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121. Jahrgang, Nr. 236 • Freitag, 10. 10. 2014 • 1,40 Euro
ebola-Patient wird jetzt in leiPzig behandelt
Der Ernstfall ist da: Mediziner im Klinikum St. Georg kämpfen unter höchsten Sicherheitsstandards um das Leben eines sudanesischen UN-Mitarbeiters
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leitartikel Von JAn EMEnDÖRFER
Gott sei Dank kam es anders
A
usgerechnet zu Beginn dieser Woche, die nun gestern in Leipzig im großen Festakt zum 9. Oktober kulminierte, outete der „Spiegel“ Interviewpassagen von Helmut Kohl (84), die geeignet sind, am Mythos der Heldenstadt zu kratzen. Der Sozialismus sei Ende der 80er-Jahre wirtschaftlich „am Arsch des Propheten“ gewesen, wird Kohl zitiert und: „Es ist ganz falsch, so zu tun, als wäre da plötzlich der heilige Geist über die Plätze in Leipzig gekommen und hat die Welt verändert.“ Nun, ob mit oder ohne heiligem Geist – in einem Gotteshaus, in Leipzigs Sankt Nikolai, nahm die Bewegung jedenfalls ihren Anfang, drängte von dort auf die Straße und wurde letztlich am 9. Oktober ’89 von 70 000 Menschen getragen.
Emotionaler Höhepunkt am Abend: Kerzen der Freiheit bilden eine riesige 89 auf dem Augustusplatz. Foto: Volkmar Heinz
SachSen
eva-Maria Stange: ich muss nichts mehr werden
DReSDen. Die frühere SPD-Ministerin Eva-Maria Stange befeuert die sächsischen Kabinettsspekulationen. „Mir braucht man nichts mehr anbieten. Ich muss nichts mehr werden“, sagte sie der LVZ. © Seite 5
kultur
Franzose patrick Modiano erhält literaturnobelpreis
StockholM. Der diesjährige Nobelpreis für Literatur geht an den französischen Schriftsteller Patrick Modiano. Das Nobelpreis-Komitee würdigt die „Erinnerungskunst“ in den © Seite 11 Werken des 69-Jährigen.
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Gauck in Leipzig: Die Sehnsucht nach Freiheit war größer als die Furcht Großer Festakt zum Gedenken an den 9. Oktober 1989 / 200 000 Menschen beim Lichtfest leipzig. „Hier wurden vor 25 Jahren die Weichen gestellt für das Ende der SEDDiktatur.“ Joachim Gauck verneigte sich gestern mehrfach verbal vor Leipzig und stellte die Vorreiterrolle der Messestadt bei der Friedlichen Revolution in der DDR heraus. In seiner Festrede vor 1700 Gästen im Gewandhaus anlässlich der entscheidenden Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989 in Leipzig stellte Gauck fest: „Die Sehnsucht nach Freiheit war größer als die Furcht.“ Mit ihren friedlichen Protesten gegen das System gewannen die Demonstranten Selbstachtung und Würde zurück, sagte der Bundespräsident und hob hervor: Der damals in Leipzig kreierte Ruf „Wir sind das Volk!“ fasse auch heute das Grundprinzip der demokratischen Gesellschaft zusammen. Gauck rief zu mehr demokratischem Engagement und zum Kampf gegen Hass und Intoleranz auf. Er forderte erneut, Deutschland müsse Verantwortung auch im europäischen und globalen Rahmen übernehmen. „Wir dürfen niemals vergessen, dass unsere Demokratie nicht nur bedroht ist von Extremisten, Fanatikern und Ideologen, sondern dass sie ausgehöhlt werden und ausdörren kann, wenn die Bürger sie nicht mit Leben erfüllen.“ Als Lehre aus der Geschichte forderte Gauck mehr Einsatz für die demokratischen Werte. „Nur so finden Intoleranz, nationalistische Hybris, Hass und Gewalt keinen Nährboden.“ Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) stellte fest, dass die Zustimmung zur Demokratie heute nicht mehr so groß ist, wie sie es noch vor 25 Jahren war. Er vermisse das Engage-
