40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft BasisWissen PraxisWissen LaufbahnWissen
1971–2011
Editorial
Als ehemaliger Unternehmer weiss ich, dass es etwas vom Schönsten ist, wenn sich der eigene Betrieb erfolgreich entwickelt. Genau das trifft auf die Hochschule Luzern – Wirtschaft zu. Angefangen hat alles ganz bescheiden: Mit 26 Studierenden nahm die damalige Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV) im Jahr 1971 ihren Betrieb auf. Immerhin stand sie in der Startphase auf einer soliden Basis, weil die Zentralschweizer Handelskammer, der Kaufmännische Verein und einige Grossratsmitglieder hinter dem neuen Ausbildungsangebot standen. Aus diesen bescheidenen Anfängen wurde eine Erfolgsstory. Heute sind in den Bereichen Bachelor, Master und Weiterbildung rund 3’700 Studierende eingeschrieben, die von 242 Professorinnen und Professoren, Dozierenden sowie wissenschaftlichen Mitarbeitenden unterrichtet werden. Auch die Trägerschaft wurde in den letzten Jahrzehnten verbreitert; inzwischen gehören die Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Zug und der Bund dazu. Ich gratuliere der Hochschule Luzern – Wirtschaft zu ihrem 40. Geburtstag und danke der Schule, dass sie einen wesentlichen Beitrag für den Nachwuchs in der Wirtschaft leistet. Die Absolventinnen und Absolventen der Hochschule Luzern – Wirtschaft sind bei den privaten und öffentlichen Arbeitgebern sehr gefragt – dies aus einem einfachen Grund: Sie sind gut ausgebildete Praktiker. KMU, Grossbetriebe, Non-Profit-Organisationen und auch die Verwaltung haben einen grossen Bedarf an Wirtschafts- und Führungs leuten, die gezielt für die Praxis ausgebildet wurden. Bescheiden die Anfänge, beeindruckend die Gegenwart, herausfordernd die Zukunft: So sehe ich die Erfolgsgeschichte der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Damit halte ich auch klar fest: Unsere Region braucht weiterhin eine starke Ausbildungsstätte wie die Hochschule Luzern – Wirtschaft. Ich bin zuversichtlich, dass diese willens und fähig ist, sich dem (Bildungs-)Markt zu stellen, und in der Erfolgsstory weitere Kapitel schreiben wird. Luzern, 25. November 2011 Regierungsrat Reto Wyss, Bildungsdirektion
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Hochschule Luzern – Wirtschaft Organigramm
Institut
Institut
Institut
Institut
Institut
für Betriebs- und
für Finanzdienst-
für Kommunikation
für Tourismus-
für Wirtschafts-
Regionalökonomie
leistungen Zug
und Marketing
wirtschaft
informatik
IBR
IFZ
IKM
ITW
IWI
Impressum Herausgeber: Hochschule Luzern – Wirtschaft Zentralstrasse 9 6002 Luzern www.hslu.ch Projektleitung: Xaver Büeler Pius Muff Adrian Stitzel René Zeier
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Konzept und Realisation: Lüchinger Publishing GmbH, Zürich www.luechingerpublishing.com
Fotografie: Andrea Ebener, Zürich www.andreaebener.ch
Produktion und Layout: BBF AG www.bbf.ch
Autorinnen und Autoren: Walter Keller René Lüchinger Dieter Rüttimann Birgitta Willmann
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BasisWissen 4 Bildung heute: ein Gespräch 10 Was ist Wissen: Bildung und Copy-paste
PraxisWissen 24 In Luzern gelernt: 29 Business Cases
LaufbahnWissen 58 Menschen der Hochschule: 19 Köpfe
SchlussPunkt 84 Gut zu wissen: eine historische Collage
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Gerhard Schwarz Ein Gespräch über Bildung, Qualitätsstandards, Reformbedarf und das Bild des Menschen.
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Herr Schwarz, Praxis- oder Theorieausbildung ist oft die Frage für einen jungen Menschen, der den Schritt zum Beruf machen will, und das heisst oft auch Lehre oder Hochschule.
Bei Avenir Suisse haben wir dazu eine Studie gemacht. Ergebnis: Die klassische Berufslehre im Betrieb kennen wir in der Schweiz, Deutschland, Österreich, in Dänemark und in Tschechien. Sonst ist sie weitgehend unbekannt. Das führt dazu, dass in vielen internationalen Unternehmen ein Lehrabschluss nicht richtig anerkannt wird, auch weil sie dessen Qualität nicht abschätzen können. Die Personalchefs denken dann, ein Bachelor sei sicher etwas Besseres als ein Lehrabschluss, was ja keineswegs zwingend so sein muss.
Auf der anderen Seite herrscht Mangel etwa an qualifizierten Informatikern. Warum bilden die betroffenen Unternehmen nicht selber aus?
Unsere Untersuchungen zeigen: Lehrberufe sind unterschiedlich rentabel für die Arbeitgeber. In manchen Berufen bringt ein Lehrling dem Lehrbetrieb bereits nach einem Jahr mehr, als er kostet. Weitgehend sind das eher traditionelle gewerbliche Berufe. Im Technologie- und Informatikbereich ist das dagegen nicht so. Dort legt der Lehrbetrieb praktisch bis zum Abschluss der Lehre drauf.
Was wäre zu tun?
Ein Auszubildender könnte beispielsweise eine Verpflichtung eingehen, noch weitere drei Jahre nach Abschluss der Lehre im Betrieb zu bleiben, damit der Arbeitgeber seine Ausbildungskosten amortisieren kann. Wir müssen einfach die Anreize richtig setzen und nicht in planwirtschaftlicher Manier nun körbeweise Informatiker ausbilden. Wenn die Anreize auf beiden Seiten stimmen, werden wir auch bekommen, was die Wirtschaft braucht.
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Wo sollten aus Ihrer Sicht für die Wirtschaft die Schwerpunkte in der Ausbildung gesetzt werden?
Wenn wir jetzt eher an die Hochschulstufe denken – wobei das ähnlich auch für andere Ausbildungswege gilt –, würde ich sagen: breit anwendbares Methodenwissen, das es ermöglicht, Problemlösungen in verschiedenen Feldern zu erarbeiten. Da heute Jobs und Job-Profile öfter ändern, sollten Ausbildungen nicht zu sehr auf konkrete Arbeitsstellen fokussiert sein. Das ist, als Klammerbemerkung, übrigens zum Teil bei der Berufslehre leider noch der Fall. Auch Sprachkenntnisse gehören zu diesem Grundwissen, und zwar eben nicht nur Englisch und Französisch, sondern vielleicht sogar Mandarin. Die Gefahr ist allerdings, dass man vor lauter allgemeinem Methodenwissen dann zu wenig konkrete Kenntnisse und auch zu wenig praktisches Denken mitbringt. Ein Teil des Erfolgs der Fachhochschulen und – eine Stufe darunter – der Berufsmatur liegt genau darin, dass sie diese beiden Aspekte relativ gut miteinander verbinden.
Im Falle der Hochschule Luzern – Wirtschaft ist der Link zur Praxis ja Programm.
Das finde ich eine gute Sache. Aber bei dieser Kombination und bei der ganzen Anknüpfung von Lehre und praktischer Berufserfahrung an die Hochschule ist entscheidend, dass die Zugangskriterien und die Standards nicht herabgesetzt werden. Es gilt zu akzeptieren, dass Hochschulen wissenschaftsnahe – akademische – Ausbildungsstätten sind. Wenn Praxisnähe einer Hochschule nicht Verwässerung heisst, ist das gut. Man kann daneben auch sehr gute, anspruchsvolle, praxisorientierte, aber eben nicht wissenschaftsnahe Ausbildungen vorsehen. Eine solche Ausbildung sollte man aber nicht als Hochschulausbildung bezeichnen. Und in diesem Zusammenhang muss man wohl etwas zu den Standards sagen: Man kann dem internationalen Druck auf die Schweiz, Maturanden- und Hochschulabgängerquoten nach oben zu drücken, auf zwei Arten nachkommen. Man kann sich bemühen, noch mehr versteckte Talente zu heben und wirklich alle, die dazu geeignet sind, auch wirklich auf den Weg des Studiums zu führen. Oder man kann die Ansprüche senken, womit auf einen Schlag mehr junge Menschen studieren können. Viele Länder sind diesen Weg gegangen. Ich halte ihn nicht für erfolgreich. Wir müssen unbedingt vermeiden, diesen Weg zu gehen. Eine Fachhochschule wie die in Luzern will ja gerade keine Wissenschaftler ausbilden, sondern Praktiker. Persönlich habe ich gegenüber dem Bachelor-/Master-Konzept und der im Grunde unklaren Positionierung der Fachhochschulen einerseits und der Universitäten andererseits meine Vorbehalte. Vieles ist da nicht sauber geklärt. Es heisst zwar, die eine Ausbildung sei praxisbezogener, aber am Schluss gibt es an beiden Orten einen Bachelor, obwohl die Voraussetzungen, unter denen dieser erworben wird, doch recht unterschiedlich sind. Und schliesslich kann jeder einen Master nachschieben, ganz gleich, wo er seinen Bachelor erworben hat.
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Damit haben Sie ein Problem?
Es ist einfach nicht ganz logisch, denn die Ausbildung ist unterschiedlich, die Auslese der Studierenden bereits am Anfang ist unterschiedlich, und am Schluss führt man das alles wieder unter einem Dach zusammen. Es gibt eine Tendenz, die Fachhochschulen Richtung Universität zu schieben, und am Schluss verschmilzt alles zum Gleichen, was nicht die ursprüngliche, deklarierte Absicht der Bildungsreform war.
Was ist die Folge?
Wir werden am Schluss amerikanische Verhältnisse haben. Dort heisst es längst nicht mehr: «Ich habe einen Bachelor oder einen Master gemacht.» Es ist ein Master von Harvard oder Columbia, und bei uns wird man dereinst noch stärker als schon heute sagen, ich habe an der ETH oder der HSG studiert.
Seit der Gründung der Hochschule Luzern – Wirtschaft geht es dort darum, den Nachwuchs für die Wirtschaft und die Öffentliche Verwaltung auszubilden.
Es gibt in der Wirtschaft den verständlichen Wunsch, sofort produktive Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu bekommen. Zum Teil auch aus dem Gefühl heraus, Universitätsabgänger seien oft überqualifiziert und auf die wirklichen Aufgaben in den Unternehmen wenig vorbereitet. Überspitzt formuliert: zu viele Chefs, zu wenige Indianer. Diese Ausbildung direkt für Führungspositionen hat dann gelegentlich auch den Nachteil, dass die Chefs vom Geschäft selbst nicht genug verstehen.
Plädieren Sie jetzt nicht für mehr Fachwissen und weniger allgemeine Kenntnisse?
Ganz so einfach ist es nicht, es geht einmal mehr um eine schwierige Balance. Ich habe mich auch schon gefragt, ob wir in der aktuellen Finanzund Wirtschaftskrise, die ja auch eine Wertekrise ist, nicht in vielen Führungspositionen im Finanzsektor zu viele Technokraten hatten, Manager, die jedes noch so komplizierte finanztheoretische Modell verstehen, die schnell ein neues Produkt kreieren und rechnen können, denen aber der Blick fürs Ganze (man könnte das fast eine philosophische Ader nennen) und der gesunde Menschenverstand abhanden gekommen sind. Ob unsere Ausbildung da nicht in eine falsche Richtung getrieben worden ist? Um im Bild zu bleiben: Einer, der Philosophie studiert hat, käme kaum auf die Idee zu glauben, er habe das Risiko im Griff, nur weil er es mithilfe einer mathematischen Formel berechnet hat. Also: Überflieger ohne Sachkenntnis und ohne Sinn fürs Detail sind in Führungspositionen ein Problem, aber vielleicht noch mehr relativ enge Spezialisten ohne breiteren Blickwinkel.
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Also haben wir im Bildungssystem falsch investiert? Oder vielleicht auch zu wenig?
Ich warne etwas vor dem übertriebenen Glauben, man könne, um unsere Standortqualität zu verbessern, gar nicht genug Geld in die Bildung stecken, und je mehr man hineinstecke, desto mehr komme hinten heraus. In jeder Bevölkerung sind die Begabungen zwischen Hoch-, Normal- und Schwachbegabten ungefähr natürlich verteilt. Wenn Sie allen ein Maximum an Förderung zukommen lassen, können Sie das Bildungsniveau insgesamt vielleicht noch etwas anheben. Aber Sie können damit nicht Schwachbegabte auf ein ähnliches Niveau drücken wie Normalbegabte. Aus diesem Grund halte ich auch eine höhere Maturanden- und Akademikerquote nicht per se für besser als eine niedrigere. Der Arbeitsmarkt benötigt Differenzierung nicht nur im Beruf, sondern auch im Ausbildungsniveau.
Dies betrifft den nationalen Kontext. Welche Bedeutung besitzt heute der internationale?
Universitäten bieten heute Auslandssemester an, lehren interkulturelles Management und Fremdsprachen. Dabei geht es auch um die Vermittlung von Kultur, um ein eher philosophisches Bewusstsein, dass es immer auch ganz andere Sichtweisen auf die Welt gibt. Dennoch sollte man es nicht übertreiben mit dem modischen Glauben, wir müssten die jungen Menschen für die Globalität ausbilden. Zunächst einmal müssen sie ihren Job hier und heute ausüben können und nicht zwingend in Singapur oder China. Sie müssen eine gewisse Offenheit entwickeln, um mit der Welt zu kommunizieren. Sie müssen sich über die Welt informieren, meinetwegen die NZZ lesen. Und ausländische Kommilitoninnen und Kommilitonen in der Schweiz helfen natürlich auch, den Horizont zu erweitern.
Geld und Hochschule ist ein Dauerthema. Ihre Meinung?
In der Ausbildung an den Hochschulen müssen wir uns in Richtung Kostenwahrheit bewegen und die Studiengebühren den tatsächlichen Kosten annähern. Das geht nur, wenn es Leistungs- und Sozialstipendien gibt, damit keiner, der Leistung bringen will, aber die finanziellen Möglichkeiten nicht hat, von der Hochschule ausgeschlossen ist. Wer Bildung dagegen mehr als Konsum denn als Investition in seine berufliche Zukunft versteht, der soll merken, dass dieser Konsum nicht kostenlos ist, sondern eher einen Luxus darstellt. Es ist auch stossend, wenn Konkordatskantone die Kosten ihrer Studierenden
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vollumfänglich begleichen, während etwa ausländische Studierende nur einen Bruchteil der Kosten tragen müssen, die sie verursachen. Am einfachsten wäre es, man würde etwa festlegen, wie viel beispielsweise ein Ökonomie-Studium kostet, und die Kantone würden den finanziell schwächer Gestellten mit rückzahlbaren Stipendien, meinetwegen sogar mit verlorenen Zuschüssen, unter die Arme greifen. Das Gleiche gilt für Ausländer. Verfügt eine Hochschule über einen tadellosen Ruf, sind auch ausländische Staaten bereit, leistungsbereiten Studierenden dort ein Studium zu finanzieren.
Drittmittel für die Hochschule. Ein taugliches Modell?
Wenn Sie ein Nein hören wollen, fragen Sie den Falschen. Ich bin geprägt von meinem Studium an der HSG, die immer stolz darauf war, nicht ausschliesslich von öffentlichen Geldern oder den Studiengebühren abhängig zu sein. Was soll daran verkehrt sein, wenn beispielsweise die Transportbranche sagt, sie habe ein Problem, weil zu wenig Logistiker ausgebildet würden, und wenn sie deshalb einen entsprechenden Lehrstuhl finanziert oder ein Forschungsinstitut unterstützt? Logischerweise bekäme dann die Logistik im Lehrangebot einen höheren Stellenwert, als wenn der Rektor oder das Gremium der Professoren allein entscheiden würden, was gelehrt wird. Nur: Weshalb sollen diese weiser sein in der Auswahl der Themen oder Schwerpunkte? Ich kenne auch die Angst unter den Medizinern, wo ich einige Freunde habe, ein Auftraggeber könnte ihre Freiheit der Forschung beschneiden. Ich habe da eine ganz klar andere Meinung.
Die da wäre?
Es ist offenzulegen, woher die Gelder kommen. Mit dem Auftraggeber müssen Rahmenbedingungen definiert werden, wie weit die Freiheit der Forschung gehen kann. Ein Auftragnehmer muss aber auch den Mut haben, ein Projekt abzulehnen.
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Wissen als Basis Vermittlung zwischen Humanismus und Informationstechnologie von Dieter RĂźttimann*
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Braucht es Wissen überhaupt noch? Oder: wieso Wikipedia nicht genügt
Dozent Wikipedia?
Auf dem Weg zur Wissens- bzw. Lerngesellschaft?
Schon lange bemängeln Wirtschaftskreise den schulischen Wissens-Output, fordern stattdessen Fähigkeiten wie Lernen lernen, Problemlösen, Denken, Analysieren. Sie weisen auf die Sinnlosigkeit des Wissenserwerbs hin, da die Halbwertszeit, ähnlich der Radioaktivität, einfach unvergleichlich schneller Wissensbestände obsolet mache. Interessanterweise hat es immer wieder abendländische Bestrebungen gegeben, das menschliche Wissen zusammenzufassen, der französische Aufklärer Denis Diderot etwa, alle Lexika, dann, im 20. Jahrhundert, der Amerikaner Charles Van Doren, ehemals Redaktor der Encyclopædia Britannica, mit dem Werk «Das Universalwissen der Menschheit»: Schliesslich publizierte der deutsche Literaturwissenschaftler Dietrich Schwanitz kurz vor der Jahrtausendwende erstmals das Buch «Bildung. Alles, was man wissen muss». 2011 wird das zehnjährige Jubiläum der Online-Enzyklopädie Wikipedia gefeiert, an der allein für die deutschsprachige Version rund 7’000 Personen arbeiten. Ist Wissen wirklich überflüssig geworden? Und sollen wir den gesamten Wissenserwerb den Individuen überlassen, da doch alles Wissen auf dem Netz verfügbarer ist denn je? Andererseits fordert die gleiche Wirtschaft den Umbau von der Industriezur Wissensgesellschaft – oder sollte dies konsequenterweise eher eine Lerngesellschaft sein? Die jüngste Generation von Smartphones bietet völlig neue Möglichkeiten der Informations- und Wissensbeschaffung. Dank nearWiki erscheint die abgebildete Umgebung samt Kurzbeschrieb sämtlicher Sehenswürdigkeiten. Vertieftes Wissen liefert dann Wikipanion, und selbst die umliegenden Berge erscheinen schön beschriftet auf dem Bildschirm im App «Point de vue». Sollte einer vergessen haben, wo sein Auto steht, hilft «Find my car». Auch Vokabeln lassen sich erlernen, und selbstverständlich existiert eine Ad-hoc-Statistik, die sofort Auskunft gibt über den Lernerfolg. Was soll da noch die traditionelle Schulreise, die Projektwoche in der Marketingagentur, die Architekturexkursion nach Istanbul oder ein FührungsWorkshop im unterirdischen Gotthardhotel La Claustra? Braucht es dazu noch Lehrerinnen und Lehrer, Dozentinnen und Dozenten? Was und wie können Bildungsinstitutionen für Kinder und Erwachsene überhaupt noch vermitteln?
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Was ist Wissen? Die Experten-Novizen-Forschung
Übung, Virtuosität und Meisterschaft
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Braucht es demnach keine Wissensvermittlung mehr? Zweifel kommen in erster Linie von Seiten der kognitiven Wissenschaften. Diese zeigen, vor allem in den Ergebnissen der Novizen-Experten-Forschung, dass ohne bereichsspezifisches Wissen gar nichts geht. Der erfolgreiche Erdölsucher wie auch die brilliante Schachspielerin benötigen ein hervorragend strukturiertes, in Jahren erworbenes Wissen, bis sie ihre Kernkompetenz zur Meisterschaft entwickelt haben. Die Präsentation einer durchdachten, komplexen Marktanalyse oder, ein ganz anderes Beispiel, das Klavierspiel setzen jahrelanges Üben voraus, bevor von Expertise gesprochen werden kann, und diese wird sichtbar, wenn sich Wissen und Handeln zur Meisterschaft verbinden. Beim Klaviervirtuosen müssen Noten, Rhythmen, Taktangaben, Schlüssel und dynamisches Fingerspiel erworben und in die Handlung des musikalischen Spiels übersetzt werden. Die Kognitionspsychologie unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen. Ersteres bezeichnet das Wissen, worüber jemand in sprachlicher Form Auskunft geben kann. Ein Chiropraktiker kann sämtliche Muskeln, jeden Wirbel und deren Funktion präzise beschreiben. Diese Kenntnis alleine hilft jedoch weder dem Weisskittel noch seinem Patienten. Erst wenn der Chiropraktiker wirklich Hand anlegt und mit professionellem Griff die Bewegungsfreiheit im Nacken des Leidenden wieder herstellt, ist sein deklaratives Wissen prozedural geworden. Ähnliches gilt etwa beim Verständnis der Jahresbilanz über die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens. Wer nur Zahlen sieht, versteht gar nichts; wer diese in das Marktumfeld zu stellen vermag, dem eröffnen sich ganz andere Dimensionen an Informationen. Die Grenzen zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen sind fliessend, und es ist praktisch unmöglich zu sagen, wo das eine in das andere kippt. Klar ist nur: Beim Chiropraktiker ist es die Erfahrung mit zahllosen Patienten und deren Feedback zu seiner Arbeit, die sich zusammen mit eigener Reflexion zur Expertise verdichten. Mit Worten allein würde er diese in ihrer Fülle und Vielfalt einem Novizen in seinem Fach kaum so beschreiben können, dass der Wissens transfer vom Lehrenden zum Lernenden gelingen würde. Erst die praktische Nachahmung vom Wissen anderer macht einen Unwissenden mit der Zeit zum Wissenden und irgendwann zum Experten.
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Die Repräsentation von Wissen Oder: warum Reden allein nicht hilft
Der Weg zur Lösung
Die Erkenntnis, dass unterschiedliche Formen von Wissen existieren, führt zu einem Forschungsansatz, mit dem sich die grossen Entwicklungspsychologen des 20. Jahrhunderts, Jean Piaget und Jérôme Seymour Bruner, auseinandergesetzt haben. Wie vergegenwärtigen wir eigentlich unser Wissen? Bruner geht von einem sich entwickelnden Aufbau aus. Am Anfang wird Wissen vor allem aktional oder handelnd repräsentiert. Viele komplexe Bewegungsabläufe, wie etwa Skifahren, Einradfahren, Jonglieren, lassen sich nur über Handeln erwerben, Worte können höchstens unterstützend sein. Eine nächste Stufe ist das ikonische, also Bild gewordene Medium, die Darstellung von Wissen in kognitiven Landkarten, Begriffsnetzen, Flussdiagrammen, Graphen oder Übersichten. Das dritte Medium wird als symbolisch bezeichnet, die Welt der Sprache und der Zahlen. Müssen Problemstellungen bearbeitet werden, kann die adäquate Darstellung in einem passenden Medium einen zielführenden Weg zur Lösung darstellen.
Strategieforschung Oder: Warum Planung wichtig ist Eine weitere Forschungsrichtung, die der Strategie oder des Handelns, belegt die Wirkungslosigkeit des Strategieerwerbs, so er ohne Inhaltsbezug, also standing alone vermittelt wird. Nur Strategien, die für ein umrissenes Wissenskonstrukt, einen präzisen Wissenszusammenhang bestimmt sind, entfalten auch nachhaltige Wirkung. Ein Mensch kann zwar eine Unmenge allgemeiner Lösungsstrategien erlernen, wie beispielsweise «über die Grenzen hinaus denken». Wenn damit jedoch eine mathematische oder sprachlich-interpretatorische Fragestellung zu lösen ist, führt dies nicht zum Ziel. Je allgemeiner eine Strategie formuliert ist, umso eher lässt sich diese zwar auf unterschiedliche Disziplinen oder Fachbereiche übertragen, für die Lösung spezifischer Aufgabenstellungen taugt sie jedoch nicht – und dies gilt auch umgekehrt. Vereinfacht gesagt: Wer etwa weiss, wie ein komplexer Text zusammenzufassen ist, um das Wesentliche herauszuarbeiten, dem hilft es nicht, sich mit Physik zu beschäftigen, um beispielsweise die Funktionsweise eines Flaschenzugs zu verstehen. Wer aber das Prinzip des Flaschenzugs verstanden hat, kann dieses Wissen einsetzen, um etwa den Transfer zur Funktionsweise von Zahnrädern herzustellen. Dieser Forschungsansatz beschäftigt sich nicht nur mit kognitiven Strategien, sondern auch mit sogenannten metakognitiven oder Stützstrategien. Dabei geht es um Fragestellungen, die sich mit Planung, Durchführung und Auswertung von Lern- und Wissenserwerbsprozessen auseinandersetzen. Erfolgreiche Lernende zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie sich selbst kennen und darauf aufbauend ihr Lernverhalten optimal planen und steuern können und sich dabei
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laufend überprüfen und ihre Prozesse zum Erwerb von Wissen verbessern. Ein visuell begabter Studierender wird seine Prüfungszusammenfassungen als farbige Mindmaps darstellen, auditiv orientierte sprechen ihre Erkenntnisse auf das iPhone und lassen sich davon berieseln.
Begreifen kommt von Greifen Oder: Die Verkörperlichung von Wissen
Nur wer das Ganze kennt, versteht das Detail: Und vice versa
Diese Spezifität von Wissens- und Gedächtnisleistungen wird von den Neurowissenschaften bestätigt. Die herausragende Schachspielerin, die simultan, mit verbundenen Augen, gleichzeitig auf einem Dutzend Brettern spielt, muss über exzellente Gedächtnisfähigkeiten verfügen. Ihr Wissen über den aktuellen Stand eines jeden Spiels muss ständig präsent sein, damit sie die nächsten Spielzüge planen kann. Werden aber ihre Gedächtnisleistungen beim Erlernen von Vokabeln getestet, wird dieselbe Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nur durchschnittlich abschneiden. Phänomenale Gedächtnisleistungen in einer Disziplin lassen sich nämlich nicht einfach auf andere übertragen. Zurück zum Flaschenzug: Wie lässt sich verstehen, dass zwei Rollen und ein sehr langes Seil das Gewicht eines zu hebenden schweren Gegenstandes halbiert? Eine Erklärung liefern etwa die Handlungstheorien von Jean Piaget. Diese zeigen auf, dass Handeln mit Erkenntnis und Sprache einhergeht. Der Mensch muss Phänomene meist mit seinen Händen begreifen, um diese wirklich zu verstehen. Wer mit eigenen Händen einen Flaschenzug herstellt, hat das zugrundeliegende physikalische Prinzip verstanden. Die Robotik, eine der spannendsten angewandten Wissenschaften, bezieht sich ausdrücklich auf dieses Embodiment, die Verkörperlichung des Wissens. Begreifen kommt von Greifen.
Formale versus materiale Bildung: Ein alter Streit in den Wissenschaften Die Frage, ob inhaltliches oder auch strategisches Wissen auf andere Disziplinen übertragen werden kann, ist in den Geisteswissenschaften ein alter Streitgegenstand. Es geht dabei um die Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der formalen und materialen Bildung. Erstere behaupten, dass Latein lernen eben weit mehr darstellt als die Fähigkeit, lateinische Texte lesen zu können, da dadurch logisches Denken an sich gelernt und geschult wird. Die Vertreter der materialen Bildung dagegen vertreten den Standpunkt, dass wer Latein lernt, eben Latein kann und bestenfalls lateinische Sprachen etwas besser verstehen und leichter erlernen kann. Mehr aber nicht. Als Fazit bleibt festzuhalten: Inhaltliches und strategisches Wissen ist domänenspezifisch, und es ermöglicht in einer solchen Bandbreite auch Expertise. Auf andere Disziplinen lässt es sich aber nur schwerlich übertragen.
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Wie entwickelt sich Wissen? Übung macht den Meister
Autobahnen im Gehirn
Einige Male schon ist der Begriff des Übens aufgetaucht – ein alter Terminus der Lernpsychologie und ein wissenschaftlich sehr gut dokumentiertes Phänomen; der von der Wissenschaft kaum bestäubte Volksmund weiss schon lange: Übung macht den Meister. Somit ist wohl unbestritten, dass Üben einen eminent wichtigen Teil eines jeden Lernprozesses darstellt. Je häufiger wir eine Bewegungssequenz, etwa einen Purzelbaum, wiederholen, desto leichter fällt uns diese. Je häufiger wir fremdsprachige Vokabeln wiederholen, desto leichter und länger bleiben sie im Gedächtnis haften. Die Neurowissenschaften können in bildlichen Verfahren zeigen, wie Übungsprozesse verlaufen. Verwendete Nervenbahnen bilden sich durch das stete Training immer stärker aus. Wissenschaftler nennen dieses Phänomen Myelinisierung, und dies führt dazu, dass Wissen immer schneller abrufbar wird, um sich schliesslich dergestalt zu verflüssigen, dass es am Ende kaum noch einer Anstrengung bedarf, um die erlernten Vokabeln abzurufen. Neurowissenschaftler sprechen von Autobahnen, während selten Geübtes, um im Bild zu bleiben, einem steinigen Pfad entsprechen würde. Die Wissenschaft hat für die Erklärung dieses Phänomens zwei Theorien entwickelt: die Effizienz- und die Plastizitätshypothese. Die Effizienzhypothese besagt: Je länger sich ein Mensch mit einer Fertigkeit auseinandersetzt, desto geringer ist die sogenannte kortikale Aktivierung. Bei einem geübten Klavierspieler etwa arbeiten die für die Musik wichtigen Areale im Gehirn effizient. Wer dieses Instrument neu erlernen will, muss dafür im Verhältnis wesentlich grössere kognitive Ressourcen mobilisieren, was notgedrungen die Aktivität im Gehirn potenziert. Die Plastizitätshypothese geht dagegen davon aus, dass durch höhere Übungsanstrengungen die dafür aktiven Gehirnareale sich vergrössern, was neurologisch tatsächlich schon nach kurzer Zeit feststellbar ist.
Wann beginnt der Mensch zu wissen? Erkenntnisse aus der Säuglingsforschung Zum Verständnis der Herkunft und Entwicklung von menschlichem Wissen können die Ontogenese oder auch die jüngsten Arbeiten aus der Säuglingsforschung Erhellendes beitragen. Erstaunlich ist, dass Kleinkinder sich von Erwachsenen nicht so sehr durch unterschiedliche Denkfähigkeiten unterscheiden. Auch im frühkindlichen Alter verstehen diese das Prinzip der Kausalität durchaus und beherrschen selbst die Perspektivenübernahme – also die Fähigkeit, Dinge aus unterschiedlichem Blickwinkel zu betrachten – weit früher als bisher angenommen. Der grösste Unterschied zwischen dem ganz jungen und dem älteren Menschen besteht logischerweise darin, dass Erwachsene wesentlich mehr wissen als Kleinkinder – diese sind Novizen, Erwachsene Experten.
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Während Denkfähigkeiten offensichtlich schon sehr früh ausgebildet sind, muss Wissen oft in einem mühseligen Prozess erworben werden. Erst in der Kombination von Denkfähigkeiten und Wissen bildet sich mit der Zeit so etwas wie eine Expertise. In dieser Transformation kommt den schulischen und höheren Bildungsinstitutionen eine zentrale Bedeutung zu. Dies belegen entsprechende Vergleiche zwischen unterschiedlichen Kulturen. Wachsen Kinder in einem Umfeld ohne jegliche Erfahrung gemeinsamen Lernens auf, verharren kognitive Fähigkeiten auf sehr bescheidenem Niveau. Wachsen diese dagegen in einer Kultur auf, in der sie auswendig lernen, aber keine weiteren Aufgaben bewältigen müssen, zeigen die Kinder bereits weitaus bessere kognitive Fähigkeiten. Optimal entwickeln sich Kinder, Jugendliche und Studierende nur dann, wenn ein Lernumfeld sie auch kognitiv fordert, in welchem sie Wissen nicht nur reproduzierend erlernen, sondern eben auch handelnd, Hypothesen prüfend, diskutierend und auch angewandt sowie immer wieder in neuen Kontexten übend. Dafür besonders geeignet sind komplexe Problemstellungen. So können Studierende in einer Übungsanleitung beispielsweise computerbasiert und spielerisch verschiedene Variablen so verändern, dass sie herausfinden können, wie in einem Unternehmen möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften wäre. Vernachlässigen sie entscheidende Faktoren, wie beispielsweise Liquiditätsplanung oder Rückstellungen für zukünftige Investitionen, steht am Ende im schlimmsten Fall das Scheitern des Unternehmens.
Was motiviert uns, wissen zu wollen? Fähigkeitsselbstbild und Eigenmotivation Bin ich nicht top?
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In der kognitiven Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen ist ein Entwicklungsschritt von besonderer Bedeutung. Es geht um den Zusammenhang zwischen Fähigkeitsselbstbild und der Motivation, neues Wissen und Können zu erwerben. Ob Kindern oder Studierenden, beiden ergeht es ähnlich: Wer überzeugt ist, über eine besondere Fähigkeit zu verfügen, wird diese stets gerne anwenden und damit immer weiterentwickeln. Werden Kinder im Alter zwischen Kindergarten und erster Klasse gefragt, wie sie ihre eigenen sportlichen, mathematischen oder sprachlichen Fähigkeiten einschätzen, werden gut neunzig Prozent aller Kinder sich bei den Klassenbesten einreihen, und zwar unabhängig von objektiven Beurteilungskriterien. Die moderne Wissenschaft wertet dies als Zeichen einer sinnvollen robusten psychosozialen Gesundheit, und es gilt als ausgemacht, dass Kinder, die zu früh zu kritischer Selbstbeurteilung angeleitet werden, in ihrer Entwicklung eher gehemmt als unterstützt werden. Wird diese Selbstbeurteilung in Längsschnittstudien untersucht, steigt die Fähigkeitsselbsteinschätzung bei einem Lehrer- oder Stufenwechsel exponentiell an. Eine neue Lehrerin, ein neuer Lehrer löst oftmals einen Motivationsschub aus, und manch ein Kind ist überzeugt, dass nun seine Leistung besser werden wird. Zwischen der Erwartungshaltung an das lehrende Personal und der Motivation, Wissen zu akkumulieren, existiert ein innerer Zusam-
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menhang. Und umgekehrt ist es genauso, und zwar praktisch unabhängig von der Altersstufe des Lernenden: Ist ein Dozent von den Fähigkeiten eines Studenten überzeugt, wird er diesen besonders fordern und fördern, und dieser wird der Wertschätzung mit höherer Leistungsbereitschaft begegnen.
Was bewirkt Wissen? Intelligenz versus Wissen
IQ oder Lehrer, was ist entscheidender?
In westlichen Gesellschaften wird der Intelligenz und ganz besonders dem Intelligenzquotienten (IQ) eines Menschen eine hohe Bedeutung beigemessen. Menschen mit einem hohen IQ geniessen hohen Respekt. Wie aber verhält es sich mit dem Zusammenhang zwischen IQ und Wissen? Ist ein hoher IQ eine notwendige, eine hinreichende oder eine vernachlässigbare Grösse, wenn es darum geht, sich Wissen zu erarbeiten? Zahlreiche Untersuchungen zeigen einen deutlichen Befund: Ein hoher IQ stellt zwar eine notwendige, niemals aber eine hinreichende Bedingung für ausserordentliche schulische Leistungen dar. Mehr noch: Durch ein sorgsam aufgebautes Vorwissen kann ein Defizit beim IQ weitestgehend kompensiert werden. In einer Studie wurden etwa Fünftklässler auf diesen Zusammenhang hin überprüft. Es wurde eruiert, wie präzise der einzelne Schüler mathematische Textaufgaben lösen konnte, und dabei flossen der IQ wie auch das Vorwissen des Individuums in Mathematik in die Beurteilung ein. Letzteres war in den ersten vier Schuljahren von ausgezeichneten Lehrpersonen aufgebaut worden. Das Resultat war eindeutig: Kinder mit geringem mathematischem Vorwissen und einem tiefen IQ lösten lediglich zwei Prozent der gestellten Aufgaben. Jene mit ähnlich bescheidenem Vorwissen, aber hohem IQ, schafften mit zwanzig Prozent zehn Mal mehr Aufgaben. Kinder aber, die zwar einen tiefen IQ aufwiesen, aber einen exzellenten Mathematikunterricht genossen hatten und daher über grosses Vorwissen verfügten, konnten 41 Prozent der Aufgaben lösen, und Kinder mit hohem IQ und gleichermassen hervorragend aufgebautem Vorwissen lösten mit 43 Prozent richtiger Aufgaben lediglich zwei Prozent mehr Rechenaufgaben. Dieses Beispiel zeigt: Durch motiviertes Lehrpersonal sorgsam aufgebautes Vorwissen kann bei Lernenden Defizite beim IQ weitgehend kompensieren. Vorwissen stellt demnach den wichtigsten Prädiktor zukünftiger Leistungen dar. Je mehr ein Individuum weiss und kann, desto rascher und wirksamer kann es neues Wissen erwerben, aufnehmen, verarbeiten und auch anwenden. Der deut-
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sche Psychologe Franz Emanuel Weinert hat in diesem Zusammenhang auf das Matthäus-Prinzip hingewiesen: Wer da hat, dem wird gegeben.
