hand anlegen

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hand anlegen Semesterprojekt Mรถbeldesign Januar 2018 Laura Egger



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Recherche & Konzept Gruppenthema Emotionsträger................................... 2 Einzelthema Hand anlegen ........................................ 4 Konzeptsuche............................................................ 6

Entwurf Entwurfsprinzip........................................................ 10 Inspiration................................................................. 12 Formfindung............................................................. 14 Füllmaterial............................................................... 16 Halt & Zusammenhalt............................................. 18 Testen im Massstab 1:1............................................. 20

Umsetzung Dimension & Funktion............................................ 22 Fertigung Innenhülle............................................... 24 Füllung...................................................................... 26 Aussenmaterial.......................................................... 28 Fertigung Aussenhülle.............................................. 30 Befestigung............................................................... 32 Möbel........................................................................ 34 Nachhaltigkeitsanalyse Gruppenmöbel................... 36 Abbildungsverzeichnis.............................................. 39 Impressum................................................................ 41


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Recherche & Konzept

Emotionsträger Durch das Anhaften von Bedeutung und Geschichten entwickelt sich ein Objekt zum Träger unserer Emotionen. In der Gruppe wurde der Text „Konsumlogik und Eigensinn der Dinge“ von Hans Peter Hahn bearbeitet. Zu dessen Kernaussagen gehört, dass Konsum Kontrolle über die eigene Existenz verschafft und im Prinzip all unsere Handlungen als Konsum betrachtet werden können. Besonders relevant im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit ist die Erkenntnis, dass zur Verlangsamung unseres Konsums die einzelnen Objekte grösserer Wertschätzung bedürfen. Erst aufgrund einer tiefgründigen Auseinandersetzung wird „der Eigensinn der Dinge“ 1 - so nennt es Hahn - erforscht und die Beziehung zwischen Mensch und Objekt intensiviert. Massgebend für die Intensivierung der Beziehung ist insbesondere die Dauer, die man mit dem Objekt verbringt oder deren Intensität. Durch diese gemeinsame

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Hahn, Hans Peter: Konsumlogik und Eigensinn der Dinge, S. 103.

vergangene Zeit entsteht Geschichte, welche sich auch anhand von Spuren am Objekt zeigen kann. Diese Spuren können sowohl sichtbar wie auch unsichtbar sein und in Form von Erinnerungen, Erlebnissen, Erfahrungen auftreten. Um Beziehungen zu stärken braucht es Zeit. Da diese in unserer schnelllebigen Gesellschaft oft Mangelware ist, muss die zur Verfügung stehende Zeit bewusst eingeteilt und intensiv genutzt werden. In der Zeit, in welcher wir im Besitz eines Objektes sind, sollen neue Geschichten erschaffen werden, die wiederum prägend für die Beziehung sind. Ausgehend von diesen Gedankengängen bildet sich die These, dass ein Objekt primär als Träger unserer Emotionen fungiert und das Materielle sekundär in Erscheinung tritt. Das Ziel für nachhaltiges Design ist, die Beziehung zum Objekt zu intensivieren, sodass eine Trennung vom Objekt herausgezögert und dadurch ein Beitrag zur Konsumverlangsamung geleistet wird.


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1| Farbspuren geben Hinweis auf gemaltes Bild

3| Neu versus gebraucht - welche Geschichten werden erzählt?

2| Abtauchen - Tiefgang

4| Genaues Betrachten des Objektes im Licht


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Recherche & Konzept

Hand anlegen In unserem schnelllebigen Alltag konsumieren wir täglich anonym hergestellte Produkte und nehmen und selten die Zeit, uns mit unserer Umwelt und den Dingen, die uns umgeben, auseinanderzusetzen. Beziehungen bleiben oberflächlich, Objekte werden austauschbar, Geschichten bleiben ungeschrieben. Um dem entgegen zu wirken und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und Konsumverlangsamung zu leisten, muss die unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Objekt unausweichlich sein und der Beziehung so die nötige Intensität verleihen. Der Nutzer muss sofort involviert werden um sichtbare, persönliche Spuren als Zeugen am Objekt zurückzulassen. Täglich versehen wir unsere Umwelt mit passiv und aktiv hinterlassenen Spuren: Fussspuren auf dem Küchenboden, Haare auf dem Kissen, Lippenstift am Glas, Kratzer auf dem Handy… Denn wenn wir berühren, hinterlassen wir unsere Spuren und prägen Dinge.

