SCENTSHAPES Prozessdokumentation Bachelorarbeit 2022 Cynthia Rütimann Mentor: Christof Sigerist
EINLEITUNG Gerüche prägen unser Leben. Sie können unsere Stimmung beeinflussen, verschiedene Emotionen auslösen und unsere Aufmerksamkeit lenken. Die Einschätzung von Gerüchen ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. In dieser Arbeit wurde untersucht, wie wir Düfte wahrnehmen und welche Assoziationen sie in uns hervorrufen. Im Fokus steht das Zusammenspiel von Form und Duft, sowie die Frage: Welche Formsprache haben Düfte? Die Ergebnisse sind eine Sammlung aus Eindrücken von befragten Personen und Objekten, welche meine eigenen Empfindungen widerspiegeln.
Gerüche können uns in die Realität zurückziehen, wenn man in Gedanken versunken ist. Während ich unterwegs war, hielt ich diese Momente fotografisch fest.
Erste Formversuche Welche Assoziationen generieren Form, Farbe, Oberfläche. Wie wirkt das Objekt mit einem Duft? Ist es anziehend oder abstossend?
Gipskugeln mit unterschiedlichen Gerüchen, vor allem Gewürzen. Die Widererkennung der Gerüche ist hoch und der Geruch entwickelt sich über die Zeit.
Versuch verschiedene Düfte an unterschiedliche Materialien anzubringen. Das Riechen an der Wolle wird beispielsweise zu einem haptischen Riecherlebnis, mit den weichen Härchen, die die Nase berühren.
Oberflächenstrukturen in Kombination mit Düften
Werden Düfte mit spezifischen Oberflächen und Formen in Verbindung gebracht? Mit welchen Oberflächen bzw. haptischen Gefühl werden die Düfte wahrgenommen? Ein erster Test zur Formsprache von Gerüchen. Befragt wurden fünf Testpersonen. Die Testergebnisse und die Interaktionen mit den Befragten war so spannend, dass ich vertiefter auf die Frage nach der Formsprache von Düften eingehen wollte und mich damit auseinandersetzen wollte, wie Menschen Gerüche wahrnehmen.
Formsprache von Gerüchen – Test Nr. 1 Gerüche: a) Mango/Aprikosentee b) Seife c) Grapefruitseife, Holunderblütensirup, Herb de Provence
a
c
c b
b
a
a
b
b
c
c Testperson: 2
Testperson: 1
a Testperson: 3
Testperson: 4
b a
Geruchszuteilungen – Form, Oberfläche und Duft a) 3x mal raue Oberfläche, spitzing, körnig, blättrig (Gewürzassoziation) 2x mal glatte Oberfläche, harmonischer Druft b) 3x mal eckige, glatte Seifenform 2x mal geschwungene Oberfläche, Kombination aus glatten und spitzigeren Elementen
c Testperson: 5
c) komplett unterschiedliche Zuteilungen, von glatten Oberflächen bis raue alle vorhanden
BEFRAGUNG ZU DREI DÜFTEN UND IHREN ASSOZIATIONEN Um mehr über die Duftwahrnehmung von Individuen zu verstehen befragte ich 20 Studenten und Studentinnen der HSLU, der PH und der Universität Luzern zu Form und Duft mit dem Verfahren des semantischen Differentials. Zudem wurde nach einer Farbassoziation und einer Formassoziation gefragt. Es wurden drei Monodüfte nacheinander präsentiert (Ylang Ylang, Arve und Rose). Die Auswertung der Befragung wurde in meine schriftlichen Arbeit integriert. Der Rosenduft wurde am häufigsten erkannt und brachte bei den befragten Personen die ähnlichsten Assoziationen hervor. Im Vergleich unterscheideten sich die Antworten und Assoziationen bei den zwei anderen Düften viel mehr. Dies zeigt, dass das Erkennen des Duftursprungs einen Einfluss auf die Einordnung und die Assoziationen zu dem Duft haben.
Testperson Nr.:
Duft Nr.:
Testperson Nr.:
Duft Nr.:
kantig
rund
kantig
rund
rau
glatt
rau
glatt
hart
weich
hart
weich
gewölbt spitzig
flach stumpf
gewölbt spitzig
flach stumpf
chaotisch
geordnet
chaotisch
geordnet
heterogen
homogen
heterogen
homogen
ruhig zierlich fragil
dynamisch plump stabil
ruhig zierlich fragil
Farbassoziationen:
Farbassoziationen:
Formassoziation:
Formassoziation:
Testperson Nr.:
Duft Nr.:
Testperson Nr.:
dynamisch plump stabil
Duft Nr.:
Gestaltung von Objekten zu den Düften. Die Skulptur oben ist eine Form, die das Gegenteil von den angekreuzten Adjektiven darstellt. Die Zuordnung des Rosenduftes gab die eindeutigsten Resultate beim semantischen Differential. Der Duft wurde vorwiegend als rund, glatt, weich, gewölbt, geordnet, homogen, ruhig und zierlich eingeschätzt. Durch das Gestalten des Gegenteils wollte ich herausfinden, ob dies die Wahrnehmung des Duftes beeinflusst. Die Reaktionen unterscheideten sich. So war für einige das Objekt in Kombination mit dem Duft unstimmig und passte nicht zusammen, sodass es sich nicht gegenseitig beeinflusste. Andere nahmen den Duft beim Betrachten des Objektes als unangenehmer wahr.
