SELBST INSZENIERUNG WOHNEN Wie wir uns über unsere Einrichtung definieren. Eine Untersuchung.
SELBST INSZENIERUNG WOHNEN Wie wir uns über unsere Einrichtung definieren. Eine Untersuchung.
Schriftliche Bachelorarbeit Klaudija Oroshi Studienrichtung XS Schmuck Frühlingssemester 2019 Hochschule Luzern Design & Kunst
INHALT 1
EINFÜHRUNG
2 KONTEXTUALISIERUNG: EINE UNTERSUCHUNG DES WOHNENS 2.1 Wohnen aus der Sicht der Psychoanalyse 2.2 Die Wohnung als Ort der Selbstinszenierung 2.3 Die Beziehung zu unseren Objekten 3 SYNTHESE ZUM WOHNEN 3.1 Kriterienkatalog mit Bezug zur Kontextualisierung 4 FAZIT 4.1 Erkenntnisse 4.2 Bezug zur praktischen Arbeit 5 QUELLENVERZEICHNIS 5.1 Literatur- und Medienverzeichnis 6 ANHANG 6.1 Lauterkeitserklärung 6.2 Persönlicher Kriterienkatalog
6
9 15 21 24 27 35 35 37 39 41
1
EINFÜHRUNG
6
In dieser Arbeit wird untersucht, wie sich die Persönlichkeit eines Individuums in seinen intimsten Räumen – dem Wohnraum – widerspiegelt. In meiner früheren Tätigkeit als Innenarchitektin habe ich mich oft mit Wohn- und Möblierungskonzepten auseinandergesetzt, jedoch noch nie aus einer psychoanalytischen Sichtweise des Bewohners, was mich nun motiviert, darüber zu schreiben. Zwischen dem Einrichten der Wohnung und dem Tragen von Körperschmuck sehe ich grosse Parallelen: Nach einer Studie von Tilmann Habermas gelten Schmuckstücke als persönliche Objekte, deren bedeutendsten Eigenschaften, die Erinnerung und die soziale Distinktion sind.1 Meine Untersuchung bezieht sich auf drei Werke, welche das Wohnen jeweils von einer anderen Perspektive betrachten. Im ersten Teil wird die Studie aus Sicht der Psychoanalyse betrachtet, die Grundlage dafür bietet das Buch «Die dritte Haut» von Dieter Funke. Das folgende Kapitel behandelt die Einrichtung einer Wohnung unter einem anthropologischen Gesichtspunkt mit dem Buch «Der Trost der Dinge» von Daniel Miller. Im Anschluss wird die Beziehung zu unseren Objekten über die Thematik des Schenkens im Text «I Love Giving Presents» von Louise Pubrick ergründet. Im Verlauf der Untersuchung zeichnet sich ab, dass unsere vermeintlich individuelle Lebensweise direkt von unserem Umfeld – d.h. durch unser Elternhaus, unsere Bildung und unser soziales Milieu2 – beeinflusst wird. Die Individualität bildet sich unter Einfluss dieser drei Kategorien und wird nicht als alleiniges Merkmal einer Person definiert. Innerhalb dieser beeinflussten Umgebung drücken wir unsere Kreativität aus. Ich möchte mit dieser Arbeit herausfinden, wie sich persönliche Werte, Regeln oder Normen innerhalb einer privaten Wohnung – einem Mikrokosmos – offenbaren. Die Persönlichkeit ist immer Bestandteil im Schaffen eines Gestalters. Sie ist relevant, weil sie ein Erkennungsmerkmal des Künstlers wiedergibt. Diese Arbeit hat zum Ziel, die Eigenheiten im Interieur einer Wohnung in Kriterien zu belegen. Denn die Wohnung verrät sehr viel über eine Person und ist der «Spiegel unseres selbst», wie ein altes Sprichwort lautet. An diesem Ort finden Alltagsrituale statt. Wir richten uns mit individuellen Möbeln ein und bewahren darin unseren persönlichen Besitz, der uns prägt und mit dem wir uns in der heutigen Zeit identifizieren.
1 Vgl. Habermas 2011, S. 104 2 Vgl. Sinus-Milieus® in der Schweiz 2013
7
2
KONTEXTUALISIERUNG: EINE UNTERSUCHUNG DES WOHNENS
8
2.1 WOHNEN AUS SICHT DER PSYCHOANALYSE Die Einführung in das Thema wird mittels einer psychoanalytischen Sichtweise auf das Wohnen gemacht. Als Grundlage für diese Studie dient das Buch «Die dritte Haut» von Dieter Funke. Dieter Funke, 1950 geboren lebt und arbeitet in Düsseldorf. Er ist ein Psychotherapeut, dessen Schwerpunktthemen in den Bereichen Kultur-, Religion- und Beziehungen liegen.3 Für Funke steht die Metapher «Die dritte Haut» für das Wohnen. Die dritte Haut stellt seiner Ansicht nach die Begrenzung zum privaten Wohnraum dar. Mit diesem Raum und dessen Einrichtung umhüllen wir uns im übertragenen Sinne. Funke definiert die erste Haut als unsere eigentliche, welche zeitgleich die Grenze unseres Körpers darstellt.4 Als zweite Haut wird die textile Hülle genannt, also unser Kleidung. Die textile Hülle ist nach Funke notwendig, weil sie unsere erste Haut vor Kälte, Wärme oder Verletzungen schützt. Die dritte Haut steht für unseren persönlichen Wohnraum, welche deutlicher als die Kleidung, auf den Kontext Kultur hinweist.5 Wohnen besitzt einen symbolischen Mehrwert, weil wir uns damit identifizieren. Dies erfolgt durch die körperlichen, emotionalen und sozialen Bedürfnisse, die wir mit dem Wohnraum pflegen. Hierbei stellt Funke eine Analogie zu unseren Körperöffnungen her. Er hält fest, dass wir mit unseren Augen, Nase, Mund und Ohren die Beziehung zu Menschen regulieren. Dies geschieht auch beim Wohnen: Mit alltäglichen Ritualen wie dem Öffnen und Schliessen von Türen und Fenstern gehen wir mit unserem persönlichen Raum und der Aussenwelt eine Verbindung ein.6 Ausserdem pflegen wir damit unser Selbstgefühl. Wenn wir unsere Zimmertüre beispielsweise schliessen, geben wir damit an, dass wir gerne alleine sein möchten. Haben wir hingegen das Bedürfnis uns mit anderen auszutauschen, verlassen wir die Wohnung.7 Im Wohnen sieht Funke daher drei seelische Grundbedürfnisse. Erstens ist es die Rückkehr an einen sicheren Ort, zweitens verweilen wir an einem geschützten Ort und drittens verlassen wir die vertraute Sicherheit.8 Die Gliederung des Wohnraumes hat Parallelen zu unserer Psyche. Im Folgenden wird aufgezeigt, welche Räume einer Wohnung welchen psychologischen Werten entsprechen. Funke unterscheidet generell private von halbprivaten Räumen. Wohnzimmer, Küche und Arbeitszimmer sind die Räume, welche für alle zugänglich sind und entsprechend die halbprivaten Räume innerhalb eines
