Gestalterische Bachelorarbeit
BACKKORK
Ein Begleiter im Wasser und an Land
Gestalterische Bachelorarbeit
Objektdesign
6. Semester
Hochschule Luzern
Design & Kunst
Luzern; 12. Juni 2023
Autor:
Mario Gut
Mentor:
Florian Hauswirth
Dank an:
Martha Rüegg
Annina Linggi
Florian Hauswirth
Kommilitoninnen 2020
Familie und Freunde
Backkork
Ein Begleiter im Wasser und an Land
Einleitung
Kork ist fäulnisresistent, leicht, antistatisch, feuerfest, schädlingsresistent, chemikalienbeständig, wasserundurchlässig, schalldämmend, gasundurchlässig, elastisch und stossdämmend. Kork schwimmt und isoliert vor Wärme und Kälte. Kork schimmelt nicht und ist robust. Diese Vielfalt an solch spezifischen Eigenschaften in einem Material zu finden, ist faszinierend. Dazu ist es noch ökologisch wertvoll, nachhaltig und wird geerntet, ohne dem Baum zu schaden.
Leider wurde das Material Mitte des letzten Jahrhunderts viel zu oft von Kunststoff verdrängt. Seit der Rohstoff in den Nullerjahren vermehrt den Weg zurück in die Produktwelt schaffte, erscheint mir der Einsatz etwas ungeübt und nicht so sehr dem Material entsprechend. Die subtraktive Produktionsweise der meisten Korkprodukte ist vielmehr dem Holz entlehnt und nimmt keinen Bezug auf die Plastizität des Korks. Ausserdem verbirgt die glatte geschliffene Oberfläche die Struktur des Granulates und nimmt dem Material seine Charakteristik. Vielmehr scheint Kork häufig ein rein preisliches Argument geworden zu sein. So verkauft Tom Dixon einen Korktisch teurer als ein vergleichbarer Marmortisch aus seiner Kollektion.
Im Gegensatz dazu landet das Material, welches oft als Korkenstopfen im Wein bei uns in der Schweiz landet, meistens im Abfall. Dies obwohl ein Recycling des Ma -
terials gut möglich wäre. Zur Zeit wird der schweizweit gesammelte Kork im Fachhaus in Schwerzenbach granuliert. Dies ist eine soziale Institution und wird vom Kanton getragen, und kann nur dadurch die Kosten tragen. Leider ist die Mühle zur Zeit defekt und die Instandsetzung dieser ist noch ungewiss.Allenfalls würde das Korkrecycling in der Schweiz eingestellt. Dies bestätigt widerum meine Annahme, dass dem Material die nötige Wertschätzung fehlt.
Motivation
Meine Motivation war eine gerechte Verarbeitung für dieses wertvolle Material zu finden. Dies beinhaltet vorallem zwei Punkte in der Produktion: zum einen soll der Werkstoff nicht mit Kunstharz verunreinigt werden um das Granulat zu binden. Dadurch bleibt der Werkstoff rein und natürlich. Zum anderen soll die Plastizität des Materials genutzt werden und direkt in die gewählte Form gebacken werden, ohne den heute gebräuchlichen Umweg über die subtraktive Fertigung. Dazu möchte ich eine zugängliche Möglichkeit des Formenbaus entwickeln, welche sich nicht an herkömmlichen 3D- gefrästen Metallformen orientieren. Denn diese sind sehr Kostspielig und rentieren sich erst ab sehr hohen Stückzahlen. Vielmehr möchte ich die Möglichkeiten mit niederkomplexen Mitteln erproben.
Ausserdem möchte ich dem Werkstoff eine prominentere Aufgabe geben als jene des Topfuntersetzers oder der Pinnwand. Das Material soll gewissermassen aus der Anonymität geholt werden und eine vernünftige Anwendung gefunden werden, welche dem Material gerecht wird.