Diese zwei Formen beeinflussten bei den Betrachtern öfter die Wahrnehmung des Duftes. Es wurde wieder der Rosenduft benutz, um herauszufinden, ob das Gesehene, das Gerochene beeinflusst. Tatsächlich nahmen die befragten Personen den Duft gepaart mit der rechten Figur als weicher und angenehmer wahr. Der Duft wurde verniedlicht. Gepaart mit dem linken Objekt wurde der Duft als beissend und stechend wahrgenommen.
Anbringen des Ylang Ylang Duftes an unterschiedliche Materialien. Der Geruch war sehr intensiv und blieb Wochen später immernoch am Material haften.
Versuch gegenständlich und symbolisch zu zeigen, wie Düfte aus verschiedenen Molekühlen zusammengesetzt sind und in unserem Gehirn an die Geruchs-Rezeptoren andocken, wie Puzzlestücke. Dazu wurde das Prinzip des Rapportes verwendet. Diese Idee zweigte jedoch von meinem Konzept ab, sodass ich den Gedanken nicht weiter verfolgte.
Duftkreation bei Brigitte Witschi in ihrem Atelier “art of scent” in der Berner Altstadt. Ich erfuhr von den Methoden der Duftstoffherstellung für Parfums. Von “Enfleurage” über “Mazeration” bis zur “Destillation” und “Extraktion”. Ich lernte zudem über den Aufbau eines Parfums und den Teilstücken der Duftpyramide: Der Kopfnote, der Herznote und der Basisnote. So bekam ich einen kleinen Einblick in die riesige Welt der Parfumerie.
Um die Duftrichtung zu erhalten, die ich mir vorstellte, entschied ich mich den Duft bei einer Parfumeurin selbst zu kreieren. Das Parfum ist frisch und hat eine gewisse Tiefe. Das Verhältnis der Mischungen zueinander musste genau abgemessen werden, da schon ein Tropfen mehr, den Duft deutlich verändert.
Das Parfum setzt sich aus einer Kombination aus 24 Duftstoffen zusammen
Sammlung unterschiedlicher Düfte in Brigitte Witschis Atelier. Tonkabohnen, flüssiger Rauch als ätherisches Öl, Civet (ein faulig riechender Duftstoff, der ursprünglich aus dem Sekret der Zibetkatze gewonnen wurde und heutzutage synthetisch hergestellt wird. In sehr kleiner Dosis wird dieser Duft in Parfums benutzt).
ÄTHERISCHE ÖLE Als Kontrast zu meinem frischen Parfum wollte ich ein Duft finden, welcher einen Gegensatz darstellt. Dazu gab mir Brigitte Witschi verschiedene ätherische Öle zu Verfügung. Die engere Auswahl ist auf dem Bild links zu sehen. Schlussendlich entschied ich mich für Vetiver. Dies ist ein rauchiger, dunkler Duft. Da es ein Monoduft ist, ist der Duft flacher und weniger facettenreich und tief wie das selbstkreierte Parfum. Es hat jedoch auch eine gewisse Intensität.
LETZTE BEFRAGUNG Mit den zwei Düften (dem selbstkreierten Parfum und dem Vetiver Duft) wurde eine letzte Untersuchungsrunde durchgeführt. Insgesammt haben acht Personen bei der Befragung mitgemacht. Sie wurden in einem ersten Schritt gebeten, Adjektive oder generelle Assoziationen zu den jeweiligen Düften zu sagen. Danach wurde ihnen Ton geben und gefragt, ob sie die vorgestellte Form modellieren könnten. Die Resultate sind auf den nächsten Seiten aufgeführt. Die Ergebnisse unterscheiden sich. Einige Formvorstellungen überschneiden sich tatsächlich von meiner eigenen Vorstellung. So wie die glätte, gewölbte Form des ersten Duftes und die raue, dunkle Oberfläche des zweiten Duftes.
