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Programm „Schwimmen für Alle” in Russland
from sb 3/2021 (deutsch)
by IAKS
Autor Elizabeth Fadeeva, Russian Association of Sports Facilities (RASF) Fotos prorus.ru
Auf dem Weg zu einer gesünderen Nation will Russland bis 2024 die Zahl der Schwimmsportler in allen Bevölkerungsschichten von 2,4 auf 3 Millionen steigern. Das Programm „Schwimmen für Alle“ erfordert eine Modernisierung der Schwimminfrastruktur. Die Russian Association of Sports Facilities, einer der Verfasser des Programms, hat den Zustand und die Leistungsfähigkeit der Schwimmbäder in diversen Regionen der Russischen Föderation analysiert und bewertet.
Der Markt für Schwimm- und Wellnessanlagen birgt hohes Entwicklungspotenzial. Im Jahr 2019 wurde im Rahmen des nationalen Projekts „Demografie“ das ressortübergreifende Programm „Schwimmen für Alle“ aufgelegt. Es richtet sich an verschiedene Alters- und Bevölkerungsgruppen und liefert Zahlen und Fakten, die für den Bau kommunaler Schwimmbäder für den Schwimmsport und den Schwimmunterricht für Kinder relevant sind. Mithilfe der Entwicklung der Schwimminfrastruktur will die Russische Föderation nicht nur die Lebenserwartung auf 78 Jahre erhöhen, sondern auch den Anteil der Bürger, die regelmäßig körperlich aktiv sind und Sport treiben, auf 55 % steigern.
Das ressortübergreifende Programm „Schwimmen für Alle“ orientiert sich am vom Internationalen Schwimmverband FINA aufgelegten globalen Programm „Swimming for All – Swimming for Life“. Ziel des russischen Programms „Schwimmen für Alle“ ist es, bis 2024 die Zahl der Schwimmsportler in allen Bevölkerungsschichten von 2,4 auf 3 Millionen zu steigern. Doch damit Training und Schwimmen möglich sind, ist eine geeignete Infrastruktur erforderlich, die unter Berücksichtigung des Bedarfs unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen entwickelt werden muss.
Erarbeitung nationaler Normen In einem ersten Schritt ist der Neubau von Schwimmbädern in Städten mit 30.000 bis 500.000 Einwohnern geplant. Landesweit gibt es 506 solcher städtischen Großräume mit insgesamt 49 Millionen Einwohnern. Bestehende Schwimmbäder werden saniert und modernisiert, um aktuellen Anforderungen gerecht zu werden und eine multifunktionale Nutzung zu gewährleisten.
Das Programm wird nicht nur aus nationalen, regionalen und kommunalen Mitteln finanziert, sondern auch über eine Zusammenarbeit mit privaten Investoren.
Innerhalb des Technischen Komitees für Normung wurde ein Unterausschuss namens „Swimstandart“ gegründet, um sicherzustellen, dass die neuen Becken modernsten Anforderungen entsprechen. Der Ausschuss erarbeitet nationale Normen für den Bau und Betrieb von Schwimmzentren. So wird derzeit beispielsweise eine Norm für Edelstahlbecken entwickelt, die auf der Erfahrung aus Ländern wie Deutschland und Österreich basiert.
Fakten und Zahlen Die Russian Association of Sports Facilities, einer der Verfasser des ressortübergreifenden Programms „Schwimmen für Alle“, hat den Zustand und die Leistungsfähigkeit der Schwimmbäder in diversen Regionen der Russischen Föderation analysiert und bewertet. Derzeit gibt es landesweit 5.855 Schwimmbäder für Schwimmkurse, Bewegungs- und Gesundheitsangebote sowie Training. 1.400 dieser Schwimmbäder befinden sich im Eigentum von Bildungseinrichtungen. Von den vorhandenen Schwimmbädern haben nur 3 % ein 50-m-Becken und 51 % ein 25-m-Becken. Bei 2.454 Becken und damit 92 % des Bestands handelt es sich um Betonbecken, 6 % sind Edelstahlbecken. Nur 111 Schwimmbecken sind mit Anschlagwänden ausgestattet,
weitere 65 Becken haben eine bewegliche Trennwand, zwölf Becken einen Hubboden, und 450 Becken sind für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ausgerüstet.
Der Anteil der nach 2000 in Betrieb genommenen Schwimmbäder liegt bei rund 69 % (3.893), 31 % wurden vor 2000 eröffnet (1.761). Bei der letzteren Gruppe besteht in den meisten Fällen erheblicher Sanierungsbedarf. Die meisten Schwimmbäder befinden sich in großen Städten und Regionalzentren, so dass die Frage nach der Verfügbarkeit von körperlicher Aktivität und Sport für die gesamte Bevölkerung mit der erforderlichen Infrastruktur immer relevanter wird.