Zur Intensivierung der Beziehung zum Objekt sollen diese Spuren aktiv angebracht werden und mit einer gewissen Kraftausübung verbunden sein. Der Benutzer soll das Objekt nach seinem Willen formen können, indem er selbst Hand anlegt und eine Verbindung, eine Beziehung, ja eine Geschichte schafft. Das Einwirken des Benutzers soll funktional notwendig sein und nicht nur einmal stattfinden, sondern immer wieder getätigt werden. Basierend auf diesem Konzept wurde ein Objekt entworfen, welches durch das Handeln des Benutzers geprägt wird und verschiedene Funktionen und Anwendungsmöglichkeiten bietet. Indem der Besitzer selbst Hand anlegt, macht er sich das wesenartige Objekt gefügig und bringt es durch zusammenfalten und -schnüren in unterschiedliche Sitz- und Liegepositionen. Durch diesen intensiven Akt des Zähmens verbringt er nicht nur mehr Zeit mit ihm, sondern setzt sich bewusst mit dem Wesen auseinander und macht sich vertraut mit ihm. So wird das Wesen einzigartig für ihn und Teil seiner persönlichen Geschichte.


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7| Von Händen geformter Tonkrug

5| Umrisse des Möbels folgen Beinkontur

8| Zusammenarbeit

10| Stoff berühren

6| Beim Werken

9| Stoff zerknüllen

11| Nagelbild


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Recherche & Konzept

Konzeptsuche In der ersten Recherche und Konzeptphase wurden folgende vier Konzepte zur Thematik des Hand Anlegens erarbeitet.

knüpfen & spannen Mit einem Knoten kann nicht nur ein Schiff vom davonschwimmen gehindert werden, sondern auch Material davor zurückgehalten werden, in seine Ursprungsposition zu springen. Inspiriert von der Kapitonier-Technik wird mittels variablem Spannen der einzelnen Knöpfe eine Möbelform erreicht, welche sich je nach Körperform und Position manuell einstellen lässt. So entstehen auch unterschiedliche Oberflächenstrukturen. Skizzenmodell Kapitoniertechnik

Konzeptskizze spannbares Polstervolumen

12| Seemannsknoten


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schnüren & binden Eine schlanke Taille und sinnliche Hüften gelten schon lange als Schönheitsbild. Um diese Kontur zu erreichen, wurde oft auf ein Korsett oder Mieder zurückgegriffen. Je nach Stärke der Schnürung ergibt sich eine andere Kurve - flexibel anpassbar nach Mode und Gelegenheit. Zu den gewollten formverändernden Effekten können aber auch Schnürspuren auf der Haut oder sogar Einschränkungen in der Bewegung und Atmung hinzukommen. Ein Korsett hinterlässt also immer seine Spuren, ob sichtbar oder nicht. Skizzen- und Konzeptmodelle

Konzeptskizze geschnürter, formverändernder Sessel

13| Korsett schnüren


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flechten & weben Flechten und weben formt, gibt Halt und strukturiert die Oberfläche. Je nach Technik ist es sogar für den unbegabtesten Bastler schnell erlernt. Mit einem dicken Stoff hat das geflochtene Stück ausserdem polsternde Eigenschaften. Eine Gitterfläche kann also flexibel beflochten werden und so nicht nur ihr Aussehen sondern auch ihre Funktion ändern.

Skizzenmodell

Konzeptskizze variabel beflechtbares Gittervolumen

14| Korbflechten


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ziehen & drücken Ein weiches Objekt kann durch Krafteinwirkung seine Form ändern. Doch wie erreicht man diesen Effekt, wenn gleichzeitig die tragenden und stabilisierenden Eigenschaften erhalten bleiben müssen? Die Lösung sind Gelenke. Diese können sowohl durch Druck- wie auch Zugausübung bewegt werden und die Richtung ändern. So ändern sich auch die Dimensionen des Objektes wie Höhe oder Breite. Eine Rückführung in die Ursprungslage der Gelenke ist jederzeit möglich. Konzeptmodell

Konzeptskizze Tischbeine als biegbare Gelenke

15| Am Seil ziehen


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Entwurf

Entwurfsprinzip Für die Weiterbearbeitung des Konzeptes wurde die in der ersten Projektphase erarbeitete kombinierte Thematik des Schnürens und Spannens gewählt und die Prämissen für den Entwurf festgelegt. Der Akt des Hand anlegens muss: • funktional notwendig sein. • spannend und optisch attraktiv sein. • immer wieder erfolgen können. Der Entwurf folgt dabei dem Prinzip, dass ein weiches Volumen erst durch stellenweisen Druck von aussen zum Beispiel durch Zusammenschnüren - die für die Funktionalität notwendige Stabilität erhält.