3 4 5 6 7 8
Vgl. Funke 2014, S. 11 Vgl. Funke 2014, S. 13 Vgl. Funke 2014, S. 70 Vgl. Funke 2014, S. 69 Vgl. Funke 2014, S. 70 Vgl. Funke 2014, S. 70
9
2 privaten Ganzen. Dem gegenüber stehen Schlaf- und Badezimmer, welche als intimster Bereich einer Wohnung gelten. Nach Funkes Theorie werden in den halbprivaten Räumen die Seiten der Bewohnenden sichtbar gemacht, welche auch nach aussen wahrgenommen werden sollten. In diesen Räumen möchten wir uns bestmöglich zeigen, sozusagen unsere Schokoladenseite präsentieren. Dies geschieht vor allem an einem wichtigen Ort, nämlich dem Wohnzimmer. Für Funke ist es der Ort der Selbstinszenierung. Hier verspürt das Individuum den Wunsch, sich in seinen eigenen vier Wänden sozial abzugrenzen und den Kontakt mit der Öffentlichkeit zu suchen. Bereits in den früheren Gesellschaften, die mehrheitlich religiös geprägte waren, galt das so. Damals wurden die Wände mittels heiligen Symbolen, z.B. Kreuze oder Heiligenbilder, bespielt, um die Zugehörigkeit offen zur Schau zu legen.9 Heute ist das nicht anders, wir zelebrieren Statusobjekte, wie ein teures Sofa oder ein Designklassiker, um zu zeigen welchem sozialen Milieu, oder Milieus, man angehört. Im Wohnzimmer werden die Besucher empfangen, deshalb sieht Funke diesen Raum als eine Art Bindeglied zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, man zeigt sich hier und gleichzeitig hütet man die Intimsphäre.10 Neben den Statusobjekten werden im Wohnzimmer auch Erinnerungsobjekte aufgestellt, das können kleine Schatullen oder Etuis sein. Generell ist die Raumeinrichtung in einem Wohnzimmer eine Anlehnung an überfüllte Museumsräume. Dies hat zum Ziel, das kollektive Gedächtnis greifbar zu machen.11 Folglich ist das Wohnzimmer in erster Linie ein Repräsentationsraum. Es ist weniger wichtig, sich hier bequem und gemütlich einzurichten – was auch in der Art der Möblierung klar wird. Denn das Wohnzimmer besitzt eine gewisse Starrheit, sagt Funke, jedes Objekt besitzt einen bestimmten Platz.12 Ein weiterer öffentlicher Raum innerhalb der Wohnung ist die Küche. Sie ist das Epizentrum eines Hauses, hier versammelt man sich. Es ist der Raum, der Wärme und Wohlbehagen schenkt. Ein soziales Miteinander findet an diesem Ort statt, gemeinsames Essen sorgt für Intimität. Es ist auch ein Ort der Selbstentfaltung, hier wird eine aktive Pflege an sich selbst gemacht, das durch das Kochen, Würzen und Kosten erzeugt wird.13 Nun kommen wir zu den intimsten Räumen innerhalb eines Haushaltes, es sind das Schlaf- und Badezimmer. Dieser Bereich ist nicht für alle Besucher einer Wohnung gedacht. Funke erklärt, dass dieser eine Raum den Ursprung im Zwischenraum hat, der zwischen Mutter und Kind bestand. Weiter schreibt er, das Schlafzimmer nach dem Essay «Ein Zimmer für sich allein» von Virginia Woolf, als Ort für Eigenstän-
9 10 11 12 13
Vgl. Funke 2014, S. 46 Vgl. Funke 2014, S. 48 Vgl. Funke 2014, S. 49 Vgl. Funke 2014, S. 51 Vgl. Funke 2014, S. 103-104
10
digkeit, Identität und Kreativität steht.14 Denn dieser Raum bietet einem zur jeder Zeit einen sicheren Zugang, auch wenn es uns einmal nicht gut geht. Schliesslich ist das Schlafzimmer der Ort der ewigen Heimat.15 Neben diesen oben aufgeführten Räumen, bleibt der Keller und der Estrich zu erwähnen. Es sind die Räume, welche in der Psyche, also im Geiste, Gegenpole bilden. Funke verweist hier auf das Buch «Topo-Analyse» von Gaston Bachelard und beschreibt den Keller als Symbol unseres geerdeten Bodens und gleichzeitig steht er für die dunklen und geheimnisvollen Seiten unserer Herkunft.16 Im Dach hingegen sind unserer Ideale, Werte, Normen und Tabus abgelegt. Das sind Werte und Wünsche, mit denen wir uns gerne identifizieren.17 Was die Wahl und Anordnung unserer Möbel über die Bewohnerin oder den Bewohner aussagen, wird nun in diesem Abschnitt erläutert. Funke schreibt, dass der Gesamteindruck von einem Wohnzimmer immer auch die Struktur unserer Psyche spiegelt. Ob jemand seine Möbel im rechten Winkel zueinander platziert, das Regal parallel zur Wand stellt oder den Teppich im orthogonalen Grundraster einfügt, sind alles Zeichen, die auf eine ähnliche Kondition des Wohnenden hindeutet. Der rechte Winkel wird in diesem Fall als Norm verinnerlicht, er ist ein architektonisches Symbol für den abendländischen Menschen und gleichzeitig vermittelt er ein Ordnungsgefühl und gilt als Orientierungsstütze im Raum.18 In diesem Absatz wird nach Funke zusammengefasst, wie sich unsere Persönlichkeit im Wohnen entfaltet und welche Einflüsse damit zu tun haben. Oftmals