Renato Rüfenacht, PROJEKT MULTIMATE, Bachelor Object Design 2022

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Funktion die Pflicht. Emotion die Kür! Projekt Multimate: Der Designprozess

Renato Rüfenacht, BA 2022



Einleitung

Vom Ablauf einer Produktentwicklung - und dem damit verbundenen Designprozess - dringen meist nur wenige Informationen an die Öffentlichkeit. Erst das fertige Ergebnis wird in Form eines Prototyps oder eines Vorserienmusters präsentiert. Der Weg dahin bleibt im Dunkeln und kann deshalb von einem Aussenstehenden nur schwer verstanden werden. Der Grund für diese Verschwiegenheit liegt in der verschärften Wettbewerbssituation im freien Markt und der damit verbundenen Geheimhaltungspflicht - schliesslich möchte man der Konkurrenz immer voraus sein. Mit meiner Arbeit will ich einen Einblick in den Designprozess ermöglichen. Im Rahmen meiner praktischen Abschlussarbeit “Projekt Multimate“ dokumentiere ich die Entwicklung eines Multifunktionswerkzeugs für das Gleitschirmfliegen.



Braucht es noch neue Produkte? „Wir sollten nicht noch mehr Gegenstände erfinden, die es schon gibt und die niemand braucht, sondern solche, die man braucht, die es aber noch gar nicht gibt.“ Mit Sicherheit eine sehr umfangreiche Frage, die sich nicht einfach mit ein paar wenigen Zeilen beantworten lässt. Aber dieses Zitat aus dem Buch Werkzeuge für das Leben von Ute Brandes und Richard Sapper zeigt meiner Meinung nach sehr schön auf, welche Frage mich als Produktgestalter stets verfolgt, nämlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit: Besteht das Bedürfniss nach diesem Produkt? Denn aufgrund der vorhandenen Marktsättigung wird immer wieder versucht, bei den Konsumenten und Konsumentinnen neue Bedürfnisse zu wecken, die an sich gar nicht bestehen. Für mich persönlich holt sich ein Produkt seine Daseinsberechtigung jedoch nicht durch das Wecken, sondern durch das Befriedigen eines Bedürfnisses, wobei diese Haltung natürlich nicht unserem kapitalistischen System entspricht - Das allerdings ist eine andere Sache.



Hike and Fly Hike and Fly ist eine Sportart, die ausserhalb der Gleitschirmszene nur wenigen Menschen bekannt sein dürfte. Eigentlich handelt es sich dabei um die ursprünglichste Form des Gleitschirmfliegens. Der Pilot/ Die Pilotin trägt die Ausrüstung auf einen Berg, und fliegt von dort zurück ins Tal. Grund für die aufkommende Beliebtheit dieser Disziplin liegt unter anderem in der Entwicklung. Mittlerweile hat so gut wie jeder namhafte Hersteller mehrere leicht- und ultraleicht Gleitschirme so wie entsprechende Gurtzeuge im Angebot. Hinzu kommt, dass während der Pandemie viele Bergbahnen geschlossen waren und grosse Menschenansammlungen vermieden werden sollten. So haben sich viele Piloten und Pilotinnen Ihre “eigenen“ Fluggebiete gesucht, was für einen regelrechten Boom in der Szene gesorgt hat!

Als begeisterter Hike and Fly - Pilot befand ich mich bereits zwei mal in der Situation und stand nach einem missglückten Startversuch mit einer oder mehreren gerissenen Leinen an einem hochalpinen Startplatz. Glücklicherweise konnte ich den Schirm trotz defekter Leinen starten und ins Tal gleiten, was aber nur dank meiner Erfahrung und äusserst günstigen Wetterverhältnissen möglich war.

