D HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE Liebevoller Kosmos D JE SUIS KARL Junge, schöne Nazis D DIE BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL Buck verfilmt Mann D A-HA – THE MOVIE Selten ehrlich D TOUBAB Potenzial zum Kultfilm D WALTER KAUFMANN – WELCH EIN LEBEn! Ein Jahrhundert Zeitzeugenschaft D GARAGENVOLK So lang man Pläne hat D NOTES OF BERLIN Zettelbotschaften D SCHACHNOVELLE Psychogramm eines Unbeugsamen D DIE AUSSERGEWÖHNLICHE REISE DER CELESTE GARCIA Witwe im All D RÄUBERHÄNDE Jungsroutine D BAGHDAD IN MY SHADOW Exilant*innen D HELDEN DER WAHRSCHEINLICHKEIT Das Schicksal ausrechnen
Magazin FÜR unabhängigeS KINO
D 13 D SEPTEMBER 2021
indiekinoMAG
JE SUIS KARL – START AM 16.9.2021
MADS
MIKKELSEN
NIKOLAJ
ANDREA HEICK
LIE KAAS
GADEBERG
LARS
NICOLAS
BRYGMANN
BRO
HELDEN DER WAHRSCHEINLICHKEIT RIDERS OF JUSTICE
Kriegsveteran
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arbeits lose r Mathematik er
Hacker und Hornbläse r
DER NR.1-KINOH IT AUS DÄNEMARK VON ANDERS THO M
AS JENSEN („ADAMS ÄPFEL“)
★★★★★ „Voller verdrehter Logik und köstlichem schwarzen Humor!“
VARIETY
„Ein Meisterwerk!“ SOUNDVENUE ZENTROPA ENTERTAINMENTS3 PRESENTS “RIDERS OF JUSTICE” A FILM BY ANDERS THOMAS JENSEN STARRING MADS MIKKELSEN, NIKOLAJ LIE KAAS, ANDREA HEICK GADEBERG, LARS BRYGMANN, NICOLAS BRO, GUSTAV LINDH AND ROLAND MØLLER SCREENPLAY DIRECTOR ANDERS THOMAS JENSEN PRODUCERS SISSE GRAUM JØRGENSEN SIDSEL HYBSCHMANN DIRECTOR OF PHOTOGRAPHY KASPER TUXEN DFF EDITORS NICOLAJ MONBERG ANDERS ALBJERG KRISTIANSEN PRODUCTION DESIGNER NIKOLAJ DANIELSEN COMPOSER JEPPE KAAS SOUND DESIGNER EDDIE SIMONSEN KEY MAKE-UP DESIGNER LOUISE HAUBERG LOHMANN COSTUME DESIGNER VIBE KNOBLAUCH HEDEDAM LINE PRODUCER KAREN BENTZON PRODUCED BY ZENTROPA ENTERTAINMENTS3 IN CO-PRODUCTION WITH FILM I VÄST ZENTROPA SWEDEN WITH SUPPORT FROM DANISH FILM INSTITUTE, FILMFYN, NORDISK FILM TV FOND, THE SWEDISH FILM INSTITUTE IN CO-OPERATION WITH NORDISK FILM DISTRIBUTION A/S, YOUSEE, TV 2 DANMARK, SVT, YLE MEDIA PROGRAMME OF THE EUROPEAN UNION INTERNATIONAL SALES BY TRUSTNORDISK &
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© 2020 ZENTROPA ENTERTAINMENTS3 APS & ZENTROPA SWEDEN AB.
AB 23.09.2021 IM KINO
&
Editorial Der September bringt, rechtzeitig zur Bundestagswahl, hochpolitische Filme ins Kino. Regisseurin Maria Speth möchte ihren beobachtenden Dokumentarfilm HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE, der auf der diesjährigen Berlinale den Silbernen Bären und den Publikumspreis gewonnen hat, zwar nicht politisch verstanden wissen. Es ging ihr darum, den sehr speziellen liebevollen Mikrokosmos, den der Lehrer Herr Bachmann mit und um seine Schüler*innen herum aufbaut, einzufangen. Aber dabei porträtiert der Film natürlich auch ein Schulsystem, in dem es Ausnahmepersönlichkeiten wie Herrn Bachmann braucht, um zu verhindern, dass Kinder schon früh aufgrund ihrer Umstände oder Herkunft aussortiert werden und damit ein für alle Mal den Anschluss verpassen. JE SUIS KARL von Christian Schwochow sieht sich so, wie sich Young Adult Fiction liest – der Film ist schnell und geschmeidig inszeniert, hat keine Angst vor großen Bildern und erzählt eine heftige Geschichte um eine junge Frau, die ihre Familie bei einem Anschlag verliert und dann ohne ihr Wissen von der Bewegung rekrutiert wird, die dahintersteckt. Zugleich ist es ein Film, der sehr genau die neue, intellektuelle Rechte einfängt, die schon lange nicht mehr an ihren Klamotten zu erkennen ist und sich linker Rhetorik von Freiheit und Zusammenhalt bedient. Mit CURVEBALL hat Johannes Naber den realen Spionagefall um einen unseriösen Informanten des BND, der für die Behauptung, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen, verantwortlich war, als brachiale und sehr komische Groteske verfilmt. Als Colin Powell die angeblichen „Beweise“ dem UN-Sicherheitsrat präsentierte, wussten Außenminister Fischer und Kanzleramtschef Steinmeier bereits, dass diese gefälscht waren, schwiegen aber. Viel Spaß beim Lesen und viel Spaß im Kino Eure Indiekino Redaktion Die Oktober-Ausgabe des INDIEKINO Magazins erscheint am 5.10.
INDIEinhalt
06 Magazin
39 Kinderfilme
10 „DIE KINDER HABEn UNS VERTRAUT UND UNS INTEGRIERT IN IHREN SCHULALLTAG“ INTERVIEW MIT MARIA SPETH ZU HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE
42 „ICH HOFFE, DASS HERR STEINMEIER SICH CURVEBALL IM KINO ANSCHAUT“ INTERVIEW MIT REGISSEUR JOHANNES NABER ZU CURVEBALL
14 JUNGE, SCHÖNE NAZIS JE SUIS KARL 24 MAN MUSS PLÄNE HABEN GARAGENVOLK
44 KinoS, Impressum, Abo 46 Nachbild
Neu im September 37 28 23 31 34 35 36 38 32 30 32
1986 A–ha – The Movie Atomkraft Forever Die außergewöhnliche Reise der Celeste Garcia Aware – Reise in das Bewusstsein Baghdad in my Shadow Beckenrand Sheriff Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull Candyman Curveball Dogs Don’t Wear Pants
37 22 18 26 24 17 10 26 14 22
Ein bisschen bleiben wir noch Fantastische Pilze Freakscene – The Story of Dinosaur Jr. Freistaat Mittelpunkt Garagenvolk Helden der Wahrscheinlichkeit Herr Bachmann und seine Klasse Hinter den Schlagzeilen Je suis Karl Lionhearted
23 39 22 23 18 36 28 21 20 16 38 33
Lost in Face Madison Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war Mein Name ist Klitoris Mitgefühl Ein nasser Hund Notes of Berlin The Painted Bird Paolo Conte – Via con me Plötzlich aufs Land Le Prince Räuberhände
36 29 34 23 19 16 22 26 27 20
Der Rosengarten von Madame Vernet Schachnovelle The Sunlit Night A Symphony of Noise Toubab Trans – I Got life Träum weiter! Sehnsucht nach Veränderung Über Deutschland Walter Kaufmann – Welch ein Leben! Waren einmal Revoluzzer
17 22 18 29 34 19 16
Helden der Wahrscheinlichkeit Lionhearted Mitgefühl Schachnovelle The Sunlit Night Toubab Trans – I Got life
Starts der Woche 26.8.