kommt es vor, dass durch eine innere Veränderung das Bedürfnis wächst, auch die Wohnung zu verändern. Gleichzeitig kann durch äussere Veränderungen ein neuer, innerer Entwicklungsschritt aktiviert werden.19 Das Sammeln und auch das Entrümpeln sind Aktivitäten, die für den Einzelnen Ausdruck einer Regulation sein können.20 In der heutigen Zeit sind Sammeln und Entrümpeln hoch aktuell. Es gibt unzählige Bücher darüber, wie man sich von Dingen lösen kann. Marie Kondos Buch «Magic Cleaning» ist nur eines davon. Bei diesen Ratgebern wird das Aufräumen und Wegwerfen als Akt der inneren Reinigung, Entleerung und Befriedigung gesehen.21 Auch in Funkes Buch werden diese Themen behandelt. Bereits beim Aufräumen eines Arbeitsplatzes entsteht ein Gefühl der inneren Ordnung und Klarheit und dies wiederum wirkt sich angenehm auf unsere Psyche aus. Mit dieser Art von Handlungen kommen wir in Kontakt zu uns selbst. Dies geschieht, weil die einzelnen Dinge, die wir mit der Zeit
14 Zit. Woolf nach Funke 2014, S. 133 15 Vgl. Funke 2014, S. 134 16 Zit. Bachelard nach Funke 2014, S. 101 17 Vgl. Funke 2014, S. 101 18 Vgl. Funke 2014, S. 135-136 19 Vgl. Funke 2014, S. 141 20 Vgl. Funke 2014, S. 141 21 Vgl. Kondo 2016
11
2
12
ansammeln, Teile unseres Selbst symbolisieren. Sie sind mit Erinnerungen verknüpft, die uns glücklich machen oder auch belasten. Funke beschreibt die Wohnung auch als einen Speicher, in dem wir nicht nur funktionale Gegenstände aufbewahren, sondern auch seelisch bedeutsame Erfahrungen in dinglichen Objekten ablegen.22 Entsprechend wird beim Sammeln oder Wegwerfen zeitgleich ein «seelischer Akt» vorgenommen. Das Sammeln und Entrümpeln steht also auch im Dienste des Narzissmus, dadurch schützen wir uns vor Ängsten und einem inneren Zerfall. Das Entrümpeln ist demnach ein reflexiver Akt.23 Funke kommt zum Schluss, dass das Wohnen eine Doppelwirkung besitzt. In erster Linie können die Wohnung und dessen Einrichtung auf unsere seelische Erfahrung zurückwirken und umgekehrt bestimmen unsere seelischen Erlebnisse die Art und Weise, wie wir wohnen. Weiter stellt Funke fest, dass das Wohnen eine alltägliche Arbeit an uns selbst ist. Man kann es auch als eine Art Selbstfürsorge deuten, welche die Autonomie und Selbstentwicklung unterstützt. Es kann uns dabei helfen, im Gleichgewicht zu bleiben – zwischen Wünschen nach Privatsphäre und nach Öffentlichkeit.24 Die privaten Räume beeinflussen unser seelisches Befinden, so gesehen kann das Wohnen oder der Wohnstil als Lebenskunst gesehen werden, denn im Grossen und Ganzen geht es um das Wohnen als Lebenskunst.25
22 23 24 25
Vgl. Funke 2014, S. 143 Vgl. Funke 2014, S. 144 Vgl. Funke 2014, S. 205 Vgl. Funke 2014, S. 11
13
2
14
2.2 DIE WOHNUNG ALS ORT DER SELBSTINSZENIERUNG Im zweiten Kapitel geht es darum, wie sich die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse eines Menschen in den Dingen, mit denen wir uns zu Haus einrichten, widerspiegelt. Mit dem Buch «Der Trost der Dinge» von Daniel Miller wird diese Thematik näher betrachtet. Daniel Miller wurde 1954 in England geboren und ist ein Anthropologe, der sich mit Studien über die Beziehung zu den Dingen und den Folgen von Konsum befasst. Er unterrichtet an der University College London materielle Kultur und hat zudem, ebenfalls an der University College London, den Masterstudiengang für digitale Anthropologie eingerichtet. In Buch «Der Trost der Dinge» geht Miller vor allem der Frage nach, welche Rolle die alltäglichen Objekte für das Verständnis von uns selbst und für die Beziehung zu anderen Menschen spielen. Nicht zuletzt ist es interessant zu erforschen, weil wir in einer Welt voller Gegenstände leben und von neuen Produkten regelrecht überschwemmt werden. Miller widerlegt hingegen den gängigen Vorwurf, dass wir immer oberflächlicher und materialistischer denken, weil es scheint, als würden Dinge wichtiger gewichtet als Menschen. Seine Studie belegt Miller mit fünfzehn Interviews von Personen, die alle an derselben Strasse in London leben.26 In dieser Zusammenfassung geht es weniger um die Personen hinter den Interviews, sondern primär darum, weshalb wir uns so und nicht anders präsentieren und für wen wir das genau tun. In diesem Abschnitt wird erläutert welche Methodik Daniel Miller in seiner Untersuchung anwendet und weshalb. Miller stellt zunächst fest, dass es in der heutigen Zeit nicht mehr möglich ist, Persönlichkeitsmerkmale von Menschen alleine nach deren Herkunft, Geschlechtszugehörigkeit oder gar ihrer sexuellen Orientierung zu bestimmen.27 Deshalb widmet sich Miller der Untersuchung von individuellen Wohnungen und betrachtet diese als eine Art Gesellschaft, um sie als Ganzes zu fassen. Dadurch können die Eigenschaften und das Wesen eines Haushaltes besser beurteilt werden.28 So untersucht Miller die Wohnungen nach Mustern und Schemas, um sie zu ordnen. Seine Herangehensweise ist anthropologischer Natur, er versucht den Menschen als Ganzes Wesen zu betrachten.29
26 27 28 29
Vgl. Miller 2010, S. 9 Vgl. Miller 2010, S. 13 Vgl. Miller 2010, S. 15 Vgl. Miller 2010, S. 17
15