Eine gerissene Leine am Gleitschirm ist vergleichbar mit einem platten Reifen am Fahrrad. Mit dem richtigen Werkzeug ist eine Reparatur leicht zu vollziehen, doch mit einem Platten Reifen weiterfahren ist meistens keine Option. Wenn man sich zum Beispiel auf einer längeren Hike and Fly Tour oder in hochalpinem Gelände befindet, kann aus einer zunächst unscheinbaren Situation ein echter Notfall werden. Sei es ein aufziehendes Gewitter oder ein langer Abstieg zu Fuss in aufkommender Dunkelheit, beide Situationen sind am Berg eine ernst zu nehmende Gefahrensituation und können direkte und nicht seltene Folgen eines Leinenrisses am Startplatz sein. Ein “Erste-Hilfe-Set für Gleitschirme“ das es dem Piloten oder der Pilotin ermöglicht am Berg eine Leine auszutauschen erhöht die passive Sicherheit dieser Sportart und kann helfen, Notsituationen, Unfälle oder gar Such- und Rettungsaktionen zu verhindern!

Linke Seite: Promobild Nova Doubleskin, Nova.eu



Problematik Auf der linken Seite sehen wir den Querschnitt eines Gleitschirms im Flug. Der Pilot/ die Pilotin sitzt im Gurtzeug. Es besteht aus einem klettergurtähnlichen Sitzgurt, der je nach Einsatzzweck durch ein Sitzbrett, Rucksack, Protektor oder ähnliches erweitert wird. Das Gurtzeug wird an den Tragegurten des Gleitschirms eingehängt. Sie verteilen das Gewicht der angehängten Person über die Leinen auf die Gleitschirmkappe. Beim Start wird der Gleitschirm grossflächig am Boden ausgelegt. Die Leinen liegen ebenfalls am Boden. Zum starten zieht nun der Pilot/ die Pilotin über die Tragegurten an den Leinen. Diese Strecken sich, stellen die Kappe auf und begünstigen somit Ihre Anströmung. Bei einem erfolgreichen Start steigt nun die Kappe über den Piloten/ die Pilotin. Nach einem optischen Check der Kappe wird mit ein paar Schritten in Flugrichtung gestartet. Die Hauptproblematik liegt nun in der Zeit zwischen dem Strecken der Leinen und dem Aufsteigen der Kappe. Wenn eine Leine während dieses Vorgangs an einem Stein oder einer Wurzel hängen bleibt, kann diese durch die hohe Energie des steigenden Schirms reissen. Bei einem felsigen Startplatz ist die Gefahr eines Leinenrisses natürlich viel höher als auf einer Weide. In der Dokumentation wird auch der Einsatz als Sicherheitsmesser bei einem Notschirmabgang thematisiert. Falls es im Flug zu irgendwelchen Problemen kommen soll, bei denen der Gleitschirm nicht mehr flugfähig ist, so kann der zusätzlich mitgeführte Rettungsfallschirm (oder Notschirm) ausgeworfen werden. Der Vorwärtsflug wird abgebremst, der Hauptschirm kollabiert und der Pilot/ die Pilotin gleitet am Rettungsschirm zu Boden. Bei ungünsitgen Verhältnissen (Wind, Landung im Wasser etc.) kann der kollabierte Hauptschirm jedoch eine Gefahr darstellen. Um diese Gefahr zu beseitigen wird empfohlen, sich vom Schirm zu trennen. Am einfachsten geschieht das durch ein sogenanntes Kapp- oder Gurtmesser, hier in der Dokumentation Sicherheitsmesser genannt. Damit werden alle Leinen durchgeschnitten, und man hängt nur noch am Rettungsfallschirm.

