Aus dem Herzen mit Liebe
für Papa
und alle die Menschen, welche unter Schluckstörungen und/ oder Bewegungseinschränkungen im Nackenbereich leiden, wie es z.B. bei Parkinson oder Multiple Sklerose der Fall sein kann und notwendige Hilfsmittel aufgrund einer stigmatisierenden Ästhetik ablehnen.
Trinkgläser Zwischen Nutzen und Emotionen
Eine Dokumentation der Bachelorarbeit von Raphael Zwygart, erstellt im Rahmen des 6. Semester im Bachelor of Arts in Produktund Industriedesign mit Vertiefung in Objektdesign des Frühlingssemesters 2024 an der Hochschule Luzern.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Kapitel 1 Die Findungsphase
Kaptiel 2 Das Trinkglas
Kapitel 3 Analysen und Skizzen
Kapitel 4 Prototypen und Tests
Kapitel 5 Selektion
Kapitel 6 Definition
Kapitel 7 Ausführung
Kapitel 8 Rückmeldung Reflexion
Einleitung
Die vorliegende Dokumentation zeigt den Verlauf meiner Bachelorarbeit auf, wie ich zu meiner Thematik kam, und wieso ich spezielle Trinkgläser für Menschen mit Schluckstörungen und/oder Bewegungseinschränkungen im Nackenbereich entwickelt und gestaltet habe.
Die Trinkgläser sollen zwei zentrale Punkte berücksichtigen. Einerseits sollen sie in ihren praktischen Funktionen einwandfrei und selbsterklärend funktionieren und somit ein neuartiges Produkt/Hilfsmittel, welches so noch nicht im Material Glas auf dem Markt existent ist, abdecken.
Andererseits lag der Fokus auf eine inklusive Gestaltung. Die Gläser sollen nebst den praktischen Funktionen auch produktsprachlich bzw. symbolisch positiven Assoziationen hervorrufen, um nicht als Hilfsmittel klassifiziert zu werden. Sie sollen den benutzenden Menschen Sicherheit geben, nicht als kranke Person erkannt und stigmatisiert zu werden. Eine Stigmatisierung durch eine bestimmte Ästhetik von Hilfsmitteln habe ich vertieft in der schriftlichen Bachelorarbeit erarbeitet und konnte dort wesentliche Punkte herauskristallisieren, welche der Gestaltung dieser Trinkgläser zugutegekommen sind.
Die Trinkgläser wurden für und mit Hilfe der Rückmeldungen und Anregungen meines Vaters entwickelt, welcher schon seit mehreren Jahren an der ParkinsonKrankheit und dessen Folgen leidet.
alltäglichen Leben
Beobachtungen
Mir war schon lange klar, was mein Ziel für meine Bachelorarbeit sein soll. Ich wollte ein Produkt entwickeln, welches den Menschen helfen kann, eines, welches Sinn stiften soll. Durch meine persönliche Betroffenheit mit der Parkinson-Krankheit meines Vaters habe ich die Gelegenheit genutzt, um mich in diesem letzten Semester meines Studiums voll und ganz an einer Gestaltung und Entwicklung eines Produktes zu widmen, welches sein Leben erleichtern soll.
Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung mit verschiedensten Symptomen. Sie ist nicht heilbar und kann nur medikamentös verlangsamt werden. Die Krankheit ist ein tiefer Einschnitt in das Leben von Betroffenen, denn sie greift in praktische jede Lebenssituation ein. Charaktertypische Symptome sind das Zittern der Extremitäten, eine Verlangsamung und eine Versteifung der Muskulatur. Die Folgen dieser motorischen Probleme sind unter anderem grosse Probleme beim Aufstehen und Gehen und auch der Verlust der Feinmotorik, welche zum Beispiel beim Essen behindern kann. Es können ebenfalls kognitive Folgen auftreten wie die Parkinson-Demenz, welche das Gedächtnis, Denken und Urteilsvermögen stark einschränkt. Nebst dem leiden viele unter Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit und Schmerzen durch die Versteifung der Muskeln.
Rechts auf S.11 ist eine Kategorisierung der Lebensbereiche und der Probleme, welche aus dem Interview vom 25.02.24 mit Papa entstanden sind.