2 Wie Strukturen und Muster in einer Wohnung zur Geltung kommen, wird hier aufgezeigt. Miller erklärt, dass es wichtig ist, auf die Objekte in einer Wohnung näher einzugehen. Weil die meisten Gegenstände bewusst von den Bewohnern ausgesucht wurden und sich an einem ausgewählten Ort befinden. Dadurch kommt automatisch ein Stück der Persönlichkeit zum Ausdruck. Auch Miller behauptet, dass jede Wohnung ein gewolltes Selbstportrait ihres Besitzers ist.30 Er beschreibt diese Eigenheit, als übergeordnetes Muster und benennt sie als eigene «Ästhetik».31 Jeder von uns schafft diese Ordnung, sie zeichnet sich durch die Beziehungen zu Personen und Dingen ab, aber auch durch die persönliche Ausgewogenheit, Harmonie und den Ordnungssinn.32 Neben den Objekten ist es auch interessant, die Gliederung der Einrichtung innerhalb einer Wohnung genauer zu studieren. Um die Bewohnender eines Hauses besser zu lesen, sollte man die Wohnung begehen und erkunden. Anhand der Anordnung der Möblierung und wie sich das Raumverhältnis teilt, erfährt man oft mehr über deren Sinn für Ästhetik. Dieses übergeordnete Muster zieht sich auch in unserem täglichen Tun fort, z.B. beim Kochen oder Putzen fügen sich die Alltagsrhythmen zu einer persönlichen Ästhetik und eigenen Ordnung zusammen, die uns Harmonie und Gleichgewicht verleihen. Folglich lässt sich zusammenfassen, dass jedes Individuum eine eigene Ästhetik besitzt, die wir in unseren privaten Räumen sowohl bei alltäglichen Tätigkeiten, als auch in der Einrichtungsgestaltung zelebrieren.33 Im Folgenden wird aufgezeigt, wie das Bild der eigenen Ästhetik zustande kommt und wie individuell wir dabei sind. In seiner Abhandlung «Der Trost der Dinge» bezieht sich Miller auf eine Studie, die vom französischen Soziologen Pierre Bourdieu in den siebziger Jahren begründet wurde. Bourdieu hatte herausgefunden, dass wir bloss in der Annahme leben, wir seien freie Individuen und jeder besitze seinen persönlichen Geschmack. Dem ist jedoch nicht so, weil die Geschmacksvorlieben einer sozialen Schicht sich häufig von anderen abgrenzen. Das hat damit zu tun, dass sich auf dem Weg der Sozialisierung die Präferenzen, Werte und Erwartungen einer Gruppierung bilden, welche durch das Elternhaus und die Schulbildung beeinflusst werden.34 Es wurde nachgewiesen, dass alle Lebensäusserungen wie Essen, Kleidung, Sport, Liebe, Religion abhängig zu der sozialen Zugehörigkeit stehen. Nach Bourdieus Ansichten gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen alltäglichen Dingen: Was wir mögen und welche Freunde wir haben, beeinflusst unsere Lebensweise, die sich wiederum in den
30 Vgl. Miller 2010, S. 11 31 Zit. Miller 2010, S. 14 32 Vgl. Miller 2010, S. 14 33 Vgl. Miller 2010, S 207 34 Vgl. Bourdieu nach Miller 2010, S 208
16
eigenen vier Wänden widerspiegelt. Weiter behauptet Bourdieu, dass sich diese soziale Grenze von den Faktoren Herkunft, Elternhaus, Beruf der Eltern, Schulbildung, Einkommen etc. definiert. Innerhalb dieser Begrenzung sind wir zwar erfinderisch und kreativ, jedoch ist es schwer, sich darüber hinaus zu entwickeln.35 Somit stellt er fest, dass wir nicht völlig frei sind in unseren Entscheidungen, sondern von der Kultur und der Herkunft bewusst oder unbewusst geformt werden. Miller bestärkt Bourdieus Theorie und fügt noch den Zeitfaktor hinzu. Weil sich unsere Gesellschaft immer weiterentwickelt, unterliegt entsprechend auch die Entwicklung der Persönlichkeit dem ständigen Wandel. Folglich sind wir stetig daran, den neuen Wohnidealen zu folgen und vernachlässigen dabei, uns individuell zu formen. In diesem Abschnitt wird der Ordnungssinn bezogen auf ein Individuum thematisiert. Im Grossen und Ganzen beschreibt Miller unsere Persönlichkeit als «Netz von Beziehungen», dabei sind die Beziehungen zwischen Menschen und Objekten gemeint. Sie zeichnen sich durch bestimmte persönliche Merkmale und Mustern aus und lassen sich auch auf unterschiedliche Lebensbereichen abzeichnen. Anhand einer Aufstellung von Gegenständen auf einer Kommode, lässt sich ein bestimmter Ordnungssinn einer Person ablesen, diese wiederum lassen sich dann auf weitere Bereiche in der Wohnung oder darüber hinaus auf Beziehungen und emotionale Werte übertragen. Demzufolge kann anhand der Struktur einer Wohnungseinrichtung gedeutet werden, wie jemand in seinem Leben die Beziehung zur Familie oder Freunde, oder auch seinen Arbeitsplatz, pflegt. Ist die Wohnung eher unordentlich oder gar chaotisch, überträgt man diese Eigenschaften auch auf den Umgang zur Welt und ihren Mitmenschen. Die Wohnung ist entsprechend ein Mikrokosmos, der über dessen Bestandteile weit hinausweist.36 Neben den Dingen in unserem Wohnalltag ist die Gesellschaft ein wichtiger Faktor, der eine grosse Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung hat. Hier wird nun erklärt, wie soziale Aspekte auf unseren privaten Wohnraum wirken. Wichtig dabei zu erwähnen scheint, dass früher die Gesellschaft, d.h. die Religion oder eine Staatsform, viele Strukturen aufgetragen oder gar aufgezwungen hat. Heute hingegen ist das anders. Durch unseren Wohlstand und der damit verbundenen Freiheit ist es erst möglich, dass wir die Möglichkeit haben, von der Aussenwelt beeinflusst zu werden. Wir leben nicht isoliert von der Umgebung, sondern verarbeiten die
