BAUM IM MÖBEL DOKUMENTATION
BA-Arbeit Robin Henseler Hochschule Luzern Design & Kunst
Hochschule Luzern Design & Kunst BA Objektdesign
BAUM IM MÖBEL DOKUMENTATION
Bachelorarbeit 2022 Robin Henseler robinhenseler1901@gmail.ch 079 913 06 58 Luzern, 13. Juni 2022
BAUM IM MÖBEL Im Rahmen der praktischen Bachelorarbeit „Baum im Möbel“ sind ein Loungestuhl und eine kleine Sitzbank entstanden. In der Herstellung der beiden Möbelstücke wurden Naturhölzer aus dem Wald am Chlotisberg im Seetal verwendet, welche als ästhetische und konstruktive Elemente eingesetzt sind. Die Gestaltung der Sitzbank wurde massgeblich von der natürlichen Wuchsform des verwendeten Baumes bestimmt. Lediglich für die Verbindung der vier Einzelteile wurde ein Halbfabrikat eingesetzt. Im Loungestuhl gewährleistet Schnittholz die Aufnahme der organischen Astgabeln und bildet die Sitzfläche. Der Kontrast zwischen traditionellem Handwerk und industrielle Umgang mit Halbfabrikaten wird dabei thematisiert. In den Objekten wird exemplarisch ein alternativer Umgang mit der Ressource Holz aufgezeigt. Der Baum als natürlich gewachsenes Material wird im Möbel zelebriert.
INHALT
AUSGANGSLAGE UMGANG MIT NATURHÖLZER GESTALTUNGSPROZESS FERTIGUNGSPROZESS GEGENÜBERSTELLUNG DER OBJEKTE & REFLEXION AUSBLICK DANK
AUSGANGSLAGE
VORHABEN
Astgabelungen, Stämme mit geringem Durchmesser, unförmig gewachsene Bäume – viel wertvolles Holz bleibt bei der Bewirtschaftung im Wald liegen oder wird als minderwertiges Energieholz verbrannt. Aufgrund der aufwändigen Auslese sowie der individuellen und organischen Wuchsform findet diese im Übermass vorhandene Ressource in der industriellen Produktion keine Verwendung. Um Holzmöbel herzustellen, verarbeiten Industrie und Gewerbe geometrische Halbzeuge, welche möglichst homogen und berechenbar sind. Dadurch ist deren Ursprung – der Baum – mehrheitlich nicht mehr sichtbar. Der Bezug zum natürlichen Wachstum und die Wertschätzung gegenüber dem Material ist kaum vorhanden. Schaut man die Produktionskette an, ergibt sich eine lange Liste, welche nicht erst bei der Bearbeitung der Halbzeuge beginnt. Ein Baum muss gefällt,
in ein Sägewerk transportiert und zersägt werden. Dort wird das Holz monate- oder jahrelang gelagert, bevor es erneut transportiert und weiterverarbeitet wird. Beim Abrichten und Bearbeiten der rohen Bretter und Balken gibt es schliesslich auch viele Reststoffe. Oft ist der Anteil von Abschnitten, Spänen und Sägemehl höher als das tatsächlich verbaute Material. Fragen nach dem Umgang mit Holz, der Wertschätzung der Arbeit und dem gestalterischen Prozess drängen sich auf. In der Arbeit „Baum im Möbel“ untersuche ich die ästhetischen und konstruktiven Potenziale von Holz als natürlich gewachsene Substanz und erarbeite eine Verbindung vom Baum zum Objekt. Der Baum soll als Lebewesen in den Produkten gezeigt werden. Damit positioniere ich mich als Gestalter und setze ein Statement für einen respektvollen, ressourcenschonenden und
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nachhaltigen Umgang mit dem Werkstoff. Ich verbinde gezielt überlieferte Handwerkstradition mit modernen Technologien, um den Ursprung des Materials im Objekt zu zeigen. Der gestalterische und wirtschaftliche Nutzen von Naturholz wird in den Objekten exemplarisch aufgezeigt.