9.9.
16.9.
32 Candyman
37 36 30 22 18 26 36 28 21 36 20
23 24 10 26 14 39 23 20 16
2.9. 34 38 37 22 33 23 26
Aware – Reise in das Bewusstsein Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull Ein bisschen bleiben wir noch Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war Räuberhände A Symphony of Noise Über Deutschland
1986 Beckenrand Sheriff Curveball Fantastische Pilze Freakscene – The Story of Dinosaur Jr. Freistaat Mittelpunkt Ein nasser Hund Notes of Berlin The Painted Bird Der Rosengarten von Madame Vernet Waren einmal Revoluzzer
14.9. 28 A–ha – The Movie
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Atomkraft Forever Garagenvolk Herr Bachmann und seine Klasse Hinter den Schlagzeilen Je suis Karl Madison Mein Name ist Klitoris Paolo Conte – Via con me Plötzlich aufs Land
23.9. 31 Die außergewöhnliche Reise der Celeste Garcia 32 Dogs Don’t Wear Pants
30.9. 35 Baghdad in my Shadow 23 Lost in Face 38 Le Prince 22 Träum weiter! Sehnsucht nach Veränderung 27 Walter Kaufmann – Welch ein Leben!
INDIEMagazin
TRASHBUS #8 – TEXTE & SOUNDS
ARCHITEKTUR IM FILM: BUBIKÖPFE. FRAUEN AM BAUHAUS Seit Juli 2021 ist einmal im Monat die
Die Autorin und Performerin Renata Britvec macht am 1.10. um 20 Uhr wieder mit dem „Trashbus“ in der Sputnik Kinobar Station. In ihren Texten meditiert Britvec diesmal über Rasiermesser und Rituale, Schmeißfliegen im Hausflur, den Phantomschmerz des Heimwehs und über die Frage, warum Kaffee auch keine Lösung ist. Der Klangkünstler Lutz Gallmeister begleitet den Abend mit atmosphärisch dichten Kompositionen. www.trashbus.org
Architektenkammer Berlin im Klick Kino mit einem Filmprogramm zu Gast. Olaf Bartes zeigt am 21.9. um 20 Uhr Ausschnitte aus den Filmen bauhaus – modell und mythos (D 1998/2009) und Lotte am Bauhaus (D 2018). Zu Gast sind die Vizepräsidentin der Architektenkammer Hille Bekic, die Kunst- und Architekturhistorikerin Dr. Ute Maasberg und Niels Bolbrinker, Regisseur von bauhaus – modell und mythos. Es wird um neues Sehen, neue Kunst und Neues Bauen gehen, aber auch um das gesellschaftliche Rollenverständnis am Bauhaus.
FILMRAUSCH UNTERSTÜTZEN
FAIRE MODE: FILM & GESPRÄCH Am 19.9.
DAS Z-INEMA IST ZURÜCK Nach Pandemie und
1000 Mal diskutiert… Jetzt ist es passiert, die Kulturfabrik Moabit und damit auch das alteingesessene Moabiter Kiezkino, der Filmrauschpalast, werden saniert, unter anderem soll eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingebaut werden, es braucht ein neues Podest und eine neue Verdunkelung. Die Kosten kann das seit 30 Jahren ehrenamtlich von Filmenthusiastinnen und Kinoliebhabern betriebene Kino mit einem Faible für 35 mm – im September gibt es unter anderem VIER HOCHZEITEN UND EIN TODESFALL auf 35 mm zu sehen – nicht alleine stemmen. Wer den Filmrauschpalast unterstützen möchte, findet hier mehr Infos: www.filmrausch.de/spenden
um 11 Uhr laden die Studierendeninitiative einleuchtend e.V., xfairfashion und FEMNET e.V. zu einer Vorführung von MADE IN BANGLADESH (Bangladesch 2019, R: Rubaiyat Hossain) mit Filmgespräch ins Kino Union ein. Der Spielfilm erzählt von der jungen Textilarbeiterin Shimu, die nach einem Feuer in der Fabrik beginnt, sich politisch zu engagieren. Im Anschluss informieren der Weltladen Zwickmühle und die Fairtrade Town Kampagne über den Fairen Handel in Treptow-Köpenick und eine Aktion des Weltladens zur Fairen Woche zu Fairen Textilien.
Sommerpause nimmt das untergroundigste der Indiekinos, das Z-inema, den Spielbetrieb wieder auf. Jeden Dienstag um 21 Uhr gibt es Animation, Genre-Filme, Wiederausgrabungen, Kurzes oder Drama im Kinoraum neben der Bar. Oft kommen Gäste. Auf dem September-Programm stehen die Animation RUBEN BRAND von Milorad Krstic, die Psychoanalyse und Kunst zusammenbringt, das handgefertige deutsche Space-Drama DAS LETZTE LAND, der dicht inszenierte belgische Survival-Thriller HUNTED – WALDSTERBEN, und die vielfach preisgekrönte Romanverfilmung THE PAINTED BIRD (Besprechung auf Seite 21). www.z-bar.de
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THOMAS BRASCH: AUS MEINEN AUGENFENSTERN Im Rahmen des Literatur festivals widmet das fsk-Kino am 12.9. dem vor 20 Jahren verstorbenen Autor und Regisseur Thomas Brasch einen ganzen Tag. Um 18.30 Uhr versammelt Christoph Rüters Dokumentarfilm BRASCH, DAS WÜNSCHEN UND DAS FÜRCHTEN (2011) Interviews, Selbstgespräche und Archivaufnahmen von und über Brasch, gefolgt von einem Gespräch mit dem Regisseur und Brasch-Kennern. Davor laufen drei von Brasch inszenierte Filme: die Biografie des Friedrichshainer Jung-Ganoven Werner Gladow, ENGEL AUS EISEN (1981, 12 Uhr), der Absturz einer Schauspielerin DOMINO (1982, 14.30 Uhr) und DER PASSAGIER (1988, 16.30 Uhr), eine Abhandlung über Schuld und Erinnerung mit Tony Curtis in der Hauptrolle.
WEBSERIE: GROSSBREITENBACH 100% Die Familie von Filmemacher Gerd Conradt stammt teilweise aus dem thüringischen Großbreitenbach, weswegen er sich kurz nach der Wende dahin aufmachte, um zu dokumentieren, wie die Bewohner*innen den Staatswechsel erlebt haben. Daraus entstand der Film BLAUBEERWALD (1990). In der zwöfteiligen Webserie GROSSBREITENBACH 100% kombinierte und kontrastierte Conradt diese Aufnahmen mit neuen aus dem Jahr 2017, als sich das Land und die Kleinstadt auf die damalige Bundestagswahl vorbereiteten. „Lohnt es sich überhaupt zu wählen?“, war eine der zentralen Fragen dieser Serie. Aus Anlass der wieder anstehenden Wahlen zeigt das Bundesplatz-Kino am 5.9. um 11 Uhr die Serie komplett als Matinee, gefolgt von einem Gespräch mit dem Regisseur and der Produzentin Eva-Luise Volkmann.
