TOKENS. Eine Hommage an die flüchtige Fantasie
Dokumentation der praktischen Bachelor-Arbeit XS Schmuck von Kiki Midnight
chiara.meow@protonmail.com
Intro „Das Selbst ist eine fragile Konstruktion unseres Geistes“(Csíkszentmihályi,2010 S.24). Wir umgeben uns mit Gegenständen als Anhaltspunkte unserer Identität: Sie sind Souvenire aus der Vergangeheit, Wegweiser für künftiges und repräsentieren die Gegenwart. Es wird besonders diesen Objekten Bedeutung zugeschrieben, die mit geliebten Personen verknüpft sind (Csíkszentmihályi,2010). Doch Liebsesbeziehungen werden kürzer, Begegnungen auf den sexuellen Akt reduziert(Illouz, 2018). Welche Dinge sind von Wert, wenn die intensivste Begegnung beinahe spurlos aus dem Leben verschwindet? Eine Frage, die im Schmuckdesign diskutiert werden sollte, denn gerade in diesem Feld gehört Emotionalität zu den wichtigsten Argumenten. Meine Recherche beginnt mit der Auseinandersetzung mit Kurzlebigkeit und endet in der flüchtigen Fantasie. Materielle Experimente machen nur einen kleineren Teil dieser Arbeit aus. Gedankliches, wie die ständige Verfeinerung des Konzeptes war hingegen zentral. In den nächsten Seiten werden die wichtigsten Schritte beschrieben, die zur Installation „Tokens. Eine Hommage an die flüchtige Fantasie“ geführt haben.
Illouz, E. (2018). Warum Liebe endet. Eine Soziologie negativer Beziehungen. Berlin: Suhrkamp. Csíkszentmihályi, M. (2010). Warum wir Dinge brauchen. In A. Ortlepp & C. Ribbat (Hrsg.), Mit den Dingen leben. Zur Geschichte der Alltagsgegenstände. (S. 21-31). Stuttgart.
üBER kurzlebigkeit Um Kurzlebigkeit von Begegnungen zu thematisieren, experimentierte ich mit Materialien, die nur für den
Wenn Liebesbeziehungen kürzer oder Begegnungen auf das Sexuelle reduziert werden, muss das einmaligen oder kurzen Gebrauch gedacht sind nichts Negatives bedeuten. Es sind bestehende und formte damit Körperteile. Ich arbeitete mit diskriminierende Mechanismen, wie strukturelle Hygieneartikeln, Essensverpackungsmaterial und Objektifizierung von marginalisierten Gruppen Fast Fashion Textilien. oder sexuelle Doppelmoral (Illouz, 2018), welche kurzlebige Begegnungen (wie auch jede Andere) Ich stützte mich auf eine These, die besagt, dass unangenehm machen können. sich Liebesbeziehungen dem kapitalistischen Markt angenähert haben und darum einer ObIch wollte aber nicht die strukturelle Objektifisoleszenz ausgestz sind. Diese Annahme stimmt zierung behandeln. Lieber wollte ich Erinnerunnicht ganz, denn die Liebesbeziehung war immer gen und Fantasien von flüchtigen Begegnungen eine ökonomische Konstruktion (Illouz, 2018). Es wecken. Strukturelle Objektifizierung kann zwar ist also kein Wunder, wenn Parallelen zum Kon- ein Faktor sein wie Dinge gelesen werden und sumverhalten beobachtet werden. Fantasien aussehen. Mich interessierte aber viel mehr das Individuelle und Intime.
Illouz, E. (2018). Warum Liebe endet. Eine Soziologie negativer Beziehungen. Berlin: Suhrkamp.
Während meiner Materialexperimente entstand ein Objekt, in dem ich ein Körperteil aus einem Taschentuch fertigte. Dieses Objekt könnte als „das Übriggebliebene“ verstanden werden. Als ein möglicher Beweis für eine flüchtige jedoch intensive Begegnung.
Ich sah vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr... In meinen Gedanken entstanden viele Geschichten...
Ich dachte an eine*einen Serienverführer*in der*die Taschentücher sammelt, um so das Erlebte wieder heraufzubeschwören und zu erneutem Leben zu erwecken. Das Taschentuch stellt demnach sowohl Souvenir als auch Fantasie dar. Ich dachte an Flashbacks nach einer berauschten Nacht. Das Taschentuch wird einerseits zum Auslöser der Erinnerung und gleichzeitig zur Erinnerung selbst. And so on... Doch was war es genau, was all diese Fantasien auslöst? Wie kann ich Objekte erschaffen, um bei anderen ähnliches auszulösen?
