Dokumentation: RE:

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Umschlaggestaltung: Schrift Atlante, Gabriela Jaime

Dokumentation

Juni 2024

HSLU DFK Objektdesign
Salomon Elsler

Im Kampf gegen den Klimawandel wird den Wäldern unserer Erde eine besondere Funktion zugeschrieben: CO2 langfristig zu binden. Und dennoch ist ein ressourcenineffizienter Umgang weit verbreitet und den Wäldern wird weltweit mehr Holz entnommen, als es nachwächst. Die Erderwärmung wird jedoch einen Paradigmenwechsel im Holzsektor nötig werden lassen. Auch Laubbäume wie Eichen sind vermehrt von Schädlingsbefall betroffen. Solch sogenanntes Schadholz wird aufgrund von industriellen Qualitätsstandards ausgesondert und oft frühzeitig verbrannt. Die re: Kollektion hinterfragt den gegenwärtigen Umgang mit Holz im Möbeldesign und strebt nach Ressourceneffizienz. Die freigelegten Frassgänge der Holzschädlinge verkörpern dabei die natürlichen Spuren des menschengemachten Klimawandels. Die Wertschätzung dieses Holzes folgt ganzheitlichem und nachhaltigem Denken, Entwerfen sowie Produzieren.

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Eine eingehende Recherche über Kaskadennutzung und Holzkreisläufe des Schweizer Holzsektors zeigte einen tendenziell verschwenderischen und ressourcenineffizienten Umgang mit dem Material auf. In der Folge stiess ich an verschiedenen Orten auf grosse Mengen von Massivholz, das von Schädlingen befallenen war. Nicht nur Nadelhölzer, sondern auch Laubbäume wie Eichen werden vermehrt von Schädlingen befallen. Die Zunahme ist auf klimabedingten Trocken- und Hitzestress zurückzuführen. Solcherlei Holz wird aufgrund normativer Schönheitsideale und industriellen Standards aussortiert und zur thermischen Energiegewinnung verbrannt. Hierbei wird das zuvor gebundene CO2 gänzlich emittiert. Eine Weiterverwendung unter anderem von Verschnitt, ausgesondertem Holz und Restmaterialien der Holzindustrie findet in vielen Ländern, auch schweizweit, kaum statt. Dabei könnte eine solche Nutzung dazu beitragen, die natürlichen Ressourcen zu schonen, zumal in Zeiten des Klimawandels. Hinzu kommt, dass die Verfügbarkeit von Frischholz bei Weitem nicht ausreicht, um die weltweite Nachfrage nachhaltig zu decken. Vor diesem Hintergrund habe ich mich im Rahmen meiner Bachelorarbeit mit Möglichkeiten einer wertschöpfenden Wieder- und Weiterverwendung und ästhetischen sowie taktilen Wahrnehmbarkeit dieses vermeintlich minderwertigen Massivholzes auseinandergesetzt. Dieses Wieder und Weiter klingt im Präfix der re: Kollektion an. Zudem beschäftigte mich, wie sich das Konzept der Unvollkommenheit, der Individualität und der normativen Abweichung in industriellen, seriellen und automatisierten Produktionsprozessen der Designwelt etablieren ließe. Geleitet wurde meine Arbeit von der Frage, ob eine in Zukunft neu kultivierte ästhetische Empfindsamkeit, eine durch Designende und Industrie geformte veränderte Produktsprache, Sehgewohnheit und Konsumerfahrung auch einen Wandel in der gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung und in der Sensibilität der Kund:innen bewirken würde. In ästhetischer und sozialökologischer Hinsicht scheint es mir an der Zeit, die natürlichen Gegebenheiten und Entwicklungen hinzunehmen und auf unsere Produktwelt einwirken zu lassen und dieses Schadholz für eine Verwendung auf der Massivholzkaskadenstufe einzubeziehen, statt den Rohstoff vorwiegend und weiterhin nach unseren Vorstellungen als wertlos zu klassifizieren. Aus den Schlussfolgerungen und Erkenntnissen dieser wissenschaftlichen Auseinandersetzung meiner theoretischen Bachelorarbeit ableitend, resultierte die re: Kollektion. Entstanden sind vier unterschiedliche Sitzmöbel: Hocker, Bank, Kinder-/Badhocker und Barhocker. Sie verfügen je über eine zweiteilige, angewinkelte Sitzfläche und seitlich über einen charakteristischen kapselförmigen Einschnitt, in eben diesem, passend gesteckt, eine Traverse das Möbel zusammenhält. Aus Gründen der Reparierfähigkeit und für einen platzsparenden Transport wurde auf Leim verzichtet. Stattdessen wurden Schrauben akzentuiert eingesetzt. Das verwendete Eichenholz stammt aus dem Schweizer Jura und wurde über die Groupe Corbat bezogen. Die Sichtbarmachung der Spuren durch den Schädlingsbefall zelebriert die – eigentliche – Pluralität und Inhomogenität der materiellen Beschaffenheit. Die Sitzmöbel laden zu einer Reflexion und (Werte )Diskussion herkömmlicher Holznutzung ein. Gleichzeitig wird die massenhafte Verbrennung dieser Ressource und das damit einhergehende CO2-Emittieren kritisiert.

