Andrea Nüesch: Pool 17 – Reminiszenzen an ein Hallenbad

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Pool 17

Reminiszenzen an ein Hallenbad

Künstlerisch-gestalterische Bachelorarbeit 2021

Andrea Nüesch


Konzept

Zufällige Begegnungen mit Dingen können bei jedem Menschen ganz persönliche Erinnerungen und Assoziationen hervorrufen, die uns augenblicklich mit ihnen verbinden. Im Projekt „Pool 17“ habe ich das leere, unbenutzte Hallenbad meiner Grosseltern als Inspirationsquelle für eine Halbfabrikat-Stoffkollektion verwendet. Zahlreiche Details aus dem JetztZustand des Bads, wie auch einzelne Motive, die nicht mehr vorhanden sind, wurden zu Entwürfen umgestaltet, um einerseits diesen Ort festzuhalten und andererseits Erinnerungen zu wecken. Dabei wurde auf visueller, haptischer und olfaktorischer Ebene gearbeitet, um bei den Rezipient*innen selbst möglicherweise Erinnerungen wachzurufen.



Recherche in der Vergangenheit In der ersten Phase der gestalterischen Arbeit habe ich alle „Erinnerungsdokumente“ vom und an das ursprüngliche Hallenbad gesammelt und zusammengefügt. Bei meinen Grossleltern habe ich dazu Fotografien, Filmsequenzen bzw. Filmstills und Skizzen zu vergangenen, nie ausgeführten Projekten im Hallenbad gefunden.





Recherche im Jetzt Nach der Recherche der „Erinnerungsdokumente“ habe ich das Hallenbad im Jetzt-Zustand „selbst erlebt“ und schliesslich fotografisch dokumentiert. Da das Bad seit 10 Jahren unbenutzt und leer ist, hinterliess die Zeit Zerfallspuren, die vor allem auf visueller und haptischer Ebene zu sehen bzw. zu spüren sind. Wiederum der typische Chlorgeschmack eines Hallenbades ist immernoch allgegenwärtig.



Farbpalette Die Farbpalette wurde mithilfe von den im Hallenbad aufgefundenen Farben kreiert.


Entwurfsprozess Im nächsten Schritt habe ich digital und analog gearbeitet und das Thema von mehreren Seiten beleuchtet.


Textilmanipulation und Experimente

Bei den Textilmanipulationen wurden Stoffe übereinander geschichtet, in einer Form zugenäht und schlussendlich aufgeschnitten. Ich wurde dabei von Formen inspiriert, die ich im Hallenbad vorgefunden habe. Das Thema des zusammengehaltenen Zerfall habe ich thematisiert.



Javelwasser und Manipulation Nach der Experimentierphase habe ich mich dazu entschieden, Motive aus dem aus dem Jetzt-Zustand des Hallenbads für Enwürfe zu verwenden. Ebenfalls zwei Motive, die im Bad nicht mehr vorhanden sind; Der intensive Chlorgeruch und das Motiv des Wassers. Mit Javelwasser habe ich versucht einen Chlorgeruch in den Stoff zu bringen, was nicht gut funktionierte. Am Anfang war der Bleichungsmittelgeschmack sehr intensiv, wechselte aber irgendwann zu einem unerträglichen, nicht mehr chlorigen Geschmack. Trotzdem habe ich die gebleichten Jeansstoffe weiter verwendet. Der orange-schwarze Stoff wurde mit Watte gefüllt und drüber genäht. Daneben habe ich zwei gebleichte Jeansstoffe übereinander genäht und Schnitte dazugefügt. Diese Art der Stoffverarbeitung hat Potenzial, passt aber in meiner Arbeit „nur“ zu den Experimenten und nicht zu der Hauptkollektion.



Wassermotiv

Mit der GoPro Kamera habe ich Unterwasser-Fotografien gemacht, um das Gefühl des Unterwasserseins zu vermitteln. Die Idee Unterwasser-Fotografien auf Stoffe bedrucken zu lassen, gefiel mir, die Bilder waren jedoch nicht genug eigenständig. Die Ansammlung der Fotografien funktionieren als Serie und würden den Effekt verlieren, so bald sie alleine stünden.



Eine Auswahl digitaler Entwürfe

Aus dieser Sammlung digitaler Entwürfe habe ich mich für 13 definitve entschieden, die ich im nächsten Kapitel in einer Tabelle analysiert habe und schlussendlich bei der Firma Contrado bedrucken liess (unten mehr dazu).