Was macht Lernen mit unserem Gehirn? Wissen verändert kognitive Strukturen
Raub- und Fluchttier
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Seit einigen Jahren können die Neurowissenschaften zeigen, wie im Gehirn Synapsen, also Verbindungen zwischen Zellen, gebildet werden, was wir als Lernen bezeichnen. Sie bestätigen damit die Erkenntnisse der Kognitionspsychologie: Lernen, Erkennen, Wissen verändert die menschlichen kognitiven Strukturen. Dies liesse sich an unzähligen Beispielen zeigen. Wenige sollen hier genügen. – Wer zum ersten Mal an den Hängen des Lago Maggiore steht und auf Locarno und Ascona blickt, wird unschwer die u-förmige Ebene, die von der Maggia geteilt ist, erkennen – ein Delta. Wann immer diese Person später auf die Mündung eines Flusses in einen See blicken wird, wird sie das Delta sofort erkennen. Hinter diese Erkenntnis kann sie nicht mehr zurück. – Wer einmal den Schädel eines Raubtieres mit dem eines Fluchttieres verglichen und die unterschiedliche Anordnung der Augen entdeckt hat, hat erkannt: Liegen die Augen seitwärts, handelt es sich um ein Fluchttier. Springen die Öffnungen direkt ins Auge, ist dies ein Raubtier. Würde das Tier noch leben, wäre die sofortige Flucht angesagt. – Komplexer, aber nicht weniger nachhaltig wirken geisteswissenschaftliche Erkenntnisse. Wer etwa das Werk «Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus» des deutschen Soziologen Max Weber gelesen hat, wird sich zukünftig immer wieder fragen, wie geistige oder religiöse Strömungen wirtschaftlichen Erfolg, Alphabetisierung oder Staatsformen beeinflusst haben. Wir sprechen hier weniger von einem sich unmittelbar einstellenden Erkennen als vielmehr von einer bestimmten Art des Infragestellens von Informationen, was aber letztlich wiederum einen Aspekt von Wissen darstellt. Wer nie etwas von Weber gehört oder gelesen hat, kann ein Bildungssystem möglicherweise rein funktional beschreiben. Die Dimension geistig-religiöser Strömungen kann ein in dieser Hinsicht buchstäblich Halbwissender kaum berücksichtigen und so in diesem Zusammenhang höchstens zu einer reduktionistischen Sicht kommen. – In den 1970er Jahren hat der amerikanische Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn den Begriff des Paradigmas in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt. Menschliches Erkennen und Wissen unterliegt stets einer ganz
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bestimmten Perspektive. Solange die Menschheit die Erde als Zentrum des Sonnensystems ansah, wurde nach Belegen geforscht, diese These zu untermauern. Als dann der italienische Astronom Galileo Galilei ein heliozentrisches System in die Welt setzte, führte dies zu heftigen wissenschaftlichen und religiösen Auseinandersetzungen. Auch dieses Wissen um die Vorläufigkeit menschlichen Erkennens, das jeweils von einem herrschenden Paradigma bestimmt wird, beeinflusst die Einschätzung des Wahrheitsgehalts wissenschaftlicher Forschung. Jedes Wissen und Erkennen ist somit relativ und vorläufig.
Menschen lernen von Menschen Nachahmen führt zu know-how
Menschen lernen von Menschen, oder: der Affe, der Assistent und die Nüsschen.
Der kanadische Psychologe Albert Bandura hat im vergangenen Jahrhundert das Modelllernen als die wichtigste Form des Lernens überhaupt bezeichnet und dabei den sozialen Aspekt besonders betont. Menschen lernen von Menschen, Wissen wird von Menschen an andere Menschen weitergegeben, ob dies nun mündlich oder schriftlich, analog oder digital geschieht. Zu Beginn der 1990er Jahre konnte der italienische Neurowissenschaftler Giacomo Rizzolatti die überragende Bedeutung des Nachahmungslernens neurobiologisch erklären. Er beschäftigte sich mit Makaken, einer Affenart, und untersuchte die Aktivität einzelner Hirnregionen bei bestimmten Tätigkeiten. So gab er einem Makaken Erdnüsschen zu fressen und beobachtete dabei dessen Aktivitätsmuster am Bildschirm. Kurz darauf, der Affe sass weiterhin in seinem Labor, kam ein Assistent herein, entdeckte die Erdnüsse und bediente sich freudvoll, während Rizzolatti seinen Blick auf den Computer heftete und dabei eine bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung machte. Während der Assistent Nüsschen futterte, schaute der Makake interessiert zu – und zeigte dasselbe Aktivitätsmuster wie zuvor, als er selber Nüsschen fressen durfte. Ob Zuschauen oder selber handeln: Die Aktivität im Gehirn zeigte sich nicht nur in ähnlicher Intensität, sondern auch im gleichen Areal. Dieses Phänomen wird als spiegelneuronale Aktivität beschrieben und ist für die Gehirnforschung etwa gleichbedeutend wie die Entdeckung der DNS für die Genetik. So gesehen sind unsere Gehirne prädestiniert, mittels Nachahmung Wissen als «know that» und «know how» aufzunehmen.
Wissen und Ökonomie Oder: Was das BIP damit zu tun hat Es mag verrückt klingen, aber eine aktuelle deutsche Studie hat versucht herauszufinden, was passieren würde, falls die Anzahl Schulabgänger, die keinen Abschluss haben, halbiert wird. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Hunderte von Morden, Tausende von Raubüberfällen und Hundertausende von Diebstählen könnten verhindert werden. Interessant daran ist, dass ein kausaler Zu-
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sammenhang zwischen unzureichender Bildung und Kriminalität nachgewiesen werden konnte. Natürlich ist Bildung umfassender als Wissen, aber intelligent aufgebautes Wissen ist gleichzeitig Teil und Voraussetzung von Bildung. In der Schweiz gehört jeder achte Schüler zur analphabetischen Risikogruppe, d.h., er oder sie ist auf dem tiefsten Level des fünf Niveaus umfassenden PISA-Beurteilungssystems. Könnte die Schweiz diese Jugendlichen auf Niveau 2 heben, würde der wirtschaftliche Gewinn bis 2090 das Dreifache des heutigen Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. Humankapital gilt als zentraler Faktor für Produktivität und Wachstum einer Volkswirtschaft und bewirkt unendlich viel mehr als jedes noch so kluge Konjunkturprogramm.
Wissen und Status Oder: Warum van Gogh kein Fussballer war Analphabetismus, Bildungsniveau und BIP, oder: je früher, desto besser!
Das amüsanteste Kapitel bei Dietrich Schwanitz Werk «Bildung. Alles, was man wissen muss» findet sich unter dem Titel «Über die Regeln, nach denen man unter Gebildeten kommuniziert». Dort werden Bildung und Wissen als soziales Spiel bezeichnet, dessen Kenntnis für den sozialen Status eines Menschen entscheidend sein kann. Folgende fiktive Szene mag dies illustrieren: Sie befinden sich auf einer Party mit zahlreichen gebildeten Menschen und stellen folgende Frage: «Van Gogh, Von Gogh, ist das nicht der Mittelstürmer der holländischen Fussballmannschaft, der bei der letzten WM dem deutschen Torwart das Nasenbein gebrochen hat?» (Schwanitz). Betretenes Schweigen wird Sie umgeben, weil Sie eine falsche Frage gestellt und eine Regel verletzt haben, die da heisst, dass ein gebildeter Mensch Van Gogh einfach kennen muss. Sie werden wohl darauf verzichten, an der nächsten Party mit den gleichen Leuten teilzunehmen. Hätten Sie dagegen erwähnt, dass Sie Berliners «Wurzeln der Romantik» gelesen hätten, und würden Sie sich nun fragen, inwiefern die Romantik den aktuellen Bildungsbegriff mitgeprägt habe, bekämen Sie zwar keine Antwort. Aber Ihr Status in der Runde der Gebildeten wäre intakt. In Bezug auf Van Gogh wäre der Statusverlust leicht zu vermeiden gewesen. Ein kurzer Klick auf Wikipedia hätte genügt, um diesen Reinfall zu vermeiden. Damit kommen wir zur letzten, entscheidenden Frage, wie Wissen am besten vermittelt werden kann.
Wie also soll Wissen vermittelt werden? Zum Abschluss: fünf Bildungsziele Für Bildungsinstitutionen, Schulen, Fachhochschulen und Universitäten stellt sich damit die letzte und entscheidende Frage nach der Vermittlung von Wissen. Franz Emanuel Weinert nennt als erstes Bildungsziel der Schule die Vermittlung von intelli-
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gentem Wissen. Darunter versteht er kein reines Faktenwissen, welches lediglich zu trägem Wissen führt, sondern ein wohl organisiertes, fachspezifisch bedeutsames Wissen, das Inhaltliches wie Strategisches umfassen muss. Diese Art von Wissen wird mit Erfolg durch einen lehrergesteuerten, aber schüler- oder studentenzentrierten Unterricht vermittelt. Zweites Ziel ist anwendungsfähiges Wissen. Lernende benötigen dabei möglichst grosse Erfahrung in spezifischen Situationen. Am wirkungsvollsten wird solches Wissen im Unterricht in Projekten und Projektwochen erworben. In besonderem Masse motivierend ist es – darauf ist bereits hingewiesen worden–, wenn eine spezifische Problem- und Fragestellung am Anfang eines neuen Lernprozesses, eines Lernzieles steht und Studierende sich dieses weitgehend selbstständig und unter Nutzung verschiedenster Medien erarbeiten können. Zum dritten Ziel: Geht es um den Erwerb von nutzbaren Schlüsselqualifikationen – bei Kindern etwa Lesen und Schreiben –, muss intensiv geübt werden. Ein abwechslungsreicher Unterricht mit einer Mischung von lehrer- und selbstgesteuerten Aktivitäten verspricht dabei den nachhaltigsten Lernerfolg. Geht es aber um die anfangs geforderte Lernkompetenz, ist ein angeleiteter, zu immer grösserer Selbstständigkeit führender Unterricht anzustreben. «Lernen lernen» lautet das vierte Ziel. Dabei müssen die Lernenden auch immer wieder zur Reflexion über das eigene Lernen angehalten werden, zur bewussten Anwendung angepasster Strategien. Dies gilt in gleichem Masse für Schulen wie auch für Hochschulen. Hilfreich ist dabei auch der Austausch unter den Studierenden über ihre Lernerfolge. Dozierende dürfen dabei nicht nur Wissen vermitteln. Sie müssen Studierende auch dazu anleiten und anhalten, über Lerntechniken bei der Aufnahme von wissenschaftlicher Literatur, Forschungsmethoden oder beim Verfassen einer Seminararbeit zu diskutieren und sich auszutauschen. Damit ist das fünfte Bildungsziel von Schulen angesprochen: soziales Wissen und Handeln. Dies kann sinnvollerweise nur in Lernpartnerschaften und Gruppenarbeiten erlernt werden. Dabei haben neue Unterrichtsformen nur noch wenig mit der in den 1970er Jahren postulierten Gruppendynamik zu tun. Gruppenarbeit, auch an der Hochschule, benötigt schriftlich formulierte Aufträge, eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung, ein definiertes Zeitmanagement. Diese fünf Lernziele stellen ein methodisch-didaktisches Grundgerüst für erfolgreiches Lernen dar. Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, ob dies stärker analog oder digital geschieht. Geht es aber darum, Lücken im Faktenwis-
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Von Robusten und Sensiblen
sen zu schliessen und dafür rasche Antworten zu erhalten, existieren wohl kaum Alternativen zu elektronischen Helfern, und Ähnliches gilt auch für eigentliche Übungsprozesse. Adaptive Lernprogramme jedoch, die mehr können als lediglich Fehler zurückmelden, Verbesserungsvorschläge machen oder eine Lernkartei elektronisch führen, ermöglichen gerade bei komplexen Fragestellungen erstaunliche Lernerfolge – insbesondere dann, wenn sich diese den individuellen Fähigkeiten von Lernenden anzupassen vermögen. Kombinationen zwischen computergestütztem Lernen und der physischen Präsenz eines Dozenten, was Fachleute «blended learning» nennen, sind heute bereits die Regel und nicht zuletzt aus Kostengründen weiter auf dem Vormarsch. Doch machen wir uns nichts vor: Geht es um den systematischen Aufbau von Wissen und begriffliche Verstehensprozesse, werden hervorragend ausgebildete und motivierte Dozierende auch in Zukunft unverzichtbar bleiben. Neben der Klarheit der zu vermittelnden Wissensinhalte und einer in diesem Kontext professionellen Lernstruktur geht es beim erfolgreichen Lernprozess auch um Aspekte, die sich als weiche Faktoren des Wissensaufbaus bezeichnen liessen. Zum einen sind dies die bereits erwähnten Leistungserwartungen oder Pygmalioneffekte, zum andern zeigen eine Reihe von jüngeren amerikanischen Untersuchungen, wie mit besonders sensiblen Lernenden umzugehen ist. Diesen wurden robustere Kinder und Jugendliche gegenübergestellt. Die Robusten entwickelten sich mehr oder weniger unabhängig von ihrer Umgebung und konnten ihre Lernpotentiale weitgehend selbstständig entwickeln und realisieren. Die Sensiblen dagegen litten unter einer als verständnislos empfundenen Umgebung derart stark, dass sie auch im Erwachsenenalter als Studierende ihre Möglichkeiten kaum auszuschöpfen vermochten und auch psychisch eher instabil blieben. Konnten sie dagegen in Unterrichtsformen aufwachsen, die einen achtsamen und behutsamen Umgang pflegten, konnten sie ihre Potentiale nicht nur realisieren, sondern zeigten Leistungen, die eigentlich über ihren Möglichkeiten lagen; und damit übertrafen sie in ihren Leistungen sogar die Robusten klar.
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Achtsam, behutsam sein heisst konkret für Dozierende und deren Unterricht: zutiefst an die Möglichkeiten und Potentiale der Lernenden zu glauben; diese so stark wie nötig und so wenig wie möglich zu unterstützen; mittels Rückfragen echtes Interesse an ihren Lösungswegen zu zeigen;
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die Lernenden immer wieder zu ermuntern, sich zu äussern; mit den Studierenden auch immer wieder zu diskutieren, unter welchen Bedingungen diese am effizientesten lernen können; – sich als Dozent auch von den Lernenden in Frage stellen zu lassen; – herauszufinden, welche Interventionen durch den Lehrenden hilfreich, welche hinderlich sind; – das eigene Wissen nicht als Herrschaftswissen zu missbrauchen, sondern als Verlockung und Verführung zu immer neuem Lernen. Im Grunde genommen handelt es sich um nichts anderes als eine wohl wollende Kommunikation im Unterrichtsalltag. Braucht es Wissen überhaupt noch – so lautete die Ausgangsfrage. Und sie lässt sich bejahen, mit folgenden Präzisierungen: – Es gibt kein Können ohne Wissen – gemeint ist aber ein tiefes, verstehendes Wissen! Das Oberflächliche, etwa historische Jahreszahlen, können wir getrost «googeln». – Wissen meint auch Wissen über Arbeitstechniken, über Strategien und über sich selber. Vor allem: Wie kann ich gut lernen? Was hilft mir dabei? Wo kann ich das Gelernte anwenden? Welche Medien nutze ich wofür? (Seit die Studierenden ihre Aufgaben mit dem iPhone fotografieren, vergessen sie sie nicht mehr.) – Vielleicht sollten wir statt von «Wissensgesellschaft» eher von einer «lernenden» Gesellschaft sprechen. – Gerade Fachhochschulen sind bestens dafür geeignet, den Anspruch nach einer Verbindung von Können und Wissen einzulösen, das Lernen für die Berufspraxis in den Vordergrund zu stellen – auf dass ihre Absolventinnen und Absolventen sich in einem komplexen Wirtschaftssystem zurechtfinden und dieses mit- und umgestalten. * Dieter Rüttimann, Professor ZFH, Schulleiter der Gesamtschule Unterstrass und Dozent am Institut Unterstrass der Pädagogischen Hochschule Zürich Literatur: Gopnik, Alison: «Kleine Philosophen», Ullstein, 2009 Mandl, Heinz (Hg.), «Handbuch Lernstrategien», Hogrefe 2006 Pfeifer, Rolf, Josh C. Bongard: «How the body shapes the way we think: a new View of Intelligence», MIT Press 2006 Reusser, Kurt (Hg.), «Verstehen: psychologischer Prozess und didaktische Aufgabe», Huber 1994 Schwanitz, Dietrich: «Bildung. Alles, was man wissen muss», Eichborn 2010 Van Doren, Charles: «Das Universalwissen der Menschheit», Area 2005
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In Luzern gelernt Eine Fachhochschule für Wirtschaft und fünf Institute bedeuten geballtes Wissen aus Lehre und Forschung. Transportiert in Unternehmen und Verwaltung, ergibt dies eine Fülle von Business-Cases. Ein Augenschein.
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S ocial M edia
Pionierarbeit geleistet Auf seiner Visitenkarte der
Eyjafjallajökull-Vulkan im April
wolke immer weiter ausbrei-
sich dort neben Dialogen zwischen
Fluggesellschaft Swiss prangt
vergangenen Jahres den europäi-
tete?
Flugpassagieren, und es «wird
eine Berufsbezeichnung, die es
schen Luftverkehr lahmlegte, fand
Da wurde im Operationszentrum
deutlich, dass die Kommunika
zumindest in der Schweiz zuvor
sich Lüdi buchstäblich in einem
der Swiss ein Notfallszenario mit
tionsstelle der Swiss ihre Facebook-
noch nicht gegeben hat: Social
Spezialisten aus allen Abteilungen
Gruppe intensiv bewirtschaftet».
Media Manager. Christian Lüdi,
hochgefahren. Ich sass damals
Wie haben Sie diese Zeit
gerade einmal dreissigjährig, ist
als Vertreter von Social Media
erlebt?
ein «Profisurfer ohne Surfbrett»,
mittendrin, und dadurch hatte ich
Als extrem spannend. Wir haben
urteilt das Migros Magazin, und
Zugang zu First-Hand-Informati-
ja Neuland betreten. Pionierarbeit
seit dieser für seinen Arbeitgeber
Auge des Taifuns wieder – und die
onen, die ich sofort weitergeben
geleistet. Es gab keine Vorbilder in
Online-Dialog-Netzwerke wie
Online-Plattformen zeigten in der
konnte.
der Schweiz. Ich hatte zwar durch
Youtube, Flickr, Facebook oder
Krise erstmals eine überraschende
Was waren die Folgen?
das Studium einige Vorkenntnisse
Twitter betreut, ist er so etwas wie
Überlegenheit gegenüber her-
Von sechs Uhr in der Früh bis
über Online-Kommunikation. Aber
kömmlichen Informationskanälen.
gegen 22.00 Uhr beantworteten
wir agierten nach dem Motto
wir Frage um Frage. Und wir rea-
«trial and error.»
Herr Lüdi, als der Vulkan
lisierten rasch, dass immer mehr
Was ist Ihre wichtigste Er-
begann Asche zu spucken,
Fans auf Facebook unsere News
kenntnis?
waren Sie für diesen Ernstfall
abonniert hatten, weil wir oft
Dialognetzwerke haben für ein
präpariert?
schneller waren als unsere Website
Unternehmen wie Swiss ein
der Pionier der Social Media im
Überhaupt nicht. Ich befand
oder Hotline.
enormes Potential. Sie können den
Dienste eines Unternehmens in
mich in einem Praktikum im
Kurze Zeit später ist dieser Befund
der Schweiz. Und er kam dazu, wie
Online-Marketing bei Swiss, als es
auch in der Presse zu lesen. Tage
es für diese neuen Medien wohl
losging. Zunächst haben wir auf
nach dem Vulkanausbruch titelt
typisch ist: durch Zufall. Nach dem
Facebook und Twitter einfach nur
die Neue Zürcher Zeitung «Swiss
Studium «Marketing & Kommuni-
Fragen gestrandeter Passagiere
auf Facebook informativer als
Kunden direkt ansprechen, indem
kation» an der Hochschule Luzern
beantwortet. Geht mein Flug? Soll
auf Swiss.com» und urteilt, «die
sie diesem Informationen oder
– Wirtschaft absolvierte Christian
ich zum Flughafen fahren? Was
Theorie, dass Social Networks für
Bilder zur Verfügung stellen oder
Lüdi seit einem halben Jahr ein
soll ich tun? Das waren die Fragen,
Unternehmen und uns alle immer
auf Kritik umgehend reagieren. In
Praktikum bei der Schweizer
und ich beantwortete sie, so gut
wichtiger werden, scheint sich zu
gewisser Weise kann ein Unter-
Fluggesellschaft, und als eine
es ging.
bewahrheiten». Informationen
nehmen dadurch ein Stück weit
Aschewolke aus dem isländischen
Und dann, als sich die Asche-
aus dem Unternehmen finden
die Kontrolle über Informationen
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Q uereinsteiger
wieder zurückgewinnen, welche
zu über 50 Prozent nicht mehr
Ein neues Leben
durch das Internet teilweise verlo-
über PC, sondern über Handy
Martin Barth ist ein Quereinsteiger
Jahre 2003 einen in der Schweiz
ren gegangen ist.
verschickt. Auf blog.swiss.com tau-
im Tourismus. Ausgebildet als
einzigartigen Lehrstuhl «Tourismus
Wie meinen Sie das?
schen Swiss-Mitarbeiter beispiels-
Jurist an der Hochschule St.Gallen,
und Mobilität» antrug, war das für
Statt dass Kritik am Unternehmen
weise bereits Travel-Tipps aus,
arbeitete er zunächst kurzzeitig
ihn der perfekte nächste Schritt
unkontrolliert ins Netz gestellt
werden so zu «Botschaftern der
als Anwalt, wechselte dann zu
seiner Karriere. Heute ist Martin
wird, können wir darauf reagieren
Firma und geben ihr ein persönli-
Mövenpick, wo er auch Einsitz im
Barth Leiter Weiterbildung am Ins-
ches Gesicht», ist Lüdi überzeugt.
Verwaltungsrat diverser Tochter-
titut für Tourismuswirtschaft ITW,
Und innerhalb der Firma baut sich
gesellschaften nahm. Im Konzern,
und wenn er als Leiter des berufs-
langsam ein Social Network auf,
der damals noch Konsumgüter
begleitenden Weiterbildungskurses
über welches über die Abteilungen hinweg für die externen Socialund erhalten dadurch zumindest
Media-Plattformen Informationen
partiell wieder Einfluss darauf. Das
oder auch Bilder bereitgestellt
eröffnet für das Unternehmen
werden, die Christian Lüdi dann
grosse Chancen in der Kommuni-
über Facebook oder Twitter ins
kation.
Netz stellt. Auch im Intranet
Wie messen Sie den Erfolg
entstehen Chats und werden
dieser Aktion?
unter den Angestellten Informati-
An den positiven direkten Rück-
onen ausgetauscht – eine interne
meldungen, den zustimmenden
Social-Media-Plattform.
Erwähnungen in der Presse und
Dass der erste Social Media Mana-
nicht zuletzt auch daran, dass sich
ger von Swiss eine echte Innovati-
die Zahl der Fans beispielsweise auf
on geschaffen hat, zeigt folgende
produzierte, aber wie noch heute
«Tourismus für Quereinsteiger»
Facebook mehr als verdreifacht hat.
Begebenheit: In einem Blog
auch Restaurants und Hotels be-
vor seine Studierenden tritt, fühlt
schrieb ein PR-Fachmann, dass die
trieb, fing Martin Barth wohl auch
er sich womöglich manches Mal
Darüber, wie die Entwicklung der
Aktivitäten der Swiss während der
Feuer für den Tourismus – und
an seinen eigenen Werdegang
Social Media weitergehen könnte,
Vulkankrise gezeigt hätten, welch
seine nächste berufliche Station
erinnert.
hat Christian Lüdi bereits konkrete
grossen Nutzen Social Media für
als Tourismusdirektor im bündne-
Die Studierenden, die er dort
Vorstellungen. Alles wird schneller,
ein Unternehmen haben könnten.
rischen Savognin war in diesem
antrifft, kommen aus allen mög-
mobiler, emotionaler. Twitter-
Geschrieben hatte dies ein Dozent
Sinne konsequent. Und als ihm die
lichen Berufsfeldern und haben
Meldungen werden heute bereits
der Hochschule Luzern.
Hochschule Luzern – Wirtschaft im
eins gemeinsam: ein brennendes
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«Die Vermittlung von Fachwissen, die Schulung von persönlichen Handlungskompetenzen und der Auf- und Ausbau eines persönlichen Netzwerkes ergeben das typische DreiSäulen-Prinzip dieses Kurses.»
Interesse am Tourismus, welches
des Kurses, geht es hinaus in die
eines persönlichen Netzwerkes
berufliches Leben. Für jene Bank-
nun nach neuem Wissen ruft.
touristische Welt. In Gstaad zum
ergeben das typische Drei-Säulen-
angestellte etwa, deren «Leiden-
Da ist etwa der Endfünfziger,
Beispiel erhalten die Studierenden
Prinzip dieses Kurses», sagt Martin
schaft für die Schweiz und deren
Telekommunikations-Angestellter
Einblick in das Destinations-
Barth, «und erst die Mélange aus
Berge» mit der Weiterbildung eine
und im Nebenamt Präsident eines
Management vor Ort, im Luzerner
diesen drei Dimensionen macht
derartige Fülle neuer Nahrung
Skilifts, der dafür «neue Impul-
Radisson stehen Hotel- und
den exzellenten Touristiker aus.»
erhielt, dass sie sich danach auf
se» erhalten will. Die Bankerin,
Hospitality-Management auf
Für manche aus dem Kurs
die Suche begab – nach einem
die Freundschaften in aller Welt
dem Programm, und im Unter
beginnt nach dem Kurs ein neues
Job im Schweizer Tourismus.
pflegt und als Motivation für die
engadin wird «Führung/Leader-
Teilnahme am Kurs ein Zitat von
ship als Erfolgsfaktor im Destina-
Oscar Wilde zum Besten gibt:
tions-Management» gelehrt oder
«Reisen veredelt den Geist und
auch «Marketing nach innen»,
räumt mit allen anderen Vorurtei-
was bedeutet, dass die eigenen
len auf.» Die Personalchefin, die
Mitarbeitenden, die einzelnen
Stetiger Quell von Arbeit
sich alle paar Jahre ein mehrmo-
Leistungsträger vor Ort und die
Hier geht es nicht um die grossen,
Hochschule Luzern, die sich in den
natiges Reise-Sabbatical gönnt.
Bevölkerung in Strategie und
spektakulären Fälle, sondern um
Teilkurs Konkursdelikte vertiefen,
Oder auch die Betriebswirtin mit
Massnahmen zur Vermarktung
die Schreinerei von nebenan, den
sich hauptsächlich aus den Reihen
Fachrichtung Tourismus, die nach
einer Destination mit eingebun-
Fünf-Mann-Betrieb im Nachbarort,
von staatlichen Behörden der
der Geburt von zwei Kindern ihre
den werden.
den Coiffeur-Salon um die Ecke.
Strafverfolgung rekrutieren. Für
Kenntnisse auf den neuesten
Fachwissen und sogenannte
«In diesem Umfeld passieren die
Staatsanwaltschaft und Polizei ist
Stand bringen und so den berufli-
«soft skills», wie etwa die hohe
alltäglichen, aber unspektakulären
die Ahndung von Konkursdelikten
chen Wiedereinstieg schaffen will.
Kunst der Mitarbeiterführung wie
Konkursdelikte», sagt Barbara Lips,
ein stetiger Quell von Arbeit, da
So unterschiedlich die Motivatio-
auch der Aufbau eines persönli-
Gerichtspräsidentin am Berner
es sich dabei um ein Offizialdelikt
nen auch sein mögen, einmal im
chen Netzwerks in der Welt des
Wirtschaftsstrafgericht, «und das
handelt, das mit einiger Zeitver-
Kurs, sind sie alle gleich. Büffeln
Tourismus, fliessen in diesem Kurs
ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein
zögerung immer dann gehäuft
am ITW in Luzern die «touris-
zusammen – Letzteres geschieht
Verbrechen, welches im Extremfall
auftritt, wenn die Konjunktur
tische Dienstleistungskette»,
durch organisierten Gedanken-
mit mehrjährigem Freiheitsent-
abflacht. «Allerdings», weiss
lernen «das System Tourismus als
austausch zwischen Studierenden
zug zu ahnden ist.» Klar ist somit
Barbara Lips aus Erfahrung, «ist
kognitive Landkarte verstehen»
und Praktikern. «Die Vermittlung
auch, dass die Teilnehmer des
auch die Dunkelziffer bei diesem
oder dessen «Einbettung in das
von Fachwissen, die Schulung von
Master-Studienganges Forensics
Verbrechen extrem hoch.» Oft sind
ökonomische und technologische
persönlichen Handlungskompe-
am Competence Center Forensik
es kantonale Konkursämter, die im
Umfeld». Dann, im zweiten Teil
tenzen und der Auf- und Ausbau
und Wirtschaftskriminalistik der
Rahmen von Konkursabwicklungen
Kon ku rsdeli kte
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auf Unregelmässigkeiten stossen,
sowie das Beurteilen von kritischen
das Wasser bis zum Halse steht
Belege sicherzustellen. Dies gilt
die auf mögliche Delikte hinwei-
Posten in der Buchhaltung eines
und der versucht, sein Unter-
insbesondere auch für das zweite
sen. Sie erstatten dann bei den
konkursiten Unternehmens.
nehmen mit allen Mitteln am
Täterprofil, den Unternehmensfüh-
Strafverfolgungsbehörden Anzeige.
«Oft», sagt Barbara Lips, «geht es
Laufen zu halten und deshalb in
rer, der seine Firma wissentlich als
Dort, in den Staatsanwaltschaften,
auch darum, den juristisch ausge-
Buchhaltungstricks verfällt oder
Selbstbedienungsladen für private
sitzt juristisch geschultes Personal,
bildeten Studierenden die Scheu
Geschäftsvorkommnisse in seinem
Belange missbraucht und sein
dem für das einschlägige Feld
Fahrzeug oder teure Privatreisen
von Konkursdelikten mitunter das
über den Firmenaufwand abbucht.
ökonomische Vorwissen fehlt. Im Rahmen des modular aufgebauten Studiengangs MAS Forensics soll der Teilkurs Konkursdelikte unter anderem diese Wissenslücke schliessen. Barbara Lips fungiert als verantwortliche Dozentin. Die Juristin mit angeschlossenem Nachdiplomstudiengang zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität kommt aus der Praxis und umreisst die
«Die Studierenden müssen den juristischen Hintergrund von Konkursdelikten, das Konkursrecht verstehen und anwenden können. Sie müssen die dahinterliegenden wirtschaftlichen Zusammenhänge erkennen.»
Ausbildungsziele an die Studieren-
«Zwischen den Extremen, dem überforderten Patron und dem Firmenbesitzer mit bewusster Bereicherungsabsicht, existieren bei Konkursdelikten sämtliche Spielarten», sagt Barbara Lips. Das Motiv ist für die Strafbarkeit von Konkursdelikten grundsätzlich unerheblich. Denn immer ist dem Täter das Bewusstsein abhanden gekommen, dass er als Firmenchef gegenüber seinen Gläubigern –
den folgendermassen:
vor Buchhaltungen und Buchhal-
Hauptbuch schon gar nicht mehr
Angestellten wie Lieferanten – eine
1. Sie müssen den juristischen
tungszahlen zu nehmen.» In vielen
dokumentiert. Möglicherweise
besondere Verantwortung trägt.
Hintergrund von Konkursdelikten,
Fällen kommen Konkursdelikte als
geschieht dies aus dem Motiv
Nimmt er diese nicht wahr und
das Konkursrecht, verstehen und
Nebenschauplatz von Straftaten
der Verschleierung heraus oder
verwendet die Vermögenswerte
anwenden können.
wie Betrug oder Veruntreuung zum
aber, weil der Buchhalter aus
der Firma rechtswidrig, so begeht
2. Sie müssen die dahinterliegen-
Vorschein, und auch deshalb ist es
Kostengründen längst entlas-
er ein Verbrechen, das von Amts
den wirtschaftlichen Zusammen-
bedeutsam, den Kursteilnehmern
sen ist. Da das Unterlassen der
wegen verfolgt werden muss.
hänge erkennen. Dazu gehören ins-
ein ganzheitliches Bild dieser Straf-
Buchführung im Konkursfall bereits
Diese Zusammenhänge werden
besondere das Lesen von Bilanzen
tat zu vermitteln.
einen Straftatbestand darstellt,
den Studierenden aufgezeigt. Wie
und das Erkennen von wirtschaft-
Dieses beginnt mit dem Täter-
ist es für die Strafverfolger von
aber lässt sich ein Täter überfüh-
lichen Entwicklungen im unmit-
profil. Oft steht am Anfang ein
eminenter Bedeutung, Haupt-
ren? Diese Frage beschäftigt die
telbaren Vorfeld eines Konkurses
Firmenpatron, dem finanziell
buch, Geschäftsunterlagen oder
Strafbehörden in ihrer täglichen
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Arbeit, und darauf bekommen sie
Augenhöhe begegnen können.
dass sie ihr Fahrzeug in der Tat über
mir etwas habe gönnen wollen.»
in dem Nachdiplomstudiengang
Denn dass ein Täter freimütig
die Buchhaltung des Unterneh-
Weil dem meist so ist, müssen die
der Hochschule Luzern auch Ant-
eingesteht, er habe einen schwer-
mens hätten laufen lassen. Und
Strafbehörden dem mutmassli-
worten aus der Praxis. Wenn beim
wiegenden Fehler begangen, hat
auf dem Fuss folgt dann meist das
chen Täter von Konkursdelikten gut
Untergang eines Unternehmens
Barbara Lips in ihrer Laufbahn
einschränkende Aber: «Ich habe
präpariert gegenübertreten, und in
ein Verdacht auf ein Konkursdelikt
«noch nie erlebt». Höchstens ob-
so hart für die Firma gearbeitet»,
Luzern lernen sie, wie eine erfolgrei-
auftaucht, zeigt die Erfahrung,
jektiv Geständige, die einräumen,
heisst es dann meist, «dass ich
che Anklage zu bewerkstelligen ist.
müssen möglichst im Frühstadium Firmenakten beschlagnahmt werden, mitunter auch durch Hausdurchsuchungen oder gar eine Festsetzung eines mutmass-
E xecutive M B A
lichen Täters in U-Haft. Erst das
Studierende beraten Firmen
Studium und die Kenntnis solcher
Herr Nagel, an Ihrem Institut
ging es darum, die Positionierungs-
Wer ist der Auftraggeber und
Dokumente kann die Strafbehör-
für Betriebs- und Regionalöko-
strategie im Vertrieb in der Schweiz
was sind die Kosten?
den in die Lage versetzen, einen
nomie IBR bieten Sie einen
zu überprüfen. Für eine KMU
Meist ist es die Geschäftsleitung,
mutmasslichen Täter mit harten
berufsbegleitenden Executive
der Lebensmittelbranche haben
die für ein Fünfer-Team Studieren-
Fakten zu konfrontieren, um damit
MBA an. Wo rekrutieren Sie
Studierende untersucht, wie sich
der pauschal 5’000 Franken be-
den Verdacht auf ein Konkursdelikt
Ihre Studierenden?
das Vertragswerk der Bilateralen II
zahlt. Damit sind unsere internen
auch beweismässig zu erhärten.
Sie kommen aus verschiedenen
auf Angebotspalette und Vertrieb
Kosten für die Begleitung der Man-
«Wichtig ist für die Studierenden
Branchen, aus Privatunternehmen,
in der Schweiz auswirken wird.
date abgedeckt. Die Ergebnisse
dabei zweierlei», sagt Barbara
weniger aus der Öffentlichen
Wie profitieren Unternehmen?
werden der Geschäftsleitung oder
Lips, «es gibt kein standardisiertes
Verwaltung und Non-Profit-
Für sie bedeutet es einen Erkennt-
dem Kader präsentiert.
Vorgehen bei der Befragung eines
Organisationen. Alle verfügen über
nisgewinn. Sie sehen sich in ihren
Wie profitieren Studierende?
Verdächtigen, jeder Fall präsentiert
Management-Erfahrung, die sie
eigenen Überlegungen bestätigt,
Sie können ihre Fähigkeiten an-
sich anders; doch immer ist es
über den Executive MBA verbrei-
oder es wird ihnen klar, in welchem
hand eines realen Mandats unter
wichtig, die Geschäftsunterlagen
tern und vertiefen wollen.
Umfeld sie Strategiediskussio-
Beweis stellen und diese Erfahrun-
vorgängig richtig zu lesen und zu
Sie wickeln während des
nen vertiefen müssen. Es ist ein
gen unmittelbar für ihre eigene
verstehen.» Um einen angeklagten
Studiums Beratungsaufträge
unmittelbarer Wissenstransfer von
Berufspraxis nutzen. Sie müssen
Firmenpatron eines Konkursdeliktes
aus der Privatwirtschaft ab.
der Hochschule in die Wirtschaft.
einen Fachbericht schreiben, der
überführen zu können, muss der
Können Sie Beispiele nennen?
Für die Studierenden ist es eine
dann an das auftraggebende Un-
Staatsanwalt diesem inhaltlich auf
Für einen global tätigen Konzern
einmalige Lernchance.
ternehmen geht. Zudem verfassen
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sie einen Beratungsbericht für die
merischen Führungs-, Gestaltungs-
Büchern zumindest rudimentäre
oder Halbtagesseminaren können
Hochschule Luzern. Letzterer dient
sowie Entwicklungskompetenz.
Angaben über ihr Risikomanage-
dann spezifische Themen rund
dazu, die Kompetenz der Studie-
Sie wollen aber keine Berater
ment zu machen. Das Thema
um das Risk Management vertieft
renden für die Gestaltung von
ausbilden?
ist also lanciert, und das IFZ hat
werden. IFZ-Dozent Stefan Hun-
Beratungsprozessen zu erhöhen.
Nein. Unsere Teilnehmenden stre-
sich auf dem Gebiet schon seit
ziker etwa leitet Veranstaltungen
Was müssen die Studierenden
ben eine höhere Management-
längerem eine Expertise aufge-
über «Entwicklung von Risikokenn-
nach Abschluss des Executive
Position an. Etliche der Ehemaligen
baut. Stufengerecht werden denn
zahlen und Frühwarnindikatoren»
MBA Luzern beherrschen?
sind heute CEOs. Unsere Mandate
auch potentielle Interessenten
oder «Methoden der Risikoag-
Zweierlei ist entscheidend. Das Ver-
sind Teil einer Management-
für das Thema sensibilisiert. Am
gregation» und auch «Vom Con-
ständnis von unternehmerischen
Ausbildung, die in der Regel in eine
KMU-Forum etwa, den Abendver-
trolling zum Risiko-Controlling».