Linke Seite: Querschnitt eines Gleitschirmprofils, Freiflieger.eu


Der Designprozess - von der Idee zur Serienreife Jeder Designprozess sollte als Teil der ganzen Produktentwicklung gesehen werden. Verschiedenste Fachbereiche wie Design, Marketing, Konstruktion, Fertigung und Vertrieb arbeiten gemeinsam an einer Problemlösung. Im Projekt Multimate lege ich den Fokus vor allem auf den Bereich Design wobei unter Umständen ein Bezug zum Fachgebiet der Konstruktion unumgänglich ist. Jedoch werde ich bewusst auf gewisse konstruktive Details verzichten, weil diese im Umfang der praktischen Bachelorarbeit keinen sichtbaren Einfluss auf den Designprozess haben. Um den Designprozess eines Produkts nachvollziehbar darstellen zu können, folge ich grob einem vierstufigen Entwicklungsplan, der so oder so ähnlich in verschiedensten Formen im Internet oder in der Fachliteratur zu finden ist. Obwohl er je nach Quelle immer etwas anders dargestellt wird, bleibt der Grundsatz der gleiche. Einige Schritte werde ich entweder aus Zeitgründen, oder weil es nicht direkt mit dem Entwicklungsprozess des Multimates zu tun hat, auslassen.

Rechte Seite: Designprozess, Darstellung gem. Heufler, 2004


Idee

Stufe 1: Ziel:

Recherchieren, Analysieren - Aufgabe stellen - Ist-Zustand analysieren - Zielgruppe definieren - Briefing erstellen Problemerkennung

Stufe 2: Konzipieren - Funktionen gliedern - Prinziplösungen suchen - Konzeptvarianten bilden - Varianten bewerten -Prinzipaufbau festlegen Ziel: Lösungsvarianten

Stufe 3: Ziel:

Entwerfen - Ergonomie überprüfen - CAD-Modelle entwickeln - Reale Modelle aufbauen - Entwurf bewerten - Entwurf festlegen Problemlösung

Stufe 4: Ziel:

Optimieren, Ausarbeiten - Details durcharbeiten - Gesamtgehalt optimieren - Ausführung abstimmen - Kosten prüfen - Realisierung freigeben Realisierung

Serienreife


Stufe 1: Recherchieren und Analysieren Problemstellung Mit der Aufgabenstellung beginnt der Designprozess. Dabei sollten wir als Produktgestaltende folgendes beachten: Ein Gebrauchsobjekt hat immer eine dienende Funktion. Es dient als Problemlöser. Deshalb sollten wir uns nicht auf das Produkt als Aufgabenstellung konzentrieren, sondern auf die Problemstellung die es zu lösen gilt. Weg vom “produktorientierten“ Denken und hin zum “problemorientierten“ Arbeiten! Beim Multimate ist das Problem eine defekte Leine am Berg. Dementsprechend lautet die Aufgabenstellung folgendermassen: Das Multimate soll es dem Piloten/ der Pilotin ermöglichen, eine defekte Gleitschirmleine selbständig am gewählten Startplatz austauschen zu können. Dieser Prozess beinhaltet der Einsatz einer Klinge. Dementsprechend könnte der Einsatzzweck des Multimate unter Umständen um den Einsatz als Rettungsmesser erweitert werden. Ein solches Rettungsmesser kann bei einem Abgang mittels Rettungsfallschirm von Vorteil sein, um sich vom Hauptschirm trennen zu können. Folgende Funktionen muss das Multimate erfüllen: - Leine ersetzen am Berg Folgende Funktionen kann das Multimate erfüllen: - Leinen trennen in der Luft


Recherche Ist die Aufgabe definiert, so gilt es sich zu informieren. Man startet die Recherche. Das bedeutet, das man informationen über Konkurrenzprodukte oder dem Produkt ähnliche Produktgruppen sammelt. Eine Marktanalyse ist ebenfals Teil dieser Recherche (Aus Zeitgründen wird keine Marktanalyse durchgeführt). Im Grunde genommen geht es bei all diesen Vorgangsweisen um ein Erforschen des Ist-Zustandes, also um eine Zustandsanalyse.

Auf der Suche nach Vergleichbaren Produkten bin ich als erstes auf eine DIYLösung eines Gleitschirmherstellers gestossen. Dabei handelt es sich um einen Korkzapfen an dem Leinen und Faden aufgewickelt, so wie passende Nadeln eingesteckt werden. Natürlich ist dass nicht direkt ein Konkurrenzprodukt, aber es zeigt doch sehr gut, dass in der Szene die Nachfrage nach einem solchen Produkt besteht.

