Handeln umwandeln

Das Chancenbarometer möchte die Eigeninitiative und die optimistische Sicht auf Herausforderungen stärken und dazu beitragen, dass sich Menschen an gesellschaftlichen Prozessen und positiven Veränderungen beteiligen. «Wir verstehen das Chancenbarometer als Aufforderung an die politischen Entscheidungsträger:innen, diese Chancen aufzuspüren und sie zu gestalten, mutig und nach vorne gerichtet. Die politische Debatte soll sich auf die Diskussion alternativer Lösungsvorschläge konzentrieren», so Freyburg. Der Politikwissenschaftlerin ist es ein Anliegen, die wichtigsten Chancen und Risiken für die Demokratie in einer sich globalisierenden und digitalisierenden Welt aufzuzeigen.

Chancen sehen, mitgestalten

Je mehr Herausforderungen Menschen mit Chancen verbinden, desto mehr bringen sie sich politisch ein. Das zeigt das Chancenbarometer deutlich. Chancenorientierte Menschen spenden eher für einen politischen oder gesellschaftlichen Zweck (+40 %), teilen ihre politischen Ansichten eher im Internet (+ 35%), starten oder unterzeichnen eher eine Petition (+ 35%) und nehmen eher an einer Demonstration teil (+20 %). Schweizer Bürger:innen setzen sich für das Gemeinwohl ein, indem sie sich zivilgesellschaftlich und politisch engagieren. «Unsere Studie zeigt, dass wer Chancen sieht, auch politisch mitgestalten will», hält Freyburg fest. 70 Prozent geben an, sich in den letzten fünf Jahren gesellschaftlich engagiert zu haben, zum Beispiel bestimmte Produkte oder Dienstleistungen bewusst (nicht) gekauft, Geld gespendet oder ein Startup für einen gemeinschaftlichen Zweck gegründet zu haben. 42 Prozent engagieren sich in einer politischen Partei, wirken an Volksinitiativen mit, nahmen an einer öff entlichen Diskussion teil oder unterzeichneten eine Petition.

Innovation beruht auf Chancen

Innovation gilt als entscheidender Faktor für den Wohlstand der Schweiz; das Land belegt Spitzenplätze in Rankings zur Innovationsfähigkeit. Doch diese bestehe nur, wenn wir Chancen sehen, erläutert Professorin Freyburg. Grundlage eines chancenorientierten Denkens und Handelns ist immer auch der Wettbewerb der Ideen, die Diskussion klarer alternativer politischer Gestaltungsmöglichkeiten und die Möglichkeit der Bürger:innen mitzudenken und sich einzubringen. Chancenorientiertes Denken komme selten aus dem Nichts. Vielmehr bedeute es kontinuierliches Investment, vor allem in Bildung und Forschung, sowie Institutionen, die den nötigen Raum und die Sicherheit geben, den Mainstream zu verlassen und dabei auch Risiken eingehen zu können.

Demokratie mit Demokratie begegnen

Den Anliegen der Bürger:innen gerecht zu werden und eff ektive Problemlösungen zu erarbeiten, das gehört zu den grössten Herausforderungen einer Demokratie. Eff ektive Lösungen, wie zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus, entsprechen nicht immer den Vorstellungen der Bürger:innen. Umso wichtiger, dass die Lösungen verständlich und transparent kommuniziert werden. Insgesamt wünschen sich Schweizer:innen keinen Stillstand in der Politik, sondern neue Lösungen und Verfahren, die mutig ausprobiert werden. Aktuelle Herausforderungen können in einer Demokratie nur mit demokratischen Mitteln und Prozessen bewältigt werden.

Krise als Chance – abgedroschen, aber wahr

Selbst in der gegenwärtigen Krise richten Schweizer:innen ihren Blick auf die Chancen. Das Chancenbarometer zeigt, dass der Grossteil der Bevölkerung (67 %) der Ansicht ist, dass die grossen Herausforderungen unserer Zeit auch Chancen für positive Veränderungen sind. Gegenüber 2020 ist der Anteil der Schweizer:innen, der mit den gegenwärtigen Herausforderungen sehr grosse Chancen für positive Veränderungen verbindet, sogar um fast 2 Prozent gestiegen: «Die Pandemie kann als Brennglas verstanden werden, unter dem Probleme sichtbar werden, die schon lange bestehen. Jetzt aber haben wir die Chance, diese Probleme viel deutlicher zu sehen und vor allem zu handeln. Krisen sind so immer auch Katalysatoren für echte Veränderung. Sie verlangen, dass wir Massnahmen ergreifen, basierend auf bereits verfügbaren und neuen Ideen», betont Tina Freyburg.

Das Chancenbarometer ist eine repräsentative Umfrage, die jährlich in allen Regionen der Schweiz stattfindet. Die Daten werden auf Deutsch, Französisch und Italienisch erhoben und sind anonym. Lanciert wurde das Chancenbarometer von Prof. Dr. Tina Freyburg und der LARIX Foundation. Innovation matters. Dieses Jahr wurden vom31. Mai bis 6. Juli 4530 Einwohner:innen der Schweiz ab 16 Jahren befragt.

≥ Alle Infos findest du unter: chancenbarometer.com

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