TOKENS
EINE HOMMAGE AN DIE FLUCHTIGE FANTASIE TOKENS spielt mit der Wechselwirkung zwischen Erinnerung und Imagination
Intention
Meine Objekte sollen für möglichst viele Personen, sowohl Intiator als auch Vergegenständlichung von individuellen Fantasien und/ oder Erinnerungen sein. Fantasien werden durch Erfahrungen geprägt, wiederum prägen Fantasien das Erlebte. Eine Wechselwirkung mit der ich spielen möchte. Das Papiertschentuch bringt das Flüchtige der Gedanken zum Ausdruck und steht für ein Zeichen einer Begegnung. Die darin ersichtlichen Körperteile können als aufgenommene Erinnerung gelesen werden, welche zu neuen Fantasien werden.
Formgebende Entschiedungen
In fast jeder Form von Sexualität kommt es zum Austritt von Flüssigkeit, wodurch Taschentücher zu Gebrauch kommen. Dadurch bringt das Trägermaterial einen Hinweis zur Thematik. Die Tücher prägte ich mithilfe von Gipsformen. Sie sollen möglichst genderneutral sein, ich wählte darum Körperteile, die nicht einem spezifischen Geschlecht zugeordent werden können. Sie sollen manchmal gut, manchmal weniger gut als Körperteile lesbar sein um Hinweise zu setzen und gleichzeitig Fantasien anzuregen.
Die Körperteile brachte ich mit einer dezent gelblichen Flüssigkeit in Form, welche an Schweiss erinnert. Während einer sexuellen Interaktion kommt es zur vermehrten Transpiration. Da so gut wie jede* jeder transpiriert, spreche ich auch hier eine breitere Personengruppe an.
Titel
Der Titel „Tokens“, ein Begriff aus dem Englischen für Wertmarke. Eine Anspielung auf die Prägung der Tücher. Token wird zudem als Synonym für Symbol, Beweis und Andenken verwendet, was die Essenz dieser Arbeit wiederspiegelt.
TOKENS EINE HOMMAGE AN DIE FLUCHTIGE FANTASIE
In der Luft hängend mit Faden: Suggeriert das Knüpfen von Gedanken, Wechselwirkung zwischen Fantasie und Erinnerung, indem sich die Fäden wie Synapsen in der Luft verknüpfen. Interaktion mit Besuchenden. Die in der Luft hängenden Fäden sollen in etwa auf Augenhöhe sein.
Ein Himmel aus Taschentücher. Die Tücher hängen von einer Blache, die an den Wänden befestigt wird. Am Boden befindet sich ein Bereich zum verweilen. Wie die Wolken am Himmel sollen die Taschentücher zum Fantasieren einladen.
Meine Entscheidung fiel auf eine Installation an der Wand. Die Wand wird oft als Träger für Erinnerungen und Fantasie benutzt z.B. im eigenen Zuhause oder im Musealen. Ich dachte an das Sammeln der Erinnerungen von Begegnungen, die zu neuen Assoziaitionen bewegen. Die Wand kann zudem methaphorisch für die Person stehen, die erinnert oder fantasiert.
Die Exponate wollte ich kleben. Einige Stücke sollen gut befestigt, werden einige nur punktuell. Die Exponate werden von Unten mittels Ventilatoren angewindet und in Bewegung gebracht. Ein paar der Tücher haften besser, andere wehen beinahe davon, wie das so ist mit den Gedanken. Nicht nur die Flüchtigkeit, sondern auch das Beflügeln der Fantasie kommt mit dieser Installationsform zum Ausdruck.
Ich wählte ein schwaches Violett, da es das Maskuline, Feminine und Nonbinäre beinhaltet und das Körperliche und das Fantastische. Ich wählte einen Pastellton, weil zu dunkle Töne die Tücher farblich beinflussen. Die Objekte sollen chaotisch gehängt werden um die Zerstreuung der Gedanken zu visualisieren. Da die Installation kontemplativ ist, sollten die Besuchenden eine Sitzgelegenheit bekommen.
Die richtige Farbe und Tapete
To be continued...
Schmuck
Nicht nur Wände tragen Erinnerungen und Fantasie
Eine Erinnerung, die zur Fantasie wird
Ein Gedanke der haftet und verfliegt
Obwohl ich mich zunächst vor der Reduktion meines Konzeptes gewehrt habe, war genau das auschalggebend, um Individualität hineinzubringen. Denn umso weniger von mir da ist, umso mehr Raum lässt es für die individuelle Fantasie der Anderen.