Bei der Recherche habe ich nur ein Gleitschirmspezifisches Produkt gefunden, welches noch erhältlich ist. Dabei handelt es sich um das “Save my Flight“-Repair Kit von Kontest.eu. Das Kit ist ein extrem Umfangreiches, dementsprechend aber auch voluminöses und schweres Reparaturset. Mit 59.00 Eur jedoch sehr Preiswert für die Ausstattung dies es mit sich bringt.



Recherche/ Analyse Desweiteren habe ich mir Rettungs- und Sicherheitsmesser aus verschiedensten Sportarten angesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich die verschiedenen Hersteller vor allem durch die Art der Klinge unterschieden. Die einen schleifen eine oder mehrere Schneiden in das Messer, die anderen bauen vorgefertigte Klingen ein. Vor- und Nachteile der jeweiligen Methode müssen entsprechend dem Einsatzzweck und der Zielgruppe gezielt abgewägt werden. Ebenfalls aufgefallen ist der Unterschied zwischen feststehenden und klappbaren Klingen. Alle diese Messer könnten vor allem mit den Attributen “Robust“, “Ergonomisch“ und “Funktional“ bezeichnet werden. Die Messer bewegen sich in einem Preisbereich von etwa 30 bis 140 Schweizerfranken. Die Recherche hat gezeigt, dass es zur Zeit kein vergleichbares Konkurrenzprodukt auf dem Markt gibt, jedoch sehr viele Rettungs- und Sicherheitsmesser. Ich muss also ein Multifunktionswerkzeug entwickeln, dass sich trotz der Ähnlichkeit der Funktionen klar von all diesen Produkten abhebt.

Linke Seite: eine Auswahl an verschiedenen Sicherheits- und Rettungsmessern


Stufe 2: Konzipieren In der Konzeptphase werden zuerst parallel produktsprachliche, gebrauchsorientierte und technsiche Prinziplösungen entwickelt, die anschliessend sinnvoll miteinander kombiniert werden. Hier arbeiten Konstrukteur und Designer meist aus entgegengesetzten Richtungen. Der Konstrukteur ist es gewohnt, zuerst die Teillösungen zu suchen und diese zu einem Gesamtkonzept zusammenzufügen, wo der Designer hingegen erst ein Gesamtkonzept entwicklet und sich dann zu den Detaillösungen vorarbeitet. Da ich bei diesem Projekt quasi beide Seiten vertrete, wird dies wohl in einer Mischform beider Techniken resultieren.


Werkzeuge definieren Als erstes müssen wir die Funktionen, also in unserem Fall die Werkzeuge, definieren, welche das Multifunktionswerkzeug enthalten soll: - Klinge

Bei der Klinge unterschieden wir vorerst mal zwei Varianten. Zum einen eine vorgefertigte Messerklinge, welche wir in unser Multimate integrieren, vergleichbar wie bei einem Teppichmesser. Die zweite Variante ist eine feststehende oder eine klappbare Klinge, ähnlich wie bei einem Taschenmesser. Dabei bleibt eine zusätzlich eingeschliffene Hakenschneide als zusätzliche Option bestehen.

- Maulschlüssel

Die Tragegurte und die Leinen sind über ein sogenanntes Maillon oder Leinenschloss verbunden. Dabei handelt es sich um ein einzelnes Kettenglied welches mittels einer Mutter geöffnet oder geschlossen werden kann. Bei den Gleitschirmen sind hauptsächlich vier verschiedene Grössen verbaut, welche die vier Maulweiten 5,6,7, und 8mm erfordern.

- Nähzeug

Eine Leine wird gespleisst und vernäht. Das heisst, nach der Schlaufe wird das Ende der Leine durch den Kern hindurchgeführt, und mit ein paar Stichen mit Faden gesichert. Dazu benötigen wir je eine Spleiss- und eine Nähnadel, so wie passenden Faden.