35 Vgl. Bourdieu 1983 36 Vgl. Miller 2010, S. 215
17
2
18
Eindrücke von aussen. Die Aussenwelt ist Inspiration für unsere kleine Welt, die jeder für sich kreiert. Aus dieser Tatsache heraus kommt Miller zur Ansicht, dass sich die Muster und Strukturen einer Wohnung auch auf eine Gesellschaft übertragen lassen. Obwohl sich seine wissenschaftliche Studie auf kleine soziale Einheiten bezieht, sind sie so vielfältig, dass sie sich auch auf eine grössere Gruppierung anwenden lassen. Es wird festgehalten, dass heutzutage jeder selbst seine kosmologischen und ökologischen Prinzipien zu entwickeln hat, weil er oder sie sich damit identifiziert und mit anderen vergleichen kann.37 Miller kommt zu zwei entscheidenden Erkenntnissen. Erstens ist unser individuelle Stil dank dem wachsenden Wohlstand unserer Gesellschaft überhaupt erst möglich. Wir bauen uns diesen Stil zusammen aus den uns umgebenden Elementen der Kultur, dem eigenen Elternhaus und der sich ständig wandelnden Gesellschaft. Und dieser «Stil» ist wichtig, weil wir uns damit in der Gesellschaft verorten können, um gleichzeitig von anderen eingeordnet zu werden.38 Zweitens lassen sich Individuen durch die Beziehungen zu ihren Dingen und ihren Mitmenschen definieren. Dieses Netzwerk aus verschiedenen Knotenpunkten bilden materielle und soziale Muster. Sie geben uns Sinn und ethische Massstäbe, um in unserem «Mikrokosmos» Trost und Zuflucht zu finden. Was früher Religionen schufen, finden wir heute in unserer «Dingwelt».39
37 Vgl. Miller 2010, S. 218 38 Vgl. Miller 2010, S. 218 39 Vgl. Miller 2010, S. 219
19
2
20
2.3 DIE BEZIEHUNG ZUR UNSEREN LIEBLINGSOBJEKTEN Für die Untersuchung der Beziehung zu unseren Objekten dient die Textsammlung aus dem Buch «Love Objects» von den Herausgeberinnen Anna Moran und Sorcha Obrien Bloomsbury als Grundlage. Anna Moran hat Kunstgeschichte und Archäologie studiert und lehrt heute Designgeschichte am National College of Art & Design in Dublin. Ihre Kollegin Sorcha Obrien unterrichtet Designgeschichte und Theorie an der Kingston University. In dieser Sammlung von zwölf Texten, wird den Lesenden mittels Portraits aus dem 19. Jahrhundert vermittelt, wie sich Liebe und Emotionen in materieller Form verkörpern.40 Das Buch untersucht dabei die Schnittstelle zwischen Design und Emotionen. Es zeigt auf, warum und wie wir Objekte lieben, ausgehend von Design und Emotion über Freundschaft, Sexualität, Erinnerung und Geschmack. Es entschlüsselt unsere Beziehungen mit der materiellen Welt als tiefe Verstrickung in die Grundlagen des menschlichen Zustands.41 Victor Margolin, Professor für Designgeschichte an der Universität von Illinois, hat die Einleitung für das Buch geschrieben. Er geht darin zunächst der Frage nach der Liebe auf den Grund und beschreibt die Liebe als eine Emotion, die den Menschen interessiert, weil es den Kern unseres Wesens berührt. Es ist unser Bedürfnis, akzeptiert oder begehrt zu werden. Es ist eine Emotion, die Formen annimmt und sich am Ende oft dem Verständnis entzieht. Wir haben keinen kulturellen Konsens darüber, was Liebe genau ist, und folglich ist das Wort frei interpretierbar. Im Extremfall ist Liebe eine Leidenschaft, die Notwendigkeit abverlangt oder gar blind machen kann.42 Weiter schriebt Margolin, dass Liebesgefühle über verschiedene Kanäle geformt werden. Die erste Form von Liebe entwickeln wir als Babys, es sind die Emotionen der Eltern, die uns lernen, Liebe zu verstehen. Als zweites ist das Verständnis von Beziehungen ein wichtiger Träger. Es geht dabei um die sozialen Beziehungen zu Personen ausserhalb des Familienkreises, die durch kulturelle Normen geprägt sind und den individuellen Charakter überschreiten. Und schliesslich werden die Vorstellungen von Liebe durch kulturelle Formen wie Medien und Alltagsgegenstände vermittelt. Diese komplexe Ausgangslage, die individuell geprägt ist, führt dazu, dass es keinen Konsens darüber gibt, wie wir Emotionen verstehen können. Es gibt zwar religiöse und spirituelle Texte, die uns ermahnen, unsere Mitmenschen zu lieben, aber sie geben keine Erklärung ab, wie Liebe genau definiert wird.43
40 Vgl. Moran & O‘Brien 2014, S. XV 41 Vgl. Moran & O‘Brien 2014, S. XV 42 Vgl. Margolin 2014, S. 1 43 Vgl. Margolin 2014, S. 2
21
2 Um die Beziehung zwischen Objekten und Menschen besser nachzuvollziehen, wird hier der Text «I love Giving Presents: The Emotion of Material Culture» von Louise Purbrick untersucht. Purbrick stützt sich dabei auf eine Sammlung von Interviews, die mit britischen Bürgern über Aspekte ihres täglichen Lebens geführt wurden. Es wird aufgezeigt, wie sich eine Ware aus einem Ladengeschäft in ein Objekt der Begierde verwandelt und welche Einflüsse dazu führen. Im nächsten Abschnitt wird beschrieben, welche Faktoren aus der Sicht von Pubrick dabei relevant sind.44 Zunächst gilt es den Begriff des Schenkens darzulegen. Schenken ist ein «Liebesbeweis» schreibt Pubrick zu Beginn, man denke an jemanden und will ihr oder ihm eine Freude bereiten. Wir schenken zur Geburt, Taufe, Hochzeit, zu Weihnachten, bei