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AUSGANGSLAGE
ERSTE MATERIALBESCHAFFUNG
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In einem ersten Schritt habe ich mir einen Überblick über das Material verschafft, das bei der Holzernte anfällt. Dazu suchte ich den Kontakt zu Thomas Baggenstoss, Förster der Region Seetal. Er lehrte mich, dass das geschlagene Holz nach bestimmten Kriterien klassifiziert und auf verschiedene Polter (Haufen) aufgeteilt wird. Die geradwüchsigen Stämme in guter Qualität werden als Stamm-
holz deklariert und später in Sägewerken zu Schnittholzbrettern verarbeitet. Stämme in minderer Qualität werden als Industrieholz oder zusammen mit dem Astmaterial als Energieholz aufgestapelt. Für erste Versuche mit dem Material durfte ich Holz vom Energieholzpolter verwenden.
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UMGANG MIT NATURHÖLZERN
Es boten sich mehrere Möglichkeiten, mit den Naturhölzern umzugehen. Ich konnte mir verschiedene Ansätze vorstellen, welche sehr unterschiedliche Endprodukte hervorbringen würden. Das natürlich gewachsene, organische Holz kann in Handarbeit, an Maschinen oder mit modernen, informationstechnischen Verfahren bearbeitet werden. Eine weitere Möglichkeit sah ich in der Bearbeitung des Hol-
zes mit einfachsten Handwerkzeugen. Als Endprodukt der gestalterischen Bachelorarbeit wäre dabei ein Katalog für Laien mit Anleitungen für das Bauen von Möbeln aus Astholz denkbar gewesen.
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UMGANG MIT NATURHÖLZER
HANDWERKZEUGE
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Das Konzept bei welchem die Äste nur mit Handwerkzeugen bearbeitet werden, lehnt sich an die Arts and Craft Bewegung in den 1970er Jahren an. Als prominente Vertreter dieser industriekritischen Handwerksbewegung galt die Designgruppe DesIn, die Jochen Gross mit einigen seiner Studierenden ins Leben gerufen hat. DesIn verwendete für die Produktion ihrer Objekte nebst Abfallmaterialien und günstigen Restmaterialien aus der Industrie auch Naturhölzer. Mit einfachsten Handwerkzeugen bearbeiteten sie die Materialien in ihrer spärlich eingerichteten Werkstatt. Wichtig war ihnen, dass die handwerkliche Produktion möglichst wenig Zeit beanspruchte und die Materialien kostengünstig waren, damit ihre Produkte gegenüber der industriellen Massenware konkurrenzfähig blieben. Von diesem Prinzip inspiriert startete ich erste Versuche und bearbeitete unterschiedliches Astmaterial vom Energieholzpolter direkt im Wald mit Handsäge, Stechbeitel, Akku-
schrauber, Handhobel und Kettensäge. Das Hauptaugenmerk bei diesen Versuchen lag auf der Erarbeitung stabiler Verbindungen aber auch Experimente zur Oberflächenbearbeitung sind entstanden. Um ein Gefühl für den konstruktiven Einsatz und die Ästhetik mit dem Material zu erlangen, baute ich ausserdem drei erste Versuchsobjete. Beim Bearbeiten eines Astes mit dem Handhobel entstand eine plane Fläche, deren Kanten eine klare organische Linie bildeten. Ich erkannte, dass im Kontrast der bearbeiteten Stellen und der natürlich belassenen Wuchsform grosses Potenzial für meine Arbeit liegt. Der Umgang mit dem Astholz erfordert ein präzise eingesetztes Bearbeitungsprinzip, damit es nicht willkürlich und ungestaltet wirkt. Das Material soll nicht nur zur Verbindung, sondern auch im Sinne der gestalterischen Ästhetik bearbeitet werden. Mit den Handwerkzeugen, die einem Laien zur Verfügung
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stehen, ist ein solcher Umgang mit dem Rohmaterial stark eingeschränkt und die Produktion eines Objektes wird aufwändiger. Ich verwarf die Idee, das Material nur mit Handwerkzeugen zu bearbeiten, um mehr Gestaltungsfreiheiten zu erhalten und mich als Gestalter stärker einbringen zu können.