- Leinen

Selbstverständlich benötigen wir auch Rohmaterial, um die defekten Leinen ersetzen zu können. Je näher wir vom Gurtzeug zur Kappe kommen, desto höher wird die Anzahl an Leinen. Dementsprechend sinkt deren Durchmesser. An einem Gleitschirm können also Leinen von 3mm bis weniger als 0.5mm verbaut sein. Im Gespräch mit Philipp Medicus von Nova konnten wir uns auf zwei Leinengrössen einigen. Somit sind auch zwei verschiedene Spleissnadeln erforderlich, beide Leinen können jedoch mit derselben Nadel und Faden vernäht werden.

- Tasche oder Box

Das Konzept sieht folgende Aufteilung vor: Klinge und Maulschlüssel sollen fest im Werkzeug integriert sein. Die Leinen und das Nähzeug werden entweder in einer zusätzlichen Box oder Tasche verstaut, oder aber in einem Staufach welches ebenfalls im Multitool verbaut ist. Es ist auch eine Aufteilung denkbar, z.b. das Nähzeug im Multitool, die Leinen in einer Tasche.


Eigenschaften Ebenfalls wichitg im Designprozess sind die jeweiligen Eigenschaften eines Objekts. Sie sind zudem hilfreich, um zu Beginn des Prozesses eine gewisse “Richtung“ zu definieren die während der Entwicklung weiterverfolgt wird. Dabei sollte versucht werden, sich kurz und präzise zu fassen.

Eigenschaften Funktional - Sicher

Das Werkzeug muss sicher sein. Dies bezieht sich auf die Bedienung wie auch auf die Lagerung. Ist das Multimate im Gurtzeug oder im Rucksack verstaut, so darf es unter keinen Umständen irgendwelche Beschädigungen z.b. durch eine freiliegende Klinge o.ä. verursachen. Zudem muss auch bei einer unsanften Landung gewährleistet sein, dass sich der Pilot oder die Pilotin nicht daran verletzen kann. Bei der Benutzung muss ebenfalls sichergestellt werden, dass das Verletzungsrisiko möglichst gering gehalten wird. Soll das Multimate auch im Flug eingesetzt werden können, so muss auch hier der Schutz vor Verletzungen wie aber auch der Schutz vor Beschädigungen des Gleitschirms und dessen Bauteilen sichergestellt werden!

- Leicht

Gerade beim Hike and Fly ist das Gewicht immer ein stark diskutiertes Thema, auch im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen. Deswegen entwickle ich das Ultimate nach dem Prinzip: So leicht wie möglich, so schwer wie nötig.

- Reduziert/Fokussiert

Sei es in der Kunst, in der Architektur oder beim Produktdesign, immer wieder findet man Beispiele bei denen sich die Gestaltenden auf das wesentliche reduziert haben. Der sogenannte Minimalismus zelebriert die Kunst der Einfachheit. Es geht darum so viel wie möglich wegzulassen ohne dabei dem Kontext die Substanz zu rauben. Minimalistisches Design ist zeitlos und elegant.

- Intuitiv

Intuitiv bedienbare Gegenstände sind etwas sehr faszinierendes wie ich finde. Deswegen habe ich diese Eigenschaft ebenfalls als Ziel des Projekt Multimate gesetzt.


Eigenschaften Emotional Emotionale Eigenschaften lassen sich nur schwer an einem Produkt messen. Diese müssten wohl mittels Umfrage bei Testpersonen getestet werden. In der Literatur wird oft auf acht Emotionen verwiesen, mit welchen sich der emotionale Gehalt eines Produktes umschreiben lassen kann. Es handelt sich dabei um folgende: - Sicherheit/ Komfort - Vertrauen - Zufriedenheit/Befriedigung - Stolz - Freiheit - Sentimentalität/ Nostalgie - Unterhaltung - Aufregung In einem kurzen Selbstversuch habe ich mir vorgestellt, welche Produkteigenschaften diese Emotionen hervorrufen könnten, in dem ich mir verschiedene Objekte angeschaut habe. So habe ich gemerkt, dass z.b. Objekte aus Metall eher das Gefühl von Sicherheit vermitteln als solche aus Kunstoff. Ergonomisch gestaltete Objekte habe ich in erster Linie mit Komfort in Verbindung gebracht, aber auch mit Befriedigung oder Zufriedenheit. Ich könnte mir gut vorstellen, dieses “Experiment“ an einem gewissen Punkt der Formfindung mit einigen Prototypen zu wiederholen.