Materialgrundlagen
Als Kork bezeichnet man die Rinde der Korkeiche (lat. Quercus Suber)2. Es handelt sich um eine Schutzschicht aus abgestorbenen Zellen, die aus dem Phellogen mit seinen meristematischen Fähigkeiten entstanden sind3. Die Zellstruktur erinnert im radialen Schnitt an eine Wabe und im tangentialen Schnitt an Rechtecke4 (siehe Abb. 1). Eben diese Hohlwabenstruktur verleiht dem Kork seine Elastizität. Das Material kann um bis die Hälfte seiner Dicke komprimiert werden, und bleibt dennoch flexibel. Kork ist der einzige feste Stoff, welcher sich bei einer Kompression auf der einen Seite nicht auf der anderen Seite ausdehnt 5
Die Dichte des Korks kann sehr variieren (120 bis 240 kg pro m3) und ist abhängig von mehreren Faktoren, wie dem Alter des Baumes, der Behandlung oder der Anzahl Schälungen6 . Ungeerntet kann der Kork bis zu 25cm dick werden7.
85% (161`504 Tonnen) des produzierten Korks stammen von der iberischen Halbinsel8 . Die Korkeiche ist in seiner mediterranen Heimat von grosser Bedeutung für die Umwelt. Sie verhindert die Desertifikation, indem sie das Wasser zurückhält . Sie bringt Nährstoffe in die Erde, ist Kohlenstoffspeicher und Lebensraum für zahlreiche Arten, damit steigert sie die Biodiversität.
Verarbeitung
Die Phellemschicht, also die Korkeichenrinde, lässt sich relativ leicht vom Phellogen schälen9 (siehe Abb.2). Zum ersten Mal wird geschält, wenn der Baum etwa 25 Jahre alt ist10. Dieser sogenannte Jungfernkork ist noch unregelmässig in der Struktur, der Dichte und der Dicke und nicht verwendbar für z.B. Korkstopfen. Dasselbe gilt für die zweite Schälung. Alle neun bis zwölf Jahre kann man den Baum
in der Folge schälen, bis man nach circa 16 Ernten und 150 Jahren die Lebensdauer des Baumes erreicht hat11.
Das Schälen ist für den Baum unbedenklich12. Nach der Ernte wird der Kork circa 6 Monate gelagert, um zu trocknen, Spannungen zu lösen und zu reifen13. Anschliessend wird das Rohmaterial im Wasser gekocht. Dadurch expandiert das in den Zellen enthaltene Gas und die Zellwände können sich entfalten. Es entsteht eine einheitliche Zellstruktur und das Material wird elastischer. Ausserdem lassen sich die Rindenstücke dadurch glätten und in eine flache Form bringen. /
2 Rebsamen, 2015
3 Silva, 2005, S. 345
4 Ebd. S.347
5 Amorim Cork Composites, Rubrik Über Kork
6 Sierra-Pérez, 2016, S. 609
7 Bounoure, 2019, S. 15
8 Sierra-Pérez, 2016, S. 606
9 Rebsamen, 2015
10 Bounoure, 2019, S. 16
11 Ebd. S. 16
12 Silva, 2005, S. 345 f.
13 Bounoure, 2019, S. 21
Etwa 80% des Korks landet in der Korkstopfenproduktion14 , dies zeigt die grosse Abhängigkeit des Korkmarkts vom Weinmarkt.
Dabei können nur etwa 20% des Materials verarbeitet werden , das restliche Material wird granuliert.
Um den Kork in eine industriell verarbeitbare Form zu bringen, wird das Granulat mit Zugabe von Kunstharzen zu genormten Blöcken und Platten gepresst. Dieses Material nennt man Presskork und ist die gebräuchlichste Form der Korkverarbeitung. Zu Beginn des 19. Jahrhun -
derts wurden solche Kompositwerkstoffe aus Kork vermehrt entwickelt, unter anderem für Bodenbeläge15. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Material vielerorts durch Kunststoff ersetzt. Dieser ist zwar günstiger, aber weniger beständig.
Backkork
Bekannt unter dem Namen Backkork (oder auch Blähkork, Dämmkork) ist ein Verfahren, das 1891 per Zufall von John Smith, einem Rettungsschwimmer und Schwimmwestenhersteller, entdeckt wurde16 . Dabei wird das Korkgranulat ohne Zusatz von bindenden Harzen zu Blöcken und Platten verarbeitet.
Das Material wird unter Beigabe von Wasserdampf unter Druck gebracht (etwa 40 kPa17) und auf etwa 300350° Celsius18 erhitzt. Dies führt zu einer Expansion der Korkzellen um etwa 100%. Ausserdem resultiert ein Gewichtsverlust von etwa 30% gegenüber dem Ursprungsgewicht19. Durch das Backen unter Druck lösen sich Suberin und Wachse aus dem Kork, legen sich um das Granulat und halten es zusammen.
