Dokumentation: Sweet Scraps

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Sweet Scraps Sweet Scraps

Prozess Dokumentation

Projektbeschrieb

Der Industrieabfall vieler Hersteller bleibt für Privatpersonen oft unsichtbar. So auch die Abschnitte eines vielseitig eingesetzten Synthetik-Vlieses, das am Laufmeter produziert wird. Das anfallende, neuwertige Restmaterial wird bislang verbrannt.

In Kooperation mit der Produktionsfirma Jakob Härdi AG wurde in einer breiten Materialrecherche eine neue Wertigkeit für das Restmaterial generiert und dessen gestalterisches Anwendungspotenzial exemplarisch im Wohnkontext aufgezeigt.

Die Untersuchung schlägt einen kreativen, spielerischen und lustvollen Umgang mit Restmaterial vor und hinterfragt unseren Umgang mit Ressourcen.

Seiten-Streifen ab Laufband

Wiederverwertbares Material von Fehlproduktionen

Rest-Streifen zu Ballen gepresst

Wieso fallen in der Produktion Resten an?

Verunreinigtes Material (Bodenkontakt) darf aus Sicherheitsgründen nicht mehr der Produktion zugeführt werden. Es entstehen Resten, bis die Produktion zu Beginn oder nach einem Produktionsstopp wieder ins Rollen gebracht wird. Auch gelegentliche Fehlproduktionen sind aus menschlichen oder technischen Gründen unumgänglich.

Der Grossteil der Resten entsteht an den Seitenrändern. Durch die maschinellen Bedingungen kann das Material nicht kantengerade produziert werden und weist leichte Ungenauigkeiten in der Breite auf. Auch die Materialstärke variiert aufgrund des Badewanneneffekts. Als Ausgleich wird das Vlies zugeschnitten und zurück bleiben Streifen links und rechts.

Auch fällt beim individuellen Zuschnitt nach Mass neuwertiges Restmaterial an. Das unverwertbare Material wird zu Ballen gepresst und in der Verbrennungsanlage entsorgt.

Insgesamt betragen die Resten der Firma Jakob Härdi AG je nach Produkt 5-10% der Produktionsmenge.

Versuch, Filter-Restmaterial maschinell zu Watte aufzureissen

Recycling-Stopfwatte

Stopfwatte von Hand gekardet, sichtbare Faserklumpen

Wieso sind Resten nicht mehr verwertbar?

Solange die Fasern noch nicht zu stark verfestigt wurden, ist eine Wiederaufnahme in die Produktion möglich. Die Jakob Härdi AG arbeitet bereits mit einem System, in welchem Restmaterial nach Kategorien sortiert, gesammelt und in gewissen Anteilen wieder der Neuproduktion beigemischt werden kann. Um Neumaterial einzusparen und Entsorgungskosten zu reduzieren, wird auch aus ökonomischen Gründen so viel wie möglich rezykliert.

Wenn das Material durch eine mechanische Verfestigung (Vernadelung), Zusatzmaterialien (z.B. Gitternetz) oder chemische Beschichtungen (Kleber, Harze) zu stark verbunden ist, können die Fasern nicht mehr aufgerissen und wiederverwendet werden. Die Faserklumpen bleiben in den feinen Maschinen stecken. So steigt der Arbeitsaufwand und die Produktqualität leidet.

Die Verwendung verschiedener Komponenten deckt zwar die hohe Qualitätsanforderung ab, erschwert aber ein Recycling.

Farbnebelabscheider Pink

Farbe als Produkt-Kennzeichnung

Farbnebelabscheider Grün

Deckenfilter mit Gitternetz

Vorgehen

Teil I

Technische und experimentelle Charakterisierung des Materials:*

Untersucht wird hauptsächlich anhand Seitenstreifen und Zuschnitten von folgenden Produkten: Farbnebelabscheider für Lackierkabinen (pink und grün)

Einige Versuche mit:

Deckenfilter (weiss mit Gitternetz)

Die Produkte bestehen aus Polyesterfasern (Thermoplast) mit geringem Anteil Acrylatbinder (Duroplast) und verschiedenen Additiven. (z.B. Farbstoff)

Eine Herausforderung der Untersuchung ist der erschwerte Umgang mit Nicht-Monomaterial wegen der unterschiedlichen Materialeigenschaften.

Teil II

Entwicklung von Material- und Produktkonzepten:*

Welche Anwendungen eignen sich auf Grund der Ergebnisse von Teil I?

Herausforderung im gestalterischen Umgang mit Unregelmässigkeiten des Materials.