INDIEMagazin
QUEERFILMFESTIVAL In 11 Städten zeigt das Queerfilmfestival vom 1.-5.9. queere Filme: Berlin, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Köln, Leipzig, Magdeburg, München, Nürnberg, Stuttgart und Wien. Insgesamt 15 Filme, die meisten deutsche Erstaufführungen, sind im Programm – mit dabei sind auch Highlights aus Cannes und von der Berlinale. Das Motto der der dritten Ausgabe des Festivals, „Jede*r hat das Recht auf Liebe“, stammt aus dem Kurzfilm WE WILL BECOME BETTER (2021) des lettischen Regisseurs Andzej Gavriss, der sich mit der homophoben Gesetzgebung in Russland auseinandersetzt. Auch der Eröffnungsfilm FIREBIRD (2021) von Peeter Rebane, der schwule Liebe zu Zeiten der Sowjetunion zum Thema hat, ist angesichts der heutigen Lage beklemmend aktuell. Im Programm sind ebenso lesbische Liebesgeschichten, etwa in ELLIE & ABBIE (AU 2020, R: Monica Zanett), und Filme, die sich mit gendernonkonformem Leben und queerer Geschichte auseinandersetzen – etwa GENDERATION (2021), der neue Film der Regielegende Monica Treut, für den sie sich erneut mit den transidenten Menschen traf, die sie in ihrem Klassiker des Queer Cinema, GENDERNAUTS, 1999 porträtierte. Zaida Bergroths TOVE (2020) erzählt von der Autorin und Illustratorin Tove Jansson (1914-2001), Schöpferin der Mumins, die offen lesbische Beziehungen führte und Zeit ihres Lebens mit konventionellen Geschlechtervorstellungen brach. www.queerfilmfestival.net
KINOTOUR: ATOMKRAFT FOREVER Das letzte deutsche Atomkraftwerk geht
GRINDHOUSE KINO – SCHUND, TRASH, EXPLOITATION Seit 2007 zeigt
2022 vom Netz, aber der Rückbau von AKWs dauert Jahrzehnte. In seinem Dokumentarfilm ATOMKRAFT FOREVER (Kurzbesprechung auf Seite 23) begleitet Carsten Rau den Rückbau des Kernkraftwerks Greifswald und trifft Gegner*innen und Befürworter*innen der Kernenergie. Zum Start unternimmt Rau eine ausgedehnte Kinotour, um den Film persönlich vorzustellen und mit Fachleuten und dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Termine werden fortlaufend ergänzt unter: www.camino-film.com/filme/atomkraftforever/
die „Grindhouse Double Feature“-Filmreihe im Cinema Quadrat die krassesten und derbsten, die schäbigsten und schlimmsten, die bemerkenswertesten und herausragensten Filme aus der Zeit des Bahnhofkinos. Unser Autor Harald Mühlbeyer ist treuer Besucher von Anfang an und hat jetzt ein Buch geschrieben, das an der Erfahrung teilhaben lässt. „Grindhouse Kino – Schund, Trash, Exploitation deluxe!“ versammelt Gedanken zu und Eindrücke von fliegenden Fäusten, rasenden Autos, grausamen Monstern, noch grausamerem Schauspiel und natürlich einer Handvoll Sex & Crime, gesammelt in auf 250 Seiten (FSK: 18 Euro). Nur für stickige Luft und klebrige Sitze muss da noch selbst gesorgt werden. www.muehlbeyer-verlag.de
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JENTSCH SCHWARZ
TUISK
TRONINA
MOHAB
Im September präsentiert der Indiekino Club Filme von Regisseurinnen. Besonders freuen wir uns auf Chloé Zhaos berührenden und bezaubernden THE RIDER, der ähnlich wie NOMADLAND mit Laien gedreht wurde, die eine fiktive Version ihrer eigenen Geschichte spielen. Der Film erzählt von Lakota-Cowboy Brady, der nach einer Kopfverletzung, die er sich beim Rodeo zugezogen hat, eigentlich nicht mehr reiten darf. Ein anderes Leben ist für ihn aber nicht vorstellbar. Ebenfalls auf dem Programm stehen WUTHERING HEIGHTS von Andrea Arnold, SCHAU MICH NICHT SO AN von Uisenma Borchus und DAS MÄDCHEN, DAS LESEN KONNTE von Marine Francen. In Kooperation mit dem Festival of Animation Berlin (1.–3.10.) und dem Soura Film Festival (21.–24.10.), das queere Filme der SWANA-Region präsentiert, zeigen wir zudem zwei Kurzfilmprogramme mit Highlights der letzten Festival-Editionen. www.indiekino-club.de
RUBEY
INDIEKINO CLUB IM SEPTEMBER
VERLOSUNG: RICHARD LINKLATERS BEFORE-TRILOGIE Richard Linklater schaffte es, die Sensibilitäten gleich mehrerer Generationen in seinen Filmen einzufangen. Sein Debüt SLACKER (1990) war ein Film über jüngere Boomer, die in den späten 80er Jahren keinen Plan hatten und Unsinn redeten. Sein über 12 Jahre mit dem gleichen Ensemble gedrehter Film BOYHOOD (2014) schilderte das Aufwachsen von Millennials. Die Trilogie BEFORE SUNRISE, BEFORE SUNSET und BEFORE MIDNIGHT ist ein Porträt der Generation X und führt von einer Begegnung im Zug zwischen Jesse (Ethan Hawke) und Céline (Julie Delpi), und einer romantischen Nacht in Wien in BEFORE SUNRISE (1995), über ein Wiedersehen der beiden neun Jahre später in Paris, wo aus Enttäuschung eine tiefere Liebe wird (BEFORE SUNSET, 2004) bis hin zu BEFORE MIDNIGHT (2013), in dem Jesse und Céline verheiratet sind und eine Krise überwinden, mindestens für den Moment. Wir verlosen eine Bluray-Edition der Trilogie. Bei Interesse schreibt uns bis zum 15.9. an info@indiekino.de. Stichwort: Before.
AB 9. SEPTEMBER IM KINO „Johanna Moder hat einen ganz besonderen, weisen und unterhaltsamen Film über das Scheitern überforderter Weltverbesserer gedreht, die sich entlarvend oft um sich selbst drehen“ Brigitte Woman
jip-film.de/waren-einmal-revoluzzer www.facebook.com/wareneinmalrevoluzzer
INDIEFEATURE
Maria Speth schloss 2001 ihr Regiestudium an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ mit dem Spielfilm IN DEN TAG HINEIN über eine planlose junge Frau in Berlin ab. 2007 drehte sie den Spielfilm MADONNEN, in dem Sandra Hüller eine Mutter spielt, die während eines Gefängnisaufenthalts ihre Familie zusammenhalten will. Alle Spielfilme von Maria Speth enthalten dokumentarische Elemente, 2011 ging sie aber den umgekehrten Weg, um obdachlose Jugendliche in 9 LEBEN zu porträtieren. Sie zeigte die Personen in einem artifiziellen, weißen Raum, um ihre Persönlichkeiten herauszustellen. 2014 folgte TÖCHTER, wieder ein Spielfilm, über eine Mutter, die ihre verschwundene Tochter sucht, und sich einer anderen jungen obdachlosen Frau gegenüber findet, mit der sie einen intensiven Schlagabtausch im Hotelzimmer führt. HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE lief im Wettbewerb der Berlinale und gewann den Großen Preis der Jury und den Publikumspreis. Pamela Jahn hat sich für INDIEKINO mit Maria Speth über ihren Film unterhalten.