Backkork ist also ein Monomaterial, welches nach seinem Gebrauch für das Recycling nicht mehr getrennt werden muss. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, auch Jungfernkork dafür benutzen zu können. Dank seinem höheren Anteil an Wachsen und Suberin fördert es die Bindung. Backkork wird meistens für Schall-, Wärme- oder Schwingungsdämmungen verwendet. Denn er weist einige Vorteile gegenüber anderen Isolationsmaterialien auf:
- konstante physikalische Eigenschaften, auch bei niedrigeren Temperaturen (-180° bis 110°C)
- bei Feuer werden keine Gifte freigesetzt, anders als bei Polyurethan-Schaum oder expandiertem Polystyrol
- hohe eigene Festigkeit, wodurch es unkomplizierter verbaut werden kann
Materialexperimente
Am Anfang stand das Erbringen des Beweises, dass ich Backkork ohne grossen Industrieofen herstellen kann. Dazu musste ich sicher sein, dass ich den notwendigen Druck aufbringen kann, die recherchierte Temperatur auch stimmt und wie ich den benötigten Wasserdampf erzeugen kann. Wie würde sich das Material verhalten und welche Oberfläche würde entstehen?
Denn gerade die Oberfläche stellt für mich ein Mittel dar, um dem Material mehr Aufmerksamkeit zu geben, da die meisten Korkprodukte mit geschliffener, glatter Oberfläche produziert sind. Wie würde die Oberfläche aussehen welche ich direkt aus der Form herauslösen kann, und kann diese noch zusätzlich modifiziert werden?
Ausserdem wollte ich mit verschiedenen Techniken im Formenbau ein paar Möglichkeiten abstecken und herausfinden, wie sich das Material verhält. So konnte ich mich an das Material herantasten und mit dem Kork vertraut werden.
Abb. 6-8, Impressionen aus der Versuchsreihe, welche kontinuierlich besser wurde und am Ende ein stabiles und festes Material hervorbrachte. Die Alufolie benutzte ich, um den Backkork aus der Form heraus ziehen zu können. Ausserdem erkennt man hier, wie sich kontinuierlich die für Backkork typische Farbe entwickelt hat.
Backen
Mithilfe einer simplen kleinen Metallform wollte ich erste Experimente mit dem Material durchführen. Dazu stellte ich den Ofen auf die recherchierten 350° Grad Celsius Temperatur (je nach Quelle war von etwa 300 Grad20, beziehungsweise 350-380 Grad21 die Rede)und versuchte den Druck (von etwa 40kPa22) provisorisch mithilfe von Gewichten zu erzeugen. Ausserdem goss ich etwas Wasser in die Form, um den Dampf zu erzeugen. Später benetzte ich das Granulat vorgängig, was besser funktionierte.
Ich entwickelte Klammern zur Form und begann die Formen unter der Hydraulikpresse zu füllen. Dadurch verbesserte sich das Resultat merklich. Ich benetzte das Granulat vorgängig in einer Schüssel, um die Feuchtigkeit gleichmässiger zu verteilen. Auch konnte ich mit der Zeit (von einer Stunde auf bis zu zwei Stunden) und der Temperatur (ich begann bei 350 Grad und konnte dann sogar bis 280 Grad runter) noch etwas spielen und schliesslich ein sehr überzeugendes Muster backen, welches die gewünschte Stabilität und Festigkeit besass.
Somit war für mich klar, dass ich den Kork als Monomaterial verarbeiten kann und nicht auf zusätzliche Bindemittel angewiesen bin.
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20 Silva, 2005, S. 359
21 Holzmann, 2012, S. 174
22 SIlva, 2005, S. 359
Formenbau
Durch das Erkunden von unterschiedlichen Materialien und Techniken im Formenbau möchte ich die Möglichkeiten ausloten, welche sich durch das Verfahren ermöglichen. Als Inspiration dazu diente mir ein Schrank der Sobreiro Collection, den das Studio Campana entwickelte. Dieser spielt mit der Semantik des Materials und nimmt zudem Bezug auf das Granulat, aus welchem es besteht.
Ich wollte herausfinden, ob auch noch andere Materialien als Metall in Frage kommen würden für den Formenbau. Dazu formte ich einen kleinen Boden aus Ton in die bestehende kleine Metallform. Dabei verklebten allerdings die beiden Materialien miteinander und ich konnte den Kork nicht mehr aus dem Ton lösen. Weiter habe ich mit feuchtem Sand eine Schicht in die Metallform gemacht, welche dem Kork eine kieselige Optik verlieh. Die Robustheit der Oberfläche war allerdings noch nicht so hoch.