Design Approach
*Nach MDD Material Driven

Heissluftföhn, schmelzen

Hitze: Heatpress
Heat Press, komprimieren
Heat Press
Auftakt

Heat Press, kurze Zeit formbar stopfen, füllen

Handkarde, Vlies in Fasern auftrennen

Farbe

Schweiss-Beil

Heissluftföhn

Falten, abgetrennte helle Schicht des Vlieses, pinke Faserrückstände

Heat Press

Oberfläche

Heissluftföhn

Bandsägeblatt mit Zähnen

Watte mit Schweiss-Punkten fixiert

Querschnitt Rolle Restmaterial, Bandsäge für Textilien

Muster

Ultraschall-Schweissverfahren

Abgesteppt mit Nähmaschine

Querschnitt mit Bandsägeblatt mit Zähnen

Schichten

Heat Press Schichten, bohren Schneideplotter, einritzen, ablösen

Lasergravur

Verbindungen

Nähmaschine

Heat Press
Reibung der Fasern hält Streifen Falten legen
Heat
Volumen
Press
Sandwich mit Füllung, Einschnitte

Rapport

Wie können einzelne Elemente zu einer Fläche einer Anordnung, einem grösseren Volumen werden?

Welche Wirkung hat eine Wiederholung?

Welche Assoziationen wecken sie?

Formen gefüllt mit Stopfwatte

Licht als weiteres Element

Raum

Wie wirkt das Material im Raum?

Welche Räume können bespielt werden?

Wie können die Streifen auf eine Art und Weise miteinander verbunden werden, aneinandergereiht werden?

Durch Form und Farbe entsteht ein skulpturaler, monumentaler Effekt. Mit Hilfe von AI Tools können auch grössere, zeitaufwendige Ideen visualisiert werden.

Materialverständnis der AI ist begrenzt

AI generierte Bilder, Leonardo AI

Kostüm

Das formstabile Material eignet sich für dramatische Effekte. Falttechniken oder Raffungen ermöglichen eine Volumenbildung aus den flachen Streifen.

Durch die auffällige Farbe, ist das Material auch mit starkem Licht aus weiterer Entfernung vor dunklem Hintergrund grafisch wirkungsvoll. (Bühnenkontext)

AI generierte Bilder, Leonardo AI

Körperbezogene Versuche mit Materialmustern

Licht

Durch Ausschnitte hindurchblicken - ein Schattenspiel entsteht. Wie verändert sich die Transparenz des Materials in verschiedenen Zuständen? Die unterschiedliche Materialstärke, die durch die Faltungen entsteht, beeinflusst die Farbe und Wahrnehmung des Lichts.

Heat Press Rüschen

Skulptur

Hülle und Kern. Das ästhetische Potenzial der Faltungen wird mit den verschiedenen aufgetrennten Schichten des Vlieses kombiniert. Durch die farbigen Faserrückstände gewinnt die Struktur noch mehr Weichheit und Dimension. Die Struktur wird zum Volumen. Wie kann die Hülle gefüllt werden? Die grüne Watte als Füllung schimmert durch die dünnen Stellen des hellen Vlieses und schafft damit eine farbliche Abwechslung.

Skulptur im Raum, erste Versuche

Kombinationen einzelner Elemente

Faltenbildung mit Ultraschall-Schweiss Verfahren, punktuelle Verbindungen

Schallabsorptionsgrad nach

ISO 10534-2

Messung der Schallabsorption im Impedanzrohr

Auftragsnummer: Bachelorarbeit Lisa Blaser

Addresse des Kunden:

Akustik

100 0,18

125 0,18

160 0,21

200 0,25

Kann mit der Füllung gleichzeitig auch ein akustisch dämpfender Nebeneffekt erzielt werden? ImpedanzrohrMessungen mit Materialproben zeigen, je mehr Volumen und je dichter dieses, umso Schall absorbierender das Ergebnis. Das Resultat lässt sich mit Alternativen wie z.B. Schafwolle vergleichen - es werden vor allem mittlere und hohe Frequenzen absorbiert.

250 0,31

315 0,38

400 0,49

500 0,61

630 0,73

800 0,83

1000 0,89 1250 0,89 1600 0,86

0,86

0,88

/mm 60,00

/g 170,0

21,0

/% 49,0

F1 4cm Gerolltes, komprimiertes Vlies

Prüfer: Prüfstelle: Datum: Lisa Blaser HSLU T&A, CC ASR 13.05.2024

Prüfer: Prüfstelle: Datum: Lisa Blaser HSLU T&A, CC ASR 13.05.2024

Auswahl an relevanten Messergebnissen mit dem Impedanzrohr, HSLU Technik & Architektur