Funktionsprinzip Pouf


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Skizzen- und Konzeptmodelle

Arbeitsmodell Pouf


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Entwurf

Inspiration Inspiriert durch das Funktionsprinzip des Poufs sowie Zanottas „Sacco“ wurde ein Möbel enworfen, welches durch die Einwirkung des Benutzers verschiedene Funktionen und Nutzungen zulässt. Da es sich um ein weiches Volumen handelt, wird die Nutzungsart auf verschiedene Sitz- und Liegemöglichkeiten ausgelegt.

Mögliche Positionen

Liegen

Sitz-liegen

entspannt auf dem Rücken liegen, den Kopf geschützt

mit angewinkelten Beinen und leicht erhöhtem Oberkörper


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16 | Originalwerbung für Zanottas Sacco

17 | Sacco von Zanotta

18 | Sessel aus Ledermatratze & Rahmen

Sitz-liegen

Sitzen

Sitzen

die Beine gestreckt, den Oberkörper leicht

bequem mit gestütztem Oberkörper und

über dem Boden tronend, auf weichem

gestützt und die Arme angelehnt

erhöhter Sitzfläche

Untergrund, ohne Stützung


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Entwurf

Formfindung Für das Erfüllen der Entwurfsprämissen ist eine Möbelform gefragt, welche einerseits verschiedene Sitzund Liegepositionen auf ergonomische Weise zulässt. Andererseits muss die Form auch im Raum attraktiv aussehen und die Benutzer dazu anregen, Hand anlegen und das Möbel gestalten zu wollen. Anhand diverser Formmodelle in den Massstäben 1:5 und 1:10 wurden unterschiedliche Volumetrien studiert und die überzeugendsten Varianten als Volumen- und Funktionsmodelle 1:1 getestet. Die Entscheidung für die finale Figur fiel auf eine leicht asymmetrische, organisch ausgestaltete Form mit vier Enden.

Ergonomische Überlegungen

Sitzhöhe und Rückenhöhe

Sitztiefe

Sitzbreite

Länge Liegefläche


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Modell mit zwei Enden

Modell mit drei Enden

Modell mit drei Enden, oben gerade

Modell mit drei Enden, schlank

Modell mit vier Enden

Modell mit vier Enden, schlank

Modell mit vier Enden, Kammern

Modell mit vier Enden, Kammern, lang

Finales Formmodell

Formmodelle im Massstab 1:5


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Entwurf

Füllmaterial Da das Objekt in ganz verschiedenen Positionen funktionieren muss, ist die Art der Füllung von grosser Bedeutung. Sie hat nicht nur Auswirkungen auf die Funktionalität und die Ergonomie, sondern auch auf die Optik, Haptik und weiteren Sinnesempfindungen. Jede Füllung hat unterschiedliche Vor- und Nachteile und ist somit mehr oder weniger geeignet. Als wichtiger Schritt wurden deshalb Kriterien definiert, anhand welcher eine grosse Anzahl Füllmaterialien zuerst auf theoretischer Basis geprüft wurden. Diese beinhalteten sowohl Naturstoffe wie auch Kunstprodukte.

In einem zweiten Durchgang wurden die Materialien Hobelspäne, Stroh, Holzfasern, Holzwolle, Korkgranulat und Styroporperlen auf ihre haptischen Qualitäten getestet. Der wichtigste Schritt war die darauffolgende Überprüfung im 1:1 Volumen- und Funktionsmodell. In diesem Massstab wurden sowohl Stroh, Holzwolle wie auch Korkgranulat verschiedenen Tests unterzogen und auf ihr Form- und Stabilitätsverhalten, Gewicht und ergonomischen Eigenschaften geprüft.

Kriterien

Stabilität & Formverhalten

Haptik

Nachhaltigkeit

Gewicht

Feuchtigkeitsbeständigkeit

Geruch

Preis


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19 | Hobelspäne

20 | Holzfasern

21 | Holzwolle

22 | Holzpellets

23 | Heu

24 | Stroh

25 | Blähton

26 | Korkzapfen-Granulat

27 | Sandkastensand

28 | Verpackungschips

29 | Styroporperlen (EPS,

30 | Schaumstoffflocken

(Polystyrol oder biologisch)

Expandiertes Polystyrol)

(PUR, Polyurethan)


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Entwurf

Halt & Zusammenhalt

Statik Die Stabilität und das Formverhalten des Objekts hat grossen Einfluss auf die Ergonomie. Da das Objekt in unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten und Positionen funktionieren muss, mussten die verschiedenen für die Stabilität des Möbels relevanten Punkte definiert werden. Am 1:1 Volumenmodell wurden diese statisch kritischen Punkte zusammen mit der Art und Menge des Füllmaterials und der Befestigung getestet und optimiert. Verschiedene Eingriffe wurden geprüft und aufgrund funktionaler oder konzeptueller Gründe wieder verworfen, wie beispielsweise das Hinzufügen einer Holzlatte im Rücken des Objekts.