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INDIEFEATURE
„Die Kinder haben uns vertraut und uns integriert in ihren Schulalltag“ Interview mit Maria Speth zu HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE
INDIEKINO: Herr Bachmann sagt am Ende des Films zu seiner Klasse, dass Noten nicht wirklich zählen. Es kommt darauf an, dass sie alle tolle Menschen sind. Würde es uns heute besser gehen, wenn wir alle so erzogen worden wären? Maria Speth: Das weiß ich nicht, aber ich finde auch, dass man das Augenmerk nicht auf die Defizite richten sollte, sondern auf die Fähigkeiten und persönliche Eigenart der Kinder. Und das ist es auch, was den Unterricht von Herrn Bachmann für mich ausmacht. Dass er diesen jungen Menschen einen Raum eröffnet, in dem sie sich gut fühlen können. Und das widerspricht meiner Ansicht nach auch nicht dem, dass man Leistungen erbringt. Nur ist es eben ein Unterschied, was man wertet oder ausschließlich bewertet. Was nicht heißen soll, dass Noten immer schlimm sind, manchmal stehen die Kinder ja sogar darauf, benotet zu werden. Und das muss man dann gleichermaßen berücksichtigen. Aber ich wollte keinen Film über das Schulsystem oder das Lehrersein an sich machen. Mir ging es um diese ganz spezielle Gemeinschaft von Schüler*innen mit ihrer vielfältigen kulturellen
Herkunft, die Dieter Bachmann in der ihm eigenen Art unterrichtet hat. Für einige dieser Kinder war es wichtig, dass sie auch andere Möglichkeiten hatten, sich zu beweisen, weil sie einfach der deutschen Sprache noch nicht so mächtig waren. In der Hinsicht waren solche Angebote, wie Musik zu machen, oder zu jonglieren oder Steine zu klopfen genau das Richtige, weil sie dadurch erfahren und spüren konnten, dass sie wertvoll sind, dass sie etwas können und dass sie Potential haben. Als Lehrer ist Dieter Bachmann die Triebfeder Ihres Films. Wie kam die Zusammenarbeit zustande? Ich kenne Dieter Bachmann schon sehr lange. Wir sind uns über seine Freundschaft zu Kameramann Reinhold Vorschneider begegnet. Und er war es auch, der indirekt den Impuls zu diesem Film gab, weil er mich auf diese Stadt aufmerksam machte, mit ihrer ganz besonderen Geschichte. Zunächst wollte ich über Stadtallendorf erzählen, weil mich der Ort so fasziniert hat. Im Grunde war die Stadt der erste Protagonist des Films. Nur stellte SEPTEMBER 2021 D
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sich dann die Frage, wie man Vergangenheit und Gegenwart des Ortes filmisch unter einen Hut bringt. Und so kam es, dass wir uns auf den Aspekt Schule konzentrierten, nicht zuletzt, weil Dieter Bachmann dort arbeitet und ich mein filmisches Interesse auch immer an konkreten Personen oder Figuren anknüpfen möchte. Unterscheidet sich der Mann, den Sie vor dem Film kannten, von dem Mann, den Sie im Film zeigen? Ich wäre sicher nicht auf die Idee gekommen, einen Film über den privaten Dieter Bachmann zu machen. In der Rolle des Lehrers kannte ich Dieter bis dahin aber nicht. Ihn so zu erleben, hat mich dann bewogen, ihn zu einem wichtigen Protagonisten zu machen. Insofern habe ich ihn noch mal anders kennengelernt. Und wenn man jemanden filmisch beobachtet, nimmt man notwendigerweise Distanz ein. Das ist dann auch neu. Aber dadurch, dass er sich in seinem Unterricht auch als private Person erkennbar macht und das nicht hinter einer Rollenmaske versteckt, überschneidet sich vieles auch mit dem, was ich von ihm kannte. Zum Beispiel habe ich immer gesagt, der Klassenraum sei wie Bachmanns Wohnzimmer, mit den vielen Musikinstrumenten oder den Möbeln, die er teilweise zusammen mit den Kindern gebaut hat, und mit der großen Liege, auf der man sich ausruhen kann. Das könnte alles auch bei ihm zuhause stehen. Was hat Sie am meisten erstaunt? Am meisten erstaunt hat mich die familiäre Atmosphäre in der Klasse. Dann fand ich es spannend zu sehen, wie sehr Bachmann das Gespräch mit den Kindern sucht, sie herausfordert und sie darin bestärkt, eine eigene Meinung zu vertreten. Und so einen Freiraum für eine Gesprächskultur des Zuhörens und Antwortens etabliert, was keine Selbstverständlichkeit ist. Immerhin handelt es sich um eine ganz reguläre Gesamtschule, wo es einen Lehrplan gibt, der auch eingehalten werden muss. Es war aber auch sehr schön zu sehen, wie die Kinder uns umgekehrt einen Raum gegeben haben, dass sie uns vertraut und uns integriert haben in ihren Schulalltag. Das ist zwar die Voraussetzung des Prinzips des unauffälligen und beobachtenden Drehens. Aber man kann vorher nie wissen, ob und inwieweit es tatsächlich funktionieren wird, dass bei den Protagonisten eine Art von Selbstvergessenheit einsetzt, die einen Film wie diesen überhaupt erst möglich macht. Sie sind selbst in Bayern aufgewachsen. Welche Erinnerung haben Sie an Ihre eigene Schulzeit? Gab es da auch Schlüsselfiguren, die Sie geprägt oder inspiriert haben? Ich bin auf eine katholische Mädchenschule gegangen. Man kann das so nicht vergleichen. Was ich aber zum Beispiel sehr an Herrn Bachmann schätze, ist, dass er sich so zeigt wie er ist, mit all seinen Stärken und Schwächen. Dass er alles, was ihn beschäftigt, mit in den Schulalltag einbringt, und alles was er kann, in die D 12
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Waagschale wirft. Ich fand es in meiner Schulzeit immer merkwürdig, dass man bei den Lehrern oft nicht spüren konnte, was für ein Mensch hinter der Lehrerrolle steckt. Für Ihren ersten Dokumentarfilm 9 LEBEN haben Sie Berliner Obdachlose in einem weißen Studioraum befragt. Jetzt sind Sie mittendrin in der Schule, im Leben der Kinder. Wie stehen sich diese beiden Ansätze gegenüber? Vor der Entstehung von 9 LEBEN arbeitete ich an dem Drehbuch für meinen Film TÖCHTER. Als Teil der Recherche bin ich in Obdachloseneinrichtungen gegangen, um mit den jungen Leuten dort zu sprechen und ihre Lebenswirklichkeit kennenzulernen. Aber dann haben mich diese Begegnungen so sehr fasziniert, dass ich das Bedürfnis hatte, daraus einen eigenen Film zu machen, einfach weil das, was die Jugendlichen erlebt haben, so gar nicht dem Klischee entsprach, das man von jungen Obdachlosen im Kopf hat. Ich wollte die Aufmerksamkeit allein auf die konkreten Menschen und ihre Biografien richten. Sie aus ihrer klischeebehafteten Umgebung herauszulösen, schien mir dafür ein gutes formales Mittel zu sein. Außerdem war ich damals auch sehr inspiriert von Richard Avedon, der Porträts von Menschen in Schwarz-Weiß fotografiert hat. Und ich dachte mir, so müsste man es in dem Fall filmisch machen. Es war ein gewisses Risiko dabei, die Jugendlichen in einem so abstrakten, sterilen Studioraum zu befragen, weil ich mir nicht sicher war, ob in diesem Setting eine intime Gesprächssituation überhaupt zustande kommen kann. Aber es hat funktioniert. Diese formale Herangehensweise war inhaltlich gesehen bei HERRN BACHMANN gar nicht möglich. Trotz der formalen Unterschiede, sind die beiden Stoffe dennoch verwandt. Ich habe wahrscheinlich eine gewisse Affinität für Menschen, die nicht so „im Licht stehen“, sondern eher am Rand der Gesellschaft, und die es unter Umständen viel schwerer haben. Ein weiterer Schwerpunkt vor allem in Ihren Spielfilmen, ist eine oft schmerzliche Beziehung zwischen Müttern und Töchtern. Was steckt dahinter? Madonnen entstand ganz konkret aus dem Impuls heraus, dass ich selbst gerade ein Kind bekommen hatte und mich plötzlich mit der Mutterrolle konfrontiert sah. Damals kamen Fragen in mir auf wie: Was macht das mit mir? Wie gehe ich damit um? Was erwartet die Gesellschaft? Was darf man und was darf man nicht? Zu dem Zeitpunkt war ich noch an der Filmhochschule in Babelsberg. Im Rahmen eines Dokumentarfilmseminars fing ich an, mich mit Müttern im Gefängnis zu beschäftigen, die in einer Ausnahmesituation ihre Mutterrolle erfüllen mussten. Es gibt ein Gesetz, dass stillende Mütter nicht von ihren Kindern getrennt werden dürfen, die Säuglinge also mit im Gefängnis sitzen. Ich habe in der JVA Preungesheim gedreht und dort das Vorbild für die Figur der Rita aus MADONNEN kennengelernt. Ich war beeindruckt von dieser Frau, die im Film von Sandra Hüller gespielt wird, dass trotz der ganzen Schroffheit und Härte, die sie ausstrahlt, auch viel Liebe
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in ihr steckt, und wie sie immer wieder verzweifelt versucht, in ihrer schwierigen Situation so etwas wie eine Familie aufzubauen.