Das Projekt setzte sich gezielt mit den UN-Nachhaltigkeitszielen SDG 12 „Nachhaltiger Konsum und Produktion“, SDG 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ und SDG 15 „Leben an Land“ auseinander.

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Schädlinge die Eichenholz befallen (von Links nach Rechts): Eichenkernkäfer, Florentiner Prachtkäfer, Eichenholzbohrer, Buchennutzholz-Borkenkäfer, Borkenkäfer, Schiffswerftkäfer, Eichenprachtkäfer.

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Erste Oberflächenexperimente mit Wasserbeize, Ölen und Naturpigmenten. Dabei versuchte ich die Spuren der Schädlinge farblich zu akzentuieren und zu inszenieren.

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Erste Gedanken..

...Proportionen und Dimensionen ausprobieren

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Erste Prototypen
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Die Suche nach den richtigen Proportionen für die Traversen

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Iterationen im CAD
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Von der ersten Handskizze der Kollektion...

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...zur digitalen Zeichnung mit finalen Proportionen, bevor die Produktion beginnt.

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Auf dem Firmengelände der Groupe Corbat in Vendlincourt lagern riesige Mengen von befallenem Massivholz, welches darauf wartet verbrannt zu werden.

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Auf dem Haufen landen hauptsächlich Eichen, Eschen und Buchen mit unterschiedlichen Dimensionen.

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Zuschnitt und Produktion

Auf dem Weg zur Trocknungskammer

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Das schädlingsbefallene Eichenholz wird zusammen mit unversehrtem Holz in die Trocknungskammer gelegt, wo es ca 2-3 Wochen trocknet.

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Die anhaltende Hitze und Trockenheit in der Kammer lassen sämtliche Schädlinge im Holz absterben und ermöglicht eine Weiterverarbeitung ohne dem Risiko einer Ausbreitung.

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Begutachtung des befallenen Holzes

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Auslegen des auf eine Feuchtigkeit von 7% getrockneten Massivholzes

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Markieren und Zuordnen der späteren Möbelemente

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Programmieren der CNC-Fräsdatei

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Um das Vakuum der CNC-Fräse als Befestigung des Werkstücks nutzen zu können, mussten die Frassgänge mit Klebeband abgedichtet werden.

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Skizze der Fussdetails der Kollektion

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Fräsen der Taschen für die Füsse
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Stirnseitige Fräsen einer Traverse

fertig gefräste Seitenelemente und untere Traverse des Barhockers

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Einschrauben der Muffe in die Traverse
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Zusammenbau aller Elemente

Tests von Lasergravuren

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Letzte Schrauben...
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Letzter Schliff...

Letzes, konzentriertes Begutachten ;)...

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Allerletzter Schliff...
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Explosion des Hockers

Auslage der einzelnen Bestandteile des Hockers

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Hocker
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Füsse des Kinderhockers
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Barhocker
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Barhocker
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Untere Traverse des Barhockers
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Hocker

Detail der eingelassenen Traverse

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60|70 Bank
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Detail
der Füsse

Lasergravur: “This piece of furniture is made from local oaks discarded due to pest infestation. By accepting the imperfection and plurality of wood, you are contributing to holistic and sustainable resource management.”

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Kinderhocker/Badhocker

Detail des kapselförmigen Einschnitts beim Hocker

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65|70 Bank
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re: Kollektion Kinder-/Badhocker (300 x 234 x 285 mm) Barhocker ( 360 x 313 x 720 mm) Hocker (380 x 300 x 450 mm) Bank (900 x 280 x 450 mm)
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Dank

Thai Hua

Gauthier Corbat

Kevin Husen

Bennett Smith

Mattia Gagliano

Anita Wanner

Gabriela Jaime

Holzwerkstatt HSLU DFK

in Kooperation mit:

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