Zwischen * ding SELBSTREPRÄSENTATION NON-BINÄRER MENSCHEN DURCH TEXTILIEN
VALÉRIE RUST Dokumentation
MOTIVATION Die Auseinandersetzung mit Geschlecht und den damiteinhergehenden gesellschaftlichen Konventionen beschäftigt immer mehr Menschen. Dabei sind Forschung, Gesellschaft, Sprache und Populärkultur unterschiedlich weit vorangeschritten. Im Textildesign sehe ich viel Raum, um sich non-binären Personen und deren Ausdruck anzunehmen.
©Zee Nunes
Alok Vaid Menon
Non-binäre Menschen identifizieren sich nicht mit dem binären Geschlechtersystem und nehmen ihre Genderidentität als fliessend, non-konform oder als inexistent wahr. Aufgrund meiner persönlichen Definition, aber auch meines nahen Umfelds beschäftigt mich die Thematik seit einer Weile. Ich nehme einen Mangel im Verständnis und der Sichtbarkeit von genderqueeren Menschen wahr und möchte diesen meine Bachelorarbeit widmen.
Aubrey Longley-Cook
©Emma Summerton ©Tyler Mitchell
Kye Rowan
Christopher John Rogers
Wendy Arnevill
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ŠLewis Vorn: Dorian Electra
Alok Vaid Menon
VORGEHEN Meine schriftliche Bachelorarbeit steht in einem engen Zusammenhang mit dem praktischen Teil. Als Grundlage wurden Interviews mit sieben non-binären Menschen geführt. Dabei orientierte ich mich an fogenden Fragen: Welche vestimentären Praktiken nutzen non-binäre Menschen um ihre Genderidentität auszudrücken? Lassen sich bestimmte textile Eigenschaften herauskristallisieren, welche hierbei unterstützend wirken können und falls ja, welche?
Um dies herauszufinden, befragte ich die Interviewpersonen zu ihren textilen und vestimentären Vorlieben, zur Genderkonnotation von Textilien und Repräsentation. Ausserdem besprachen wir erste Entwürfe und Wünsche der Interviewpersonen. Des Weiteren beurteilten sie textile Eigenschaften nach ihrem Repräsentationswert, sortierten Beispielstoffe in weiblich, männlich und neutral und brachten Lieblingskleidungsstücke mit, welche ich textilspezifisch analysierte. Des Weiteren betrachtete ich drei Künstler*innen, Gluck (1895-1978), Claude Cahun (1894-1954) und Dorian Electra (*1992) sowie deren vestimentäre Praxis, um das Thema historisch zu beleuchten.
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Die Rechercheergebnisse und Analysen, die Gespräche an sich, aber auch die Eindrücke der reinen Begegnungen mit den non-binären Menschen, flossen in die Gestaltung meiner praktischen Designs ein.
INTERVIEWS
„Ich finde es wichtig, dass „Wenn ich wirklich etwas
andere Leute sich durch
trage, das zu hundert
mich repräsentiert fühlen.“
Prozent feminin ist, dann
-N
verliere ich an Privilegien.“ -H
„Was ist das für eine Person, die sich so wagt?“ - L
„Emanzipation im Kleiderschrank“ - T
„An und für sich versuche ich nicht, politische Mes-
„I like making people a bit confused, or just acknowledge that it’s not as bw as they like to think.“ - E
sages zu transportieren. Ich bin selbst die Message. Ich bin genug politisch als Mensch, so wie ich mich in der Gesellschaft bewege.“ - L
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ÜBERTRAGUNG AUF DIE PRAKTISCHE ARBEIT Ziel: Hinterfragen von Gendernormen mittels Irritation und mehrdeutigem Gesamteindruck. Textilien können in sich Genderkonnotationen vermischen und somit diese Absicht unterstützen.