Krankheit oder Trauer. Es ist ein Liebesakt, mit dem wir einem besonderen Menschen unsere Zuneigung vermitteln und zeigen, dass wir uns Zeit für sie oder ihn nehmen. Es ist ein emotionaler Wert, den wir vermitteln und meist wird dieser Wert mit einem Objekt zum Ausdruck gebracht. Pubrick hält klar fest, dass zwischen Geschenk und Ware unterschieden werden muss. Erst durch die Einbeziehung des Schenkens wird eine kommerzielle Ware in ein persönliches Objekt verwandelt. Der Warenartikel in Rohform besitzt noch keinen Charakter. Es ist ein Ding, das noch nicht eindeutig für einen Empfänger bestimmt ist. In diesem Zustand ist die Ware noch tauschbar oder kann sogar entsorgt werden. Es ist also per se noch kein Geschenk. Erst durch den Akt des Schenkens werden Assoziationen geschaffen. Der Gebende nimmt einen wichtigen Part im Objekt ein– durch das Weitergeben wird eine Erinnerung erzeugt, die Qualitäten hervorruft und auf diese Weise Mehrwert für ihren Besitzenden schafft.45 Es lässt sich demnach zusammenfassen, dass Geschenke immer etwas von der schenkenden Person besitzen. Nach dem Akt des Schenkens, entsteht unbewusst eine Art «Schuld» gegenüber der gebenden Person. So entsteht eine Bindung, die nach Pubrick nur durch ein anderes Geschenk «entlastet» werden kann. Geschenke schaffen demzufolge Austauschzyklen und halten Menschen zusammen. Ausserdem ist das wechselseitige Geben ein Ausdruck von Beziehungspflege. Das gegenseitige Schenken beschreibt Pubrick weiter als körperliche Auswirkung: es erzeugt Gefühle und unterhält Beziehungen zwischen Menschen.46
44 Vgl. Margolin 2014, S. 2 45 Vgl. Pubrick, S. 12 46 Vgl. Pubrick, S. 19
22
Ein weiterer Mehrwert wird Objekten zugeteilt, wenn sie in der Nähe einer Person aufbewahrt werden. Dabei gibt der Aufbewahrungsort innerhalb einer Wohnung oft Informationen über die Wichtigkeit preis. Erhält das Objekt einen bestimmten Platz, wo es auch für Andere sichtbar ist, wird es bewusst zur Schau gestellt. Man gibt damit auch der Person, von der der Gegenstand stammt, einen Platz im Alltag, um sich an sie oder ihn zu erinnern. Auch dies ist nach Pubrick wiederum ein körperlicher Akt, denn an andere zu denken schmeichelt der Seele und tut viel, um als menschliches Wesen wertgeschätzt zu werden. Ist der Gegenstand hingegen an einem sicheren Ort aufbewahrt, der nicht für alle zugänglich ist, bestimmen wir bewusst beim Hervorholen, wann die Erinnerung daran aufgerufen wird.47 Ein wichtiger Bedeutungsträger ist nicht zuletzt der Bezug zum Kontext. Ob das Objekt für uns bedeutungsvoll wird oder nicht, hängt meist mit der Art und Weise zusammen, wie wir dem Objekt begegnet sind und zu welchem Anlass wir es erhalten haben. Nicht das Material oder die Form des Objektes ist sinnhaft für den emotionalen Wert, den wir in ihm sehen, sondern der persönliche und wertvolle Moment trägt dazu bei.48 Diese Gegenstände erzeugen für uns eine Erinnerung und speichern z.B. ein besonderes Erlebnis. Sie verbinden uns mit der Familie, Freunden oder einem bestimmten Ort. Geliebte Objekte besitzen nicht zuletzt die Eigenschaft, dass sie für die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stehen.49 In ihren Interviews definiert Pubrick drei relevante Faktoren, die ein Lieblingsobjekt ausmachen. Unter dem Aspekt des Schenkens ist die Person, die schenkt, immer ein Teil vom Objekt und trägt mit dem Objekt eine Geste der Zuneigung vor, welche deren Beziehung ausmacht. Der zweite Bedeutungsträger ist der Kontext. Ein persönliches Objekt ist oft mit einem Ereignis oder einem Ort konnotiert. Und schliesslich zeigt der Aufbewahrungsort eines Objekts einen Liebesbeweis auf, damit zelebrieren wir das Objekt und richten in unserer persönlichen Umgebung einen Platz dafür ein. Im Gegensatz zu Objekttheoretikern, welche Wert aus der Form oder dem Material eines Objekts ziehen, ist der emotionale Wert eines persönlichen Gegenstandes weitaus wichtiger als das Aussehen.50
47 Vgl. Pubrick, S. 14 48 Vgl. Chapman, S. 138 49 Vgl. Pubrick, S. 30 50 Vgl. Pubrick 2014, S. 2-3
23
3
SYNTHESE ZUM WOHNEN
24
Die Aussagen meiner drei Literaturquellen fasse ich hier nochmals zusammen. Wohnen ist eine enge Beziehung zwischen den wohnenden Menschen und deren intimster Umgebung. Diese Umgebung wirkt auf unsere innere Gestimmtheit und gleichzeitig kann eben diese emotionale Befindlichkeit auf unsere persönliche Einrichtung zurückwirken. Wie wir unsere alltägliche Lebenssituation einrichten, hängt einerseits direkt mit unserer Herkunft zusammen, also wie wir durch das Elternhaus sozialisiert wurden, andererseits ist unser heutige Gesellschaft, mit ihrem stetigen Wandel, massgebend wie wir uns im Wohnen geben: Wir haben die freie Wahl und können uns durch das Wohnen mitteilen. Neben den sozialen Aspekten umfasst das Wohnen auch viele psychologische Aspekte, wie den Wunsch nach Gemeinschaft oder Alleinsein. Aber auch Bedürfnisse nach emotionale Werten, was früher Religionen geschaffen haben, kompensieren wir heute mit Lieblingsobjekten in unserer Wohnung. Unsere Wohnung – der Ort, an dem wir leben und die Dinge, mit denen wir uns umgeben – ist identitätsstiftend.