Problemstellungen unter ganzheitli-
operative Tätigkeit in Unterneh-
anstaltungen des IFZ, an denen
Diese kleine Auswahl an Themen
cher Optik. Und die Ausbildung und
men oder auch in der Öffentlichen
sich Unternehmer, Praktiker und
zeigt freilich auch: Es existiert kein
Weiterentwicklung einer unterneh-
Verwaltung münden soll.
Wissenschaftler über Probleme im
integrales System der Risikoanaly-
Unternehmensalltag austau-
se und -bewirtschaftung, das sich
schen, war Risk Management in
über Unternehmen und Branchen
KMU bereits wiederholt ein The-
gleichermassen stülpen liesse. Zu
ma. «Oft ist dies die Initialzün-
unterschiedlich sind die Risiken
dung dafür, dass Unternehmer
in den Firmen, den Märkten und
KMU
Topographie von Risiken Geht es um Risk Management
das, was ein Unternehmer sich
in KMU, sind Vorbehalte die
wünscht.
Regel. «Am Anfang», weiss Stefan
Es gilt also, den Patron im KMU
Hunziker, Dozent am Institut
an das Thema heranzuführen und
für Finanzdienstleistungen Zug
das Bewusstsein dafür zu wecken,
IFZ, «ist bei KMU-Unternehmern
dass aktives Managen von Risiken
gegenüber diesem Thema meist
eine unternehmerische Führungs-
eine gewisse Skepsis auszuma-
aufgabe darstellt. Spätestens
die Notwendigkeit eines aktiven
Branchen, in denen sie tätig sind,
chen.» Verständlich: In deren
seit der Gesetzgeber auf den
Risk Management erkennen»,
in den Technologien und Prozes-
Augen wirkt das Management
1. Januar 2008 durch Änderun-
sagt IFZ-Institutsleiter Linard Na-
sen, die sie anwenden.
von Risiken nicht wertschöpfend.
gen im Obligationenrecht (OR)
dig, «vor allem, wenn ihnen auch
Eines bleibt sich freilich überall
Im Gegenteil: Das riecht nach
auch KMU ab einer bestimmten
klar wird, dass Risiken oft auch
gleich: Risiken müssen identi-
Aufwand und Kosten. Nicht
Grösse dazu verpflichtet, in den
Chancen beinhalten.» In Tages-
fiziert, bewertet und gesteuert
30
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
«Geht es um Risk Management in KMU, sind Vorbehalte die Regel.»
werden, und zwar in Unterneh-
Hintergrund, Controller, Qualitäts-
48 Prozent auf 1’135 Studierende
dierenden sowie Teilnehmenden
men ebenso wie in der öffent-
Manager etwa oder Finanzchefs
anwuchsen.
der Weiterbildungsveranstaltungen
lichen Verwaltung oder auch
in KMU. Die Weiterbildung lohnt
Die Anzahl Studierender im
lösten im Kanton Luzern im Jahr
in NGOs, und von überall dort
sich dann besonders, wenn ein
Bereich Weiterbildung der Hoch-
2005 direkte Kaufkrafteffekte
kommen auch die Interessenten
Unternehmen auf einen eigent-
schule Luzern hatte sich innert drei
von rund 56 Millionen Franken aus,
am Thema zum IFZ. Für solche,
lichen Risk Manager setzen will,
Jahren bis 2008 um 11 Prozent
2008 waren es schon rund
die das à fond studieren wollen,
der die Topographie der verschie-
auf 1’930 erhöht. Im gleichen
74 Millionen Franken.
existiert schon seit zehn Jahren
denen Risiken innerhalb der Firma
Zeitraum wuchs die Anzahl Voll-
• Die zusätzlichen Gesamtum
der vom IBR geleitete, 18 Monate
systematisch zu analysieren hat,
zeitstellen an der Hochschule um
sätze für den Kanton Luzern durch
dauernde Master-Studiengang
und dafür wiederum benötigt
ein Viertel auf 870.6. Der Umsatz
die genannten Akteure beliefen
«Risk Management». Dieser
das Unternehmen eine gewisse
an Geldern stieg um mehr als das
sich im Jahr 2005 auf rund 80
richtet sich primär an Personen
Grösse und Komplexität.
Doppelte auf 28,6 Millionen Fran-
Millionen Franken, 2008 auf 106
ken, und das Gesamtbudget der
Millionen.
Hochschule wuchs um 24 Prozent
• Die wirtschaftliche Tätigkeit
auf 170 Millionen.
der Hochschule Luzern selber hat
Auf der Basis dieser Zahlen errech-
dabei den grössten Anteil an den
nete Simone Strauf, Wissenschaft-
Effekten.
liche Mitarbeiterin am Institut für
Für die Region Zentralschweiz sieht
mit entsprechendem beruflichem
H ochschule L uzern
Eine ökonomische Bilanz
Systemisches Management und
die Autorin folgende ökonomische
Es war der Luzerner Regierungsrat,
Die Anzahl Studierender im
Public Management der Univer-
Effekte:
der den Auftrag an die Universität
Bereich Ausbildung hatte sich
sität St.Gallen, die regionalwirt-
• Die Studierenden der Hochschule
St.Gallen vergab, und Ende März
zwischen 2005 und 2008 um ein
schaftlichen Effekte der Hochschu-
Luzern generieren positive Kauf-
2010 lag die Studie über «Regio
Viertel auf 3’662 erhöht, und die
le Luzern im Kanton Luzern wie
krafteffekte für die Zentralschweiz in
nalwirtschaftliche Effekte der
Prognose für 2012 rechnete mit
auch der Zentralschweiz. Dabei
Höhe von rund 3 Millionen Franken.
Hochschule Luzern für den Kanton
4’377 auszubildenden Studieren-
kam die Autorin der Projektstudie
• Aufgrund ihrer Einnahmen- und
Luzern und die Zentralschweiz» vor.
den, was gegenüber 2005 eine
zu folgenden Schlüssen:
Ausgabenstruktur ergeben sich für
Basierend auf den Zahlen aus dem
Steigerung von 49 Prozent bedeu-
• Die positiven regionalwirtschaft-
die Hochschule Luzern negative
Jahr 2008, resultierte daraus ein
ten würde. Die stärkste Nach-
lichen Effekte der Hochschule
regionalwirtschaftliche Effekte für
umfassendes Bild des Ist-Zustan-
frage verzeichneten dabei die
Luzern für den Kanton Luzern
die Zentralschweiz in Höhe von
des, Vergleichswerte aus dem Jahr
Studiengänge des Departements
haben sich in den vergangenen
rund 8 Millionen Franken – es findet
2005 erlaubten zudem ein Abbild
Wirtschaft, dessen Studierende in
drei Jahren weiter erhöht.
ein Kaufkraftabfluss aus der Zent-
der jüngeren Entwicklung.
Ausbildung innert drei Jahren um
• Die Hochschule Luzern, ihre Stu-
ralschweiz in dieser Höhe statt.
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
31
G eldwäscherei
• Für die Hochschule Luzern, die
nanz findet. Dazu zieht die Autorin
Bares aus dem Irgendwo
Studierenden und die Teilneh-
der Studie folgendes Fazit:
Der Fall ging durch die Presse.
wird. Einzige Aufgabe: Zahlungen
menden an den Weiterbildungs-
• Neben den monetär messbaren
«Hinter Job-Angeboten steckt
zu empfangen, in das Ausland
veranstaltungen ergibt sich in der
Effekten existieren Kompetenz
Geldwäscherei», titelte etwa
weiterzuleiten und eine Provision
Summe ein negativer Saldo von
effekte, die sowohl für den Kanton
die Neue Luzerner Zeitung, und
zu kassieren. Scheint einfach
rund 4,6 Millionen Franken – die
Luzern als auch für die Zentral
für Adrian Schulthess, Leitender
und ohne Risiko – und so gibt
direkten Effekte für die Zent-
schweiz positiv sind.
Staatsanwalt im Kanton Aargau,
es etliche, die einsteigen. Der
ralschweiz sind also negativ.
• Die Hochschule Luzern kann
ist dies eine klassische Kombina-
ewig klamme Student etwa, die
Neben diesen rein ökonomischen
dazu beitragen, den Brain Drain
Effekten untersuchte die Autorin
der Zentralschweizer Kantone zu
auch die Erwerbssituation der Ab-
verringern und den Anteil Hoch-
«Die Hochschule ist für die Attraktivität des Kantons ein Faktor.»
«Die Ermittler benötigen für Verständnis und Aufdeckung neben juristischen und forensischen auch gewisse IT-Kenntnisse.»
solventen. Von den Studierenden
qualifizierter zu erhöhen.
tion von Computerkriminalität
unterbeschäftigte Hausfrau, der
des Abschlussjahres 2006 an der
• Die Hochschule Luzern und die
und Geldwäscherei. Eine typische
Arbeitslose, der endlich wieder
Hochschule Luzern waren ein Jahr
Verfügbarkeit qualifizierter Arbeits-
Kette von verschiedenen Delikten,
einmal zu Barem kommen will.
nach Studienende 96 Prozent der
kräfte kann ein Standortfaktor für
wie sie sich bestens eigne, seine
Sie alle heben also das Geld ab,
Absolventen erwerbstätig – zwei
Unternehmen sein, der in den
Studierenden im MAS Forensics
welches aus dem Irgendwo auf
Prozent mehr als im Durchschnitt
kommenden Jahren zunehmend
an der Hochschule Luzern auf die
ihrem Bankkonto landet, und
der Schweiz. Nach fünf Jahren wa-
an Bedeutung gewinnen wird.
Praxis vorzubereiten.
überweisen dieses, wie verlangt,
ren von den Abschlussjahrgängen
Die Studie bestätige, so lautete
Das Beispiel aus der Zeitung
über eine Geldtransfer-Firma ins
97 Prozent erwerbstätig – exakt
schliesslich das Fazit des auftrag-
kann als Blaupause für ver-
Irgendwo im Ausland – ahnungs-
gleich viele wie im schweizerischen
gebenden Regierungsrates, dass
gleichbare Fälle dienen. Ein
los machen sich die sogenannten
Durchschnitt. Diese Zahlen lassen
Hochschulen für die Entwicklung,
fiktives Unternehmen versendet
Finanz-Manager zum Handlan-
den Schluss zu, dass die Absolven-
die Volkswirtschaft und die Attrak-
E-Mails an Privatpersonen in der
ger, um betrügerisch erwirtschaf-
ten der Hochschule Luzern eine
tivität eines Kantons ein bedeuten-
Schweiz, in denen ein lukratives
tetes Geld aus Online-Kanälen
Ausbildung durchlaufen haben, die
der positiver Faktor seien.
Nebeneinkommen als «Finanz-
zu verschieben. Meist stammt
Manager» in Aussicht gestellt
dieses aus illegalen Geschäften,
auf dem Arbeitsmarkt grosse Reso-
32
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
sogenanntem Phishing, bei dem
Computerdelikt ausgelöst wird.
mutmasslichen Täters mit dem
durch die ermittelnde Behörde
über Internet-Banking getätigte
Sie erfahren, dass bereits dies
Auftraggeber und über entspre-
erfolgen kann.
Zahlungen auf Konten von Be-
wegen Missbrauchs einer Daten-
chende Belege für Bargeldüber-
Modern an dieser Art Verbrechen
trügern umgeleitet werden. Und
verarbeitungsanlage eine Straftat
weisungen zu verfügen. All dies
ist die Mehrdimensionalität
der angeheuerte Finanz-Manager
darstellt, allerdings die Täter aus
ist Voraussetzung dafür, diesen
der Straftat, und die Ermittler
ist das Bindeglied, um das Geld
dem Ausland auf Server in der
erfolgreich der Tat überführen
benötigen für Verständnis und
spurlos auf Nimmerwiedersehen
Schweiz zugreifen und deshalb
zu können – allerdings meist nur
Aufdeckung neben juristischen
verschwinden zu lassen. Beim
kaum dingfest zu machen sind,
dann, wenn die Einvernahme des
und forensischen auch gewisse
Phishing versenden Betrüger via
und auch, dass ohne Spezialisten
mutmasslichen Täters schnell
IT-Kenntnisse – all dies wird den
E-Mail eine Schadenssoftware,
aus der IT-Forensik hier ohnehin
und unter Ausnutzung eines ge-
Studierenden in diesem Nachdi
die sich nach Öffnung der elektro-
nichts auszurichten ist. Auslösend
wissen Überraschungsmoments
plomstudiengang nahe gebracht.
nischen Botschaft im Computer
für die Strafverfolgung ist denn
des Betroffenen ausbreitet und
auch meist eine Information der
bei dessen nächstem E-Banking
Meldestelle für Geldwäscherei,
die ausgelöste Zahlung auf ein
nachdem diese von einer Bank
Konto der Delinquenten umleitet.
über die betrügerische Fehllei-
«Den angeheuerten Finanz-Ma-
tung einer Zahlung aus dem E-
Fingerleichte Virtualität
nagern ist oft nicht bewusst, dass
Banking orientiert worden ist. Die
Die quälende Frage kennt jeder,
hatte und das Thema ihn nicht
sie ein Rädchen in einem grös-
Studierenden bekommen auch
der in einem Einrichtungshaus
mehr losliess. Mittels mobiler Kom-
seren Betrugsfall sind, und meist
Einblick in die Art, wie die Kausal-
steht und Möbel aussucht: Wie
munikation, sagte er sich, liesse
auch nicht, dass sie sich strafbar
kette der Geldwäscherei abläuft,
sieht die ausgewählte Kommo-
sich vielleicht Abhilfe schaffen.
machen», sagt Adrian Schulthess.
und werden sich bewusst, dass
de, der Tisch oder das
Eine einfache Bedienung,
Für den Staatsanwalt ist gerade
im Grunde der einzige Täter, der
Sofa im Ambiente der
so viel war klar, musste
die Komplexität dieses Verbre-
überführt werden kann, der in der
eigenen vier Wände wohl
Voraussetzung sein, und
chens prima Anschauungsmateri-
Schweiz angeheuerte Finanz-
aus? Schwierig, sich das
dies, kombiniert mit den
al für seine Studierenden, die sich
Manager ist, der für den Betrug
vorzustellen. Das dachte
meist aus Strafverfolgungs- und
sein Konto zur Verfügung gestellt
sich auch Patrick Sassine, Leiter
ten der virtual reality, könnte die
Ermittlungsbehörden rekrutieren.
hat. An diesem Punkt ist beson-
E-Commerce bei Möbel Pfister,
Lösung sein. Marketingleiter Carlos
Sie lernen, wie der Zahlungsver-
ders wichtig, all diese Zusam-
nachdem er an der Hochschule
Friedrich gab grünes Licht.
kehr bei den Banken funktioniert
menhänge zu kennen, Zugriff zu
Luzern – Wirtschaft ein CAS in
Heute verfügt Möbel Pfister über
und wie das am Anfang stehende
haben auf den E-Mail-Verkehr des
Online Communication besucht
eine App, die Verblüffendes kann.
handel
40 Jahre
modernen Möglichkei-
Hochschule Luzern – Wirtschaft
33
Auf dem iPhone beispielsweise
1882 gegründeten und heute
pen verfolgt eine eigene Agenda,
Diese Fragen stellten sich auch
lässt sich ein Photo der eigenen
grössten Fachanbieter für Möbel,
eigene Interessen, und meist
die Verantwortlichen am Institut
Innenräume schiessen und darin
Wohn- und Büroeinrichtungen der
ist wohl auch das Bewusstsein
für Tourismuswirtschaft ITW der
mit ein paar Handgriffen ein
Schweiz. «Einen positiven Image-
vorhanden, dass jede einzelne
Hochschule Luzern rund um den
Pfister-Möbelstück hineinkopieren,
Transfer für die Firma und eine
Aktivität eines Hoteliers oder
Leiter Weiterbildung Martin Barth,
welches sich fingerleicht verschie-
Superleistung des E-Commerce-
Liftbetreibers auch auf die Pros-
und die Antwort ist vordergrün-
ben, vergrössern oder auch um
Teams», urteilt Friedrich, habe
perität der Tourismusdestination
dig einfach: Nur wer in die Haut
die eigene Achse drehen lässt.
dies gebracht. Das Angebot soll
als Ganzes einwirkt. Mehr noch:
des anderen schlüpft, erkennt
Wohl noch nie liess sich vor dem
nun laufend ausgebaut werden.
Nachhaltiger ökonomischer Erfolg
dessen Perspektive und kann sein
Kauf eines Einrichtungsstücks
Im Endausbau sollen bis zu
ist nur dann möglich, wenn das
eigenes Angebot mitunter darauf
einfacher ein Eindruck dafür
2’000 Einrichtungsstücke virtuell
Zusammenspiel aller Beteiligten
ausrichten. Tun dies alle beteilig-
erzeugen, wie dieses im trauten
verfügbar sein. Ein stattlicher
Heim aussehen wird. Über hun-
Aufwand, wenn man bedenkt,
dert 3D-Modelle von Möbeln kann
dass für ein 3D-Modell jeder
sich der Kunde inzwischen auf
einzelne Einrichtungsgegenstand
sein Handy zaubern und virtuell in
von allen Seiten fotografiert sein
die eigenen vier Wände transfe-
muss. Und irgendwann in naher
rieren. Einigermassen verblüfft
Zukunft, sagt Sassine, wird es
waren auch viele Kunden über
auch möglich sein, den direkten
diesen innovativen neuen Service
kommerziellen Erfolg der Apps an
optimal austariert werden kann.
ten Anspruchsgruppen, ergibt sich
aus dem Hause Pfister, dem
der Verkaufsfront zu messen.
Wie aber kann ein Hotelier ein
daraus ein Verständnis für das
Bewusstsein für die Nöte und
gemeinsame Ganze fast wie von
Sorgen eines Bergbahn-Betreibers
selbst. So weit die Theorie. Wie
entwickeln, wie können die Mit-
aber ist ein Hotelier dazu zu brin-
glieder des örtlichen Tourismus-
gen, einmal Bergbahn-Betreiber
vereins erfahren, was den Sport-
zu spielen? Wie ist ein Vertreter ei-
T ourismus
Die Brille des Anderen
«Das Planspiel ‹DestinationsManagement› ist eine Mischung aus Lerneffekt, Teambildung und Spass.»
Dienstleister um die Ecke bewegt?
ner Tourismusorganisation einmal
Das Management einer Touris-
Sport- und Event-Dienstleister,
Wie lässt sich in einer Tourismus-
dazu zu verführen, die Brille eines
musdestination ist eine äusserst
Bergbahn-Betreiber, aber auch
destination ein «common spirit»
Event-Dienstleisters aufzusetzen?
komplexe Angelegenheit. Geht es
Tourismusorganisationen und
dafür entfachen, dass Erfolg und
Und wie schliesslich ist die Optik
um die Vermarktung einer Alpen-
meist auch ein lokaler Tourismus-
Misserfolg letztlich nur gemein-
für das gemeinsame Ganze, eben
region, wirken vor Ort Hoteliers,
verein. Jede dieser Anspruchsgrup-
sam erreicht oder erlitten werden?
das erfolgreiche Management
34
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
der Destination, allen erfahrbar zu
Kursleiter Martin Barth, «ebenso
einem Teilnehmer, Geschäftsfüh-
aus Lerneffekt, Teambildung und
machen?
wie Bedeutung und Notwendig-
rer einer Tourismusdestination,
Spass» habe das Destinations-
Der Schlüssel für diese Art von
keit einer einheitlichen und alle
zu urteilen, ist all das mit diesem
Management-Planspiel ihm
Weiterbildung für Touristiker
Anspruchsgruppen umfassenden
modernen Computerspiel tatsäch-
beschert, meint er. Das ist, ohne
liegt in dem Wort «Simulation».
Destinationsstrategie.» Nach
lich zu erreichen. «Eine Mischung
Zweifel, Weiterbildung at its best.
Spielerisch simuliert soll der im Tourismus tätige «homo ludens» dieses komplexe Zusammen-
innovation lab
spiel am eigenen Leib erfahren und so in seiner täglichen Praxis auch anwenden lernen. Das
Radikale Innovation
ITW liess dafür ein computer-
Frau Kaudela-Baum, Sie sind
2006 verschiedene Hochschulen
Themen oder auch zu Aspekten in
gestütztes Planspiel entwickeln,
Dozentin am Institut für Be-
über ein EU-Projekt gegründet
den verschiedenen Phasen eines
bei dem der Hotelier eben die
triebs- und Regionalökonomie
hatten. Die Schweiz war als Nicht-
Innovationsprozesses.
Rolle des Event-Dienstleisters, der
IBR und haben zusammen mit
EU-Land nicht assoziiert, und
Das internationale Dach ist
Tourismus-Funktionär jene des
anderen Dozenten das Inno-
so wurden wir gefragt, ob wir in
«Discontinuous Innovation
Bergbahn-Betreibers einnehmen
vation Lab (ILab) ins Leben
diesem internationalen Rahmen
Lab». Warum dieser Name?
kann – und umgekehrt. Nun hat
gerufen. Worum geht es?
nicht ein Schweizer ILab ins Leben
Die Idee war, ein Lab zu gründen,
er die betrieblichen Herausforde-
Dies ist ein Forum zum Thema
rufen wollten. Ein Jahr später
bei dem sich Personen zusammen-
rungen des anderen zu meistern
Innovation, das dem Erfahrungs-
haben wir an der Hochschule
schliessen, die an radikalen oder
– Belegungsziffern, Finanzierungs-
austausch zwischen Praxispart-
Luzern – Wirtschaft das erste ILab
disruptiven Innovationen arbeiten.
oder Investitionsfragen –, die
nern und Hochschule Luzern, aber
durchgeführt. Mittlerweile sind
Es geht also weniger um Fragestel-
allgemeine wirtschaftliche Kon-
auch zwischen den Praxispartnern
auch andere Schweizer Hochschu-
lungen rund um kontinuierliche
junktur zu berücksichtigen und all
untereinander dienen soll.
len dabei. Auch die internationale
Innovations- und Verbesserungs-
dies auf Auswirkungen auf die De-
Wie kam es dazu, das ILab in
Einbindung ist wichtig.
prozesse. Es geht um Diskussionen,
stination als Ganzes im Auge zu
die Schweiz zu bringen?
Welche konkreten Themen
über die auch bahnbrechende,
behalten. Eine Herkules-Aufgabe
An einer internationalen Kon-
kommen da zur Sprache?
eben radikale Innovationen voran-
mit frappanten Erkenntnissen für
ferenz in Göteborg wurden wir
Wenn Forscher und Unternehmer
getrieben werden können.
die Teilnehmenden. «Wirtschaft-
von Forschungskolleginnen und
zusammenkommen, ist dies
Was heisst das konkret?
liche Zusammenhänge und die
-kollegen auf das internationale
immer ein fruchtbarer Boden
Es geht darum, sich darüber klar
Abhängigkeiten untereinander
«Discontinuous Innovation Lab»
für den Austausch zu aktuellen
zu werden, welche Instrumente
treten plötzlich klar zutage», sagt
aufmerksam gemacht, welches
Innovations-Management-
und Kulturen es braucht, um im
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
35
Innovationsprozess Grenzen des
zu gewinnen. Innovationsthemen
auch aus Bern, Zürich oder der
gängen fruchtbar gemacht. Für
Denkens sprengen zu können.
sind unter dem Aspekt des geisti-
Ostschweiz. Und das nächste
angewandte Forschungsprojekte
Wie bewerkstelligen Sie das?
gen Eigentums immer etwas hei-
ILab, unser viertes, findet denn
gehen wir auch direkt auf die
Wir nähern uns diesem Ziel,
kel. Vertraulichkeit ist wichtig, und
auch bei einem Praxispartner in
ILab-Mitglieder zu.
indem wir aktuelle Themen aus
deshalb haben wir auch soge-
Zürich statt. Die meisten unserer
Und auf Seiten der Unterneh-
der Innovationspraxis der betei-
nannte «Terms of Engagement»
Mitglieder sind Firmen mittlerer
men? Wissen Sie von einer
ligten Unternehmen aufgreifen
definiert, die für alle verbindlich
Grösse, aber auch Grossunterneh-
konkreten Innovation, die
und gemeinsam mit diesen ein
sind. Wir streben auch keine
men.
durch das ILab angeschoben
Programm mit Forschungs- und
Massenveranstaltungen im ILab
Gab es schon konkrete Folgen
worden ist?
Praxisreferaten sowie Diskussionen
an, sondern eher einen Club, in
dieser ILab-Aktivität auf
Dazu ist es noch zu früh. Aber
organisieren. Das nächste ILab
dem maximal 60 Unternehmen
Seiten der Hochschule Luzern?
ich bin zuversichtlich, dass dies
befasst sich mit der Frage, wie
Mitglied sind. Zu ILab-Treffen,
Die Erkenntnisse fliessen in die
in ein, zwei Jahren geschehen
produzierende Unternehmen in
die zweimal im Jahr stattfinden,
Lehre ein, und die Praxispartner
wird, wenn das Netzwerk weiter
einer frühen Phase des Innova
kommt dann vielleicht die Hälfte
werden etwa für Referate in
gefestigt ist.
tionsprozesses Freiräume schaffen
der Mitglieder. In dieser Grösse
Bachelor- oder Master-Studien-
können. Ein Thema in diesem
ist es möglich, intensiv an diesen
Zusammenhang ist die Auslage-
Themen zu arbeiten.
rung von Entwicklungsschritten in
Die Unternehmen müssen
der Phase der Vorentwicklung. Das
also aktives Engagement
kann in anderen Einheiten im Un-
zeigen?
ternehmen geschehen oder auch
Genau. Sie müssen auch Referen-
Herz und Hirn
über externe Dienstleister. Solche
ten stellen und bei den Sessions
Christoph Lengwiler ist ein
bei der Luzerner Kantonalbank als
spezifischen Themen werden im
aktiv mitarbeiten.
umtriebiger Mann. Er wirkt schon
Vizepräsident des Verwaltungsrates,
ILab diskutiert. Immer sind Prakti-
Wie viele Unternehmen ha-
seit 24 Jahren als Dozent an der
und er sitzt im Aufsichtsgremium
ker aus den Unternehmen und der
ben Sie seit der Gründung des
Hochschule Luzern – Wirtschaft.
der shaPE Capital AG, eines an der
Hochschule Luzern beteiligt.
ILab im Jahre 2010 schon als
Seit der Gründung des Instituts für
SIX Swiss Exchange kotierten Fund-
Das heisst aber auch, dass die
Mitglieder gewinnen können?
Finanzdienstleistungen Zug IFZ der
of-Funds im Private-Equity-Bereich.
Unternehmen aus der Privat-
18 Monate nach der Gründung
Hochschule Luzern – Wirtschaft im
Aus diesen Tätigkeiten in- und
wirtschaft Mitglied im ILab
waren es rund 40 Unterneh-
Jahre 1997 ist der promovierte Öko-
ausserhalb der Hochschule Luzern
werden können und müssen.
men. Die Mehrheit stammt
nom Leiter des Instituts und vielfäl-
resultiert auch sein ausgeprägtes
Das Ziel ist schon, die interessier-
derzeit noch aus dem Raum Zent-
tig engagiert in Lehre, Forschung
Engagement für zwei spezifische
ten Unternehmen als Mitglieder
ralschweiz, aber ein Drittel kommt
und Praxis. Nebenbei amtet er
Berufsgruppen: Finanzchefs, Chief
36
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
CFO/Vr
Financial Officers (CFO) also, und
CFOs wechseln oftmals die Un-
chefs verfolgten ja bereits eine
Bankfinanzierungen und Finanzie-
Verwaltungsräte.
ternehmen, in denen sie tätig
umsichtige Finanzpolitik, was sich
rungen über Anleihen angestrebt.
Vor fünf Jahren hat Christoph
sind. Inwieweit müssen sie mit
auch daran ablesen lässt, dass die
Ist der CFO für den finanziellen
Lengwiler zusammen mit Finanz-
dem spezifischen Geschäft ih-
Unternehmen erfolgreich durch
Kreislauf eines Unternehmens,
chefs aus dem Umfeld des IFZ das
res Arbeitgebers vertraut sein?
die Krise gekommen sind. Was sich
also gewissermassen für das
«CFO Forum Schweiz» ins Leben
Der Finanzchef muss das Geschäft
aber sehr wohl verändert
gerufen, welches heute gegen
kennen und die wesentlichen
hat, ist die Einstellung
400 CFOs zu seinen Mitgliedern
Werttreiber verstehen. Nur so kann
vieler zum Risiko.
zählt. Der Verband setzt sich für
er zum nachhaltigen Geschäftser-
Mit welchen Folgen?
Professionalisierung und Innova-
folg beitragen. Und natürlich muss
Die Liquiditätssicherung
tion in der finanziellen Unterneh-
er auch die spezifischen Risiken
steht noch stärker im
mensführung ein und fördert auch
des Unternehmens erkennen und
Zentrum, als das bereits
den Erfahrungsaustausch. Am jähr-
entsprechend reagieren können.
früher der Fall gewesen ist. Der
ökonomische Herz einer Firma
lichen Swiss CFO Day zeichnet er
Das erfordert eine breit gefä-
Grund dafür ist klar: Umsatzein-
zuständig, so repräsentieren die
erfolgreiche Finanzchefs mit dem
cherte Fachkompetenz. Was
brüche, wie wir sie noch in den
Verwaltungsräte als Verantwortli-
«CFO of the Year Award» aus.
muss er können?
Jahren 2007/2008 erlebt haben,
che für die Strategie gewissermas-
Das Finanz- und Rech-
sollen besser abgefedert werden.
sen das Hirn.
nungswesen gehört
Akquisitionsobjekte werden heute
In diesem Bereich will Christoph
selbstverständlich zur
nüchterner beurteilt.
Lengwiler verstärkt aktiv werden.
Kernkompetenz eines
Das heisst?
Bereits besteht am IFZ ein Semi-
Finanzchefs, ebenso
Für Firmenübernahmen werden
narangebot für Verwaltungsräte
Controlling, Treasury
keine Fantasiepreise mehr bezahlt,
von Banken, und diese Expertise
Herr Lengwiler, was zeichnet
und auch Risiko-Management. Er
und im Zweifelsfall wird auf eine
soll nun vertieft und auf andere
den guten Finanzchef aus?
muss aber ebenso seine Grenzen
Akquisition verzichtet. Bei den
Branchen ausgeweitet werden.
Er muss über Führungsqualitäten
kennen und wissen, wann er Spezi-
Finanzierungskonzepten ist das
Herr Lengwiler, was macht ei-
verfügen, Kopf eines guten Teams
alisten beiziehen muss.
sogenannte Financial Engineering
nen guten Verwaltungsrat aus?
sein. Integrität und Zivilcourage
Hat die jüngste Finanzkrise
oder auch ein hoher Leverage heu-
Er muss aus der Vogelperspek-
müssen ihn auszeichnen, und
bei CFOs zu grundlegenden
te kaum mehr gefragt. Die CFOs
tive seine Firma beurteilen, die
er muss dafür sorgen, dass in
Veränderungen im Verhalten
streben eher wieder eine solide
Geschäftsleitung wohlwollend-
seinem Unternehmen die üblichen
geführt?
Eigenkapitaldecke und nachhalti-
kritisch begleiten. Vom Charakter
Corporate-Governance-Standards
Nach meiner Erfahrung ist das
ge Fremdfinanzierungen an. Bei
her müssen es starke, integre und
eingehalten werden.
nicht der Fall. Die meisten Finanz-
Letzterem wird ein Mix zwischen
teamfähige Persönlichkeiten sein,
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
37
die eben auch unbequeme Fragen
Wir haben in diesem Sommer den
soll. Von der Hochschule Luzern
Weiterbildung planen wir Angebote
stellen können.
Verein swissVR ins Leben gerufen,
aus wollen wir zusammen mit dem
für verschiedene Profile von Ver-
Eigene operative Führungser-
der in enger Zusammenarbeit mit
Verein swissVR ein modulares Ange-
waltungsräten, so für Verwaltungs-
fahrung ist dabei kein Thema?
der Hochschule Luzern – Wirtschaft
bot von Fachkursen und Seminaren
räte in KMU, in börsenkotierten
Doch, das ist durchaus wünschbar,
zu einem Netzwerk von und für
anbieten und auch anwendungsori-
Unternehmen, oder auch unter
aber ein kompetenter Verwaltungs-
Verwaltungsräte ausgebaut werden
entierte Forschung betreiben. In der
branchenspezifischem Fokus.
rat muss nicht zwingend selber als Chef eine Firma geführt haben. Wichtiger ist für ein Verwaltungsratsgremium der richtige Mix der Kompetenzen und Persönlichkeiten.
M arketing
Nebst Branchen- und Geschäfts-
Postmoderne Städte
kenntnissen sollte beispielsweise
Im Kampf um die Aufmerksam-
Hauptbahnhof Zürich ein Feeling
Architektur wird ergänzt und über-
auch Know-how im Bereich Strate-
keit der Konsumenten dringen
von Urbanität und Weltoffenheit,
lagert durch die Medienwelten, die
gie, Marketing, Finanzen und Recht
Markenstrategen immer stärker in
oder am Olympiapark in München
Grenzen zwischen dem Realen und
gewährleistet sein.
den öffentlichen Raum hinein. Was
erstrahlt die mediale Architektur
dem Simulierten verwischen sich.
Sie wollen nun an der Hoch-
in den 1930er Jahren im Times
der BMW-Welt in Licht durchflu-
Der Raum, den wir wahrnehmen
schule Luzern ein Kompe-
Square in New York mit einfachen
teter Opulenz. Marken wie Apple
und erleben, ist immer mehr eine
tenzzentrum für die Aus- und
blinkenden Werbebotschaften aus
oder Prada, BMW oder Swarovski
Mischform von realen und virtuel-
Weiterbildung von Verwal-
Neonröhren begann, sind heute
nutzen die urbane Kulisse gezielt
len Elementen.»
tungsräten aufbauen. Wieso
ganze Markenskulpturen, die mit
für die Markierung von Präsenz und
Für Brand-Manager, Designer und
das?
architektonischen und medialen
Aura. Ihre Flagship-Stores, Brand-
Architekten ergeben sich aus dieser
Das unternehmerische, aber
Mitteln das Wesen der Marke
Museen oder Pavillons profitieren
Konvergenz von Medien und Raum
auch finanztechnische oder auch
zum Ausdruck bringen, Bildinhalte
von diesen gewachsenen Orten
und die Allgegenwart von Infor-
regulatorische Umfeld wird immer
darstellen und Dienstleistungen
und verwandeln sie gleichzeitig.
mationen eine Vielfalt von neuen
komplexer, und Verwaltungs
verbessern. Diese sogenannten
«Adscreens, Medienfassaden oder
technischen und narrativen Mög-
räte müssen ihre Verantwortung
digitalen Out-of-Home-Medien ver-
digitale Szenarien in Shopping
lichkeiten, um die Aufmerksamkeit
wahrnehmen und auf Augenhöhe
längern die Online-Kommunikation
Malls oder Flagship-Stores liefern
des Konsumenten zu erregen.
mit dem Management agieren
des Internets in den öffentlichen
Bilder von ‹anderen Welten›»,
Bewegung, Licht, Bilder – all das
können. Das erfordert neue Ausbil-
Raum hinein und verändern das
sagt Ursula Stalder, die an der
funktioniert als Reizverstärker. Aus
dungsanstrengungen.
Gesicht unserer Städte. So erzeu-
Hochschule Luzern – Wirtschaft
dem Zusammenspiel von Medien
Was heisst das konkret?
gen grossflächige Screens etwa im
zum Thema forscht, «die physische
wissenschaften, Markenführung,
38
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
Szenografie, Game Design, Architek-
digitale Szenografien strategisch im
bis hin zu Z wie Zuger oder Zürcher
darüber, wie sich ein User für eine
tur und Städtebau entstehen neue
Sinne der Marke, dramaturgisch im
Kantonalbank.
E-Banking-Session korrekt ein- und
Konzepte für «Alltagsszenografien
Hinblick auf das Story-Telling, die
Das Sicherheitsportal sucht
ausloggt, Merkblätter zu verschie-
postmoderner Städte», wie das die
Erzählung einer Geschichte, und
gerade das zu vermeiden, was es
denen Fragen und Themen rund
Forscherin ausdrückt. Für die Studie-
medial effektvoll konzipiert und
traurigerweise zu vermelden gab:
um das E-Banking. Oder auch
renden gilt es dabei zu lernen, wie
umgesetzt werden können.
dass Leichtsinn oder Unwissen im
Demonstrationsfilme, die ausge-
Umgang mit E-Banking zu Schä-
wählte Sicherheitseinstellungen
den führt. Deshalb ist auf www.
am Computer veranschaulichen.
ebas.ch alles zu lesen, was es zu
Eine gute Sache, und wer sich die
diesem Thema zu wissen gibt: eine
Informationen zu Gemüte führt,
kleine Einführung über «5 Schritte
kann sich vor unliebsamen Überra-
für Ihre IT-Sicherheit», einen
schungen beim E-Banking sicherer
Sicherheitscheck, Informationen
wähnen.
O nline
Sicheres E-Banking Die Meldung prangte Mitte Juli
Gedankenlosigkeit die Horrorvor-
2011 zuoberst auf der Internet-
stellung schlechthin.
plattform www.ebas.ch: «In den
Genau deshalb haben die Be-
vergangenen Wochen veröffent-
treiber der ebas-Website diese Mel-
lichten Cyber-Kriminelle gestohle-
dung dort platziert, gewissermas-
ne Daten, darunter auch eine Liste
sen als abschreckendes Beispiel
mit tausenden von Passwörtern.
dafür, wie Leichtsinn im Internet
Nicht Selbstzweck, kein Allheilmittel
Die Analyse dieser Liste zeigt auf,
bestraft wird. Ebas steht für «E-
Das Thema ist hoch emotional
raumer Zeit das bevorzugte Lehr-,
dass viele Benutzer ein schwa-
Banking aber sicher!», ein Sicher-
und tangiert die gesellschaftliche
Forschungs- und vor allem auch
ches Passwort verwenden. So
heitsportal, welches das Institut
und politische Basis der föderalis-
Beratungsgebiet von Stephan
fanden sich in den am häufigsten
für Wirtschaftsinformatik IWI der
tischen Schweiz: die Gemeinde.