Essen
Trinken
Sport
Handwerkliches
Aufstehen Bewegen Anziehen
Hygiene Schmerzen Medikamente Kognitiv
Das Essen und Trinken
Einer der Lebensbereiche, in dem mein Vater Mühe hat, ist das Essen und Trinken. Da die Feinmotorik aufgrund von Parkinson leidet, hat er Mühe, das Besteck in der Hand zu bewegen/zu manövrieren. Zudem ist die eingeschränkte Beweglichkeit der Handgelenke ein grosses Problem. Die Gabel oder der Löffel kann nicht mehr gut zum Mund geführt werden, was dazu führt, dass oft, bzw. bei jeder Mahlzeit Essen auf dem Boden landet. Ebenfalls ist die Nackenbeweglichkeit eingeschränkt und das Trinkglas leer zu trinken ist für ihn nicht mehr möglich. Parkinsonpatienten können mit der Zeit Schluckstörungen entwickeln. Diese können zu einer Lungenentzündung und sogar zum Tod führen. Daher ist es wichtig, dort präventiv zu handeln und Patienten Hilfsmittel zu geben, welche sie gerne annehmen und gebrauchen.
Für das Essen und Trinken gibt es Hilfsmittel, welche Parkinson-Patienten gebrauchen können. Diese sind aber optisch sehr unattraktiv. Die sogenannte Hilfsmittelästhetik von Parkinsonhilfsmittel wurde in meiner schriftlichen Bachelorarbeit näher beleuchtet.
Bei meinem Vater ist im Moment kein Hilfsmittel im Bereich Essen und Trinken im Gebrauch. Aufgrund der ästhetischen Unattraktivität wird lieber kein Hilfsmittel gebraucht als eine "nicht schönes“.
Genau dort sehen er und ich Potenzial. Wir konnten zusammen herauskristallisieren, dass ich ein spezielles Trinkglas für ihn gestalten soll, welches das Trinken angenehmer gestalten soll.
Auf Seite 13 sind die Problematiken, mit welcher sich mein Vater beim Trinken konfrontiert sieht oder in Zukunft aufgrund von Parkinson sehen wird.
Ästhetik
Verschluckungsgefahr
Greifkraft
Ausschütten
Nackenbeweglichkeit
Eine gesellschaftliche Zusammenkunft am Tisch ist essenziell für den täglichen Austausch mit andern Menschen.
2Kapitel 2 – Das Trinkglas
Zu Tisch
Die gesellschaftliche Zusammenkunft beim Essen und Trinken am Tisch hat in diversen Kulturen grosse Bedeutung. Es geht nicht rein um die Verpflegung an sich, sondern es ist viel mehr auch als wichtiger sozialer und kulturelle Akt anzusehen (Inspirationsbild S. 17).
Das Beisammensein ermöglicht es einem Menschen, Zeit mit anderen zu verbringen. Egal ob es von langer oder kurzer Dauer ist, der Austausch und das Treffen an einem Ort ist zentral für unser soziales Leben. Es bietet eine Gelegenheit, Beziehungen zu pflegen, Freundschaften zu stärken und Familientraditionen zu bewahren. Egal, ob an Feiertagen mit der Familie oder bei einem Mittagessen mit Arbeitskollegen, man trifft sich und tauscht sich aus.
Der Mensch möchte sich in Gruppen verorten und dazugehören. An einem so zentralen Ort wie an einem Tisch wird die eigene Unzulänglichkeit sichtbar, sobald man eine Handlung, ein Akt nicht gleichermassen ausführen kann wie die anderen Personen. Man befürchtet den Ausschluss, sogar die Diskriminierung aufgrund einer sichtbaren Beeinträchtigung.
Bestehende Trinkgefässe
Um Schluckstörugnen oder auch Bewegungseinschränkungen im Nackenbereich beim Trinken zu minimieren, gibt es auf dem Markt bereits Hilfsmittel. Auf Seite 19 oben, sind Nasenbecher abgebildet, welche bei Parkinson Schweiz bestellt werden können. Sie bestehen aus eingefärbtem Kunststoff und sind mit einer Nasenöffnung versehen. Unten sieht man eine Tasse aus Keramik, welche ebenfalls mit einem Nasenausschnitt versehen ist. Wie vorher schon erwähnt, möchte mein Vater diese Hilfsmittel nicht gebrauchen, und wie auf der vorherigen Seite erklärt, macht das durchaus Sinn. Man kann einen solchen Becher oder auch Tasse schlecht im Kontext eines Weihnachtsessen mit der Verwandtschaft visualisieren oder akzeptieren.
