Aynur Turunc – JIN Kilim – Dokumentation

Page 1

DOKUMENTATION

Kilim DIE KULTUR DES KILIMS AUS VAN UND WIE EIN NEUES KILIM-LABEL ENTSTEHT



Bachelorarbeit FS 2019 Dokumentation Hochschule Luzern Kunst & Design Objektdesign

Aynur Turunc Moosstrasse 24 6003 Luzern aturunc@gmx.ch +41 78 889 08 41

Dozentin Schriftliche Arbeit Gabrielle Alioth Dozenten Praktische Arbeit Egloff Brigitt Antonia Andreas Saxer



Einleitung Bei dieser Bachelor-Arbeit befasse ich mich mit Kilims - traditionellen, kurdischen, handgewobenen Teppichen. Hierbei wird mit einem Atelier aus Van zusammen gearbeitet. Die Stadt liegt weit im Osten der Türkei, in einem überwiegend kurdisch geprägten Gebiet. Das Kilim-Atelier ist ein soziales Projekt, welches ursprünglich von einer Privatperson aufgebaut und dann von der Stadtverwaltung Van übernommen wurde. Der Gründer wollte mit seinem Atelier jungen Frauen die Möglichkeit geben, neben Familienalltag oder Schulausbildung auch eine kontinuierliche, sichere Einkommensquelle zu haben. Dies ist eine von vielen Motivationen weshalb ich mich für dieses Projekt entschieden habe. Nebst dem, dass ich den Spuren meiner kurdischen Vorfahren folgen und ihre Handwerkstraditionen kennenlernen möchte, interessiere ich mich auch für den Produktionsablauf und für eine mögliche Vermarktung in der Schweiz. Paralell hatte ich den Gedanken, ein Design Label aufzu-

ziehen, welches ich später weiterentwickeln kann um mich damit als Designerin entfalten zu können.Zusammengefasst soll also, mit diesen kurdischen, jungen Frauen eine einzigartige Kollektion erschaffen werden, welche die örtliche Tradition aufgreift und mit modernen Ideen, neuen Materialien und Designs durch ein Co- Design mit mir, vereint. Danach soll das Label durch mich in der Schweiz vermarktet werden. Diese Dokumentation zeigt den Entstehungsprozess meiner Bachelorarbeit auf.



Kilim-Tradition aus Van und Hakkari Kilim ist nicht gleich Kilim. Früher wurden diese leichten und doch sehr robusten Stoffe/Teppiche äusserst vielseitig verwendet. Die Kilims dienten in der Wohnung zum Beispiel als Tischersatz am Boden, als Raumtrenner oder als Sofalandschaft im Wohnzimmer. Des Weiteren konnten diese Textilien aber auch gut zu Kleidern oder Taschen weiterverarbeitet werden. Diese Produkte wurden oft mit den gleichen Materialien und Webtechniken hergestellt, weil sie von den Menschen selber hergestellt werden konnten und leicht zu transportieren waren. Dies war ein grosser Vorteil zu einer Zeit, in der die Menschen fast ausschliesslich Nomaden oder Halbnomaden waren, die ihre Zelte schnell und möglichst einfach zusammenpacken mussten. Das Besondere an diesem Produkt sind neben der Vielseitigkeit, Qualität und der Natürlichkeit der Materialien, vor allem der Entstehungsprozess und der hohe Stellenwert unter der Bevölkerung. Dieses Handwerk hat man zuhause praktiziert und von Generation zu Generation weiter gegeben. Dadurch entstanden Motive, die wiederum weiter vererbt wurden und sich mit der Zeit zu Symbolen der jeweiligen Stämme entwickelt haben. Die Kilims, die vor allem aus Van und seiner Umgebung kommen, werden noch heute mit den Mo-