ment der Menschen für Freiheit und Demokratie. Damals sei die Demokratie eine Verheißung gewesen, sagte Tillich bei dem Festakt. Heute sähen viele nur die Mühen der Ebene. „Der Geist der Gemeinschaft, die sich für ein gemeinsames Ziel einsetzt, scheint sich verflüchtigt zu haben. Viele, zu viele gehen nicht einmal zur Wahl. Leider auch hier in Sachsen, im Mutterland der Friedlichen Revolution“, sagte Tillich. Bei der Landtagswahl am 31. August waren nur 49 Prozent der Wahlberechtigten zur Stimmabgabe gegangen. Damit war die Wahlbeteiligung auf ein historisches Tief gerutscht. Tillich: „Als Demokrat und Ministerpräsident bin ich traurig darüber.“ Gauck würdigte das Engagement der vielen Bürger, das zum Sturz des DDR-Regimes geführt habe. Deshalb habe er auch die Präsidenten Ungarns, Polens, Tschechiens und der Slowakei
Wir werden bleiben und werden, was wir 1989 waren. Joachim gauck, Bundespräsident
heute „goldene-henne“ in leipzig – kohl kommt am 19. Dezember nach Dresden Die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution gehen weiter. Schon heute Abend (20.15 Uhr, MDR) erlebt Leipzig die Verleihung der „Goldenen Henne“. 3500 Gäste in der ausverkauften Messehalle werden die Vergabe der begehrten Publikumspreise verfolgen. „Die Preisvergabe in Leipzig ist eine Hommage an die Friedliche Revolution“, sagte Superillu-Chefredakteur Robert Schneider in einem LVZ-Interview.
Dresden erlebt am 19. Dezember einen weiteren Höhepunkt. Nach LVZ-Informationen kommt Alt-Kanzler Helmut Kohl (84, CDU) an die Elbe. Genau 25 Jahre nach seiner historischen Rede vor der Dresdner Frauenkirche, die als Meilenstein auf dem Weg zur deutschen Wiedervereinigung gilt, wird der Kanzler der Einheit an einem Forum der Adenauer-Stiftung im Albertinum teilnehmen. abö
Deutsche Exporte brechen ein Wirtschaftsforscher senken Wachstumsprognose auf 1,3 Prozent BeRlin. Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben die Bundesregierung aufgefordert, mit höheren Ausgaben die Wachstumskräfte zu stärken und günstige Rahmenbedingungen für Investitionstätigkeit zu setzen. Angesichts erwarteter öffentlicher Finanzierungsüberschüsse in Höhe von sieben Milliarden Euro in diesem und von drei Milliarden Euro im nächsten Jahr wäre eine Minderung der Abgabenbelastung durchaus möglich, schrieben die Einrichtungen, darunter auch das Institut für Wirtschaftsforschung Halle, in ihrem gestern in Berlin vorgelegten Herbstgutachten. Sie reagierten mit ihrem Vorschlag auf die sich abkühlende Konjunktur. Vor
Foto: dpa
heute in der lVz
allem der Export, wichtigste Stütze der Konjunktur, bricht regelrecht ein. Im August gingen die Ausfuhren zum Vormonat drastisch um 5,8 Prozent zurück. Erste Konsequenz: Die Institute senkten ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum 2014 von 1,9 auf 1,3 Prozent. Im nächsten Jahr erwarten sie eine Zunahme der Wirtschaftsleistung von 1,2 Prozent. Im Frühjahr waren sie noch von einem Plus von 2,0 Prozent ausgegangen. Verantwortlich für die schlechtere Lage seien in erster Linie die internationalen Krisenherde. Allerdings gebe es auch Gegenwind aus der Bundespolitik. Das Rentenpaket und die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns wirkten wachstumshemmend. mi