Die Überlegungen gingen auch noch hin zu anderen Materialien, wie Gips oder Eichenholz, welche für eine gewisse Zeitspanne der Temperatur schon standhalten würden, jedoch die Wärme nicht gut leiten und daher nicht wirklich in Frage kommen.
Ich spielte auch mit filigranen Formen im Metall, um zu sehen, wie sich der Druck in der Form und im Material verteilt und wie stabil der Backkork dadurch noch ist.
Abb. 9, Nahaufnahme eines Schrankes der Sobreiro Collection des Studio Campana, 2018. Die erzeugte Oberfläche hebt sich klar von anderen Korkobjekten ab und nimmt zudem noch Bezug auf das Granulat aus welchem es Besteht.
Abb. 10, Das Materialmuster mit Sand bekam eine lebendige Oberfläche mit viel Struktur. Auch konnten einfach Formen erzeugt werden, wie eine Delle im Beispiel oben.
Abb. 11-13, Die Ergebnisse der anderen Versuche mit Ton und Vertiefungen, welche nicht gut funktionierten.
Intrinsische Hitzezufuhr
Durch das Erhitzen des Materials von innen, sollte die Oberfläche des Endmaterials von gar keiner festen Form eingegrenzt werden. Dazu füllte ich ein grosses Behältnis mit Granulat und brachte es unter Druck. Mittels eines Heissluftföhns konnte ich ein Rohr im Inneren erhitzen.
Mit diesem Verfahren könnten auch andere Formen wie Spiralen, Kreise oder Quadrate gebacken werden, welche sich als Sitzflächen oder gar direkt als ganze Hocker verarbeiten lassen. So ähnlich wie dies Hot Wire Extensions mit Kunststoffgranulat tun.
Abb. 16, Die Holzbox ist komplett gefüllt mit Korkgranulat und mit den Schraubzwingen unter Druck gebracht.Der Föhn bläst die heisse Luft durch das Rohr und erhitzt dadurch das Granulat.
Abb. 17, Das Ergebnis war nicht zufriedenstellend, da das Material inwendig verbrannte und aussen sehr stark bröselte. Am Ende lösten sich die Teile von der Stange und zerfielen.
Zylinder
Beim Versuch in ein bestehendes Rohr zu pressen, konnte ich sehr einfach stabile und gut brauchbare Muster erstellen. Dies sollte eine der einfachsten Möglichkeiten für mich sein, Kork zu backen und gute Resultate zu erzielen. Die Kanten konnten an der Unterflurfräse einfach abgerundet werden.
Abb. 18, Die Zylinderform war sehr einfach zu bauen und zu pressen und lieferte gute Resultate.
Biegrohr
Auf der Suche nach anderen Möglichkeiten zur simplen Formbildung entdeckte ich auch diese Biegerohre. Damit konnte ich herausfinden, wie die Möglichkeiten sind an ein gebogenes Rohr zu backen und allgemein um Zylinder und Rohre mit Kurven zu versehen.
Es war eher schwierig, den Druck auf die Form zu bekommen. Dies merkte man dann auch am Materialmuster, da es eher bröselte. Ansonsten konnte man erkennen, wie detailreich der Backkork die Form abbilden wird, da sogar die Rillen des Alurohres im Muster erkennbar waren.
Abb. 21, Um das Material aus dem Rohr zu befreien musste ich dieses zerstören.
Kontextualisierung
Aus den Materialtests und den Experimenten konnte ich einige Erkenntnisse gewinnen über den Umgang mit dem Material. In den Tests konnte ich beweisen, dass ich die gewünschte Qualität erreichen konnte. Nun musste ich bestimmen, in welchem Kontex das Produkt verordnet wird und welche Kriterien ich mir stelle.
Die Oberfläche mittels Sand oder Ton zu strukturieren funktionierte nicht besonders erfolgreich. Doch beim Aufschneiden eines der Muster aus der Metallform, bemerkte ich den Unterschied zu den gemeinhin maschinell gefrästen und geschliffenen Oberflächen, die man von Kork sonst kennt. Somit konnte ich eine gute Balance finden zwischen einer eigenständigen, dem Granulat entsprechenden Oberfläche und der Robustheit und Widerstandsfähigkeit, welche für den Gebrauch notwendig ist.