„Clothes are so fun. And
Die Diversität der non-binären Community soll durch textile Vielfalt reflektiert werden.
yet, there’s so much dan-
Situationsabhängig werden verschiedene Arten und Abstufungen von Sichtbarkeit (im Textil) benötigt.
pe the norms.“ - E.
Für die Sichtbarkeit innerhalb der Community sind Queermarker geeignet. Subtile Designs minimieren ausserdem das Risiko, diskriminiert zu werden. Als Materialien eignen sich steife, feste Textilien und genau luftige Stoffe. Beide nehmen Einfluss auf die Körperform und können dementsprechend bewusst eingesetzt werden.
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ger around trying to esca-
DESIGNTYPEN
Materiell Subtil, Kontraste in Material und Oberflächen
Schichtung Verschiedene Textilien übereinander, unterschiedliche Geschlechterkonnotationen übereinander
Symbolisch Stellvertretende Zeichen oder Sinnbilder, erst auf den zweiten Blick lesbar
Plakativ Typografisch, klar, wenig Farben und Schnickschnack, am breitesten lesbar
Outward Pride Extravagant, ausserhalb von community lesbar
Inward Pride Subtil, community -intern, non-binary Farben
Dezent Klassische Muster bestehend aus Queermarkern, nur von Nahem sichtbar
Ton in Ton Mittels Ton-in-TonStickerei und -Mustern, Reflexion, erst auf den zweiten Blick lesbar
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PROZESS Zunächst entwickelte ich acht Designtypen, welche als Richtlinien für das Kreieren meiner Entwürfe dienten. Während des Gestaltungsprozesses stellte ich allerdings fest, dass sich die von mir festgelegten Kategorien teilweise überschnitten und auf verschiedenen Ebenen (visuell, inhaltlich) bewegten. Somit sind sie nur bedingt miteinander vergleichbar waren und traten mit dem Voranschreiten der Arbeit in den Hintergrund.
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Als gestalterisches Resultat meiner Bachelorarbeit entwarf ich neun Designs. Ich entwickelte Inkjetdrucke, verwendete aber auch teilweise schon bedruckte Textilien und bearbeitete diese an der Näh- oder Stickmaschine. Bei der Wahl meiner Materialien versuchte ich, nachhaltig zu handeln. Ich benutzte grösstenteils Stoffreste, bezog Verschnitte der Inkjetdrucke mit ein und druckte ausschliesslich auf vegane Materialien. Auch wenn mir die weitgreifende Problematik von Baumwolle bewusst ist, wog ich verschiedene ethische Aspekte ab und entschied mich für die pflanzliche Faser.
Die Dessins bestehen aus Aquarellund Pastellzeichnungen, ausgeschnittenen Papierteilen, Cyanotypieexperimenten und wurden teilweise digital bearbeitet. Es kamen ausserdem diverse gekaufte Textilien und auch nichttextile Komponenten zum Einsatz.
ENTWÜRFE
MERGING PARALLELS Die Binarität des Geschlechts beruht darauf, dass die beiden Konzepte „Mann“ und „Frau“ an gegensätzliche Eigenschaften und Rollen gebunden sind. Als Parallelen verlaufen sie nebeneinander und brauchen sich in einer heteronormativen Welt nie zu kreuzen. MERGING PARALLELS ist der Versuch, die Gegensätze in den Streifen zu vereinigen, sodass sich die Parallelen treffen - ohne sich zu treffen. Inspiriert vom Nadelstreifenmuster entstand ein Stickereientwurf, welcher sowohl auf haptischer als auch visueller Ebene Kontraste verbindet. Ausserdem wird der dunkle Cordstoff, welcher sich traditionell eher in der Herrenbekleidung widerfindet, mit Perlen in Verbindung gebracht. Deren Eigenschaften zu funkeln und glitzern werden in erster Linie mit Weiblichkeit und Schmuck assoziiert.
„The idea of taking something that’s male and female at the same time“ - E.