tiven dieser alteingesessenen Stämme hergestellt. Einst war der Kilim ein Objekt oder Werk, mit dem die Frauen ihr Geschick und ihr Können zeigten und damit auch Anerkennung in ihrer Gemeinschaft erhielten. Jede junge Frau webte schon früh für ihre eigene „Cegiz-Truhe“, die sie als Mitgift in die Ehe mitnahm. Man sagt im Volksmund auch heute noch: Die Frauen weben ihre Seele in den Kilim. Daher kann man sagen, dass die Killims nicht nur ein Wahrzeichen der Stämme sind, sondern auch die Charaktere der Frauen wiederspiegeln. Ein anderes Sprichwort aus früheren Zeiten war ausserdem folgendes: Ein Mann, der einen Teppich kaufen muss, hat keine gute Frau. Dies deutete darauf hin, dass seine Frau keinen Kilim weben und somit auch nicht für ihre Familie sorgen könne. Die selbstgemachten Kilims ihrer Frauen und Töchter durften die Männer aber auch nicht verkaufen. Nur die ärmsten Familien verkauften ihre Kilims, und das galt fast schon als Betteln. Doch wenn man einer Familie ein Kilim schenkte, war das eine grosse Ehre und zeigte dem Beschenkten, was für einen grossen Stellenwert er für diese Familie hatte.



Das Atelier


Quartier


Atelier Leitung



Materialien Schafswolle ist ein überzeugendes Naturprodukt, sie hat viele Eigenschaften, die sich schon seit Jahrhunderten bewährt haben. Früher wurde der Kilim zu einhundert Prozent aus reiner Schafswolle von den Frauen selber hergestellt und mit Naturfarben gefärbt. Im heutigen Zeitalter wird der Kilim fast ausschliesslich von professionellen Herstellern produziert und vertrieben. Das Garn, das in den Ateliers in Van verwendet wird, bestellt die Atelierleitung in industriellen Mengen aus Istanbul. Nach ihren Angaben stamm das Rohmaterial für die 100% Schafswolle, die in Istanbul verarbeitet wird, aus der Türkei. Dass diese Wolle seit Jahrhunderten in der Produktion von Kilims eingesetzt wird, ist natürlich auf die gute Verfügbarkeit in der Region zurückzuführen. Allerdings verfügt Schafswolle auch über einige besondere Eigenschaften festgestellt einerseits durch lange Erfahrungen, andererseits aber auch durch moderne Forschungsmethoden am deutschen Wollforschungsinstitut in Aachen - was sie zu einem idealen Material für Kilims bis in die heutige Zeit macht.


DIE EIGENSCHAFTEN VON SCHAFSWOLLE

temperaturausgleichend

lädt sich nicht elektrostatisch auf

Schon am lebenden Schaf schützt die Wolle das Tier im Winter vor Kälte und im Sommer vor Hitze. Diese Eigenschaft erhält die Wolle durch die Tatsache, dass sie zu ca. 85% aus Luft besteht, einem hervorragenden Isolator. Die natürlich gekräuselten Wollfasern halten Luft in ihrer Struktur fest.

Eine gewisse Menge an Wasser ist immer in der Wollfaser vorhanden und leitet kleine elektrische Ladungen aus dem Material ab. Nur bei starker Trockenheit


Schafswolle ist geruchshemmend Schafswolle neutralisiert Säuren und bietet Pilzen und Bakterien keinen guten Nährboden, um sich zu vermehren. Somit können diese Keime kaum üble Gerüche produzieren, und das Material kann länger getragen werden. Auch nach längerem Tragen reicht kurzes Lüften der Kleidung, um Gerüche wieder los zu werden.

ENTGIFTET DIE RAUMLUFT Schafswolle bindet Stoffe aus der Gruppe der Aldehyde wie z.B. Formaldehyd dauerhaft an sich. Das Binden gelingt dem Material durch spezifische Proteinstrukturen der Wolle und werden so unschädlich gemacht. Labortest aber auch Langzeitversuche in öffentlichen Gebäuden konnten dies zeigen. Ausserdem kann Wolle Geruchsstoffe, die wir oft als unangenehm empfinden, aus der Luft filtern.


schafswolle ist knitterarm Die Wollfaser ist äusserst elastisch und besitzt hohe Spannkraft, wodurch das Material praktisch knitterfrei wird.


Schafswolle ist schmutzunempfindlich Wollkleidung muss nicht so oft gewaschen werden, da die Schuppen an der Oberfläche der Wollfaser Schmutz sehr leicht abstossen.

schafswolle nimmt Feuchtigkeit auf Wolle kann ungefähr 30% seines Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich nass anzufühlen. Durch die Kräuselung der Wollfaser kommt nur eine minimale Fläche der Haut mit dem Material in Kontakt und hält so Wasser von der Haut fern. Die Faser saugt Wasser auf und hält es im Innern fest, während die Aussenseite der Faser Wasser abstösst. Selbst im nassen Zustand hat Wolle immer noch einen wärmenden Effekt. Wenn die Luft um die Wolle herum eher trocken ist, kann die Wolle die festgehaltene Feuchtigkeit an die Umgebung abgeben.