Käppeli, Dozent am Institut für
verwendeten Passwörtern einfache
Hochschule Luzern – Wirtschaft
Hier befindet sich der unmittelbare
Betriebs- und Regionalökonomie
Zeichenfolgen wie beispielsweise
im Auftrag von Schweizer Banken
Lebensmittelpunkt von der Familie
IBR. Er hat sich auf diesem Feld
12345, 99999 oder auch einfache
realisiert hat und seither bewirt-
bis zum Single, hier ist das öffent-
eine profunde Expertise angeeig-
Namen und Wörter wie beispiels-
schaftet. Als Partner mit dabei sind
liche und politische Leben noch
net. Vor über zehn Jahren schon
weise passwort.» Nicht gerade
inzwischen 15 Banken, Grosse und
oftmals im Milizsystem organisiert
begann etwa das Fusionsprojekt
originell das alles, und kein Wun-
Kleine aus der Schweizer Banken-
– ein Wesenszug der helvetischen
Willisau Stadt und Willisau Land,
der, haben die Hacker solches mit
welt, von A wie Alternative Bank
Demokratie auch dies.
später kamen die Mitarbeit im
Leichtigkeit geknackt. Für jeden
Schweiz über C wie Credit Suisse,
Die Gemeinde, genauer: die Fusio
Projekt Gemeindereform 2000+
Experten in IT-Sicherheit ist so viel
E wie Ersparniskasse Rüeggisberg
nen von Gemeinden sind seit ge-
des Kantons Luzern sowie auch
gemeindefusionen
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
39
«Das grosse Thema ist, wie Ortsteile und Quartiere in grösseren Gemeinden sich ihr Eigenleben bewahren können.»
besser tragen. Qualitativ bessere
im Land ist seit Jahren rückläufig,
Lösungen erzielen sie aber auch in
wenn auch in kantonal unter-
der Raumplanung, wenn es darum
schiedlicher Geschwindigkeit.
geht, Gewerbe- und Wohnzonen in
Dieser Trend wird anhalten. In
einem grösseren Gemeindegebiet
solch grösseren Gemeinden jedoch
räumlich adäquat zu positionieren.
gewinnt die Einbindung der
Dies hilft auch, der Zersiedelung
Einwohner in die verschiedenen
des Landes entgegenzuwirken.
Ortsteile wieder eine grössere
Fusionsabklärungen in den Kanto-
geräumt werden», sagt Stephan
«Niemals jedoch darf eine Ge-
Bedeutung. «Das ist das grosse
nen Zürich und Solothurn hinzu.
Käppeli, «sonst besteht die Gefahr,
meindefusion reiner Selbstzweck
Thema der Gegenwart und Zu-
Kürzlich coachte er im Schulhaus
dass ein durchaus sinnvolles
sein. Und sie ist auch kein Allheil-
kunft», sagt Stephan Käppeli, «wie
Hauenstein einen Workshop zum
Fusionsvorhaben an der Urne eine
mittel für rote Gemeindefinanzen»,
Ortsteile und Quartiere in grösse-
Fusionsprojekt «Olten plus», an
Abfuhr erhält.»
betont Stephan Käppeli.
ren Gemeinden sich ihr Eigenleben
dem insgesamt 53 Bewohner
Sinnvoll kann eine Fusion zweier
Der Trend der Gemeindeentwick
bewahren und Kompetenzen
von Hauenstein-Ifenthal Vor- und
oder mehrerer Gemeinden sein,
lung in der Schweiz ist jedoch ein-
und Mitsprache vor Ort verankert
Nachteile einer Fusion ihrer Ge-
wenn eine Gemeinde alleine
deutig. Die Anzahl der Gemeinden
werden können.»
meinde mit Trimbach, Wisen und
«nicht mehr überlebensfähig ist»,
Olten diskutierten. Die im Vorfeld
weiss Stephan Käppeli, «etwa, weil
einer Gemeindefusion typischen
sie wesentliche Aufgaben nicht
Ängste der Bevölkerung kamen
mehr selbstständig bewältigen
dabei auf das Tapet. Die Befürch-
kann.» Oder, wenn eine Gemeinde
tung eines Autonomieverlusts
eine strategisch motivierte Fusion
Besonderes Vertrauensverhältnis
etwa, die Angst, nach der Fusion
eingehen will, um im Standort-
Herr Thormann, Sie sind an
könnte, ist ein weitverbreiteter
in einem Parlament bei eigenen
wettbewerb attraktiver zu werden.
der Hochschule Luzern –
Irrtum. Auf der Opferseite gibt es
Anliegen überstimmt zu werden,
Einheiten mit grösserem Personal-
Wirtschaft im MAS Forensics
jedoch wiederkehrende Charakte-
oder auch der Verlust der tradier-
reservoir haben bessere Vorausset-
verantwortlich für den Teilkurs
ristika, wie zum Beispiel Vertrau-
ten dörflichen Strukturen und der
zungen in der Personalrekrutierung
Sexualdelikte. Existiert in
ens- oder gar Abhängigkeitsver-
Dorfschule. «Solche Befürchtungen
für öffentliche Stellen oder poli-
diesem Bereich ein typisches
hältnisse zum Täter.
sind typisch und müssen unter
tische Ämter, die im Milizsystem
Täter-/Opferprofil?
Gibt es ein gängiges Muster?
aktiver Mitwirkung der Bevölkerung
ausgeübt werden, oder können
Nein. Das gibt es nicht. Dass man
Häufig werden persönliche
diskutiert und wenn möglich aus-
auch allfällige Zentrumslasten
ein typisches Täterprofil erstellen
Beziehungen missbraucht, wobei
40
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
S exualdelikte
sich dies nicht auf die Familie
übrigen Alltag wohl kaum an den
Monitoring. Bei physischen Sexual
Hausdurchsuchungen durchge-
beschränkt. Das können auch
Tag legen würden.
delikten ist es meist das Opfer bzw.
führt, um Datenträger und andere
institutionelle Abhängigkeitsver-
Für den Strafverfolger: Macht
dessen persönliches Umfeld, wie
Beweise zu beschlagnahmen.
hältnisse wie beispielsweise im
es einen Unterschied, ob das
beispielsweise Eltern sowie Fach-
Und bei den anderen?
Bereich der Ausbildung sein; aber
Delikt ein physisches ist oder
stellen im Bereich der Opferhilfe,
Massgebend ist eine innert
auch im Freundes- oder Bekann-
im Internet stattfindet?
welche Anzeige erstatten.
kürzester Frist durchgeführte
tenkreis; allgemein, wo persönliche
Die Straftatbestände, die zur
Wie wird dabei ermittelt?
medizinische Untersuchung, die
Nähe oder besondere Vertrauens-
Anwendung gelangen können,
Geht es um Delikte im Internet,
der Sicherung der Beweislage bzw.
verhältnisse bestehen, wie etwa in
sind weitgehend dieselben. Die
werden nach einem Anfangs-
der Dokumentierung von Spuren
Sportvereinen, können Übergriffe
Konfrontation eines Minderjähri-
verdacht mitunter zunächst
wie Hämatomen oder äusseren
stattfinden. All das ist häufiger als
gen mit einem realen sexuellen
verdeckte Ermittler eingesetzt.
Verletzungen dient. Danach folgt
der Unbeteiligte, der irgendwo
Akt via Webcam ist nämlich
Dabei erhält beispielsweise ein
die opfergerechte Befragung, die
einem Opfer auflauert.
keineswegs virtuell. Hingegen
Polizist eine fiktive Identität, die
von einem spezialisierten Ermittler
Inwieweit existiert ein Tatort
unterscheidet sich die Art und
es ihm erlaubt, in den Chats
durchgeführt werden sollte. Ein es-
Internet?
Weise, wie ermittelt werden muss,
mit dem Verdächtigen Kontakt
sentielles Modul ist entsprechend
Das gibt es natürlich in steigen-
da andere Beweismittel erhoben
aufzunehmen, um zu ermitteln,
jenes, welches der Psychiatrie
dem Masse, und auch hier gilt: Es
werden müssen.
ob dieser zu einem persönlichen
gewidmet ist. Dieses befasst sich
gibt kein typisches Täterprofil. Al-
Woher kommt in der Regel der
Rendezvous mit einem sexuell
auch mit dem in diesem Zusam-
lerdings handelt es sich in diesem
Anfangsverdacht?
Minderjährigen gewillt wäre.
menhang eminent wichtigen
Bereich beinahe ausschliesslich
Im Bereich Internet kommt er oft
Kommt dieses zustande, handelt
Gebiet der Gutachten.
um Männer. Nebst der Verbreitung
von der Koordinationsstelle zur
es sich strafrechtlich um eine
Inwieweit werden die Stu-
und dem Konsum von Kinderpor-
Bekämpfung der Internet-Krimi-
versuchte sexuelle Handlung mit
dierenden an der Hochschule
nographie sind auch die Chats als
nalität (Kobik), gestützt auf deren
einem Kind. Jedenfalls werden
Luzern dafür ausgebildet?
«Jagdfeld» für pädophile Täter zu
Spezialisten erklären, wie bei der
erwähnen. Speziell ist, dass Täter
Spurensicherung und Einvernah-
in ihren Gesprächen sehr schnell Klartext sprechen und konkrete, sexuelle Vorschläge machen. Dabei ist eindrücklich, wie Teilnehmende an solchen Chats sich mit einer Unvorsicht verhalten, die sie im
«Geht es um Delikte im Internet, werden nach einem Anfangsverdacht mitunter zunächst verdeckte Ermittler eingesetzt.»
40 Jahre
me im Bereich der Sexualdelikte vorzugehen ist. Die Studierenden sollen entsprechend in der Lage sein, die Beweise zu erheben und dann zu würdigen, insbesondere die Aussagen, die medizinischen
Hochschule Luzern – Wirtschaft
41
Befunde und die Ermittlungsergebnisse im IT-Bereich. Nur so sind sie in der Lage zu entscheiden, ob eine Anklage zu erheben ist. Ein heikler Punkt bei diesem Delikt sind die Ersteinvernahmen der Opfer. Werden diese speziell trainiert? Es gelten zusätzliche Regeln zum
Es gilt das Bewusstsein zu
«Bei den Studierenden handelt es sich um Juristen aus den Staatsanwaltschaften, welche im Bereich des Sexualstrafrechts nicht spezialisiert sind.»
entwickeln, dass es sich für die Beschuldigten wie auch für die Opfer um ein sehr heikles Gebiet handelt; bereits ein Verdacht kann für sämtliche Beteiligten schnell enorme soziale Folgen haben. Im Bereich Internet geht es zudem darum, zu erkennen, dass das Ge-
Schutz der Opfer, insbesondere
durch das Verfahren weitgehend
wickeln – sodass die notwendigen
fahrenpotential und der potentielle
wenn es sich um Kinder handelt.
zu vermeiden, ein Opfer soll also
Beweismittel schnell und verwert-
psychische Schaden für Opfer in
Deshalb widmet sich ein spezifi-
nicht noch ein zweites Mal zum
bar sichergestellt werden können.
den Chats keinesfalls ein virtueller,
sches Modul der diesbezüglichen
Opfer gemacht werden. Deshalb
Damit kann nämlich oftmals
sondern ein sehr realer ist.
Ausbildung. Dabei geht es um op-
sollten im Gegensatz zu anderen
verhindert werden, dass am Ende
fer- und altersgerechte Befragung
Delikten auch die Befragungen auf
der Strafuntersuchung Aussage
Oliver Thormann ist seit März 2011
sowie um den Umgang damit,
maximal zwei begrenzt werden,
gegen Aussage steht. In diesem
Abteilungsleiter Internationale
dass ein Opfer gewisse intime
was die Verfahrensleiter bei der
Sinne sollen die Studierenden sich
Rechtshilfe und Zusammenarbeit
Fragen nicht beantworten muss.
Planung des Strafverfahrens
in diesem pluridisziplinären Umfeld
bei der Bundesstaatsanwaltschaft
In diesem Zusammenhang findet
berücksichtigen müssen.
erfolgreich betätigen können.
in Bern, zuvor war er Untersu-
auch eine Auseinandersetzung mit
Insgesamt, was steht als Ziel
Und auf der psychologischen
chungsrichter im Kanton Freiburg,
der Aussagenpsychologie sowie
der Ausbildung zuoberst?
Ebene?
zuständig für Sexualdelikte.
den Glaubhaftigkeitsgutachten
Bei den Studierenden handelt es
statt. Bei Sexualdelikten steht
sich in der Regel um «Allgemein-
ja oft Aussage gegen Aussage;
praktiker», um Juristen aus den
gerade deshalb ist es sehr wichtig,
Staatsanwaltschaften, welche im
sowohl die Aussage des Beschul-
Bereich des Sexualstrafrechts nicht
digten als auch die des Opfers auf
spezialisiert sind. Sie sollen in die
Ganzheitliches Verständnis
ihre Plausibilität zu überprüfen. Es
Lage versetzt werden, das gesamte
«Lange Zeit», sagt John Davidson,
zu langweilig erschien vielen das
geht hier um einen Mix zwischen
einsetzbare Instrumentarium zu
«haben Immobilien und Immo-
Thema. Zu Unrecht, wie er findet.
Verfahrensrecht und Psychologie.
kennen, um insbesondere im Rah-
bilien-Management ein Mauer-
«Immobilien sind ein bedeutendes
Wichtig ist aber auch, die soge-
men der Pikettdienste die richtigen
blümchendasein geführt.» Kaum
Standbein jeder Volkswirtschaft, das
nannte Sekundär-Viktimisierung
Reflexe für das Vorgehen zu ent-
einer habe sich dafür interessiert,
grosse Wertschöpfung generiert.»
42
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
I mmobilien
John Davidson hat Argumente auf seiner Seite: «Architekten, Bauwirtschaft, Immobilienbewirtschafter, aber auch Manager von Immobilienfonds, alle befeuern sie den Immobilienmarkt», sagt
abschluss verfügen. Ob Bachelor
«Ob Bachelor oder Master, die Studierenden müssen den Puls des Immobilienmarktes spüren.»
oder Master, die Studierenden müssen den Puls des Immobilienmarktes spüren. Dies ist John Davidson ein zentrales Anliegen. Deshalb wird er demnächst mit seiner Bachelor-
er, «zusammengenommen ist
aufgebauten Angebot erlernen
der «MAS Immobilienmanage-
Klasse eine Studienreise nach Lon-
das grosses Business, welches in
die Bachelor-Studierenden das
ment», ein Weiterbildungsange-
don unternehmen, dorthin, wo im
entwickelten Volkswirtschaften
Basiswissen zum Thema. Module
bot, bei dem die Finanz- und die
Jahre 2012 die Olympischen Spiele
über zehn Prozent des Bruttoin-
wie «Immobilien verstehen»,
Immobilienwelt zusammengeführt
stattfinden werden. Denn das, ist
landsproduktes (BIP) erwirtschaf-
«Immobilien planen & bauen»,
werden. Im Zentrum steht die
Davidson überzeugt, ist Anschau-
tet. Im Vergleich dazu trägt das
«Immobilien bewerten», «Immo-
Immobilie als eigenständige
ungsunterricht vom Feinsten: Wie
Kreditwesen lediglich rund acht
bilien bewirtschaften» sowie «in
Anlageklasse, aber auch als
sich der Immobilienmarkt an der
Prozent zum BIP bei.» Er weiss,
Immobilien investieren» fügen
Produktions-, Investitions- sowie
Themse am Vorabend des Sportan-
wovon er spricht. Der promovierte
sich zu einem ganzheitlichen
Wertschöpfungsfaktor. Bei den
lasses verändert, wie ein zum Event
Ökonom hat bei der Grossbank
Einblick in das Immobilenmanage-
Studierenden handelt es sich meist
geplantes modernes Shoppingcen-
UBS im Asset Management und
ment zusammen. «Das Interesse
um Profis, die in Architekturbüros,
ter aussehen wird, all das will der
bei dem Rückversicherer Swiss Re
ist gross», sagt Studienleiter David-
in der Bauwirtschaft, bei Banken
Studienleiter zusammen mit seinen
als Investment Professional im
son, «der erste Kurs zählte zwanzig
oder Immobilienverwaltungen
Studierenden rund um den Big Ben
Bereich Private Equity und Real Es-
Studierende, beim zweiten sind es
tätig sind und über einen Univer-
mit eigenen Augen erkunden.
tate gearbeitet. Seit 2009 ist John
bereits mehr als doppelt so viele.»
sitäts- oder einen Fachhochschul
Davidson Dozent und Projektleiter
Dies zeigt, dass das IFZ mit diesem
am Institut für Finanzdienstleis-
Angebot in der Schweizer Bildungs-
tungen Zug IFZ mit Schwerpunkt
landschaft eine Lücke schliesst
Real Estate und Private Equity in
und zur Professionalisierung der
Forschung und Lehre.
Immobilienbranche beiträgt. Die
Im Bereich Real Estate hat er
Studierenden verfügen meist über
Fülle von Daten
inzwischen mit der Schule Neuland
eine kaufmännische Ausbildung
Der Auftrag kam bereits im
tem Schweiz» die Auswirkungen
betreten: Seit diesem Jahr existiert
sowie mindestens zwei Jahre
Jahr 2004 vom Bundesamt für
der Fussball-Europameisterschaft
am IFZ im Bachelor in Business
Berufspraxis und wollen aktuelles
Sport (Baspo), und er lautete,
«Euro 2008» in der Schweiz
Administration eine Studienrich-
Wissen rund um Immobilien meist
im Rahmen des Forschungs
wissenschaftlich zu untersuchen.
tung «Immobilien» – ein Novum
für ihren Berufsalltag erwerben.
programms «Wirtschaftlichkeit
Beauftragt wurden das For-
für die Schweiz. In diesem modular
Seit 2005 existiert am IFZ zudem
und Nachhaltigkeit im Sportsys-
schungsinstitut für Freizeit und
E uro 2 0 0 8
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
43
Tourismus (FIF) der Universität Bern, die auf sozioökonomische Forschung und Beratung spezialisierte Rütter und Partner sowie das Institut für Tourismuswirtschaft ITW der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Die
Hand: Die Öffentliche Hand
«Die Analyse kann allen Wirkungsforschern im TourismusBusiness vorbehaltlos zur Lektüre empfohlen werden.»
umfassende Evaluation verfolgte
investierte rund 150 Millionen Franken in die «Euro» und leistete damit im Urteil der Autoren «einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen des Fussballfestes». Nahezu ebenso viel, insgesamt 140 Millionen Franken, nahm der
zwei Ziele:
Befragungsresultaten wurden
verschiedenen Dimensionen
Staat dank der «Euro» wieder an
• die zentralen ökonomischen,
für diese ex-ante- und ex-post-
waren folgende:
Steueraufkommen ein.
ökologischen und sozialen Nach-
Analyse zusammengetragen,
• Wertschöpfung und Beschäfti-
• Image: In Deutschland und
haltigkeitseffekte der «Euro» in
evaluiert und interpretiert. Als
gung: Die «Euro» generierte in der
Frankreich wurden Bekanntheit
ihrer Dynamik zu erfassen;
diese immense wissenschaftliche
Schweiz volkswirtschaftlich rele-
und Image der Schweiz rund
• Messmethoden zu entwickeln,
Arbeit getan war, waren fünf
vante Umsätze von 1,7 Milliarden
um die «Euro» untersucht. Es
die längerfristige Vergleiche
Dimensionen auf ihre Nachhal-
Franken, die Bruttowertschöpfung
wurde «eine leichte Steigerung
zulassen und auf andere Sport-
tigkeit hin untersucht:
betrug rund eine Milliarde Fran-
der Bekanntheit» festgestellt.
Grossveranstaltungen übertragen
1. Ökonomie, 2. Gesellschaft,
ken. Die Wertschöpfung ent-
Die Wahrnehmung der Schweiz
werden können.
3. Ökologie, 4. Infrastruktur,
sprach damit auf das Jahr 2008
vor und nach der «Euro» zeigte
Herausgekommen ist eine 566
5. Medien. Aus all diesen Berei-
hochgerechnet einem Beitrag
jedoch nur geringe Unterschie-
Seiten starke Studie «Euro 2008
chen wurden zentrale Indikato-
zum Bruttoinlandsprodukt (BIP)
de. «Das Image der Schweiz»,
und Nachhaltigkeit – Erkennt-
ren analysiert, so etwa «induzier-
von 0,18 Prozent. «Angesichts der
urteilten die Autoren, «wurde auf
nisse zu Auswirkungen und
te Logiernächte»,
Grösse der Schwei-
hohem Niveau gefestigt.»
Einschätzungen in der Schweiz».
«Mitglieder in Fuss-
zer Volkswirtschaft
• Fussballnachwuchs: Zwischen
Das Cover zeigt, durchaus
ballvereinen», «Ver-
und der Tatsache,
2000 und 2007 verzeichnete der
passend zum Anlass, den Berner
kehrsaufkommen»,
dass der Event le-
Schweizer Fussball ein Wachstum
Bundesplatz im Oranje-Meer, im
«Unterhaltungs-/
diglich rund einen
von 30’000 neuen Juniorenspie-
Hintergrund das Bundeshaus, im
Beherbergungs-/
Monat dauerte, ist
lern, allein zwischen Mai 2007
Vordergrund eben die hollän-
Medieninfrastruk-
dieser Anteil be-
und Juli 2008 meldeten sich bei
dischen Fans als Sinnbild für
tur», aber auch
achtlich», urteilen
den Vereinen 4’200 neue Junio
besonders stimmungsfreudige
«Medienpräsenz
die Autoren der
ren – demgegenüber blieb der
Anhänger des Fussballs. Eine
der Euro». Zentrale
Studie.
Anteil der Mädchen im Junioren-
Fülle von Daten, Statistiken und
Resultate aus den
• Öffentliche
fussball mit elf Prozent stabil.
44
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
• Ökologie: Für die Anreise in
Die wissenschaftliche Qualität
beurteilt die Analyse als «sehr
schern im Freizeit- und Touris-
die Stadien wurde sehr oft der
der Studie wird von Fachleuten
interessante sowie durch und
mus-Business ohne Vorbehalte
öffentliche Verkehr genutzt, be-
positiv beurteilt. Ein Rezen-
durch solide Impact-Analyse»,
zur Lektüre empfohlen werden».
sonders von Schweizern, weniger
sent der Universität Würzburg
sie könne «allen Wirkungsfor-
von ausländischen Besuchern, deren Anreise in das Land meist im Automobil oder Flugzeug
C ybercops
erfolgte. Insgesamt löste die «Euro» Treibhausemissionen von geschätzten 135’400 Tonnen
Sheriffs im Netz
CO2-Äquivalente aus, die Abfall-
Sie arbeiten im grössten Tatort
zum vier Wochen dauernden Aus-
einen Ausbildungspartner auf
menge in den Spielorten betrug
der Welt, dem Internet, nen-
bildungsgang zusammenfinden,
Hochschulstufe für die neue
pro Spieltag rund 12,4 Tonnen.
nen sich Cybercops. Und die
allesamt Angestellte staatlicher
Disziplin der IT-Ermittler suchte,
Die Auswirkungen der «Euro»,
Deutschschweizer Experten in
Behörden, Mitglieder kantonaler
lag es wohl nahe, dieses Angebot
urteilen die Autoren, können ins-
dieser neuartigen Disziplin der
Polizeicorps meist, mitunter aber
ebenfalls in Luzern anzusiedeln.
gesamt als «ökologisch verant-
IT-Ermittler werden am Institut
auch aus der Zollfahndung oder
Die ersten Teilnehmer waren noch
wortbar eingestuft werden».
für Wirtschaftsinformatik IWI der
der Wettbewerbskommission
Polizisten mit klassischem beruf-
• Fazit: In wirtschaftlicher Hinsicht
Hochschule Luzern – Wirtschaft
(Weko).
lichem Werdegang, ehemalige
war die «Euro 2008» laut Studie
ausgebildet. An unscheinbarer
Seit dem Jahr 2002 existiert
Absolventen einer kantonalen
ein Erfolg. Über ein Drittel der er-
Lokalität an der Zentralstrasse, im
dieser exklusive Ausbildungsgang
Polizeischule, die während ihres
rechneten Wertschöpfung, heisst
vierten Stock, befindet sich das
für IT-Ermittler. Dass dieser für
Berufsalltags breiten Erfahrungs-
es dort, «wurde aus dem Ausland
Sicherheitslabor, die Ausbildungs-
die Deutschschweiz in Luzern
schatz als generalistische Ermittler
induziert». Kritischer beurteilen die
stätte für IT-Ermittler. Knapp zwei
angesiedelt ist, ist glückliche
angesammelt hatten und nun
Autoren das Postulat der Nach-
Dutzend Computerbildschirme,
Fügung. Das Competence Center
spezifische Informationen im
haltigkeit. «Die Euro war kurzfristig
meist drei pro Arbeitsplatz – hier,
Forensik und Wirtschaftskrimina-
neuen Gebiet der IT-Ermittlungen
betrachtet bezüglich aller unter-
im geschützten Raum, üben die
lität (CCFW) existierte schon am
suchten. «Das Profil der Kursteil-
suchten Dimensionen weitest-
zukünftigen Cybercops für zukünf-
IWI – ein Ausbildungsgang für
nehmer hat sich inzwischen stark
gehend nachhaltig», schreiben
tige Einsätze im World Wide Web.
Profis, die mit der Verhinderung,
verändert», sagt der zuständige
sie, «bei einer längerfristigen
Es ist eine geschlossene Gesell-
Aufdeckung, Verfolgung oder
Dozent Maurizio Tuccillo, «heute
Betrachtung waren die Effekte
schaft, handverlesen sind die
auch prozessualen Aufarbeitung
sind es oft Informatiker, polizeili-
auf die nachhaltige Entwicklung
Teilnehmer vom Schweizerischen
von Straftaten betraut sind. Als
che Quereinsteiger mit IT-Hinter-
jedoch eher bescheiden.»
Polizei-Institut (SPI), die sich hier
das Schweizerische Polizei-Institut
grund.»
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
45
Kaum verändert haben sich
können. Immer geht es darum, im
Sind sie fündig geworden, beginnt
zuhanden der auftraggebenden
jedoch die Erwartungen an
Rahmen einer Spurensicherung
nach der technischen Auswertung
Staatsanwaltschaft verfasst und
den Kurs zum IT-Ermittler. «Oft
Daten mit objektiver Aussage-
die eigentliche Interpretation
der auch in die Gerichtsakten
herrscht die Vorstellung, eine Art
kraft zu erlangen, die vor Gericht
des Sachverhalts. Es geht um die
einfliesst. Nicht selten ist dieses
Kochbuch in die Hand zu bekom-
juristisch verwertbar sein müssen,
Frage: Können die gefundenen
Beweisstück ausschlaggebend für
men», sagt Tuccillo, «Rezepte
mit dem Ziel, die untersuchten
Daten einwandfrei einer verdäch-
den Ausgang eines Gerichtsver-
als Anleitung zur Lösung von in
Vorkommnisse nachvollziehbar
tigten Person zugeordnet werden?
fahrens.
Bearbeitung befindlichen Fällen.»
darzulegen.
Oder wurde deren IT-Anschluss
Dermassen präpariert, gehen die
Dieses Bild demontiert der Dozent
Dabei müssen gefundene Daten
von Dritten missbraucht? Das zu
Kursteilnehmer als Cybercops wie-
noch jedes Mal zu Beginn des
im Hinblick auf ein zu unter-
eruieren erfordert vom Ermittler
der in ihren Berufsalltag zurück.
Kurses. Pauschalrezepte gibt es
suchendes Delikt interpretiert
einen kühlen Kopf, detektivischen
Im Wissen, dass sie einen Werk-
nicht, da jeder Fall, jedes Delikt
werden. Für die Kursteilnehmer
Spürsinn und vor allem eine nüch-
zeugkasten für IT-Ermittlungen
sich anders präsentiert. Und nach
bedeutet dies mitunter einen
terne, präzise Sprache. Am Schluss
mitnehmen. Und auch, dass erst
dem Kurs hat der Teilnehmer
Ausflug ins Mathematische. Sie
steht schliesslich der schriftliche
die Erfahrung den wahren Meister
zwar eine «gewaltige Lernkurve»
machen Bekanntschaft mit dem,
Bericht, den der IT-Ermittler meist
macht.
hingelegt, wie Tuccillo das nennt,
was IT-Experten den Hash-Wert
aber mehr als ein Anschub in
nennen, einem technischen digi-
die weite und komplexe Welt der
talen Fingerabdruck, der jedem
IT-Ermittlungen kann auch dieser
Datensatz eigen ist. Haben etwa
nicht sein.
im Kampf gegen die Kinderpor-
Grundlagen der IT, die Funktions
nografie zwei im Rahmen einer
weise von Computern und Netz-
Fahndung sichergestellte Daten-
Beratung zwischen Management und Politik
werken, stehen am Anfang, dann
mengen den gleichen Hash-Wert,
Oliver Kessler, studierter Staats-
Non-Profit-Organisationen (NPO/
aber geht es im Sicherheitslabor
handelt es sich um ein und
wissenschaftler, ist heute Leiter
NGO) führte ihn sein Weg zum
ans Eingemachte. Die Cybercops
denselben Inhalt, etwa das iden-
Public and Nonprofit Manage-
Sozialdepartement der Stadt
in spe erhalten im Laufe der
tische Bild. Nicht das Bild selber
ment am Institut für Betriebs-
Zürich, wo er im Bereich Bildung
Ausbildung einen «technischen
steht dabei für den IT-Ermittler
und Regionalökonomie IBR.
sowie berufliche und soziale
Werkzeugkasten» in die Hand,
im Zentrum des Interesses,
Wirtschaft, Politologie, Recht
Integration tätig war. Dabei
wie Tuccillo das nennt, durch
sondern der digitale Fingerab-
und Publizistik faszinierten ihn
hat er den öffentlichen und den
den sie verschwundene Daten
druck, den dieser beispielsweise
an der Universität, und nach
Non-Profit-Sektor fundiert kennen
wieder herstellen, entschlüsseln
auf einer konfiszierten Festplatte
diversen beruflichen Erfahrungen
gelernt. Seit 2003 ist er nun am
oder Spuren im Internet sichern
hinterlassen hat.
in der Privatwirtschaft und in
IBR, und wieder ist sein Tätigkeits-
46
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
P ublic and N onprofit M anagement
gebiet mehrdimensional: Leitung
spezifische fachliche Fragestellun-
ten Beratungsauftrag, um die
kompetenz erfordert», sagt Oliver
eines Kompetenzzentrums und
gen beispielsweise im Sozial- und
Umsetzung des neuen Finanzaus-
Kessler.
eines Weiterbildungs-Masters,
Gesundheitsbereich.» Oft werden
gleichs im Behindertenbereich.
Die Studierenden laufen keine
Lehre, Forschung und eben auch
solche Projekte auch in Zusam-
Acht Kantone sind gemeinsam
Gefahr, dass ein Dozent vor ihnen
Beratung; alles befruchtet sich
menarbeit mit der Hochschule
die Auftraggeber, zwei externe
steht, der nicht aus der Praxis
gegenseitig und kommt so auch
Luzern – Soziale Arbeit durchge-
private Beratungsunternehmen
weiss, wovon er spricht. Und die
den Studierenden und Kunden
führt, mit der vor einigen Jahren
wie auch die Hochschule Luzern
Beratungsmandate, welche Oliver
zugute.
ein gemeinsamer Themenschwer-
– Soziale Arbeit sind als fachliche
Kessler und seine Kolleginnen
«Meist kommen die Beratungs-
punkt «Soziales und Ökonomie»
Partner involviert, und punktuell
und Kollegen des IBR bearbeiten,
anfragen von öffentlichen oder
ins Leben gerufen wurde. Gefragt,
werden auch Behinderten-
haben für die Hochschule Luzern
von Non-Profit-Organisationen
auf welches aktuelle Projekt er
Organisationen miteinbezogen.
noch einen weiteren Effekt:
‹von selbst› zu uns», sagt Oliver
besonders stolz sei, braucht Oliver
«Ein anspruchsvolles, spannendes
Gelder, die über diesen Weg in die
Kessler, «für Strategieentwicklung,
Kessler nicht lange zu überlegen.
und langfristiges Projekt, politisch
Kasse fliessen, werden wieder in
Führungsfragen, Organisati-
Es geht dabei um einen unter
und fachlich komplex, welches viel
Forschungs- und Entwicklungspro-
onsgestaltung oder eben auch
anderem politisch interessan-
Entwicklungsarbeit und Prozess-
jekte investiert.
B etäubungsmittel D elikte
Drogen gegen Geld Zürich, Selnaustrasse. Hier, an
auch viele Drogen – harte, wie
in rollendem Züridüütsch, «ist der
Vorermittlungen wie auch Über-
eher unscheinbarer Lage, in
Kokain oder Heroin, neuartige,
Fall juristisch klar: Das ist immer
wachungsmassnahmen oder
eher schmucklosem Büro, amtet
wie sogenannte Party-Drogen
illegal, und zur Aufklärung solcher
umfangreiche Spurensicherung.
Christian Meier. Als Abteilungs-
von Amphetaminen bis Ectasy,
Verbrechen muss das gesamte
«Das», sagt er, «macht auch die
leiter Betäubungsmitteldelikte
aber auch weiche wie Cannabis.
forensische Arsenal aufgefahren
Faszination meines Jobs aus»,
der Staatsanwaltschaft II des
«Geht es um Drogen», sagt Meier
werden.» Dazu gehören geheime
und die Leidenschaft des Juristen
Kantons Zürich ist er Ankläger
für seinen Beruf ist durchaus
für Drogen-Verbrechen im
spürbar.
bevölkerungsreichsten Kanton im Land. Wo viele Menschen sind, zeigt die Erfahrung, sind
«Am Anfang ist jeder Fall anders, und am Schluss ist jeder Fall gleich.»
40 Jahre
Sein Wissen aus jahrelanger Praxis gibt Christian Meier auch an der Hochschule Luzern –
Hochschule Luzern – Wirtschaft
47
Wirtschaft weiter. Dort existiert
gleiche: Drogen gegen Geld –
dagegen kommt oftmals über
del ohne Spuren», sagt Meier,
seit wenigen Jahren ein Master of
und der Täter will immer nur das
die sogenannte Balkanroute aus
«das gibt es nicht.»
Advanced Studies MAS Forensics,
eine – möglichst schnell, mög-
den Erzeugerländern in Richtung
Diese zu erkennen, auszuwerten
ein exklusiver Ausbildungsgang
lichst einfach, möglichst viel Geld
Afghanistan in die Schweiz,
und prozessfähig zu machen, ist
für die Deutschschweiz, der sich
machen. Doch wie er das tut,
meist in Automobilen, versteckt
ein Ausbildungsziel des Nach
vorab an Strafverfolger kantonaler
dem sind praktisch keine Grenzen
in 500-Gramm-Portionen. Die
diplomstudiengangs. Aber auch
oder Bundes-Staatsanwaltschaf-
der Kreativität gesetzt. Da gibt es
Feinverteilung im Land über-
das Bewusstsein der Studie-
ten wendet, juristisches Personal
den Kokain-Dealer, der ein oder
nehmen dann oftmals illegal
renden dafür zu schärfen, dass
also mit einigen Jahren Berufs-
gar 1,5 Kilo Stoff in Zehn-Gramm-
anwesende Klein-Dealer meist
im Drogenhandel keine in sich
erfahrung, welches sein Wissen
geschlossene Personengruppe die
systematisch erweitern und vertie-
Beschaffungskette vom Erzeuger
fen will. Mitunter tauchen in den Kursen jedoch auch ganz andere Berufsbilder auf und sind dort durchaus auch willkommen – eine stellvertretende Chefärztin einer psychiatrischen Klinik etwa und
«Im Drogenhandel deckt keine geschlossene Personengruppe die Beschaffungskette vom Erzeuger bis zum Endkunden ab.»
auch schon einmal eine Polizistin
bis zum Endkonsumenten abdeckt, sondern dass dazwischen verschiedene Täterkreise weitgehend unabhängig voneinander agieren: Der Lieferant etwa, der den Stoff in das Land bringt, will kassieren und schnell wieder ver-
oder eine Gerichtsschreiberin. Sie
Portionen schluckt und mit
albanischer Herkunft, die das He-
schwinden. Möglicherweise gibt
alle erwarten von dem Nachdip-
diesen im Magen direkt aus dem
roin mischen, strecken und dann
es Mittäter, Hintermänner und
lomstudiengang vorab das eine:
südamerikanischen Erzeugerland
in Fünf-Gramm-Portionen an den
angeheuerte Kuriere. Dann der
Input aus der Praxis, anwendbar
in die Schweiz einfliegt. Es gibt
Endkonsumenten weiterverkaufen
Klein-Dealer, der die Feinvertei-
für die tägliche Arbeit. Dafür ist
Schmuggler, die fischen das
– das Albaner Feufi nennt die Sze-
lung übernimmt, und schliesslich
Christian Meier der richtige Mann.
Kokain vor der galizischen Küste
ne dieses Produkt. So kreativ die
der Endkonsument. «Für Ermittler
Er kennt das Metier.
aus dem Meer und verteilen
Einschleusung des Stoffes auch
und Strafbehörden ist wichtig
«Am Anfang», sagt er, «ist jeder
dieses dann quer über Europa
vor sich gehen mag, wird ein
zu wissen, wo sie eingreifen kön-
Fall anders, und am Schluss ist
– der Stoff gelangt meist über
Täter erwischt, läuft ein immer
nen», sagt Meier, «ermittelt wird
jeder Fall gleich.» Für den Laien
Westafrika via Iberische Halbinsel
gleicher Film ab. Zwischen dem
immer nach oben. Wir wollen
ein einigermassen erstaunliches
auf den Alten Kontinent, wird
sichergestellten Stoff und dem
nicht 200 Konsumenten dingfest
Statement. Für den Praktiker ist
aus Schiffen oder Flugzeugen ins
mutmasslichen Täter muss mit
machen, und bei den Lieferan-
jedoch klar: Die Grundstruktur
Meer geworfen und dann von
allen Mitteln ein direkter Bezug
ten im Ausland sind uns auch
ist bei diesem Delikt immer die
Schmugglern aufgegriffen. Heroin
hergestellt werden. «Drogenhan-
die Hände gebunden. Deshalb
48
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
versuchen wir, die Hintermänner
folger von Betäubungsmittel-
gen orientieren sich keinesfalls an
weisführung und Anklageschrift.
dingfest zu machen, die den Stoff
delikten on the job und im
der Theorie. Anhand eines Falls
Alles mit dem Ziel, Drogen-
in die Schweiz einführen.»