Die Formgebung sollte eher mollig und rundlich ausfallen, da eckige Formen an den Kanten schneller brechen würden. Die Herausforderung wird sein dies zusammen zu bringen mit der einfachen Metallform, in welcher ich es produzieren muss.
Als Anwendung war für mich schnell klar, dass ich etwas suchen musste, welches in seiner Multifunktionalität
auch die Eigenschaften des Korks widerspiegelt. Da ich in den Versuchen so gute Zylinderformen backen konnte, kam auch die Idee der Poolnudel und grundsätzlich einer Schwimmhilfe, da gerade auch in diesem Bereich der Kunststoff viele Korkobjekte verdrängte. Seien es kleine Schwimmer für Fischereiartikel, Schwimmgurte oder auch Rettungsringe. Kunststoff ist lange nicht so UV-beständig und langlebig wie Kork wodurch eine Rückkehr zum Naturmaterial doppelt Sinn macht. Es waren wohl eher Kostengründe, welche zur Abkehr von Kork führten. Somit war für mich klar ich wollte eine Schwimmhilfe, welche auch an Land auf dem Balkon als Hocker oder als Ablage verwendet werden kann.
Formsuche
Nachdem nun die Funktion bestimmt war, konnte ich mich an die Formsuche machen. Dazu begann ich mit einfachen Kartonmodellen, mit welchen ich verschiedene Ringe und Donuts in Originalgrösse testete. Ich würde eine Form finden müssen, welche zum Material passte und zugleich auch im Metall realisierbar ist.
Ringe
Die Ringform sagte mir zu, da sie in ihrer Einfachheit und Simplizität das Material sicher hervorheben könnte. Die klare Anlehnung an Rettungsringe oder auch Schwimmringe, zeigt das Potenzial und den Handlungsraum des Naturmaterials auf. Die aus heutiger Sicht typischen Kunststoffartikel, welche so wieder aus einem Naturmaterial hergestellt werden können, bieten ein grosses Potenzial.
24-29, Verschiedene Möglichkeiten mit den Modulen zu spielen und neue Formen zu bauen.
Modulare Ringe
Da die Ringe um sie im Ofen backen zu können sowieso in Segmente aufgeteilt werden müssten, wollte ich den mir gesteckten Rahmen noch etwas öffnen und die Segmente der Ringe mit zusätzlichen Zylinderelementen ergänzen. Somit würde das Korkobjekt noch vielfältiger und lässt sich besser an die Gegebenheiten und Bedürfnisse anpassen.
Durch ein Stangensystem im Inneren würden die Elemente zusammen gehalten werden. Der Versuch diese Form aus Blechen zu bauen, stellte sich allerdings als eine grosse Herausforderung heraus. Dies obwohl ich die exakte Abwicklung im Computer konstruierte. Denn die Ringform erfordert eine Biegung in zwei Richtungen gleichzeitig.
Modulare Zylinder
Daraus entstand die Idee, aus den einfacher zu bauenden Zylindermodulen ein System zu entwickeln. Dieses sollte mit Seilen verbunden und frei wechselbar sein. Durch die unterschiedlichen Durchmesser sollen zusätzlich Möglichkeiten zur Kombination geschaffen werden.
Im Wasser wären sie als Liege geeignet oder auch in kleineren Kombinationen und Einzeln lustig zum spielen.
Um die Idee zu testen, habe ich die Formen provisorisch aus Styropor ausgeschnitten. Denn dieser ist, wie der Kork auch, etwas nachgiebig, leicht und aus Granulat hergestellt. So könnte ich also schnell ein relativ ähnliches Material bearbeiten und meine Entwürfe zu testen.
Beim Sitzen auf den Modellen war die Stabilität leider nicht so gut. Viel zu sehr bewegten sich die einzelnen Rollen als dass sie vertrauenswürdig waren. Die Seile wirkten auf mich auch eher brachial als sinngemäss.
Modulare Kreise
Um nochmals auf neue Ideen zu kommen, begann ich mit den Elementen zu spielen und sie zu stapeln. Daraus ergaben sich spannende Konstellationen. Durch einfache Steckverbindungen könnten diese verbunden werden. Allgemein fand ich die Idee der Steckverbindung als sehr geeignet für das Material, da es auf die Elastizität und das Reibungsverhalten des Korks Bezug nimmt. Für die Anwendung im Wasser erschien mir eine Steckverbindung allerdings als nicht stabil genug.