Deutschland 2021 D 217 min D R: Maria Speth D B: Maria Speth, Reinhold Vorschneider D K: Reinhold Vorschneider D S: Maria Speth D V: Grandfilm
Teenager, wie Sie sie in HERR BACHMANN zeigen, können erfahrungsgemäß gnadenlos und brutal sein. Brenzlige Situation oder eskalierende Streitigkeiten blenden Sie im Film jedoch weitestgehend aus. Gab es diese extremen Momente wirklich nicht? Man muss berücksichtigen, dass wir die Kinder nur an der Schule und in ihrem Klassenverband kennengelernt haben. Und da war ich tatsächlich erstaunt, wie freundlich und respektvoll die Kinder nicht nur mit uns, sondern auch im Umgang mit anderen waren. Das war auch so, wenn die Kameras nicht liefen. Sie haben sich unglaublich viel bedankt, und ich hatte das Gefühl, dass sie sehr herzliche und warme Menschen sind. Mich hat das stark beeindruckt und auch sehr bewegt. Das war für mich dann auch das Entscheidende, ich wollte diese Atmosphäre, die beim Drehen vorherrschte, so auch in den Film übertragen. Trotzdem gab es ja durchaus viele Konflikte zwischen den Schülern, die im Film aber auch vorkommen. Denken Sie das hat in erster Linie mit dem kulturellen Hintergrund der Kinder zu tun, oder mit Herrn Bachmann und seiner Methode? Ich glaube beides. Diese direkte und emotional unverstellte Art, das muss natürlich von irgendwo herkommen, und es kommt sicher zum großen Teil aus den Familien, ihrer sozialen Schicht und kulturellen Herkunft. Aber es ist genauso wichtig, dass die Kinder sich in der Schule, in ihrem Klassenzimmer, so zeigen können, wie sie sind. Ich fand es zum Beispiel sehr berührend, wenn solche „Glücks-Ausrufe“ völlig aus dem Nichts kamen, wie: „Ich habe meine Klasse lieb.“ Oder sich umarmt wurde. Diese Körperlichkeit zwischen den Kindern, aber auch ihren Lehrern gegenüber, finde ich sehr besonders. Meist rennen die Figuren in Ihren Filmen vor irgendwas weg, gehen auf die Suche. Diesmal scheinen die Schüler*innen in Herrn Bachmann etwas zu finden. Sind Sie persönlich mit dem Film auf eine Art auch bei sich angekommen? Ich glaube auch, dass HERR BACHMANN sich von meinen anderen Filmen abhebt, am ehesten in der Hinsicht, dass er die positive Seite des Lebens im Blick hat und nicht die Defizite, mitunter auch immer wieder lustig ist. Das war bei meinen früheren Arbeiten wahrscheinlich nicht so, dass es da so viel zu lachen gab. Und ja, das ist auch schön für mich, das zu erleben. Und vielleicht ist das auch Ausdruck persönlicher Veränderung, aber kein Ankommen. Das hieße ja, dass es keine weitere Entwicklung gäbe. Ich bin sehr glücklich, dass der Film so geworden ist. Auch was die Länge betrifft, denn in dieser Hinsicht gab es auch Bedenken meinerseits. Ich bin jetzt aber sicher, dass es eben diese Zeit braucht, um all diesen Persönlichkeiten gerecht zu werden, soweit man das überhaupt kann. Ich hoffe, dass mir das ein Stück weit gelungen ist. D Das Gespräch führte Pamela Jahn
Herr Bachmann und seine Klasse In den Kosmos eintauchen
Der kommentarlose, beobachtende Dokumentarfilm von Maria Speth HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE ist dreieinhalb Stunden lang. Der Film wird, obwohl er bei der Berlinale den „Silbernen Bären – Preis der Jury“ gewann und nicht nur unbedingt sehenswert ist, sondern die eindringlichste politische Kritik am deutschen Bildungssystem seit Klaus Manns „Der Untertan“, vermutlich nur kurz im Kino zu sehen sein. Immerhin belegt HERR BACHMANN gleich zwei Programmschienen. Das ist für Kinos eigentlich nur mit gutem Willen und Verlust zu machen. Der Film selbst braucht aber diese Zeit, und es ist wichtig, in den Kosmos einzutauchen, den Maria Speth hier mit großer Präzision und Liebe präsentiert. Herr Bachmann unterrichtet eine sechste Klasse an einer Gesamtschule in Stadtallendorf in der Nähe von Marburg in Nordhessen. Die Kleinstadt besteht aus einem alten Stadtkern mit Fachwerkhäusern, Wohnsiedlungen und zwei großen Fabriken: einer Eisengießerei und einer Süßwarenfabrik. 70% der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund. Dieter Bachmann ist hier Lehrer einer sechsten Klasse. Spätestens nach dieser Klassenstufe werden die Schüler*innen im deutschen Schulsystem sortiert, um homogene Lerngruppen zu schaffen und die Durchlässigkeit des sozialen Systems zu verringern. Dieter Bachmann steht kurz vor der Pensionierung. Er sortiert seine Schulkinder nicht nach ihren Notenerfolgen, sondern bringt allen Wertschätzung, Freundlichkeit, Verständnis und aufrichtige Liebe entgegen und versucht, ihre Fähigkeiten zu unterstützen und ihnen zu helfen, Konflikte zu lösen. Maria Speths Film fängt die einzelnen Persönlichkeiten in der Klasse mit der gleichen Zuwendung ein. Auch wenn die Regisseurin den Film persönlich und nicht politisch gelesen haben will: Jeder Dialog in diesem Film ist Widerstand gegen diese schwarze antipädagogische Struktur des ständischen Schulsystems. D Hannes Stein ¢ Start am 16.9.2021 A long-term documentary about an extraordinary teacher and his class.