Statisch kritische Punkte

Rückenansicht Volumenmodell mit statischem Eingriff


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Befestigung Das Thema Hand anlegen basiert auf der Idee, dass der Benutzer das Objekt in verschiedene Positionen und Formen bringen kann. Diese Formen werden durch Verschluss- und Stabilisierungsutensilien fixiert und zusammengehalten. Im Laufe des Entwurfsprozesses wurden verschiedene Befestigungsutensilien sowohl

auf theoretischer und praktischer Weise geprüft. Dabei musste nicht nur das betrachtliche Gewicht des grossen Objektes und dessen Krafteinwirkung auf die Verschlüsse berücksichtigt werden, sondern auch die konzeptuelle Bedeutung der einzelnen Utensilien in ihrer Anwendung und Optik.

31 | Reissverschluss

32 | Karabinerhaken

33 | Steckschnalle

34 | Gurtschnalle

35 | Seile mit Knoten

36 | Spanngurt

Orte mit Verschlussfunktionen


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Entwurf

Testen im Massstab 1:1 Im Verlauf des Entwurfsprozesses wurden mehrere Volumen- und Funktionsmodelle im Massstab 1:1 gefertigt. Erst diese machten es möglich, das Objekt realitätsgetreu zu testen und aussagekräftige Erkenntnisse zu Funktionalität, Ergonomie, Attraktivität im Raum und Materialwahl zu ziehen. Die nachfolgenden Volumenmodelle zeigen verschiedene Formen und Dimensionen, Füllmaterialien und Befestigungen; aber auch statische Optimierungen wie das Anbringen von Kammern.

Modelle 1:1

Modell 1: drei Enden, gefüllt mit Kissen

Modell 2: vier Enden, gefüllt mit Stroh


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Modell 4: mit abgesteppten Kammern zu Scharnieren ausgebildet, gef체llt mit Euterholzwolle

Modell 3: zusammengeschn체rt, mit Kammern als W채nde ausgebildet

Modell 4: mit abgesteppten Kammern zu Scharnieren ausgebildet, gef체llt mit Euterholzwolle


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Umsetzung

Dimension & Funktion Im Laufe des Prozesses wurden die Dimensionen des Objektes hinsichtlich des Materialverbrauchs optimiert. Die Masse des finalen Möbels wurden aus den drei unten aufgeführten, primär definierten Nutzungsmöglichkeiten abgeleitet. Eine Herausforderung war dabei die Doppelfunktionalität der einzelnen Figurteile in den unterschiedlichen Sitzfunktionen. So müssen beispielsweise die beiden grösseren Auskragungen des Objektes (die Arme) sowohl eine komfortable Rückenlehne in der Sesselposition wie auch genügend Sitzfläche in der Zweierposition erlauben.

Das Möbel besteht aus einer Innen- und einer Aussenhülle. Die Innenhülle fasst das Füllmaterial und ist in sechs Kammern aufgeteilt, welche alle über einen Reissverschluss für das Wechseln der Füllung verfügen. Die Kammern sind als abgesteppte Nähte ausgeführt, die so als Scharniere funktionieren. Die Verkürzung der Objektlänge, die diese Scharniere bewirken, musste in die Dimensionierung des Schnittmusters der Innenhülle einberechnet werden und bei der Anfertigung der Aussenhülle bis zu einem bestimmten Grad wieder abgezogen werden. Die Aussenhülle hält die Innenhülle straff und versteckt die Kammernähte.

