4 minute read

Lernkadenz und -Dynamik in der Praxis erhöhen

«Lernkadenz und -dynamik» in der Praxis erhöhen

«Lebenslanges Lernen » gab es als Schlagwort schon vor 50 Jahren, als die HSG ihre Weiterbildungsangebote – früher als andere Universitäten – schuf. Pascal Scheiwiller, CEO bei von Rundstedt und Mitglied des HSG Alumni-Vorstands, verbindet das Stichwort heute nicht mehr in erster Linie mit formalen Lehrgängen: Im Interview hält er fest, dass es «inhaltlich viel effizienter und spannender ist, in der Praxis die Lernkadenz und -dynamik zu erhöhen».

Advertisement

Interview Selina Frei

Pascal Scheiwiller, wann hast du dich zuletzt weitergebildet?

Heute Morgen! – Diese Einstiegsfrage bringt das Thema gleich auf den Punkt. Ich bilde mich täglich weiter, bewusst und unbewusst. Dazu braucht es keine Lehrgänge an Fachhochschulen oder Kurse bei Weiterbildungsinstitutionen. Weiterbildung ist vielmehr eine Frage von Einstellung, Neugierde, Offenheit und nicht zuletzt eine Tätigkeit, bei der man sich laufend im kalten Wasser befindet und neue Probleme lösen muss. Das heisst, es braucht gleichzeitig eine externe Notwendigkeit und Lernagilität.

«Lernagilität» wird häufig in Zusammenhang mit «Future Skills» erwähnt. Was versteht man darunter?

Future Skills sind Schlüsselkompetenzen, die ich brauche, um in der digitalisierten Welt von morgen auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Es sind die Grundpfeiler der Beschäftigungsfähigkeit in und nach der Digitalen Transformation und deshalb überlebenswichtig. In dieser neuen Zeit hat Fachwissen eine untergeordnete Rolle, weil durch die exponentiell wachsende Veränderungsdynamik die Halbwertszeit von Wissen immer kürzer wird. Was heute gilt, ist in ein paar Monaten überholt und anders. Ausserdem ist jegliches Wissen virtuell sofort verfügbar. Entweder finde ich es selbst in digitaler Form, oder ich habe virtuell auf Leute Zugriff, die mir das Wissen zur Verfügung stellen können. Somit ist viel wichtiger zu verstehen, welches Wissen ich zum Lösen eines Problems brauche, wo ich es finde und wie ich es bekomme. Deshalb stehen analytisches Denken, Problemlösefähigkeiten, geistige Beweglichkeit, Eigenverantwortung, Selbständigkeit, Mut, Neugierde, Kreativität und eben Lernagilität im Zentrum. Auch soziale Fähigkeiten wie Empathie, Netzwerken und Beziehungsmanagement sind wichtig, weil ich für Problemlösungen verschiedene Wissensträger und Experten zusammenbringen und einspannen muss. Deshalb nennt McKinsey die Future Skills auch «Foundational Skills», also grundlegende Kompetenzen. Durch den schnellen Wandel müssen wir ständig neue Herausforderungen meistern. Deshalb spielt neben der Agilität auch Resilienz eine wichtige Rolle.

Wie kann man sich Future Skills aneignen?

Einige dieser Fähigkeiten sind im Alter nicht einfach zu erlernen, weil sie in einem frühen Stadium geprägt und erlernt werden müssen (z.B. Analytik, Kreativität, Flexibilität, Kommunikation, Selbständigkeit). Andere wiederum widerspiegeln eine innere Grundhaltung (z.B. Neugierde, Mut, Netzwerken, Beziehungsmanagement). Deshalb sind sie nicht einfach mit einem Weiterbildungskurs erlernbar. Betriebsinterne Massnahmen sind dabei viel effektiver als externe Kurse. Ich denke da an eine Unternehmenskultur, die konsequent auf interne Mobilität, Portfolio- und Projektarbeit setzt. Auch Fehlerkultur, Smart Working und eine offene Feedbackkultur sind sinnvolle Konzepte, Future Skills in den Unternehmen zu fördern. Als Person kann ich vor allem an der eigenen Haltung arbeiten, die zunehmende Agilität als Chance zu verstehen. Ich kann mich für neue Projekte bewerben, mich mit neuen Trends auseinandersetzen, Leute aus anderen Bereichen kennenlernen, zusätzliche Tätigkeiten und Rollen annehmen oder eigene Initiativen lancieren. Aber eben: Dazu braucht es Mut, Neugierde und Initiative.

Wie wird sich das «Lebenslange Lernen» in diesem Zusammenhang entwickeln?

Lange hat man unter «Lebenslanges Lernen» verstanden, regelmässig Kurse, Trainings und Weiterbildungsprogramme zu absolvieren und damit den Lebenslauf zu ergänzen. Das führte dazu, dass sich die Weiterbildungsindustrie inflationär entwickelt hat. Inhaltlich sind solche formalen Massnahmen aber viel zu statisch, um mit der dynamischen Entwicklung der Anforderungen Schritt zu halten. Die neuen Kontakte eines externen Lehrganges bringen einem sicher weiter. Aber inhaltlich ist es viel effizienter und spannender, in der Praxis die Lernkadenz und -dynamik zu erhöhen. Dazu gibt es mittlerweile auch genügend spannende Lern- und Wissensplattformen und das Internet. Einmal mehr: Es braucht dazu Neugierde, Energie, Mut, Initiative und Entrepreneurship. Und das sind Werte, die uns HSG-Alumnae und -Alumni unsere Alma Mater in St. Gallen mitgegeben hat.

Pascal Scheiwiller ist Vorstandsmitglied von HSG Alumni und CEO beim Schweizer Outplacement- Anbieter und Karriereberater von Rundstedt.

Foto: Hannes Thalmann

This article is from: