Leonie Hochstrasser – Die Form der Musik

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DIE FORM DER MUSIK Strategien der Visualisierung von Musik in Design- und Kunstobjekten

Leonie Hochstrasser 2019 Schriftliche Bachelorarbeit 6. Semester Objektdesign Hochschule Luzern Design & Kunst


Titelbild Fotografie einer Marmorierung auf Papier. Die Verteilung der Farbe entstand mittels

2

Vibrationen von Schallwellen des Geigenspiels der Autorin.


DIE FORM DER MUSIK Strategien der Visualisierung von Musik in Design- und Kunstobjekten

Leonie Hochstrasser 2019

Schriftliche Bachelorarbeit

6. Semester Objektdesign Hochschule Luzern Design & Kunst

Mentorin: Gabrielle Alioth 34‘660 Zeichen

Eingereicht am: 14.05.2019

Leonie Hochstrasser Erlenstrasse 22

6020 Emmenbrücke

leonie.hochstrasser@outlook.com +41 76 539 36 58

3


4


INHALTSVERZEICHNIS

1 2

1 Einleitung

2

Physik des Klangs und dessen Wahrnehmung

2.1 Schallwellen

2.2 Wahrnehmung

3

12 14

3

Verbindung zu Gestaltung und Design

16

3.3

4

4.1

4.2 4.3 4.4

4.5

6

11

Kymatik

3.2

5

10

2.3

3.1

4

7

Visualisierung von Musik

Synästhesie und Synästhetik

16 17

Emotionen im Produktdesign

18

Musik und Klang in zeitgenössischen Design- und Kunstarbeiten

20

Andrea Wolfensberger – Klangskulpturen

Bouphasavanh Phetxomphou – Schallwellen im Material Hermann August Weizenegger – Valse Automatique Heinrich Ehnert – Vessels

23 27 31 35

Vergleiche

38

5

Fazit

39

6

Anhang

42

6.1

6.2 6.3 6.4

6.5

Workshop Interviews

Abbildungsverzeichnis Literaturverzeichnis Internetquellen

6.6 Lauterkeitserklärung

43 50 76 78 79 81

5


Musik ist farbig, ber체hrend, unsichtbar, fl체chtig.

Ein Objekt ist farbig, ber체hrbar, sichtbar, best채ndig.

6


1

EINLEITUNG Musik ist unmittelbar und berührt emo-

Die Visualisierung eines so flüchtigen,

tional. Für viele ist sie unabdingbar in

berührenden Vorgangs wie das Erklin-

ihrem Leben und hilft in verschiedensten

gen von Musik eröffnet ein riesiges Feld

Situationen: Sie gibt Kraft oder Konzent-

an Experimentiermöglichkeiten, Annähe-

ration, beruhigt und entspannt.1

rungen und Positionen. Mich interessie-

Jedoch verflüchtigt sie sich nach dem

ren für die schriftliche Bachelorarbeit die

Hören und klingt nur noch emotional,

Strategien zeitgenössischer Designer*in-

körperlich und geistig nach. Wie kann

nen und Künstler*innen, welche diese

eine gestalterische Strategie gefunden

Verbindung in ihren Werken eingegan-

werden, um Musik in einem stabilen,

gen sind. Welche Gewichtung erhalten

bleibenden Objekt sichtbar zu machen,

verschiedene Einflüsse, wie beispielswei-

ohne ihre Sinnlichkeit und Emotionalität

se Emotionen, Sinne, Vergänglichkeit, in

zu verlieren?

den verschiedenen Arbeiten und welche

Als musikalische wie künstlerische Per-

Schlüsse kann ich daraus für meine eige-

son interessiert mich diese Verbindung

ne praktische Arbeit ziehen?

– die Manifestierung von Musik in einem Objekt – sehr. Mich hat die Musik schon seit Kindesalter berührt. Aufgewachsen in einer musikalischen Familie und seit 16 Jahren Violine spielend, begleitet mich diese Leidenschaft stetig und lange. Und nun möchte ich sie mit dem Studium in Objektdesign – meinem zweiten grossen Interessengebiet – verbinden. In meiner praktischen Arbeit möchte ich einen Weg finden, Musik in einem Objekt auf eine schlüssige Art darzustellen. In der Formensprache soll das Sinnliche, Poetische, was die Musik ausmacht, wieder zu finden sein.

1

Vgl. dazu der Workshop zum Thema Musik, Gestaltung und Emotionen, durchgeführt am 18. und 19.03.2019 in Luzern, im Anhang S. 43.

7


Musik als Formgeberin hat schon his-

Weswegen dieses Interesse an Visu-

trachtet man beispielsweise gewisse

Klängen bestand und auch weiterhin

so erkennt man, dass mancher Architekt

von Beispielen von Arbeiten zeitge-

inspiriert worden ist. So sagte der ita-

ler*innen nachgegangen. Vorab wird

Schriftsteller Leon Battista Alberti, dass

gesehen ist und wie dieser wahrge-

Ohren beglücken, auch unsere Augen

Musik sehen und was unter dem Begriff

torisch eine grosse Rolle gespielt. Be-

alisierung von Musik und anderen

imposante Bauwerke der Renaissance,

besteht, wird in dieser Arbeit anhand

von der Gesetzmässigkeit der Musik

nössischer Designer*innen und Künst-

lienische Architekt, Mathematiker und

geklärt, was Klang rein physikalisch

die Zahlenkombinationen, welche unsere

nommen wird, wie Synästhetiker*innen

entzücken. Er bezieht sich dabei auf die

der Kymatik verstanden werden kann.

Beziehung von Musikintervallen und architektonischen Proportionen.2

Mit der Entwicklung in Wissenschaft

und Industrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieg das Interesse an der Vi-

sualisierung von Musik. Dies zeigte sich beispielsweise an der hohen Zahl von Patenten für technische Verfahren. Bekannte Künstler, welche sich mit dem

Thema beschäftigten, waren unter an-

derem der Maler Alexander Wallace

Rimington, Alexander Laszlo oder Adriaen Klein.3 So erhielt Ersterer 1895

das Patent für seine sogenannte Colour Organ. Bei dieser über drei Meter ho-

hen Farborgel befanden sich über der herkömmlichen Tastatur farbige Tasten,

mit welchen durch ein Objektiv- und Filtersystem Farben gespielt werden konnten.4

8

2

Wittkower 1971, S. 110.

3

Haverkamp 2009, S. 283.

4

Prudence 2008, aufgerufen am 28.02.2019.


1

Abbildung 1 Farborgel von Alexander Wallace Rimington

9


2

Physik des Klangs und dessen Wahrnehmung

2

3

Abbildung 2 SchallĂźbertragung Abbildung 3 Menschlich hĂśrbarer Frequenzbereich

10


2.1

SCHALLWELLEN Wenn man Musik oder grundsätzlich Klänge fern aller Emotionalität betrachtet, sind es Schwingungen, welche sich als Schallwellen ausbreiten, von unseren Ohren aufgenommen und im Hirn verarbeitet werden. Schallwellen sind mechanische Schwingungen von Teilchen in Flüssigkeiten, Festkörpern oder Gasen. Der menschliche Hörbereich liegt zwischen 16 Hz und 20‘000 Hertz. Hertz (Hz) ist die Einheit, welche die Frequenz, also die Anzahl Schwingungen der Schallwelle pro Sekunde, beschreibt. Da sich Schallwellen nicht im luftleeren Raum ausbreiten können wie beispielsweise Licht- oder Radiowel-

Mathematisch gesehen ist die Schallwelle eine Sinus- oder Cosinus-Kurve, welche aus Wellenbergen und Wellentälern besteht. Die Höhe und Tiefe eines solchen Wellenbergs ist die Amplitude und beschreibt den Energiegehalt, sprich die Lautstärke der Welle. Je grösser dagegen die Frequenz, desto höher der Ton und kürzer die Schwingungsdauer.6

Eine

Schallwelle hat wie eine vibrierende Saite zwei Formen der Energie: kinetische Energie, also zum Beispiel die Bewegung der Luft, und potentielle Energie, die aufgewendete Energie, welche benötigt wird, um den Luftdruckunterschied zu erzeugen.7

len, brauchen sie ein „Übertragungsmedium aus beweglichen Teilchen“.5 Schall entsteht, wenn sich Materie ausdehnt oder zusammenzieht, dadurch die Teilchen dichter aneinandergepresst werden und somit einen Druckunterschied in der Umgebung erzeugen. Um diesen Unterschied abzubauen, geben die Atome oder Moleküle den Druck an ihre benachbarten Teilchen weiter, welche diesen wiederum weiterleiten. So entsteht eine wellenartige Bewegung. Die Teilchen selbst oszillieren, schwanken also hin und her in Ruhelage. Das bedeutet, dass Energie und nicht Materie transportiert wird.

5

Zünd 2019, aufgerufen am 18.02.2019.

6

Ebd.

7

Gunther 2012, S. 99.

11


4

Abbildung 4 Anatomischer Aufbau des menschlichen Ohrs im Querschnitt

12


2.2

WAHRNEHMUNG Der erste Sinn, der sich bei einem Embryo

Da wir vor allem in einer „Sehwelt“ leben,

entwickelt, ist der Gehörsinn. Er dient zur

setzen wir die „Welt im Allgemeinen“

Wahrnehmung der Umwelt und zur Kom-

gleich mit der sichtbaren Welt. Geräu-

munikation. Zudem ist das Ohr zuständig

sche und Klänge dienen dabei als Ergän-

für den Gleichgewichtssinn.

zung und spielen nicht die Hauptrolle.

Der Schall wird von der Ohrmuschel auf-

Jedoch ist es aussichtslos, die Sinnes-

genommen und vom Gehörgang bis zum

bereiche genau voneinander trennen zu

Trommelfell weitergeleitet, welches die

wollen. Sie bilden in der Wahrnehmungs-

Schwingungen durch Vibrationen zum

praxis immer eine Symbiose.12

Mittelohr weiterleitet. Dort werden sie durch die Gehörknöchelchen um das zwanzigfache verstärkt und zu elektrischen Impulsen umgewandelt, die vom Hörnerv ins Gehirn weitergeleitet werden. Da wird schliesslich das Signal ausgewertet und verarbeitet.8 Unsere Wahrnehmung basiert auf Transformationsprozessen.

Dabei

werden

„Umwelteindrücke in Sinneseindrücke umgewandelt“.9 Wenn wir etwas hören, sind es eigentlich nur leichte Luftdruckschwankungen, aber wir vernehmen Worte, Musik oder Geräusche. Wenn wir etwas sehen, sind das „komplexe Muster elektromagnetischer Wellen“10, aber wir erkennen Objekte im Raum, Bewegungen, Farben und Formen. Durch den Verarbeitungsprozess des Gehirns entsteht somit stets eine gewisse Interpretation.11

8

Vgl. https://www.amplifon.com/web/ch-de/das-gehoer, aufgerufen am 28.02.2019.

9

Krämer 2007, S. 42.

10

Ebd.

11

Ebd.

12

Ebd. S. 11-13.

13


2.3

KYMATIK Eine interessante Persönlichkeit, welche sich den Schallwellen und deren Potential angenommen hat – hauptsächlich

mit einem wissenschaftlichen Ansatz – war der Schweizer Arzt und Naturwissenschaftler Hans Jenny.

Die von Ernst Chladni (1756-1827) entdeckten Klangfiguren13 waren seine

Ausgangslage. Jenny wollte die „Pe-

riodizität und Gesetzmässigkeiten der sichtbar gewordenen Schwingungen“

aufzeigen. Dabei war ihm „das beobachtende Erlebnis, welches das Weltverhältnis jedes Menschen anregt,

befruchtet und steigert“, am wichtigsten.14

Er experimentierte mit Sand, welcher sich auf schwingenden Metallplatten

zu geometrischen Gebilden formte, aber auch mit verschiedenen Flüssigkeiten. Die entstehenden zwei- und dreidimensionalen Formen und Muster

und deren Erzeugung bündelte er 1967 in dem Begriff Kymatik.15

14

13

„Chladni‘s „Klangbilder“ (…) werden sichtbar gemacht, indem (…) dünne Platten, (…) am

Rand der Scheibe mit einem mit Kolophonium versehenen Violinbogen (…) wie eine Gei-

gensaite angestrichen werden; es entsteht eine stehende Welle, ein Ton wird hörbar. Damit

die dabei entstehenden Knotenlinien zu sehen sind, werden die Platten mit etwas (…) fei-

nem Quarz-Sand bestreut. Das pulverförmige Material wird beim Tönen der Platte von den

vibrierenden Partien (Schwingungsbäuche) regelrecht weggeschleudert und wandert (…)

hin zu eben den Knotenlinien (…), wo die Platte zum gleichen Zeitpunkt keine Bewegungen

ausführt.“

Wahl ohne Jahreszahl, aufgerufen am 28.03.2019.

14

Kunsthalle Nürnberg (Hrsg.) 1973, keine Seitenangabe.

15

Haverkamp 2009, S. 281.


5

6

7

Abbildung 5 Grafische Darstellung der Klangfiguren von Ernst Chladni aus seinem 1787

erschienenen Buch Entdeckungen über die Theorie des Klanges

Abbildung 6 Fotografie einer Klangfigur im Wasser von Hans Jenny Abbildung 7 Fotografie einer „Strömende Plastik“ aus magnetischer Masse von Hans Jenny

15


3

Verbindung zu Gestaltung und Design

3.1

VISUALISIERUNG VON MUSIK Als eine der ältesten Methoden, spezifisch Musik zu visualisieren, gilt die Notenschrift. Bei dieser werden auf fünf Hilfslinien die Tonhöhen und -längen, Pausen, Takt- und Tonart sowie Artikulation und Dynamik angegeben. Seit ihrer Entstehung im Jahre 1025 und stetiger Weiterentwicklung dient sie bis heute vielen Musiker*innen als Vorlage zum Wiedergeben, und natürlich den Komponist*innen als Vermittlungswerkzeug ihrer Musik.16 In diesem Kapitel wird jedoch über Visualisierung von Musik in einem gestalterischen Sinne gesprochen.

elles Pendant zu: Der Tonhöhe die Vertikale, dem Zeitverlauf die Horizontale, Dynamik wird zur Raumtiefe,

die Tonhöhe zum Farbton, Lautstärke zur Helligkeit und die Klangfarbe zum

Farbsättigungsgrad. Wenn man zeitliches Erleben wie Musik in Raumvorstellung überträgt, wird Nachzeitigkeit zu

Gleichzeitigkeit und somit Nacheinander zu Nebeneinander umgewandelt.19

Krämer betont, dass die Visualisierung

von Musik Deutungsversuche bleiben

und es dabei um die Vielfalt und alternatives Denken und nicht um Richtigkeit geht. „Mit ihrem Vermögen, un-

Visualisierung bedeutet, dass „etwas dem Sehen zugänglich gemacht wird, das ursprünglich nicht der Sphäre des Sichtbaren angehört“17 , um Anschaulichkeit zu gewährleisten. Visualisierung bedeutet aber immer auch Interpretation, da man bestimmte Gesichtspunkte aus-

Scheinendes

dennoch

miteinander vergleichen zu können,

Verbindungen im ursprünglich Unverbundenen zu knüpfen und damit neue

Ordnung zu stiften“20, sei die Analogie

ein Orientierungsmodus. Die Visualisierung ist in diesem Fall ein Anschau-

ungsbild, welches einer Erfahrung Dau-

wählt.18 Der Autor und Professor für Musikpädagogik Oliver Krämer ordnet in seinem Buch Strukturbilder, Sinnbilder, Weltenbilder musikalischen Elementen ein visu-

16

vergleichbar

er verleiht und somit eine Übersicht

generiert. So rückt die Musik in eine Gegenständlichkeit, welche eine reflektierende Betrachtung ermöglicht.21

16

Vgl. https://www.cvnrw.de/fileadmin/user_upload/dokumente/d-massnahmen/D1-Noten

schrift.pdf, aufgerufen am: 28.03.2019.

17

Krämer 2007, S. 14.

18

Ebd.

19

Ebd. S. 96.

20

Ebd. S. 16.

21

Ebd.


3.2

SYNÄSTHESIE UND SYNÄSTHETIK Bei Synästhetiker*innen werden neben

Im Design stösst man in diesem Zusam-

der Wahrnehmung eines Sinnesreizes

menhang auf den Begriff „Synästhetik“.

zusätzliche Sinnesempfindungen ausge-

„Ziel des synästhetischen Designs ist

löst. Ein Grossteil der Synästhetiker*in-

es, alle Sinneseindrücke, die von einem

nen sehen oder fühlen Farben und Buch-

Objekt ausgehen, so aufeinander abzu-

staben, wenn sie einen schwarz-weissen

stimmen, dass ein stimmiger Gesamt-

Text lesen. Bei anderen zeigt es sich,

eindruck vermittelt wird, der sich mit der

indem sie akustische Empfindungen

gewünschten Funktion deckt.“23 Es sollen

auch in visuellen oder taktilen Zweitemp-

also, nicht wie sonst üblich, primär die

findungen wahrnehmen. Jeder Mensch

Augen angesprochen werden, sondern

mit Synästhesie ist einzigartig und erlebt

alle Sinne gleichermassen einbezogen

sie anders.

werden. So sei „die Frage nach der Musi-

Die angeborene Eigenschaft kann bei-

kalität der Form bedeutsam“, schreibt der

spielsweise durch einen einfachen Syn-

Autor und Trainer für Multisensorisches

ästhesie-Test gezeigt werden: Während

Design Michael Haverkamp im Buch Sy-

ein „Nicht-Synästhet“ helle Töne eher

nästhetisches Design - Kreative Produkt-

den hellen Farben zuordnet, weicht

entwicklung für alle Sinne.24

eine Synästhetin von diesem Muster ab.

Eine Verbindung der Sinne wird mit ver-

Auch Nicht-Synästhetiker*innen können

schiedenen Strategien vorgeschlagen.

ähnliche Empfindungen haben, wie bei-

Am Beispiel des Rhythmus wird gezeigt,

spielsweise Erinnerungs- oder Phanta-

dass dieser nicht nur auditiv, sondern

siebilder während des Musikhörens. Die

auch visuell, beispielsweise durch die

Synästhetiker*innen erleben dies aber

Textur in einem Gewebe oder die Anord-

unwillkürlich, mit grösserer Intensität

nung von Fensterfronten, aufgenommen

und in allen Situationen. 22

wird. In einem weiteren Beispiel werden tiefe, laute Töne mit dunklen Farben und grossen Formen in Zusammenhang gebracht.25

22

Vgl. https://www.beobachter.ch/gesundheit/krankheit/synasthesie

aufgerufen am 14.03.2019.

23

Haverkamp 2009, S. 3-4.

24

Ebd. S. 8.

25

Ebd. S. 142-153.

17


3.3

18

EMOTIONEN IM PRODUKTDESIGN Bei uns Menschen sind Emotionen bewusst

unbewusste, automatische Interpretation

oder unbewusst entscheidungs- und

emotional werden.28

handlungsbestimmend. Durch die Mi-

Die Wichtigkeit der Einbeziehung von

mik, die Gestik und die Sprachmelodie

Emotionen im Designprozess zeigt sich

sind Emotionen, also die subjektiven und

in verschiedenen Aspekten: Entscheidun-

seelischen Zustände, das primäre Aus-

gen werden durch Emotionen beeinflusst

drucksmittel zwischenmenschlicher Kom-

oder gar getroffen, und es besteht die

munikation.26

Möglichkeit einer emotionalen Bindung

Durch Musik werden dieselben Hirnre-

an ein Produkt. Durch die Funktionalität

gionen angeregt wie beim Verspüren von

eines Produkts kann eine solche Bindung

Emotionen. Auch werden bei der Wahr-

entstehen, aber auch durch seine visuelle

nehmung von Schallwellen bestimmte

Aussage. So werden durch die Objekte

psycho-physiologische Reaktionen aus-

Botschaften transportiert, was dazu führt,

gelöst, welche die Ausschüttung von

dass man sich emotional an das Produkt

Hormonen und somit Emotionen hervor-

bindet. Dies wiederum führt dazu, dass es

rufen.27 Es ist klar, dass Musik einen gros-

länger benutzt wird, was im Sinne eines

sen Einfluss auf unsere Stimmung hat und

nachhaltigen Produkts ist.29

auch umgekehrt, dass unsere Stimmung

Laut dem Kognitionswissenschaflter Do-

die Wahl des gerade gewünschten Musik-

nald A. Norman können Produkte auf drei

stücks beeinflusst. Im Design ist die Rolle

Arten Emotionen auslösen: Das intuitive

der Emotionen subtiler aber nicht minder

Design (visceral design) bezieht sich auf das

wichtig.

Erscheinungsbild. Das verhaltensbezoge-

Wir interpretieren selbst kleinste Indika-

ne Design (behavioral design) ist die Freu-

toren in Gesichtsausdrücken oder Kör-

de und Wirksamkeit der Anwendung des

persprache, und dies nicht nur bei Men-

Produkts. Und schliesslich das reflektierte

schen. Selbst Tiere und leblose Objekte

Design (reflective design), welches sich mit

werden durch unseren automatischen

rationalen, intellektuellen und geistigen

interpretativen Mechanismus gelesen.

Prozessen beschäftigt.30 Dabei stellt er die

Dabei kommt die emotionale Empathie

Musik dem gegenüber: Musik spiele eine

oder Wertung dazu: So kann ein Objekt in

grosse Rolle in unserem emotionalen Le-

unserer Interpretation als glücklich, trau-

ben, und es würden auch hier alle drei Ar-

rig, ruhig oder wütend angesehen wer-

ten der Emotionsauslösung angesprochen:

den. Ferner können wir durch ebendiese

Intuition, Verhalten und Reflexion.31

26

Roth und Saiz 2014, S. 18-31.

27

https://gedankenwelt.de/musik-und-emotionen/ aufgerufen am: 08.04.2019.

28

Norman 2004, S. 136-137.

29

Ebd. S. 18.

30

Ebd. S. 5.

31

Ebd. S. 115.


Zum Thema Emotionalität in Musik und

und ob sich dies mit meiner Vorstellung

Gestaltung führte ich einen Workshop

deckte. Es entstanden spannende Resul-

durch, bei welchem acht Proband*innen

tate und obwohl die Reaktionen sehr un-

aus meinem Umfeld der Hochschule in-

terschiedlich, subjektiv und intuitiv waren,

tuitiv auf Musik kreativ reagieren sollten.

konnte man doch gewisse Ähnlichkeiten

Dazu spielte ich ihnen drei stilistisch ähnli-

der Arbeiten und Farb- und Emotions-

che, aber stimmungsvoll unterschiedliche

zuteilung erkennen. Der Grundton der

Stücke ab: jeweils gespielt von einem Vio-

Musikstücke wurde gleichartig wieder-

linisten und begleitet von einem Klavier.

gegeben, wie beispielsweise beim ersten

Die Proband*innen durften mit verschie-

Stück kurvig nach oben strebend, beim

denen Malutensilien oder plastischem Ton

zweiten fragmentiert und wilder und

gestalterisch reagieren. Zudem sollten sie

beim dritten flächig und eckig. Auch bei

jedem Stück ein bis vier Farben und circa

den Farben war eine Grundstimmung zu

sechs gefühlte Emotionen, wie beispiels-

erkennen. So wurden dem ersten melan-

weise Melancholie, Fröhlichkeit, Sehnsucht,

cholischen Stück eher die Farben Blau

Freiheit oder Schmerz zuordnen.

und Türkis, dem zweiten eher fröhlichen

Mich interessierte, ob man Gemeinsam-

Lied vor allem Gelb und Rosa und der

keiten im Empfinden und der gestalteri-

letzten dramatischen Aufnahme Schwarz

schen Reaktion der Musik erkennen kann

und Dunkelbraun zugeordnet.32

8

Abbildung 8 Auswahl der gestalterischen Reaktionen auf die Musikstücke einzelner Proband*innen.

32

Vertikal immer dieselbe Person, horizontal die Musikstücke.

Vgl. Details zum Workshop im Anhang S. 43.

19


4

MUSIK UND KLANG IN ZEITGENÖSSISCHEN DESIGN- UND KUNSTARBEITEN

Dass Musik als Inspiration, Formdiener

Auch im Textildesignbereich ist das Inte-

oder Auslöser für Objektdesign oder –

resse, Musik in die Gestaltung einzube-

kunst dienen kann, haben einige Desig-

ziehen, vorhanden. Im Projekt BeatWoven

ner*innen und Künstler*innen gezeigt.

kreiert Nadia-Anne Ricketts Textilien

Die Herangehensweisen und Konzepte

zu Musikstücken. Dafür nutzt sie eine

sind jedoch so unterschiedlich wie die

mit Programmierern und Musik-Produ-

Musik selber.

zent*innen entwickelte Software, um das

Die Schallwellen als solches spielen bei

Muster der gewobenen Textilien zu ge-

vielen Arbeiten die Hauptrolle. Der nie-

nerieren. Für Farben und Texturen nutzt

derländische Designer Olivier Van Herpt

sie den Hintergrund der Musikstücke als

hat diese als direkten Einfluss auf die

Anhaltspunkte und Inspiration für die

Materialgestaltung genutzt. Dabei arbei-

Gestaltung, beispielsweise Genre, Künst-

tete er mit dem Sounddesigner Ricky

ler*innen und Entstehungszeit.35

van Broeckhoven zusammen. Die Vibra-

In Interviews mit Designer*innen und

tionen von sehr tiefen Tönen erzeugten

Künstler*innen konnte ich mir ein genau-

während des Produzierens mit dem Kera-

eres Bild machen, wie die verschiedenen

mik-3D-Druckers Strukturen und Muster

Persönlichkeiten mit der Darstellung von

auf den Vasen.

Musik, Geräuschen oder Sprache in Ob-

33

Anders geht der italienische Künstler

jekten umgegangen sind, worauf im Fol-

Loris Cecchini mit den Schallwellen um:

genden näher eingegangen wird.

Er lässt sie an Wänden in Galerien und Museen als Relief erscheinen. Diese wurden vorher am Computer generiert, danach in Polyester hergestellt und nahtlos an die Wände befestigt. So sieht es aus, als ob die Wände regelrecht pulsieren.34

20

33

Vgl. http://oliviervanherpt.com/solid-vibrations/, aufgerufen am 20.02.2019.

34

Jobson 2016, aufgerufen am 20.02.2019.

35

Vgl. http://www.beatwoven.co.uk, aufgerufen am 28.02.2019.


9

10

11

Abbildung 9

Detailansicht einer Vase aus der Serie Solid Vibrations von Olivier van Herpt

Abbildung 10 Wallwave Vibrations von Loris Ceccini in der Galleria Continua in Beijing, China. Abbildung 11 Let‘s Dance von David Bowie visualisiert in einem Textil aus dem Projekt BeatWoven

von Nadia-Anne Ricketts

21


„Was wichtig ist, ist die Einmaligkeit des Moments, in dem es gesprochen wird, der nachher eine solche Präsenz bekommt und Ausgangspunkt sein kann von Neuem.“ 36

36

22

Wolfensberger 2019 (Vgl. Interview vom 22.02.2019 im Anhang).


4.1

ANDREA WOLFENSBERGER – Klangskulpturen Die Schweizer Künstlerin Andrea Wol-

der Atem und somit das Direkte, das Ein-

fensberger arbeitet schon seit etwa zehn

malige und Lebendige darin ist. Sie zeigt

Jahren an Skulpturen aus Wellkarton, mit

das Unsichtbare, was in der Luft passiert,

denen sie einzelne Worte, Laute oder

wenn zwei Leute reden oder sich Worte

Gedichte visualisiert. Dass sie dieses

überlagern.

Feld gepackt hat, zeigt nicht nur die lan-

Verwendetes Material bei diesen Arbei-

ge Zeit der Beschäftigung, sondern auch

ten sind einzelne gecuttete und anein-

die Hingabe, mit welcher sie die Skulptu-

andergeklebte

ren von Hand bearbeitet. Bei meinem Be-

Obwohl dieser eher ungeeignet ist in

such in ihrem Atelier in Altstetten tanzte

öffentlichen Räumen – die Brandschutz-

noch der Staub vom Schleifen der neu-

experten verwerfen die Hände – komple-

esten Kartonskulptur im Raum. An dieser

mentiert er die Arbeiten in vielerlei Hin-

arbeitet sie seit Oktober konstant und

sicht. So geschieht die Verbindung zum

unter gewissem Zeitdruck, damit sie An-

Klang und den Schallwellen einerseits

fang März fertiggestellt ist.

durch die Wellen im Material selbst, an-

Angefangen hatte alles mit einem Video

dererseits ist dieses auch schallabsorbie-

ihres lachenden Sohnes, wobei sie zuerst

rend. Bei den Skulpturen gehe es auch

am Bildmaterial interessiert war, bevor

darum, wie sie den Klang im Raum ver-

sie die Tonkurve als spannendes Element

ändern.

entdeckte. So entstand 2009 die erste

Wolfensberger sieht als Synästhetikerin

Klangskulptur, bei der sie die Kurve um

die Sprache farbig. Dennoch lässt sie bei

360 Grad rotieren und räumlich werden

ihren Skulpturen bewusst das Material

liess. Seither sind verschiedenste Ton-

roh. Mehr Wert legt sie auf das Licht- und

spuren als Ausgangslage für ihre Arbei-

Schattenspiel von Objekt und Raum. Die

ten hinzugekommen: Von Gedichten des

Skulpturen seien eigentlich in sich star-

irischen Schriftstellers Samuel Beckett,

re Objekte, aber die Wahrnehmung der

über „Ja“ und „Nein“ in verschiedensten

selbigen funktioniere nur mit der Bewe-

Sprachen bis zu Filmausschnitten hat sie

gung der Betrachter. Die Wahrnehmung

etliche Laute in den Raum gebracht. Eine

wie auch die Musik seien zeitbasiert und

Gemeinsamkeit der Werke ist, dass stets

somit sei Zeit in allem drin.

Schichten

Wellkarton.

23


Bei Wolfensbergers Arbeiten handle es sich um Übersetzungsgeschichten: „Eine Klangaufnahme übersetze ich in den Raum.“37 Dabei sieht sie die Relevanz in der Visualisierung von Daten. Gleichzeitig gibt es Musiker*innen, welche ihre Arbeiten wiederum interpretieren und als eine Art Notation nutzen, um daraus ihre eigenen Arbeiten zu machen. Trotz der Übersetzungsstrategie muss einem der Titel der Werke, in denen sie die genutzten Worte oder Gedichte beschreibt, bekannt sein, um sie in ihrer Ganzheit verstehen zu können. Sonst könne man nur erahnen, dass Schallwellen als Inspiration gedient haben.38

24

37

Wolfensberger 2019 (Vgl. Interview vom 22.02.2019 im Anhang).

38

Ebd.


12

13

14

Abbildung 12 Skulptur in Bearbeitung in Andrea Wolfensbergers Atelier in Altstätten Abbildung 13 Detail der Wellkarton-Strukturen der Skulptur Abbildung 14 Die fertiggestellte Skulptur an der Grossen Kunstschau Worpswede

25


„Du weisst nie, wie es rauskommt. Es gibt eigentlich immer ein Unikat.“ 39

39

26

Phetxomphou 2019 (Vgl. Interview vom 27.02.2019 im Anhang).


4.2

BOUPHASAVANH PHETXOMPHOU – Schallwellen im Material

Die Designerin Bouphasavanh Phetxom-

Epoxidharz oder Gips, welche sie durch

phou begrüsste mich in ihrem frisch

Körperschallwandler40 mit verschiedenen

bezogenen Atelier in Olten, welches

Frequenzen beschallte.

sie mit zwei Künstlerinnen teilt. Neben

Schwierigkeit war einerseits der techni-

Holzgestellen gefüllt mit verschiedens-

sche Aspekt der Frequenz-Generierung,

ten Farbtuben waren auf einem Tisch

damit Phetxomphou spezifische Fre-

ihre Versuche für die Bachelorarbeit von

quenzen für eine gewünschte Zeitdauer

2014 bereits ausgelegt, um von mir be-

abspielen konnte. Dafür arbeitete sie mit

gutachtet zu werden.

einem Softwarespezialisten zusammen.

Sie wünschte sich für die Abschlussarbeit

Andererseits war das Festhalten der

in Materialdesign an der Hochschule

Schwingungsbewegungen eine Heraus-

Luzern die Herausforderung, nicht mit

forderung. Bei vielen getesteten Mate-

bisher aus dem Studium bekannten Ma-

rialien, wie beispielsweise Wachs, waren

terialien und Verfahren zu arbeiten, und

die Wellenbewegungen durch den Er-

wählte deshalb eine unkonventionelle

starrungsprozess schlussendlich nicht

Herangehensweise an die Bearbeitung

so sichtbar wie während der Bewegung

von Materialien. Inspiriert von einem

selbst. Zuletzt arbeitete sie mit Kunst-

vorangegangenen Modul zum Thema

stoffpulver, mit welchem man durch Hit-

Akustik experimentierte sie mit Schall-

ze Metalloberflächen behandeln kann.

wellen und deren Manifestierung in Ma-

Dabei nutzte sie mindestens zwei ver-

terialien. Wie in diesem Studiengang

schiedene Farben, um die Bewegung

üblich bestand die Arbeit hauptsächlich

und Vermischung durch die Schallwellen

aus Prozess und Versuchen, welche zu ei-

sichtbar zu machen. Anfangs verlaufen

nem möglichen Produkt führen können.

die Muster, bis man nach längerer Be-

Sie arbeitete mit unterschiedlichsten

schallungsdauer klarere Strukturen er-

Materialien, wie beispielsweise Wachs,

kennen kann.

40

Körperschallwandler: „Die Funktion eines Körperschallwandlers (…) ist der eines Standard-

Form von Frequenzen in mechanische Energie bzw. Bewegungsenergie umgewandelt. (…)

lautsprechers sehr ähnlich. Wie beim normalen Lautsprecher wird elektrische Energie in

Beim Shaker findet die Übertragung vom elektrischen Signal zur Luft nicht über eine Membran statt, sondern durch beliebige, schwingfähige Oberflächen.

Vgl. http://körperschallwandler-test.de/buttkicker-infos/, aufgerufen am 08.03.2019.

27


Schliesslich präsentierte sie als Bachelorarbeit eine Mustersammlung mit Vorschlägen, wie eine Metalloberfläche behandelt werden kann. Anwendungsbereiche sieht sie in Platten für die Küche und Fassade oder im Möbelbereich. Momentan arbeitet sie an der Umsetzung eines Sideboards mit einer ebensolchen Metallschiebetür. Das Reizvolle an der Arbeit sieht sie unter anderem in der Unvorhersehbarkeit der entstehenden Strukturen. Zwar kann sie die Dauer und Tonhöhe der Beschallung beeinflussen, jedoch entstehen immer wieder neue, unterschiedliche Musterungen.41

41

28

Phetxomphou 2019 (Vgl. Interview vom 27.02.2019 im Anhang).


15

16

17

18

Abbildung 15 Prozess der Pulververteilung auf der Metallplatte Abbildung 16 Verteilung der Farbe nach dem Einwirken der Schallwellen durch die Schallwandler Abbildung 17 Testplatten aus dem Prozess der Bachelorarbeit Abbildung 18 Atelierplatz von Bouphasavanh Phetxomphou in Olten

29


„Man muss natürlich Vertrauen haben für eine Reise ins Unbekannte.“ 42

42

30

Weizenegger 2019 (Vgl. Interview vom 22.02.2019 im Anhang).


4.3

HERMANN AUGUST WEIZENEGGER – Valse Automatique

Im Hintergrund des Kameraausschnittes

Zudem wurde er inspiriert von einer in

im Skype-Interview mit dem deutschen

Japan aufgeführten Präsentation, bei

Designer Hermann August Weizenegger

welcher ein kleiner Roboter eine Uhr prä-

konnte ich einige Modelle und Material-

sentierte.

versuche auf einem Gestell ausmachen.

Klar war schon zu Beginn, dass es zwei

Eine etwas andere Rolle als die des klas-

Abende mit einer Performance zu be-

sischen Produktdesigners, der Modelle

spielen galt. Während dieser Perfor-

baut, hatte er 2010 im interdisziplinären

mance wurden durch einen Roboterarm

Projekt Valse Automatique. In diesem

fünf Wachsrohlinge zu einer Vase gefräst

Projekt fungierte Weizenegger als Visio-

und geschmolzen. Der Code für die Ma-

när und Art Director.

schine wurde generiert, indem der Gei-

Schon zu Beginn des Projekts schwebte

ger und Komponist Mihalj “MIKI” Kekenj

Weizenegger eine Art Zukunftsszenario

live fünf unterschiedliche Variationen

vor, bei welchem ein Roboter auf eine

seines eigens komponierten Walzers

poetische Art und Weise eine Produktion

spielte und dies für den Roboter tech-

ausführt. Musik sei der stärkste Indikator

nisch übersetzt wurde. Die Wachsstücke

für Emotionen, deshalb sollte sich der

wurden danach von der Metallgiesserei

Roboter zu Musik bewegen. So komme

Novak in Bronze gegossen.

zum menschlichen Wesenszug, der vom

Der Arbeitsprozess bestand hauptsäch-

Roboter durch seine Bewegungen aus-

lich aus Recherche, um technische Gege-

geht, etwas Tänzerisches hinzu.

benheiten zu klären und passende Fach-

Zusätzlich gaben zwei Begebenheiten

leute zu finden. Verschiedenste Menschen

den Impuls für die Arbeit: Zu dieser Zeit

waren beteiligt: Softwareentwickler*innen,

förderte in Berlin ein Kreativraum na-

Fachleute des Kuka-Roboters und natür-

mens MADE interdisziplinäre, kreative

lich auch für den musikalischen Aspekt

Projekte, welche in Verantstaltungen ge-

der Geiger und Komponist MIKKI. Wie bei

zeigt wurden. Weizenegger war bei den

Produktentwicklungskonzepten wurde in

ersten Events Zuschauer und wollte auch

Teamsitzungen zusammengesessen und

mitwirken.

besprochen – und so sogar beim ersten

31


Gespräch die Namensgebung gefunden. Schwierig im Prozess war, dass sie den Roboter nicht frühzeitig geliefert bekamen und dass dessen Software eine unbekannte Grösse war. Somit war eine durchgearbeitete Nacht vor der Premiere unumgänglich. Es sei ein Setting gewesen, „wo man die Bedingungen ausloten muss“43. Obwohl Weizenegger der Meinung ist, dass ein Objekt ohne Geschichte funktionieren und formal und ästhetisch interessant sein sollte, funktioniert diese Arbeit im Kontext besser. Wenn man die Geschichte erlebt oder kennen gelernt habe, sei es noch viel interessanter und man habe eine ganz andere Verbindung dazu. „Schlussendlich ist es doch immer noch einfach eine Bronzevase – einfach anders.“ Genau genommen sei sie ein Relikt des Prozesses, „gewandelt von der Performance zum physischen, ästhetischen Ergebnis“.44

32

43

Weizenegger 2019 (Vgl. Interview vom 22.02.2019 im Anhang).

44

Ebd.


19

20

21

Abbildung 19 Performance im Kreativraum MADE mit Mikki an der Geige und dem Kuka-Roboter Abbildung 20 Der Roboter an der Fräsarbeit der fßnf Wachsrohlinge Abbildung 21 Eine der fertig gegossenen Vasen aus Bronze

33


Und habe mich dann dazu entschieden, einfach zuzuhĂśren.“ 45

45

34

Ehnert 2019 (Vgl. Interview vom 25.02.2019 im Anhang).


4.4

HEINRICH EHNERT – Vessels Dass sich der deutsche Designer und Künstler Heinrich Ehnert bei seinen Arbeiten sehr viele konzeptuelle Gedanken macht, zeigt nicht nur seine 2018 in Stockholm

entstandene

Masterarbeit

Vessels, sondern zeichnete sich auch im Skype-Gespräch, das ich mit ihm führte, sehr schnell ab. In der Arbeit Vessels werden fünf Holzgefässe auf fünf gleichen Maschinen durch die Umgebungsgeräusche fabriziert. Jeder Maschine ist ein Segment des menschlich hörbaren Frequenzbereichs zugeteilt, wobei der Motor je nach Häufigkeit der auftretenden Frequenzen schneller oder langsamer dreht, so die Holzfurniere durch ein Leimbad führt und zu Gefässen aufwickelt. Es entstehen fünf unterschiedlich weite und gestufte Holzgefässe, welche „die Geschichte des Raumes erzählen“46. Doch zuerst war die Stille – zumindest in seinem Prozess der Arbeit, obwohl er ursprünglich vom Gegenteil ausging. Das Chaos, der Lärm, dem wir in der Grossstadt immer, ob willentlich oder unfreiwillig, ausgesetzt sind, beschäftigten ihn. Wir seien gewohnt, immer etwas zu hören. Manchmal auch sehr unbewusst, wie

und wir erleichtert sind, dass sie keinen Lärm mehr macht. Dass Stille etwas Individuelles ist, wurde ihm sehr schnell klar. Deswegen entschied er, sich als Designer so weit wie möglich zurückzunehmen und nicht zu diktieren, wie ein Objekt gestaltet sein soll, sondern es von Begebenheiten entstehen zu lassen. Silence Lectures and Writings von John Cage47 waren eine grosse Inspirationsquelle und der Gedanke, dass alle möglichen, zufällig entstehenden Geräusche Musik sind, wegweisend für Ehnert. Diese flüchtigen Klänge, welche doch eine Spur hinterlassen, wollte er durch seine Arbeit greifbarer machen und entschied sich, einfach einmal zuzuhören. Nur Zuhören wollte er jedoch nicht, sondern das Gehörte aufzeichnen war das Ziel. Anstatt Aufnahmemedien wie eine Kassette neu zu erfinden, suchte er Materialien, welche im Bandformat vorliegen. Schnell fiel die Entscheidung auf Holzfurniere, die auch durch die Materialität, welche im Instrumentenbau genutzt wird, eine Brücke zu Klängen schlagen. Die nächsten Herausforderungen waren der technische Aspekt und das autodidaktische Erlernen einer Physical-Computing-Plattform.48

wenn die Klimaanlage ausgeschaltet wird 46

Ehnert 2019 (Vgl. Interview vom 25.02.2019 im Anhang).

47

„John Cage war ein US-amerikanischer Pianist und Komponist, der zu den herausragenden

prinzips in die Komposition, seinem erweiterten Instrumentarium, einem offenen Werkbe-

Gestalten der Musik im 20. Jahrhundert gehörte. Mit seiner Einbeziehung des Zufall-

griff und seinen medienübergreifenden Projekten ist er bis heute Wegbereiter für viele avantgardistische Kunstbewegungen.“ Vgl. https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/ musik/artikel/john-cage, aufgerufen am 01.04.2019.

48

„Physical Computing bedeutet im weitesten Sinne, interaktive, physische Systeme durch die

nisse in der realen, analogen Welt und wirken auf sie ein. Eine Physical-Computing-Platt-

Verwendung von Hardware und Software zu erstellen. Diese Systeme reagieren auf Ereigform besteht aus Hard- und Software. Ein Beispiel hierfür wäre Arduino.“ Plate 2012, aufgerufen am: 16.03.2019.

35


Die ausgearbeitete Funktion ist, dass das Programm dem menschlich hörbaren Frequenzbereich lauscht und diesen in fünf Bereiche aufteilt. Schlussendlich hat Ehnert nicht selbst die Gefässe gestaltet, sondern nur die Bedingungen, unter welchen sie geschaffen werden. Zudem werden die Reaktionen der Betrachter durch die Installation beeinflusst. Es entstehen kollektive Objekte, welche von allen, die Teil des Soundscapes sind, erzeugt werden. Dies werfe die Frage auf, wem die Objekte schlussendlich überhaupt gehören. Ehnerts Ziel ist es, zukünftig weitere Klanglandschaften mit seinen Vessels zu visualisieren, um eine weiterführende Diskussion führen zu können. Er möchte so die Vielseitigkeit der Situationen, auch die wertfreie Darstellung davon und die Einmaligkeit der Objekte zeigen. Seine Absicht sei, die Komplexität der unbeachteten, täglichen Klanglandschaften zu vermitteln, indem die Menschen sie in Verhältnisse setzen und so besser verstehen können. Was er geschaffen habe, sei „ein ästhetisches Erlebnis“.49

49

36

Ehnert 2019 (Vgl. Interview vom 25.02.2019 im Anhang).


22

23

24

Abbildung 22 Resultat einer Situation mit den fünf unterschiedlichen Gefässen Abbildung 23 Die Masterarbeit in der Ausstellungssituation mit den fünf Maschinen Abbildung 24 Detail der Aufwicklung der Holzfurnierstreifen

37


4.5

VERGLEICHE Die Strategien der ausgewählten Desig-

durch die selbst erzeugten Geräusche

ner*innen

einen

Teil des Ganzen wird und sozusagen in

flüchtigen Vorgang zu visualisieren und

den Gefässen verewigt wird. Dadurch

festzuhalten, waren sowohl technisch, kon-

geschieht eine viel stärkere emotionale

zeptionell als auch intuitiv. Gemeinsamkeit

Bindung zum Objekt.

ist natürlich das Interesse an der Visualisie-

Weizeneggers und Ehnerts Arbeiten ent-

rung eines zeitlich begrenzten, einmaligen

standen durch eine zeitlich begrenzte

Geschehens, seien dies nun Geräusche,

Performance beziehungsweise Situation.

Musik oder etwas Gesprochenes.

Es bleiben zeitlose Objekte zurück, bei

Die Emotionen als zentraler Aspekt schie-

welchen man das Zeitliche der Musik

nen nicht bei allen im Vordergrund zu ste-

oder der Geräusche nur durch Spuren,

hen. So führte Phetxomphou eher eine

Erinnerungen oder Erzählungen erahnen

Forschungsarbeit durch, die sehr tech-

kann.

nisch ausgelegt war. In Wolfensbergers

In allen Projekten entstanden konstante

Skulpturen sind Emotionen zwar nicht

Objekte, welche die Zeitspanne der Mu-

Hauptinspiration, spielen jedoch bei der

sik, Geräusche und des Gesprochenen

Wahl der Sprachfragmente eine grosse

überdauern. Alle Gestalter*innen haben

Rolle und komplementieren ihre Arbeiten.

auf ihre Art und Weise die Schallwel-

Bei Weizenegger wurde die im Prozess

len übersetzt: Phetxomphou führte die

entstandene Vase durch ebendiese Per-

Schallwellen direkt ins Material und nutz-

formance

Die

te deren Schwingungskraft, Wolfensber-

Emotionalität der Vase wird nur von denen

ger setzte die grafische Aufzeichnungen

verstanden, die bei dieser Aufführung an-

von Schallwellen räumlich um, Weizen-

wesend waren und sie erlebt haben, oder

egger und Ehnert generierten mit den

wenigstens durch Video oder Erzählungen

Schallwellen einen technischen Code,

darüber aufgeklärt wurden. Die Geschich-

welcher mehrere Objekte gestaltete. Es

te des Produkts spielt hier eine grosse

entstanden Übersetzungsgeschichten,

Rolle. Auch Ehnerts Arbeit funktioniert im

welche die Interpretationen und Reaktio-

Kontext der Situation, in der die Gefässe

nen der Interviewten auf Klänge zeigen.

und

Künstler*innen,

emotional

aufgeladen.

entstanden sind, am besten. Die Objekte erhalten einen Mehrwert, wenn man bei der Entstehung mit dabei war, da man

38


5

FAZIT Spezifische Arbeiten zu finden, bei wel-

Die Musik bleibt ein unmittelbares Phä-

chen Musik in einem Objekt dargestellt

nomen und „nur über den Akt der Wie-

wurde, und die Gestalter*innen für ein In-

derholung lässt sie sich erneut herauf-

terview zu gewinnen, stellte sich als eine

beschwören“, sagt auch Oliver Krämer,

etwas grössere Herausforderung als er-

Autor des Buches Strukturbilder, Sinn-

wartet heraus. Musik, was man darunter

bilder, Weltbilder. Visualisierungen von

versteht und wie man sie gestalterisch

Musik können das Erleben der Klanger-

interpretiert, ist viel breitgefächerter, als

fahrung nicht ersetzen. Sie ist „in ihrer

ich mir zu Beginn vorstellte. Deshalb wei-

Komplexität um ein Unendliches reicher

tete ich den Begriff auf Musik und Klänge

als jedes noch so treffend abgeleitete

im weiteren Sinne aus. Es eröffnete mir

Anschauungsbild.“50

spannende und inspirierende Gespräche

Obwohl „die stabile Präsenz von Objek-

mit verschiedenen Persönlichkeiten, wel-

ten“ etwas völlig anderes ist als flüchtige

che alle verschieden an diese Thematik

Musik oder Klänge, können wir uns durch

herangingen.

ebendiese solide Anwesenheit den Ob-

Sei dies eine eher technische Material-

jekten nähern und diese untersuchen.51

forschung wie bei Bouphasavanh Phet-

Durch diese Fassbarkeit kann somit auf

xomphou, bei welcher die Untersuchung

weiteren Ebenen reflektiert und disku-

physikalischer Aspekte der Musik wichti-

tiert werden.

ger waren als die dabei gefühlten Emo-

Das Festhalten von Musik oder Sound in

tionen. Oder Weizeneggers Vorgehen,

einem Objekt ist stets mit einem gewis-

bei welchem durch die Musik und die

sen Verlust und Subjektivität verbunden.

Performance einem kalten, nüchternen

Alle Arbeiten in diesem Bereich sind An-

Roboter Menschlichkeit und Emotionali-

näherungen, Versuche und persönliche

tät eingehaucht wurden. Wolfensberger

Positionen, welche das Thema auf ihre

hingegen interessierte die Visualisierung

Art interpretieren. Nichtsdestotrotz sind

von Daten und Ehnert fand den Zugang

durch die Inspiration und Nutzung von

durch die theoretische Beschäftigung

Musik und Klängen neue Werke entstan-

mit dem Thema Stille. Letztendlich nutz-

den, welche auf vielen Ebenen funktio-

ten jedoch alles etwas Gehörtes, um eine

nieren, überzeugen und zum Weiterden-

Form zu generieren.

ken anregen.

50

Krämer 2007, S. 16.

51

Ebd.

39


So wurde auch ich inspiriert. Durch die Gespräche mit Hermann Weizenegger und Heinrich Ehnert wurde mir bewusster, dass die gefühlten Emotionen beim Hören von Musik ein wichtiges Element in meiner praktischen Arbeit sein sollen. Durch die Bekanntschaft mit Bouphasavanh Phetxomphou konnte ich mich für die Kymatik und deren Anwendung im kreativen Bereich begeistern. Andrea Wolfensbergers

konstante

Beschäfti-

gung zeigt das unerschöpfliche Potential in dieser Richtung. Ich gehe bestärkt an meine gestalterische Arbeit heran, mit dem Bewusstsein, dass die Wichtigkeit der Musik in unserem emotionalen Leben in disziplinübergreifenden Arbeiten gezeigt werden kann und soll.

40


„Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern, wie wichtig die Musik ist, weil sie die höchsten Gefühle, deren der Mensch fähig ist, zu erzeugen und zu unterstützen vermag.“ 52

52

Pestalozzi 1819.

41


6

42

ANHANG


6.1

WORKSHOP Durchgeführt vom 18.-19.03.2019 an der Hochschule Luzern in der Sentimatt Die neun Proband*innen für den Workshop setzten sich zusammen aus einem Textildesign-Studenten und einer Textildesign-Studentin, einer Grafikdesign-Studentin, einem Objektdesign-Studenten und fünf Objektdesign-Studentinnen inklusive mir, alle im Alter zwischen 22-35 Jahren. Drei davon haben früher selber Musik gemacht, jemand ab und zu für sich, die anderen gar nicht. Den Proband*innen wurden drei stilistisch ähnliche, jedoch meines Erachtens emotional unterschiedliche Musikstücke jeweils zweimal hintereinander vorgespielt. Erstes Stück: Intrada von Jean Desplanes. Gespielt von Ruggiero Ricci (Violine) und Leon Pommers (Piano)

stift, Gouache, Kreidestifte) und plastischer Ton bereit. Sie sollten intuitiv das Gehörte kreativ umsetzen, zwei- oder dreidimensional. Dabei waren keine Vorgaben ausser der ‚Werkzeuge’ gesetzt. Damit die Proband*innen sich nicht beeinflusst oder beobachtet fühlten, zog ich mich aus dem Raum zurück und sie konnten einzeln ohne Vergleiche die Aufgaben erfüllen. Bei der zweiten Aufgabe musste aus 18 Farbtafeln und 33 Emotionsbegriffen jeweils 1-4 oder 4-6 zu den drei Musikstücken zugeordnet werden. Farben: Weiss, Schwarz, Hellgelb, Gelb, Rosa, Orange, Pink, Rot, Flieder, Königsblau, Blau, Hellblau, Türkis, Hellgrün, Grün, Braungrün, Braun, Dunkelbraun Begriffe: Neugier, Sehnsucht, Eifer, Staunen, Ver-

Zweites Stück: Polonaise No. 1 in D Op. 4

wirrung, Unsicherheit

von Henryk Wieniawski. Gespielt von Itz-

Zuversicht, Vertrauen, Präzision, Frei-

hak Perlman (Violine) und Samuel Sanders

heit, Faszination, Spass, Triumphgefühl,

(Piano)

Fröhlichkeit,

Drittes Stück: Improvisation Op. 21 No 1 von Dmitri Borissowitsch Kabalevsky. Gespielt von Ruggiero Ricci (Violine) und Leon Pommers (Piano) Während des Hörens mussten zwei Auf-

Zufriedenheit,

Euphorie,

Begeisterung, Leidenschaft, Inspiration, Behagen Melancholie, Kummer, Schmerz, Unwohlsein, Verzweiflung, Anspannung, Angst, Schrecken, Schaudern, Zorn, Gereiztheit, Widerwille, Einsamkeit

gaben erfüllt werden:

Zuletzt sollten die Proband*innen einen

Einerseits lagen verschiedene Mal- und

Fragebogen mit allgemeinen Fragen zur

Zeichenutensilien (Farb-und Filzstifte, Blei-

Musik ausfüllen (siehe folgende Seite).

43


Fragen und Antworten

Hörst du viel Musik? Wenn ja, wie und was? (Live, CD, Vinyl, Spotify usw. und Musikrichtungen) Was bedeutet dir Musik? Warum hörst du Musik? In welchen Situationen hörst du Musik? Bist du dabei allein, in Gesellschaft und was verändert sich dabei? Stellst du dir während dem Musikhören etwas vor oder „siehst“ du gewisse Dinge in deinem Innern? (z.B. Farben, Formen, Situationen, Filmszenen, Erinnerungen)

ANTWORTEN (zusammengefasst):

Gibt es bestimmte Situationen, Gefühls-

Musik

lagen, in denen du Musik brauchst? Welche sind das und welche Musik hörst du

lässt träumen treibt an

dann?

gibt Konzentration

Gibt es Situationen, in denen Musik deine

entspannt

Stimmungslage verändern kann? Oder

gibt Gefühlen Ausdruck

ist wichtig

bestimmte Musik, die das kann? -> Bsp.

macht glücklich

Machst du selber Musik? Wenn ja: Was

inspiriert

spielst du? Wie fühlst du dich dabei oder was möch-

gibt ein gutes Gefühl

unterhält motiviert

test du damit bezwecken?

erinnert

Bemerkungen zu Musik, Design, Ideen,

lenkt ab

Inspirationen, Rückmeldung zum Workshop :)

44

gibt Kraft

macht traurig nervt manchmal

macht Lust zum Tanzen


Gefühle Zuordnungen und Anzahl Nennungen

Musikstück 1:

Musikstück 2:

Musikstück 3:

Melancholie: 8

Triumphgefühl: 5

Schmerz: 5

Einsamkeit: 7

Fröhlichkeit: 5

Anspannung: 4

Sehnsucht: 7

Freiheit: 5

Melancholie: 3

Kummer: 5

Faszination: 4

Kummer: 3

Behagen: 4

Spass: 4

Zuversicht: 3

Leidenschaft: 3

Anspannung: 4

Unwohlsein: 3

Zuversicht: 2

Zufriedenheit: 3

Verzweiflung: 3

Schmerz: 2

Präzision: 3

Vertrauen: 2

Faszination: 1

Eifer: 3

Präzision: 2

Triumphgefühl: 1

Euphorie: 3

Schaudern: 2

Unsicherheit: 1

Verwirrung: 2

Zorn: 2

Widerwille: 1

Gereiztheit: 2

Neugier: 1

Inspiration: 1

Leidenschaft: 2

Angst: 1

Begeisterung: 1

Widerwille: 1

Schrecken: 1

Zufriedenheit: 1

Begeisterung: 1

Verwirrung: 1

Neugier: 1

Eifer: 1

Inspiration: 1

Gereiztheit: 1

Verzweiflung: 1

Staunen: 1 Freiheit: 1 Faszination: 1 Widerwille: 1

45


Farbenzuordnungen und Gestalterische Reaktionen

25

Abbildung 25 Farbenzuordnung der Proband*innnen zu den drei MusikstĂźcken. Horizontale Reihe:

46

immer das gleiche Lied. Vertikale Reihe: immer dieselbe Person.


26

Abbildung 26 Gestalterische Reaktionen auf die drei MusikstĂźcke. Vertikal: immer das gleiche StĂźck.

Horizontale Reihe: immer die gleiche Person.

47


Impressionen des Workshops

27

28

29

Abbildung 27 Gestaltung der drei MusikstĂźcke eines Probanden Abbildung 28 Ausgangslage fĂźr gestalterische Reaktion auf Musik Abbildung 29 Raumsituation des Workshops

48


30

31

32

33

Abbildung 30 Interpretation des zweiten Musikstücks einer Probandin Abbildung 31 Tischsituation eines Probanden nach dem Hören und Interpretieren der drei Musikstücke Abbildung 32 Probandin beim Lösen der zweiten Aufgabe Abbildung 33 Interpreation in 3D des zweiten Musikstücks

49


6.2

INTERVIEWS

Ehnert: Heinrich Ehnert Skype-Gespräch 25.02.2019.

Phetxomphou: Bouphasavanh Phetxomphou Gespräch im Atelier in Olten 27.02.2019.

Weizenegger: Hermann August Weizenegger Skype-Gespräch 22.02.2019.

Wolfensberger: Andrea Wolfensberger Gespräch im Atelier in Altstätten 22.02.2019.

50


HEINRICH EHNERT Heinrich Ehnert: Bei meinem Projekt habe ich mich gar nicht so sehr mit den Projekten anderer beschäftigt. Es ist eher so aus der Situation herausgewachsen. (…) Also wie habe ich angefangen? Mein ursprüngliches Thema war die Stille. Bin quasi vom Gegenteil gekommen, das Chaos, in dem man sich manchmal befindet. (…) Ich würde das gerne von der anderen Seite betrachten. Wenn man die ganze Zeit mit Geräusch und Lärm und Musik – die Musik ist jetzt noch das am wenigsten Schlimme – in der Grossstadt bist du ja die ganze Zeit so Sound ausgesetzt, ob du’s willst oder nicht. Und das war so ein bisschen der Ausgangspunkt. Ich bin dann in (…) diese schallgedämpften Räume im schwedischen Radio. Also du läufst so auf einem Netz, wo du nichts hörst. Also deine Wahrnehmung hört

weiss ich. Für manche Leute ist das sehr stressig. Ich fand das ganz ultimativ. Das war beeindruckend. Wir sind ja gewöhnt, dass wir immer was hören. Das merkt man ja auch, wenn du plötzlich die Klimaanlage ausmachst oder so, oder die Abzugshaube abstellst. Oh, Gott sei Dank, jetzt ist endlich Ruhe! Das war so ein extremes Erlebnis. (…) Es ist wie so ein ganz schönes Erlebnis, dass du auf einmal das Geräusch wieder wertschätzt. (…) Das war so ein bisschen der Erlebnisaspekt am Anfang. Aber mir ist doch sehr schnell klargeworden, dass so Stille und was man darunter versteht, individuell ist. Deswegen habe ich dann irgendwann gesagt, anstatt irgendwas zu machen oder irgendwas zu gestalten, was wieder irgendwas diktiert: Hey Leute schaut mal her! Das ist jetzt Stille. Daran habt ihr euch zu halten, oder so. (…) Da gibt es ein tol-

quasi auf.

les Buch von Friedrich von Borries „Welt-

Leonie Hochstrasser:

verschiedene Aspekte des Designs und

entwerfen“, und er schreibt da so über

Ein luftleerer Raum sozusagen?

spielt mit diesem Gegensatz, dass De-

Ehnert:

irgendwie ganz beeindruckend. Ich habe

Nein, kein luftleerer Raum, sondern da sind so ganz grosse Schallpanelen an den Wänden und am Fussboden und an der Decke. Du kannst zwar was hören, aber der Schall wird nicht transportiert, also schwingt nicht. Das heisst, dass irgendwann, wenn du lange genug drin bist, fängst du an, deinen eigenen Herzschlag zu hören, dein eigenes Gedärm und was

sign entwirft und unterwirft. Das fand ich dann irgendwie versucht, wie kann ich mich so weit wie möglich zurücknehmen. Auf der anderen Seite natürlich irgendwas machen, dass es dieses flüchtige Geräusch ein bisschen greifbarer macht. Und habe mich dann dazu entschieden, einfach zuzuhören. Also mich Umwelten auszusetzen und zuzuhören, was da passiert. Ich habe angefangen mit einem

51


Gerät, was nur Soundlevels aufzeichnet.

ich nach Materialien gesucht, die halt

Also wie ein Schallplattenspieler, der so

in Bandformat vorliegen, aber die nicht

kratzt oder mit einem Stift auf dem Pa-

Papier sind (…) Irgendwann denke ich an

pier so aufzeichnet, wie viel Sound oder

Musikinstrumente, ob jetzt das eine Gei-

wie viel Nicht-Sound quasi gerade da

ge ist oder eine Gitarre, sind ja auch so

ist. (…) Etwas kann ja total laut sein, aber

aus Holz. Dann war die Entscheidung re-

total schön klingen. Ein Wasserfall kann

lativ fix, dass ich mit dem Furnier arbeite.

ultimativ laut sein oder genau so laut wie

Die grösste Herausforderung war dann

eine Baustelle, aber ist halt so wie ein

eigentlich das Programmieren an sich

White Noise, das so total beruhigend ist.

und diese ganze Technik dahinter, weil

Oder wo man fast einschlafen kann. Des-

an der Konstfack relativ wenig Support

wegen habe ich mich recht schnell dem

da war, was das betraf. Aber du findest

komplexen Ding der Frequenzen zuge-

halt online extrem viel Tutorials.

wandt. Und habe recht schnell gemerkt, dass es ein riesig grosses Feld ist, was da

Hochstrasser:

irgendwie zu bearbeiten wäre. Aber die-

Dann hast du das autodidaktisch eigent-

se Qualität, dass man eben Sound nutzt,

lich… Arduino, oder was hast du ge-

um was greifbar zu machen, fand ich ext-

braucht?

rem reizvoll. Weil Sound so etwas Flüchti-

52

ges ist. Aber trotzdem hinterlässt es halt

Ehnert:

eine Spur. Es ist ja nicht so, wenn ich jetzt

Genau, ich habe Arduino benutzt, habe

irgendetwas sage, war’s das. Ich könnte

aber nicht das originale Arduino benutzt,

jetzt irgendwie fluchen oder ich könnte

sondern so ne Hacker-Version. Die heisst

jemand irgendetwas an den Kopf wer-

Teensy und die kann quasi vor allem Au-

fen, aber es bleibt ja irgendwie da, bes-

dio-Sachen schneller verarbeiten. Die

ser gesagt das Wort. Und das war so ein

haben auch für dieses Programm ein Au-

bisschen der Anfangspunkt, zu sagen,

dio-Shield entwickelt, und das hat dann

okay ich zeichne etwas auf. Aber anstatt

auch die Fourier-Transform für mich be-

die Kassette neu zu erfinden und wieder

rechnet, der die Frequenzen aufgeteilt

etwas zu haben, das dann letztendlich

hat. (…) Was letztendlich das ganze Ding

sehr time-basiert ist. Also dass ich die

macht, ist, dass es dem hörbaren Fre-

Kassette abspielen kann, aber trotzdem

quenzbereich lauscht und den in fünf Be-

habe ich diesen Sound irgendwie nicht

reiche einteilt. Und die habe ich auch so

greifbar gemacht. (...) Dann war relativ

nach Oktaven quasi geteilt. (…) Es hängt

schnell die Entscheidung gemacht, dass

natürlich auch vom Mikrofon ab, was es

ich Inspiration von diesem Tape… habe

aufnehmen kann. (…) Wenn dann eben


eine Frequenz auftritt, die in einen der

Raum halt fast gar nicht, weil die Leute

Bereiche fällt, dann dreht die Maschine,

nicht gegen die Wände dämmern oder

die diesem Frequenzbereich zugeordnet

gross aufstampfen, sondern sich so rela-

ist, schneller. Damit ergeben sich unter-

tiv schleichend durch den Museumsraum

schiedlich gestufte oder unterschiedlich

bewegen. Und damit sind die niedrigen

weite Gefässe, die letztendlich dem Kol-

Frequenzen total homogen geworden.

lektiv die Geschichte des Raumes erzäh-

Und die höheren wiederum sehr ab-

len. Was gesagt wurde, was passiert ist.

wechslungsreich, aber doch gleichför-

Natürlich ist es total simpel lesbar, aber

mig, also nicht grossartig gestuft. (…)

darum ging’s mir auch gar nicht. (…) Es

Ein anderer Faktor, der mir wichtig war,

ging mir nicht darum, etwas abzubilden,

dass ich eigentlich nur die Bedingun-

das dann total leicht verständlich ist,

gen geschaffen habe mit meiner Arbeit.

oder ah ja, das ist hier jetzt Sound und

Ich habe ja das Gefäss nicht gestaltet.

sieht so und so aus. Es ging mir auch da-

Sondern das ist ja eigentlich gestaltet

rum, eine Komplexität zu vermitteln. Der

worden von allen, die an diesem Sound-

Mensch versteht ja Sachen besser, wenn

scape teilhaben. Dadurch wird es ein

er Sachen begreifen kann oder in Ver-

bisschen so ein kollektives Objekt, was

hältnisse setzen kann. Wenn du dann so

auch die Frage aufwirft, wem gehört das

eine Kollektion siehst, verstehst du viel-

jetzt? Oder gehört das jetzt allen? Das ist

leicht nicht jeden einzelnen Ring, aber du

mir schnell passiert, dass ich die Arbeiten

verstehst, ah ja, an dem Zeitpunkt oder

gerne auflade. (…)

überhaupt in diesem Soundscape gab’s

Ich habe es ja genannt: Vessels – Condi-

ganz viele hohe Frequenzen. Es ist rela-

tions for openness. Dass ich mich als Ge-

tiv gleichmässig gewesen. Zum Beispiel

stalter mal zurücknehme und nicht sage,

meine ersten Recordings sind alle in

so und so sieht es aus. Das ist sehr ent-

der Ausstellung passiert. Das war so ein

lehnt aus diesem Buch von Friedrich von

Touch-Down-Projekt auch. Am letzten

Borries, (…) Natürlich da sind viele Ent-

Tag fertig geworden, am nächsten Tag

scheidungen im Designprozess, so und

präsentiert.

so gross soll das Ding sein, das Material

(…)

soll es haben, so und so ist es program-

Die Gefässe sind sehr homogen, die sind

miert. Aber das ist ja auch in der Maschi-

nicht grossartig gestuft. Das ist halt wie

ne ersichtlich und halt sehr transparent.

bei Baumringen, es gibt kürzere Ringe,

Und da der Code opensource ist, kann

schmalere Ringe. Ein Gefäss, was halt

ihn theoretisch jeder umschreiben. Die

bei den entsprechenden Frequenzen,

Bedingungen wiederum verändern, wie

bei den niedrigen, gibt es in so einem

das Ding dann aufnimmt, ob es schnell

53


dreht oder nicht. Und das hat eigentlich

aufnehme und es dann letztendlich in

ziemlich viel Spass gemacht, bis zum

die Maschine einstöpsle und es abspielt.

Ende nicht zu wissen, ob das Objekt,

Ob es eine Wanderung war oder mein

das Artefakt, das dabei entsteht eigent-

tägliches In-Die-Stadt-Fahren… Aber in

lich auch irgendwie wertvoll ist, das aus-

der Ausstellung war es so, dass ich die

strahlt.

Ausstellung selber aufgenommen habe.

(…)

Weil es halt so am verständlichsten ist, als

Meine eigene gestalterische Motiva-

wenn du was hast, was irgendwo einge-

tion bisschen zurücknehmen und quasi

spielt wird.

mehr reagieren auf das, was passiert. John Cage, diese Sachen, die mich sehr

Hochstrasser:

inspiriert haben. Ich fand das sehr erfri-

Ja, und auch unmittelbarer.

schend. Dass Musik nicht nur das ist, was man lernt, was Musik ist. Das halt auch al-

Ehnert:

les möglich Andere Musik sein kann. Ein

Genau. Das berührt halt mehr, als wenn

zufälliges Geräusch… Das spielte da so

du irgendwo wieder zuhörst. (…) Am An-

rein. Dann hat sich irgendwann alles so

fang wollte ich mich ja zurücknehmen mit

zusammen ergeben.

dem Gestalten, so gebe ich das vor, aber

Ich habe sehr viel experimentiert mit der

mit allem, was wir machen, beeinflussen

Maschine am Anfang. Ich habe halt so

wir Reaktionen oder beeinflussen wir die

einen Prototypen gebaut, der nur halb-

Aktionen von jemandem, der damit kon-

wegs funktioniert hat. Du weisst ja, wie

frontiert ist. Du hast ganz viel beeinflusst

das ist. Am Ende hast du relativ wenig

oder gesteuert (…) Das fand ich sehr au-

Zeit, um das Ding dann eigentlich zu bau-

genöffnend, zu sagen, ich spiele so ein

en. (…) Es ist spannend, wenn Menschen

bisschen damit.

mit etwas konfrontiert werden, was sie halt noch nicht kennen oder noch nicht

Hochstrasser:

gesehen haben. Und dieser Sound auch

Ging es dir dann eher um die Situation, in

und dann dieses Experimentieren und

der es entstanden ist, oder war der Fokus

dieses unmittelbare Darstellen. Das war

eher auf den Objekten, die entstanden

ja so, dass es tatsächlich reagiert hat. Du

sind?

hast gehört, ah da dreht sich jetzt der

54

Motor ein bisschen schneller. Das waren

Ehnert:

so kleine Getriebemotoren. (…)

(…) Das kann ich gar nicht so genau sa-

Die Programmierung lässt es zu, dass ich

gen. Ursprünglich der Gedanke war, dass

durch die Stadt laufe und irgendetwas

ich diese Objekte habe, um später über


verschiedene Soundlandschaften spre-

irgendwie halten wir uns an Dingen fest,

chen zu können. Weil spannender für

die uns hunderte von Jahren überdau-

mich war, wie es entstanden ist, dieses

ern. Dieses Zeitliche im Gestalten und in

Unmittelbare. Ein Objekt entsteht zu-

der Musik oder im Klang oder Sound fin-

sammen mit anderen und jeder so, ob er

de ich sehr spannend.

es will oder nicht, Teil dessen ist. (…) Ich fand den Prozess, wie es entsteht, span-

Hochstrasser:

nender, als die fertigen Gefässe. Weil

Du hast schon ein bisschen erwähnt…

letztendlich sind sie ja doch funktionale

Wie wichtig ist dir das Verständnis der

Objekte. Du kannst irgendetwas reintun

Betrachter? Wenn sie die Objekte sehen,

oder kannst einen Lautsprecher draus

sollen die lesbar sein oder auch frei inter-

bauen. (…) Oder du kannst dann anfan-

pretierbar bleiben können?

gen eine Maschine zu entwickeln, die dann diese Ringe wieder ausliest und das

Ehnert:

wieder abspielt. Das wäre auch möglich.

Ja, ich glaube schon, dass sie frei inter-

Das

pretierbar bleiben können. Du kannst

würde

wahrscheinlich

ziemlich

scheisse klingen.

nicht jedem deine Arbeit erklären. Aber

(…)

ich kann mit gutem Gewissen dahinter-

Da (in der Ausstellung) ist eine Maschine

stehen, die Arbeit nicht jedem erklären

präsentiert, und ich habe ein Video ge-

zu müssen. (…) Es erzählt eine Geschich-

schnitten dazu und mir fehlt da irgendwie

te, wie alles andere auch. Man weiss über

was, diese Interaktion. Es sind ja Objekte,

diese Geschichte Bescheid oder nicht.

die einen direkten Bezug haben zu einem

(…) Es macht dich ja jetzt nicht zu einem

Ort und zu den Menschen vielleicht.

schlechteren Menschen, wenn du das

Wenn ich das wo anders präsentiere,

jetzt nicht verstehst oder nicht verstan-

als es eigentlich entstanden ist, fehlt da

den hast. (…) Wenn du jetzt die Frage

eigentlich was. Das war so ein bisschen

stellst, inwiefern ist das industriell oder

der interessante Aha-Effekt. Das stimmt

nicht, oder ist es Handwerk oder was ist

ja eigentlich, dass wir uns mit Objekten

das eigentlich, weil niemand allein dran

umgeben. Also ein Wasserglas kann bei

sitzt und das macht, aber irgendwie sind

dir stehen oder bei mir rumstehen, aber

es doch Maschinen, die es machen. Dann

das sagt nichts über uns aus. Anderer-

aber wiederum nicht wirklich schnell

seits haben diese Objekte oder wie sie

oder effektiv. Es sind sehr verschiedene

entstanden sind, ganz einen einmaligen

Aspekte, die mich da relativ entspannt

Fingerabdruck eigentlich. (…) Du kannst

sein lassen, daüber wie es aufgenommen

den Moment halt nicht festhalten, aber

wird. Es ist ein ästhetisches Erlebnis.

55


Darum geht’s mir eigentlich. Ich lasse As-

aufgehoben. Also du kannst jetzt in Hon-

soziationen aufkommen, aber ich möchte

kong glaube ich, kann jetzt rund um die

die eigentlich nicht steuern. (…)

Uhr gebaut werden. Keine Pause mehr. Aber wir sind ja eigentlich keine Maschi-

Hochstrasser:

nen, wir brauchen Pausen und Ruhezeit.

(…) Möchtest du in diesem Bereich noch

(…) Dann fehlt da was, und da geht wahr-

weiterforschen (…)?

scheinlich auch irgendetwas kaputt. Mit der Arbeit wollte ich so ein bisschen die-

Ehnert:

ses Unsichtbare in den sichtbaren Fokus

(…) Der Gedanke war ja tatsächlich, un-

rücken. Und ich finde Materialien hel-

terschiedlichen Situationen zuzuhören.

fen da unglaublich stark. (…) Du kannst

Ob das ist, einer Oper zu lauschen oder

ja ganz viele Geschichten erzählen mit

einem Symphoniekonzert oder ob das

Kombinationen

ein Kindergarten ist oder irgendeine

Klang. Ich denke schon, dass es relevant

Baustelle oder der Wasserfall, von dem

ist. Nicht um sonst gibt es Sounddesigner

wir vorher gesprochen haben. Es sind

für Autos und so’n Kram. Das sind aber

ja alles ganz verschiedene Situationen,

so ganz andere Perspektiven und Dimen-

die unterschiedlichen Menschen Unter-

sionen. Ich sage mal, mein erster Ansatz

schiedliches bedeuten. Diese Vielseitig-

war nicht, da irgendwie Kommerz daraus

keit möchte ich eigentlich schon gerne

zu schlagen oder das irgendwie gross zu

widerspiegeln können oder nochmal

verkaufen. Eher der gegensätzliche.

nochmals aufgreifen. Aber das heisst

(…)

von

Materialien

und

eigentlich auch, dass ich in das Projekt ziemlich viel reinstecken muss. Das Mate-

Ich habe am Anfang ziemlich flach ge-

rial ist halt schon ziemlich teuer. (…)

arbeitet oder repetitiv versucht, Einzigartigkeit darzustellen. (…) Diese Unschein-

Hochstrasser:

barkeit müssen wir nicht wertschätzen,

Wo siehst du die Relevanz des Themas in

aber wenn du sie in Szene setzt, macht

der heutigen Zeit, also dass du das visua-

das wieder Sinn. Genauso war das ei-

lisierst, die Geräusche?

gentlich mit dem Klang oder dem Sound. Alles aufnehmen (…) Das Ding hätte da

Ehnert:

kein Unterschied gesehen.

(…) Dass ich glaube, wir sind Geräuschen ausgesetzt und dass das sehr vernach-

Hochstrasser:

lässigt wird eigentlich. In China haben

Eigentlich sehr wertfrei.

sie schon seit einiger Zeit diese Ruhezeit

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Ehnert: Genau. Das sind dann wir, die Menschen, die dann entscheiden, oder ein Urteil bilden müssen, wie sieht das jetzt eigentlich aus. Deswegen müsste ich jetzt eigentlich mehrere Klanglandschaften so materialisieren oder visualisieren. Um auch so ein bisschen ins Gespräch zu kommen. (…) Auf der anderen Seite und das kritisiere ich eigentlich auch an meiner Arbeit. Dieses Vergängliche wird ja festgehalten. (…) Diese Dimension, diese Vergänglichkeit kannst du halt nicht abbilden. Einerseits festhalten wollen, auf der anderen Seite beim Vergänglichen dabei belassen. Hochstrasser: Ich denke, es muss einem einfach auch bewusst sein, dass man es nicht gänzlich festhalten kann. Dass es einfach ein Versuch bleiben wird. Ich meine, das schafft man ja nicht, weil es ist völlig eine andere Dimension. Aber es ist trotzdem irgendwie reizvoll. Ehnert: Ja auf jeden Fall. Ich finde, es ist eine riesig grosse Möglichkeit, die sich da ergibt, mit Klang zu arbeiten, ohne jetzt stereotypisch Klangbilder zu machen. (…)

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BOUPHASAVANH PHETXOMPHOU Bouphasavanh Phetxomphou: (…) Es ist halt sehr technisch-orientiert. Es ist schwierig, diese Strukturen festzuhalten. (…) Mit Hilfe eines Freundes, er hat mir ein Programm programmiert, wo ich dann mit Frequenzen gearbeitet habe. Ich habe viele Versuche gemacht mit Wachs und mit jensten Materialien. Habe alles auf die Boxen gelegt. Ich habe eine Lehre gebaut und mit einem Metallgefäss. Und dieses Metallgefäss auf die Boxen gelegt. (…) Mit Sand funktioniert es sehr gut, da gibt es ja diese geometrischen Figuren. Ich habe es auch versucht, erstarren zu lassen. Mit Wachs ist es einfach schwierig. Das müsste schockfrieren. Ich habe auch mal Stickstoff organisiert. Das funktioniert nicht. Es müsste wie ein anderes Material sein, das man direkt festfrieren könntest. (…)

teressant. Das habe ich davon abgeleitet vom Akustik-Modul, dass ich mit Schallwellen arbeite. (…) Ich habe Schallwandler gekauft. Das funktioniert wie Boxen. Aber die Box verbreitet die Schallwelle ja durch die Luft, und das geht direkt in die Membran hinein. Das Metall leitet ja sehr gut. (…) ich konnte das direkt in das Metall hineinleiten, dass der Metallkörper direkt vibriert. Und so konnte ich die geometrischen Formen festhalten. Ich bin eben nicht fertig geworden. Ich habe sehr lange gebraucht für die Versuche. Es gab viele Misserfolge. (…) Hier (auf dem Tisch) sind jetzt die ersten Versuche. Ich habe auch mit Wachs gearbeitet. Das ist Gips und das ist so ein Epoxidharz. Ich habe es da in die Boxen hineingelegt. Da habe ich mit Granu-

Leonie Hochstrasser: Wie bist du denn so dazu gekommen, das zu machen?

lat-Kunststoff gearbeitet. Das habe ich einfach hineingeleert. (…) Durch das Vibrieren hat es sich vermischt. Das habe ich auch in den Backofen getan. Mit Textilfarben habe ich auch gearbeitet. (…)

Phetxomphou: Ich wollte nicht so ein konventionelles Material auswählen, weil wir ganze drei Jahre mit Material gearbeitet haben. Ich wollte einfach etwas Parametrisches auswählen, damit die Herausforderung grösser ist. Und die Schallwellen… Wir hatten ein Modul Akustik, und das war sehr in-

Ich habe mit tiefen Frequenzen gearbeitet. Das gibt einfach die grossen Wellen, aber für die Geometrie, wenn du sie festhalten möchtest, ist es am besten mit hohen Tönen. (…) Von Anfang an habe ich ausgeschlossen., Ich möchte nicht mit Sand arbeiten oder mit Granulat, weil das ist das, was man

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schon so kennt von den chladnischen

Ich habe es halt ein bisschen beeinflusst,

Klangfiguren. Ganz am Schluss hat sich

indem ich selber gestoppt habe, also

herausgestellt, ich muss doch mit Pul-

selber bestimmt habe, wie lange ich das

ver arbeiten. Dann habe ich mit Kunst-

Ganze bespielen will. Wenn du es eben

stoffpulver gearbeitet, das man in der

ganz kurz machst… sie verlaufen zuerst,

Industrie braucht für Metalloberflächen-

die Strukturen. Bis am Schluss, wo man

behandlungen. Das sind man an den Me-

ganz klare Strukturen sieht. Das kann

tallmöbeln zum Beispiel. (…)

man auch ein bisschen steuern, was auch

Das ist am besten, wenn man mit Farben

ganz interessant ist. (…)

arbeitet. Mindestens mit zwei Farben,

Ich hatte nur noch einen Monat, um he-

damit man die ganze Vermischung auch

rauszufinden, was ich umsetzen möchte.

sieht. (…)

Ich habe dann einfach eine Musterplat-

In dem Moment, wo es eben am Lau-

te gemacht. Es war dann schlussendlich

fen ist, ist sehr interessant. Es sieht sehr

eine Mustersammlung. Wie man so eine

schön aus. Das nachher festzuhalten, ist

Oberfläche anders behandeln könnte.

schwierig. (…)

Ich habe gedacht, so Plättchen für die

Ich habe sehr lange Versuche gemacht.

Küche oder für in einem Museum, eine

(…) Hier habe ich mit Textilfarben gear-

Fassade oder drinnen bei der Cafeteria.

beitet, mit verschiedenen Textilien. Habe

(…)

es gespannt und es laufen lassen. Die

Hier war ich in Basel in der Kunsthalle

Idee wäre gewesen, textile Kleidungs-

Industrie. Weil die haben einen grossen

stücke zu bespielen. Zum Beispiel eine

Industrieofen. (…) Es ist eigentlich recht

Bluse.

schwierig, weil du weisst nie, wie es raus-

(…)

kommt. Es gibt eigentlich immer ein Uni-

Ich habe es laufen lassen und dann Stick-

kat. Weil ich hätte jetzt überhaupt nicht

stoff hineingeleert. Das wird einfach sehr

erwartet, dass es so herauskommt.

porös mit dem Wachs. Es gibt nicht so die

(…)

erhoffte Welle, die man sieht, dass man die festhalten könnte. Aber vielleicht gibt

Ich habe erst nach dem Abschluss ein

es da eine andere Möglichkeit. (…)

Möbel machen lassen, also mein Freund

Das ist so Pulver vom Tiefdruck oder

hat das dann gemacht. Er hat das ge-

Hochdruck. Mit dem arbeiten sie auch,

schweisst. (…) Es ist noch nicht fertig. (…)

das ätzen sie dann. Durch das bin ich

Das ist das, was ich eigentlich noch fer-

dann darauf gekommen, dass ich doch

tigmachen möchte, das Möbelstück. (…)

mit Pulver arbeite. (…)

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Hochstrasser:

Endresultat war dann wie ein Beispiel da-

Hast du denn von Anfang gewusst oder

von.

erwartet, dass es ein bisschen technisch wird? Hat dich das auch interessiert?

Phetxomphou: Genau. (…) Das ist bei Materialdesign

Phetxomphou:

nicht so. Es besteht aus Prozess, es be-

Das hat mich sehr interessiert, und ich

steht aus Versuchen. Und aus diesen Ver-

habe das auch gewusst und wollte das

suchen entsteht erst dann ein Produkt.

auch.

Das ist so eine „verkehrte“ Herangehensweise. (…)

Hochstrasser:

Was eben auch spannend ist. Es passie-

Wie wichtig ist das Verständnis vom Be-

ren Fehler, und aus diesen Fehlern ent-

trachter? Soll man das lesen können,

stehen die besten Ideen dann.

dass es mit Schallwellen entstanden ist,

(…)

oder darf es auch einfach als dekoratives Element oder als interpretierbares Element bleiben? Phetxomphou: Ich glaube, für den Betrachter ist es zu schwierig zu erkennen auf den ersten Blick, dass man sieht, dass mit Schallwellen gearbeitet wurde. Die Art, wie ich es gemacht habe, wie ich es präsentiert habe, könnte man meinen, es sei einfach ein Bild, ein Kunstwerk. Es war für mich dann schon auch wichtig, dass die Person weiss, dass mit Schallwellen gearbeitet wurde. (…) Dass man sicher einen Beschrieb dazu gibt. Hochstrasser: In deiner Arbeit war der Hauptfokus eher auf dem Prozess, dem Entstehen. Das

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HERMANN AUGUST WEIZENEGGER Leonie Hochstrasser: Wie bist du ursprünglich darauf (Valse Automatique) gekommen? Was hat den Impuls gegeben, dein Interesse ge-

Und mit diesem Vorhaben bin ich in diesen Projektraum und hab ihnen diesen Mini-Film gezeigt(…). Das war so ein Moment, wo ich eine Idee, Inspiration, Vision

weckt?

hatte. Das wollte ich einfach irgendwie

Hermann August Weizenegger:

war eigentlich der Start. Das war ganz

Das waren zwei Komponenten. Einmal gab es für mich einen Anlass und zwar gab es einen Kreativraum in Berlin am Alexanderplatz. Der hiess MADE. Die wurden mehr oder weniger sehr grosszügig von Absolut Vodka gesponsert. Und die Idee bei diesem Kreativraum war, dass Kreative aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenarbeiten, so eine Art Kooperation, Austausch stattfindet. Ich war bei den ersten Präsentationen und habe auch Tanzperformances gesehen. Und was sie gemacht haben, fand ich total schön. Und habe gedacht, ach wunderbar, ich werde mich nun auch für so ein Projekt bewerben. Das war jetzt eher der Kontext. Ich bin eigentlich relativ schnell zu einer Idee gekommen, weil ich war in Japan und habe eine Uhrenpräsentation gesehen. (…) In Japan gab es eine Präsentation, bei der ein kleiner Roboter, der war nicht grösser als eine Hand, der hat eine Uhr so gedreht. Und das habe ich als Video auf dem Handy gefilmt. (…) Es gibt da einen Film, der spielt 2030, und ich habe gedacht, oh das ist schön, das könnte eine Mischung sein aus Zukunftsszenario, dass ein Roboter ganz poetisch eine Produktion macht.

als Performance umgesetzt haben. Das interessant, ziemlich intuitiv, vielleicht naheliegend. Aber generell war es auch ein Forschungssemester. Ich habe das angemeldet, dann war es ein Forschungssemester von mir. Also ich hatte keine Lehre, und ich wollte das. Für mich sozusagen die Grenze ausloten, was kann ich als Produktdesigner im Milieu des – sag ich eher– Interface, computergestützten, rechnerorientierten Programmieren und Entwerfen. (…) Im Projekt war ich immer auf der Suche, was gibt’s, was ein Handwerk repräsentiert. Ich hatte viele Ideen und dachte auch, und bin auch immer noch gedanklich dabei, dass ich gerne mit einem japanischen Keramiker zusammenarbeiten würde, der ein Gefäss macht, und der Roboter verändert dann das sozusagen. Man hat dann so ein Setting, wo man die Bedingungen ausloten muss, und in dem Zusammenhang wusste ich ja, diese MADE, die wollen ja eine Abendveranstaltung für ihr Publikum. Das war ja Absolut Vodka, musste ja Vodka getrunken werden. (…) Deswegen war es dann eine Performance für einen Abend. Da ich ja dieses Ziel wusste, musste ich überlegen, was

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entwickle ich sozusagen. Was kann ich

ein Projekt, das sehr viel mit Research

eigentlich in einen Zeitrahmen von einer

zu tun hatte, weil viele technische Gege-

Präsentation, die im höchsten Fall 1.5

benheiten geklärt werden mussten. (…)

Stunden geht (…) habe aber dann auch

Es gibt ja immer wieder so Projekte, wo

für das Setting überlegt, was kann ich wie

es darum geht, wie kann ich Musik wo-

steuern. Und jetzt die Musik, das wollte

hin bringen. Das kannte ich ja auch. Und

ich noch dazu sagen, weil die ja zwei Dis-

ich war mir schon ziemlich bewusst, dass

ziplinen haben wollten, haben sie gesagt,

man natürlich Musik digitalisieren kann

wir kennen einen Konzertmeister, Mikki.

und entsprechend hinbringt. Aber wie

Das war ein guter Freund von denen. Und

gesagt, mir ging’s ja darum, dass diese

der war im Hip-Hop und im Klassischen

Live-Performance musste ganz poetisch

unterwegs, und er kann komponieren.

wirken.

Und wusste ich relativ schnell, dass ich, wie bei Wong Kar-Wai, ich wollte dann

Hochstrasser:

einen Walzer. Ich wollte eigentlich einen

(…) Was denn eigentlich wichtiger ist, das

Tango-Walzer, melancholischen Walzer

Objekt oder das Entstehen, das Happe-

als Stück, und habe dann aber gesagt, da

ning, wo der Hauptfokus ist?

jede Vase seine eigene Station hatte, gab

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es fünf unterschiedliche Variationen des

Weizenegger:

Walzers. Den Wienerwalzer, den Tango-

In dem Moment war es das Happening,

walzer et cetera. Dann war klar gewesen,

weil ich ja den Druck hatte, dieses Hap-

dann muss ja die Musik in die Form. Das

pening muss grossartig werden. Aber ich

war ja jetzt zu der Zeit nicht so neu, aber

habe ein bisschen das Problem gehabt,

neu genug, dass man’s macht. Es gab ja

dass das Happening an zwei Tagen statt-

schon Bücher wie digitale Information,

fand und Novak die Gussform nicht in ei-

die man in irgendwelche anderen Aggre-

nem Tag machen konnte. Das heisst, die

gatszustände bringt oder in andere For-

Form habe ich danach erst erstellt. Aber

men. (…) Sind immer mehrere Bausteine,

die ist, wenn man es jetzt genau nimmt,

die ich im Kopf hab. (…) Ich war öfters in

immer noch das Relikt dieses Prozesses,

der Metallgiesserei Novak. Ich war ein

der ja filmisch dokumentiert ist. Wenn ich

grosser, grosser Fan von Novak und einer

jetzt in eine Ausstellung geh, steht immer

meiner Lebensträume war, einmal bei

die Vase auf dem Sockel. Also das Ergeb-

Novak etwas zu giessen. Und dann war

nis, gewandelt von der Performance zum

– jetzt wieder zurückgeschraubt – habe

physischen, ästhetischen Ergebnis. Aber

ich Research gemacht, welche Industrie

es ist klar, wenn ich die Vase irgendwohin

… Lieferarbeiten fräsen. Also es war eher

gestellt hätte, wär’s weniger emotional


gewesen, wie wenn ich einen Film habe,

mit so vielen verschiedenen Personen?

wo ein Geiger und eine Klavierspielerin

Da waren der Komponist, der Soundde-

live ein Roboter ansteuern, der mit Feuer

signer, Interface und so weiter, ganz vie-

… Das sieht man im Video. Stärker emo-

le Leute beteiligt. Wie hat sich auch die

tional.

Aufteilung gestaltet?

Hochstrasser:

Weizenegger:

Was waren die grössten Herausforderun-

Ich hatte sozusagen die Regie, die Vision

gen oder Schwierigkeiten im Prozess?

und ich hab dann sozusagen die Teams zusammengestellt, also gecastet und

Weizenegger:

zusammengestellt. (…) Es war ein Mit-

Alles war schwierig. Weil ich bin ja kein

arbeiter im Büro, der die Projektkoor-

Programmierer erstens, und zweitens

dination gemacht hat. Und es gab halt

war das sehr, sehr schwer die Software

immer Teamsitzungen, eigentlich wie

für den Kuka-Roboter. Weil wir wussten,

ein Produktentwicklungsprojekt, könnte

es gibt eine Software um diese Steue-

man sagen. Ich glaube, es ging gut, weil

rung zu machen. Die wurde benutzt, aber

ich bin ziemlich gut in dieser Art von Pro-

die hat nicht richtig funktioniert. Erst kurz

jektorganisation. Das war alles einfach,

vor der Premiere sind wir auf eine andere

aber ich glaube, einer der wichtigsten

Software umgestiegen, die etwas besser

Punkte im Projekt war ganz am Anfang –

war. (…) Theoretisch, er hat zwei Achsen,

wir kannten ja auch Leute, die Software

zwei Drehpunkte, dann bremst er, stoppt

verkauft haben oder die Technologie ge-

er. Das heisst, es gibt einen Bug, und wir

baut haben, die Applikationen am Robo-

mussten jeden Bug in jeder Bewegung

ter gemacht haben. Und ich auch nicht

ausprogrammieren. Und wir haben die

genau wusste, was ich mache am Anfang.

Nacht durchgemacht kurz vor der Premi-

Dass ich einen grossen Tisch gemacht

ere. Insofern war alles schwierig. Es war

habe. Einen Roundtable könnte man sa-

kein Spass. Es ist schon anstrengend ge-

gen. Der war ganz wichtig, weil sich alle

wesen, aber gut, war halt so, weil wir na-

Projektteilnehmer kennen gelernt haben

türlich den Roboter nicht Monate vorher

und ich in dieser ersten Phase, das inhalt-

schon gekriegt haben. Beziehungsweise

lich und theoretisch mit ihnen diskutiert

die Software war eine unbekannte Grös-

habe. Das Interessante war, dass wir da

se, die keiner kannte. (…)

auch die Namensgebung fürs Projekt gefunden haben. Also ein bisschen ein

Hochstrasser:

Projektidentifikationstisch. Ich glaube,

(…) Wie war denn so die Zusammenarbeit

das ist ganz gut gewesen, dass sich alle

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Teams mal kennengelernt haben. Und

bewegt sich so. (…) Wir hatten ja nur eine

jeder seine Aufgabe beschrieben hat in

Woche Zeit. Ja, das war etwas kurz. Mit

dem Projekt. Also insofern ist man da

den Problemen, dass die Software nicht

mehr Regisseur und Teamleiter.

funktionierte, deswegen war’s schwierig.

Man muss natürlich Vertrauen haben für

Aber egal. Das Ergebnis hat funktioniert.

eine Reise ins Unbekannte. Hochstrasser: Hochstrasser:

Es hat geklappt, das ist die Hauptsache.

Hat jetzt die Technik vom Roboter und die

Wie wichtig ist dir das Verständnis des

Musik eine gleich wichtige Rolle schluss-

Betrachters? Also wenn man jetzt nur die

endlich eingenommen oder was war dir

Vase anschaut, soll das gelesen werden

am Wichtigsten?

können oder soll das frei interpretierbar bleiben?

Weizenegger:

66

Erstmal die Musik. Die Musik fand ich ex-

Weizenegger:

trem wichtig, weil die Musik der stärks-

(….) Ich habe ja viele Projekte gemacht

te Indikator ist für eine Emotion. Also

zum Thema Narration, und ich sage ja,

man kann immer irgendwo die Augen

die Kraft der Narration. (...) Das ist die

zu machen, und die Vorstellungskraft

stärkste Kraft eine emotionale Bindung

der Musik ist die stärkste, würde ich sa-

zu einem Objekt aufzubauen. Also natür-

gen. Und insofern war es die Musik. Da

lich muss das Objekt ohne Geschichte

habe ich schon viel Wert daraufgelegt.

funktionieren, also eine Attraktion, also

Und im zweiten, wir wussten ja… Der

eine Begehrlichkeit haben, formal, ästhe-

Roboter war ja eigentlich ein Klischee.

tisch interessant sein, aber ich glaube,

Also ich glaube, der Roboter bedient ja

wenn man die Geschichte kennt oder er-

Klischees von der Vorstellung von Tech-

lebt hat, das ist noch viel besser. Dann hat

nologie oder Zukunft. Und natürlich ist

man noch eine ganz andere Verbindung

der Roboter in seiner Kinetik oder seiner

zum Objekt. Insofern ist mir das natürlich

Bewegung hat er ja immer was Mensch-

total wichtig, und wir haben ja genug Ob-

liches. Aber er erzeugt auch Emotionen.

jekte, die komplett narrativfrei sind. (…)

Aber noch interessanter ist es, wenn ein

Ich finde schon im Moment, was Musik

Roboter sich zur Musik bewegt. Dann hat

und Bewegung macht. Das finde ich ganz

er etwas Tänzerisches. Und das fand ich

interessant, wenn man diese Kombina-

dann interessant. Später gibt es ja Tanz-

tion mit verschmilzt in einem klassischen

choreografien mit Robotern. (…) Die Leu-

Produktdesign,

te haben auch gesagt, ja der tanzt, der

prozess. Denn schlussendlich ist es doch

Produktentwicklungs-


immer noch einfach eine Bronzevase.

Und es gibt sicher unzählige Projekte, die

Aber anders. (…)

danach entstanden sind. Aber wo ich jetzt vielleicht gar nicht so

Hochstrasser:

viele Beispiele hab, glaube ich. (…) dass

Wo siehst du denn die Relevanz des The-

Vieles noch gemacht wurde. Gerade

mas in der heutigen Zeit? Also die Musik

dieses Tanzen von Robotern. Schwierig.

festzuhalten in einem Objekt.

Ich habe gemacht, was man gerade so machen konnte zu dieser Zeit, oder? Ich

Weizenegger:

weiss es nicht. (…)

Gute Frage… Ich glaube, dass in diesem

(…) Ich fand schon da zu der Zeit pro-

Fall im besten Sinne auch eine künstleri-

fan, Musik eine Form zu geben. Fand ich

sche Arbeit. (...) Die Relevanz ist, auszu-

schon okay, aber fand ich jetzt zu der Zeit

loten, was geht. Und ich glaube, ich finde

nicht die Revolution. (…) Es gibt natürlich

das da ganz spannend. Aber ob man das

viel Grafik und Digitalkunst, die mit Musik

jetzt haben muss oder nicht, habe ich ge-

arbeitet. (…)

rade gar keine Meinung dazu. (…) Hochstrasser: Hochstrasser:

Möchtest du denn in diesem Bereich

Was denkst du, ist das Neue daran? Was

auch weiterforschen? Oder hast du es

kannst du Neues beisteuern zum Dialog,

mal so ad acta gelegt? Es ist ja auch

der bereits geführt wird? Zu anderen

schon länger her jetzt.

Arbeiten, die vielleicht in diese Richtung gehen.

Weizenegger: Ja genau, es ist länger her. (…) Also ich

Weizenegger:

bin an einer anderen Sache dran, aber

(…)

ob ich die Musik… ja kann sein, dass sie

Das ist ja schon viele Jahre her. Ich weiss

eine Relevanz hat. Es gibt schon ein Pro-

nicht, ob man… ob es zu der Zeit – es

jekt. Es gibt schon was, was ich im Kopf

muss ja jede Arbeit ihrer Zeit entspre-

habe, aber wie gesagt, da muss ich erst-

chen – weil ich jetzt nicht sagen kann, was

mal gucken. Man muss sich ein Setting

es schon wieder an neueren, anderen

zusammenbauen und muss gucken, wer

Arbeiten gegeben hat. Finde ich schwie-

finanziert’s. (…)

rig. (…)

Wie gesagt, bei mir ist immer so, das er-

Es gibt immer wieder Sachen, die man

gibt sich. Und dann passiert’s.

dann vielleicht zu der Zeit vorher ent-

(…)

standen sind. Dann gab’s dieses Projekt.

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ANDREA WOLFENSBERGER Leonie Hochstrasser:

ge, die ich verwende, sondern einmalige

Mich interessieren vor allem die Arbeiten

Laute von Menschen. Das ganz Direkte,

von dir, wo du Ton- und Sprachfragmente

das dann digital aufgezeichnet ist und ich

visualisiert hast. Mich interessiert, wie du

dann weiterverarbeite.

dazu gekommen bist, was dein Interesse

(…)

überhaupt geweckt hat. Ganz am Anfang, das sollte ja etwa 10 Jahre her sein.

Hochstrasser: Welche Erfahrungen konntest du wäh-

Andrea Wolfensberger:

rend des Prozesses sammeln? Was hast

Ja, das hinter der Tür (Bild von Arbeit) ist

du für Erkenntnisse machen können?

das erste, was ich gemacht habe. Und zwar ist das von einer Video-Aufnahme.

Wolfensberger:

Das ist mein kleiner Sohn, der gelacht

(…) Es geht ja darum: Wie kommt man

hat. Beim Video-Schneiden hat man ja

zu einer Form? In der freien Kunst ist es

eine Bild-Ebene und eine Ton-Ebene.

nochmals anders als im Design. Ihr macht

Mit den Bildern hatte ich schon Arbeiten

Sachen, die eine Funktion haben, und

gemacht, welche ich übersetzt habe, teil-

Kunst ist per se definiert als etwas, das

weise in Malerei, andere in Prints. Dann

keine Funktion hat. Darum ist die Fra-

habe ich gedacht, diese Kurve unten in-

ge, wie komme ich auf die Form? Und

teressiert mich auch. Von dieser könnte

zwar so, dass es nicht willkürlich ist, son-

man auch ausgehen. Und dann habe ich

dern dass es tatsächlich auch noch Sinn

diese einfach rotieren lassen.

macht. Dann habe ich gedacht, dass ist

Also die Grundlage ist eine graphische

doch nicht so ein schlechter Ausgangs-

Darstellung vom Ton, die sogenannte

punkt. Vor allem habe gerade einen Titel.

Sound-Wave. Das ist einzig die Lautstär-

Es geht um eine physische Äusserung, es

ke und die Zeit, also es sind nicht Sono-

geht um den Atem, es geht um Einmalig-

gramme. Sondern wirklich eine lineare

keit, und es geht auch häufig um einen

Darstellung. Und mein Eingriff ist, dass

Text. (…) Das ist ein ganzer Text, den ich

ich es rotieren lassen habe. Es ist eine

transkribiert habe. Also in eine Sprache,

Kurve, und ich habe eine Achse genom-

die wir nicht mehr lesen können, aber

men und sie 360 Grad rotieren lassen.

Computer lesen können. Das ist ja eine di-

Hier hat mich einfach die Form interes-

gitale Sprache, welche ich hier verwende.

siert. Sie ist wie ein Trichter, wie ein Laut-

Was ich mache, ist eine Fehlübersetzung.

sprecher. Fast alles, was ich mache ist ge-

Eine Klangaufnahme übersetze ich in

sprochen oder gelacht, also wo der Atem

den Raum. Es geht eigentlich um Über-

darin ist. Es sind nicht synthetische Klän-

setzungsgeschichten.

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Hochstrasser:

3D modellieren. (…) Die hat mehrere Ro-

Welche Rolle spielt denn die Technik,

tationen drin, die Wellen des Wellkartons

Computer und so weiter?

parallel sind. Das heisst, dass es eine Seite gibt, die durchsichtig bleibt.

Wolfensberger:

(…) Der Karton ist immer gleich ausge-

Ich nehme wirklich nur die graphische

richtet. Dann habe ich jedes einzelne

Aufzeichnung. Das ist alles. Alles andere

Teil zuschneiden lassen und nachher ver-

ist dann Geometrie. Die neuen Arbeiten

klebt. Das musste ich, für die Schnittmus-

sind Überlagerungen von mehreren Wel-

ter. (…)

len. Das sind eigentlich Dialoge. Da redet jemand von rechts, jemand von links,

Hochstrasser:

und dann gibt es Überlagerungen. Und

Wie wichtig ist dir das Verständnis des

das heisst, die kann man dann tatsächlich

Betrachters? Möchtest du, dass man die

nicht mehr einlesen, weil sie sind falsch.

Werke lesen kann, dass es etwas mit

Man könnte ein Sonogramm machen.

Sound, mit Sprache zu tun hat, oder kann

Ein Sonogramm ist eine 3D-Aufzeich-

man es auch frei interpretieren?

nung mit der Frequenz, Lautstärke und Zeit. Die brauche ich ganz bewusst nicht.

Wolfensberger:

Was ich eigentlich zeige, ist, was in der

Das ist eine sehr gute Frage, weil grund-

Luft passiert. Also zwei Leute reden. Was

sätzlich bin ich der Meinung, dass ein

passiert da, wo man es nicht sieht, Echo

Bild oder eine Skulptur aus sich selber

von Wänden und so weiter. Dann gibt es

lesbar sein sollte. Und das sind die nicht.

eben Überlagerungen. Und so komme

Weil man kann unmöglich sehen, was für

ich zur Arbeit.

ein Text hintendran steht. Man kann darauf kommen, dass Wellen eine Grund-

70

(…) Es ist ja alles aus Karton. Diesen ver-

lage sind, dass es eine Wellengeometrie

wende ich einerseits, weil es nicht wahn-

ist. Aber mehr kann man nicht lesen. Das

sinnig schwer wird. Andererseits ist es

muss man dann über den Titel irgend-

Wellkarton. Es geht also tatsächlich um

wie sagen. Sonst ist es aus dem Objekt

die Wellen, die im Material sind. Plus es

heraus nicht lesbar. Und das ist eine sehr

ist ein schallabsorbierendes Material.

gute Frage. Ich weiss nicht, ob das ein

Weil es geht ja um Klang. Und auch wie

Schwachpunkt ist meiner Arbeit oder es

verändert die Skulptur den Klang im

auch gut ist, dass man dann verschiede-

Raum real. Das ist auch ein Teil davon.

ne Ebenen hat. Zuerst muss sie physisch

Und die Komplexen, wie die, die ich ge-

wirken. Es muss einem interessieren, man

rade mache, musste ich natürlich zuerst

muss hin. Und nachher kann man wirk-


lich noch mehr Informationen holen, das

Überblick über die Arbeit – und wenn

kann man aber nicht alleine visuell.

dann diese Bewegung in Gang kommt und der Betrachter anfängt zu gehen und

Hochstrasser:

merkt, erst aus der Bewegung heraus, es

Aber der Titel ist immer ein wichtiger

ist wie ein Film, dann ist der Zeitaspekt

Punkt davon.

wieder drin. Das ist natürlich eine grosse Überlegung gewesen. (…) Es stimmt na-

Wolfensberger:

türlich nur bedingt: Zeit ist in allem drin.

Genau. Ein Hinweis. Also wenn jemand

Gleichzeitigkeit ist in der Skulptur drin,

weiss, wie ich arbeite, dass es auf Grund

aber die Wahrnehmung ist zeitbasiert. Es

von Schallwellen ist, dann kann man es

ist wie ein Buch: Man kann es nicht über-

einigermassen entschlüsseln, aber man

blicken. Da ist ja auch alles drin, aber in

muss sich schon damit befassen. Es ist

dem Moment, wo man anfängt zu lesen,

jetzt nicht einfach eine Illustration, ein

ist man sofort wieder in der Zeit drin. Und

Abbild von etwas.

das ist ein Teil der Arbeit. Ganz bewusst.

Hochstrasser:

Hochstrasser:

Der Zeitaspekt ist sehr im Vordergrund,

Sprache kreiert Emotionen. Wie wichtig

finde ich, bei Arbeiten wie diesen. In dei-

war dir, dies in deine Arbeiten miteinzu-

nem Fall, das Gesprochene ist etwas, das

bringen?

eine gewisse Zeit hat und flüchtig ist, im Gegensatz zum stillen, starren Objekt.

Wolfensberger:

Wie bist du damit umgegangen? Hat dich

Es sind sehr sinnliche Objekte. Vielleicht

genau das gereizt?

müsste man da auch jemanden anders fragen, als mich, wie es wahrgenommen

Wolfensberger:

wird. (…) Ich denke, dies ruft sehr wohl

Im Grunde genommen sind es ganz klas-

Emotionen hervor für jemanden, der fä-

sische Skulpturen. Eine klassische Skulp-

hig ist, so zu schauen. Vor allem auch mit

tur ist ein in sich starres Objekt. Das ist

dem Entdecken-Müssen. Der Betrachter

richtig. Aber die Wahrnehmung von die-

muss aktiv sein. In der Musik ja auch: Er

sem Objekt funktioniert nur, wenn der Be-

muss sich hinsetzen und hören. Und hier

trachter sich bewegt. Aus der Bewegung

muss er sich bewegen und schauen. Ich

heraus. Und in diesem Moment, in dem

glaube sehr wohl, dass man da diese

er anfängt, sich zu bewegen – darum sind

Emotionen erleben kann. Ich hoffe es,

sie auch so komplex, sie sehen von jeder

sonst ist die Arbeit schlecht. Aber ich

Seite total anders aus, man hat nicht den

denke, da müsste man nun einen Be-

71


trachter fragen, wie sie es wahrnehmen.

falsch. Und trotzdem sind es tolle Skulp-

Weil die Absicht ist das eine, und was das

turen. Man kann bewusst keine wissen-

Objekt macht, ist etwas Anderes.

schaftlichen Erkenntnisse daraus ziehen, aber es ist wirklich auch eine Fragestel-

Hochstrasser:

lung über unsere Handhabung mit Visua-

Wo siehst du die Relevanz des Themas in

lisierungen von Datensätzen. (…)

der heutigen Zeit? Dass man Musik oder

sehe es als Farben, nicht Volumen. Es ist

Gesprochenes visualisiert oder festhält

eine Form der Wahrnehmung, die ich

als Objekt?

habe, das ist nichts Spezielles in dem Sinne.

Wolfensberger: Also Aufzeichnungsarten von Klängen

Hochstrasser:

gibt es ja viele. Ich denke, es ist auch eine

Das heisst, du siehst spezielle Farben,

Frage einer Notation, was ich mache. Ich

wenn du Musik hörst?

mache das auch, dass es wieder interpretiert wird von Musikern. Sie nehmen

Wolfensberger:

es als Notation und machen ihre eigene

Vor allem in der Sprache. Ich höre die

Arbeit daraus. Ich glaube, die Relevanz

Sprache farbig.

liegt in der Visualisierung von Daten.

Basswellen beispielsweise spürt man ja

Das ist ja das, was dahintersteht, was ich

physisch. Ich habe wirklich das Gefühl,

mache. Also die Kinder, mit dem Atem,

ich sehe das räumlich. Je nach Musik na-

dem Persönlichen, dem Ephemeren, das

türlich. Und das ist das, was ich zeige. Ich

was einem persönlich anspricht. Ist wirk-

denke, das haben alle mehr oder weni-

lich die Frage, was machen wir mit allen

ger, aber das ist jetzt einfach persönlich.

Daten, die wir haben? Und vor allem, wie

Es ist jetzt nichts Abstraktes meiner Mei-

visualisieren wir es? Es ist momentan ein

nung nach.

richtiger Hype mit Visualisierungen. Man sieht das in den Wetterberichten oder in

Hochstrasser:

der ganzen Gehirnforschung. Und jeder,

Wenn du ja eher in Farben siehst – deine

der mit Bildern arbeitet, weiss wie sub-

Skulpturen sind ja alle roh. Hast du das

jektiv diese Bilder sein können. Bilder

bewusst weggelassen?

sind immer mehrdeutig. Es ist nichts Ein-

72

deutiges. Ich glaube, da sind wir etwas

Wolfensberger:

unvorsichtig, weil aufgrund von Bildern

Der Umgang mit Farben. Ich male ja

Schlüsse zu ziehen, ist nicht möglich.

auch. Ich bin eine sogenannte Sonntags-

Und darum mache ich ja eigentlich alles

malerin. Ich brauche auch Hobbies. (…)


Ich glaube die Skulpturen arbeiten sehr

von Neuem.

stark mit dem Licht. Und Licht und Raum

(…)

erzeugt Farbe. Ich spreche es nicht farbig an. Ich finde, das sollten die Maler

Hochstrasser:

machen. Ich bleibe jetzt im Raum im Mo-

Du willst weitermachen mit dieser For-

ment.

schung? Du bist ja schon seit 10 Jahren an Arbeiten wie diesen dran.

Hochstrasser: Was hast du das Gefühl, ist das Neue da-

Wolfensberger:

ran? Was steuerst du zum Dialog bei von

Ja, ich mache auch noch anderes. Aber

anderen, die auch schon Visualisierun-

ich mache auf jeden Fall weiter, obwohl

gen von Klängen oder Musik gemacht

es eigentlich nur auf einer beziehungs-

haben? Was ist das Neue bei deinen Ar-

weise zwei Wellen basiert. Es ist ein so

beiten?

unendlich grosses Feld. Da mache ich auf jeden Fall weiter.

Wolfensberger:

(…)

(…) Mir geht es tatsächlich um die klassische Skulptur. Und mir geht es um die

Hochstrasser:

Frage des Ausgangspunkts von Daten-

Welche Resonanzen hast du von aussen

sätzen und der Übersetzung in den

bekommen?

Raum. Und mir geht es viel weniger um

hast du bekommen? Oder hast du weni-

die Visualisierung von Musik. Ich möch-

ger den direkten Austausch?

Welche

Rückmeldungen

te nicht Musik visualisieren, ich möchte Musik erzeugen. Im Sinne von Partituren,

Wolfensberger:

die ich auch so nenne, welche interpre-

Als bildende Künstlerin bekommt man

tiert werden von anderen Leuten. Es sind

selten Resonanzen, meistens erst ein

ja immer auch nur kurze Sätze meistens,

paar Jahre später. Das ist etwas der Nach-

teilweise nur Laute. Und Grundlage sind

teil dieses Metiers. Es wird häufig falsch

auch Texte. Nicht Musik. Ich denke, ich

verstanden, weil viele Leute meinen, es

bin in einem ganz anderen Feld. Ich hof-

seien Sonogramme. Und nicht verste-

fe, es entsteht Musik daraus. Das gerne.

hen, dass es Konstruktionen also Geo-

Aber ich möchte nicht Musik bebildern.

metrien sind und nicht aus dem Com-

Was wichtig ist, ist die Einmaligkeit des

puter kommt. Vielen Leuten gefällt’s,

Moments, in dem es gesprochen wird,

anderen nicht. Ich kann da jetzt nicht so

der nachher eine solche Präsenz be-

viel sagen. Weltbewegend sie diese Ar-

kommt und Ausgangspunkt sein kann

beiten jetzt nicht. Aber die Grossen sind

73


beeindruckend wegen der Grösse. Und

scheitesten Materialien überhaupt.

wahrscheinlich unpraktisch, weil ich nicht weiss, wohin damit. Ich kann es nicht

Hochstrasser:

nach draussen stellen. Ich kann es nicht

In welchem Sinn?

mal als Geschenk jemandem geben. Weil dann die Feuerpolizei keine Freude hat in

Wolfensberger:

öffentlichen Räumen. Und in privaten hat

Es braucht fast keine Ressourcen. Sta-

es keinen Platz. Ich mache mich ein biss-

tisch ist es genial, und es sind eigentlich

chen rar mit meinen Arbeiten. Ich mache

nur drei Schichten Papier, sonst nichts. Es

es niemanden einfach.

ist echt total gescheit. (…)

Aber es ist mir wichtig, das Papier. Ich überlege mir schon, eine Materialität

Hochstrasser:

für den Aussenraum zu finden. Aber ich

Wie lange hast du denn an einer solchen

merke, diese Fragilität, das Ephemere –

Skulptur?

also Wellkarton ist ja Papier – gefällt mir schon. Auch die Mikrostrukturen, die

Wolfensberger:

entstehen. Die man jetzt hier sieht. Die

An dieser hier arbeite ich seit dem Ok-

noch ganz andere Formen reinbringen

tober. Und zwar unter Druck. Täglich 8

rein durch die Schnitte.

Stunden. Das mache ich nicht so schnell wieder. Meine Sehnen haben nicht so

Hochstrasser:

Freude. (…)

Wie bist du zum Karton gekommen am

Ich finde es ein sehr ökologisches Mate-

Anfang?

rial. Das ist mir auch noch wichtig. Und das andere ist, man kann es auch schnell

Wolfensberger:

wieder entsorgen. Manchmal auch gut.

Ganz praktisch. Früher habe ich Eisen-

Ich finde, es muss nicht alles immer für

plastiken gemacht und habe sehr lange

die Ewigkeit bleiben.

Probleme gehabt mit dem Rücken, dar-

(…)

um habe ich auch lange keine Skulpturen gemacht. Das ist die erste Skulptur gewesen, und ich habe gedacht, ich fange einmal mit einem leichten Material an. Aus rein praktischen Gründen. Dann habe ich aber gesehen, welche geniales Material der Wellkarton ist und bin seither dabei geblieben. Eines der ge-

74


75


6.3

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Titelbild Eigene Fotografie Abbildung 1 https://www.dataisnature.com/?p=443, aufgerufen am 01.04.2019. Abbildung 2 und 3 https://www.flugl채rm-portal.de/fluglaerm-debatte/was-ist-laerm, aufgerufen am: 28.03.2019. Abbildung 4 https://das-hoerhaus.de/kinderhoerhaus/infos-fur-kinder/wie-funktioniert-das-ohr/ attachment/wie_f_dasohr, aufgerufen am: 28.03.2019. Abbildung 5 http://libcoll.mpiwg-berlin.mpg.de/libview?url=/mpiwg/online/permanent/library/5M6VYMSC/pageimg&start=81&pn=86&mode=imagepath, aufgerufen am: 28.03.2019. Abbildung 6 und 7 Bilder von Hans Jenny aus dem Ausstellungskatalog der Kunsthalle N체rnberg: Katalog Nr.2 Struktur Schwingung Dynamik. Naturform Kunstform Direktion Curt Heigl, Kunsthalle N체rnberg, N체rnberg 1973. Abbildung 8 Eigene Fotografie Abbildung 9 Fotografie von Olivier van Herpt http://oliviervanherpt.com/solid-vibrations, aufgerufen am 28.03.2019. Abbildung 10 Fotografie von Oak Taylor-Smith https://www.loriscecchini.com/photo_11712770.html, aufgerufen am 28.03.2019.

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Abbildung 11 http://www.beatwoven.co.uk/lets-dance-david-bowie, aufgerufen am 28.03.2019. Abbildung 12 und 13 Eigene Fotografien, aufgenommen in Andrea Wolfensbergers Atelier in Altstetten, 2019. Abbildung 14 Fotografie von Matthias Jäger, 2019 https://andreawolfensberger.ch/works/19-01, aufgerufen am 28.03.2019. Abbildung 15 und 16 Fotografien von Bouphasavanh Phetxomphou, 2014. Abbildung 17 und 18 Eigene Fotografien, aufgenommen in Bouphasavanh Phetxomphou’s Atelier in Olten, 2019. Abbildung 19 https://www.dundp.com/valse-automatique, aufgerufen am 28.03.2019. Abbildung 20 http://hermannaugustweizenegger.de/project/valse-automatique-02, aufgerufen am 28.03.2018. Abbildung 21 http://hermannaugustweizenegger.de/project/valse-automatique-03, aufgerufen am 28.03.2019. Abbildung 22 - 24 https://heinrichehnert.com/Vessels, aufgerufen am 01.04.2019. Abbildung 25 - 33 Eigene Fotografien

77


6.4

LITERATURVERZEICHNIS

Gunther 2012: Leon Gunther, The Physics of Music and Color, Springer, New York 2012.

Haverkamp 2009: Michael Haverkamp, Synästhetisches Design. Kreative Produktentwicklung für alle Sinne, Carl Hanser Verlag München Wien, München 2009.

Krämer 2007: Oliver Krämer, Strukturbilder, Sinnbilder, Weltbilder. Visualisierung als Hilfe beim Erleben und Verstehen von Musik, Wissner-Verlag, Augsburg 2011.

Kunsthalle Nürnberg (Hrsg.) 1973: Katalog Nr.2, Struktur Schwingung Dynamik. Naturform Kunstform, Direktion: Curt Heigl, Kunsthalle Nürnberg, Nürnberg 1973.

Norman 2004: Donald A. Norman, Emotional Design. Why We Love (or Hate) Everyday Things, Basic Books, New York 2004.

Pestalozzi 1819: Johann Heinrich Pestalozzi, Briefe. An Greaves, 1819.

Roth und Saiz 2014: Mareike Roth und Oliver Saiz, Emotion gestalten. Methodik und Strategie für Designer, Birkhäuser Verlag GmbH, Basel 2014.

Wittkower 1971: Rudolf Wittkower, Architectural Principles in the Age of Humanism, W. W. Norton & Company, New York 1971.

78


6.5

INTERNETQUELLEN

Beat Woven: http://www.beatwoven.co.uk, aufgerufen am 28.02.2019.

Jobson 2016: Christopher Jobson, Artist Loris Cecchini Turns Gallery Walls into Vibrating Pools of Liquid, 2016, https://www.thisiscolossal.com/2016/07/loris-cecchini-wallwave-vibrations, aufgerufen am 20.02.2019.

Plate 2012: Jürgen Plate, Physical Computing und Arduino, 2012, http://www.netzmafia. de/skripten/hardware/Arduino/arduino_ffg.pdf, aufgerufen am: 16.03.2019.

Prudence 2008: Paul Prudence, Colour Organs – A tiny history, 2008, https://www.dataisnature.com/?p=443, aufgerufen am 28.02.2019.

Solid Vibrations: http://oliviervanherpt.com/solid-vibrations, aufgerufen am 20.02.2019.

Wahl ohne Jahreszahl: Uli Wahl, Töne für’s Auge…? Oder die Klangfiguren des E.F.F. Chladni, ohne Jahreszahl, http://www.windmusik.com/html/chladni.htm, aufgerufen am 28.03.2019.

Wie funktioniert unser Gehör: https://www.amplifon.com/web/ch-de/das-gehoer, aufgerufen am 28.02.2019.

Zünd 2019: Andi Zünd, Akustik. Was ist Schall?, 2019, http://www.laermorama.ch/m1_ akustik/schall_w.html#schalldefinition, aufgerufen am: 18.02.2019.

79


6.6

80

LAUTERKEITSERKLÄRUNG


Die Form der Musik – Strategien der Visualisierung von Musik in Design- und Kunstobjekten

Leonie Hochstrasser, 16-488-249 02.05.2019,



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