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Nicht erst die letzten beiden Jahre haben gezeigt, dass es in Deutschland bisher keinen adäquaten Umgang mit rechtsextremen Bewegungen gibt – und dass der latente Rechtsextremismus weiter verbreitet ist und schneller manifest wird, als bisher gedacht – auch in Milieus, die noch vor kurzem als relativ unverdächtig galten, eben auch in der Filmbranche. In diesem Kontext gibt es gerade kaum einen wichtigeren Film als JE SUIS KARL. Der Film von Christian Schwochow (Regie) und Thomas Wendrich (Buch), die sich bereits im ersten Teil des dreiteiligen Fernsehfilms MITTEN IN DEUTSCHLAND: NSU mit den Tätern beschäftigt haben, zeigt die Szene der neuen Rechtsextremisten auf eine Art und Weise, wie sie bisher nicht zu sehen war, mindestens wenn man nicht gelegentlich auf den Social Media Accounts der bekannten Protagonisten nachsieht, was da eigentlich los ist. Die Story (ohne zu sehr zu spoilern): Maxi, ein behütetes Teenager-Mädchen aus dem Prenzlauer Berg, verliert ihre Mutter und ihre kleinen Geschwister bei einem Terroranschlag, der islamistischen Terroristen zugeschrieben wird, aber tatsächlich von Nazi-Terroristen verübt wurde. Die Gruppe um den schnieken Karl will die Widersprüche im Land verschärfen, um möglichst schnell
Je suis Karl Junge, schöne Nazis
einen „Volksaufstand“ herbeizuführen. Karl glaubt, Maxi für die Propaganda des legalen Arms der „Bewegung“ nutzen zu können, und wanzt sich an sie heran. Die verstörte Maxi hat keine Verteidigungsmechanismen gegen Karls Charme und gegen seine Ideologie, die sich langsam in ihr Hirn schleicht. Er nimmt sie zu den Treffen der internationalen rechtsextremen Gruppierung mit. Die Inszenierung dieser Treffen in Prag und Straßburg sind die Höhepunkte des Films. Während in den Hinterzimmern terroristische Strategien ausgeklüngelt werden, finden auf den Bühnen Hochglanz-Performances von jungen, eloquenten Schönen statt. Die Musik ist melancholisch-romantisch für die Seele, aber auch mal brachial für die Männerkörper. Die Texte reden von Angst, Sicherheit und der Selbstverteidigung Europas, natürlich auch von der Verteidigung der Frauen und der Jungen. Die Rhetorik der neuen Rechtsextremen in JE SUIS KARL nutzt die gleichen Themen, wie sie von den Twitter- und Instagram-Stars der rechtsextremen Szene gesetzt werden, und die gleichen Strategien. Fremdzuschreibungen werden abgelehnt, man ist nicht rechts, sondern man denkt selbst. Man hat auch linke Freunde. Wie alle Filme, die vor der SARS-CoV-2-Pandemie entstanden sind, kommt JE SUIS KARL zu spät. Der Film zeigt die Situation, wie sie sich 2019 darstellte. Inzwischen gibt es neue Talking Points, und die Menschenfeinde und Antidemokraten inszenieren sich als die eigentlichen Verteidiger der Freiheit. Die Entscheidung, Anschläge unter falscher Flagge zum Aufhänger der Geschichte zu machen, ist ebenfalls eher bedauerlich. Obwohl es immer wieder Fehlzuschreibungen rechten Terrors gegeben hat, nicht zuletzt bei den NSU-Morden, benötigt die Kritik an rechtsextremer Ideologie keine Verschwörungserzählung. Der Film wird dadurch zwar spannender, aber nicht unbedingt glaubwürdiger, zumal die Rechtsextremen längst selbst ähnliche Geschichten mit umgekehrten Vorzeichen erzählen. Christian Schwochow weiß, wie man straff und packend inszeniert, das ist nicht erst seit der exzellenten TV-Serie „Bad Banks“ klar. Aber die Stärke seines Films liegt in der Darstellung der subtilen Verführung, der Gefühle von Gemeinschaft und Stärke, die vermeintliche Gewissheiten vermitteln. Und in der genauen Analyse der Wendung von einst linken Begriffen wie Vielfalt, die in der in der rechtsextremen Ideologie eine Weiße Vielfalt ist, die gegen den Ansturm eines migrantisch muslimischen Mobs verteidigt werden muss. Diese Integrationsfähigkeit rechtsextremer Ideologie und ihre Umdeutung demokratischer Begriffe ist das Erschreckendste am neuen Faschismus. Sie hat in den letzten zwei Jahren neue Dimensionen erschlossen. D Tom Dorow ¢ Start am 16.9.2021
Maxi‘s mother and her little siblings die in a terrorist attack that is attributed to Islamist terrorists but was actually committed by neo-Nazis. Handsome young Nazi Karl creeps in on Maxi in order to use her for the group‘s propaganda.
Deutschland 2021 D 126 min D R: Christian Schwochow D B: Thomas Wendrich D K: Frank Lamm D S: Jens Klüber D D: Luna Wedler, Jannis Niewöhner, Milan Peschel, Marlon Boess, Cédric Cavatore D V: Pandora Film
SEPTEMBER 2021 D
15 D
INDIEKRITIKEN Originaltitel: Les vétos D Frankreich 2019 D 92 min D R: Julie Manoukian D B: Julie Manoukian D K: Thierry Pouget D S: Marie Silvi D M: Matei Bratescot D D: Clovis Cornillac, Noémie Schmidt, Carole Franck D V: Happy Entertainment
Plötzlich aufs Land Dorftierärztin, übergangsweise
Für die kühle, introvertierte Alex (Noémie Schmidt) ist die Sache klar: Nach dem Studium möchte die junge Veterinärin in einem renommierten Labor als Epidemiologin forschen. Doch kaum hat sie ihre Abschlussprüfung bestanden, meldet sich ihr alleinstehender, herzkranker Onkel Michel (Michel Jonasz), der offenbar dringend Hilfe braucht. Alex zögert nicht lange und macht sich auf ins burgundische Örtchen Mhère zu ihrem einzigen Familienangehörigen. In ihrem ländlichen Heimatort angekommen, findet Alex jedoch einen quietschfidelen Michel vor, der Alex nur nach Hause gelockt hat, um sie als seine Nachfolgerin für die Tierarztpraxis zu gewinnen, die er gemeinsam mit dem dauergestressten Familienvater Nicolas (Clovis Cornillac) betreibt. Nur widerwillig bleibt Alex, fest entschlossen, so bald wie möglich zurück in die Stadt zu fahren. Doch als sich Michel urplötzlich nach Französisch-Polynesien absetzt, um sich einen Kindheitstraum zu erfüllen, springt Alex notgedrungen ins kalte Wasser und fängt an der Seite von Nico als Dorftierärztin an – nur übergangsweise, versteht sich. Während sich Alex dank Assistent Marco (Matthieu Sampeur) und der aufgeweckten 8-jährigen Tierfreundin Zelda (Juliane Lepoureau) langsam einlebt, begegnen andere Dorfbewohner*innen der eigenwilligen, unnahbaren jungen Frau mit sexistischen Vorurteilen. Regisseurin und Drehbuchautorin Julie Manoukian stellt in ihrem ersten Film Stadt- und Landleben mit Vor- und Nachteilen gegenüber, umschifft abgedroschene Klischees und reißt die tragische Familiengeschichte der Protagonistin nur an. Neben Clovis Cornillac trägt Noémie Schmidt (FRÜHSTÜCK BEI MONSIEUR HENRI) den von Musik der Band Moriarty untermalten Wohlfühlfilm und überzeugt als selbstsichere Tierärztin, die sich nicht verbiegen lässt. D Stefanie Borowsky ¢ Start am 16.9.2021 Cold, introverted Alex (Noémie Schmidt) wants to work in epidemological research. When her uncle, who suffers from heart disease, asks her for help, she quickly finds out that he actually wanted to put her up in the village vet practice.