Nutzungsmöglichkeiten

Im Sessel sitzen

Zu zweit sitzen, mit dem Rücken gegeneinander

Liegen und abschalten


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246 cm 170 cm

73 cm

148 cm

Trennungsnaht Kammer

Reissverschluss (30cm)

Schnittmuster Innenhülle 1:25 154 cm

Dimension Innenhülle

-5

-5 cm

154 cm

73 cm

-5

-5 cm

cm

-16 cm cm

cm -5

-5 cm

-5 cm

-5

cm

73 cm

-16 cm

Reissverschluss (150cm)

Schnittmuster Aussenhülle 1:25 Aussenhülle Innenhülle gefüllt

Schemaschnitt 1:25, mit Kammertrennungen als Scharniere ausgebildet


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Umsetzung

Fertigung Innenhülle Für die Innenhülle wurde ein Stoff aus 100% Baumwolle gewählt. Um den Materialverschnitt zu optimieren, wurden die zwei Seiten aus je zwei Einzelteilen zusammengenäht. Um das Füllmaterial an seinem Platz zu halten und so für ein besseres Formverhalten und Stabilität zu sorgen, wurde das Objekt in sechs Kammern aufgeteilt. Anfänglich waren die Kammertrennungen als Wände

ausformuliert. Dies wirkte sich aber negativ auf die Beweglichkeit des Objektes aus, weshalb die Kammern des finalen Objektes abgesteppte Trennnähte haben. Auf diese Weise können die sechs Teilbereiche des Objektes wie Scharniere bewegt werden. Die Kammern haben alle Reissverschlüsse, welche ein einfaches und dichtes Befüllen erlauben, sowohl beim ersten Mal wie auch beim Nachfüllen.

1 Geplottetes Schnittmuster auf Baumwollstoff. Das Schnittmuster wurde in der Mitte getrennt, um den Stoffverschnitt zu optimieren.


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2 Zusammengenähte Stoffteile ergeben eine Seite der Hülle. Anschliessend wurden beide Seitenteile zusammengenäht.

3 Reissverschluss 30cm, mit Fadenschlag vorgenäht

4 Eingenähter Reissverschluss

5 Abmessen und anschliessendes Absteppen der Kammern auf rechts.


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Umsetzung

Füllung Das Füllmaterial hat grosse Auswirkungen auf die Funktionalität und die Ergonomie der Objektes, aber auch auf die Optik, Haptik und weiteren Sinnesempfindungen. Nach einer breiten Evaluation an möglichen Füllmaterialien in der Entwurfsphase wurden basierend auf den aufgestellten Kriterien die geeignetsten Materialien Holzwolle und Korkgranulat im Volumenmodell 1:1 getestet. Die finale Wahl fiel auf Euterholzwolle. Euterholzwolle ist ein hochwertiger, naturbelassener Werkstoff in Form von gleichmässigen feinen und bis zu 500 mm langen, elastischen losen, holzsplitterfreien und quasi staubfreien Holzwollefäden. Sie wird aus entrindeten und bis auf 13% Holzfeuchte luftgetrockneten Schweizer Baumstämmen (Fichte,

Kiefer, Lärche) hergestellt und dient zur hautschonenden Reinigung und Stimulation von Euter und Zitzen. Als Füllmaterial überzeugt die Holzwolle nebst ihres Volumens auch durch die sinnesanregenden Eigenschaften. Sie fühlt sich warm an, riecht angenehm holzig, knistert leicht und hat das für das Konzept richtige Gewicht. Da die Wolle als Füllmaterial unbekannt und wohl auch überraschend ist, trägt sie zur tieferen Auseinandersetzung zwischen Nutzer und Objekt bei. Um die nötige Stabilität und komfortable Polsterung zu gewährleisten, musste die Wolle insbesondere in den beiden zentralen Kammern prall gefüllt werden. Die äusseren Kammern bedürfen weniger Volumen.


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Euterholzwolle

Mit Euterholzwolle gefüllte Innenhülle

Füllprozess


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Umsetzung

Aussenmaterial Mit der vertieften Auseinandersetzung mit dem Objekt nahm dieses im Laufe der Zeit einen wesenhaften Charakter an. Obwohl die Formgebung auf funktionalen Eigenschaften basiert, so erinnert sie gleichzeitig an ein Bärenfell. Diese Analogie bestimmt die Materialwahl der Aussenhülle. Durch die Ausgestaltung des wesenartigen Objektes in Anlehnung an einen Bären wird das Konzept vom Hand anlegen und Prägen, der erforderliche Kraftakt und die tiefe Auseinandersetzung mit dem Objekt intensiviert. Statt auf einem Sessel zu sitzen setzt sich der Benutzer mit dem Wesen auseinander, macht sich vertraut mit ihm und lässt es Teil seiner persönlichen Geschichte werden.

Für das Erstellen der Aussenhülle wurden zwölf Schaffelle verwendet, welche materialsparend zugeschnitten und zusammengenäht wurden. Die Aussenhülle ist in ihrer Dimension kleiner als die Innenhülle, da sie die abgesteppten Kammern der Innenhülle kompakt zusammenhalten muss, ohne deren Beweglichkeit zu limitieren. Die schwere und feste Fellhülle begünstigt die Stabilität des Objektes, verdeckt die darunterliegenden Kammertrennungen besser als ein flaches Stoffgewebe und sticht dank der für ein Wohnzimmermöbel ungewöhnlichen Materialisierung ins Auge. Hinzu kommt, dass das Fell zum Berühren einlädt und so förderlich für die Beziehung zwischen Wesen und Nutzer ist.


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Zuschnitt Felle Aussenhülle 1:25. Pro Seite wurden sechs Felle benötigt.

GSEducationalVersion

Form Möbel

Formanalogie Bärenfell

37 | Schafffell


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Umsetzung

Fertigung Aussenhülle Für die Fertigung der Aussenhülle wurden insgesamt zwölf Schafffelle benötigt. Aus Kostengründen wurde für die Erstellung des Prototypen auf Kunstfelle zurückgegriffen. In der Serienproduktion werden diese durch echtes Schafffell ersetzt. Da es sich beim Fell nicht um Meterware handelt und um Material zu sparen, musste zuerst der geeignetste Zuschnitt der Einzelfelle definiert werden. Die einzelnen Fellstücke wurden danach so zusammengenäht, dass sie eine Seite der Aussenhülle bildeten.

Anschliessend wurden beide Seiten mit der Nähmaschine zusammengenäht. Der 150cm lange Reissverschluss, dessen Länge notwendig ist für das Einfügen der Innenhülle, musste von Hand eingenäht werden. Um das Fell dem eines lebendigen Wesens näher zu bringen, wurde es an Rücken und Hals gestutzt. Ausserdem wurde das Schafffell mit Schwarztee partiell leicht eingefärbt um einen natürlichen Look zu erzielen und dem neu gekauften Fell etwas von seiner Reinheit zu nehmen. Dabei war wichtig, dass die Haptik und Olfaktorik keine Einbussen nahmen.

Fell-Weathering

Fell wurde an Rücken und Hals gestutzt.

Färbtest mit Schwarztee

Weathering des Fells für einen natürlich lebendigen Look.


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1 Einzelne Felle wurden zugeschnitten.

2 Fellstücke uerden miteinander vernäht zu Aussenhüllenseite.

3 Beide Teile der Aussenhülle wurden aufeinander festgesteckt.

4 Hülle wurde mit der Nähmschine zusammengenäht.

5 Fertig genähte Aussenhülle.

6 Reissverschluss von Hand eingenäht.


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Umsetzung

Befestigung Das wesenartige Objekt lässt sich durch das Handeln des Benutzers in unterschiedliche Sitz- und Liegepositionen bringen. Dazu muss der Besitzer selbst Hand anlegen und sich das Wesen gefügig machen. Durch diesen intensiven Akt des Zähmens verbringt er nicht nur mehr Zeit mit ihm, sondern setzt sich bewusst mit dem Wesen auseinander und macht sich vertraut mit ihm. So wird das Wesen einzigartig für ihn und Teil seiner persönlichen Geschichte. Inspiriert durch die Tierwelt verfügt das Objekt über zahlreiche Bullennasenringe an ausgewählten Stellen. Daran befestigt sind einfache Lederriemen, welche sich nach Lust des Nutzers zusammenschnüren lassen. Das

Tierbändigung mit Lasso &

38 | Zirkusbär mit Maulkorb

Führungsring

oder Halfter

Wesen wird gebändigt und für die unterschiedlichen Sitzpositionen fügsam gemacht. Um die Taille des Wesens liegt ein stramm gezogener alter Militärgürtel, welcher sowohl zum Anheben des Objektes als auch unterstützend zur Befestigung genutzt werden kann. Bei der Detailausarbeitung der Befestigung wurde darauf geachtet, mit möglichst einfachen Mitteln zu arbeiten. Wie bei den Lederfussfesseln von Raubfalken sind die Lederriemen mittels einer einfachen Schlaufe am Ring und auch ineinander befestigt und lassen sich wenn nötig auch wieder lösen.

39 | Falke mit Lederbänder als Fussfesseln


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Position Bullennasenringe und Gürtel 1:25

GSEducationalVersion

Bullennasenring & Verbindungsschlaufe Lederband

Verbindung Lederbänder

Ledergürtel um Objektmitte


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Umsetzung

Möbel Entstanden ist ein Objekt, welches einen wie ein Lebewesen mit seinen ganz unterschiedliche Seiten und Charaktereigenschaften überrascht und einen festen Platz im Leben des Benutzers erhält.