UMGANG MIT NATURHÖLZER
HANDWERKZEUGE
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UMGANG MIT NATURHÖLZER
HANDWERKZEUGE
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UMGANG MIT NATURHÖLZER
HANDWERKZEUGE
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UMGANG MIT NATURHÖLZER
DIGITALE VERFAHREN
Das Masterprojekt „New Sources“ von Matthias Gschwendtner zeigt auf, wie mit modernen Technologien wie dem 3D-Scannen und dem Entwickeln von Algorithmen die industrielle Bearbeitung von individuellen und organischen Materialien auf digital angesteuerten Maschinen möglich wird. Die Bearbeitung der Naturhölzer mit informationstechnischen Verfahren stellt in der angestrebten Industrialisierung 4.0 ein grosses Potenzial dar. Auch den Umgang mit der Ressource in digitalen Verfahren zog ich in Betracht und scannte einige Äste und Astgabeln mit dem 3D Scanner. 26
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UMGANG MIT NATURHÖLZER
DIGITALE VERFAHREN
Rasch wurde mir klar, dass die begrenzte Zeit einer Bachelorarbeit kaum ausreicht, um ein Projekt mit diesem Ansatz umzusetzen. Ausserdem hätte ich für das Programmieren eines Algorithmus externe Hilfe benötigt und die 3-achsige CNC-Fräse an der Schule ist in ihren Möglichkeiten doch relativ beschränkt. Deshalb beschloss ich, das Material in Handarbeit an den Maschinen der Holzwerkstatt unserer Schule zu bearbeiten.
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GESTALTUNGSPROZESS
VERBINDUNG ZUR SCHRIFTLICHEN ARBRIT
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In der theoretischen Bachelorarbeit habe ich Arbeiten unterschiedlicher Designer:innen auf den ästhetischen und konstruktiven Einsatz von Naturhölzern untersucht. Diese Analyse diente mir in der praktischen Arbeit als Inspiration und gab mir Anhaltspunkte, wie Designer:innen mit dem Material umgegangen sind. Alle Fallbeispiele sind Unikate oder Kleinserien. Grund dafür ist in den meisten Fällen, dass die Objekte aus Astholz nicht in industrieller Massenproduktion gefertigt werden können. Die Möbel werden oder wurden entweder in Handwerksbetrieben oder von den Designer:innen als produzierende Gestalter:innen selbst hergestellt. Die Ausnahme bildet der „Computerblockstuhl“ von Matthias Gschwendtner, welcher in einem computergesteuerten Verfahren produziert wird. Diese Erkenntnis bestärkte mich, in meiner eigenen gestalterischen Arbeit Prototypen zu entwerfen, die auf eine handwerkliche Kleinserienproduktion ausgerichtet sind.
Folgende Bearbeitungsprinzipien erscheinen mir besonders interessant. - Herausarbeiten von planen Flächen und geraden Kanten erzeugt Kontrast und beruhigt die Ästhetik des organischen Materials. - Der Einsatz von herkömmlichen Halbzeugen kann den organischen Ästen eine Plattform bieten und es zielgerichtet in Szene setzen. - Oberflächenbehandlungen wie zum Beispiel das Lackieren oder Schwärzen der Äste rücken die Form in den Vordergrund. Das Material wirkt schlicht und tritt in den Hintergrund. - Präzise Verbindungen und Übergänge lassen das Objekt als Ganzes wahrnehmen und nicht als willkürlich zusammengefügte Einzelteile. - Rapporte und Wiederholungen ähnlicher Elemente helfen, das Objekt als eigenständiges und einheitliches Ganzes wahrzunehmen.
Der Einsatz von Astgabeln im „Asthocker“ und Stamm-Ast-Verbindungen in der Kollektion „Fragments of Nature“ zeigen, wie gross das Potenzial der natürlich gewachsenen Verbindungen im Baum ist. Mit einem einfachen Fügungsprinzip ist die Stabilität der Möbel gewährleistet. Dadurch wird der Einsatz des Materials im Objekt aus konstruktiver Sicht gerechtfertigt und begründet, weshalb es nicht durch ein konventionelles Halbzeug ersetzt werden kann. Ich beschloss, in meinen Objekten solche Verbindungen einzusetzen. 31
GESTALTUNGSPROZESS
SKIZZEN Ausgehend von den Erkenntnissen der ersten Materialversuche und der Fallanalysen begann ich Ideen für meine eigene gestalterische Arbeit zu generieren. Ich skizzierte Möbelstücke, in denen Naturhölzer unterschiedlich eingesetzt sind. Die Skizzen untersuchte ich auf den schlüssigen und sinnvollen Einsatz und das ästhetische und konstruktive Potenzial der Naturhölzer. Die Ideen mit dem grössten Potenzial verfolgte ich weiter. Mit weiteren Skizzen und Zeichnungen im CAD erarbeitete ich zwei Objekte.