Zeichenfunktion

Im schriftlichen Teil meiner BA-Arbeit habe ich textile Erinnerungsobjekte aus der bildenden Kunst, der Kulturgeschichte und dem Modedesgin mithilfe der Zeichenfunktion von Charles Sanders Peirce analysiert. Das Zeichenmodell von Peirce erlaubt, das Potenzial der Muster semiotisch in der indexikalischen, ikonischen und symbolischen Dimension zu deuten und zu analysieren. Diese Analyse habe ich ebenso mit den ausgewählten Muster gemacht und in eine Tabelle gesetzt. Die Spalte „Jenseits“ ist in der Tabelle auf den nächsten drei Seiten leer und wird im folgenden Kapitel differenzierter erklärt.


Index

Zeichenfunktion

Ikon Ähnelt ...

Weist auf ... hin

Jenseits

Symbol Symbolisiert willkürlich ...

Empathisch ...mit Haptik

- Spuren weisen auf Flüssigkeit hin - Schuhabdrücke weisen auf Mensch an diesem Ort hin, was wiederum auf Belebtheit des Ortes hinweisen könnte - Möglicherweise eingetrocknete Spuren weisen auf Langlebigkeit hin -

- lange Spuren ähneln Wasser/ Dreckspuren, die hinabfliessen - Abdrücke ähneln Schuhsolen -

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- Ungeputze Ecken weisen auf Unbenutztheit hin - Fehlende Farbe weist auf Gleichgültigkeit und „hohes Alter“ des Ortes hin - Dichte Verarbeitung des Materials in der Ecke weist auf „möglicherweise“ Hallenbad hin -

- Zick-Zack Muster ähnelt Ecken - Farbe des Musters ähnelt Hallenbadbecken -

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- Düse weist auf Funktion hin bzw. weist auf -

- Form ähnelt einer Düse - Verschwommenheit erinnert an die Sicht Unterwasser -

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- Muster ähnelt einem Gitter - Horizontale Streifen sind ein Abbild von einem Gewässer und Himmel mit Wolken - Vertikale Streifen sind ein Abbild von weissen Säulen -

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- Malerei weist auf menschliche Arbeit hin -

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Index

Zeichenfunktion

Weist auf ... hin

Ikon

Jenseits

Symbol

Ähnelt ...

Symbolisiert willkürlich ...

Empathisch ...mit Haptik

- Flecken weisen auf Schmutz, Alter des Objektes hin - Beständigkeit der Objekte weist auf Wertigkeit hin? -

- Form der vertikalen Objekte ähneln Säulen -

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- Möglicherweise Fotografie weist auf tatsächliche Funktion des Thermometers hin - Thermometer weist möglicherweise Flüssigkeit/Wasser in unmittelbarer Nähe hin, - Keine Angaben auf Thermometer sichtbar, was auf Nichtnutzung hinweist -

- Ähnelt einem Thermometer - Verschwommene Zahlen erinnern an Unterwassersicht -

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- Risse weisen auf Alter oder hin -

- Ähnelt Wolken oder Wellen

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- Ähnelt einer Lampe oder einem Fisch - Ähnelt einer Plastikoberfläche - Ähnelt Salzwasser vom Toten Meer -

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-Die Schichtung der Objekte ähnelt einer Landschaft -


Index

Zeichenfunktion

Ikon Ähnelt ...

Weist auf ... hin

Jenseits

Symbol Symbolisiert willkürlich ...

Empathisch ...

- Die Fotografie weist auf Handlung hin -

- Ähnelt einer Lampe - Verschwommenheit ähnelt der Sicht Unterwasser -

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- Weist das Muster auf etwas hin? -

- Geometrisches Muster ähnelt einer Tabete aus den 60ern - Ähnelt altmodischer Tischdecke -

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- Schwache Fingerabdrücke weisen auf Menschen an diesem Objekt hin -

- Ähnelt einer metallenen, glatten und kalten Oberfläche - Farbverläufe ähneln einem Tier - Ähnelt Spiegellabyrinth oder unterirdischer See -

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- Ähnelt Bodenplättli - Ähnelt Kartonmaterial - Ähnelt Satellitenbild von einem Häuserkomplex -

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- Roter Punkt könnte auf Gefähr hinweisen -

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Stoffkollektion

Textilien haben jedoch noch weitere Dimension als „nur“ die eines Zeichens. Sie sind dazu gedacht, berührt oder getragen zu werden. Dieses Kapitel erläutert die empathische Auseinandersetzung mit Muster und Material, und es stellt gleichzeitig die Stoffkollektion vor.