Daraus folgt für meine weitere Arbeit, dass ich ein Trinkgefäss entwerfe, welches aus dem Material Glas geformt wird - also ein Trinkglas. Ein solches Glas, welches für Menschen mit Bewegungseinschränkungen im Nackenbereich und/oder Schluckstörungen konzipiert wurde, habe ich erstaunlicherweise auf dem Markt nicht gefunden. Denn genau ein solches Glas führt dazu, dass Betroffene diese gerne am Tisch gebrauchen, schon rein nur durch die Materialwahl.
Wenn eine scheinbar einfache Handlung wie das Trinken aus einem Glas zu einem täglichen Problem wird.
Die Problematik beim Trinken
3Kapitel 3 – Analysen und Skizzen
Die Anforderungen
Um Schluckstörungen oder auch Bewegungseinschränkungen im Nackenbereich beim Trinken zu minimieren, ist es notwendig, Platz für die Nase zu schaffen. Denn durch diesen Platz für die Nase kann aus dem Trinkglas getrunken werden, ohne den Kopf in den Nacken zu legen. Dies ist insofern von grosser Relevanz, da die Kopfposition bei der Behandlung von Schluckstörungen zentral ist. Wichtig ist, dass der/die Betroffene den Kopf möglichst gerade oder besser, den Kopf leicht nach unten, Richtung Brust legt. Dies vereinfacht den Schluckvorgang, denn es kann kontrolliert werden, dass nicht zu viel und zu schnell Flüssigkeit in den Rachen gelangt. Zudem schützt diese Kopfhaltung die Luftröhre.
Weitere, wichtige Punkte für die Gestaltung sind folgende Punkte auf Seite 23.
Dimensionierung und Gewicht
Passform für Nase
Inhalt, klein und gross (2 und 3dl)
Ausguss und Trinkfähigkeit
Stapelbarkeit und Reinigung
Struktur der Oberfläche und Farbe
Greifbarkeit und Verständlichkeit Standfähigkeit
Die Typologie von Gläser
Meiner Beobachtung nach können Trinkgläser in 4 Kategorien eingeteilt werden und es gibt sie häufig in 3 Grössen (klein, mittel und gross), siehe Seite 25. Ausnahmen vorbehalten, denn es gibt, wie überall, auch sehr spezielle, verspielte Formen. Diese sind aber hier nicht von einer Relevanz. Bedeutung
Unterteilen lassen sich die Gläser in folgende Formen: gerade, konisch negativ, konisch positiv und bauchig. Durch das Gespräch mit meinem Vater und den bestehenden Gläser zuhause (klein bauchig und mittel konisch negativ) konnte ich herausfinden, dass für die Sicherheit beim Trinken mindestens eine gerade Form vorhanden sein muss. Am besten sollte die Form des Glases konisch negativ sein. Dies verleiht am meisten Sicherheit. Konisch positiv und bauchig fallen gänzlich raus, denn diese vermitteln im Kontext von einem Hilfsmittel weder Sicherheit, noch bieten sie Sicherheit.
Skizzen und Modelle
Die nächsten Seiten zeigen die ersten Skizzen und erste Modellversuche, um die Form und wichtigen Parameter des Trinkglases herauszufinden.
Aus den ersten Skizzen heraus lässt sich Folgendes herauskristallisieren: Erstens kann ein Nasenausschnitt sichtbar sein, also als Gestaltungsmerkmal dienen, oder er kann verdeckt sein. Dies kann durch eine abgeschrägte Trinkkante erreicht werden.
Weitere Skizzen wurden mit verschiedenen Formsprachen des Glases, mit sichtbarem oder verdecktem Nasenausschnitt, gemacht. Der Fokus lag ebenfalls auf die verbesserte Greiffähigkeit.
Um die Dimensionierungen dieses Nasenausschnittes zu definieren, habe ich Papiermodelle mit verschiedenen Tiefen des Ausschnitts gewählt, um herauszufinden, unabhängig von der Form, wie viel Platz die Nase braucht.