Learning-by-doing-Verfahren
aus dem Alltag der Strafbehörden
Dealer vor Gericht zu überführen.
Den Studierenden wird dabei
ausgebildet wurden, steht heute
muss das Gelernte erfolgreich
«Solchen Leuten das Handwerk
ein möglichst umfassendes Big
ein strukturierter und umfassen-
angewandt werden, als Symbiose
zu legen und sie auszuschalten»,
Picture aus der Praxis vermittelt.
der Weiterbildungs-Master mit
aus kriminaltaktisch geschicktem
meint Meier, «dafür lohnt es sich,
Sie hören über den Anfangs-
Dozenten aus der Praxis. Und
Vorgehen, prozessualem Recht
Arbeitszeit aufzuwenden.»
verdacht, der oft auf einen
auch die abschliessenden Prüfun-
und einer klar formulierten Be-
anonymen Hinweis einer sitzen gelassenen Freundin, einer betrogenen Ehefrau, eines über den Tisch gezogenen Konkurrenten zurückgeht. Von Vertretern
Museen
eines Grenzwachtcorps erfahren
Partizipatives Web
sie, was zu tun ist, wenn an
Die Frage, um die es ging, sollte
praktisch in der Ist-Zeit agieren
die mit der Zeit gehen, durchaus
der Grenze ein Zufallsfund von
Vergangenes mit Gegenwärti-
und ohne Unterlass mit der Welt
auch Erlebnischarakter haben
Drogen erfolgt. Sie erhalten Infor-
gem, ja Zukünftigem verbinden
kommunizieren können, in wel-
und Exponate für die Gegenwart
mationen aus erster Hand über
und beides in einen Zusammen-
chen auch die Grenzen zwischen
und Zukunft interpretieren und
Schmuggelwege, Herkunftsländer
hang bringen: Wie können
kommentieren sollten.»
und Märkte und darüber, wie die
Schweizer Museen, die
Doch die Frage des Um-
Zusammenarbeit zwischen ermit-
naturgemäss oft vergan-
gangs mit Social Media
telnder Polizei und auswertender
genheitsorientiert sind, für
blieb hartnäckig im
Staatsanwaltschaft zu laufen
ihre Kommunikation nach
Raum, und um darauf
hat, bis Letztere wasserdichte
aussen moderne interakti-
eine Antwort zu finden,
Haftanträge formulieren kann. Es
ve Social Media nutzen? Auf der
Informanten und Rezipienten
startete im Frühjahr 2010 das
werden aber auch eine kantonale
Zeitachse befinden sich Museen,
sich praktisch auflösen. «Eine sol-
Forschungsprojekt «Audience+:
Heroinabgabestelle oder eine
die Objekte aus vergangener Zeit
che Betrachtungsweise hat etwas
Museen und das partizipative
Drogenentzugsanstalt besucht –
sammeln und ausstellen, schliess-
für sich», sagt Barbara Kreyen-
Web». Daran beteiligten sich der
das Bemühen, eine umfassende
lich irgendwie am anderen Ende
bühl, Leiterin für Kommunikation
Verband Museen Schweiz (VMS)
Ausbildung zu gewährleisten, ist
der Zeitachse von Facebook oder
und Marketing beim Museum
sowie sieben Museen mit ganz
augenscheinlich.
Twitter, den modernen, agilen
für Kommunikation, Bern, auch
unterschiedlicher Ausrichtung
Wo in früheren Zeiten Strafver-
und interaktiven Medien, welche
wenn sie einwirft, «dass Museen,
und Trägerschaft: das Aargauer
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
49
Kunsthaus, Augusta Raurica
finanzielle und personelle Mittel,
hinter die Kulissen des Museums,
für eine Standortbestimmung,
Kaiseraugst, das Freilichtmuseum
Social-Media-Plattformen zu
etwa durch Back-Stage-Infos
aber auch die Entwicklung von
Ballenberg, das Museum für
unterhalten. Doch dies diente uns
über den Auf- und Abbau von
institutionsspezifischen oder
Kommunikation, Bern, das Natur-
als Inspirationsquelle für eigene,
Ausstellungen ist für diese über-
übergreifenden Strategien von
museum Luzern, das Nidwaldner
wenn auch meist viel bescheide-
durchschnittlich Interessierten ein
Bedeutung ist, und zwar für die
Museum sowie das Schaulager
nere Möglichkeiten.
guter Ansatzpunkt, und dies kann
gesamte Museumslandschaft
in Basel. Als Projektpartner wurde
Was bedeutete dies für die
auch Communities zusammen-
der Schweiz. Und als vielleicht
die Hochschule Luzern – Wirt-
eigene Arbeit nach Abschluss
bringen. Schnell wird klar, was
konkreteste Auswirkung verfügen
schaft verpflichtet.
des Forschungsprojekts?
auf Resonanz stösst, und was
nun praktisch alle teilnehmenden Museen über einen Facebook-
Frau Kreyenbühl, was war dabei die Rolle der Hochschule Luzern – Wirtschaft? Für die meisten dieser Museen war der Einsatz von Social Media damals noch ein Fremdwort.
und Twitter-Account, die sie
«User auf Facebook oder Twitter sind direkter anzusprechen als auf traditionellen Informationskanälen.»
Die Hochschule Luzern hat den
in den Kommunikationsmix einbeziehen. Zumindest für das Museum für Kommunikation geht die Zusammenarbeit mit der Hoch-
Rahmen vorgegeben, Workshops
Wichtig für die Teilnehmer war
nicht funktioniert, ist auch schnell
schule Luzern weiter. Im Herbst
organisiert, Themen vorgegeben
wohl die Erkenntnis, dass User
wieder weg. Diese Erkenntnis und
soll eine Ausstellung «Warnung:
und Experten dazu eingeladen.
auf Facebook oder Twitter ganz
der Austausch untereinander war
Kommunizieren gefährdet Ihre
Was war die Erkenntnis?
anders, direkter anzusprechen
für uns alle sehr wertvoll.
Gesundheit!» eröffnet werden,
Dadurch haben wir erfahren, was
sind als auf konventionellen In-
Was bleibt nun von
in der spielerisch und mit einem
etwa im angelsächsischen Raum
formationskanälen. Ebenso, dass
Audience+?
Augenzwinkern die heutige
State of the Art beim Einsatz
Social Media erst durch Dialog
Wir haben bestehende Social-
Informationsflut und der Um-
von Social Media in Museen ist.
und Vernetzung wirklich lebendig
Media-Konzepte aus dem
gang damit thematisiert werden
Kulturelle Institutionen in den
werden.
Kultursektor auswerten und im
– Facebook und Twitter werden
USA, wie beispielsweise das Mu-
Konkret?
Hinblick auf deren Einsatz in der
dort natürlich ebenfalls Thema
seum of Modern Art (MoMa) in
Um Friends und Fans zu erhalten,
Vermittlung, Kommunikation,
sein, und es erscheint folgerichtig,
New York, sind uns in der Schweiz
müssen im Netz interessante und
Kuration oder Sammlung der
dass die Erfahrungen der Hoch-
in dieser Hinsicht natürlich um
exklusive Informationen bereitge-
verschiedenen Museumskonzep-
schule Luzern mit Social-Media-
Lichtjahre voraus und verfü-
stellt werden, die andere so nicht
te analysieren können. Daraus
Plattformen auch dabei einen
gen auch über entsprechende
unbedingt erhalten. Der Blick
resultierte eine Systematik, die
Beitrag leisten können.
50
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
« W omen ’ s B usiness »
«Eine klare Minorität» Frau Mazumder, Sie sind Do-
Thema das Projekt bereichern
Nein. Eben gerade nicht. Männer
verständlich auch Forschungser-
zentin für Banking & Finance
sollten. In einem ersten Schritt
sitzen in den Podien, werden als
gebnisse einfliessen lassen. Das
am Institut für Finanzdienst-
entstand die «Women’s Finance
Referenten geladen und sitzen
Projekt dient also der Wissensge-
leistungen Zug IFZ und haben
Conference», heute heisst sie
auch im Publikum. Ich bin gar
nerierung und -verbreitung, und
die Plattform «Women’s Busi-
«Women’s Business Conference»,
kein Fan von Women-only-Ver-
die Anlässe sollen für das Thema
ness» auf die Beine gestellt.
die seither jährlich im November
anstaltungen, ausser es handelt
sensibilisieren und vernetzen.
Was war die Absicht?
stattfindet. Das Leitthema der
sich um Seminare zu eigentlichen
Wie soll es denn vorangehen?
Die Idee dafür bestand schon vor
Konferenz ist stets breit und
Finanzthemen, wo sich gemäss
Bei unseren direkten Kontakten
mir am IFZ und wurde mir nach
mit Unternehmen zeigen wir
meiner Anstellung als Projekt
natürlich immer wieder auf, wie
übertragen. Meine Ko-Projektleiterin Gabrielle Wanzenried und ich haben die Thematik mit Forschung zum Thema aufgegriffen; so beschäftigte sich die erste Studie beispielsweise mit
«Bei unseren Kontakten in die Unternehmen zeigen wir immer wieder auf, wie der Frauenanteil erhöht werden kann.»
den Geschlechterverteilungen in
der Frauenanteil erhöht werden kann, und vor allem, weshalb das auch aus ökonomischer Sicht wichtig und richtig ist. Und wir machen dasselbe auch bei den Frauen selber, denn auch sie müssen oft einiges verändern, wenn
Organisationen und in Schwei-
sie in einer Geschäftsleitung oder
zer Unternehmen. Das Resultat
themenübergreifend, wie zum
unserer Erfahrung Frauen im
in einem Verwaltungsrat Einsitz
brachte einen klaren, wenig
Beispiel «Zivilcourage» oder «Res-
geschlossenen Kreis wohler
nehmen wollen.
überraschenden Befund: Der
sourcenverantwortung». Zwar
fühlen und entsprechend mehr
Warum macht das die Hoch-
Frauenanteil in Geschäftsleitun-
soll es immer einen Finance/
profitieren können.
schule Luzern? Will sie beim
gen und Verwaltungsräten liegt
Banking-Aspekt beinhalten, der
Warum machen Sie das?
Thema Frauen einfach auch
je nach Branche zwischen vier
auch thematisiert wird, aber eben
Wollen Sie die zehn, elf Pro-
noch mitsurfen?
und zehn Prozent, im besten Fall
auch weitere Gesichtspunkte
zent Frauenanteil nach oben
Für uns ist das Projekt keine Frage
vielleicht einmal bei elf Prozent.
einbeziehen. Das Thema wird in
bewegen?
von Zeitgeist oder Marketing.
Eine klare Minorität also.
spannenden Referaten aus ganz
Mit diesen Veranstaltungen allein
Es ist die Überzeugung, dass,
Was kam nach der Studie?
unterschiedlichen Blickwinkeln
geht das natürlich nicht. Aber
falls wir in unserem Kerngebiet
Es war klar, dass es nicht bei der
behandelt und diskutiert.
es ist eine neutrale Plattform für
Finanzdienstleitungen einen hö-
Forschung bleiben soll, sondern
Und da sind dann nur Frauen
Networking und für den Informa-
heren Frauenanteil erreichen, die
dass Anlässe und Seminare zum
zugelassen?
tionsaustausch, wo wir selbst-
Unternehmen durch die bessere
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
51
Durchmischung ihres Führungs-
Oder dass man die Kinder bis
Herausforderungen konfrontiert.
ruflich positionieren können – es
personals mehr Geld verdienen
18 Uhr aus der Krippe abgeholt
Sie werden oft nicht mehr als
gibt bei uns deshalb keine Opfer
können. Wir sind Ökonomen, und
haben muss, ansonsten es eine
vollwertig angesehen, und ihre
und Täter, richtig oder falsch, gut
als solche bearbeiten wir das
Busse setzt, ist ein Umstand, der
Karriere ist mit einer echten
oder schlecht. Die Geschlechter
Thema.
sich oft wenig mit einer leitenden
Teilzeitstelle beendet. Wir
sind unterschiedlich, was gut
Wieso das?
Position vereinbaren lässt. Andere
setzen uns deshalb bei unseren
und richtig ist, aber ökonomisch
Alles ist dann heterogener, sprich
Gründe liegen in den Unterneh-
Forschungen bewusst dafür ein,
könnten und müssten wir diese
breiter aufgestellt: die Informa-
men selber.
dass sich Frauen und Männer frei
Unterschiedlichkeiten besser
tionsbedürfnisse, die Risikobe-
Inwiefern?
und nach ihren Vorstellungen be-
nutzen.
wirtschaftung, es herrscht eine
Immer wieder berichten uns
andere Motivationskultur und
Frauen, dass ihnen gerade in der
vieles mehr, was in der Summe
Finanzindustrie die männlich
dazu führt, dass das ökonomi-
geprägten Unternehmenskultu-
sche Resultat besser ist. Ausser-
ren nicht behagen. Die gelebten
dem sind heute in der Schweiz
Werte, die zu einem hierarchi-
Exotisches und Erbauliches
mehr als die Hälfte der Studien-
schen Aufstieg führen, die Ziele,
Der Fachmann nennt diesen
Nebenwerte, und darunter gibt
absolventen Frauen. Diese bilden
die Motivationen, die Art der
Handel «over the counter» (OTC),
es Exotisches, Erstaunliches und
wir für gutes Geld aus, lassen
Kommunikation untereinander
zu Deutsch: «über den Tresen».
Erbauliches. Die Zürichsee-Fähre
dieses Potential dann aber brach
usw. – all das entspricht vielen
Hierzulande hiess das Phänomen
Horgen-Meilen AG etwa, die
im Markt; das macht ökonomisch
Frauen nicht. Sie verzichten dann
früher «Telefonhandel». Heute
Lyceum Alpinum Zuoz AG, die
und gesellschaftlich wenig Sinn.
entweder darauf, die Karriere
läuft das alles tipptopp elektro-
Zoo Zürich AG oder die Neue
Woran liegt das?
leiter weiter hochzusteigen, oder
nisch. Gemeint ist der Kauf und
Zürcher Zeitung AG, von der eine
Gute Frage. Die Vereinbarkeit von
aber sie machen sich selbststän-
Verkauf von Wertschriften, welche
Namenaktie in Spitzenzeiten
Familie und Beruf ist sicherlich
dig, um nach ihren Vorstellungen
nicht über die stark reglemen-
über 200’000 Franken kostete.
eine Haupthürde. Wir hören
arbeiten zu können.
tierte Börse abgewickelt, sondern
Oder, auch ein kleines Bijou, das
entsprechend auch immer wieder
Gibt es keine Männer, denen
ausserbörslich gehandelt werden.
Wädi-Brau-Huus. Eine schöne
von Frauen, dass es für sie wenig
es ähnlich geht?
OTC- oder auch Telefonhandel
Aktienlandschaft kleiner unter-
sinnvoll ist, zwei, drei Tage pro
Natürlich. Das Thema ist im
klingt irgendwie handgestrickt,
nehmerischer Perlen tut sich da
Woche arbeiten zu gehen, wenn
Grunde keine frauenspezifische
vielleicht sogar einen Tick
auf. Diesem Forschungsgebiet hat
dann der gesamte Verdienst
Angelegenheit. Männer, die
unseriös. Doch das täuscht gewal-
sich Philipp Lütolf verschrieben.
durch die Kosten der Kinderbe-
beispielsweise Teilzeit arbeiten
tig. In der Schweiz existieren rund
Der promovierte Ökonom ist
treuung wieder aufgefressen wird.
wollen, sehen sich ebenso mit
500 sogenannte nicht kotierte
Dozent am Institut für Finanz-
52
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
N icht kotierte A ktien
dienstleistungen Zug IFZ und
Bank also, die seit einigen Jahren
gefahren als bei Investments in
Finanzkrise hielten sie sich mit
vielfältig im Thema engagiert. In
eine elektronische Plattform für
börsenkotierte Aktien – voraus-
Verlusten von lediglich rund
der Schriftenreihe des Instituts
den Handel mit Nichtkotierten
gesetzt, ein Investor verfolgt
zehn Prozent erstaunlich gut.
hat er Bücher über «Publikumsge-
betreibt.
keine Strategie der kurzfristigen
«Diese Aktien», sagt Lütolf aus
sellschaften auf dem OTC Markt»
«Von den 500 Titeln sind über
Spekulation, sondern verfügt über
Erfahrung, «sind eben defensiver
oder «Ausserbörsliche Aktien als
300 praktisch illiquide, weil die
einen langen Anlagehorizont.
als die Titel an der Börse.» Von
Kapitalanlage» herausgegeben,
Aktien in festen Händen sind und
Beim Internet-Bubble um die
seinem geballten Wissen aus der
beim Swiss Equity Magazin
nicht in den Handel kommen»,
Jahrtausendwende verloren die
Forschung profitieren auch die
schreibt er als Teilzeit-Redaktor
sagt Lütolf, «bei vielleicht siebzig
Aktien an der Börse mitunter bis
Studierenden am IFZ. Dort lehrt
über nicht kotierte Aktien, und für
Titeln finden regelmässige Kauf-
zu vierzig Prozent ihres Werts,
Dozent Lütolf das Fach «Corpo-
die Berner Kantonalbank (BKB)
und Verkaufsaktivitäten statt.»
während die Nichtkotierten im
rate Finance» sowie «Finanz- und
formuliert er Analysten-Berichte
Und wer dort investiert, ist in den
Wert praktisch konstant blieben.
Investitionsmanagement».
über exakt diese Titel – bei jener
vergangenen Jahren oft besser
Auch während der jüngsten
Kann eine Schweizer Privatbank
MAS in Brand and Marketing
gibt es Möglichkeiten, Social-
ges Konzept mit dem Titel «Julius
moderne Social-Media-Kanäle für
Management das Modul «Online
Media-Kanäle zu nutzen. 2. Das
Bär Research Podcast – Verstehen,
ihr Marketing nutzen? Verträgt
Communication and Marketing»
im Nachdiplomstudium Gelernte
was an den Märkten passiert», und
sich solches mit dem Gebot der
absolvierte. Noch während der
lässt sich bei seinem Arbeitgeber
dieses ist bestechend einfach und
Diskretion, mit dem Bankkunden
Ausbildung war für den Marketing-
unmittelbar in die Praxis umset-
mit überblickbaren Kosten verbun-
geheimnis? Kann es sich eine
Profi der Bank Julius Bär zweierlei
zen. Für die Abschlussarbeit des
den. Die Analysten der Bank, so die
Privatbank überhaupt leisten, die
klar. 1. Auch für eine Privatbank
Moduls formuliert er ein 20-seiti-
Idee, sollten von professionellen
B anking
Podcast im Netz
Kunden über das Internet direkt
Moderatoren befragt werden und
anzusprechen? Wenn ja, welche
ihr Wissen über Marktentwick-
Ziele liessen sich damit erreichen? Solche Gedanken wälzte André Sidler, als er in Luzern im Rahmen seines Nachdiplomstudiums zum
«Auch für eine Privatbank gibt es Möglichkeiten, Social-Media-Kanäle zu nutzen.»
40 Jahre
lungen einmal wöchentlich via Podcast für Interessierte zugänglich machen. In fünf Minuten das aktuelle Marktgeschehen
Hochschule Luzern – Wirtschaft
53
G ewaltdelikte
kompakt zusammengefasst in
Menschliche Abgründe
einer allgemein verständlichen
Mit Mord und Totschlag hat er
verurteilen, ist das für mich klar.
«Gewaltdelikte» fungieren.
Sprache – dies ist die Grundidee.
fast täglich zu tun. Sein Amtssitz
Ich bin von meinem Job fasziniert
Zweifellos eine sinnvolle Insti-
Die Bank positioniert sich damit
liegt an unscheinbarer Adresse
wie am ersten Tag.
tution ...
als fortschrittliches Unternehmen,
am Zürcher Helvetiaplatz unweit
Mord und Totschlag sind aber
... das ist so. Es ist eine Pionier-
welches das Potenzial der Social
der Langstrasse, dem Rotlichtmi-
nie eine erfreuliche Sache.
leistung der Hochschule Luzern
Media zu nutzen beginnt, ihre
lieu der Stadt. Wer Ulrich Weder,
Da haben Sie natürlich recht. Aber
– Wirtschaft, dieses Bedürfnis
Fachkompetenz über einen moder-
dem Amtsleiter der für Gewaltde-
die Arbeit ist vielfältig und an-
erkannt und auch praktisch umge-
nen Vertriebskanal zusätzlich ver-
likte zuständigen Staatsanwalt-
spruchsvoll. Sie haben immer mit
setzt zu haben.
breitet und dadurch auch ein jün-
schaft IV, gegenübersitzt, trifft
Menschen, mit deren Schicksalen
Was wollen Sie den Studieren-
geres Zielpublikum anzusprechen
auf einen Mann, dem sein raues
und auch Abgründen zu tun.
den Grundsätzliches vermit-
vermag. Die Vorgesetzten von
Metier kaum anzusehen ist: von
Langweilig wird es hier jedenfalls
teln?
André Sidler erkennen sofort, dass
eher feingliedriger Gestalt, mit
nicht.
Die meisten unserer Studierenden
ihr Angestellter eine bestechende
hoher Denkerstirn und wachen
Idee aus Luzern mitgebracht hat,
Augen hinter einer Hornbrille,
Als Ulrich Weder anfing, herrschten
Staatsanwaltschaften, die sich
und es dauert nur wenige Wochen,
gemahnt er eher an einen
für junge Staatsanwälte, die sich
neben anderem auch mit Gewalt-
bis der Podcast unter www.julius-
Feingeist denn an einen Chef von
mit Gewalt- und anderen Delikten
delikten zu beschäftigen haben.
baer.ch/podcast erstmals online
Strafverfolgern von Mördern und
auseinanderzusetzen hatten, noch
Davor haben die meisten einen
ist. Selbstverständlich sind darauf
Totschlägern.
geradezu archaische Zustände.
grossen Respekt und wollen es
Eine eigentliche Ausbildung exis-
um jeden Preis vermeiden, Fehler
keine Verkaufspromotionen zu
kommen ja aus allgemein tätigen
hören, sondern sachliche Analysen
Herr Weder, warum machen
tierte nicht, der Nachwuchs wurde
zu begehen. Bei uns erhalten sie
von Marktentwicklungen, und je
Sie diesen Job?
einfach in ein Büro gestellt und
Inputs von Praktikern, die Theorie
komplexer diese werden, desto
Die Strafjustiz gilt ja nicht als Krö-
hatte «on the job» schwimmen zu
und Praxis gut verbinden können.
mehr Widerhall finden sie bei den
nung der Juristerei. Diese gehört
lernen oder eben nicht.
Ziel ist dabei, ihnen durch die
Empfängern. Die Nutzungszahlen,
gemeinhin den Wirtschaftsanwäl-
sagt André Sidler, sind jedenfalls
ten. Wenn Sie mich aber fragen,
Seit einiger Zeit existiert an
fahrungen bei der Ermittlung und
steigend. Und bereits konnte
was interessiert mehr: eine Firma
der Hochschule Luzern – Wirt-
der Anwendung des Strafprozess-
die nächste Evolutionsstufe des
X, ein Unternehmen Y, das fünf
schaft der MAS Forensics für
rechts eine gewisse Selbstsicher-
Konzepts initiiert werden, die ab
Millionen Franken unter dubiosen
Staatsanwälte, die in ihrem
heit zu geben. Denn wer unsicher
Herbst eine Zusammenarbeit mit
Umständen verschiebt, oder ein
Job auch mit Gewaltdelikten
ist, macht dumme Fehler, die sich
einer der führenden Privatradio
Tötungsdelikt, bei dem es gilt,
zu tun haben, wo Sie als Ver-
vor Gericht rächen können.
stationen in der Schweiz vorsieht.
einen Täter zu überführen und zu
antwortlicher für den Teilkurs
54
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
Vermittlung von Fakten und Er-
Staatsanwälte, die sich mit
schliesslich fungiert er in einem
Nein. Jeder Fall ist anders und
meint er: «Es sind sicher weniger
Gewaltdelikten beschäftigen
Strafprozess von der Strafanzeige
vieles Erfahrungssache. Aber wie
als noch in den 1990er Jahren.
müssen, erhalten Einblick in
bis zum rechtskräftigen Urteil als
gesagt, wir wollen ein Bewusst-
Die vollendeten Tötungsdelikte
die ungeheuren technischen
wichtiger Verfahrensbeteiligter,
sein schaffen für das, was etwa
haben abgenommen, die ver-
Fortschritte, welche in den
und auch im Vorverfahren bis zur
an einem Tatort zu tun ist.
suchten dagegen zugenommen.»
vergangenen Jahren bei der Spu-
Anklage spielt er einen wichtigen
Nun gibt es neben dem Opfer
Warum das so ist, dafür hat der
rensicherung und -auswertung
Part. Er vergibt die Aufträge an
ja auch den mutmasslichen
Staatsanwalt sich aus seiner
erzielt wurden. DNA-Spuren etwa,
die Rechtsmedizin, die Forensik
Täter. Inwieweit vermitteln
Erfahrung «ein paar Theorien»
eine «eigentliche Revolution in
oder auch an die Polizei, wenn
Sie Ihren Studierenden auch
zurechtgelegt. Zum einen: Die
der Beweisführung», urteilt Ulrich
es darum geht, Spuren aufzu-
in dieser Hinsicht juristische
medizinischen Mittel haben sich
Weder, Mikrospuren von Haaren
bereiten, damit sie vor Gericht
Schützenhilfe?
enorm entwickelt, der Notarzt ist
oder Blut, Fingerabdrücke – vieles
verwertbar sind.
In den vergangenen zwanzig
schneller vor Ort – das hilft Leben
kann heute sichtbar gemacht und
Jahren wurden die Prozessrech-
retten. Zum anderen: In der
einem möglichen Täter zugeord-
Ist ein Staatsanwalt, der sich
te zum Schutz mutmasslicher
Disco- und Party-Szene kommt es
net werden. In der Rechtsmedizin
im Nebenamt mit Gewalt
Täter enorm ausgebaut, und die
immer wieder zu mehr oder weni-
haben neuerdings bildgebende
delikten zu beschäftigen hat,
Prozessordnungen sind komplexer
ger spontanen Messerstechereien.
Untersuchungsverfahren Eingang
nicht notgedrungen überfor-
und auch formalisierter gewor-
Im harmloseren Fall resultiert
gefunden, bei denen nach einem
dert?
den. Dadurch steigt die Gefahr
daraus eine einfache Körperver-
Tötungsdelikt die Leiche mittels
Wir sprechen hier ja nicht nur von
von Verfahrensmängeln; und dies
letzung, die mit einem kurzen
eines Computertomographen
auf Gewaltdelikte spezialisierten
führt im Extrem dazu, dass ein Tä-
Spitalaufenthalt zu beheben ist;
gescannt wird. Der daran ange-
Staatsanwaltschaften, die sich
ter nicht überführt werden kann.
im schlimmsten Fall ist ein Tö-
schlossene Computer setzt dann
zudem wie in Zürich auf profes-
Auch das ist natürlich Thema des
tungsdelikt die Folge. Da rebelliert
die Bilder der Gewebeschnitte
sionelle forensische und rechts-
Studiengangs. Alles dient ja dem
bei Ulrich Weder das Juristenherz:
zu einem Ganzen zusammen.
medizinische Organisationen
Ziel, eine Straftat aufzuklären
«Wer einen Menschen mit einem
So kann etwa der Einschuss oder
stützen können. Es geht auch um
oder sie eben auszuschliessen.
Messer am Kopf, Hals oder Ober-
der Schusskanal einer Kugel
Staatsanwälte, die im Rahmen
auch dann noch anschaulich
ihrer Pikettdienste mit Gewaltde-
Die entscheidende Frage ist nun:
Tod des Opfers in Kauf», urteilt
dargestellt werden, wenn der Tote
likten konfrontiert werden.
Haben die Tötungsdelikte dank
er, «diese Sicht setzt sich auch
längst bestattet ist. Für einen
Ein erfolgversprechendes
verbesserten forensischen Metho-
langsam durch.» Und auch die
Staatsanwalt sind die Kenntnisse
Schema, welches zu vermit-
den und verstärkter Ausbildung
Studierenden werden für diesen
über diese Möglichkeiten von
teln wäre, existiert aber doch
abgenommen? Ulrich Weder
Zusammenhang sensibilisiert.
entscheidender Bedeutung,
wohl nicht.
denkt lange nach. Schliesslich
körper verletzt, nimmt immer den
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
55
veranstaltungen
M aster in B anking and F inance
Brücken in die Praxis
Begehrt auf dem Arbeitsmarkt
Lehre und Forschung gehören für
denten Daniel Vasella verpflichten
Herr Dietrich, Sie leiten seit
Forschungsprojekt zum Einfluss
eine Hochschule zusammen wie si-
konnte. Oder, als Tatbeweis der
2008 den ersten Master-
der Währungsentwicklung auf den
amesische Zwillinge. Für die Hoch-
regionalen Verwurzelung des
Studiengang in Banking and
Unternehmenserfolg.
schule Luzern – Wirtschaft kommt
«Zentralschweizer Wirtschaftsfo-
Finance auf Hochschulstufe
Forschung steht also an erster
hinzu, dass sie grosse Anstren-
rums», welches 2011 zusammen
in der Schweiz. Was war das
Stelle?
gungen unternimmt, Brücken in
mit der Zentralschweizerischen
Motiv, diesen einzurichten?
Im Master-Studiengang ist eine
die Praxis zu bauen. Unter diesem
Handelskammer HKZ erstmals
Der Lehrgang setzt auf der Stu
gute Balance zwischen Wissen-
Slogan realisiert sie jedes Jahr ein
durchgeführt worden ist. Und auch
dienrichtung Finance and Banking
schaftlichkeit und Praxisrelevanz
umfangreiches Veranstaltungspro-
das «KMU Forum Zug», welches
im Bachelor an und erlaubt den
wichtig.
gramm. Da gibt es beispielsweise
inzwischen bei der 15. Ausgabe an-
Studierenden eine zusätzliche
Für welche Jobs sind die Ab-
ein «Forum für Familienunter-
gelangt ist, die «Women’s Business
Qualifikation. Der Lehrgang hat
solventen prädestiniert?
dem Institut für Finanzdienstleis-
Der Master-Studiengang offeriert
tungen Zug IFZ ermöglicht, in der
spannende berufliche Chancen.
«Jedes Jahr realisiert die Hochschule Luzern – Wirtschaft ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm.»
Forschung in zusätzliche praxis
Die Einsatzmöglichkeiten sind
relevante Gebiete vorzudringen.
vielfältig. Viele arbeiten später
Zum Beispiel?
für Banken. Wir finden sie hier
Studierende beschäftigen sich
im Firmenkundengeschäft, im
etwa mit Forschungsfragen zu
Investment Banking oder im
nehmen», Trendworkshops zum
Conference», die im laufenden Jahr
Immobilienfinanzierungen mit
Private Banking. Ebenso gibt es
Thema «Positive Leadership» oder
bereits zum sechsten Mal stattge-
Pensionskassengeldern oder wie
aber auch andere, welche eher
auch «Abende der Weiterbildung».
funden hat. Kurz vor Jahresende,
sich regulatorische Liquiditäts-
im Risk Management und in den
Da existieren aber auch Aktivitäten
Ende November 2011, steht dann
vorschriften auf die Stabilität von
Finanzabteilungen von Unterneh-
mit grosser, weit über die Region
noch eine einmalige Veranstaltung
Finanzdienstleistern auswirken.
men aller Branchen arbeiten.
hinausstrahlender Wirkung. Etwa
auf dem Programm: die Jubiläums-
Zurzeit müssten Sie den Ein-
Wie begehrt sind die Abgän-
das «World Tourism Forum», wel-
feier 40 Jahre Hochschule Luzern
fluss von Währungsschwan-
ger auf dem Arbeitsmarkt?
ches mittlerweile als Gipfeltreffen
– Wirtschaft. Ein Grund zum Feiern
kungen auf die Unterneh-
Vom ersten Zyklus fanden alle
der internationalen Tourismussze-
ist das allemal. Das Departement
mensbilanzen erforschen.
sofort einen anspruchsvollen Job.
ne gilt. Oder der Jahres-Event des
Wirtschaft ist schliesslich zu einer
Wir planen zusammen mit der
Ein Zeichen für die Akzeptanz des
Instituts für Finanzdienstleistungen
festen Grösse in der Zentralschwei-
Swiss Association of Corporate
Studienganges ist auch, dass sich
Zug IFZ, welcher in diesem Jahr als
zer Bildungslandschaft geworden.
Treasurers (swissACT) und meh-
die Anmeldungen zum Master seit
reren Unternehmen ein grösseres
2008 praktisch verdoppelt haben.
Gastreferenten den Novartis-Präsi-
56
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
A ustauschprogramme
alumni
Globaler Mobilitätsförderer
Netzwerk der Ehemaligen
Gordon Millar ist Dozent am
Hochschule Luzern ihr Austausch-
Seit drei Jahrzehnten existiert an
Öffentlichen Verwaltung oder in
Institut für Kommunikation und
programm über die europäischen
der Hochschule Luzern – Wirtschaft
Non-Profit-Organisationen. Der
Marketing IKM und in seinem
Grenzen hinaus ausgedehnt,
eine Organisation der Ehemaligen
Reigen ist so gross wie das Ange-
Zweitjob als Leiter des Internatio-
verfügt über Partnerschaften mit
– gegründet 1981 als «Gesellschaft
bot der Hochschule Luzern – von A
nal Office der Hochschule Luzern
Bildungsinstitutionen in der Welt,
Luzerner Betriebsökonomen HWV/
wie ABB, dem Amt für Wirtschaft
so etwas wie der globale Mobili-
baut diese immer weiter aus und
FH» (GLB), die sich im Jahre 2008
und Arbeit, über B wie Baker &
tätsförderer der Studentenschaft.
ist auch Mitglied in einschlägigen
auf «Alumni Hochschule Luzern
McKenzie, der Bank Vontobel, oder
Mit rund fünfzig Hochschulen
internationalen Organisationen.
– Wirtschaft» umgetauft hat und
die Bio-Familia AG, C wie Credit
und Universitäten weltweit, von
Eine andere Disziplin der Mobilität
sich heute als Berufsverband der
Suisse, D wie die Schweizerische
Belgien bis Thailand, von einem
bearbeitet das Zentrum für Ler-
Absolvierenden versteht. Wie es sich
Post, G wie Gemeinde Ebikon oder
Alesund University College in
nen und Lehren mit dem Projekt
für einen modernen Berufsverband
Emmen, die Glencore International
Norwegen bis zur Universidad de
«Distance Learning». Im Auftrag
Valladolid in Spanien pflegt die
der Hochschulleitung sollen bis
Hochschule Luzern ein Aus-
Ende Jahr konkrete Empfehlungen
tauschprogramm für Studierende,
für die Erweiterung der Hard- und
welches sich über die ganze
Software-Infrastruktur für die Do-
Institution erstreckt.
zierenden ausgearbeitet werden.
Es begann vor 16 Jahren, als die
Es geht darum, ein «Distance
Europäische Union das sogenann-
Learning Center» aufzubauen,
geziemt, existieren auch Xing- oder
oder das Grand Casino St.Gallen,
te Erasmus-Programm auflegte,
welches Lernen über Distanz und
Facebook-Gruppen der Alumni der
über S wie SBB, Schindler oder
benannt nach dem Gelehrten
Zeitzonen erlaubt. Dazu gehören
Hochschule Luzern – Wirtschaft. Die
Schweizer Fernsehen und Schwei-
Erasmus von Rotterdam. Dieses
etwa Video-Conferencing, virtuelle
Vereinigung zählt heute rund 800
zer Luftwaffe, U wie UBS oder
Programm fördert die Mobilität
Klassenräume oder auch Internet-
Ehemalige und 350 Studierende zu
Universität Basel oder St.Gallen bis
und den Austausch der Studieren-
basierte Lernplattformen. «Dies»,
ihren Mitgliedern.
zu V wie Verkehrsverbund Luzern
den in Europa, gewährt finanzielle
sagt Projektleiter Marco Sommer,
Es ist ein starkes Netzwerk, welches
und VZ Vermögenszentrum, W wie
Unterstützung und gewährleistet
«wird es uns in Zukunft auch
sich hier herausgebildet hat, und
Weltklasse Zürich bis zu Z wie Zeit-
die Anerkennung im Ausland
erlauben, über das Internet mit
wer sich die Liste der heutigen
geist Lebensstil GmbH und Zürcher
erbrachter Studienleistungen –
anderen Hochschulen zusammen-
Arbeitgeber der Ehemaligen zu
Hochschule der Künste. Ehemalige
und das Nicht-EU-Land Schweiz
zuarbeiten.»
Gemüte führt, findet Alumni
der Hochschule Luzern – Wirtschaft
ist in dieses Programm vollständig
als Selbstständige, in den KMU
sitzen (fast) überall.
integriert. Inzwischen hat die
und auch in Grosskonzernen, der
«Alumni der Hochschule finden sich in KMU und Konzernen, in der Öffentlichen Verwaltung oder bei NGOs.»
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
57
MENSCHEN Alumni Studierende Dozierende Direktion und Rektorat
58
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
Sie sind die Bewohner der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Sie lernen und forschen, lehren und dozieren. Sie kommen aus der Wissenschaft und aus der Praxis. Gesichter einer Hochschule.