Material, Philosophie

Material: Oilcloth Matte, 274gsm Der Hallenbadboden zeigt Spuren von Schuhabdrücken, sowie die des Wassers. Die Oilcloth Matte (Wachstuchmatte) ähnelt dem originalen Boden in seiner Materialität und stellt somit eine haptische Verbindung dar.







Material, Philosophie

Material: Neoprene, 1000gsm Bei näherem Betrachten erkennt man im Zick-Zack-Muster, die ein wenig verzogenen Ecken des Beckens. Dieses robuste Gefüge wird durch den dicken, wasserabweisenden Neopren-Stoff aufgenommen und mit dem Muster ergänzt.







Material, Philosophie

Material: Plush Velvet, 250gsm Das warme, wellenartige Gefühl des strömenden Wassers aus den Düsen des Beckens wird mit dem Plush Velvet in seiner Haptik nachgeahmt und visuell aufgezeigt.







Material, Philosophie

Material: Archway Brushed Twill, 290gsm Die weich-raue, gemalte Säulenwand als Inspirationsquelle dieses Karomusters, findet sich im leichten, strukturierten Archway Brushed Twill wieder.







Material, Philosophie

Material: Suede Vision, 250gsm FR Die glatten, fein-warmen und vom Zerfall gekennzeichneten Säulen werden durch den Suede Vision Stoff in eine harmonische Muster-Haptik-Relation gesetzt.







Material, Philosophie

Material: Linden Waterproof, 120gsm Das Objekt des wasserfesten Thermometers steht in taktiler Kombination mit dem Linden Waterproof Stoff. Die glatte, kalte und feste Oberfläche des abgebildeten Thermometers verlangt dieses synthetische Material.







Material, Philosophie

Material: Real 100% Silk Satin, 85gsm Die ehermals vom Aspest geformete Bewegung an der Decke des Raumes erinnert an wellenartige Gebilde. Die feinen, diskreten Details werden von der leichten, glänzenden Seide in ihrer Haptik und Visualität aufgenommen.







Material, Philosophie

Material: Velvet Shimmer, 371gsm Das Muster in seiner visuellen Sprache verlangt den Glanz, das Weiche und gleichzeitig das Kalte. Der Velvet Schimmer verbindet genau diese Elemente.







Material, Philosophie

Material: Scuba, 275gsm Die leicht diagonale und suspekte Bewegung innerhalb des platzierten Musters wird durch den elastischen Scuba-Jersey adaptiert und taktil wiedergegeben.







Material, Philosophie

Material: Woven Canvas, 300gsm Das gelbe, geometrische Muster ähnelt in seinem leicht rauen Woven-Canvas-Griff der Inspirationsquelle, dem Kissen. Die Formensprache erinnert an Tapeten der 60er Jahre.







Material, Philosophie

Material: Crushed Velour, 180gsm Die kalte, glatte, fast schon nasse Haptik des Geländers wird durch dem Crushed Velour aufgenommen.







Material, Philosophie

Material: Volando Voile, 52gsm Das leicht-raue, dennoch sandige Gefühl der fragilen Bodenplatte wird vom semitransparenten Volando Voile Stoffe imitiert. Die Bodenplatte sowie der Stoff bilden in ihrer gemeinsamen Biegsamkeit eine harmonische Fusion.







Material, Philosophie

Material: Bull Denim, 400 gsm Die feinen Farbverläufe innerhalb des Musters stehen in einer Symbiose zum groben Bull Denim. Der metallene Urspruch des Musters steht dem natürlichen Baumwollstoff gegenüber. Dadurch, dass das Muster fein, sowie auch kalt ist, bildet der kräftige und warme Bull Denim die ideale Kombination.






Firmenzusammenarbeit

In dieser Bachelorarbeit wollte ich die Chance ergreifen, gemeinsam mit einer Textildruck-Firma zusammen zu arbeiten und die Stoffe nicht an der Schule selbst zu bearbeiten. Ihre Materialvielfalt war ideal für meine Stoffkollektion. Ich habe mich für die Londoner Firma „Contrado“ entschieden, bei denen ich zuerst Musterstoffe, dann Testdruck und schlussendlich die finalen Stoffe bedrucken liess.



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