F1 4cm Watte F2 4cm Watte, 4cm Vlies F3 4cm Watte, 4cm Vlies F4 15cm Watte
m|abstube 2.75.8515.38409 C:\Users\WS01\Documents\ImpedanzRohr\2024\05_Mai\Blaser_Lisa_HSLU-DFK\Impedanzrohrmessungen.matz
f/Hz Terz α0 F1 α0 F2 α0 F3 α0 F4 100 0,07 0,11 0,12 0,22 125 0,07 0,12 0,13 0,28 160 0,09 0,14 0,16 0,37 200 0,10 0,17 0,19 0,47 250 0,12 0,21 0,24 0,58 315 0,15 0,25 0,29 0,69 400 0,16 0,30 0,35 0,79 500 0,20 0,37 0,42 0,86 630 0,24 0,45 0,50 0,88 800 0,30 0,53 0,54 0,86 1000 0,35 0,58 0,55 0,85 1250 0,42 0,60 0,53 0,88 1600 0,45 0,59 0,55 0,92 2000 0,46 0,60 0,65 0,92 2500 0,44 0,62 0,64 0,93 d/mm 40,00 80,00 80,00 150,00 m/g 20,0 40,0 40,0 165,0 θ/°C 21,0 21,0 21,0 21,0 φ/% 49,0 49,0 49,0 49,0 p/kPa 101,0 101,0 101,0 101,0 Frequenz f/Hz 125 250 500 1000 2000 4000 Schallabsorptionsgrad α 0 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
F1 F2 F3 F4
m|abstube 2.75.8515.38409
C:\Users\WS01\Documents\ImpedanzRohr\2024\05_Mai\Blaser_Lisa_HSLU-DFK\Impedanzrohrmessungen.matz f/Hz Terz α0
-
F1
d
m
θ/°C
φ
p
Frequenz f/Hz 125 250 500 1000 2000 4000 Schallabsorptionsgrad α 0 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 F1
2000
2500
/kPa 101,0

Öffentliche Räume, Altbau Wohnungen mit höheren Decken oder Treppenhäuser könnten sich für potenzielle Anwendungen eignen. Die Skulpturen sind in der Streifenanzahl (Durchmesser),Länge und Stückanzahl skalierbar. Quelle: Blaser Metallbau AG RIVA: Wohnen am Rhein in Basel, Foto: Philip Heckhausen

Entwurf Skulptur mit schalldämpfender Wirkung

Variation heller Teil des Vlieses mit grüner Füllung

Objekt

Welche Anwendungen eignen sich, um die Materialeigenschaften optimal zu nutzen? Das voluminöse, weiche Material lässt sich durch Vakuumieren komprimieren und in Formen gegeben wieder expandieren. Durch die Spannung werden Verformungen generiert, welche die Stützstruktur fixiert. Auf diesem Ansatz basierend entsteht ein Sitzpolsterentwurf.

Erste Ideen, Kombinationen Prototypen Halterung Polster Luft entziehen, Volumen reduzieren, Metall Ring formt Blumenmuster

Zusammensetzen, verleimen

Einzelteile der Unterkonstruktion, Steckverbindungen mit Dübeln

Entwürfe aus dem Skizzenheft

Inszenierung in der Produktion

Fazit und Ausblick

Ich hoffe, ich konnte Sie mit diesem Einblick dazu bewegen, mit mir das reichliche Potenzial des Materials zu entdecken!

Das farbenfrohe Material lädt förmlich dazu ein, es anzufassen, zu erkunden und damit zu experimentieren.

In meiner breiten Untersuchung von Verfahren und Techniken bis hin zu konkreteren Produkt-Anwendungen lernte ich das Material und dessen, zur Zeit noch, ungenutzten Möglichkeiten immer besser kennen.

Ich sehe meine Aufgabe als Designerin vor allem darin, dem Material eine Plattform zu geben, dessen Potenzial sichtbar und zugänglich zu machen.

Und während ich das Material bearbeite, beeinflusse, darauf einwirke, macht das Material das Gleiche mit mir. Daraus entwickelt sich eine Art Zusammenarbeit, die ich sehr zu schätzen gelernt habe und auch in Zukunft weiterhin suchen werde.

So gelingt es, ursprünglichem Industrieabfall, verloren geglaubtem Material einen neuen Wert zuzuschreiben.

Danksagung

Mentorat:

Christof Sigerist

Dagmar Steffen

Fachpersonen:

Mitarbeitende Holzwerkstatt, 3D-Werkstatt,

Textilwerkstatt HSLU Design Film Kunst Andreas Rüegger,

Robert Zubler, Jakob Härdi AG

Armin Taghipour, Manuel Isenegger, HSLU Technik & Architektur

Hanspeter Waldispühl, Abena Schaumstoff AG

Gespräche mit:

Fabienne Immoos

Cornelia Gassler

Sabina Brägger

Joel Hügli

Unterstützung:

Mitarbeitende KML, Mitstudierende, Freunde, Familie, insbesondere Dide Surbeck

Jonas Eggenberger

Prozess Dokumentation

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