Zudem habe ich einen Greiff-Test gemacht, um den geeigneten Durchmesser des Glases herauszufinden. Die bestehenden Gläser dienten als erste Referenzen und Tests.
Herausgefunden wurde, dass die Nase um die 2.5 cm Platz benötigt, für das Trinken keine Kante im Weg sein sollte und der Durchmesser des Glases optimalerweise um die 6 cm liegt.
Die ersten Modelle und Referenzgläser
Die ersten freien Skizzen
Skizzen sichtbarer Nasenausschnitt
Testvariatne für die Breite des Nasenausschnittes
Testvariante für die Tiefe des Nasenausschnittes
Nasenausschnitt mit 2.5 cm tiefe
Holzmodell mit Papier für Durchmesserbestimmung
Rückmeldung - störende Kante
4 Kapitel 4 – Prototypen und Tests
Eine Entwicklung der ersten 3D-Druck Modelle und die ersten Beurteilungen zu der Ästhetik und Greiffähigkeit.
Von der Skizze zum Objekt
Prototypen und Tests
Die nächsten Seiten zeigen die ersten Prototypen und Tests. Die Prototypen habe ich mithilfe des CAD-Rhino erstellt und mit einem 3D-Drucker hergestellt. Das verwendete Filament ist aus PET-Clear und soll durch seine Farbe möglichst neutral und eine Annäherung an das Material Glas sein.
Folgende Bilder zeigen die 3D-gedruckten Formen auch im Kontext eines gedeckten Tisches, um so erste Anhaltspunkte betreffend derer Ästhetik zu bekommen. Zudem habe ich in diesem Stadium ein Weinglas und eine Karaffe entworfen und gedruckt, um ein Gefühl für allenfalls weitere Produkte zu bekommen. Dies wird aber in diesem Rahmen der Bachelorarbeit aus zeitlichen Gründen nicht weiterverfolgt.
Einige 3D-gedruckten Formen im Studio
Die nummerierten Formen für die Tests
Test vom 07.05.2024
Bewertungsskala von 1-10
Grundform Plektrum, Knick in Mitte
Rund und Nasenausschnitt
Formvariante mit Knick
Plekturm
Grundform angepasst, Tulpenform, und Fromvariante
Plektrum gross, gerade, Nasenausschnitt mit Varianten und kleinerer Grundform
Grundform zu Trinkkante
180Grad gedreht, div. Varianten fürs Greifen.
Plektrum, Gerade, Gross
Plektrum, Gerade, Mittel
Plektrum, Gerade, Klein V1
Plektrum, Gerade, Klein V2
Plektrum, Gerade, Klein V3
Rund, Gerade, Gross
Rund, Gerade, Mittel V1
Rund, Gerade, Mittel V2
Rund, Gerade, Klein
Gedanken
Ein bisschen breit, komisch zum Greifen
Beide viel zu gross, kann sie nicht gut halten, Nasenausschnitt schlecht, nicht schön.
Besser zum Greifen, aber ziemlich eckig, nur einseitig greifbar.
Ziemlich gut, passt gut in die Hand findet Variante 4.1 schön
4.2 ist optisch ein wenig zu mächtig.
Alle nicht so ansprechend aufgrund der Trinkkante oben. 5.0 Durchmesser ein wenig zu breit. 5.1 und 5.2 Besserer Durchmesser da schmaler.
Komisch zum Greifen; man hat das Gefühl das Glas nicht richtig greifen zu können, es rutscht in der Hand selbst herum.
Sind alle gut zum Halten. Optisch auch ansprechend
7.4 ist ein wenig zu klein. Allgemein sind die kleinen nicht sonderlich angenehm.
8.0 ist ein wenig zu breit, runde Grundform ist okay, kann überall greifen, verleitet aber dazu, von der falschen Seite zu trinken.
Bei den kleinen 8.3 ist rund besser als die Plektrumform von 7.3.