Eigenschaften Ästhetisch Zur Definition der ästhetischen Eigenschaften habe ich mir zwei “Themengebiete“ überlegt, nach denen ein solches Produkt gestaltet werden könnte. Zum einen “Technsich/ Edel“ und zum anderen “Ergonomisch/Robust“. Folgende Materialien ordne ich diesen Themengebieten zu. - Technisch/Edel

- Ergonomisch/Robust

- Oberfläche

Glatt/ glänzend Gerändelt Liniert/ “gepunktet“

Rauh/ Gummiert Rauten/ Mulden

- Materialien

Metall/ Leder/ Holz

Metall/ Kunstoff/ Gummi/ Textil

- Farben

Uni/ Kontrastiert Grau/ Schwarz/ Silber Dunkle Farbtöne

Mehrfarbig/ Kontraste Muster Signalfarben Schwarz/Silber



Erste Entwürfe Mit den zuvor erarbeiteten verschiedenen Eigenschaften habe ich erste Ideen gesammelt. Dabei ging es eher darum, einzelne Detaillösungen auszudenken und aufzuzeichnen, als eine definitive Form zu suchen. So befasste ich mich zum Beispiel mit der formalen Integration einer Klinge, mit einfachen geometrischen Formen die genügend Stauraum beinhalten könnten oder mit Mechanismen zum aufklappen, teilen, schieben oder drehen um zum Stauraum zu gelangen. Als nächstes habe ich versucht, diese einzelnen Ideen untereinander zu kombinieren um somit verschiedene Varianten von ähnlichen Werkzeugen zu erhalten. Diese habe ich in einem nächsten Schritt detaillierter dargestellt.

Linke Seite: eine Auswahl an Ideen Nächste Seite: detaillierte Varianten




Stufe 3: Modelle bauen und bewerten Nach dem Erstellen der Entwürfe bin ich vom vorgesehenen Vierstufenplan abgewichen. Anstatt die gezeichneten Varianten zu bewerten, wollte ich erste Modelle bauen, um ein “Gefühl“ für die Abmessungen, Proportionen und Formen zu erhalten. Die Idee war, diese Modelle dann fortlaufend zu bewerten und weiterzuentwickeln. Zu Beginn wird es sich um reine Designmodelle, sogenannte Mock-up`s handeln. Sie sehen dem fertigen Produkt schon sehr ähnlich, sind aber nicht funktionsfähig. Je weiter einzelne Designs entwickelt werden, desto mehr Funktionen werden auch in die Modelle eingebaut.

Wenn ich nun den Vierstufenplan genau befolgen möchte, so müsste ich ein Kriterienraster mit den verschiedenen Eigenschaften erstellen, und jedes Modell entsprechend diesen Kriterien bewerten. Ich denke das würde jedoch den Rahmen dieser Dokumentation sprengen, und so werde ich die Evolution der verschiedenen Entwürfe vorstellen und zum Teil einige Gedanken und Ideen genauer erläutern. Im oberen Bild sehen wir in der linken Bildhälfte Modelle mit voluminösen Griffschalen für viel Stauraum, in der rechten Bildhälfte ergonomische Gestaltungsansätze so wie formale Anzeichen für einen eventuellen Klappmechanismus.


Bei den ersten Modellen habe ich die Maulschlüssel am Schaft der zur Schneide führt angeordnet. Bei der Analyse der Modelle erschien mir das jedoch aus folgenden Punkten nicht Sinnvoll: - Durch die Maulschlüssel wird der Schaft an einigen Stellen schmaler und schwächer - Leinen oder Kleidung könnten an den Stegen einhängen

In einem ersten Schritt habe ich die Maulschlüssel ans Werkzeugende verlegt. An dieser Stelle ist die Belastung viel geringer, und die Stege würden durch die Hand umschlossen und somit geschützt. Zu einem späteren Zeitpunkt habe ich die Maulschlüssel komplett weggelassen und in ein zweites, separates Werkzeug integriert.