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
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Diego Yanez: TV-Chefredaktor HWV-Absolvent 1986
Welttheater Die Umzugskiste ist unausgepackt. An den Wänden weisse Flecken, wie Wunden markieren sie, wo einst die Bilder des Vorgängers hingen. Immerhin: Ein Sitzungstisch, schwarzes USM-HallerMobiliar sind stehen geblieben. Ein Büro im Übergang und der, dessen Name nun an der Tür steht, hat es noch nicht wirklich in Besitz genommen: Diego Yanez, TV-Chefredaktor. Seit Anfang 2011 ist er im Amt, und dass er sich hier Wochen nach der Ernennung noch keineswegs heimisch niedergelassen hat, passt durchaus zu seinem Charakter. In einem offiziellen Lebenslauf des Schweizer Fernsehens sagt er über seine Interessen: «Alles, was die Welt bewegt» – Büro einrichten gehört nicht dazu. Ein Mann, eher schmal gebaut, in der unprätentiösen Journalisten-Uniform – Hemd, ärmelloser Pullover, Bluejeans –, sitzt am Tisch, nippt an seinem Kaffee und sinniert darüber, wie es ihn mit 52 Jahren in dieses Chefbüro verschlagen hat. Geboren im spanischen Alzira im Rennpfer d von ein Hinterland von Valencia, aufgewachsen im soloem Diego Yan ez, TV-Che Journalisten: thurnischen Dornach, zum Betriebsökonomen fredakto r ausgebildet an der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV) Luzern, wie die Bildungsstätte in den 1980er Jahren noch hiess, verspürte Diego Yanez einen brennenden Berufswunsch: Journalist zu werden. Heute ist er Chef über 400 Journalisten und 23 TV-Sendungen, von der ehrwürdigen «Tagesschau» bis zum boulevardesken «Glanz und Gloria». «Verrückt», entfährt es ihm, und dann sprudelt es aus ihm heraus, wie dieser keineswegs geradlinige und nicht geplante Weg hierher verlaufen ist. Diego Yanez formuliert mit Nachdruck. Der TV-Mann, der eine Botschaft in wenigen Sendeminuten zu veranschaulichen hat, ist auch im Interview ohne Kamera stets auf Sendung. Er gestikuliert, zeichnet Sprachbilder. Lässt
60
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
live die Berufsjahre Revue passieren und muss immer wieder re», sagt er heute mit einer Prise Ungläubigkeit in der Stimsuchen – «ja, wo war ich denn da gerade?» Diese Selbstbe- me, «inzwischen sind es über zwei Jahrzehnte.» Der TV-Virus lässt Yanez nicht mehr los, er hält es nirfragung hat ihren Grund: Länger als drei bis vier Jahre hat es gends lange aus, will mit der TV-Kamera das Welttheater dieser Wirbelwind nirgends ausgehalten. Zu Beginn der 1980er Jahre findet er sich als junger live erleben. Er ist bei den Ersten, die für ein neues TV-NachDevisenhändler bei der damaligen Schweizerischen Bank- richtenformat namens «10 vor 10» arbeiten, er reist in osteugesellschaft (SBG) in Zürich wieder und fragt sich: Will ich ropäische Krisengebiete und wochenlang durch Russland, mich jeden Tag mit der Frage beschäftigen, ob der Dollar dazwischen schneller Kofferwechsel zu Hause. Er berichtet steigt oder fällt? Die Antwort ist kurz und bündig: «Nein!» über die Nahost-Friedensverhandlungen in Oslo und sagt So meldet er sich an der HWV zum Studium der Betriebs- zu seinem damaligen «10 vor 10»-Chef: «Wir brauchen einen wirtschaft an. «Wirtschaft hat mich interessiert», sagt Ya- Korrespondenten in Israel.» Und der entgegnet: «Gehst du?» nez, «sie hilft, unsere Gesellschaft zu verstehen.» Das drei- Er geht. Zusammen mit seiner Partnerin. Drei Jahre lang. jährige Studium sei eine gute Basis für seinen beruflichen Und dort, an der Demarkationslinie eines Weltkonflikts, Werdegang gewesen. Allein schon deswegen, und nun blitzt lebt er seine journalistische Leidenschaft hemmungslos aus. Ein Leben auf der Überholspur ist dies. Gibt es Schatder Schalk hinter seinen Brillengläsern auf, weil dieses ihn zur Disziplin gezwungen habe. «Nicht mein Naturell», be- tenseiten? Die Antwort kommt wieder knapp und präzise, als würde die Kamera mitkennt er freimütig, «ich bin laufen. «Ich hatte immer zu mit einem gewissen Chao «An der HWV habe ich gelernt, die wenig Zeit für meine Frau tismus gesegnet.» An der und die drei Kinder», sagt er, HWV habe er aber gelernt, Dinge nicht nur intuitiv, sondern «dies zu verschweigen hiesdie Dinge nicht nur inuitiv, auch schematisch anzugehen.» se lügen.» Und noch etwas sondern auch schematisch schiebt er nach, was ihm anzugehen. Noch während er an der HWV büffelt, springt ihm wichtig erscheint: All das sei nur möglich gewesen, weil ihm eine Annonce ins Auge. Das CVP-Blatt Vaterland, heu- seine Partnerin stets den Rücken freigehalten habe. Und nun sitzt dieses Rennpferd von einem Journaliste in der Neuen Luzerner Zeitung aufgegangen, suchte damals einen wirtschaftlich versierten Studierenden für ten also in einem Chefbüro, während draussen in der Welt Aushilfsarbeiten auf der Redaktion. Yanez ist zur Stelle. die Post abgeht. Statt daran teilzuhaben, hockt Diego YaJetzt spürt er die Leidenschaft, die er als Devisenhändler nez heute in Sitzungen, fällt Personalentscheide und wacht nie hatte, und mit dem HWV-Diplom in der Tasche bleibt über Budgets – wo zumindest sein seinerzeit gelerntes beer zunächst beim Vaterland als Wirtschaftsredaktor. Dann triebsökonomisches Wissen wieder zum Einsatz kommt. vergrössert er Schritt für Schritt seinen journalistischen Aber sonst? Langes Nachdenken. Und dann kommt seine Aktionsradius: zunächst bei der Presseagentur Schwei- Antwort nüchtern wie ein TV-Statement: «Ein Stück weit», zerische Politische Korrespondenz (spk) in Bern, dann sagt er, «habe ich ausleben können, was mich getrieben bei der Sonntagszeitung in Zürich und schliesslich beim hat.» TV-Wirtschaftsmagazin «Netto». Er kämpft anfänglich mit dem eher schwerfälligen Medium, das Schreiben erscheint ihm unmittelbarer. Doch dann verliebt er sich ins M edium Fernsehen. Hoffungslos. «Ich dachte, ich bleibe zwei Jah40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
61
Pia Maria Brugger Kalfidis HWV-Absolventin 1995
Regionaler
Immer wi ed Pia Maria er lernen: Brugger Kalfidis, Gemeind eschreib erin, Ebik on
62
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
«Pia Maria Brugger vertritt eine neue Generation Frauen», diktierte die grosse alte Dame der CVP, Judith Stamm, im Jahre 1999 der Frauenzeitschrift annabelle in den Schreibblock: «Sie hat sich eine gute Ausbildung geholt, trägt als Parteipräsidentin der CVP Stadt Luzern politische Verantwortung und ist in den Grossen Rat des Kantons Luzern gewählt worden.» Die Luzerner Ex-Nationalrätin folgert: «Ich kann mich angesichts solcher Nachfolgerinnen getrost zurücklehnen, Frauenpower ist selbstverständlich geworden!» Zwölf Jahre später. In einer Zürcher Pizzeria sitzt eine zierliche Person in gestreifter Bluse, das halblange, dunkle Haar ordentlich mit einer Spange gebändigt, am Tisch. Was sofort auffällt: ein strahlendes Lachen, helle Mädchenstimme, wache Augen hinter einer eher strengen Brille. Der Empfang ist ausgesprochen warmherzig. Pia Maria Brugger freut sich, dass sie über «ihre» HWV, die höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule Luzern, wie sie damals noch hiess, berichten kann. Schliesslich, sagt sie, hätten die drei Jahre Ausbildung zur Betriebs ökonomin ihr gesamtes Leben verändert. Die Folge: Seit vergangenem Jahr ist sie Mitglied der Geschäftsleitung des von ihr mitinitiierten Verkehrsverbunds Luzern, zuständig für Strategie und Entwicklung. Der Höhepunkt von zehn langen Jahren, in denen sie zunächst als Geschäftsführerin den Zweckverband öffentlicher Agglomerationsverkehr Luzern (ÖVL) führte und diesen dann zum Verkehrsverbund Luzern fusionierte. Darauf, sagt sie mit Nachdruck, ist sie stolz. Fünfzig Jahre alt wird Pia Maria Brugger heuer. Sie hat in den vergangenen zwanzig Jahren ein gewaltiges Pensum gestemmt. Zeit also, Bilanz zu ziehen. Das vergangene Jahr
Verkehr 2010 war ein schwieriges Jahr für die Ex-Politikerin, über- sen Leidenschaft für das Thema sozusagen mit Händen zu schattet von einem Trauerfall in der Familie. Sie, die sich über greifen gewesen ist. Kaum fertig mit dem Studium, geht es Schlag auf Schlag. Jahrzehnte als Politikerin rastlos für das öffentliche Interesse eingesetzt hatte, entschloss sich im Frühjahr, eine Kandida- Das Gelernte kommt umgehend zum Einsatz. Als Projektleitur für den Regierungsrat auszuschlagen. «Schweren Her- terin bei der Schuldirektion der Stadt Luzern setzt sie genau zens», sagt sie, denn es wäre ihr Wunsch gewesen, einmal in das um, worauf sie sich drei Jahre vorbereitet hat: Sie orgader Exekutive tätig zu werden. Sie hat die Herausforderung nisiert Medienkonferenzen, formuliert griffige Botschaften – verschoben – nicht zuletzt, um das Leben mit der Familie dem Marketing-Dozenten sei Dank – und übernimmt die Leiintensiver geniessen zu können. Sie schüttelt energisch den tung von Projekten. Dabei kommt sie zwangsläufig auch mit Kopf, das Schlimmste sei nun vorbei, sagt sie. «Ich bin ein der Politik in Berührung. Sie ist fasziniert von diesem neuen Mensch, der stets nach vorne schaut und sich dem stellt, was Metier. Als Quereinsteigerin bei der CVP bahnt sich eine kokommt.» 2010 sei ein Krisenjahr gewesen, 2011 werde ein Er- metenhafte Karriere an: 1997 ist Pia Maria Brugger CVP-Präsidentin der Stadt Luzern und folgsjahr. Das klingt nach wird 1999 in den Kantonsrat Lebenslust, fast wie eine «Ohne das Studium an der HWV gewählt. Ein Amt, das sie ein kleine Kampfansage. Jahrzehnt lang ausübt. Sich stellen, an sich wäre dieses berufliche Leben ganz Und so kommt sie auf arbeiten, sich weiterentwianders verlaufen.» Umwegen, als Mitglied kanckeln und immer wieder tonaler Geschäftsprüfungslernen. Das ist der Motor, der Pia Maria Brugger vorwärtstreibt. Das war schon vor kommissionen, erneut mit ihrer alten Ausbildungsstätte, der zwanzig Jahren so, als die kaufmännische Angestellte an ei- HWV, in Kontakt. «Ein lustiger Zufall, nicht?» Nun sind es wenem Punkt angelangt war, an dem nur eine gute Zusatzaus- niger studentische als vielmehr bildungspolitische Themen, bildung neue berufliche Ziele eröffnen konnte. «Ich wollte die im Vordergrund stehen. Die Einführung von BachelorVerantwortung tragen, auf eine höhere Entscheidungsebene und Master-Studiengängen, die Angleichung europäischer gelangen und selber bestimmen können, wohin die berufli- Studienabschlüsse auf Tertiärstufe sind Entwicklungen, welche Reise gehen soll.» Deshalb schrieb sie sich an der HWV che die Politikerin Pia Maria Brugger begrüsst. «Für die wirtzum Studium ein. «Ich war mit meinen dreissig Jahren eine schaftliche Positionierung der Schweiz ist es wichtig, dass der ältesten unter den ohnehin wenigen Frauen», erinnert sie unsere Studierenden ausländische Universitäten besuchen sich mit einem Lächeln im Gesicht, «aber ich habe die Schule können und ausländische Studierende wiederum unsere Bildungsstätten.» unheimlich genossen.» Trotz grosser Leidenschaft für das Öffentliche ist BrugFür die Studentin tut sich eine neue, faszinierende Welt auf. Gierig saugt sie alles Wissen auf, was ihr die Dozieren- ger nicht sicher, ob sie nach ihrem Rücktritt als CVP-Kanden präsentieren. Strategie- und Organisationsentwicklung tonsrätin ein zweites Mal ein politisches Amt bekleiden will. sowie Restrukturierungs-Thematiken werden zur bevorzug- Es gibt so viel anderes, was denkbar ist: zum Beispiel der Job, ten Materie. Wenn sie daran denkt, breitet sich erneut dieses den sie im Herbst 2011 angenommen hat. Pia Maria Brugger strahlende Lächeln auf ihrem Gesicht aus. «Wissen Sie was, wird Gemeindeschreiberin in Ebikon – als erste Frau über– das sind bis heute meine starken Themen geblieben.» Mit haupt. Sicher ist: Ohne das Studium an der HWV wäre dieses glühenden Wangen hörte Pia Maria Brugger aber auch den berufliche Leben ganz anders verlaufen. Worten des «fantastischen» Dozenten für Marketing zu, des40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
63
Julia Henseleit
Tourismus & Mobilität, Bachelor of Science in Business Administration Abschlussjahr 2011
Praktisches Management
Julia Hen
seleit, st
udiertE T ourismu
s & Mobilit
ät
Praktisches Management ist ihr Ding. Julia Henseleit, 24, hört gebannt zu, wenn an ihrem Institut Dozierende aus der Praxis berichten. Kürzlich etwa war Luzerns Tourismusdirektor Marcel Perren zu Besuch und referierte über Bestrebungen, Gemeinden rund um den Vierwaldstättersee – Weggis oder «Was ich hier schätze, sind Vitznau etwa – touristisch mit die kleinen, überschaubaren Luzern zu verbinden. «Das ist aktuell und daher sehr interesKlassen. Der Kontakt sant, auch in der Diskussion», zwischen Lehrenden und sagt die blonde Nidwaldnerin. Lernenden ist intensiv.» Sie setzt sich gerne kritisch mit ihrem Umfeld auseinander. Ihr Wunsch, Erlerntes praktisch umsetzen zu können, hat bei dieser Studentin einen beruflich-biographischen Hintergrund: Bevor Julia Henseleit sich an der Hochschule Luzern für Tourismus & Mobilität einschrieb, hatte sie bereits zwei Jahre lang touristische Erfahrungen als Mitarbeiterin der Bergbahnen Titlis
64
40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
Rotair sowie in einem Hotel gesammelt. «Ich empfinde es als sehr positiv, dass in unseren Lehrgängen Berufspraxis vorausgesetzt wird», sagt sie. «Das vereinfacht das Studium, da vieles nicht gänzlich neu ist und es somit stärker darum gehen kann, Wissen zu vertiefen.» Zum Tourismus kam Julia Henseleit auf Umwegen. Die Tochter von deutschen Einwanderern wuchs in Stans auf und studierte nach der Matura zunächst Medien- und Kommunikationswissenschaften in Fribourg. Das jedoch entpuppte sich für sie als eine zu theorielastige Ausbildung – statt wissenschaftliche Bücher zu wälzen, wollte Julia Henseleit lieber mit dem wirklichen Leben draussen, den Menschen, in Kontakt treten. Die Eindrücke bei der Bergbahn und im Hotel waren immerhin stark genug, dass sie sich entschloss, das Thema Tourismus an der Hochschule Luzern weiter zu vertiefen. «Was ich an der Hochschule Luzern schätze, sind die kleinen, überschaubaren Klassen», meint sie und streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. «Jeder einzelne Studierende ist sehr intensiv am Unterricht beteiligt.» Das stärker schulische System in Luzern steht im Gegensatz zu dem, was sie an der Universität in Fribourg erlebt hatte. Dort herrschte grosse Anonymität, eine Chance, Dozierende persönlich kennenzulernen, gab es praktisch nicht. Hier, an der Hochschule Luzern aber, meint Julia Henseleit, sei das ganz anders – der Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden sei sehr intensiv. Aus dem touristischen Leben gegriffen ist auch die Seminararbeit, an der sie im Frühjahr gearbeitet hat. Es geht um eine Machbarkeitsstudie für den Bau eines Hotels. Das kam den Neigungen der Studentin sehr entgegen. Sie konnte à fond recherchieren und gewissermassen am praktischen Objekt ihr Wissen anwenden. «Wir mussten», sagt sie rückblickend, «alles selbst berechnen: vom Kauf der Parzelle bis hin zur fertig eingerichteten Küche.» Das Arbeitspensum, das es in Luzern zu bewältigen gilt, ist ohnehin gross. Allein im vergangenen Semester etwa verfasste Julia Henseleit vier Seminararbeiten, und nun folgt die Bachelor-Prüfung. Auch die will vorbereitet sein. Das Thema der schriftlichen Arbeit: «Women in Business».
Jonas Wenger
Bachelor of Science in Wirtschaftsinformatik Im Studium seit 2009
Welt der Bits und Bytes
Jonas We ng informati er, Studiert Wirts k chafts-
«Luzern», sagt er und macht eine Handbewegung Richtung See, «ist für mich die schönste Stadt der Schweiz.» Folgerichtig, dass Jonas Wenger das urbane Zentrum am Vierwaldstättersee und die Hochschu«Das Studium schenkt mir le Luzern wählte, als er eine moderne Ausbildungsstätte viele Freiheiten und für das Studium der WirtErfahrungen, die ich später kaum mehr nachholen kann.» schaftsinformatik suchte. Etwas unruhig rutscht der gross gewachsene, schlanke Mann auf seinem Stuhl herum, fast so, als wäre Stillsitzen sein Ding nicht. Sportliche Aktivitäten und Bewegungsdrang liegen Jonas Wenger wohl im Blut, jahrelang hat er aktiv Handball gespielt, und heute steht er auf dem Snowboard. Berge mit coolen Pisten gibt es ja genug rund um seine Lieblingsstadt. Zwei Jahre studiert er schon in Luzern, im Sommer 2011 folgt der Bachelor. 40 Jahre
Genug Zeit, um sich in der Zentral schweiz bestens einzuleben und das Studentenleben in vollen Zügen zu geniessen. Vier Jahre Lehre als Informatiker bei Novartis in Basel hat er erfolgreich hinter sich gebracht und weiss jetzt umso mehr «die Freiheiten an der Hochschule zu schätzen», wie er sagt. Sein Studiengang der Wirtschaftsinformatik ist mit 16 Studierenden überblickbar, und Jonas Wenger schätzt den persönlichen Umgang und dass ihn die Lehrenden beim Namen kennen. Wie es ist, wenn der Einzelne in der Masse fast untergeht, hat er während seiner Lehre im Grosskonzern schliesslich erfahren: «Da bist du lediglich eine Nummer.» Jonas Wenger wusste, dass er sich nach der Lehre weiterbilden wollte. «Was ich gelernt hatte», sagt er heute, «war zu wenig herausfordernd.» Ein Bekannter, ein Wirtschaftsinformatiker, brachte ihn auf die Idee, an einer Hochschule einen Abschluss in Wirtschaftsinformatik zu machen; er googelte sich durch das Thema und befand: Wirtschaftsinformatik, das ist es. Die Welt der Bits und Bytes von Grund auf zu verstehen, die Bausteine der Informatik zu kennen, wissen, wie ein Betriebssystem funktioniert – all das wollte sich Jonas Wenger aneignen. Das Lernprogramm an der Hochschule Luzern sei interessant, meint er, aber auch anspruchsvoll, und die Wochen vor Semesterende, wenn Prüfungen anstehen, dementsprechend intensiv. Vielleicht, sinniert Jonas Wenger, werde er irgendwann noch einen Master in Wirtschaftsinformatik machen und auf jeden Fall einmal als IT-Consultant arbeiten. Ein Reiseerlebnis während des Studiums hat ihn besonders beeindruckt: Die Studierenden seines Kurses gingen für sechs Wochen nach Denver in die USA. Zum Angebot gehörte eine «International Campus Experience» – eine Zeit, in der die Studierenden in einer amerikanischen Firma arbeiten und dabei Einblicke erhalten in eine für sie ungewohnte BusinessWelt. «Das Studium schenkt mir viele Freiheiten», meint Jonas Wenger fast philosophierend, «und Erfahrungen, die ich später kaum mehr nachholen kann.» Sagt’s, wirft sich die Jacke über die Schulter und schlendert davon. Hochschule Luzern – Wirtschaft
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Carina Britschgi
Kommunikation und Marketing, Bachelor of Science in Business Administration Im Studium seit 2009
Spuren in der Kommunikation
Carina B ritschgi , st Kommun ikation u udiert nd Marke ting Eine Frau, nach der man sich umdreht. Gross gewachsen und schlank – eine sympathische Erscheinung im gepflegten Casual-Business-Look. «Ich komme gerade aus der Bank», sagt Carina Britschgi fast entschuldigend, «während der Semesterferien jobbe ich dort.» Für die ausgebildete kaufmän«Ich dachte, ich habe bei der nische Angestellte, die vor ihrem Studium zwei Jahre lang Kommunikation mehr Mögbei der Kantonalbank als Kunlichkeiten, in verschiedene denberaterin gearbeitet hatte, Branchen einzusteigen.» ist das aber auch wieder ein Schnuppern von heimischer Luft. «Wenn ich bei der Bank arbeite, dann merke ich erst, dass ich ja bereits einen Beruf habe und nicht nur Studentin bin», sagt sie lachend, «das vergesse ich manchmal.» Vor allem zu Beginn ihres Studiums vor zwei Jahren sei die Umstellung von der verdienenden Berufstätigen zur Studentin hart gewe-
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40 Jahre
Hochschule Luzern – Wirtschaft
sen. Genau das aber hatte sie sich ausgesucht. Nach Abschluss der KV-Lehre mit Berufsmatur hatte sie für ein paar Jahre erst einmal genug vom Schulbankdrücken. Dann, mit den Jahren «spürte ich den Wunsch, mich weiterzuentwickeln». Das breite Ausbildungsangebot in Luzern kam ihren Vorstellungen entgegen, nicht nur weil sie in Zugnähe zu Hause ist, sondern eben auch, weil Carina Britschgi vom praxisorientierten Studium überzeugt ist. «Ich habe einige Jahre gearbeitet und wollte den Bezug zur Praxis auf keinen Fall verlieren.» Die zahlreichen Wahlmodule haben ihr zudem die Möglichkeit gegeben, innerhalb des Wirtschaftsstudiums auf eine ihren Neigungen entsprechende Spezialisierung zu setzen. Die Entscheidung, nach dem Grundstudium in Kommunikation und Marketing statt in Banking und Finance zu vertiefen, kam aus dem Bauch heraus. «Ich dachte, ich habe bei der Kommunikation mehr Möglichkeiten, in verschiedene Branchen einzusteigen», meint sie und nippt an ihrer Cola. Die manchmal trockene Welt der Finanzen, der Konten und Börsen schien ihr etwas zu eng. Es kann gut sein, dass Carina Britschgi in Zukunft einmal mit einem Bein in der Öffentlichkeit steht – sie träumt davon, vielleicht einmal als Pressesprecherin in einem Unternehmen zu arbeiten. Das käme Charakter und Interessen entgegen, meint sie. «Ich präsentiere gerne, und es macht mir nichts aus, vor Leuten zu sprechen; ich gehe gerne auf Menschen zu.» Im Privaten hat ihre Kommunikationsfreudigkeit jedenfalls bereits Spuren hinterlassen: In Luzern hat sie sich bereits einen munteren Freundeskreis aufgebaut. «Kollegen, die in einem ähnlichen Alter sind wie ich», sagt sie, und die eine ganz ähnliche Vergangenheit hätten, «das schweisst zusammen.»
Luc Boll
Tourismus & Mobilität, Bachelor of Science in Business Administration Im Studium seit 2008
Quereinsteiger mit Vorleben Vielleicht ist er so etwas wie ein Quereinsteiger. Ganz sicher aber ist die berufliche Laufbahn von Luc Boll nicht unbedingt typisch für einen Studierenden der Wirtschaft. «Natürlich», sagt der drahtige 32-Jährige mit den aufmüpfigen Sommersprossen, «gehöre ich zu den Älteren in meinem Semester, aber die Erfahrungen, die ich einbringen kann, empfinde ich als Vorteil.» Es hatte schliesslich lange gedauert, bis er seinen Weg in die Hochschule Luzern gefunden hatte. Zunächst studierte er an der Universität in Fribourg Geschichte und Politische Wissenschaften, nahm aber auch noch einen Teilzeit-Job in einem Reisebüro an – und realisierte dabei: «Was ich dort zu tun bekam, interessierte mich mehr als die Lektionen an der Universität.» Sein Studium brach er daraufhin ab. Fünf lange Jahre machte ihm diese Arbeit und der Umgang mit sehr unterschiedlichen Menschen viel Spass. Er musste jedoch feststellen, dass ihm für anspruchsvollere Aufgaben in diesem Metier schlicht die Grundlagen fehlten. Wieder handelte Luc Boll konsequent und suchte eine entsprechende Fortbildungsmöglichkeit. Dabei hatte er klare Vorstellungen: Praktische Vorkenntnisse sollten Voraussetzung sein, und praxisorientiert sollte auch die Weiterbildung sein. All das fand Luc Boll schliesslich in Luzern. «Einen solchen Studiengang gibt es in der Deutschschweiz praktisch nirgendwo sonst», sagt er. In diesen Teil des Landes wollte der Romand aber unbedingt – auch der Sprache wegen, die er bei sich verbessern will. An der Hochschule Luzern gefällt ihm vor allem, zu Mitstudierenden und Dozierenden eine persönliche Beziehung zu pflegen. «Das geniesse ich sehr», meint er, «wenn ich in der Mensa einen Dozenten von früher treffe, kennt der noch meinen Namen und erkundigt sich
Luc Boll, S
tudiert T ourismu
s & Mobilit
ät
auch, wie es mir geht.» Die Lehrenden seien allesamt ausserordentlich hilfsbereit und engagiert. Und dass die Hochschule Luzern den Studierenden bereits während ihres Studiums die Möglichkeit bietet, durch ein Patenprogramm mit dem Berufsumfeld in Kontakt zu kommen, findet er «schlicht genial». Für diese Ausbildung «Für mich hat sich erfüllt, nimmt er auch in Kauf, aus was ich mir von diesem Kostengründen wieder bei Studium erhofft hatte. und den Eltern in Murten zu ich bekam die Ausbildung, wohnen und jeden Tag nach die mir fehlte.» Luzern pendeln zu müssen. Inzwischen ist er im dritten Studienjahr und steht kurz vor der Bachelor-Arbeit, welche Luc Boll über das Marketingkonzept für die SACBerghütten schreiben will. «Für mich», urteilt er in schönstem Deutsch mit französischem Einschlag, «hat sich bislang alles erfüllt, was ich mir von diesem Studium erhofft hatte. Und ich bekam die Ausbildung, die mir fehlte.» 40 Jahre
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Aida Tekle
Master of Science in Business Administration, Major in Tourism Im Studium seit 2009
Business von morgen
Aida Tekl
e, Studie
rt Tourism
us
Die Haare korrekt nach hinten frisiert, klassisch gekleidet, eine geradlinig designte Brille auf der Nase: Aida Tekle, die 23-jährige Studentin, lässt sich schon heute durchaus als die Business-Frau von mor«Der Unterrichtsstil ist gen vorstellen. Ihr perfektes Englisch spricht sie mit ameanspruchsvoll.» rikanischem Akzent, und dabei lächelt sie amüsiert: «Das ist kein Wunder, ich habe in den USA studiert.» Bevor die gebürtige Äthiopierin vor zwei Jahren nach Luzern kam, lebte sie in Minnesota und belegte dort an der St. Cloud State University das Fach Tourismus. Doch die in einem internationalen Umfeld ausgebildete Aida, die eine englische Schule besuchte und mit dem britischen Examen GCSE (General Certificate of Secondary Education) abgeschlossen hat, wollte nach dem amerikanischen Bachelor
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auch noch Europa besser kennenlernen. «Für mich», sagt sie und nippt an ihrem StarbucksMilchkaffee, «ist enorm wichtig, dass ich möglichst viele Vergleichsmöglichkeiten habe.» Der Kulturschock kam beim Studienbeginn dann doch. Die Hochschule Luzern ist in ihren Augen klein und überschaubar, so ganz anders als die Universität in den USA, die Aida Tekle kennengelernt hatte. Und auch die Stadt Luzern kam dem in Addis Abeba aufgewachsenen Stadtkind zunächst «winzig und klein» vor. Mittlerweile aber schätzt sie genau diese persönlichen Strukturen, den engen Zusammenhalt unter den Studierenden, die aus vieler Herren Länder den Weg an den Vierwaldstättersee gefunden haben. «Das», ist sie sich sicher, «ist ein Benefit für jeden Einzelnen von uns.» Und daraus resultieren auch etliche kulturübergreifende Freundschaften. Um doch so etwas wie Grossstadtluft zu schnuppern, lebt Aida aber in Kloten, immerhin nur einen Steinwurf von Zürich entfernt. Zwei Tage die Woche pendelt sie nach Luzern, vollbepackt mit Terminen für Seminare und Vorlesungen. Das Studienprogramm findet sie «herausfordernd». Sie musste sich nach dem Studium in den USA zunächst gehörig umstellen. «Die Professoren verfolgen hohe Qualitätsansprüche», sagt sie, und der Druck bei den Prüfungen sei enorm. Dennoch: Diese Schulung für die spätere Praxis tue ihr gut. «Ich bin froh», schiebt sie nach kurzer Pause nach, «dass wir über die Hochschule Luzern die Möglichkeit haben, Unternehmen und Unternehmer in der Tourismusbranche kennenzulernen.» Auch wenn sie im Moment noch nicht ganz genau weiss, wohin ihre berufliche Reise innerhalb des Tourismus nach dem Master gehen wird. «Ich bin offen für alles», sagt sie, «ich könnte mir sogar vorstellen, im Reisejournalismus zu arbeiten.» Sicher ist nur, dass Aida Tekle mit dem in den USA und Europa erworbenen Wissen im Koffer wieder in ihre Heimat zurückkehren wird. In Äthiopien werden gut ausgebildete Arbeitskräfte überall gebraucht.
Raphael Furrer
Immobilien, Bachelor of Science in Business Administration Im Studium seit 2009
Glücklicher Frontmann
Raphael F urrer, st udienric Immobili htung en
Versuchskaninchen? Oder glücklicher Frontmann eines eben erst neu eingerichteten Studiengangs? Raphael Furrer zählt sich ganz klar zum Zweiten. Er gehört zu den knapp 30 Studierenden, die vor zwei «Entweder ich arbeite später Jahren an der Hochschule Luzern – Wirtschaft erstmals für einen Immobilienfonds die Fachrichtung Immobilien einer Bank», sagt er, «oder belegt haben. «Spannend zu werde selbst Bauherr.» sehen, wie sich auch die Inhalte an den Seminaren der Hochschule Luzern entwickeln», sagt er. Der 23-Jährige aus Horw am Vierwaldstättersee hat sich sogleich immatrikuliert, als die Studienrichtung Immobilien am Departement Wirtschaft zu belegen war. Und Raphael Furrer verfolgt dabei ein klares Ziel. «Entweder ich arbeite später für einen Immobilienfonds einer Bank», sagt er, «oder werde selbst Bauherr.» 40 Jahre
Sein Outfit – modisches Karohemd, gelbe, an den Knöcheln gekrempelte Chinohose, trendige Sommerturnschuhe – verrät sein Flair für Sorgfalt. Dieser Mann überlässt wohl nur wenig dem Zufall. Es passt ins Bild, dass die berufliche Karriere von Raphael Furrer bislang wie am Faden aufgezäumt verlief: drei Jahre Banklehre bei Raiffeisen, dann Berufsmatura und schliesslich ein Jahr Offiziersschule bei der Schweizer Armee. Letzteres eine Zeit, «die mir viel an Erfahrungen gebracht hat, die ich sonst nicht gemacht hätte», meint er rückblickend. Nun also drückt er wieder die Schulbank. Er lacht, meint leicht schelmisch, «ja, und danach habe ich dann vom Lernen wohl erst einmal genug.» Im kommenden Jahr wird er seinen Bachelor in der Tasche haben, dann zwei, drei Jahre arbeiten, bevor er dann möglicherweise noch einen Master nachschiebt, auch, weil ihn das Thema Immobilien wirklich interessiert. Der Stoff, sagt Raphael Furrer, sei «vielfältig und spannend». Der Reigen reicht von Kostenrechnungen bis zur Gebäudetechnik und Architektur. Die Studierenden nehmen bei gelegentlichen Reisen optisch besonders gelungene Bauten auch gern in persönlichen Augenschein. Das Studentenleben hat sein Gutes, meint Raphael Furrer, wie auch die Möglichkeit, sich seine Zeit selber einteilen zu können. In der Freizeit im Sommer mit Freunden auf dem Vierwaldstättersee wakeboarden, im Winter im Blickfeld des Sees zu snöben – was will man mehr? Nur Dolce Vita ist das Studium aber keineswegs, es gilt auch, die Disziplin aufzubringen, sich immer wieder sorgfältig auf die Prüfungen vorzubereiten. «Diese habe ich bislang problemlos aufgebracht», sagt Raphael Furrer. Vorbereitungen zu den Prüfungen seien zwar streng, und man müsse Prioritäten setzen können. Auch bei der Arbeitseinstellung übrigens, denn «wer die Motivation nicht mitbringt», ist Raphael Furrer überzeugt, «sich einfach nur zum Studium einschreibt, bleibt unter Umständen hängen.»
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Patrik Imhof
Banking and Finance, Bachelor of Science in Business Administration Im Studium seit 2009
Anspruchsvolles Financing
Patrik Imh o
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Aufgewachsen ist Patrik Imhof ganz in der Nähe, am äussersten Zipfel des Vierwaldstättersees, in der Urner 1’600-Seelen-Gemeinde Seedorf. Der Weg an die Hochschule Luzern – Wirtschaft, wo er seit 2009 am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ «Ich weiss: ich habe mit dem seinen Bachelor in Banking and Finance absolviert, war Studium eine gute Ausdennoch ein langer. Der Vater bildung, und es wird kein Industriemeister, die Mutter Problem sein, einen guten wirtete im Sommer am SusJob zu finden.» ten; und Patrik Imhof machte seine KV-Lehre bei der Ruag in Altdorf, holte die Berufsmatur nach, und nun ist er der Erste der fünfköpfigen Familie, der eine Hochschule betreten hat. Im Hinterkopf hatte er schon länger, Wirtschaft studieren zu wollen, zu eingeschränkt erschienen ihm die Arbeiten, die er als Lehrling zu erledigen hatte. Patrik Imhof dürstete
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es nach Anspruchsvollerem. Als er einmal im Auditorium der Hochschule Luzern – Wirtschaft an einer Informationsveranstaltung sass, wurde ihm klar: Hier will er studieren. Dass aus diesem Wunsch schliesslich die Fachrichtung Banking and Finance geworden ist, hat auch mit dem IFZ-Institutsleiter Christoph Lengwiler zu tun, der ihn motiviert hat, in diese Spezialisierung einzusteigen und später auch noch einen Master nachzuschieben. So ist der studentische Weg des aufgeweckten jungen Mannes aus Seedorf wohl vorgezeichnet: erst der Bachelor, dann, ab 2012, der Master in Banking and Finance. Dass dies möglich ist, hat auch damit zu tun, dass er für das Master-Studium den Eltern finanziell nicht mehr auf der Tasche liegen muss – am IFZ hat er einen 40-ProzentJob im Event-Management erhalten. Auch das ist ein Beweis, dass an dieser Hochschule Lehre, Forschung und Praxis sich die Hand reichen. Dermassen präpariert, mit dem Master in der Tasche, will Patrik Imhof später ins Berufsleben einsteigen. Konkrete Pläne wälzt er für die Zeit nach dem Studium zwar noch nicht. «Ich will mich nicht festlegen», sagt er, «aber ich weiss: Ich habe mit dem Master eine gute Ausbildung, und es wird kein Problem sein, einen guten Job zu finden.» Und dann fördert das Gespräch doch noch einen tiefer sitzenden Traum einer möglichen Berufung zutage. «Ein internetbasierter Food-Delivery-Service für den Kanton Uri», sagt er, und nun leuchten die Augen, «das wäre eine Geschäftsidee für die Selbstständigkeit.» Kunden könnten via Web Menüs aus lokalen Restaurants bestellen, und er, Patrik Imhof, würde für den Transport der Speisen und den Service bei den Kunden daheim besorgt sein. Das könnte eine schöne Marktlücke darstellen, aber weil Patrik Imhof schliesslich Banking and Finance studiert, will er diesen Business Case zunächst fundiert analysieren: als Thema seiner Bachelor-Arbeit.
