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Zukunft der Universitäten

Zukunft der Universitäten

Oliver Gassmann, Ordinarius für Technologiemanagement und eben von Research.com als bester Business- und Management-Forscher der Schweiz ausgezeichnet, ist international bekannt als Experte für Geschäftsmodell- Innovation. Im Auftrag des HSG-Rektors befasst er sich nun mit dem Thema «Zukunft der Universität».

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Autor Roger Tinner

Oliver Gassmann hat ein Jahr lang Dutzende von Gesprächen mit Expert:innen in aller Welt geführt, unter anderem mit John Hennessy, bis 2016 Präsident der Stanford University und heute Chairman von Google/Alphabet («Er hat sich zwei Stunden Zeit genommen», sagt Gassmann), mit dem Präsidenten der Universität der Künste in Berlin und in Workshops mit dem Global Education Practice-Team von McKinsey. Sie alle hat er – ebenso wie Universitätsrat, Rektorat, Senat, Studierende, weitere Stakeholders der Uni St. Gallen und – nicht zuletzt sich selbst – konkret gefragt: «Was denkt ihr zur zukünftigen Rolle der Universität in Gesellschaft und Wirtschaft und wie werden sich Forschung und Lehre in Zukunft verändern?»

Erfolg kann Innovation hemmen

Inzwischen hat Gassmann ein Papier mit über 50 Thesen zur Zukunft der Universitäten verfasst, das er im und nach dem St. Gallen Symposium in einer kleineren Gruppe – in Form eines «Kollegs», auch im Hinblick auf das Jubiläum «125 Jahre HSG» im nächsten Jahr – diskutieren und weiterentwickeln wird. Dabei geht es darum, «dass die HSG ihre Qualitäten und Stärken auch in Zukunft behalten und ausbauen kann». Aus der Innovationsforschung weiss er, «dass gerade erfolgreiche Institutionen zum Teil zu lange beim Bewährten geblieben sind».

Er sieht übrigens zwei Elemente als zentrale Quellen für sein eigenes Lernen und damit die Weiterbildung von Professor:innen an der HSG: «Ich habe das Privileg das zu unterrichten, wo ich an der vordersten Front in der Forschung mit dabei bin, und ich bin viel in der Praxis unterwegs. Jedes Projekt und jedes Seminar mit Unterneh- mer:innen ist gleichzeitig auch Ort des Lernens für mich. Wer regelmässig mit Unternehmen im Austausch ist, sieht die echten, praktischen und nicht nur die akademischen Probleme».

Zwei «Bedrohungen» für die Universitäten

Oliver Gassmann erinnert daran, dass es bereits 2012 die ersten «MOOCs» («Massive Open Online Courses») gab und dass man schon damals vom «Ende der Durchschnittsunis» sprach und davon, dass es in Zukunft nur noch wenige Elite-Universitäten geben werde. Begründung: Warum soll ich mich von einem zweitklassigen Professor unterrichten lassen, wenn ich die besten der Welt online sehen kann? Man habe gemerkt, so Gassmann, dass Wissen eine Commodity geworden sei, die ich überall aufnehmen kann. Tatsächlich hat aus seiner Sicht der klassische Frontalunterricht als alleinige Form ausgedient und ist nur noch punktuell sinnvoll, zum Beispiel als Kick-off für grosse Klassen. Synchrones Lernen mit Unter- und Überforderung (je nach Student:in) wird von einer asynchronen, personifizierten studierendenzentrierten Form des Lernens ersetzt.

Hier sieht er auch die Alumnae und Alumni in einer wichtigen Rolle, die im Unterricht Coaching-Elemente und Inputs aus der Praxis einbringen können. Auch er selbst sieht sich oft in der Coach-Rolle, zum Beispiel im Master-Kurs Business Innovation: «Hier arbeiten 180 Studierende in Fünferteams an realen Herausforderungen konkreter Unternehmen, und da entsteht Reflexion, kritische Interaktion, verschwimmen die Rollen zwischen Lehrenden und Lernenden.» Den eigentlichen (Grund-)Stoff der Vorlesung müssen die Studierenden bis zum Semesterstart selbst erarbeiten. Die Präsenz-Universität hat also auch in dieser neuen Art des Unterrichtens und Lernens eine wichtige Rolle für Handlungskompetenz und Persönlichkeit.

Eine zweite «Bedrohung» für Unis können Professional Service Firms wie BSG, IBM, McKinsey sein, die heute ebenfalls Executive Education anbieten: «Sie sind vor allem sehr teuer», sagt Gassmann, «aber sie stimulieren uns.» Auch die gesamten EdTech-Firmen wie Udacity, die Uber-Antwort auf Unis, funktionierten für die Vermittlung von Basiswissen problemlos, sagt Gassmann und stellt in Frage, ob wir Buchhaltung 1 wirklich noch selbst unterrichten müssen oder vielleicht nur noch Bilanzierungsrichtlinien und ethische Fragen im Zusammenhang mit Buchhaltung und Finanzen.

« Jedes Seminar mit Unternehmer:innen ist gleichzeitig auch Ort des Lernens für mich.»

Kompetitiv statt monopolistisch

Bis heute haben Hochschulen und Universitäten als einzige das monopolitische Recht, akademische Grade zu verleihen. Das sieht der Innovationsmensch Gassmann kritisch, denn: «Wenn jemand nur Wettbewerbsvorteile hat, weil er über ein Monopol verfügt, dann macht das träge». Er wünscht sich: «Das, was wir vermitteln, soll kompetitiv sein und am Markt bestehen können.» Er ist – ganz im Einklang mit der WEF-Prognose – überzeugt, dass es 30 Prozent der heutigen Jobs durch Automatisierung im weitesten Sinn (also auch den Einsatz von Artificial Intelligence) in absehbarer Zeit nicht mehr geben wird. Er sieht die künftigen Aufgaben der Universitäten noch deutlich stärker in der «Mindset»-Entwicklung, indem sie Studierende in ihrer Neugierde, in ihrer Anpassungsfähigkeit, ihrer emotionalen Intelligenz, ihrer Kreativität und ihrem unternehmerischen Denken und Handeln stärken. Und dazu braucht es, davon ist er mit Blick auf die Eröffnung des SQUARE überzeugt, auch in Zukunft physische Räume der Begegnung und des Austauschs als «Lernort» für die genannten Skills.

Oliver Gassmann: «Praktische und nicht nur akademische Probleme sehen.»

Foto: Salome Bänziger

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