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GESTALTUNGSPROZESS LOUNGESTUHL
FORMFINDUNG
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Die 3D Scans der Astgabeln waren im Gestaltungsprozess des Loungestuhls von grosser Bedeutung. Dank dieser Daten konnte im CAD eine grosse Variantenvielfalt von dreidimensionalen Modellen erarbeitet und verglichen werden. Anpassungen und Abänderungen konnten rasch vorgenommen werden. 35
GESTALTUNGSPROZESS LOUNGESTUHL
ERGONOMIE
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Aus dem Buch „The Measure of Man and Woman: Human Factors in Design“ entnahm ich Winkel und Masse für den Loungestuhl. In einer Vorrichtung zum Überprüfen der Ergonomie für Stühle, die ein Kommilitone gebauten hatte, testete ich diese Masse.
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GESTALTUNGSPROZESS LOUNGESTUHL
MODELLBAU
Um die Proportionen in Originalgrösse zu überprüfen, baute ich ein 1:1 Modell aus Kanthölzern und Karton. Nachdem ich einige Änderungen vorgenommen hatte, baute ich ein zweites, verbessertes Modell. 38
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GESTALTUNGSPROZESS LOUNGESTUHL
GESTALTERISCHES KONZEPT
Im Sessel treffen Naturhölzer und Halbzeug wie auch Handwerk und serielle Produktion aufeinander. Die Gegensätze sind im Objekt sichtbar und werden fokussiert. Das Schnittholz bietet mit seinem massiven Volumen eine stabile Aufnahme der Astgabeln und soll als formal ruhiger Kontrast dienen. Die Astgabeln weisen spezifische konstruktive Eigenschaften auf, die gezielt da eingesetzt werden, wo es konstruktiv auch Sinn macht. Aus ästhetischer Sicht kontrastiert die präzise, geometrische Form des Halbzeugs mit planen Flächen und klaren Kanten mit der organischen Wuchsform der Astgabeln. Auf der Ebene der Produktion werden auch unterschiedliche Bearbeitungsprinzipien eingesetzt. Halbzeuge lassen sich effizient und präzise mit computergesteuerten Maschinen bearbeiten. Die Elemente aus Schnittholz werden mit einer 40
5-Achsigen CNC-Fräse hergestellt, die viele gestalterische Freiheiten zulässt. Die naturgewachsenen Elemente des Sessels wirken im Gegensatz dazu roh und zeigen handwerkliches Können in der Verarbeitung und Detailierung. Gestalterische Entscheide sind in Bezug auf den Kontrast Halbfabrikat/Natur und seriell/manuell gefällt worden. Um die industrielle Produktion zu verdeutlichen, wurde die Verbindung der zwei Elemente aus Halbzeug in Gehrung gefügt. Gleichzeitig thematisiert die an den Seiten sichtbare Schwalbenschwanzverbindung die handwerkliche Montage. Damit die dicken Schnittholzplatten weniger massiv wirken, werden die Kanten nicht rechtwinklig, sondern mit einer Neigung nach innen gefräst. Auf einer 5-Achsigen CNCMaschine wäre dies auch in der Torsion möglich und kein Mehraufwand.
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GESTALTUNGSPROZESS SITZBANK
FORMFINDUNG
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Die Bank wurde massgeblich von der natürlichen Wuchsform des verarbeiteten Baumes bestimmt. Ein genauer Plan oder eine präzise Gestaltung war im Vornhinein nicht möglich. Ich plante zwar die Anordnung und die Ausrichtung der Einzelteile, doch während des Bearbeitens merkte ich, dass gewisse Werkstücke spannendere Flächen und Zeichnungen aufwiesen als andere und stellte deshalb die Reihenfolge um. Ich musste mich auf das Material einlassen und es fortlaufend analysieren. Das macht die Arbeit mit Naturhölzern aus. So wird der Baum wirklich Teil der Gestaltung im Möbel.