Variante 4.1 und 4.2 in der Hand
Variante 7.0
Variante 7.1
Variante 7.2
Variante 1.0
Variante 2.0
Variante 5.1
Der erste Trinktest
Anhand des ersten Tests konnte herauskristallisiert werden, dass diverse Varianten bis auf 3 weder ästhetisch noch praktisch (Greifen) für die Weiterbearbeitung geeignet sind. Die Varianten mit der Grundform eines Plektrums Nr. 4 und 7 und ebenfalls die runde Form Nr. 8 sind für die Trinktests geeignet. Sie zeichnen sich jeweils durch eine gewisse Einfachheit, Konformität in der Formsprache aus, was den inklusiven Faktor dieser Arbeit untermauert. Sie haben weder ein Knick in der Mitte noch einen sichtbaren Nasenausschnitt. Nr. 7 und Nr. 8 sind jeweils schon in 3 Grössen für den Test vorhanden gewesen. Nr. 4 nur in der grossen Form.
Aus dem Trinktest kann gesagt werden, dass die runde Form Nr. 8 und jeweils die kleinen Varianten von Nr. 7 und Nr. 8 aus dem Rennen fallen. Der Grund für den Rauswurf von Variante 8 ist, dass die runde Grundform kein Anzeichen gibt, wie das Glas gehalten werden sollte, was aber für ein optimales Trinken zwingend notwendig ist. Die kleineren Varianten sind schlicht und einfach zu klein. Mein Vater kann sie nicht richtig halten und das Fassungsvolumen ist ebenfalls zu gering.
Die Tulpenform (Nr. 4) gefällt meinem Vater - ästhetisch durch die aussergewöhnlichere Form und praktisch durch den schmalen Durchmesser - sehr. Für den nächsten Test wird die Tulpenform durch eine kleine Variante ergänzt und optisch noch leicht entschärft (weniger "tulpig").
Weiter kam noch die Frage auf, ob das Trinkglas noch mehr Anzeichen benötigt, um ein optimales Trinken zu ermöglichen. Daher werde ich für den nächsten Test eine Variante mit Einkerbung machen.
Erster Trinktest mit Variante 4.1
Die 3 Grundformen im Überblick
Test der kleinen Varianten
Variante 7.0 Gross
Das Ertasten von der Trinkkante
Die letzte Möglichkeit noch etwas zu ändern, die feingeschliffenen Varianten im Test.
letzen Anpassungen vor der Ausführung
Der letzte Test
Die beiden Formvarianten Nr. 4 und Nr. 7 wurden nochmals verfeinert. Die Grundform wurde leicht angepasst, um einen minimal besseren, ergonomischeren Griff zu erreichen und den Trinkfluss zu verbessern, da sich die Form leicht mehr abrundet. Die neuen Formen sind um 5 mm höher. Die Tulpenform Nr. 4 wurde entschärft, und ergänzend wurde eine kleine Variante produziert. Zusätzlich wurde beim Modell 7.1.3 getestet, ob eine Einkerbung als Anzeichen zum Verständnis des richtigen Gebrauchs relevant ist. Es hat sich herausgestellt, dass jedoch dadurch die Haptik und Ästhetik darunter leidet. Mein Vater meinte, es sei störend, den Daumen genau auf dieser Kante zu platzieren. Optisch wirkt die Einkerbung als ein Störfaktor mehr im Glas, was für die Inklusion nicht förderlich ist.
Über einen farbigen Strich wurde auch gesprochen. Ein solcher ist ästhetisch für beide nicht ansprechend, und die Idee wurde somit fallen gelassen.
Die Entschärfung, bzw. die um 1 mm angepasste Grundform und das um 5 mm erhöhte Glas finden mein Vater und ich wichtige Anpassung für die Ausführung.
Geeinigt haben wir uns, dass ich beide Varianten produzieren lasse, um das Ganze im eigentlichen Material Glas zu überprüfen. Die Tulpenform Nr. 4 gefällt meinem Vater ein wenig besser und vermittelt ein wenig mehr Sicherheit durch den besseren Griff (Durchmesser und Anschlag).
Ich bin mehr überzeugt von der geraden Variante Nr. 7, da sie optisch nochmals inklusiver wirkt und eine bessere Stapelbarkeit aufweist.
Noch zwei Grundformen in 3 Grössen
Überblick der Testbecher
Variante mit Einkerbung
Test vom 20.05.2024
Form
Alte Tulpenform
Tulpenform in der Seitenansicht entschäft, 5 mm höher
Grundform bei Trinkkante um 1 mm entschärft, abgerundet.
