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Die Qualitäten der Baukultur Vorarlbergs

Mit Kategorien von Architekturpreisen ist das so eine Sache. Sie pressen Bauprojekte oft in ein allzu enges Korsett und weisen ihrer Betrachtung eine einseitige Perspektive zu. So wird die Qualität von Gebäuden auf Aspekte wie Funktion, Typologie oder Bauherrschaft reduziert, wichtige andere Parameter hingegen treten in den Hintergrund.

Dabei ist Architektur im richtigen Leben viel umfassender und vielfältiger, als ihre strikte Eingrenzung in Kategorien vermuten lässt. Wer ihre Qualitäten vergleichend beurteilen will, muss das Augenmerk auf all das richten, was lebendige Baukultur leisten kann – jenseits von Kategorisierungen und mit offenem Blick für Überraschungen und erfinderische Lösungen, die gute Projekte auszeichnen.

Die Jury des 8. Bauherrenpreises der HYPO Vorarlberg 2020 entschied sich deshalb für eine Beurteilung der eingereichten Projekte ohne Kategorisierungen – eine Aufgabe, die vergleichende Perspektiven fördert, differenzierte Blickwinkel zulässt und Qualitäten von Architektur in ihrer Vielfalt und Gesamtheit abwägt. Besonders bestechend war dabei die insgesamt hohe architektonische Qualität der eingereichten Kommunalbauten. Viele Vorarlberger Gemeinden haben sich in den letzten fünf Jahren mit Neubauten, Erweiterungen und Sanierungen für die Zukunft gerüstet und ihre Infrastruktur sowie die Lebensqualität für ihre Bewohner/innen nachhaltig verbessert. Es entstanden Gebäude und Orte der

Gemeinschaft und der Bildung, neue Bürger/innenzentren und -treffpunkte sowie Schulbauten und Kindergärten, die Schüler/innen und Kinder der jetzigen und der nächsten Generationen in lebendiger Atmosphäre willkommen heißen.

Den eingereichten Wohnanlagen gelingt die städtebauliche Verdichtung durch Ensemble-Strukturen, die differenzierte Ansätze favorisieren und neue urbane Raumsituationen schaffen. Um angesichts der zunehmenden Zersiedelung in Vorarlberg und des gleichzeitig drängenden Bedarfs nach Wohnraum ein klares Zeichen für die Zukunft zu setzen, müssen der Geschoßwohnungsbau und der geförderte Wohnbau weiterhin durch qualitätsvolle Projekte gestärkt werden. Unter den zahlreichen Ein- und Mehrfamilienhäusern, die sehr sorgfältig auf die Bedürfnisse der Bauherr/innen zugeschnitten sind, stechen vor allem diejenigen hervor, die unter schwierigen Planungsvoraussetzungen entstanden sind und trotzdem eine hohe Umsetzungsqualität aufweisen. Darunter fallen Sanierungen, die besonnen mit dem Bestand umgehen und ihn ergänzen, stringente Umnutzungskonzepte, die dem Strukturwandel im ländlichen Raum die Stirn bieten, und nicht zuletzt Neubauten auf schwierigen Restgrundstücken, die den urbanen Raum an seinen Außenrändern verdichten. Die Mischung von Nutzungen wie Wohnen und Arbeiten unter einem Dach ist ein weiterer Ansatz, der vielversprechende Möglichkeiten für die Zukunft bietet.

Herausragende Projekte wie das Apartmenthaus Tempel 74 in Mellau, das Oeconomiegebäude in Dornbirn oder das Ateliergebäude in der Klostergasse in Bregenz wurden mit großer architektonischer Sorgfalt umgesetzt. Sie fügen sich geschickt in den jeweiligen Kontext ein und schaffen ein lebenswertes Wohn- und Arbeitsumfeld, das so eine lebendige Verdichtung in angemessenem Maßstab erfährt.

Mit dem Fokus auf ein umfassendes Verständnis von Baukultur und ihre Qualitäten ist die Jury des 8. Bauherrenpreises der HYPO Vorarlberg zur Besichtigungsreise angetreten. Dabei ist sie insgesamt auf großes Verständnis für Architektur gestoßen – von Bauherr/innen- wie von Architekt/innenseite. Auf dieser guten Grundlage lässt sich auch für kommende Bauprojekte und Generationen weiter aufbauen.

SANDRA HOFMEISTER, ANNA POPELKA, KLAUDIA RUCK, MARKUS ZILKER

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