D 16
D SEPTEMBER 2021
Deutschland/Russland/USA 2021 D 95 min D R: Doris Metz, Imogen Kimmel D B: Doris Metz, Imogen Kimmel D K: Birgit Gudjonsdottir, Theresa Maué, Andreas Steffan, Sophie Maintigneux D S: Frank Johannes Müller D M: Gregor Schwellenbach D V: mindjazz Pictures
Trans – I Got Life Lebensrettende Maßnahmen
I GOT LIFE heißt der Untertitel des Dokumentarfilms TRANS von Doris Metz und Imogen Kimmel, benannt nach dem Lied aus dem Musical „Hair“, der vielen durch die Interpretation der Schwarzen Musikerin und Aktivistin Nina Simone bekannt ist. Der Song feiert den Körper, den niemand dir nehmen kann: Von den Haaren bis zu den Zehen, vom Gehirn bis zum Geschlecht. Für transidente Personen ist so ein positives Verhältnis zum eigenen Körper oft nicht selbstverständlich. Der Dokfilm zeigt, wie unter anderem die plastische Chirurgie Patient*innen heute helfen kann, sich in ihm wohlzufühlen. Porträtiert werden trans Männer und Frauen in unterschiedlichsten Lebens- und Transitionsphasen, ebenso ihre Ärzt*innen und deren Arbeit. Die geschlechtsangleichende Operation ist ein Meilenstein, eine gewichtige Entscheidung. Metz und Kimmel schrecken nicht davor zurück, die Zuschauer*innen mit detaillierten Bildern aus dem Operationssaal zu konfrontieren. Das ist anfangs etwas krass, doch gewöhnt man sich daran: Die nüchterne, professionelle Art der Ärzte zeigt Wirkung. Es wird deutlich, dass die OPs nichts weniger sind als lebensrettende Maßnahmen – gerade auch für trans Frauen, für die es besonders gefährlich sein kann, als nicht cis erkannt zu werden. Dabei wollen die im Film Porträtierten bloß ganz normal leben und ihren Berufen und Hobbys nachgehen, als Busfahrer, Automechanikerin, Hockeyspieler oder Schreinerin. Wie schwer der Weg dorthin oft ist, erst recht in einem intoleranten Umfeld, zeigt TRANS – I GOT LIFE deutlich, aber auch: Wie schön es sein kann, zu sich stehen zu können und liebe Menschen zu haben, die einen dabei unterstützen. „It’s a new dawn, it’s a new day, it’s a new life for me – and I’m feeling good“, heißt es am Ende in einem Cover eines anderen bekannten Nina-Simone-Songs. D Eva Szulkowski ¢ Start am 23.9.2021 The documentary shows how plastic surgery can help trans patients feel comfortable in their bodies. It portrays men and women in different life and transitional phases as well as their doctors and their work.
Termine unter www.indiekino.de
Originaltitel: Retfærdighedens ryttere D Dänemark 2020 D 116 min D R: Anders Thomas Jensen D B: Nikolaj Arcel Anders, Thomas Jensen D K: Kasper Tuxen D M: Jeppe Kaas D D: Mads Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas, Gustav Lindh D V: Neue Visionen Filmverleih
Helden der Wahrscheinlichkeit Das Schicksal ausrechnen
Es sind immer wiederkehrende Motive, die das Kino des Anders Thomas Jensen ausmachen. In mehr als fünfzig Drehbüchern hat der Däne das Kino seiner Heimat bestimmt wie kein anderer. In der Zusammenarbeit mit Regisseurin Susanne Bier (OPEN HEARTS, IN EINER BESSEREN WELT) lenkte das Schicksal die Figuren. In seinen eigenen Regiearbeiten (FLICKERING LIGHTS, ADAMS ÄPFEL, MEN & CHICKEN) gesellte sich eine anarchische, tiefschwarze Komik hinzu. HELDEN DER WAHRSCHEINLICHKEIT führt nun zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört, sich unter seinen Händen jedoch meisterhaft mischt. Ausgangspunkt ist Afghanistan. Dort war es der schweigsame Soldat Markus gewohnt, Konflikte mit Gewalt zu lösen. Um daheim in Dänemark einen Bezug zu seiner Teenager-Tochter Mathilde zu finden, muss er jedoch einen neuen Weg finden, damit umzugehen, und sich auf andere Menschen einlassen. Die Gelegenheit kommt unerwartet, als er auf Otto, einen Wissenschaftler der Wahrscheinlichkeitsrechnung, seinen Assistenten Lennart und den technisch begabten, aber sozial gestörten Hacker Emmenthaler trifft und mit ihnen plant, einen brutalen Gangsterboss und dessen Armee von Handlangern zur Strecke zu bringen. Wie das Schicksal die Figuren verbindet und jede für sich zur Erlösung führt, ist absolut irrwitzig. Der Plot schlägt ebenso viele Haken wie Töne auf der Klaviatur der Emotionen an. Dass Jensens Konstrukt nicht in sich zusammenfällt, ist neben den pointierten Dialogen und seiner Liebe für Underdogs vor allem dem exzellenten Ensemble zu verdanken, und Mads Mikkelsen gibt als posttraumatisch gestörter Militär und Familienvater eine weitere vollkommen unerwartete Darstellung. D Lars Tunçay ¢ Start am 23.9.2021
Taciturn soldier Markus (Mads Mikkelsen) joins forces with a mathematician, his assistant, and a socially disturbed hacker to hunt down gangsters.
Termine unter www.indiekino.de
Nachwuchsdarsteller
INDIEKRITIKEN Dänemark 2021 D 94 min D R: Louise Detlefsen D B: Louise Detlefsen D K: Per Fredrik Skiöld D S: Julie Winding D V: Weltkino
Mitgefühl Zugewandte Pflege
Deutschland/USA 2020 D 82 min D R: Philipp Reichenheim D D: J Mascis, Lou Barlow, Murph, Kim Gordon, Henry Rollins, Bob Mould, Thurston Moore D V: rapid eye movies
Freakscene Macker-Gift im Indie-Rock
Die Pflege von älteren Menschen rückt immer mehr in das Bewusstsein der Gesellschaft und das nicht erst seit Corona. Das Thema geht uns früher oder später alle an. Wenn es soweit ist, will niemand allein gelassen werden. Jeder wünscht sich, auch im Alter wie ein Mensch behandelt und nicht von einer Gesellschaft abgeschoben zu werden. Warum aber wird der Pflegesektor dann in die Hände privater Unternehmen gegeben und in diesen seit Jahren auf Kosteneffizienz ausgerichtet, statt auf die Bedürfnisse der Menschen? Die Dänin May Bjerre Eiby machte selbst schmerzhafte Erfahrungen mit der Pflege in ihrem Land. Statt zu resignieren, beschloss sie, etwas zu ändern. Sie gründete „Dagmarsminde“, ein Pflegeheim, das die zugewandte Begleitung von Menschen auf ihrer letzten Reise in den Mittelpunkt stellt. Das Konzept klingt so einfach wie revolutionär: Mitgefühl bedeutet Verständnis, Berührungen, Geborgenheit, eben Zeit und Aufmerksamkeit – etwas, das oft fehlt im Pflegealltag. Eiby und ihre Kolleginnen begegnen den Bewohnern und Bewohnerinnen ihrer Einrichtung mit Liebe und bewundernswerter Geduld, lassen ihnen alle Freiheiten, auch wenn das gelegentlich zu Problemen führt, die das Team mit Ruhe und Sorgfalt löst. Für viele der Alten ist „Dagmarsminde“ der letzte Hafen nach einer langen Odyssee durch die Institutionen, übermäßiger Medikation und Vernachlässigung. Die Fürsorge der Frauen hilft ihnen sichtbar, sich zu öffnen. Manche Schäden des Pflegesystems bleiben zurück. Regisseurin Louise Detlefsen und ihr kleines Team bezogen für anderthalb Jahre das Haus, begleiteten die Bewohner, die meist an Demenz oder Alzheimer erkrankt waren, mit der Kamera, rücksichtsvoll und einfühlsam. Mit ihrem Film verdeutlichen sie, wie wichtig der humane Umgang für ein würdiges Lebensende ist.