WORKSHOP


Die Workshops wurden in 2 Runden während Zwei Wochen durchgeführt.

1. Runde Um die Weberinnen und ihre Arbeit kennen zu lernen fing es in dieser Runde ohne strikte Vorgaben an. Ich stellte lediglich neues Material zur verfügung damit ich die Grenzen der Möglichkeiten herausspüren konnte. Die Weberinnen fingen frei an zu weben und probierten die neuen Garne aus. Nach und nach habe ich mich mit Fragen und alternativen Webemöglichkeiten eingebracht.

2. Runde Mein Ziel war von anfang an, mit den kurdischen, jungen Frauen eine einzigartige Kollektion zu erschaffen, welche die örtliche Tradition aufgreift. Deswegen habe ich mich, nach längeren Recherchen im vorfeld, für zwei traditionelle Kilim entschieden die als Grundlage für die zweite Runde dienten. Hier war die Zusammenarbeit mit den Weberinnen schon sehr intensiv. Am Ende konnte ich dafür ein Konzept erstellen, das den Frauen einen Design-Rahmen vorgab, ihnen aber dennoch die Freiheit liess, ihre eigenen Motive und Ansprüche einzubringen.

Der Rahmen sieht wie Folgt aus: _ Angabe der Stamm-Motive (z.B.„Sine“) _ Minimierung des Designs _ Neue Anordnungen _ Masse der Motive _ Masse der Produkte _ Material-Zusammenstellung _ Farbkonzept​


REFERENZTEPPICH „SINE“ Sine ist ein sehr alter Stammeskilim dessen Tradition am aussterben ist. Sine bestehen aus ganz kleinen, pixelartigen Motiven, die stark an alte Höhlenmalerei erinnern. Zwei Frauen diente dieser Teppich als Vorlage.

REFERENZTEPPICH „ASIRETIN KAVGASI“ Asiretin Kavgasi bedeutet „Kampf der Stämme“. Den Namen verdiente sich diese Art des Kilim, weil die Weberinnen die Motive der verschiedenen Stämme frei kombinieren konnten. Dies ist eine eher neue Webart und entstand, weil man dadurch die angefallenen Schnurreste verwenden konnte. Für fünf der Weberinnen diente dieser Teppich als Vorlage.





Weberinnen

Die Weberinnen von Links nach Rechts. Nimet, Reyhan, Zeynep, SĂźkran


Nimet, 21 Die JĂźngste im Atelier und seit einem Jahr verlobt. Sie webt seit ihrem 12. Lebensjahr Kilim und hat sehr viel Talent. Bei diesem Workshop hat sie sich mit den Sine Kilim befasst und obwhol sie die Sinie-Motive sehr schwer findet, gefiel ihr die Arbeit sehr gut.

1. Runde

2. Runde


Zeynep, 26 Da sie sehr spät angefing zu weben und nicht regelmässig Kilim webt, ist sie noch keine geübte Weberin. Sie ging nie in die Schule und daher war die Kommunikation auf türkisch eher schwer. Mit Hilfe der anderen Weberinnen konnten wir uns dennoch gut verständigen.

1. Runde

2. Runde


sßkran, 27 Sßkran ist schon sehr lange im Atelier tätig und konnte dadurch ihr Studium zur Kleinkinderzieherin finanzieren. Sie konnte viel Erfahrung und Geschickt in dieses Projekt einbringen. Sie war mir eine grosse Hilfe bei meiner Arbeit.


Reyhan, 24 Reyhan ist die schĂźchterne im Atelier. Sie war immer ruhig aber konnte viele Inputs geben und Ideen einbringen. Sie hat ein Auge fĂźr Farbe und Form.





FOTOMONTAGEN UND SKIZZEN





ENDPRODUKTE









ARBEITSPLATZ



PRODUKTIONSABLAUF



GARN AUSSUCHEN



WEBSTUHL VORBEREITEN



REINIGEN VON FUSSELN

FRANSEN KNÜPFEN


FUSSELN VERBRENNEN


PRESSEN



BÜGELN



CORPORATE DESIGN



VIELEN DANK AN ALLE BETEILIGTEN!





Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.