Ich versuchte noch die Formen etwas anzupassen und habe dazu die Kanten abgerundet oder einige Formen verjüngend geformt.
Boje
Aus den entstandenen Varianten der modularen Kreise, konnte ich zwei Versionen herauskristallisieren, welche schon gut alleine funktionierten, ohne modular zu sein. Diese erinnern etwas an eine Boje und werden sowohl an Land als Hocker oder Ablage benutzt, als auch im Wasser als Schwimmhilfe. Durch ein Loch in der Mitte können sie einfach festgemacht und transportiert, oder auch hinter dem Boot hergezogen werden.
Am Computer übertrug ich die Dimensionen und spielte ich etwas mit den Proportionen. So konnte ich mir schnell ein Bild machen von den Formen und ein gutes Seitenverhältnis finden. Ich überprüfte die Formen auch noch flach aus Karton. Während die kleinere Form symmetrisch ist, habe ich bei der grösseren die Taille etwas verschoben. Dadurch wirkt die Form interessanter und schafft mehr Spiel.
Später konnte ich am Computer auch die Abwicklungen der Objekte herausspielen und am Schneidplotter ausschneiden, um sie anschliessend exakt aufs Papier zu übertragen.
Umsetzung
Während der Umsetzung war die Skalierung meiner Materialtests sowie die Konstruktion einer möglichst simplen Metallform die Herausforderung. Während die Arbeit in der Metallwerkstatt absehbar war, waren die Hindernisse in der Skalierung doch hartnäckiger.
Dank den am Plotter ausgeschnittenen Abwicklungen der Modelle, konnte ich diese schnell auf das Metall übertragen. Und auch die Rundungen waren an der Walze einfach zu biegen. Die Konstruktion besteht aus einem äusseren Zylinder, in welchen man die vorgeformten Formschrägen einspannen kann. Durch einen Aufsatz kann zudem genug Granulat in die Form gefüllt werden, welches dann beim Pressen in der Hauptform verschwindet. Die hydraulische Presse konnte den erforderlichen Druck erzeugen.
Das Material konnte ich über einen Zwischenhändler von der Korkrecycling Mühle besorgen. Es waren die letzten Säcke, denn die Mühle war defekt. Die Granulierung war unregelmässiger als bei meinem Testmaterial. Beim anmischen mit dem Wasser konnte man deutlich den Weingeruch der Zapfen riechen.
Meine Materialtests konnte ich in einem kleinen Ofen durchführen, welcher sonst für Schmuckstücke benutzt wird. Die originalgrossen Objekte musste ich allerdings im Keramikofen brennen. Dieser reagierte allerdings auf
die Metallformen und den Rauch. Glücklicherweise gab es noch einen "defekten" Keramikofen, welcher die benötigten 300 Grad aber noch erreichen würde. Da während dem Backprozess auch Rauch entsteht, welcher die Lüftung überfordert, musste ich auf der Terrasse weiterbacken. Und da dieser Ersatzofen etwas kleiner war, musste ich die Metallform der grossen Boje nochmals etwas kleiner machen.
Viele der gebackenen Objekte zerbrachen oder zerfielen leider. Ich musste also noch einige Parameter anpassen, wie den Druck in der Form, die Dauer im Ofen, die Feuchtigkeit des Granulates, den Entformungsprozess. Ich merkte auch, dass ich die Form im Ofen einmal drehen musste um sie gleichmässig zu backen, und so weiter. Und da nun die Backdauer von ehemals 1.5-2 Stunden auf etwa 10-12 Stunden anstieg, konnte ich nicht so schnell vorwärts machen, wie geplant.
Seile
Die Objekte benötigen noch einen Griff, damit man sie besser halten kann. In Anlehnung an die Schwimmgurte aus Kork, sollte dazu mit Seilen gearbeitet werden. Ich erstellte mehrere Varianten und Muster an meinen Prototypen. Da jedes meiner gebackenen Korkobjekte etwas variierte durch den Backprozess und die Form, sollten auch die Seile an jedem Objekt anders ausfallen.