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„Ich würde mich anders kleiden, wenn ich nachher nicht so sehr dafür diskriminiert werden würde.“ -N
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AGENDER Agender ist eine Bezeichnung für Menschen, welche sich mit keinem Geschlecht identifizieren. Von Weitem ist das Dessin lediglich als wacklige geometrische Form erkennbar. So liegt der Fokus nicht auf den kleinen Symbolen, aus welchen sich die Stränge zusammensetzen. Die Formen sind abgeleitet von einer Variante des Agendersymbols (s. oben), welche ausgeschnitten und aneinandergesetzt wurden. Colorit 1 (linke Seite) betont durch den stärkeren Kontrast die geometrische Wirkung. Colorit 2 wirkt mehr surreal, bunt und knallig und ist durch das Farbspiel sehr auffällig. Material: Baumwollsatin
“Schlussendlich kann ich nicht steuern, ab wann ich wen wie sehr irritiere.“ - L
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A GLOW Der Allover-Rapport setzt sich zusammen aus verschiedenen Symbolen. Der Fächer steht für die Spannweite von Geschlecht, während das Chamäleon Wandelbarkeit, Anpassung und Farbenfrohigkeit repräsentiert. Seepocken und Clownfische sind zwei hermaphrodite Beispiele aus Flora und Fauna, welche Non-Binarität auf der biologischen Ebene aufzeigen. Abgerundet wird das Dessin von Brustwarzen, welche alle Menschen unabhängig ihres Geschlechts gemeinsam haben und dennoch stets zu Diskussionen anregen. Mit dem Gedanken an „Rainbows at night“ sollen die Symbole aus dem schwarzen Hintergrund hervortreten. Im Schutz der Nacht leuchten sie, können mit dem Entwurf aber auch ans Tageslicht treten. Material: Baumwolle Lexington
„Um die Gendernormen zu brechen, damit es andere 12
nachher einfacher haben.“ H.
IMAGINING UTOPIAS
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
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Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
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Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt weiblich sein, wenn sie nicht männlich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt weiblich sein, wenn sie nicht männlich sind.
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Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt weiblich sein, wenn sie nicht männlich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt weiblich sein, wenn sie nicht männlich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt weiblich sein, wenn sie nicht männlich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt weiblich sein, wenn sie nicht männlich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt weiblich sein, wenn sie nicht männlich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt weiblich sein, wenn sie nicht männlich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.
„Stell dir vor, Menschen müssten nicht unbedingt männlich sein, wenn sie nicht weiblich sind.“ Diesen Satz habe ich als Gedankenimpuls und gestalterisches Motiv mehrfach maschinell auf einen bestehenden Stoff gestickt. Gewählt habe ich diesen Stoff, da er in meinen Augen bereits eine non-binäre Anmutung hat. Sein Muster besteht zwar aus floralen Elementen, erinnert allerdings mit seiner Schummrigkeit und Farbigkeit auch an Flecktarn. Im Sinne der Nachhaltigkeit und der Corona-Einschränkungen entschied ich mich für diesen Stoff, der sich bereits seit Jahren in meinem Fundus befand. Das Entziffern und Entschlüsseln des Satzes bringt ins Grübeln und soll dabei helfen, ein Gedankenspiel anzustossen.
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BE A HERO „BE A HERO, CLASSY & FABULOUS“ führt zwei Glaubenssätze zusammen und setzt damit ein neues Statement. „A woman should be two things: classy and fabulous“. Dieses Zitat von Coco Chanel lässt sich wunderbar kombinieren mit folgendem Spruch von Goethe: „One cannot always be a hero, but one can always be a man.“ In beiden Sätzen spiegeln sich Erwartungshaltungen gegenüber den tradierten Geschlechterkategorien. Dabei scheinen sie sich inhaltlich gegenseitig auszuschliessen. Die handgeschriebenen Notizen um die applizierten Buchstaben herum zeigen Teile meiner Reflexion und sollen Anregung bieten, (geschlechterspezifische) Parolen zu hinterfragen. Durch die Fusion entsteht ein neues Motto, welches die Konventionen kombiniert und damit aushebelt, sodass non-binäre Menschen sich damit identifizieren könn(t)en.