RESULTATE DER BEFRAGUNG ZUM PARFUM Testperson 1: weiblich, fein, weich, frisch, penetrant, rund, angenehm Testperson 2: rund, flach, tief, klein Testperson 3: eine Umarmung, angenehm aber nicht für sehr lange, flach, wellig, abgeflachte Wellen, bequem Testperson 4: feminin, erinnert an einen Menschen, an ein Kleidungsstück eines Menschen, ein Schal von jemandem, der Duft verkoppelt sich, spannend, hat eine Komplexität Testperson 5: rund, blumig, weich, luftig, glatt, weibliches Parfum Testperson 6: weich, geschmeidig (wie Seide), fliessend, leicht, glatte Oberfläche, organisch, klein, fein/filigran, Wasser in einem Fluss wo fliest, friedlich, “Grossiduft” den man gerne hat, Perfektion, sanft, harmonisch Testperson 7: frisch, warm, schwer, alt, gewölbt, klumpig Testperson 8: Mann, Sommer, Aare, Flugzeug, rund, prall (Form drückt raus), platzt, nimmt Raum, gross, abweisend
RESULTATE DER BEFRAGUNG ZUM VETIVER DUFT Testperson 1: rauchig, beissend, feurig, Weihrauch, waldig, erdig, nicht lebendig, eingeräuchert, eckig, penetrant Testperson 2: kratzend, penetrant, grün (vermodertes grün), bissig, stickig, am Schluss spiztig Testperson 3: mysteriös, Boden eines Waldes, kratzend, dunkel, inspirierender als der erte Duft Testperson 4: maskulin, Nachgeruch eines Lagerfeuers (Holz), warm, frisch wie im Wald, Tanne, Grün, grobmotorisch, vielschichtig, Tannenholz verbrennen, schwierig den Duft in eine Formsprache zu verwandeln, es kommen eher Bilder und Erinnerungen auf Testperson 5: rau, stachelig, krümelig, hart, waldig, Rinde, lang, schmal, mänliches Parfum Testperson 6: rauer, kratzt im Hals, mechanisch, natürliche Erde/ Gestein, schwer, porös, rissig, eher eine Stuktur/Oberfläche als eine Form, Rohfassung, rohe Form, unbearbeitet (von sich aus eine Struktur enthaltend), nicht glatt Testperson 7: aggressiv, künstlich, stark, penetrant, spitzig, texturiert, kompakt, beissend Testperson 8: Süden, Ferien, Eis, Erde, weich, beweglicher, klettern, Heissleim, durchlässig/porös, bewegter, mehr Struktur in der Oberfläche, empfangend, geborgen, gibt Raum
Skizzen zu den Duftobjekten
Meine eigene Wahrnehmung der Formsprache des Parfums. Für mich ist die Form glatt, gewölbt, beruhigend, eine organische Form, die in Bewegung ist. Man kann mit der Hand über die Form darüberstreichen und fühlt die Glätte und die fliessenden Wölbungen. So ist sie haptisch einladend. Sie hat ein festes Fundament und wird nach oben luftiger und feiner. Ich stelle mir die Form wie eine Insel vor, mit konkaven und konvexen Flächen.
Mit dem Ton war es schwierg die vorgestellte Glätte zu reproduzieren. Auch mit dem Glätten der Fingeroberfläche gelang dies nicht ausreichend.
Durch Schleifen des Objektes konnte die erwünschte Glätte fast vollständig erreicht werden. Mit PET-Folie und der Tiefziehmaschine gelang die glatte Oberfläche am besten.
Umsetzung der Objekte zum selbstkreierten Parfum
Der Duft von Vetiver erweckt in meiner Vorstellung einen dunkleren Raum mit einer rauen, komplexen Oberflächenstruktur in den man reinsehen kann. Der Duft ist rauchig und raumeinnehmend.
Umsetzung der Objekte des Vetiver Duftes.
AUSBLICK DER ARBEIT In einem schulischen Kontext ist die Arbeit mit diesen kleineren Objekten fertig. Jedoch könnte ich mir gut vorstellen die Objekte grösser zu gestalten, sodass sie einen ganzen Raum einnehmen und eine Atmosphäre kreieren, indem der Duft omnipräsent ist. Um die Crossmodale Wahrnehmung zu verstärken, würde über den haptischen, visuellen und olfaktorischen Sinn hinausgegangen und weitere Sinne miteinbezogen. So wie der auditive Sinn und dem Temperaturgefühl. Eine Schwierigkeit könnte die Reizüberflutung sein, daher ist es wichtig da eine Harmonie zu finden. Bei der Untersuchung wäre es zudem auch interessant andere kulturkreise in anderen Ländern zu befragen. Da das Umfeld in dem man aufwächst und lebt die Wahrnehung der Welt beeinflusst und prägt. So wäre es faszinierend zu erfahren, welche anderen Assoziationen zu Düften aufkommen würden. Mich begeistert, wie das Gehirn funktioniert und wie uns unsere Sinne dazu befähigen die Welt unterschiedlich wahrzunehmen. Ich möchte die Gebiete der (Neuro)psychologie, des Designs und der Kunst zusammenführen und ein Raum schaffen, in dem diese Teilgebiete miteinander interagieren können.