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FERTIGUNGSPROZESS Um die geplanten Objekte herstellen zu können, musste ich erneut Naturhölzer aus dem Wald holen. Während ich mich bei den ersten Versuchen eher vom Material inspirieren liess und sich ihre Anwendung oft nach der Wuchsform und Dimension richtete, hatte ich nun eine klare Vorstellung, wonach ich suchte. Dies erschwerte den Prozess deutlich und es war zeitaufwändig, die richtigen Hölzer zu finden.
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FERTIGUNGSPROZESS
TROCKNUNGSKAMMER
Die geeigneten Bauteile für meine Objekte stammen von Bäumen, welche diesen Winter geschlagen wurden. Deshalb war das Material noch Wassergesättigt, was für die Weiterverarbeitung problematisch ist. Ich durfte die Hölzer für drei Wochen in der Trocknungskammer der Sägerei Zimmermann lagern. In dieser Zeit wurde das Holz zwar nicht absolut trocken, verlor aber einen grossen Teil seiner Feuchtigkeit. Dieser Umstand ist für die Weiterverarbeitung zwar nicht optimal, da das Holz weiter schwindet und sich verzieht, die Prototypen lassen sich damit dennoch bauen.
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FERTIGUNGSPROZESS
PROBEMUSTER
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Um Fehler beim Bauen des finalen Prototypen zu verhindern, fertigte ich zuerst Probemuster von allen Verbindungen. Auch von der Oberflächenbehandlung der Teile aus Halbzeugen machte ich unterschiedliche Versuche. So konnte ich Erfahrungen in der Fertigung sammeln und die Verbindungen auf ihre Festigkeit prüfen. Danach begann ich den Sessel umzusetzen.
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FERTIGUNGSPROZESS
PROTOTYPENBAU LOUNGESTUHL
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FERTIGUNGSPROZESS
PROTOTYPENBAU LOUNGESTUHL
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FERTIGUNGSPROZESS
PROTOTYPENBAU SITZBANK
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FERTIGUNGSPROZESS
PROTOTYPENBAU SITZBANK
Die beim Abrichtrichten entstandenen Flächen wurden erst nach der Bearbeitung sichtbar. Gewisse Seiten erwiesen sich als harmonischer als andere, weshalb ich während des Fertigungsprozesses erneut die Anordnung der einzelnen Bauteile der Sitzbank änderte.
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GEGENÜBERSTELLUNG DER OBJEKTE & REFLEXION
Während meinem Studium gestaltete ich stehts schlichte, zurückhaltende Objekte mit meist klaren und geometrischen Formen. Im Umgang mit dem organischen Astmaterial musste ich meine Komfortzone zwangsläufig verlassen. Ich sah in der Bachelorarbeit die Chance, mich während meiner Ausbildung noch-
mals weiterzuentwickeln, von meiner bisherigen Praxis abzuweichen und Neues auszuprobieren. Obwohl die beiden Objekte im selben Projekt erarbeitet wurden, sind sie sehr unterschiedlich. Im Loungestuhl wollte ich den Kontrast zwischen Naturhölzern und Halbzeugen 68
thematisieren. Gestalterische Entscheide sind in Bezug auf die Gegensätze der verschiedenen Materialien und deren Bearbeitungsprinzipien gefällt worden. Das Objekt soll als künstlerische Studie betrachtet werden, in welchem unterschiedliche Aspekte erprobt wurden. Dabei ist einiges besser gelungen als anderes. Wäh-
rend die konstruktiven Verbindungen und der funktionale Mehrwert der Astgabelungen beispielsweise schlüssig eingesetzt wurden, ist der ästhetische Kontrast zu krass ausgefallen. Durch das Ölen des Halbzeuges heben sich die Materialien zu stark voneinander ab und es treffen zu viele verschiedene Formensprachen aufeinander. Der Loungestuhl bietet viel Raum für Diskurse und fordert Betrachter:innen zu einer vertieften Auseinandersetzung auf. Für mich war die Arbeit an diesem Objekt eine Herausforderung, erforderte Mut, aber leitete einen weiteren Entwicklungsprozess in der Suche nach meiner gestalterischen Position ein. Die Sitzbank besteht hauptsächlich aus Naturhölzern. Lediglich die Verbindungen der vier Einzelteile werden aus Halbzeug gefertigt. Deshalb konnte ich bei diesem Prototypen weniger Einfluss auf die Gestaltung nehmen. Wuchsform und Gestalt des Baumes werden als Gestaltungselement im Objekt eingesetzt. Die Natur gibt somit die Form der Bauteile vor und die Aufgabe der Gestalter:innen ist es, diese gezielt einzusetzen und zu arrangieren. Ich musste mich auf das Material einlassen und
