Möbel aus Myzel

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WERK DOKU MENT ATION


MÖBEL AUS MYZEL Werkdokumentation Bachelorarbeit Objektdesign Hochschule für Design & Kunst Herzlichen Dank an meinen Mentor Florian Hauswirth, meine Projektpatner von Mycrobez AG und der Ikeastiftung Schweiz Valentin Küng Centralstrasse 5 6020 Emmenbrücke Emmenbrücke, 14. Juni 2021



DIE IDEE

Zukunftsfähiges Produktdesign sollte zu Ende gedacht sein und auch dann eine Lösung bereithalten, wenn das Produkt ausgedient hat. Es ist höchste Zeit Produkte in Kreisläufe zu integrieren und so die begrenzten Ressourcen auf unserer Erde immer wieder neu zu verwenden. So war es mein Ziel, ein Stuhl zu entwickeln, welcher komplett kompostierbar ist. Durch eine Recherche bin ich so mit dem Startup Mycrobez in Kontakt geraten. Ihr Ziel ist es Styropor durch einen natürlichen Werkstoff aus Agrarabfällen und Pilz zu ersetzen. Gemeinsam beschlossen wir, das Material weiterzuentwickeln, damit es auch für die Möbelproduktion verwendbar wird.



DER PLAN

Praktische Machbarkeitsstudie durführen

S. 8

Materialbezogenes Stuhldesign entwickeln

S. 18

Wachstumsform bauen S. 24


Pilz wachsen lassen

Pressform bauen und Pilz pressen

S.32

Stuhl fertigstellen S.36


Grundsätzlich ist Myzelium als Baumaterial noch sehr jung. Erst seit etwa zehn Jahren nutzt man die Wurzelstruktur von Pilzen, um damit Holzspäne oder Ähnliches verwachsen zu lassen. Vieles ist noch unerforscht. Dem Material wird aber eine grosse Zukunft hinterhergesagt. Mein Plan war es, das gezüchtete Material von Mycrobez unter Hitze zu pressen. Dadurch sollte es genug stabil werden, um es für ein Möbel zu verwenden. Ich hatte jedoch keine Ahnung, ob das so funktioniert, wie ich es mir vorstellte und ob das Material genug stabil sein würde. So wollte ich vor Beginn der eigentlichen Arbeit, Versuche durchführen, um zu prüfen, ob mein Vorhaben überhaupt machbar ist. Ich habe für die Versuche zwei Pressformen geschweisst, die beide mit Dampf erhitzt werden können. Die Hitze braucht es, um den Pilz abzutöten. Die Versuche glückten. Das gepresst Material wurde genug stabil. Also reichte ich das Projekt ein und machte weiter Test mit kleineren Mustern. Ich testete verschiedene Pilzsorten, verschiedene Substrate (das eigentliche Futter für den Pilz) und machte Versuche mit eingewachsenen Elementen. Beispielsweise liess ich ein Jutegewebe in den Pilz miteinwachsen.

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Das selbe Stück vor, und nach dem Pressen

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Um mit den gepressten Mustern einen Dreipunkte-Belastungstest durchzuführen, habe ich mir eine Testgerät gebaut. Mit einem Gerät, welches die Zuglast misst, konnte ich ablesen, welche Muster wie viel Belastung aushalten. Um eine Referenz zu haben, habe ich auch ein Test mit einer Spanplatte gemacht. Die Muster gingen bei einer Belastung zwischen 81 und 207 Kilogramm zu Bruch. Die Spanplatte ist bei 213 Kilogramm gebrochen. Dabei muss ich jedoch sagen, dass die Pilzmuster teils doppelt so dick waren, wie die Spanplatte.

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Wenn am Anfang des Designprozess das Material als Grundlage feststeht, ist es wichtig, dieses zu analysieren. Was sind die Vor- und Nachteile? Wie wird es am besten verarbeitet. Was ist statisch möglich und was nicht? Wenn man anhand von ähnlichen Produkten davon ausgeht, dass ein Pressverfahren das Beste ist, so kann man sich eine Liste der Vor- und Nachteile dieser Verarbeitung erstellen. Das Gleiche funktioniert auch mit dem Material selbst. Die Auflistung gibt Aufschluss darüber, welches Design zu dem Material passt.

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Nachteile der Verarbeitungsart:

• Durch das Pressverfahren sind Teile mit Hinter-Schnitten kaum möglich, da es dafür eine Presse bräuchte, die von mehreren Richtungen pressen kann. Dasselbe gilt für Formen die extreme Kurve beinhalten. • Durch das Pressen ergibt sich zwar die Form, jedoch muss das Teil anschliessend noch zugeschnitten / gefrässt werden. Das ergibt eine andere Oberfläche und kann zu einer Schwäche der Oberfläche führen.

Vorteile der Verarbeitungsart:

Durch das Pressen erhält man immer identische Stücke, da die Negativformen beim Pressen jeweils dieselben bleiben. Auch dann, wenn das Myzel vorher nicht immer gleich gewachsen ist. • Die beiden Negativformen sind in ihrer Form voneinander unabhängig. So kann die Aussenseite der Sitzschale eine andere Form haben wie die Innenseite. • Durch das Pressen entsteht eine harte und glatte Oberfläche. senseite der Sitzschale eine andere Form haben wie die Innenseite. • Durch das Pressen entsteht eine harte und glatte Oberfläche.

Nachteile des Myzels:

• Das Material ist sehr saugfähig und deshalb nicht wasserfest. • Das Material hat keine hohe Eigenfestigkeit und muss verstärkt oder gepresst werden. • Das Material verlangt nach einem sterilen Umfeld bei der Zucht. (Wobei dieses Problem in meinem Fall die Firma Mycrobez für mich löst.)

Vorteile des Myzels:

• Myzel ist sehr ökologisch, da die Zucht nicht viel Energie braucht und sehr lokal und unabhängig von äusseren Einflüssen produziert werden kann. Das Substrat, welches zum Beispiel aus Holzschnitzel oder Hanffasern besteht, ist meist ein Abfallprodukt der Landwirtschaft und muss nicht extra produziert werden. • Das schnelle Wachstum von Myzel ist ein grosser Vorteil. Ein Kubikdezimeter Myzel braucht etwa 4 Tage, um zu wachsen.27 Vergleicht man die Wachstumszeit mit jener von dem ähnlichen Werkstoff Holz, ist der Unterschied enorm. • Da man das Myzelium von Hand mischt, kann man gezielt Verstärkungen zwischen das Substrat legen und so in die Form mit einwachsen lassen. So lassen sich beispielsweise Schwachpunkte eines Möbels verstärken. • Das Material ist sehr leicht, auch nach dem Pressen. • Es ist weder giftig noch gesundheitsschädigend. Somit ist auch der Umgang für Kleinkinder unproblematisch. • Das Material hat keine Laufrichtung. Das bedeutet, es quillt und schwindet in alle Richtungen gleich. Beim Möbelbau kann das von Vorteil sein, da sich ein Möbel so weniger verzieht.

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Damit der Pilz schon von Beginn weg in die richtige Form wächst, braucht es den richtigen Behälter. Denn wenn der Pilz beim Pressen an gewissen Stellen gedehnt wird, entstehen Risse, welche der Stabilität schaden. Es hat sich herausgestellt, dass sich PET-Folie gut für den Formenbau eignet. Sie lässt sich gut desinfizieren und wird vom Pilz nicht angegriffen. Zudem lässt sich das das Material gut mit dem Laser bearbeiten. Das erleichterte mir die Arbeit enorm.

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Bei den Pressformen war die grösste Herausforderung die Stabilität. Bei bis zu 15 Tonnen Pressdruck war es wichtig, die Hohlkörper innen gut zu verstärken. Eine weitere Herausforderung war es, die Formen komplett dicht zu kriegen, damit der heisse Dampf im Innern nicht entweichen konnte. Auch mussten die Pressformen so gebaut werden, dass der Pressdruck möglichst gleichmässig verteilt ist. Bei der letzten und kompliziertesten Form liess ich die Stützen extern lasern. Diese selbst herzustellen wäre zu aufwändig und zu unpräzise gewesen.

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Leider hat das Pressen im grossen Format nicht gleich gut funktioniert, wie das Pressen bei den kleinen Mustern. Rückblickend bin ich mir sicher, dass ein Grund bei dem Pressdruck zu suchen ist. Die Grossen Formen konnten nicht zu derselben kompakten Masse gepresst werden, wie die kleinen Stücke. Obwohl die Sitzformen nach dem trocknen nochmals einiges stabiler wurden, konnte ich die angestrebte Materialqualität nicht erreichen. Aus meiner Sicht lohnte es sich nicht, an diesen gepressten Schalen weiterzuarbeiten. Die Struktur war zu locker um wie gepalnt Gewinde in das Material zu schneiden.

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In einem letzten Schritt wäre es nun um die Fertigstellung des Stuhles gegangen. Konkret ging es darum, die Sitzschale zu schleifen und zu ölen, die Beine aus Eschenholz herzustellen und mit Hilfe eines Holzgewindes in die Sitzschale zu schrauben. Nun ist es leider nicht wie geplant gekommen und die Zeit reicht nicht mehr aus, um eine weiter Form aus Mycelium zu züchten. Stattdessen arbeite ich aus einem 1:1 Modell, welches funktionsfähig ist und das gewollte Design meines Pilzstuhles an der Präsentation zeigen soll. Da das Modell momentan noch nicht fertig ist, habe ich dazu auch keine Bilder. Auf der linken Seite sind Muster abgebildet, die zum einen zeigen, dass sich Myzelium tatsächlich gut schleifen lässt und zum andern aufzeigen, dass es möglich ist, ein Gewinde in das Material zu schneiden. Rückwirkend muss ich sagen, dass in dieser beschränkten Zeit der Schritt von den kleinen Mustern zu der grossen Sitzschale etwas zu gross war. Ich war im Augenblick dieser Gewissheit sehr enttäuscht. Trotzdem bin ich froh, dass ich es versucht habe und das Team von Mycrobez und ich werden künftig an dem Material weiter forschen. Ich bin noch immer sehr überzeugt davon, dass dieses Material enormes Potenzial hat. Die Zusammenarbeit mit dem jungen Team von Mycrobez hat mir sehr viel Freude bereitet und es macht Spass das junge Unternehmen beim Wachsen zu begleiten. 36


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Kontakt: valikueng@bluewin.ch www.vk-objectdesign.com Bildquellen: Valentin Küng

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