25
3
26
3.1 KRITERIENKATALOG MIT BEZUG ZUR KONTEXTUALISIERUNG Wie wir uns über unsere Einrichtung definieren und in Szene setzen, wird, wie gerade aufgeführt, von unterschiedlichsten Faktoren beeinflusst. Als Hilfestellung für meine persönliche Wohnanalyse habe ich einen Kriterienkatalog erstellt, den ich aus den drei Literaturquellen hergeleitet habe. Darin führe ich die wichtigsten Parameter auf, die eine direkte Relevanz zu unserem inszenierten Wohnraum haben. Ich unterscheide dabei nach zwei Gesichtspunkten: In der ersten Auflistung werden Kriterien genannt, die von der Aussenwelt auf unseren Einrichtungsstil wirken. In der zweiten Aufstellung kommen die Kriterien zum Tragen, welche vom Wohnenden aus deren Wohnstil beeinflussen. Meinen Kriterienkatalog führe ich, in beiden Auflistungen, in alphabetischer Reihenfolge auf. Es gibt keine Gewichtung der einzelnen Kriterien.
27
3
ÄUSSERE WERTE, DIE AUF UNSEREN WOHNSTIL WIRKEN:
28
Beruf
Vereint Leidenschaft und persönliche Grundhaltung, entsprechend ist der Beruf identitätsstiftend.
Bildung
Hat Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung und gibt Rückschluss über Konsumverhalten und Interessen einer Person.
Elternhaus
Unsere Eltern und auch der Wohnort, sei es die Grossstadt oder das Einfamilienhaus im Grünen, sind erste Wertevermittler.
Gesellschaft
Der gesellschaftliche Wandel übt Einfluss auf uns aus, wir verorten uns mit politischen oder gesellschaftlichen Themen z.B. mit Fragen zur Nachhaltigkeit.
Kultur
Umfasst das Zusammenleben von Menschen und deren Gewohnheiten. Personen mit Migrationshintergrund vertreten mehrere Kulturen und leben diese auch im Wohnen aus.
Soziales Milieu
Die soziale Zugehörigkeit vermittelt Grundwerte, Mentalität und Prinzipien einer Lebensweise z.B. durch Traditionen.
Wohlstand
Ermöglicht uns Qualitäten im Wohnen.
Wohnideale
Sind allgegenwärtig und ständig im Wandel, sie sind Zeichen unserer Zeit, mit ihnen identifizieren wir uns und vertreten deren Werte.
29
3
INNERE WERTE, DIE AUF UNSEREN WOHNSTIL WIRKEN:
30
Anordnung von Möbeln
Eine gradlinige oder chaotische Wohneinrichtung sagt auch viel über den Charakter einer Person aus.
Beziehung zu Familie Wird oftmals über Erbstück hergestellt und zelebriert.
Beziehung zu Freunden
Kann durch Lieblingsobjekte oder Fotoaufnahmen offenbart werden.
Besuchte Orte
Souvenirs aus fernen Ländern sind Erinnerungsträger und Statussymbole.
Raumteilung
Eine überfüllte Wohnung, oder eher viel Leerraum, gibt Rückschluss auf die Ästhetik einer Person.
Tätigkeiten im Alltag
Die Persönlichkeit spiegelt sich auch in Dingen, die wir erledigen, wider: Ob jemand aufwendig oder eher einfach kocht, gibt Auskunft über den kreativen Ausdruck dieser Person.
31
3
32
Der vorne aufgeführte Kriterienkatalog ist die Essenz der Kontextualisierung. Für meinen persönlichen Kriterienkatalog hingegen, habe ich meine Lieblingsobjekte untersucht. Nach einer Experimentierrheine, bei welchen ich mit Kriterien aus dem ersten Katalog gearbeitet habe, stell ich fest, dass meine geliebten Objekte auch meine ästhetische Sprache wiedergeben. Die Wahl fiel auf Mitbringsel aus fernen Ländern, Geschenke von Freunden oder alltägliche Dinge, die ich einfach gerne benutze. Bei der Untersuchung dieser persönlichen Objekte, habe ich bewusst entschieden, mich auf formal und gestalterische Kriterien und weniger auf die Geschichte hinter den Objekten zu fokussieren. Dadurch ist es mir möglich, meine «Ästhetik» genauer zu belegen. Mein persönlicher Kriterienkatalog ist im Anhang im Kapitel 6.2. mit Bild und Text zu finden.
33
4
FAZIT
34
4.1 Erkenntnisse Ich habe mit der Untersuchung des persönlichen Wohnraums beabsichtig herauszufinden, was mich von anderen unterscheidet, was mich ausmacht und wie ich meinen ästhetischen Sinn definiere. Es stellt sich heraus, dass sich nicht zwingend eine enge Definition für ein Individuum erstellen lässt: Weil in der heutigen Zeit viel mehr in Gesellschaftsgruppierungen gedacht wird, als in Einzelpersonen. Ein bestimmter Habitus einer Person, unterliegt oftmals den Prinzipien einer Gruppe oder Gemeinschaft. Dieser sogenannte «Stil» ist somit ein Teil einer Lebensform, der durch bestimmte Zeichen oder Symbolen erkennbar wird. Dementsprechend verweist ein Stil einer einzelnen Person, welchem Milieu oder welchen Milieus, diese angehört. Der persönliche Stil ist also ein Kommunikationsinstrument. Wir setzen Stil bewusst ein, um uns damit ausdrücken und darzustellen. Andersrum sind wir in gewisser Weise auch gezwungen uns auszudrücken, um uns für andere sichtbar zu machen, obwohl wir relativ frei von Normen und Regeln leben. Wir bewegen uns somit in einem Spannungsfeld zwischen Freiraum und Zwang.
4.2 Bezug zur praktischen Arbeit Hinter dem Wohnen steckt der Wille, sich auszudrücken. Es ist der gleiche Wille, der einen Gestalter oder eine Gestalterin antreibt. Nach dieser theoretischen Abhandlung, wie wir uns über unsere Einrichtung definieren und in Szene setzen, verfolge ich nun in meiner praktischen Bachelorarbeit das Ziel, meinen persönlichen Gestaltungswillen und gleichermassen Stil in ein Schmuckstück zu übersetzen. Meine wissenschaftliche Untersuchung hat dazu beigetragen, Kriterien zu benennen, welche die eigene Ästhetik ausmachen. Den persönlichen Kriterienkatalog wende ich nun in meiner künstlerisch-gestalterischen Arbeit an. Mit den aufgeführten Kriterien, werde ich meinen Stil als Gestalterin wiedergeben und gleichzeitig meine Form- und Materialwahl charakteristisch bestärken. Ich schaffe mir damit zunächst eine Einschränkung, um mich danach innerhalb dieser Vorgaben frei zu bewegen und einzigartige Schmuckstücke kreieren zu können.