es während der Bearbeitung fortlaufend analysieren. Der Ursprung des Werkstoffs ist während des Fertigungsprozesses leitend und im fertigen Objekt sichtbar, der Baum wird im Möbel gewürdigt und zelebriert. Auch in diesem Objekt wurden die Naturhölzer konstruktiv schlüssig eingesetzt. Die gewachsenen Verbindungen tragen massgeblich zur Statik des Sitzmöbels bei und rechtfertigen dadurch ihren Einsatz. Die klaren Flächen und Kanten der Sitzfläche beruhigen die Ästhetik des Objektes und lassen den Organischen Formen Raum. Der gesuchte Kontrast zwischen geometrischen und organischen Formen fällt hier deutlich milder aus als beim Loungestuhl. Auch die Tatsache, dass ich mehrheitlich bei einem Material geblieben bin, beruhigt die Ästhetik. Der Umgang der Naturhölzer ist aufgrund der Auslese und der erschwerten Bearbeitung Zeitintensiv. Dennoch ist die Produktion der Sitzbank im Vergleich zum Sessel bedeutend einfacher. Die Verbindung der Sitzfläche und Beinen ist vom Material gegeben und für das Fügen der Einzelteile habe ich mit der Schwalbenschwanzverbindung eine Lösung gefunden, welche trotzt 69
handwerklicher Produktion wirtschaftlich ist. Der Loungestuhl war in der Fertigung sehr aufwändig. Die Elemente aus Halbzeugen könnten zwar industriell produziert werden, doch die Montage ist komplexer und Zeitaufwändiger. Die Schaffensart der Bank lohnt sich also aus wirtschaftlicher und ästhetischer Sicht mehr als die des Sessels. Ausserdem kann ich mich damit mehr identifizieren. Der Weg über den Loungestuhl hat es aber gebraucht, um diese Erkenntnis zu erlangen. Auch die ersten beiden Ansätzen meiner Arbeit waren für die beiden Objekte von Bedeutung. Alle angewandten Verbindungsprinzipien habe ich in vereinfachter Form schon mit handwerkzeugen im Wald erprobt und erste Erfahrungen wurden gesammelt. Ausserdem haben die 3D-Scanns die Formfindung des Sessels erleichtert.
AUSBLICK
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Beim Rücken des Holzes aus dem Wald und beim Aufstapeln auf den Polter zerbrechen die meisten Astgabeln und die Borke wird an vielen Stellen abgeschürft. Aus einem Teil des Astmaterials, welches im Wald zurückbleibt, wird ausserdem auf der Rückegasse ein sogenannter Astteppich ausgelegt, um die Bodenverdichtung beim Rücken mit schweren Waldfahrzeugen zu verringern. Für die Beschaffung von spezifischem Astmaterial wäre deshalb eine Zusammenarbeit zwischen Möbelbauer:innen und forstwirtschaftlichen Be-
trieben dienlich, welche bereits beim Holzschlag bestimmte Naturhölzer sammeln und bereitstellen könnten. Auch unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Regionalentwicklung wäre ein solches Projekt interessant. In einem persönlichen Gespräch mit Reto Rescalli, Dozent am Bildungszentrum Wald in Lyss habe ich erfahren, dass viele Forstbetriebe ihre eigene kleinere Werkstatt haben und für die Holzbearbeitung relativ gut eingerichtet sind. Vor allem bei Wetterverhältnissen, die den Holzschlag im Wald unmöglich
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machen, werden in den meisten Forstbetrieben Sitzbänke oder andere einfache Objekte produziert. Die Infrastruktur wäre demnach für die Produktion einfacher Astholzmöbel gewährleistet und die Materialbeschaffung während des Holzschlages bedeutend leichter als danach. Ausserdem erübrigen sich jegliche zusätzliche Transportwege.
DANK
Praktische Arbeit
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Andreas Saxer Sandro Halter Thomas Baggenstoss Franz Elmiger Beat Zimmermann Andreas Wallimann Tim Frank Valentin Küng
Theoretische Arbeit
_ Dagmar Steffen _ Reto Rescalli
Film
_ Simona Baumgartner
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