Ich bezog die Seile bei der Seilerei Herzog, welche alle ihre Seile in Willisau produziert. Das Sisal der Seile kommt zwar aus Afrika, doch dafür kann es dort in der Sonne gebleicht werden, ohne Zusatzstoffe. Ausserdem verhält sich Sisal im Wasser besser und zieht sich nicht so stark zusammen wie andere Naturfasern. Da die Herkunft des Hanfs für ihre Seile auch nicht aus der Schweiz kam, entschied ich mich für Sisal.
Die Seilenden habe ich miteinander verspleisst und mit einem Takling befestigt. Doch nach meinem Empfinden nahmen die Seile nun zu viel Raum ein und versteckten das sorgsam entwickelte Korkobjekt zu fest. Ich entschied mich desshalb nur eine einzelne einfache Schlaufe an die Objekte zu binden. Diese erfüllt die Funktion genauso gut und stört auch nicht beim Sitzen.
Praxistest
Mit den Objekten sind wir anschliessend in die Badeanstalt und sind mit ihnen ins Wasser und auf den Holzsteg. Die Bojen machten Spass zum schwimmen und waren praktisch im Wasser und an Land.
Ausblick
Durch meinen Fokus auf das Material und meine Arbeit damit, erhoffe ich mir ein grösseres Bewusstsein zu schaffen im Umgang damit und dem Korkrecycling eine grössere Relevanz zu geben. Wie ich feststellte, steht dieses in der Schweiz kurz vor dem Ende. Hoffentlich gibt es dem Fachwerk einen anstoss die Mühle zu reparieren und weiterhin die Korken zu granulieren.
Ich würde gerne noch weiter testen und backen, den momentan sehe ich die Objekte noch als Prototypen. Denn in der Stabilität und Robustheit, habe ich noch nicht die Qualität der Materialtests erreicht. Sie bröseln noch zu fest. Es sind viele Faktoren, welche ich beachten muss beim Produzieren, damit es klappt. Doch mit ein paar weiteren Versuchen, denke ich, würde ich noch eine deutlich bessere Qualität erreichen.
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Amorim Cork Composites, Rubrik Über Kork, https://amorimcorkcomposites. com/de/warum-kork/fakten-und-kuriositaeten/kork/ (Stand 17.04.2023)
Bounoure, 2019, Guillaume Bounoure und Chloé Genevaux., Cork in Architectur, Design, Fashion and Art, Ginko, Hamburg, 2019
Holzmann, 2012, Gerhard Holzmann, Matthias Wangelin & Rainer Bruns, Natürliche und pflanzliche Baustoffe : Rohstoff - Bauphysik - Konstruktion, Springer Vieweg, WIesbaden, 2012
Rebsamen, 2015, Thomas Rebsamen, 2015, Materialarchiv, Rubrik Kork, https://materialarchiv.ch/de/ma:material_1376/?q=kork (Stand 17.04.2023)
Schenkling, 2016, Dieter Schenkling, 2016, Materialarchiv, Rubrik Dämmkork, https://materialarchiv.ch/de/ma:material_1866/?q=backkork (Stand 17.04.2023)
Sierra-Pérez, 2016, Jorge Sierra-Pérez, u.a., Introducing eco-ideation and creativity techniques to increase and diversify the applications of eco-materials: The case of cork in the building sector, in: Journal of cleaner production, Nov. 2016, S. 606-616
Silva, 2005, S.P. Silva, u.a., Cork: properties, capabilities and applications, in: International Materials Review, Vol.50, 2005, S.345-365
Abbildungsverzeichnis
Abb.1: Zellen der Korkrinde, aus S.P.Silva, 2005, Cork: properties, capabilities and applications. International Material Review, Volume 50 Issue 60, Seite 347
Abb. 2:
https://amorimcorkcomposites.com/de/ (Stand 6. April 2023)
Abb. 3:
https://amorimcork.de/nachhaltigkeit/galerie/ (Stand 6. April 2023)
Abb. 4:
https://materialarchiv.ch/de/ma:material_1866/?q=backkork (Stand 6. April 2023)
Abb. 9:
http://estudiocampana.com.br/licensed-artworks/ amorim-epoca/ (Stand 11. April 2023)
Abb. 15:
https://www.hotwireextensions.com/collections-1 (Stand 12. Juni 2023)
Abb. 55:
https://museudelapesca.org/colleccions/projecteentremuseus/entremuseus-fitxes/flotador-infantil. html (Stand 11. April 2023)
Alle restlichen Abbildungen sind vom Verfasser dieser Arbeit