Tulpenform Mittel
Bewertungsskala von 1-10
Alte Gerade Form, Gross Alte Gerade From, Mittel
Neue Gerade Form, Mittel 5mm höher und Grundform um 1 mm mehr abgerundet
Neue Gerade Form, Gross 5 mm höher und Grundform um 1 mm mehr abgerundet
Gleich wie 7.1.2 nur mit Einkerbung im Glas bei Daumenposition
Gedanken
Ist im Vergleich zu 4.1.1 zu tulpig
Ist besser als die alte Form, ästhetisch schöner und auch sehr angenehm zum Halten, die 5 mm zusätzlich findet er gut.
Die leicht geänderte Grundfom ist gut, spürt keinen Unterschied zu 4.1.
Sehr angenehm zum Halten und Trinken, gefällt sehr gut.
Sind beide im Vergleich zu klein, die 5 mm zusätzlich tun den Gläsern gut, vorallem beim mittleren Glas.
Neue Form ist besser, die 5mm höher tun dem mittleren Glas gut.
Wie bei 7.1.1 die Form ist gut, stört nichts und die 5 mm zusätzlich sind ebenfalls passend.
Diese Kerbe, Einbuchtung im Glas ist störend, sie ist genau dort, wo der Daumen platziert wird. Nicht wirklich geeignet.
Der Trinktest, Variante 4.1.1
Die um 5 mm neue Höhe im Vergleich
Ich an Füllmenge bestimmen
Die definitiven Varianten
Die schrittweise Darlegung der Produktion meiner Trinkgläser.
Von den Holzformen bis zum Glasblasen
Die Ausführung
Da wir uns beide geeinigt haben, jeweils die Tulpenform und die gerade Form im Material Glas sehen zu wollen, werde ich jeweils ein mittleres und ein grosses Glas beider Varianten herstellen.
Um dies auszuführen, bin ich auf eine Zusammenarbeit angewiesen, da für die Glas-Herstellung unsere Hochschule nicht die geeignete Infrastruktur bietet, und meine Fähigkeiten in diesem Bereich limitiert sind.
Nach der ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Glas und dessen Produktion habe ich mich dazu entschieden, dies bei einem einheimischen Glasbläser (Open Glas Studio in Payerne) herzustellen zu lassen. Weitere technische Details, welche aus dieser Ausführung gewonnen wurden, werde ich hier aufgrund des Rahmens nicht weiter erläutern.
Meine Vorarbeit lag darin, dass ich die Formen in der Hochschule angefertigt habe. Um meine gewünschte
Formsprache in Glas realisieren zu können, habe ich als erstes ein Eichenholzbrett als Grundlage verwendet. Diese habe ich bearbeitet und auf der CNC die Negativformen eingefräst. Danach von Hand geschliffen und mithilfe von Dübeln miteinander verbunden, ausgerichtet und schliesslich die Scharniere montiert.
Um möglichst meiner Formsprache nahe zu kommen und nur ein leichter Radius, welcher auch gewünscht ist, zu erzielen, sind die Formen unten jeweils offen. Grund sind die Produktionsparameter der CNC und das Material Glas selbst.
Nachfolgend werden Impressionen des Herstellungsprozesses anhand von Bildern gezeigt.
Formen fräsen auf der CNC
Nachbearbeitung der Formen - Schleifen
Formen zusammenfügen und richten
Der fertige Innenteil der Tulpenform Mittel
Die montierten Scharniere
Beim Glasbläser - Ankohlen der Formen
Werkzeuge
Glas mit der Pfeiffe aus dem Ofen nehmen
Rauchentwicklung durch Hitze
Frisch aus der Form
Abbrechen des Glases von der Pfeiffe
In den Abkühlofen über Nacht stellen
Die Holzform nach dem Brennen der Gläser
Eingeritzes Glas absprengen
Markierungen für das Schleifen
Gläser in den gewünschten Winkel geschliffen
Markierungen zum Boden ebnen
Geschliffene Böden
Aussenkanten brechen und polieren
Innenkanten brechen und polieren
Fehlversuch - auf falsche Höhe geschliffen
Fehlversuch - beim Schleifen zerbrochen
Formen und Gläser nach dem Blasen
Einschenken - Studiofoto Tulpenform Mittel
Die Gläser
Die Gläser
Die Gläser
Die ersten Trinkversuche aus den Gläsern und diverse Impressionen auf dem Tisch.