In einer bequemen Sesselposition mit Rückenlehne.

Vorderansicht der Sesselposition.

Im liegenden Zustand bieten die beiden aufgestellten Arme

Das Objekt lässt sich zu zweit bezwingen und dient als aufrechte

Sicht- und Hörschutz.

Sitzgelegenheit.


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Das fertige Objekt mit den gut sichtbaren Befestigungen.


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Analyse Gruppenmöbel

Nachhaltigkeit

Funktion Verschiedene Sitz-&Liegepositionen für 1-2 Personen. Relativ hohes Gewicht & Länge -> grosse Lagerfläche. Kann problemlos von 1 Person bewegt werden.

Funktion Flexible Form, passt sich Nutzbedürfnis an. 30kg schwer, nicht von 1 Person tragbar. Braucht viel Lagerplatz.

Materialaufwand

Materialaufwand

Innenhülle ca. 10% Verschnitt -> Optimierung durch kleinere Stücke. Aussenhülle minimaler Verschnitt. 1 statt 2 Hüllen wäre Materialoptimierung aber auch Komforteinbusse.

Stoffverschnitt von 14% -> nicht sichtbarer Stoff durch ökologischeren ersetzen für Verbesserung. Reduktion Grösse = Einbusse Komfort.

Lebensdauer

Stoffbezug nicht abnehmbar. Trennung Füllung & Hülle möglich.

Sortenreiner Rückbau (genäht). Holzwolle = Energielieferant. Füllmaterial austauschbar. Materialien Euterholzwolle: 100% CH-Baumstämme -> kurze Transportwege. Luftgetrocknet & unbehandelt. Gute graue Energie Bilanz. Lebensende -> verbrennen -> Energielieferant. Schaffell: Nebenprodukt der Fleischproduktion -> „recyclet“. Felle meist aus dem Ausland -> lange Transportwege -> schlecht für graue Energie. Gerbung muss ökologisch (ohne Chrom) sein.

Lebensdauer

Materialien Baumwoll - Plüsch: 80% Baumwolle, 20% Polyester. Selten recyclet, ist aber recyclebar. Herkunft Stoff unbekannt. Polyurethan - Kaltschaumflocken: 100% Polyurethanschaumstoff. Herkunft Deutschland -> relativ geringe Transportwege. Kunststoff -> Erdöl bei Herstellung -> relativ hohe graue Energie. Flocken können wiederverwendet werden.


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Optimierungs-Analyse Möbel mit grösstem Optimierungspotenzial -> Änderung der Produktionsmethode -> Änderung der Materialien: Verzicht auf Leim und Kunststoff

Materialien Holzkonstruktion: Ersatz Sperrholz durch Massivholz -> kein Leim, 100% CH-Holz, luftgetrocknet, unbehandelt, verbrennbar = Energielieferant. Funktion Verschiedene Sitzpositionen, für 1-2 Personen. Hohes Gewicht (25kg) & Grösse. Auseinanderbauen möglich. Materialaufwand Reduktion Rippen wäre Einbusse Komfort. Kleinere Dimension wäre Einschränkung Funktionalität. Andere Produktionsweise -> Dampfbiegen = weniger Holzverschnitt. Lebensdauer Möbelteile trennbar. Verleimtes Sperrholz nicht sortenrein rückbaubar. Materialien Birkensperrholz: verleimt mit Phenol- oder Melaminleim. Lebensende: Verbrennen möglich, aber nicht im Chemineé. PUR-Recyclingschaum: PU-Verbundschaumstoff auf Recyclingbasis hergestellt. Begrenzte Erdölprodukte bei Herstellung verwendet. Hohe CO2 Emission bei Vorproduktion -> graue Energie. Recyclingprodukt.

Polsterfüllung: Ersatz PUR-Schaum durch Euterholzwolle -> 100% CH-Holz, luftgetrocknet, unbehandelt, verbrennbar = Energielieferant. Obermaterial: Ersatz Baumwollgemisch durch wetgreen Olivenleder -> Leder gegerbt mit Hilfe von pflanzlichen Gerbstoff aus Olivenblätter -> Abfallprodukt. Transport innerhalb Europa. Materialaufwand Neue Produktionsmethode -> Dampfbiegen statt CNC-Fräsen -> Reduktion Holzverschnitt ca. 80%! -> Produktionsverfahren ohne Bindestoffe. Lebensdauer Elegante Form, hochwertige Materialien und eindrückliches Produktionsverfahren geben dem Möbel hohen Stellenwert. Konzept basiert auf intensiver Beziehung zwischen Nutzer und Objekt -> Ersatz wird herausgezögert. Sortenreine Trennung möglich, Holz kann verbrannt werden & als Energielieferant genutzt werden. Möbel kann auseinandergebaut und verstaut werden.