• Der Schwimmbadbestand ist im Verhältnis zu Fläche und Demografie ungleich verteilt (in den Republiken
Chakassien, Altai und Dagestan kommen beispielsweise auf ein Schwimmbad mehr als 100.000 Menschen zwischen 3 bis 79 Jahren). • Datenbasis für Moskau: » 39 % der Schwimmbäder sind in kommunaler Hand » 329 Schwimmbäder mit insgesamt 388 Becken » Nur 15 % haben ein 50-m-Becken und 33 % ein 25-m-Becken. » 48 % der Schwimmbäder wurden nach 2006 in Betrieb genommen. • In St. Petersburg wurden 75 % der Schwimmbäder nach 2006 eröffnet. • In den Regionen ist die Zahl der vor 1991 und nach 2006 in Betrieb genommenen Schwimmbäder identisch (Beispiele aus den Verwaltungsbezirken Jaroslawl und Tscheljabinsk). • Die meisten verfügen über ein 25-m-Betonbecken.
Beispiel aus Luschniki Im Juli 2019 wurde in Luschniki ein neues Schwimmsportzentrum gebaut. Es handelt sich um einen vielseitigen, multifunktionalen und ganzjährig nutzbaren Komplex, der für Profi- und Freizeitsportler konzipiert wurde. Das sechsstöckige Gebäude ist mit einer Gesamtfläche von 58.000 m² dreimal so groß wie das bisherige Schwimmzentrum und für bis zu 10.000 Besucher pro Tag ausgelegt.
Im Erdgeschoss befindet sich ein Wellensimulator. Der Aquapark in der zweiten Etage bietet neun in Russland einzigartige Wasserattraktionen mit einer Gesamtlänge von mehr als 1.200 m, Spaßbecken, eine Kinderwasserstadt sowie ein 50-m-Sportbecken mit zehn Bahnen, das olympischen Standards entspricht. Im dritten Stock finden sich zwei 25-m-Becken und ein Thermalbad mit einer alpinen und mediterranen Badelandschaft.
Das Schwimmzentrum beherbergt das erste Schwimmbecken Russlands mit hydraulischem Hubboden. Die Beckentiefe kann zwischen 10 cm (für Kleinkinder) und 1,25 m (für Menschen mit eingeschränkter Mobilität) variiert werden. Der Komplex verfügt zudem über ein Fitnessstudio, eine Boxakademie, ein Spa mit künstlichem Strand, eine Salzgrotte und einen Spiel- und Kreativitätsbereich. Das Schwimmzentrum ist mit einem hochmodernen Wasseraufbereitungssystem ausgestattet. Die Hälfte des Gebäudes verfügt über ein Dach aus Polycarbonat, das sich elektrisch öffnen lässt.
Dreistöckiges Schwimmzentrum in Almetjewsk Der multifunktionale Sportkomplex Miras in der Republik Tatarstan wurde Ende 2018 eröffnet. Der Bau des dreistöckigen Sportzentrums auf einer Fläche von über 12.000 m² dauerte kaum ein Jahr. Das 50-m-Schwimmbecken mit zehn Bahnen für freies Schwimmen, Synchronschwimmen, Wasserball, Turmspringen und Freitauchen wurde nach internationalen Normen erbaut und ist als Austragungsort für Wettkämpfe auf höchstem Niveau geeignet. Das solide Becken wurde von einem österreichischen Hersteller bezogen. Es ist aus hochwertigem Edelstahl gefertigt und entspricht internationalen Hygienevorgaben und epidemiologischen Normen. Das Überlaufbecken arbeitet mit vertikaler Wasserzirkulation anstelle von Chlorung, die Wasseraufbereitung erfolgt mittels Ozonung. Das Sport- und Freizeitzentrum Miras umfasst Schwimmbecken für Kinder und Erwachsene, ein Fitnessstudio, eine Mehrzwecksporthalle, einen Gruppenraum, einen Tischtennisraum und einen Kinderraum. Das Sportbecken erfüllt olympische Standards, von der Größe bis zur elektronischen Zeitmessung.
Fazit Der russische Markt für Schwimm- und Wellnessanlagen entwickelt sich inzwischen dynamisch und nähert sich internationalen Standards an. Die Entwicklung von Schwimminfrastruktur wurde als vorrangiges Ziel definiert. Russland kooperiert aktiv mit internationalen Unternehmen im Bereich der Wasseraufbereitung und Schwimmbadausrüstung. Russland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2024 die Zahl der Schwimmsportler in allen Bevölkerungsschichten von 2,4 auf 3 Millionen zu erhöhen.