Ly Quy Pham
Master of Science in Business Administration, Major in Tourism Im Studium seit Februar 2011
Leicht im Sein Eine Unterhaltung mit Ly Pham macht froh. Strahlend empfängt, lachend erzählt sie. Die Vietnamesin aus Hanoi ist sozusagen die Inkarnation der Leichtigkeit des Seins. Bereitwillig und lebhaft berichtet die 28-Jährige, wie und warum sie nach Luzern gekommen ist, um hier ihren Master in Tourismus zu machen. Sie schmunzelt und meint dann lachend, dass sie zunächst furchtbar Angst gehabt hätte vor dem Klima, das sie in Mitteleuropa erwarten würde. «Ich komme schliesslich aus einem Land, in dem tropische Temperaturen herrschen», sagt sie. Zudem war sie sich nicht ganz sicher, ob sie hierzulande wegen ihrer dunklen Hautfarbe nicht bestaunt werden würde. In der Schweiz zu studieren – auf diese Idee hat Ly Quy Pham ihr ehemaliger Chef in Vietnam gebracht, bei dem sie einige Jahre für eine Kreuzfahrts-Gesellschaft gearbeitet hat. Der Mann, ein Heimweh-Luzerner notabene, schwärmte derart von seinem Heimatland, dass sie selber mächtig neugierig wurde. Ly Pham, die bereits einen Abschluss in Tourismus und einen in Ökonomie hatte, beschloss, auch noch den Master zu machen, und trug sich zunächst mit dem Gedanken, in Korea zu studieren. Zumindest so lange, bis ihr Chef sie eben davon überzeugte, dass die Schweiz ein spannender Ort für ihr Studium sein könnte. Im September 2010 bestieg sie ein Flugzeug, um sich von diesem unbekannten Land selber ein Bild zu machen. So international, so freundlich hatte sie sich die Menschen hier nicht vorgestellt. Die Entscheidung, in Luzern zu studieren, fiel auch aus einem praktischen Grund; die von ihr gewählten Master-Studiengänge werden auch in englischer Sprache angeboten, und auch die Immatrikulation erfolgte schnell und unbürokratisch. Als Ly Quy Pham ihre Visa-Papiere in Vietnam zu spät erhielt, ermöglichte ihr die
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Schulleitung aufgrund ihrer Vorkenntnisse, in Luzern im zweiten Semester einzusteigen und danach das erste nachzuholen – eine Flexibilität, die sie sehr schätzt. Nun findet sich die Vietnamesin in einer Klassengemeinschaft mit 14 Studierenden aus der ganzen «Eine Arbeitsstelle Welt wieder: Von Costa Rica, in der Schweiz macht China, Kanada, Russland oder sich hervorragend im Indonesien kommen sie her, Lebenslauf.» und gemeinsam geniessen sie das internationale Flair im Kurs. Das Arbeitsniveau an der Hochschule sei eine Herausforderung, «welche viele an ihre Grenzen führt». Und nach dem Studium? Dann, strahlt Ly Quy Pham, will sie zunächst noch eine Weile in der Schweiz bleiben. Nicht nur der Liebe wegen, die sie hier gefunden hat. Sondern ganz einfach auch deshalb, «weil sich eine Arbeitsstelle in der Schweiz im Lebenslauf hervorragend macht». 40 Jahre
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Prof. Verena Glanzmann Dozentin seit 1981
Fitness des denkens
Verena G lanzman n, Dozen für Betri tin ebs- und Regionalö am Institut konomie IBR Wer etwas über die Hochschule Luzern – Wirtschaft erfahren möchte, ist bei Verena Glanzmann an der richtigen Adresse. Diese Frau ist seit drei Jahrzehnten dabei und hat nichts von ihrer Leidenschaft für die Hochschule Luzern verloren. Wie «Seit ich 1981 an der als Papier gewordener Beweis für ihren Einsatz für die damaligen HWV zu unterHochschule Luzern stapeln richten begann, hat sich sich in ihrem Büro hoch die Schule sehr verändert. über dem Luzerner Bahnhof Damals waren wir drei Lehrende, heute sind wir 70.» Akten und Bedrucktes. Das Ambiente zeugt auch von mehrdimensionaler Verantwortung – die gelernte Betriebsökonomin Verena Glanzmann ist nicht nur Lehrende, sondern am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR auch für die Weiterbildung zuständig. Dreissig Jahre! Verena Glanzmann staunt selbst über die Zeit, die vergangen ist, seit sie
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1981 an der damaligen HWV zu unterrichten begann. «Die Schule hat sich inzwischen sehr verändert», sagt die Professorin, die einst selbst HWV-Absolventin war. «Früher waren wir drei Lehrende, heute sind wir 70.» Jeden Schritt dieses Aufbaus hat sie miterlebt, ja mitgestaltet, und sie hat auch mitgeholfen, am Institut die Aus- und Weiterbildung in der Betriebswirtschaftslehre zu verankern. Heute ist Verena Glanzmann auf Human Resources und Team-Führung spezialisiert. Wenn die Dozentin von ihren Studierenden spricht oder von ihrer täglichen Arbeit am Institut, sprudelt es nur so aus ihr hervor. Vor einer Klasse stehen, 35 neugierig-aufmerksame Gesichter vor sich zu haben, Inhalte vermitteln: Das ist, was sie liebt. «Wissensvermittlung hat mit Handwerk zu tun», sagt sie, betont aber auch, dass Studierende den Stoff leichter aufnehmen, wenn sie die «Empathie der Lehrenden für ihr Fach» spüren. «Einfach nur dastehen und den Stoff herunterleiern, das geht nicht», sagt sie und schüttelt energisch den Kopf. Ihr jedenfalls ist der persönliche Kontakt zu ihren Studierenden sehr wichtig. Die Arbeit mit jungen Menschen führe zu einer «unglaublichen Fitness im Denken», und so kommt es auch, dass die Dozentin Soziale Medien wie Facebook selbstverständlich kennt und auch weiss, welche Musik bei den Jungen gerade angesagt ist. Auch dies eine Art, sich über die Generationen hinweg zu verständigen. «Wer in diesen Dingen nicht up to date ist», weiss die Dozentin, «bekommt das von den Studierenden schon vermittelt.» Das Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden empfindet sie als steten Balanceakt zwischen Nähe und Distanz. Nur eins ist klar: «Ich bin es, die am Ende die Leistungen zu beurteilen hat.» Und wie steht sie dazu, wenn mitunter Ex-Studierende als Dozenten und Referenten die Hochschule Luzern beehren? Sie lacht, die blauen Augen im sonnigen Gesicht leuchten, «es ist schön, wenn die Studierenden nach ein paar Jahren zurückkommen und sagen, doch, ich habe profitiert.»
Prof. Dr. Robert Bornhauser Dozent seit 1991
Dozent mit Leidenschaft Die Einstellung zu seinem Beruf umschreibt er mit: «feu sacré». Wissen vermitteln ist Leidenschaft, und Robert Bornhauser ist mitnichten der trockene Experte, den man hinter einem Dozenten für Rechnungswesen, Reporting und Finanzanalyse vermuten könnte. Federnden Schrittes betritt er den Raum, temperamentvoll erzählt er von seinem Spezialgebiet, und sein Alter von über sechzig straft er, nach dem ersten Eindruck zu urteilen, ebenfalls Lügen. «Wer bei anderen Leidenschaft entfachen will, muss brennen für die eigene Sache», sagt er, und: «Ein guter Dozent muss Empathie haben für andere Menschen.» Das Rechnungswesen, schiebt er nach, könne spannend sein wie Medizin. Eine Bilanzanalyse zeige rasch, ob «der Blutdruck eines Unternehmens in Ordnung ist oder nicht». Er veranschaulicht die zahlenreiche Materie, visualisiert komplexe Zusammenhänge, stellt und lässt auch Fragen zu. Keine Unterrichtssequenz darf es geben, betont er, «in der nur ich das Wort führe». Zahlen, Zahlenreihen, knifflige Rechenaufgaben – so etwas hat Robert Bornhauser schon an der Kantonsschule Luzern elektrisiert. Heute sagt er: «Neben meiner Passion fürs Klavierspielen bin ich immer schon ein Zahlenmensch gewesen.» Leicht exotisch mag das damals schon gewesen sein; aber weil das so war, hievte er die mathematisch weniger begabten Mitschüler mit Nachhilfestunden auf ein höheres Zahlenniveau, was sich bei diesen in einer besseren Note niederschlug. Mit knapp 17 Jahren war für Robert Bornhauser auch klar, dass er einmal an der Hochschule St.Gallen Wirtschaftspädagogik studieren wollte. Nach dem Lizentiat arbeitete er Teilzeit als Handelslehrer, promovierte und heuerte dann, 1981, bei der Zürich-Versicherung an.
Robert Bo rn für Finan hauser, Dozent a m Institu zdienstl eistunge n Zug IFZ t «Neugierig auf die Privatwirtschaft», sagt er heute, sei er gewesen und habe auch dort immer Neues lernen wollen. Fünf Jahre bei der Zürich-Versicherung waren prägend für Bornhauser, und heute profitieren seine Studierenden von diesen Erfahrungen aus «Wer bei anderen der unternehmerischen PraLeidenschaft entfachen xis. «Ich war in leitender Powill, muss brennen für sition tätig», sagt er, «und ich die eigene Sache.» durchlief in dieser Zeit auch eine militärische Ausbildung zum Generalstabsoffizier.» Strategisches Denken und planerische Fähigkeiten habe er dort trainiert und «auch gelernt, anspruchsvolle Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen». Nun verbindet Robert Bornhauser all diese Fähigkeiten – sei es an der Hochschule Luzern oder an der Universität in Bern –, und das macht ihn zum Dozenten mit Leidenschaft – «feu sacré» eben. 40 Jahre
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Prof. Dr. Maurizio Tuccillo Dozent seit 2006
Atomkern und Computer
Maurizio Tu für wirts ccillo, dozent a m institu chaftsin t formatik IWI Wenn er spricht, bewegen sich die Hände im Takt seiner Ausführungen. Der Mann ist mit Leidenschaft bei der Sache, spricht mit Begeisterung über seinen Job als Dozent am Institut für Wirtschaftsinformatik IWI der Hochschule Luzern. Dabei «er agiert heute dreihat sich Maurizio Tuccillo kilometerweit von seiner urdimensional: sprünglichen Berufsausbilals Forscher, als Lehrender, dung entfernt – er ist promoals Unternehmer.» vierter Kernphysiker und hat sich Schritt für Schritt zum Informatik-Experten gehäutet. Nach dem Studium stieg er beim Detaillisten Coop als Spezialist für WindowsSysteme ein, später war er Network-Engineer, schliesslich IT-Security-Engineer bei einem Finanzdienstleister. Und so bewegte sich Tuccillo auch immer weiter weg von der Wissenschaft, die er ursprünglich angestrebt hatte, in die Praxis. Als die Hochschule Luzern – Wirt-
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schaft im Jahre 2006 einen wissenschaftlichen Mitarbeiter für den Bereich IT-Forensics suchte, winkte ihm die Chance, als Dozent in einen Wissenschaftsbetrieb einzusteigen. Gefragt, was denn Atomkerne und Computer an Gemeinsamkeiten aufweisen, folgen die Hände der Argumentation. «Methodologisch», sagt Tuccillo, «geht es bei beiden um Experimente und Analyse.» Auch das klingt nach Wissenschaft. Zu achtzig Prozent verbringt der Dozent seine Zeit denn auch forschend, zu einem Fünftel bildet er IT-Ermittler aus. Auch Ersteres ist kein Elfenbeinturm, sondern angewandte Forschung. «Praxistaugliche Methoden für die IT-Forensik», nennt dies Tuccillo, «damit Fahnder bessere Ermittlungsergebnisse erzielen.» Der Dozent steht im Dauerkontakt mit den Ermittlern draussen im Lande, von denen einige auch seine Kurse besucht haben. Daraus wächst eine fruchtbare Zusammenarbeit für beide Seiten und ein fortschrittliches Business-Modell für die Hochschule Luzern: Immer wieder wird Maurizio Tuccillo von Polizeicorps als Sachverständiger oder als Experte für knifflige Ermittlungen gebucht. Mit einer kantonalen Untersuchungsbehörde hat er inzwischen sogar einen Vertrag abgeschlossen, der jener ein gewisses Zeitbudget des Experten Tuccillo sichert. Mit einem angenehmen Nebeneffekt für den Dozenten. Er kann eine zusätzliche Person, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, in das Team der IT-Forensik aufnehmen: eine Quereinsteigerin – sie ist Geisteswissenschaftlerin –, wie er selbst als Kernphysiker auch einer war. Tuccillo agiert inzwischen dreidimensional: als Forscher, als Lehrender, als Unternehmer. Vielfältig das Berufsbild, welches sich ihm an der Hochschule Luzern bietet.
Prof. Dr. Jacqueline Holzer Dozentin seit 2003
Interdisziplinäre Praxis «Ich rede sonst schneller», sagt Jacqueline Holzer fast entschuldigend, als sie sich nach dem Interview verabschiedet. Verschnupft ist sie, nach einer Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer mit 77 Studierenden. «Ein Opfer der Klimaanlage», wie sie meint. Man fragt sich: Wenn das ihre langsame Seite ist, wie ist dann erst die schnelle? Die Frau ist ständig auf Sendung, plaudert locker über Zeitgeist-Phänomene wie Facebook, um dann fast übergangslos über ihr akademisches Wirken zu berichten. Etwa darüber, dass sie einst im Bereich Wissenschaftsgeschichte über «Linguistische Anthropologie» promoviert hat. Über diese Wahl kann die Professorin noch heute schmunzeln. «Das ist schon ein spezielles Thema», meint sie lapidar, «die Promotion wurde auf dem Buchmarkt kein Verkaufsrenner.» Studiert hat die 44-Jährige zunächst Germanistik, Volkswirtschaft und Philosophie in Zürich – und später an Universitäten in Philadelphia, Chicago, Berlin und London geforscht. Ihr besonderes Forschungsinteresse gilt neben der Wissenschaftssoziologie auch der Innova tion. Seit 2003 unterrichtet sie an der Hochschule Luzern Kommunikation, Rhetorik und Wissenschaftstheorie. Und nebenher hat Jacqueline Holzer an ihrem alten Arbeitsort, der Universität Zürich, noch lange Jahre als Mitglied eines zehnköpfigen Kuratoriums den Aufbau des Master-Studiengangs Kulturanalyse begleitet. Insgesamt summiert sich dies auf einen stattlichen interdisziplinären wissenschaftlichen Erfahrungsschatz. Jacqueline Holzer bildet Studierende aus, die aus der Praxis kommen und in die Praxis entlassen werden, und doch bleibt ihre Leidenschaft für die Forschung stets spürbar. Immer wieder bricht aus ihr die Wissenschaftlerin hervor.
Jacqueli ne Holze r, d Institut für Komm ozentin am unikatio Marketin n und g IKM «Ich betreibe Feld- und Dokumentenforschung, schreibe wissenschaftliche Artikel», erzählt sie, «und ich sammle Gelder für neue Projekte.» Interdisziplinär ist auch ihre Arbeitsweise: etwa in Zusammenarbeit mit dem Institut für Betriebsund Regionalökonomie IBR zum Thema Innovation und «Wir bilden die Studieren Leadership. «Wir fragen uns den für die Praxis aus. dazu etwa», sagt sie, «welche Freiräugehören auch theoretische me zu nachhaltiger Innovation Kenntnisse.» führen.» So fliesst bei Jacqueline Holzer alles in eins: Wenn sie an der Hochschule Luzern beim Master-Studium Berufstätige im Fach Kommunikation unterrichtet, erhalten diese einen praxisorientierten Unterricht, der von ihrer Forschung befruchtet wird. «Das ist das Besondere an der Hochschule Luzern – Wirtschaft», meint sie, «wir bilden die Studierenden klar für die Praxis aus – im Wissen, dass dazu auch theoretische Kenntnisse gehören.» 40 Jahre
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Christine Herzer Dozentin seit 2009
Wirken im Sport
Christin eH für Tour erzer, Dozentin a ismuswi rtschaft m Institut ITW «Sport ist mein Leben», sagt die zierliche Dozentin. Diese Passion hat Christine Herzer stets in Bewegung gehalten. Sei es – in jüngeren Jahren – als aktive Spitzensportlerin in der U20-Nationalmannschaft der Handballerinnen oder später als Manage«Wie im Mannschaftssport: rin im Sport-Business. Sie hat sich in Sachen Sport zweifelein gelungener Sport-event los eine beeindruckende Exist immer der Erfolg des pertise erarbeitet, doch wenn ganzen Teams.» sie darauf angesprochen wird, huscht höchstens ein scheues Lächeln über ihr Gesicht. Diese Frau ist bescheiden geblieben, wenn es um ihr Wirken in der Sportwelt geht. Zum Beispiel hat sie die Schweizer Segel-Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 betreut. Ihre Augen strahlen noch heute, wenn sie von den Reisen in das Reich der Mitte erzählt. Gerade ist Christine Herzer aus Vancou-
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ver zurückgekehrt, wo ihr Lebenspartner für ein paar Jahre gearbeitet hat, und dies hatte auch Auswirkungen auf ihren eigenen beruflichen Lebensweg. Eine Anfrage des Instituts für Tourismuswirtschaft ITW an die Betriebswirtin, ob sie an der Hochschule Luzern an einer Dozentenstelle im Fachgebiet Sporttourismus interessiert sei, kam just in dem Moment, als die Koffer mit Destination Kanada schon gepackt waren. Die Frage war: Ist ein Kanada-Aufenthalt mit einer Dozententätigkeit in Luzern vereinbar? Noch heute ist sie der Institutsleitung dafür dankbar, dass sie es ihr ermöglicht hat, trotz häufiger Auslandsaufenthalte den Job zu übernehmen. Ihre Unterrichtsmodule im Bachelor-Studiengang umfassen Ski-, Velo- und Wandertourismus, ihr absolutes Lieblingsfach aber sind Sport-Events. «Sport-Events», sagt sie, «sind für die Tourismusbranche äusserst bedeutsam.» Gelernt wird von der Pike auf. Christine Herzer vermittelt auch Basisinformationen, etwa darüber, wie die Schweizer Sportlandschaft organisiert ist. Das Feedback der Studierenden über die Qualität ihrer Dozententätigkeit erreicht sie unmittelbar. «Ich weiss nach jeder Stunde ganz genau, ob ich gut war oder nicht», meint sie lapidar. Spannend, sagt die Dozentin, sei der spezifische Mix aus Projekt- und Lehrarbeit sowie Forschungstätigkeit an der Hochschule. Ein absolutes Highlight für Dozierende wie Lehrende war in dieser Hinsicht die Organisation des World Tourism Forum Lucerne (WTFL) im vergangenen April. Diesen Anlass, der 2011 dem Thema Nachhaltigkeit im Tourismus gewidmet war, hat Christine Herzer nicht nur begleitet, sondern auch moderiert. Ein willkommener Ausflug in die Praxis der Event-Organisation. «Und es ist wie im Mannschaftssport», sagt Christine Herzer, «ein gelungener Event ist immer der Erfolg eines ganzen Teams.»
Simon Künzler Dozent seit 2006
Puls der Praxis «Studierende», rüffelte die Dame im Sekretariat, «haben hier nichts zu suchen.» Und sie erschrak, als sich der vermeintliche Student als Dozent entpuppte, der nur rasch seine Ausdrucke aus dem Kopierer holen wollte. Simon Künzler macht eine Handbewegung vom Hals zum Gesicht hoch, «da ist sie rot geworden», meint er mit breitem Lachen, und sein Strich-Bärtchen in der Mitte des Kinns wippt vor Vergnügen mit. Dass die Vorzimmerdame sich irrte, sei gerne verziehen. Der Mann, der da vor ihr stand, in Turnschuhen, Jeans und mit einem Hauch von Bart im Gesicht, dieses optische Gesamtkunstwerk entspricht nun einmal eher dem Klischee des Studenten als dem Bild von der Autoritätsperson eines Dozenten. So kann man sich täuschen. Simon Künzler ist Dozent für Online-Kommunikation und Marketing mit einem 30-Prozent-Pensum an der Hochschule Luzern. Seit Abschluss seines Studiums der Betriebswirtschaft an der Hochschule St.Gallen mit Schwerpunkt Marketing ist er im Online-Business aktiv, hat zusammen mit einer Kollegin eine eigene Firma aufgebaut: die Xeit GmbH, mit Sitz in der Zürcher Altstadt. Ein gutes Business. «In unserem Fachgebiet», sagt Künzler, «ist die Nachfrage nach Spezialisten immens.» Er selber ist einer dieser Typen, weiss alles über Social Media und all die Plattformen, die das Internet geboren hat. Und Simon Künzler weiss auch Bescheid über die geschäftlichen Chancen, die diese modernen Kommunikationsmittel für Unternehmen bergen – dort sind beide begehrt, Social Media wie auch Künzlers Wissen darum. Seine Studierenden freut’s. Häufig bekommen diese «Cases» vorgesetzt, die Künzler aus seiner Firma mitbringt, den Puls der Praxis liefert er mit. «Durch die Bearbeitung konkreter Fälle sammeln Studierende Erfahrungen, die auf dem Arbeitsmarkt wichtig sind», weiss der Dozent.
Simon Kü nzler, Do ze Kommun ikation u nt am Institut f ür nd Marke ting IKM
Für ihn ist die Arbeit zwischen Hochschule und Praxis eine perfekte Symbiose. «Ich bringe die Praxis», sagt er, «und habe durch die Hochschule Zugang zu wissenschaftlichen Studien.» Auf Interesse stösst sein Fach nicht nur bei den Einsteigern der Bachelor-Stufe, sondern auch bei den Praktikern, die in Luzern Weiterbildungs«in unserem Fachgebiet angebote buchen. So hängen ist die Nachfrage nach dann gestandene Marketingspezialisten immens.» Profis aus den grossen Unternehmen an seinen Lippen. «Es ist auch umgekehrt», betont Künzler, «ich lerne auch viel von diesen Leuten.» Das ist das Faszinosum, welches Dozent, Studierende und MarketingProfis vereint: die sich stetig wandelnde Welt des Online-Marketings. Sucht Simon Künzler einmal Abstand von der schnellen Welt im Web, geht er im Morgengrauen angeln. Dass er einen eigenen Fischer-Blog betreibt, ist für einen wie ihn nur konsequent. 40 Jahre
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Hans Lütolf
Gründungsrektor HWV, Rektor Fachhochschule Zentralschweiz 1971–2000
«Es herrschte In die Gründung selber waren Sie aber nicht involviert?
Nein. Ich war an der Kantonsschule Luzern als Handelslehrer tätig und habe mich auf ein Inserat beworben, in dem ein Rektor für die HWV gesucht wurde. Ich hatte aber noch keine Vorstellung von der geplanten HWV. Bis zum Start blieb mir ein halbes Jahr zur Aufstellung des Lehrplans. Ich besuchte die bereits existierenden vier HWVs, um festzustellen, welche Fächerangebote und Schulungsvarianten für die HWV Luzern optimal wären. Was hat Sie an diesem Job gereizt?
Etwas Neues aufzubauen und mit jungen Erwachsenen zu arbeiten, das hat mich gelockt, aber auch die Kontakte zur unternehmerischen Praxis. Wie lief die Finanzierung zu Beginn?
Zunächst war es eine rein kantonale Schule für Luzern mit Bundesbeiträgen gemäss Berufsbildungsgesetz. Die anderen Kantone hans lüt unterstützten uns durch Schulgeldbeiträge pro olf, Grün dungsre HWV Luze Studierendem mit Wohnsitz im betreffenden ktor der rn Kanton. Um die Beiträge zu erhalten, mussten wir Wohnortverzeichnisse abliefern, die von einHerr Lütolf, Sie waren 1971 Gründungsrektor der HWV Luzern. zelnen Innerschweizer Erziehungsdirektoren sogar persönlich überprüft wurden. Wie sah damals das Bildungsangebot für den Nachwuchs der Wirtschaft in der Innerschweiz aus?
Wie gross war die Schule zu Beginn?
Abgesehen von einigen Weiterbildungsangeboten und Vorbereitungskursen auf höhere Fachprüfungen an den kaufmännischen Berufsschulen gab es nichts. Bei höheren Bildungsangeboten herrschte Wüste. Die HWV sollte gewissermassen das Technikum für Kaufleute werden.
Wir zählten im ersten Jahr 26 Studierende und sechs nebenamtliche Dozierende. Mein erstes Pflichtpensum betrug zehn Lektionen pro Woche, was mich zwang, anfänglich vier Fächer zu unterrichten. Während meiner ganzen Amtszeit als Rektor habe ich immer auch Unterricht erteilt. Von dieser Lehrerfahrung und vom direkten Kontakt mit den Studierenden habe ich immer stark profitiert. Mit dem Wachstum der Schule war es allerdings bald nicht mehr möglich, alle Studierenden durch die Lehrtätigkeit kennenzulernen.
Von wem ging die Initialzündung aus?
Diese ging von einzelnen Grossräten aus, damals Kantonsräte genannt. Von der Politik also und von der Zentralschweizer Handelskammer sowie dem Kaufmännischen Verein.
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Wüste» Wo haben Sie die ersten Studierenden akquiriert?
darauf die berufsbegleitende Höhere Fachschule für Tourismus (HFT) und etwas später das Institut für Tourismuswirtschaft ITW eröffnet. Ein weiterer Markstein war in den 1990er Jahren die Errichtung des Instituts für Finanzdienstleistungen IFZ am Standort Zug. Die erfolgreiche Schaffung all dieser neuen Studien- und Nachdiplomstudiengänge sowie Institute war nur möglich dank initiativen Dozierenden und nachhaltiger Unterstützung durch die Wirtschaft, durch zahlreiche Parlamentarier und Aufsichtsgremien.
Das waren meistens Absolventen mit kaufmännischer Lehre, die wir über Zeitungsinserate und andere Medienkontakte akquirierten. Damals mussten sie die Bedingung erfüllen, über Die HWV Luzern entwickelte sich zu einer Teilschule der Fachmindestens zwei Jahre Praxiserfahrung zu verfügen. Als Rektor hochschule Zentralschweiz und schliesslich zum Departement habe ich persönlich immer die kaufmännischen Berufsschulen Wirtschaft der Hochschule Luzern. War der stetige Namenswechund Handelsdiplomschulen der Region besucht, um die Schü- sel ein Problem? Das geschah natürlich vor dem Hintergrund des internaler der Abschlussklassen über die HWV Luzern zu orientieren. Zeitweise hatten wir für die Aufnahme lange Wartelisten, wobei tionalen bildungspolitischen Wandels, durch den die Diplome die Kandidaten mit der kürzesten Praxisdauer zurückgestellt und Abschlüsse europatauglich gemacht wurden. Dies und der wurden. Wichtig war für uns von Anfang an, dass unsere Stu- Wunsch, die Ausbildung aufzuwerten, hat dann zur Umwandlung der Höheren Technischen dierenden an konkreten Pro«Wir haben uns bei jedem AusbauLehranstalten und der Höheren jekten aus der Praxis arbeiten Wirtschafts- und Verwaltungskonnten. schritt gefragt: Was erwartet die Wie haben Sie das gemacht? Praxis? So haben wir Mitte der 1980er schulen zu Fachhochschulen Wir waren schweizweit geführt. Mit dieser Entwickjahre die Wirtschaftsinformatikdie erste HWV, die zu diesem lung rückten auch die einzelnen schule und die Höhere Fachschule Zweck ein Institut gegründet Departemente immer näher für Tourismus sowie die entsprehatte – das Institut für Bezusammen. So ist aus der dachenden Institute eröffnet.» triebs- und Regionalökonomaligen HWV heute das Deparmie IBR, welches inzwischen über dreissig Jahre alt ist. Im Fach tement Wirtschaft der Hochschule Luzern geworden. Insofern PEM (Problemlösungs- und Entscheidungsmethodik) konnten ist der mehrfache Namenswechsel Teil dieser Entwicklung. Dass die Studierenden an Projekten aus Wirtschaft und Verwaltung sie heute wieder die Ortsbezeichnung Luzern im Namen trägt, ist sicher ein Vorteil, weil der Name Fachhochschule Zentralschweiz arbeiten. Der Bezug zur Praxis war demnach seit Anbeginn gewissermassen international schwer zu vermarkten ist, während Luzern weltbekannt ist. in der DNA festgeschrieben? Das kann man so sehen. Wir waren auch die erste HWV, Als Sie dann im Jahr 2000 als Rektor zurücktraten, wie viele Studie einen Nachdiplomstudiengang aufgezogen hat. Das Nachdi- dierende hatten Sie da pro Jahr? plomstudium Unternehmensführung entstand praktisch zeitRund 500 im Grundstudium. Und rund tausend Studiegleich mit der Gründung des IBR. Dort wurden Ingenieure oder rende besuchten damals unsere Nachdiplomstudiengänge und Architekten für die Übernahme von Management- und Füh- übrigen Weiterbildungsangebote. Auf dieses Verhältnis von 1:2 rungsaufgaben vorbereitet. Dieser Dreiklang aus Grundstudium, zwischen Studierenden im Grundstudium und in WeiterbilPraxisorientierung und Weiterbildungsangeboten entstand be- dungsstudien war ich besonders stolz. reits Ende der 1970er Jahre. Die Angebote wurden seither konti- Haben Sie heute noch Kontakt zu Ehemaligen? Viele Ehemalige kenne ich heute noch persönlich. Häufig nuierlich weiter ausgebaut. Inwieweit? werde ich aber auch von den anderen angesprochen: «Erinnern Wir haben uns bei jedem Ausbauschritt gefragt: Was erwar- Sie sich noch, ich habe bei Ihnen gelernt?» Das sind schöne Betet die Praxis? So haben wir Mitte der 1980er Jahre mit grossem gegnungen. Oft kehren Ehemalige auch als Dozierende zurück Erfolg die Höhere Fachschule für Wirtschaftsinformatik, kurz oder sind in den Aufsichtsgremien der Hochschule Luzern tätig. 40 Jahre
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Prof. Sabine Jaggy
Direktorin Hochschule Luzern – Wirtschaft 2001–2008 Rektorin Hochschule Luzern 2008–2011
Ein Haus
Sabine Ja ggy, Rekt or Hochsch ule Luzer in n Wenn das Büro sinnbildlich den Spiegel einer Persönlichkeit darstellt, muss es sich bei Sabine Jaggy um eine sehr aufgeräumte Person handeln. In einer Nebenstrasse beim Luzerner Hauptbahnhof gelegen, ist ihres von luzider Leichtigkeit, übersichtlich und fast spartanisch eingerichtet: ein Schreibtisch mit Computer, weisse Stuckdecke, ein paar Bilder an den Wänden, helle Möbel. Im Erker, dessen grosse Fenster den Blick zur Strasse freigeben, steht ein Konferenztisch. Gross ist Sabine Jaggy, schlank, mit wachen Augen, die ihr Gegenüber aufmerksam studieren. Eine Gesprächspartnerin, die erst einmal abwartet, bevor sie selber allzu viel preisgibt. Wenn dieses Porträt über die Professorin gedruckt ist, ist auch
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ihre Amtszeit als Rektorin der Hochschule Luzern schon fast zu Ende. Sie zuckt die Achseln, meint, «dann kommt halt etwas Neues». Kein Bedauern? Schliesslich hat sie in den vergangenen dreissig Jahren nahezu ohne Pause im Schweizer Bildungswesen gewirkt. Erst als Biologielehrerin, dann als Rektorin und Direktorin diverser Gymnasien und Privatschulen. Kopfschütteln ihrerseits: «Grundsätzlich kann ich Dinge gut loslassen.» Aufbauen, ausbauen, entwickeln, das ist ihr Motor, und das zieht sich auch wie ein roter Faden durch das Berufsleben der Sabine Jaggy. Sie studiert in den 1970er Jahren an der Universität Bern Biologie, unterrichtet ein paar Jahre dieses Fach, spürt dann aber schnell, dass sie «nicht einfach ein Leben lang Lehrerin» sein will. Sabine Jaggy will mehr, will gestalten, Menschen führen und anleiten. «Vielleicht», sinniert sie, «ist das eine Charakterfrage. Ich war schon bei der Pfadi bei den Leitern, in der Schule Klassensprecherin.» 1990 bewirbt sie sich, als die Luzerner Maturitätsschule für Erwachsene aufgebaut wird und eine Rektorin sucht. «Von da an», sagt sie, «war mein Weg vorgezeichnet.» Es folgen intensive Jahre. Zu Hause drei Kinder und ein Mann, der mit anpackt. «Ohne ihn wäre das alles niemals möglich gewesen, er hat mir den Rücken freigehalten», sagt Sabine Jaggy. In den 1990er Jahren wird sie in kurzer Abfolge Direk tionsmitglied der AKAD in Zürich, Direktorin und Delegierte der Minerva-Schule in Zürich und Luzern. «Ich wollte sehen, ob man eine Schule auch ohne öffentliche Gelder gut führen kann», sagt sie, lächelt verschmitzt und zieht ihr Fazit: «Man kann.» Und so hat sie schon einiges erlebt, was an Freuden und Sorgen in Führungspositionen so üblich ist, als ihr 2000 ein Inserat der Hochschule Luzern ins Auge sticht: «Direktor/in gesucht». Wa-
ist bestellt rum nicht, denkt sie sich, kann aber nicht abschätzen, ob sie als beitenden gegenüber könne eine Rektorin, ein Rektor nicht auf Biologin Chancen hat oder ein Ökonom für den Job als gesetzt gleicher Ebene entgegentreten. «Da bleibt eine gewisse Distanz», gilt. Die Luzerner denken jedoch schon damals eher pragma- sagt sie aus Erfahrung, aber ohne Bitterkeit. Dass Sabine Jaggy über viele Jahre die einzige leitende Frau tisch: Was sie suchen, wird ihr beschieden, ist ein kreativer Kopf, der eine Schule führen und entwickeln kann. In dieses Profil im Schweizer Bildungssystem war, daran gewöhnte sie sich. Bei der Erinnerung daran kann sie sich ein Lachen nicht verkneifen. passt Sabine Jaggy. Die sieben Jahre als Direktorin der Hochschule Luzern – «Als ich meinen ersten Job als Direktorin angetreten habe», sagt Wirtschaft sind intensiv. Zunächst noch eine Höhere Fachschule, sie, «war ich in der Schweiz zusammen mit zwei Nonnen die werden die Studiengänge auf Hochschulniveau ausgebaut, For- einzige Frau an der Spitze eines Gymnasiums.» Ist es statthaft, schung und Weiterbildung intensiviert. Es entstehen neue Fächer, eine beruflich erfolgreiche Frau danach zu fragen, wie es ihr in die Wirtschaftsinformatik etwa, ein Studiengang für Touristik einer derart exponierten Positionen ergeht? Sie schüttelt eneroder der Fachbereich Kommunikation und Marketing. Dann gisch den Kopf, nein, meint sie, diese Frage sei überhaupt nicht folgt mit der Bologna-Reform nach 2003 die Umstellung auf den abwegig. «Leider», schiebt sie nach. «Ich habe drei Kinder und drei Grosskinder, mein Mann Bachelor, später auch auf den «es entstehen neue Fächer, die hat immer intensiv mitgeholMaster. «Das alles war mit fen, aber vieles hängt dennoch grossen UmstrukturierunWirtschaftsinformatik, ein an mir als Frau.» Vieles sei nur gen verbunden», sagt Sabine Studiengang für Touristik oder der gegangen, weil ihr Partner sein Jaggy, «es brauchte neues Fachbereich kommunikation und Arbeitspensum reduziert habe. Personal, neue Räume und Marketing. Vom Niveau her sind wir «Andernfalls hätte ich die zahlGenehmigungen und Akkrenun wirklich eine Hochschule.» reichen Abendveranstaltungen ditierungen vom Bund.» Auch das Profil der Lehrkräfte habe sich in dieser Zeit sehr nicht wahrnehmen können», ist sich Sabine Jaggy bewusst. Es verändert. Ursprünglich waren das Dozenten, heute ist es eine sei ja immer noch so, dass viele junge Frauen sich nicht zutrauen Kombination aus Lehrenden und Forschenden, «die ihren Auf- würden, Karriere zu machen, und für die wolle sie auch Vorbild trag auch als Coaching verstehen», sagt Sabine Jaggy. Gefragt sind sein. «Jawohl», betont Sabine Jaggy, «es lohnt sich.» Immerhin hat sie, trotz grossem Arbeitspensum, noch Zeit nun Persönlichkeiten mit Praxiserfahrung, idealerweise Dozentinnen und Dozenten, die neben einem Lehrauftrag an der Hoch- gefunden für ein ungewöhnliches Hobby. Zweimal die Woche schule Luzern in einem praktischen unternehmerischen Umfeld steht Sabine Jaggy im Keller ihres Hauses in Hochdorf und emptätig sind. «Natürlich ist noch nicht alles ganz perfekt», sagt Sa- fängt Weinliebhaber aus der Region. «Ich habe das Wirtepatent bine Jaggy, hat aber das Gefühl, ihr Haus gut bestellt zu haben: gemacht», erzählt sie nun plaudernd, «ich verstehe inzwischen einiges vom Wein, und ich liebe es, Gäste zu empfangen, gut zu es«Vom Niveau her sind wir nun wirklich eine Hochschule.» Sie ist lebhafter geworden im Laufe des Gesprächs, erzählt sen und zu kochen.» Das sei handfest, sagt sie, «mich reizen Dinvon den vergangenen zehn Jahren. Vielleicht, das wird spürbar, ge, die ich selbst machen kann.» Nicht erstaunlich also, dass ein waren es gerade die letzten drei Jahre, die ihr als Rektorin der Rückzug aufs Altenteil auch nach ihrem Job an der Hochschule Hochschule Luzern viel abverlangt haben. Klar, man brauche keineswegs auf ihrem Radar aufscheint. Im Gegenteil: Sabine Jageinen breiten Rücken in diesem Job, meint sie nachdenklich, «da gy hat zusammen mit ihrem Mann in Namibia eine Ferienlodge ist viel Politisches dabei, das macht es mitunter schwierig.» Und mit zehn Zimmern gekauft. Auch dort, im Zielgebiet ihrer Ausman müsse Einsamkeit ertragen können, denn in dieser Posi wanderung, sind gutes Essen, guter Wein und Gastfreundschaft tion würden alle etwas erwarten, und selbst den engsten Mitar- für eine wie Sabine Jaggy ein befriedigendes Betätigungsfeld. 40 Jahre
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Prof. Dr. Xaver Büeler
Direktor Hochschule Luzern – Wirtschaft seit 2008
Bildung
Xaver Bü eler, Direktor Ho Wirtscha chschule Luzern ft –
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Als Xaver Büeler seinem Doktorvater an der Universität Zürich 1994 die Idee seiner Promotionsschrift vorlegt, reagiert der eher skeptisch. «System Erziehung: Ein bio-psychosoziales Modell», lautet der Titel. Reichlich ungewöhnlich, dass in den Bildungswissenschaften ein Doktorand naturwissenschaftliche, soziologische und psychologische Dimensionen zu einer Gesamtsicht des Systems Erziehung zusammenbauen will. Mehr noch, ein derartiges Ansinnen hatte es in dieser Disziplin bislang nicht gegeben. Jetzt sitzt Xaver Büeler in seinem Büro an der Hochschule Luzern – Wirtschaft, der er als Direktor vorsteht, und erzählt über das, was ihn damals motiviert hat, pädagogisches Neuland zu erforschen. «Früher», sagt er, «hat die Pädagogik so getan, als ob es lediglich um die Veränderung psychischer Systeme gehe, wenn von Erziehung die Rede ist.» Ihn aber interessierten grundsätzlichere Fragen, der Kern dessen, was Erziehung ausmacht und bewirken kann. Fragen wie diese: Welche Rolle spielen biologische Faktoren bei der Erziehung des Menschen? Was ist genetisch vorgegeben, was ist erlernbar? Oder, in Bezug auf die Soziologie: Welches ist die gesellschaftliche Funktion von Erziehung und Bildung? Und schliesslich: Was läuft bei dem, was wir Erziehung nennen, in der Psyche ab? «Systemtheorie, Kybernetik, Konstruktivismus, in diesen Ansätzen laufen solche Fragen zusammen, und ich wollte das für die Bildungswissenschaften zum big picture zusammenfügen.» Dieser Drang nach systematischer Erkenntnis sitzt tief bei Xaver Büeler: «Ich suchte und suche nach einem umfassenden Verständnis des Menschen in der Gesellschaft,
mit System ja in der Welt.» Dafür hat der heute knapp fünfzigjährige überraschenden Satz: «Ein Mensch ist letztlich ein geschlosSohn eines Briefträgers aus einer kinderreichen Familie ei- senes System, das nur sehr selektiv offen ist für Umwelteinnen weiten Weg zurückgelegt und keine Mühen gescheut. flüsse.» Was als Absage an die Wirksamkeit eines jeden päEhemals Volksschullehrer in einer Berggemeinde, studiert dagogischen Konzepts daherkommt, ist für Xaver Büeler Xaver Büeler schliesslich Pädagogik, Wirtschaftsinforma- nur eine realistische Sicht auf das System Erziehung. Und tik und Soziologie, und diese doch eher ungewöhnliche er begründet sein Statement mit dem Wissen des NaturwisFächerwahl zeigt sein interdisziplinäres wissenschaftliches senschaftlers: Lediglich das Grosshirn, die letzte Stufe in der Interesse. Immer ist da aber auch der Wunsch nach prakti- Entwicklung des menschlichen Hirns also, lässt sich durch scher Arbeit, einst in der Baufirma seines Bruders, wo Xaver Erziehung direkt beeinflussen. Tiefer liegende PersönlichBüeler auch gelernt hat, Mauern hochzuziehen, die er – bild- keitsschichten, die an das Kleinhirn oder den Hirnstamm lich gesprochen – in seiner interdisziplinären Vorstellung gekoppelt sind, sind über Hunderttausende von Jahren gewachsen und für pädagogische von Bildung niederreissen «Unsere Absolventen sind zu Interventionen praktisch unerwill. Später ist er an der Päreichbar. Das ist durch die Päddagogischen Hochschule in hundert Prozent arbeitsmarkt agogik zu akzeptieren. Zug, PHZ Zug, tätig, wo er befähigt und im Unternehmen Seit bald vier Jahren ist das Institut für Bildungsmaoder in der Verwaltung vom X aver Büeler nun schon Direknagement und Bildungsökoersten Tag an produktiv.» tor des Departementes Wirtnomie aufbaut und schliessschaft der Hochschule Luzern. lich als Rektor amtet. Um die gleiche Zeit erwirbt er berufsbegleitend einen Master Es sind intensive Jahre gewesen. Die Institution hat Jahre des of Business Administration (MBA) und bildet sich zum Ma- stürmischen Wachstums hinter sich. «Mehr Studierende, mehr Angebote, mehr Umsatz, lautet das Fazit», sagt Büeler, nagement Coach weiter. So gesehen ist Xaver Büeler mit seiner Berufung als «wir haben dann von einem rein quantitativen auf ein stärDirektor der Hochschule Luzern – Wirtschaft so etwas wie ker qualitatives Wachstum umgestellt und eine finanzielle heimgekehrt. Und nun, als oberster Chef einer Bildungsins- Konsolidierung eingeleitet.» In Zahlen: Die Gesamtkosten titution, welche das Nachwuchspersonal für die Wirtschaft pro Studierendem und Jahr haben sich von über 20’000 auf ausbildet, stellt sich die Frage: Welche seiner Erkenntnis- 17’000 Franken reduziert. «Ein Kraftakt» sei das gewesen, se über das System Erziehung haben auch im Alltag einer sagt Büeler, nur möglich durch striktes Kosten-ManageHochschule Bestand? Xaver Büeler denkt kurz nach, dann ment, optimierte Klassengrössen und die Ausnutzung von sprudeln die Worte. «Man macht sich viele Illusionen dar- Skaleneffekten. Und wenn er in die Zukunft blickt, sieht er über, was mit Erziehung zu erreichen sei», sagt er, «eine da- eine noch stärker international ausgerichtete Hochschule von ist der Glaube, wir Pädagogen oder Dozenten könnten Luzern, bei der den Studierenden schon während der Ausandere Menschen quasi von aussen erziehen.» Ein Mensch, bildung klar ist, dass sie in einen vollständig globalisierten ist Büeler überzeugt, entwickle sich über Prozesse der Arbeitsmarkt hineinwachsen. Ein Axiom, welches heute Selbstorganisation zu der Persönlichkeit, die er am Schluss gilt, darf sich auch in Zukunft nicht ändern: «Ein Absolvent sein werde. Eltern, Peer Groups oder auch Lehrpersonen der Hochschule Luzern – Wirtschaft ist zu hundert Prozent seien zwar wichtige Sozialisationsinstanzen, direkte erzie- arbeitsmarktbefähigt», sagt Xaver Büeler, «im Unternehmen herische Wirkung erzeugen könnten sie aber nur begrenzt. oder in der Verwaltung ist sie oder er vom ersten Tag an proDann sagt Büeler den für einen Pädagogen einigermassen duktiv.» 40 Jahre
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Gut zu wissen
Wissen, die Kenntnis seiner Entwicklung und seine permanente Überprüfung sind Voraussetzung für wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit. Wie aber entstand Wissen, was ist seine Geschichte? Eine historische Collage.