GLIMMERING PRIDE
„Ich kann nicht hundert Sätze brauchen, [...] sondern ich muss dem Gegenüber in vier Sätzen erklären können, was ich bin.“ - L.
Dieses Dessin dürfte mit seiner Feinheit und der leicht durchscheinenden, dünnen Stoffqualität eines der subtilsten sein. Als Entwurfsgrundlage dienten die Regenbogen- und die nonbinäre Prideflagge (s. unten). Die Streifen wurden teilweise auseinandergezogen, gestaucht, wieder ineinander verwoben und stark verkleinert, wodurch von Weitem lediglich eine matte Farbmischung erkennbar ist. Aus gesundheitlich unbedenklichem Abstand flimmert das Dessin, und nur aus nächster Nähe sind die einzelnen Teile ausmachbar. Dies steht im Kontrast mit der eigentlichen Verwendung der Prideflagge. Mit dieser sollen Stolz, öffentliches Bekenntnis und Bestärkung buchstäblich in der Luft herumgeschwenkt werden. Mein Entwurf soll dies eher im Stillen tun und der tragenden Person lediglich beim Blick auf den Stoff und durch die Berührung der Haut sanft gut zureden. Material: Baumwolle Lexington
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Kye Rowan: Non-binary Flagge
QUEERGENDERQUEER PRIDE „Genderqueer“ wird als Oberbegriff für alle Menschen verwendet, welche sich nicht mit den traditionellen Geschlechterkonzepten identifizieren. Entweder als „Genderqueer“ oder als „Queer Gender“ - im Sinne einer Aufforderung - lesbar, ist dieser typografische Entwurf zu einem der auffälligsten und schrillsten Designs meiner Arbeit geworden. Für Menschen mit Vorwissen drückt er eine klare Positionierung auf dem genderqueeren Spektrum aus. Für Menschen ohne Hintergrundwissen ist er lediglich bunt und sticht ins Auge. Dies kann ebenfalls schon als queere Handlung interpretiert werden, denn ursprünglich bedeutete das Wort „seltsam“ oder „eigenartig“. Mit der Verwendung des Begriffs soll an das Reclaiming erinnert werden, welches seit den Achtzigerjahren stattfindet. Material: Baumwolle Cretonne
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SURFACING
SURFACING stellt mit verschiedenen Schichten, die durch Sticktouren, Pailletten und Perlen verbunden sind, die Mehrschichtigkeit von (Gender-)Identität dar. Für den Entwurf wurden die Teststücke der Inkjetdrucke verwendet. Zum einen unterstütze ich das Upcyclingprinzip, zum anderen wollte ich symbolisch einige Erkenntnisse und Zwischenschritte meiner Arbeit zusammenfassen. Das Design spielt mit Opazität, Farbmischungen, Volumen und dem Raum zwischen den Stofflagen. Durch die unregelmässigen Touren entstehen Faltenwürfe, das Konstrukt gewinnt an Plastizität, Stabilität und Stand.
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„Wir sind alle einzigartig. Es würde ganz vielen da draussen helfen, wenn man sie nicht einteilen würde in X oder Y.“ - L.
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Originalfoto ©Claude Cahun & Marcel Moore: Claude Cahun ca. 1929
Originalfoto ŠHannah Siegfried: Dorian Electra 2019
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Originalfoto ŠHoward Coster: Gluck 1932
Bachelorarbeit Textildesign 2020 Mentorat: Franziska Born, Alexis Schwarzenbach Hochschule Luzern – Design & Kunst
Valérie Rust Wesemlinstrasse 54, 6006 Luzern +41 76 465 2422 valerie.rust@windowslive.com Istagram: relavierust
Bilder ohne Unterschrift: Valérie Rust.