Die Gedanken zu den Trinkgläsern
Die Rückmeldung
Aus der Produktion entstanden 12 Gläser. Es sind jeweils 2 durchsichtige und ein farbiges Glas einer Variante vorhanden. Das farbige ist in einem dunklen Violett gehalten, was eine gewisse Eleganz vermitteln soll und möglichst nicht mit einem Ikea Trinkbecher in knallgelb verwechselt werden soll.
Bei der Produktion habe ich Wert daraufgelegt, dass die Gläser verschiedene Wanddicken und Bodendicken verfügen, um dies bei den Rückmeldungen mit meinem Vater zu besprechen. Die texturierte Oberfläche untermauert die handwerkliche Arbeit und stört weder optisch noch haptisch.
Aus den Rückmeldungen heraus kann gesagt werden, dass die produzierten Gläser sehr gefallen. Meine Eltern haben äusserst Freude. Die Gläser erzielen die gewünschte Wirkung und haben sowohl praktisch als auch produktsprachlich in Form einer positiven Assoziation ihr Ziel erfüllt.
Dennoch ist anzumerken, dass aus den verschiedenen Varianten der Gläser und dem handwerklichen Produzieren eine Varianz in ihnen entsteht. Einige sind bewusst zu schwer, haben eine zu dicke Wandstärke etc. Andere sind wiederum zu dünn.
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Standfestigkeit mit einem mitteldicken Boden sehr gut ist. Wichtig ist, dass beim weiteren Produzieren darauf geachtet wird, die richtige Menge Glas zu verwenden und die Formen richtig auszublasen, damit das Glas die optimale Geometrie der Form annimmt.
Variante Gerade Mittel auf dem Tisch
Gerade Form Mittel
Glas in der Hand
Detailfoto - Lippenschluss
Platz für die Nase
Platz für die Nase
Reflexion und Ausblick
Diese Bachelorarbeit hat mir persönlich viele neue Einblicke beschert. Ich konnte in meinen Augen etwas Sinnvolles tun und durfte mit meinem Vater zusammen für ihn ein Produkt entwerfen und entwickeln. Ich hoffe, dass die Arbeit auch ausserhalb der Hochschule Anklang findet, und ich damit anderen Leuten mit Schluckstörungen und/ oder Bewegungseinschränkungen im Nackenbereich helfen kann.
Mir ist es persönlich sehr wichtig, dass Menschen, egal mit welchen Herausforderungen sie im Leben zu kämpfen haben, auf Hilfsmittel zurückgreifen können. Dies mit einer gewissen Offenheit tun können und die Hilfsmittel akzeptieren. Sie sollen sich nicht schämen müssen, Hilfsmittel zu gebrauchen. Und sie sollen keine Angst verspüren, aufgrund einer gewissen Ästhetik von Hilfsmittel, stigmatisiert zu werden. Eine Verbesserung der Lebensqualität ist für Menschen mit gewissen Beeinträchtigungen von zentraler Bedeutung, vor allem dann, wenn sie chronisch krank sind.
Mein Projekt hat sich mit dem SDG 3 «Gesundheit und Wohlergehen» und dem SDG 10 «Weniger Ungleichheiten» auseinandergesetzt. Ein neuartiges Trinkglas, welches noch nicht auf dem Markt existiert, hilft den betroffenen Menschen auf praktischer Ebene und setzt sich gleichermassen dafür ein, optisch nicht als ein Hilfsmittel erkennbar zu sein. Damit fördert es die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen, was essenziell ist für die Akzeptanz von Hilfsmitteln und einer erhöhten Lebensqualität in ausweglosen Situationen des Lebens.
Das Projekt Trinkgläser ist für mich nach diesem Bachelor noch nicht zu Ende. Der Weg zu einer Produktion und eines Markteintritts ist noch weit weg. Nicht zuletzt, weil ich die Gläser innerhalb einer grösseren Personengruppe testen möchte. Weiter zu verfolgen ist ebenfalls das Weinglas und die Karaffe. Ich glaube, ein ganzes Set dieser Gläser könnten einem Haushalt, einem Restaurant, einer Pflegeeinrichtung, einem Altersheim zugutekommen.
Eine Dokumentation der Bachelorarbeit von
Raphael Zwygart studiozwygart.ch | info@studiozwygart.ch
Mentorat: Christof Sigerist
Aus dem Herzen mit Liebe Merci.