35
5
QUELLENVERZEICHNIS
36
5.1 LITERATUR- UND MEDIENVERZEICHNIS Habermass 2011: Prof. Dr. Tilmann Habermass, Diamonds are a girl‘s best friend. The psychology of jewellery as belowed objects, in: W. Lindemann (ed.) & FH Trier/ Idar Oberstein, Thinking Jewellery. On the way towards a theory of jewellery, Arnoldsche Art Publishes, Stuttgart 2011 Funke 2006: Dieter Funke, Die Dritte Haut. Psychoanalyse des Wohnens, Psychosozial-Verlag, Giessen 2006 Miller 2010: Daniel Miller, Der Trost der Dinge. Fünfzehn Porträts aus dem London von heute, Surkamp Verlag Berlin 2010 Moran & O‘Brien 2014: Anna Moran & Sorcha O‘Brien, Love Objects. Emotion, Design and Material, Bloomsbory, London 2014 Pubrick 2014: Louise Pubrick, I Love Giving Presents, The Emotion of Material Culture, in: Anna Moran & Sorcha O‘Brien, Love Objects. Emotion, Design and Material, Bloomsbory, London 2014 Margolin 2014: Victor Margolin, Introduction: How Do I Love Thee?, Objects of Endearment in Contemporary Culture, in: Anna Moran & Sorcha O‘Brien, Love Objects. Emotion, Design and Material, Bloomsbory, London 2014 Chapman 2014: Jonathan Chapman, Designing Meaningful and Lasting User Experiences, in: Anna Moran & Sorcha O‘Brien, Love Objects. Emotion, Design and Material, Bloomsbory, London 2014 Kondo 2016: Marie Kondo, Magic Cleaning. Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert, Rowohlt Taschenbuch, Berlin 2013 Bourdieu 1983: Pierre Bourdieu in: Die feinen Unterschiede und wie sie entstehen. Pierre Bourdieu erforscht unseren Alltag, Sendung: Dokumentation des Hessischen Rundfunks vom 3.11.1983 über den französischen Sozialphilosophen Pierre Bourdieu, hier: 1:00-12:55, https://www.youtube.com/watch?v=gQSYewA03BU, Letzte Konsultation am 8.4.2019
37
6
ANHANG
38
6.1 LAUTERKEITSERKLÄRUNG Ich erkläre, dass es sich bei dem eingereichten Text mit dem Titel SELBSTINSZENIERUNG WOHNEN Wie wir uns über unsere Einrichtung definieren. Eine Untersuchung. um eine von mir und ohne unerlaubte Beihilfe in eigenen Worten verfasste Arbeit handelt. Ich bestätige, dass die Arbeit in keinem ihrer wesentlichen Bestandteile bereits anderweitig zur Erbringung von Studienleistungen eingereicht worden ist. Sämtliche Bezugnahmen auf in der oben genannten Arbeit enthaltene Quellen sind deutlich als solche gekennzeichnet. Ich habe bei Übernahmen von Aussagen anderer Autorinnen und Autoren sowohl in wörtlich übernommenen Aussagen (= Zitate) als auch in anderen Wiedergaben (= Paraphrasen) stets die Urheberschaft nachgewiesen. Ich nehme zur Kenntnis, dass Arbeiten, denen das Gegenteil nachweisbar ist – insbesondere, indem sie Textteile anderer Autoren ohne entsprechenden Nachweis enthalten – als Plagiate im Sinne der Aufnahme- und Prüfungsordnung der Hochschule Luzern (Art. 24) betrachtet und mit rechtlichen und disziplinarischen Konsequenzen geahndet werden können. NAME Klaudija Oroshi MATRIKELNUMMER 06-570-592 DATUM 6. Mai 2019 UNTERSCHRIFT
39
6
40
6.2 PERSÖNLICHER KRITERIENKATALOG In meinem persönlichen Kriterienkatalog untersuche ich die Formensprache, Oberflächen, Raster und Muster in meinem Wohnraum. Diese Kriterien wurden aufgrund ihrer wiederholenden Häufigkeit gewählt. Die Merkmale meiner Lieblingsobjekte sowie Situationen in der Wohnung werden hier mittels Begriffen und Attributen beschrieben und mit Fotoaufnahmen dokumentiert.
41
6
FORMENSPRACHE MEINER LIEBLINGSOBJEKTE
Geschmeidig Bauchig Weich Rund 42
43
6
Konkav Konvex Oval
44
45
6
OBERFLÄCHEN MEINER LIEBLINGSOBJEKTE
Transparent Glänzend Rosarot Kupfer Grün Gold 46
47
48
Schwarzbraun Segmentiert Gespiegelt Gross Klein Rot 49
6
RASTER IN MEINEM WOHNRAUM
Orthogonal Rechteckig Leerraum Versatz 50
51
52
Parallel zur Wand Weiche Kanten Rechtwinklig Intuitiv 53
6
MUSTER IN MEINEM WOHNRAUM
Traditionelles Handwerk NatĂźrliche Materialien Wiederholung Geometrisch Geflochten Zickzack 54
55
56
Imperfektion Webtechnik Handarbeit Haptisch Verspielt Bunt 57
DANK An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei allen Personen bedanken, die mich im Rahmen dieser Arbeit unterstürz haben. Danke Dir Monica Gaspar für die konstruktiven Imputs und das Feedback. Danke Dir Julia Wild für die interessanten und anregenden Literaturtipps. Danke Euch Amelie Braun und Fabienne Aregger für das Korrekturlesen. Danke Dir Caroline Vogel für die kreativen Inputs für das grafische Konzept. Ein grosser Dank geht auch an meine Familie, Freunde und Studienkollegen für die anregenden Gesprächen und moralische Unterstützung.
IMPRESSUM Hochschule Luzern Design & Kunst FrĂźhlingssemester 2019 Schriftliche Bachelorarbeit Studiengang XS Schmuck Autorin Klaudija Oroshi Adresse Bernstrasse 78 6003 Luzern Kontaktdaten 076 417 72 69 mail@klaudijaoroshi.ch Mentorin Monica Gaspar Expertin Julia Wild Zeichen (mit Leerzeichen) 34‘801 Datum 6. Mai 2019