genau an diesem Tag nach Leipzig eingeladen. Sichtlich bewegt betonte Gauck: „Hier und heute sagen wir es noch einmal ganz deutlich: Kein 9. November ohne den 9. Oktober. Vor der Einheit kam die Freiheit.“ Unter den Gästen in Leipzig waren auch der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und sein früherer US-Kollege Henry Kissinger sowie zahlreiche frühere Bürgerrechtler. Ausdrücklich dankte Gauck dem damaligen sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, der die Freiheitsbewegungen in Osteuropa nicht mit Truppen unterdrückt habe. Am 9. Oktober 1989 waren in Leipzig mehr als 70 000 Menschen auf die Straße gegangen, um Freiheit und Demokratie zu fordern. Unter dem Ruf „Wir sind das Volk!“ zogen sie durch die Stadt. Die Staatsmacht beugte sich den friedlichen Demonstranten. Der Einsatzbefehl wurde zurückgezogen. Sechs Persönlichkeiten, darunter Star-Dirigent Kurt Masur, hatten sich an diesem Tag vor 25 Jahren mit einem eindringlichen Appell gegen Gewalt an die Öffentlichkeit gewandt. Nur einen Monat später, am 9. November, fiel die Berliner Mauer. Teil der alljährlichen Feiern am 9. Oktober in Leipzig ist das Friedensgebet in der Nikolaikirche. Von hier waren die ersten Montagsdemos ausgegangen. Gestern sprach hier der frühere US-Außenminister James Baker. Zum Lichtfest in der Leipziger Innenstadt kamen am Abend 200 000 Menschen. Auf dem Augustusplatz bildeten sie mit Tausenden Kerzen eine © Seiten 2, 3, 15 bis 17 riesige 89.
Ganz klar: Die DDR und mit ihr der gesamte Ostblock war damals tatsächlich wirtschaftlich am Ende. Doch die ökonomische Implosion, die Mangelgesellschaft und selbst Hungersnöte reichen nicht unbedingt aus, ein totalitäres System zum Einsturz zu bringen. Das zeigt das Beispiel Nordkorea. Der Leipziger Künstler Michael Fischer-Art hat vor ein paar Tagen in dieser Zeitung aus eigenem Erleben geschildert, wie es dort aussieht: Tristesse, Beton und Polizei. Die Unfähigkeit der zentralistischen DDR-Planwirtschaft, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, hat zweifellos dazu beigetragen, dass es zu allgemeiner Frustration, Wut und letztlich auch Widerstand kam. Aber diesen am Kneipentisch, bei Familienfeiern, im Fußballstadion, bei Rockkonzerten diffus geäußerten Frust irgendwie zu bündeln, zusammenzufassen und letztlich klar zu artikulieren, dazu bedurfte es nicht des heiligen Geistes, wohl aber mutiger Menschen, wie etwa Rolf Henrich (74) aus Eisenhüttenstadt, der im April 1989 das Buch „Der vormundschaftliche Staat“ im Westen veröffentlichte, das dann als Handabzug im Osten kursierte und wichtiger Impulsgeber für die sich formierende Bürgerbewegung war. Die 70 000 von Leipzig am 9. Oktober ’89 mussten den Mut aufbringen, auf die Straße zu gehen und zu sagen: Wir sind das Volk! Der „große Lümmel“ (Heine), der sich nicht mehr einlullen lassen wollte, und dann in Leipzig einen Proteststurm lostrat, ohne den die Mauer am 9. November nicht gefallen wäre. Und so hat Leipzig gestern völlig zu Recht mit einem großen Fest seine Vorreiterrolle bei der Überwindung der alten Ordnung vor 25 Jahren gefeiert. Mit Joachim Gauck sprach ein Mann, der mit hiesigen Verhältnissen aus eigenem Erleben vertraut war und der deshalb bei der Aufzählung der vielen Akteure von einst einen Namen nannte, der in den zurückliegenden Tagen des Erinnerns nicht gefallen war: Michail Gorbatschow (83)! „Moskau schickte keine Truppen mehr, Gorbatschow sei Dank!“, sagte Gauck und das war sehr wichtig. Wenn die Russen nicht stillgehalten hätten, wäre aus der friedlichen Erhebung eine blutige Niederschlagung geworden. Gott sei Dank kam es anders!
➦ j.emendoerfer@lvz.de
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