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Die Erfindung des Alphabets
Charles Van Doren, Geschichte des Wissens, München 2000, S. 49–50
Die ersten Alphabete entstanden wahrscheinlich um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts in Mesopotamien. Das Verdienst, das allererste Alphabet entwickelt zu haben, gebührt jedoch den Phöniziern. Viele heute verwendete Buchstaben stammen von denen ab, die phönizische Schreiber schon um 1100 vor Christus benutzten. Das Alphabet der Phönizier enthielt jedoch nur Konsonanten und eignete sich nicht zur Umschrift indo-europäischer Sprachen. Die Griechen erfanden um die Mitte des achten vorchristlichen Jahrhunderts Symbole für Vokale. Das so entstandene Alphabet – das wir mit geringen Veränderungen heute verwenden – war eines der wertvollsten Vermächtnisse der Griechen, dieses so einfallsreichen wie schöpferischen Volkes. Nicht alle Schriften sind alphabetisch. So ist die chinesische Schrift ebenso wenig alphabetisch wie die der alten Ägypter, der alten Sumerer, selbst das alte Hebräisch. Sprachen wie das Chinesische und Japanische sind höchst ausdrucksvoll, aber nur schlecht eindeutig aufzuschreiben. Alphabetische Sprachen wie das Griechische, Lateinische, Deutsche und Englische, um nur einige zu nennen, haben eine Klarheit der geschriebenen Form, die viele andere Sprachen nicht haben. Der Grund dafür liegt im Alphabet selbst. […] Sicherlich hat die mündliche Überlieferung die Menschheit weit gebracht. Die ersten Reiche wurden ohne Schrift erbaut; grosse Kunst, selbst grosse Dichtung, wurde von Menschen hervorgebracht, die keine Schrift kannten. Selbst Homer, der erste und in vieler Hinsicht immer noch grösste Dichter, konnte nicht schreiben. Fast alle Menschen seiner Zeit (um 1000 vor Christus) waren Analphabeten. Auch Menschen, die, wie in Mesopotamien, in Ägypten oder in China, schreiben konnten, verwendeten das wunderbare neue Vermögen nur dazu, Aufzeichungen zu machen. Sie sahen im Schreiben keineswegs einen unvergleichlichen Weg zu besserem Denken. Die Griechen waren die ersten, die diese Tatsache erkannten, als sie über ein vollständiges Alphabet verfügten. Und so entstand die Welt, die wir kennen und in der wir leben.
Von der Magie zu Vernunft und Wissen
Der Wissens- und Verständnistrieb des Menschen hat sich seit den ältesten Theorien über die Entstehung der Welt, den Zweck des menschlichen Daseins, die Entstehung der kosmischen Erscheinungen, der Bedeutung des Bösen und über tausend andere für ihn wichtige Dinge gemacht, Theorien, die keinen Realitätswert haben. Die Menschheit hat in Zauber und Gebet das Schicksal zu wenden gesucht, sie hat mit Mitteln, denen keine Wirkung zukommt, Krankheiten bekämpft und auf viele andere Weisen ihre Kräfte unnütz und schädlich angewen-
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Eugen Bleuler, Das autistisch-undisziplinierte Denken in der Medizin und seine Überwindung, Berlin – Heidelberg – New York 1966, S. 1
det. Die Primitiven haben Tabuvorschriften ausgeheckt, die für unser Empfinden unerträgliche Ansprüche an ihre geistige und körperliche Energie, ihre Zeit und ihre Bequemlichkeit stellen, und die nicht nur unnütz, sondern geradezu schädlich sind. […] Je mehr sich unsere Kenntnisse erweitern, um so kleiner wird beim Gesunden ganz von selbst das Gebiet des autistischen Denkens; unsere heutigen Vorstellungen vom Weltall, seiner Geschichte und seiner Einrichtungen sind, wenn auch noch vielfach hypothetisch, so doch nicht mehr autistisch: Wir ziehen nur aus dem, was wir sehen, in logischer Weise Schlüsse und sind uns bewusst, welcher Teil dieser Schlüsse nur Wahrscheinlichkeitswert hat.
Was stand am Anfang? Mathematik und Schrift stehen […] in einer symbiotischen Beziehung. Sie sind gleichzeitig entstanden, und ihre Schicksale waren stets eng miteinander verbunden […] . Schrift oder Damit eine Gesellschaft eine Mathematik entwickeln kann, die über einfaches Rechnen hinausgeht, Mathematik?
James Ritter, «Jedem seine Wahrheit: Die Mathematiken in Ägypten und Mesopotamien», in: Michel Serres (Hg.), Elemente einer Geschichte der Wissenschaften, Frankfurt am Main 1994, S. 74–76
bedarf es irgendeines materiellen Trägers. Ohne Schrift engt die Begrenztheit des menschlichen Gedächtnisses den erreichbaren Grad numerischer Komplexität ein. […] […] auch das Umgekehrte gilt. Anders gesagt: Materielle Bedürfnisse, insbesondere das Bedürfnis, Spuren von Transaktionen zu erhalten, sind von entscheidender Bedeutung dafür, dass eine Gesellschaft die Schrift entwickelt. Dieser Punkt ist erst verstanden worden, seit die archäologischen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte es uns gestattet haben, die Entwicklung zweier Schriftsysteme – praktisch vom Nullpunkt an – zu verfolgen; das eine wurde seit der Mitte des vierten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung im Süden Mesopotamiens verwendet, das andere wenig später in der Gegend von Susa im Iran. In beiden Gesellschaften diente als materieller Träger Ton, der praktisch unzerstörbar ist, und die ersten Dokumente sind Berechnungen. Was den ersten Schriftsystemen zur Entstehung verholfen hat, war also das Bedürfnis, das materielle Potential ihrer Gesellschaften zu messen, zu teilen und zu verteilen.
Wie finster war das Mittelalter?
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In der Zeit der Völkerwanderung bleibt vom wissenschaftlichen Leben des Abendlandes also kaum etwas übrig. Das Wesentliche des griechischen Erbes ist in Vergessenheit geraten, verschwunden aus der Erinnerung von Völkern, die es nicht
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Paul Benoît und Françoise Micheau, «Die Araber als Vermittler?», in: Michel Serres (Hg.), Elemente einer Geschichte der Wissenschaften, Frankfurt am Main 1994, S. 27–273
Die Erfindung der Zeitmessung
Lewis Mumford, Technique et Civilisation, Paris 1950, zit. nach Jean Gimpel, Die industrielle Revolution des Mittelalters, Zürich und München 1981, S. 148
Himmel und Hölle, Kirche und Geld
Jacques Le Goff, Geld im Mittelalter, Stuttgart 2011, S. 14–15, 243
anzutreten vermochten. […] Dem Verfall der Wissenschaft entspricht der Niedergang der Städte. Der Westen erlebt in dieser Zeit einen tiefgreifenden Wandel. Es erscheint eine agrarische Welt, in der die Kultur sich in Klöster flüchtet, wo man die literarische und religiöse Gelehrsamkeit pflegt, nicht mehr das wissenschaftliche Wissen. An Wissenschaftlern hat das frühe Mittelalter keinen Bedarf. Im Westen ist das Römische Reich untergegangen, im Osten hält es sich. Der Staat überlebt dort in einer immer noch städtischen Welt, in der das Griechische als offizielle Sprache der städtischen Eliten gesprochen wird und in der die Schulen überdauern: All dies unterscheidet sie vom Abendland.
Die Schlüsselerfindung des modernen industriellen Zeitalters ist nicht die Dampfmaschine, sondern die Uhr. In jeder Phase dieser Entwicklung steht die Uhr im Vordergrund, sie ist das Symbol der Maschinen. Noch heute ist keine andere Maschine so allgegenwärtig. Am Anfang der modernen Technik stand zukunftsweisend die erste, präzise, automatische Maschine. Nach mehreren Jahrhunderten andauernder Bemühungen stellt sie die moderne Technik in allen Industriezweigen auf die Probe […] Sie ermöglichte die genaue Bestimmung von Energiemengen, also die Normung, sowie die Automatisation von Vorgängen und brachte schliesslich ihr ureigenstes Erzeugnis, die genaue Zeit, hervor. So war die Uhr die erste moderne Maschine. Sie hat zu allen Zeiten ihre Vormachtstellung behauptet und ist in einem Masse vollkommen, welches die anderen Maschinen noch nicht erreicht haben.
Wenn wir nun die Geldgeschichte des Mittelalters mit Hilfe bildlicher Zeugnisse genauer betrachten, stellen wir fest, dass die mittelalterlichen Darstellungen, in denen Geld – zumeist in symbolischer Weise – gezeigt wird, immer negativ besetzt sind. […] Das wichtigste Symbol für Geld in den bildlichen Darstellungen des Mittelalters ist der Geldsäckel, der einem reichen Mann um den Hals hängt und diesen in die Hölle hinabzieht. […] Zweifellos ging die Kirche im Laufe des Mittelalters aber so weit, die Geldnutzer unter bestimmten Bedingungen zu entschuldigen, und Reichtum, insbesondere monetärer Reichtum, wurde am Ende des 14. und während des 15. Jahrhunderts durch eine kleine Elite der «Vorhumanisten» wieder zu Ehren gebracht. Und dennoch blieb Geld das gesamte Mittelalter hindurch suspekt, auch ohne Verdammung und Höllenandrohung.
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Handel, Wissen und die Geburt von Universitäten
Peter Burke, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2000, S. 49–51
Fibonacci und die Entwicklung des Finanzwesens
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Der humanistischen Bewegung der Renaissance ging es, zumindest von ihrer Intention her, nicht um Erneuerung, sondern um Wiederbelebung, nämlich um Wiederbelebung der klassischen Tradition. Dennoch war die Bewegung durchaus innovativ, und zwar bewusst innovativ, insofern als sie das herkömmliche Wissen der Scholastiker, also der Philosophen und Theologen, die an den mittelalterlichen Universitäten tonangebend waren, grossenteils in Frage stellten. Schon der Begriff «Scholastiker» und «Mittelalter» waren ja Erfindungen der Humanisten, die ihnen erlaubten, sich selbst klarer zu definieren, indem sie sich von der Vergangenheit abgrenzten. […] Im Portugal des 15. Jahrhunderts gelangten neben Waren auch Informationen ins Lissaboner Indien-Haus (Casa da India). Ein ähnlicher Umschlagplatz für Wissen über die Neue Welt war das 1503 gegründete Handelskontor (La Casa de Contratación) in Sevilla. […] In Wittenberg, 1502 gegründet, wurde der Lehrbetrieb anfänglich nach relativ traditionellen Grundsätzen von Gelehrten, die ihrerseits in Leipzig und Thüringen ausgebildet worden waren, organisiert. Doch nach nur fünf oder sechs Jahren spielten die Humanisten hier bereits eine ungewöhnlich starke Rolle. Für diejenigen, die im Namen einer Erneuerung antreten, ist es vermutlich leichter, neue Institutionen zu übernehmen als alte, weshalb es auch kein Zufall sein dürfte, dass Professor Martin Luther die Reformation zu einem Zeitpunkt anstiess, als seine Universität gerade erst fünfzehn Jahre bestand.
Am Anfang des 13. Jahrhunderts war Norditalien in eine Vielzahl von einander bekämpfenden Stadtstaaten zersplittert. Eine der Hinterlassenschaften des untergegangenen Römischen Reichs war ein Zahlensystem (I, II, III, IV …), das für komplexe mathematische Berechnungen zutiefst ungeeignet war, von den Bedürfnissen des Handels ganz zu schweigen. Nirgendwo trat dieses Problem deutlicher zutage als in Pisa, wo die Kaufleute mit sieben verschiedenen in Umlauf befindlichen Münzarten zurechtkommen mussten. Im Vergleich dazu war das Wirtschaftsleben im Osten – im Kalifat der Abbasiden und im China der Song-Dynastie –, wie schon zur Zeit Karls des Grossen, weit höher entwickelt. Um das moderne Finanzwesen zu entdecken, musste Europa es importieren. Eine entscheidende Rolle dabei spielte ein junger Mathematiker namens Leonardo da Pisa, genannt Fibonacci. Als Sohn eines Pisaner Zollbeamten, der ins heutige Bejaia in Algerien entsandt worden war, beschäftigte sich der junge Fibonacci mit der «indischen Methode» der Mathematik, wie er sie
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Niall Ferguson, Der Aufstieg des Geldes. Die Währung der Geschichte, Berlin 2009, S. 31–33
nannte, eine Mischung aus indischen und arabischen Erkenntnissen. Durch die Einführung dieser Ideen revolutionierte er die Art und Weise, wie Europäer zählten. Heute ist er am besten für die Fibonacci-Folge bekannt (0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21 …), in der jede Zahl (ausser den beiden ersten, die vorgegeben sind) die Summe der beiden vorherigen Zahlen ist und der Quotient zweier aufeinander folgender Zahlen gegen den «goldenen Schnitt» (1,618) konvergiert. Dieses Muster entspricht gewissen in der Natur anzutreffenden repetitiven Eigenschaften, beispielsweise in der fraktalen Geometrie von Farnen und Muschelschalen.
Mathematik, Wirtschaft und Zins
Niall Ferguson, Der Aufstieg des Geldes. Die Währung der Geschichte, Berlin 2009, S. 31–33
Der Dreisatz: Basis von allem!
Aber diese Zahlenfolge war nur eine von vielen mathematischen Ideen aus dem Osten, die Fibonacci in seinem bahnbrechenden, 1202 veröffentlichten Liber Abaci (Buch der Rechenkunst) in Europa einführte. Darin wurde die Bruchrechnung ebenso erklärt wie der Begriff des Gegenwarts- oder Barwerts (des abgezinsten Werts zukünftiger Zahlungen). Am wichtigsten war die Einführung indisch-arabischer Ziffern. Fibonacci gab Europa nicht nur das Dezimalsystem, das alle möglichen Berechnungen gegenüber dem römischen Zahlensystem erheblich vereinfachte, sondern erklärte auch, wie es auf Buchhaltung, Währungsumrechnung und vor allem Zinsrechnung angewandt werden konnte. Bezeichnenderweise hat er im Liber Abaci viele Beispiele dadurch anschaulicher gestaltet, dass er Handelswaren wie Felle, Paprika, Käse, Öl oder Getreide behandelte. Damit wollte er die Mathematik auf die Wirtschaft im Allgemeinen und das Geldverleihen im Besonderen anwenden. Ein typisches Beispiel beginnt so: «Ein Mann hinterlegte in einem bestimmten [Kaufmanns-]Haus 100 Pfund zu einem Zins von 4 Denaren pro Pfund und Monat, und er entnahm jedes Jahr 30 Pfund. Man muss in jedem Jahr die Kapitalminderung um 30 Pfund und den Gewinn auf besagte 30 Pfund einberechnen. Gefragt ist, wie viele Jahre, Monate, Tage und Stunden das Geld in dem Haus reicht …»
Das universelle arithmetische Werkzeug der gebildeten italienischen Kaufleute in der Renaissance war die Regula de tri, der Dreisatz, auch bekannt als die Goldene Regel oder der Kaufmannsschlüssel. Sie war im Grunde sehr einfach. (Der Maler) Piero della Francesca (um 1420–1492) erklärt: «Die Regeldetri besagt, dass man die Grösse, über die man etwas wissen möchte, mit der multizi-
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Michael Baxandall, Die Wirklichkeit der Bilder, Malerei und Erfahrung im Italien des 15. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1984, S. 124–125
plieren muss, die von ihr verschieden ist, und dann teilt man das Produkt durch die verbleibende Grösse. Die Zahl, die sich daraus ergibt, ist von derselben Art wie die, welche von der ersten Grösse verschieden ist; und der Teiler ist immer der Grösse gleich, über die man etwas wissen will. Zum Beispiel: Sieben Bracci Stoff kosten neun Lire; wie viel kosten fünf Bracci? Löse es wie folgt: Multipliziere die Menge, über die du etwas wissen möchtest, mit der Menge, die sieben Bracci Stoff wert sind – nämlich neun. Fünf mal neun ist fünfundvierzig. Teile durch sieben, und das Ergebnis ist sechs und drei Siebentel.» Die Regeldetri war es, mit der man in der Renaissance die Probleme der Proportion behandelte. Zu den Proportionsproblemen zählten: Weideland, Maklergebühren, Diskont, Tara-Nachlass, Verschnitt von Produkten, Tausch und Geldwechsel.
Wissenschaftliche Revolution und die Gründung von Akademien
Peter Burke, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2000, S. 52–53
Die sieben artes liberales
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Im Vergleich zur Renaissance war die sogenannte neue Philosophie, Naturphilosophie oder mechanische Philosophie des 17. Jahrhunderts ein noch selbstbewussterer Prozess der intellektuellen Erneuerung, denn sie lehnte sowohl klassische als auch mittelalterliche Traditionen ab, eine auf aristotelischem und ptolemäischem Gedankengut basierende Weltsicht eingeschlossen. Die neuen Ideen waren Ausdruck einer Bewegung, die gemeinhin als wissenschaftliche Revolution bezeichnet wird […] . Obwohl einige führende Köpfe dieser Bewegung auch an Universitäten tätig waren – unter ihnen Galileo Galilei und Isaac Newton –, bestand in akademischen Zirkeln doch erheblicher Widerstand gegen die neue Philosophie […] . Als Reaktion auf diesen Widerstand gründeten die Anhänger der neuen Denkschule eigene Organisationen wie die Accademia del Cimento in Florenz, 1657, die Royal Society in London, 1660, die Académie Royale des Sciences in Paris, 1666, und so weiter, die in vielerlei Hinsicht den humanistischen Akademien ähnelten, dem Studium der Natur allerdings grösseren Wert beimassen.
1450 waren die Curricula der europäischen Universitäten, deren Netzwerk sich vom portugiesischen Coimbra bis nach Krakau erstreckte, bemerkenswert einheitlich, das heisst, Studenten konnten relativ leicht von einer Institution zur anderen wechseln (eine Praxis, die als peregrina academica bezeichnet wurde). Der erste Grad war der BA, und die Künste, in denen der Student es zum Bachelor bringen konnte, waren die sieben artes liberales, die sich in zwei Bereiche gliederten: Im Grundstudium, dem trivium, ging es um Sprache, Grammatik, Logik und Rhetorik, im fortge-
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Peter Burke, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2000, S.112–113
Von Kirche, Wissen und Inquisition Peter Burke, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2000, S. 146
schrittenen quadrivium um Zahlen, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. […] Nach dem ersten Grad folgte unter Umständen ein Kurs in einer der drei höheren Fakultäten, Theologie, Recht und Medizin. Das Dreierprinzip war im Mittelalter nicht ungewöhnlich; Dreiteilungen prägten die Struktur der menschlichen Gesellschaft – man betete, kämpfte und pflügte, oder die jenseitige Welt bestand aus Himmel, Hölle und Fegefeuer. Mit Recht waren die beiden Rechte gemeint, das bürgerliche wie das kanonische. Nach allgemeiner Auffassung besass das Recht einen höheren Status als die Medizin, aber einen niedrigeren als die Theologie, die Königin der Wissenschaften. Die höheren Fakultäten galten als nobler, ein weiterer Ausdruck, der die Projektion der gesellschaftlichen Hierarchie auf die Welt des Intellekts offenbart.
Diejenige Kircheninstitution, die das grösste Interesse hatte, Wissen zusammenzutragen, war die Inquisition […] . Personen, die der Ketzerei verdächtig waren, unterzog man äusserst systematischen Befragungen über ihr Alter, ihren Geburtsort und ihren Beruf wie auch ihre religiösen Überzeugungen, und alles, was sie sagten, wurde peinlich genau protokolliert. Die Archive der verschiedenen Inquisitionsbehörden sind daher eine Datenbank […] . Das Sammeln von Informationen durch Inquisitoren […] [ist auch] ein herausragendes Beispiel dafür, wie sehr in der frühen Neuzeit das Streben nach Wissen im Dienste der Kontrolle stand.
Fertigkeiten und Fähigkeiten in historischer Zeit
Eine ähnliche Unterscheidung bestand zwischen legitimem und verbotenem Wissen (arcana Dei), das nicht nur vor der breiten Öffentlichkeit, sondern vor der Menschheit geheim bleiben sollte. So gab es Debatten darüber, in welchem Masse intellektuelle Neugier ihre Berechtigung hätte oder Eitelkeit (vanitas) und damit eine Sünde wäre. Der Reformator Jean Calvin etwa folgte Augustinus, der die Neugier verurteilte. Doch im 17. Jahrhundert wurde das Wort curieux (neugierig, wissbegierig) häufig, wie wir bereits gesehen haben, in einem positiven Sinne auf Gelehrte angewendet, vor allem wenn es sich um Adelige handelte. Die Unterscheidung zwischen höherem und niederem Wissen (scientia superior und inferior), wie sie der Dominikaner Giovanni Maria Tolosani in den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts vornahm, verweist darauf, welche Bedeutung der Hierarchie bei der intellektuellen Gestaltung des Wissens in dieser Epoche zukam. Männliches Wissen, unter anderem das Wissen der öffentlichen Sphäre, galt
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Peter Burke, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2000, S. 104–105
zumindest bei Männern als höherwertig gegenüber weiblichem Wissen, das mehr oder weniger auf Pietät und den häuslichen Bereich beschränkt blieb. Auch die alte Unterscheidung zwischen freiem und zweckdienlichem Wissen wurde in der frühen Neuzeit perpetuiert, allerdings vollzog sich in der Beurteilung solchen Wissens zumindest in manchen Kreisen allmählich ein Umschwung. Freies Wissen wie die Kenntnisse der griechischen und lateinischen Klassiker hatte um 1450 und sogar noch um 1550 einen hohen Status, während zweckdienliches Wissen wie die Kenntnisse des Handels oder der Produktionsprozesse viel geringer geschätzt wurde, genauso wie die Händler und Handwerker, die es besassen, nicht sehr angesehen waren. Entsprechend einer nach wie vor geltenden Klassifikation des Mittelalters wurden Handwerker von den höheren Klassen als Praktiker der sieben «angewandten Künste» betrachtet, zu denen von jeher Schneidern, Schiffsbau, Seefahrt, Landwirtschaft, Jagen, Heilen und Schauspielern gehörte.
Die Erfindung des Systems «A bis Z»
Peter Burke, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2000, S. 215–217
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So selbstverständlich uns das Prinzip heute erscheinen mag, dauerte es doch lange, bis sich die alphabetische Anordnung (im Unterschied zur thematischen, die lediglich durch ein alphabetisches Register ergänzt war) gegenüber älteren durchgesetzt hatte. […] Noch Ende des 17. Jahrhunderts war die alphabetische Anordnung so ungewöhnlich, dass Barthélemy d’Herbelot im Vorwort zu seiner Bibliothèque Orientale Ou Dictionnaire Universel von 1697, einem Nachschlagewerk über die moslemische Welt, die Leser entschuldigend darauf hinwies, die Methode stifte «tatsächlich weniger Verwirrung, als man vielleicht annehmen möchte» – dennoch erklärte Gibbon, in seinem Decline and Fall of the Roman Empire, er könne die alphabetische Anordnung in Herbelots Buch nicht «ertragen». Das Vorwort zur Encyclopédia Britannica von 1771 kritisierte Chambers und die Encyclopédia wegen ihrer «törichten Versuche, Wissenschaft anhand verschiedener technischer Begriffe in alphabetischer Reihenfolge zu vermitteln». […] Der Wechsel vom thematischen zum alphabetischen System ist weit mehr als eine einfache Verlagerung von geringerer zu grösserer Effizienz. Er kann eine Veränderung der Weltsicht widerspiegeln, einen Verlust des Glaubens an die Übereinstimmung zwischen Welt und Wort. Und ausserdem hat er etwas mit einer Veränderung der Lesegewohnheiten zu tun.
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Revolution Buchdruck
Manfred Fuhrmann, Bildung. Europas kulturelle Identität, Stuttgart 2002, S. 20–21
Paul Benoît, «Die Theologie im dreizehnten Jahrhundert: Eine Wissenschaft, die anders ist als alle anderen», in: Michel Serres (Hg.), Elemente einer Geschichte der Wissenschaften, Frankfurt am Main 1994, S. 319
Kaufleute und wie sie rechnen
Zwei nahezu gleichzeitige Ereignisse waren den Bestrebungen der Humanisten überaus förderlich: der Fall von Konstantinopel im Jahre 1453 und die Erfindung des Buchdrucks. Das erstgenannte Ereignis bewirkte, dass eine Fülle von griechischen Handschriften und zahlreiche griechische Gelehrte in den Westen gelangten – der humanistische Kanon gewann erst jetzt, als das mittelalterliche «Graecum est, non legitur» – «Das ist griechisch, das brauchen wir nicht zu lesen» ausser Kraft gesetzt wurde, mit der Einbeziehung der griechischen Sprache und Literatur seine Vollgestalt. Die Erfindung des Buchdrucks wiederum gab den Humanisten ein willkommenes Mittel an die Hand, ihren Werken zu grosser Verbreitung zu verhelfen und die ganze gelehrte Welt mit ihren Ideen bekannt zu machen. Ausserdem hatte jetzt die Plackerei des buchlosen Lernens ein Ende: Während sich der mittelalterliche Scholar, der meist zu arm war, einen kostbaren Pergamentkodex zu erwerben, die lateinische Grammatik durch das Memorieren von 2’600 Versen zu eigen machen musste (so umfangreich war das gängigste einschlägige Werk, das Doctrinale des Alexander de Villa Dei), konnte sich der humanistische Student eines ihm gehörenden gedruckten Exemplars bedienen, sodass er die Regeln und Ausnahmen nur noch dem Sinne nach zu erfassen brauchte.
Universitas, Zusammenschluss, Einheit, Gemeinschaft: Der Ausdruck ist dem Mittelalter zur Bezeichnung verschiedener Vereinigungen durchaus vertraut. In Paris versammelt die Universitas magistrorum et scolarium – neben Bologna die älteste der europäischen Universitäten – Lehrende und Lernende, Gelehrte und künftige Gelehrte. Sie ist der Zusammenschluss einer Profession, ein Metier, so wie sich in den mittelalterlichen Städten die Handwerker – die «Arbeiter ihrer Hände», nach der Formulierung von Rutebeuf – zu Zünften zusammenschliessen. Ein neuer städtischer Verband, der sich, wie so oft bei Gemeinschaften, behauptet, indem er sich anderen entgegensetzt.
[…] Ein gemeinsames Merkmal, eine weitere Neuheit: Alle rechnen schriftlich, auf Papier. Die Methode begann sich gerade in bestimmten Krisen durchzusetzen, nicht nur bei den Kaufleuten, sondern auch bei den Astronomen. Da es so gut wie unmöglich war, mit römischen Zahlen Rechenoperationen durchzuführen, war es jahrhundertelang notwendig, auf Abakus und Rechensteine zurückzugreifen. Die fürstlichen Schatzkammern verwenden dieses Verfahren der Buchfüh-
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Paul Benoît, «Rechnen, Algebra und Warenhandel», in: Michel Serares (Hg.), Elemente einer Geschichte der Wissenschaften, Frankfurt am Main 1994, S. 361
rung noch in der Renaissance. Schon das Erscheinen der arabischen Ziffern hatte zu merklichen Veränderungen geführt; die Operation wurde hingeschrieben, allerdings noch auf Wachs, in Sand oder Staub; die Zwischenergebnisse wurden jeweils wieder gelöscht, es wurden keine Zahlen «behalten». Mit der Verbreitung des Papiers im Abendland steht jedoch ein viel billigeres Schreibmaterial als das Pergament zur Verfügung; die veränderten materiellen Bedingungen führen zu ganz neuen Rechentechniken. Die Zahlen werden hingeschrieben, Zwischenergebnisse festgehalten; neue Formen der praktischen Durchführung der Rechenoperationen werden möglich.
Finanzwirtschaft und Innovationen
Niall Ferguson, Der Aufstieg des Geldes. Die Währung der Geschichte, Berlin 2009, S. 302–303
Intelligenz und Geld, Blasen und Crash
John Kenneth Galbraith, Eine kurze Geschichte der Spekulation, Frankfurt am Main 2010, S. 113–114
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Volkswirtschaften, die alle diese institutionellen Neuerungen einführten – Banken, Anleihenmärkte, Aktienbörsen, Versicherungen und Hausbesitzerdemokratie –, erwiesen sich auf lange Sicht als leistungsfähiger als solche, die es nicht taten, da die Vermittlung von Werten durch ein Finanzsystem im Allgemeinen eine effizientere Verwendung der Ressourcen ermöglicht als etwa der Feudalismus oder die Planwirtschaft. […] Gleichwohl verlief der Aufstieg des Geldes nie geradlinig, und das konnte auch nicht anders sein. Tatsächlich gleicht die Finanzgeschichte einer Achterbahn voller Aufschwünge und Abstürze, Blasen und Pleiten, Manien und Paniken, Schocks und Crashs.
Im Leben erfolgt kaum ein Hinweis so oft wie der auf die Lehren der Geschichte. Diejenigen, die sie nicht kennen, sind verurteilt, sie zu wiederholen. […] Die Umstände, die den beständigen Rückfall in den finanziellen Schwachsinn bewirken, haben sich seit dem Tulpenschwindel in Amsterdam 1636/37 praktisch nicht verändert. Einzelpersonen und Institutionen lassen sich von der wundersamen Befriedigung gefangen nehmen, die aus der Anhäufung von Wohlstand erwächst. Die damit einhergehende Täuschung des Einsichtsvermögens wird ihrerseits durch den häufig festgestellten allgemeinen Eindruck verstärkt, dass Intelligenz, die eigene wie die anderer, und der Besitz von Geld aufs Engste zusammengehören. Aus dieser Überzeugung ergibt sich dann das Handeln – die Preistreiberei, sei es bei Immobilien, Wertpapieren oder, wie in jüngster Zeit, bei Kunstwerken. Die Aufwärtsbewegung bestätigt den Zusammenhang mit der eigenen und der Gruppenvernunft. Und so weiter, bis zum Augenblick der allgemeinen Ernüchterung und des Zusammenbruchs. Und Letzterer kommt, wie inzwischen hinreichend bekannt ist, niemals sanft.
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John Kenneth Galbraith, Eine kurze Geschichte der Spekulation, Frankfurt am Main 2010, S. 58
«Ich kann die Bewegungen von Körpern messen», sagte Sir Isaac Newton einmal, «aber ich kann nicht die menschliche Dummheit messen.» Das konnte er bei der eigenen auch nicht. Er sollte nämlich bei der bevorstehenden Spekulationsorgie (1720, South Sea Company, Red.) 20’000.00 £ verlieren, was heute einer Million Dollar und mehr entspricht.
Meinen und Wissen
Eugen Bleuler, Das autistischundisziplinierte Denken in der Medizin und seine Überwindung, Berlin – Heidelberg – New York 1966, S. 111
Zum disziplinierten Denken gehört aber auch die Selbstständigkeit, die Fähigkeit, sich frei zu machen von allen blossen Meinungen, und wenn sie noch so verbreitet und noch so alt sind, von allen Vorurteilen, von allem, was nicht auf Beobachtung beruht; und ferner gehört dazu die Fähigkeit, selber neue logische Kombinationen zu bilden, ohne autistische Wege zu gehen. […] Ein solches diszipliniertes Denken lässt sich bis zu einem gewissen Grade lehren und lernen. Es handelt sich dann aber nicht immer um eine Angewöhnung, die das ganze Denken eines Individuums betrifft; man kann auf einem Gebiete autistisch oder nachlässig denken, auf einem andern vorzüglich.
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