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Abbildungsverzeichnis

Abb. 22 OBERER. www.oberer-pellets.at (29.10.2017).

Abb. 1

Rachael Roxanne by hand. www.rachaelroxannebyhand.com/ (8.10.2017).

Abb. 2

7132 AG: 7132. Vals, der Moment zählt.

Abb. 3

The balloon. www.theballoon.de (8.10.2017).

Abb. 4

7132 AG: 7132. Vals, der Moment zählt.

Abb. 24 Stock Photo - Dried straw tied with natural fiber string. www.123rf.com (28.10.2017).

Abb. 5

Dezeen: Marija Puipaite shapes Embracing Touch seats with the outline of her legs. www. dezeen.com (8.10.2017).

Abb. 25 Ricoter. www.ricoter.ch (29.10.2017). Abb. 26 Kork- und Lehmwerkstatt. www.korkundlehm. ch (29.10.2017).

Abb. 6

Meyer, James: Minimalismus. 2005, Berlin Phaidon.

Abb. 27 IHNEN. www.ihnen-transporte.de (29.10.2017).

Abb. 7

Groupon. www.groupon.com (8.10.2017).

Abb. 8

Anomalien. weissesrauschen.tumblr.com (8.10.2017).

Abb. 29 50 Liter EPS-Perlen. www.amazon.de (29.10.2017).

Abb. 9

kopfdreck. kopfdreck.tumblr.com (8.10.2017).

Abb. 10 Denicedenice. denicedenice.tumblr.com (8.10.2017). Abb. 11 Geheimshop. www.geheimshop.de (8.10.2017). Abb. 12 Framepool. footage.framepool.com (8.10.2017). Abb. 13 Stracke, Christoph. www.miedermacher.de (8.10.2017). Abb. 14 Kunsthandwerk. www.sierranieves-deu.com (8.10.2017). Abb. 15 Leuner, Barbara. www.blu-beratung.ch (8.10.2017).

Abb. 23 Westerwald-Heu. www.westerwald-heu.com (28.10.2017).

Abb. 28 Foam peanut. www.wikiwand.com (29.10.2017).

Abb. 30 Schaumstoff-Flocken Füllmaterial. www.amazon.de (29.10.2017). Abb. 31 Modulor. www.modulor.de (12.10.2017). Abb. 32 Edelstahl-Karabinerhaken. www.amazon.de (29.10.2017). Abb. 33 Segelmacher-Shop. segelmacher-shop.de (28.10.2017). Abb. 34 Ledergurt dunkelbraun natur. cadamonshop.ch (28.1.2017). Abb. 35 Seilknoten lokalisiert auf weissem Hintergrund. thumbs.dreamstime.com (05.01.2018). Abb. 36 Spanngurt. www.kruizinga.at (28.10.2017).

Abb. 16 La poltrona Sacco by Zanotta. www.hmdesign.it (18.10.2017).

Abb. 37 Icelandic sheep experts. www.westwingnow.de (12.12.2017).

Abb. 17 Zanotta: Contemporary bean bag. www.archiexpo.com (18.10.2017).

Abb. 38 Zirkusbär. www.illusionen.biz (28.12.2017).

Abb. 18 Architektur & Wohnen. ragopige.info/architektur-und-wohnen 18.10.2017). Abb. 19 TopSPAN. www.top-span.ch (29.10.2017). Abb. 20 VHD: Herstellung. www.holzfaser.org (07.01.2018). Abb. 21 Natürlich verpacken. www.natuerlich-verpacken. de (29.10.2017).

Abb. 39 Fussschellen. www.fotocommunity.de (28.12.2017).


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Impressum Hand anlegen

Dozierende:

Ein Projekt von Laura Egger

Christoph Jenni

Gruppe 4

Tanja Lütolf Elvira Mühlebach

Die Schönheit des Guten

Tido von Oppeln

Moral und Sustainability im Design

Christof Sigerist This Weber

Semesterprojekt Möbeldesign HS17 Innenarchitektur

Thomas Wüthrich

Hochschule Luzern - Design & Kunst

Dokumentation erstellt: Januar 2018

Modulverantwortliche: Elvira Mühlebach

Druck: Genossenschaft Drucksalon, Zürich



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