Funktionen: Klappmechanismus und Stauraum An diesem Punkt der Entwicklung war noch nicht festgelegt, welche Art von Werkzeug entstehen würde. Folgende Optionen standen zur Auswahl: - Ähnlich wie ein Outdoor - oder Rettungsmesser, ein Griff mit einer feststehenden Klinge - Wie ein Schweizer Taschenmesser, mit einer klappbaren Klinge Gerade bei den zwei Modellen auf der linken Seite hätte sich ein Klappmechanismu besonders elegant integrieren lassen. Der ringförmige Mittelteil hätte zum einen als Drehgelenk eingesetzt werden können, zum anderen wäre dieser Kreis ein schönes Anzeichen für ebendiese Funktion geworden. Der grosse Nachteil, und im Endeffekt auch der Grund weshalb kein Klappmechanismus verbaut wurde war, dass die eingeklappte Klinge den Stauraum im inneren des Werkzeugs besetzt hätte. Bei beiden Modellen habe ich ebenfalls eine Variante mit Stauraum gebaut. Leider hat sich auch hier herausgestellt, dass immer noch zu wenig Platz vorhanden war, um alle nötigen Elemente verstauen zu können. Während dieser Phase der Entwicklung machte ich noch eine interessante “Entdeckung“. Im oberen Bild unten rechts ist ein einzelnes Bauteil des Modells abgebildet. Beim zusammenbau der Modelle habe ich bemerkt, dass dieses Bauteil eigentlich alle notwendigen Funktionen beinhalten würde, um die vorgegebenen Aufgaben zu erfüllen. An diesem Punkt entstand die Idee, anstelle eines Handwerkzeuges nur ein extrem reduziertes, rein auf die Funktion gerichtetes Notfallwerkzeug zu machen. Diese Idee werde ich zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgreifen.



Fokus Stauraum, Zusatzwerkzeug Es war also klar, dass der Stauraum eigentlich das wichtigste Kriterium in Bezug auf die Evolution der Modellreihe war. Also ging ich zurück zu den Modellen mit den grössten Griffschalen. Ich machte mir Gedanken zu verschiedenen Öffnungsmöglichkeiten, Klappe, Stauräumen usw. Ich wählte dazu die grösstmögliche Griffschale in Kombination mit der formal für mich spannendsten Schneiden-form. Ich habe mir einen Schliessmechanismus ausgedacht, bei dem die Griffschale in das untere Schneidenende eingeschoben, so geschlossen gehalten und über zwei kleine Verbreiterungen ain der Nut der Box verriegelt wird. Aufgrund der zuvor genannten Gründe sind auch die Maulschlüssel komplett verschwunden. Da wir aber nicht auf diese Funktion verzischten können, habe ich den Ausschnitt der Box zu einem kleinen Schlüssel umfunktioniert. Er passt genau in die Box, und beim Lasern der Schneide würde weniger Abfall entstehen. Rückblickend hat sich herausgestellt, dass diese Variante am ehesten in die Richtung des Werkzeugs geht, dass ich mir von Anfang an vorgestellt habe. An diesem Punkt besteht der Nachteil noch darin, dass die Box komplett von der Schneide getrennt werden muss, um sie öffnen zu können. Die Idee war nun, den Verriegelungsmechanismus so beizubehalten, die Box aber zugänglich zu machen ohne dass die zwei Bauteile komplett getrennt werden müssen.



Dritte Variante Während ich das Modell technisch so änderte, dass Schneide und Box nicht mehr ganz getrennt werden müssen, entschied ich mich zeitgleich noch zu einer Grössenanpassung. Bei der vorherigen Variante hätten die zwei Ersatzleinen nach wie vor separat verstaut werden müssen. An sich wäre dies nicht unbedingt ein Nachteil. Die meisten Piloten und Pilotinnen haben mehr als ein Gleitschirm, und selten sind da dieselben Leinen verbaut. Es könnte also je ein Leinenset am Gleitschirm angebracht werden (z.b. mit einem Velcro an den Tragegurten) und man könnte einfach jeweils das Werkzeug mit sich tragen. Ich fand aber die Idee besser, ein einziges Objekt mit sich zu führen, ohne sich Gedanken dazu machen zu müssen ob es denn nun komplett ist oder nicht. Die grössere Box hat genug Platz um alle Einzelteile aufzunehmen, jedoch ist sie zu gross, um noch als Griffschale für die Schneide zu dienen. Zu der Zeit habe ich erste Schneiden aus Chromstahl zum lasern gegeben, um den Verschlussmechanismus und die Schneide zu testen. Die erste Schneide habe ich mit mässigem Erfolg selber geschliffen. Ich konnte zwar Leinen trennen, jedoch nur mit erheblichem Aufwand, was für dieses Projekt natürlich nicht akzeptabel ist. Die Suche nach einem Messerschleifer, der mir eine Schneide in mein Werkzeug schleifen könnte blieb jedoch leider bisher erfolglos! Um dieses Problem zu umgehen, entschied ich mich also, die grosse Box nur mit einem Schliessbügel anstelle einer Schneide zu bauen, und plante, eine bestehende Klinge in das kleine Zusatzwerkzeug zu integrieren.



Übersicht Variante 1: Für mich aktuell die Idee mit dem meisten Potential. Die Box bietet genügend Platz für alle Einzelteile, ist robust, hat den gewünschten “technischen Twist“, lässt sich mit gezielter Gestaltung intuitiv bedienen und wirkt nicht “überflüssig“. Die Problematik mit der fehlenden Klinge müsste jedoch unbedingt noch gelöst werden, aber meiner Meinung nach sollte das kein zu grosses Problem darstellen.

Variante 2: Diese Variante hat wohl noch am meisten mit der ursprünglichen Idee zu tun. Das Konzept von Werkzeug mit Stauraum im Griff finde ich immer noch sehr innovativ. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass die Grösse bei Piloten und Pilotinnen doch eher für Zweifel sorgen könnte, gerade weil es sich mit dem Sicherheitsmesser doch um Zubehör handelt, dass man selten oder hoffentlich nie benutzen möchte oder wird. Zudem besteht da immernoch die Problematik mit dem fehlenden Stauraum für die Leinen so wie der Schneide die bisher noch niemand schleifen kann.

Variante 3: Insofern sehr spannend, weil es ein absolut reduziertes Werkzeug darstellt. Die Tasche auf dem Bild stammt aus meinem Bestand und könnte noch einfacher, günstiger und leichter hergestellt werden. Die Problematik mit der Schneide könnte eventuell umgangen werden, in dem eine bestehende Klinge aus dem Werkzeugfachhandel eingesetzt werden würde.



Wie geht es mit dem Projekt weiter? In einem nächsten Schritt werde ich die grosse Box digital konstruieren und 3D-drucken. Diesen Prototypen aus Kunstoff möchte ich dann mit dem ebenfalls neu hergestellten, breiteren Bügel testen. In das kleine Zusatzwerkzeug soll eine Klinge aus dem Werkzeugfachhandel eingepasst werden. Parallel dazu möchte ich ebenfalls die dritte Variante weiterverfolgen, dabei wird das Hauptproblem wohl die Schneide darstellen. Beide Varianten sollten bis zur Präsentation zumindest als Modell “Einsatzfähig“ sein. Nach der Präsentation werde ich beide Prototypen bei der Highadventure AG präsentieren, die Firma ist spezialisiert auf Gleitschirmzubehör. Danach wird sich zeigen, ob eine der zwei Varianten potential hat, und so, oder allenfalls in einer etwas abgeänderten Form weiterentwickelt wird.



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