Mitte der 80er Jahre veröffentlichte die Band Dinosaur jr. – damals noch als „Dinosaur“, das „jr.“ war die Folge einer Klage der älteren Hippie-Band „Dinosaurs“ – ihr Debütalbum, das zwar noch im US-Hardcore-Punk verwurzelt war, aber eine lässigere Haltung mit älteren Rockstilen einnahm. Dinosaur jr. waren (und sind) irrsinnig laut und wirkten trotzdem seltsam introvertiert. Die Band war schnell in Independent-Kreisen erfolgreich, und landete 1988 mit „Freak Scene“ einen Hit in den Independent-Charts, ein Jahr später kam ihre Coverversion des The Cure-Songs „Just Like Heaven“ auch in die Pop-Charts. Dinosaur jr. war auf dem Höhepunkt des Erfolgs, aber es gab Gerüchte darüber, dass die Musiker nicht mehr miteinander redeten. 1989 warf J. Mascis Lou Barlow aus der Band, zwei Jahre später hatte auch Drummer Murph genug. In FREAKSCENE reden J. Macsis, Lou und Murph über die Gründung, Trennung, und Wiedervereinigung der Band und sind dabei erstaunlich offen in Bezug auf die eigene toxische Männlichkeit, die sich bei Dinosaur jr. wenigstens nicht gegen Frauen richtete. Heute, nach den Missbrauchsskandalen um Ryan Adams und Marilyn Manson, ist klar, dass auch in der Independent Szene reichlich Macker-Gift verbreitet war und ist, aber damals standen die Stars auch für eine andere, komplexere Vorstellung von Männlichkeit. Heute zeigen sich auch Band-Diktator J. Mascis und Aggro-Bassist Lou Barlow einsichtig. Drummer Murph weckt aufrichtiges Mitgefühl dafür, den Psycho-Terror seiner Band so lange ausgehalten zu haben. Als Porträt einer Banddynamik ist FREAKSCENE großartig, nur kommt die Faszination der Musik von Dinosaur jr., die gerade in der flächigen Entfaltung der Songs und in den brachialen Dynamikwechseln liegt, in den Songschnipseln wenig herüber. D Tom Dorow
D Lars Tunçay ¢ Start am 23.9.2021
¢ Start am 9.9.2021
A portrait of a Danish home for people with dementia which focuses on attentive care rather than medication.
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Dinosaur Jr. are indie rock pioneers, but there have been reports of tension between the three band members from the beginning. In FREAKSCENE, J Mascis, Lou, and Murph speak openly about the toxic atmosphere in the band.
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INDIEKRITIKEN
Toubab
Potenzial zum Kultfilm
Deutschland 2020 D 96 min D R: Florian Dietrich D B: Florian Dietrich, Arne Dechow D K: Max Preiss D M: Jacob Vetter D D: Farba Dieng, Julius Nitschkoff, Valerie Koch, Michael Maertens, Seyneb Saleh, Nina Gummich, Paul Wollin, Burak Yigit, Gerdy Zint D V: Camino
Was ist Babtou (Farba Dieng) auch bloß für ein knuffiger Chaot: Gerade aus dem Knast entlassen, gerät er ohne böse Absicht gleich wieder in Konflikt mit der Polizei. Weil er keinen deutschen Pass und es mit rassistischen Beamten zu tun hat, droht ihm die Abschiebung aus seiner Heimatstadt Frankfurt in den Senegal, das Land, aus dem seine Eltern einst geflüchtet sind. Die Suche nach einer Frau, mit der er eine Scheinehe eingehen könnte, verläuft erfolglos – also heiratet er kurzerhand seinen besten Freund Dennis. In dieser Prämisse steckt so viel drin: Lässiger Gangsterfilm? Abschiebungsdrama? Buddykomödie? Die Antwort: Ja, aber. TOUBAB ist ein mitreißend gestaltetes Überraschungspaket mit
Babtou is under threat of deportation, so he marries his best friend Dennis. The issue that is usually subtextual in the “male friendship” genre is at the core here: heterosexual love between two men who are learning how to express their emotions.
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einer verdammt clever erzählten Geschichte. Florian Dietrich und seine Crew sorgen mit visuellem Humor und schnittigen Dialogen dafür, dass es nie langweilig wird. Gleichzeitig zeichnen sie die Milieus, die im Film gestreift werden, mit viel Sorgfalt – von Babtous Nachbarschaft und der Gang, die hier ihre Geschäfte macht, bis zur Autowerkstatt, in der Dennis arbeitet. Und auch schwule und lesbische Charaktere und Frankfurts queere Szene werden respektvoll und klischeefrei dargestellt. Wie Babtou und Dennis nach und nach ihre internalisierte Homophobie ablegen, ist wunderschön mit anzusehen. Letztlich geht es aber nicht um schwule, sondern vielmehr um heterosexuelle Liebe zwischen zwei Männern, die lernen, zu ihren Gefühlen zu stehen. Was im Genre „Männerfreundschaft“ sonst eher Subtext ist, wird hier zum Kernthema. So wird nicht nur das System rund um die deutsche Staatsbürgerschaft infrage gestellt, sondern auch der Stellenwert heterosexueller Paarbeziehungen. Farba Dieng sticht aus dem durchweg guten Cast noch einmal deutlich hervor. TOUBAB, der vielleicht beste jemals gedrehte Frankfurt-Streifen, hat das Potenzial zum Kultfilm. D Eva Szulkowski ¢ Start am 23.9.2021 SEPTEMBER 2021 D
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INDIEKRITIKEN Österreich 2019 D 104 min D R: Johanna Moder D B: Johanna Moder D K: Robert Oberrainer D S: Karin Hammer D D: Julia Jentsch, Manuel Rubey, Aenne Schwarz, Marcel Mohab, Lena Tronina, Tambet Tuisk D V: jip Film & Verleih
Waren einmal Revoluzzer Revolutionäre Nostalgie und politische Realität
Helfen wollen ist einfach. Das denkt sich auch Helene (Julia Jentsch) als Pavel (Tambet Tuisk), eine verflossene Romanze aus längst verjährten «politisch aktiven» Zeiten, sie um ihre Unterstützung bittet. Sie schickt dem russischen Dissidenten einen Batzen Geld, den ihr Freund Volker (Marcel Mohab), der geschäftlich in Moskau zu tun hat, persönlich überbringt. Kompliziert wird es, als Volker sogleich dessen Flucht nach Österreich in die Wege leitet, und nicht nur der alte Liebhaber, sondern auch seine Frau Eugenia mit dem gemeinsamen Sohn im Arm bei Helene vor der Tür stehen. Aber auch dafür kann die engagierte Richterin gerade noch Verständnis aufbringen, bis sie erfährt, dass gegen Eugenia ein internationaler Haftbefehl ausgeschrieben ist, was nicht nur Helenes Job in Gefahr bringt, sondern ihr ganzes geordnetes Leben mit Musikermann Jakob (Manuel Rubey) und zwei Töchtern aufs Spiel setzt. Also soll Volker die Sache regeln, immerhin hatte er die Schnapsidee, endlich einmal etwas zu tun, anstatt immer nur zu reden. Doch der impulsive Therapeut ist viel zu sehr mit sich selbst und seiner neuen Liebe Tina (Aenne Schwarz) beschäftigt, als dass er sich um die Neuankömmlinge kümmern könnte. Aus dieser prekären Mischung von Beziehungskrisen, revolutionärer Nostalgie und politischer Realität entwickelt sich WAREN EINMAL REVOLUZZER zu einem Gesellschaftsdrama im sogenannten Bobo-Milieu, das vor allem von seinen Frauenrollen getragen wird. Jentsch und Schwarz geben ihren Figuren genügend Gewicht, um vereinzelte Ungereimtheiten in Johanna Moders Drehbuch abzufangen. Aber auch Lena Tronina (KIDS RUN) trägt als Eugenia mit kämpferischer Energie dazu bei, dass der Film ein spannendes ambivalentes Charakterbild entwirft. D Pamela Jahn ¢ Start am 9.9.2021
Judge Helene gets a call for help from Pavel, a Russian dissident. She gives him money, and shortly thereafter he appears in front of her door with his wife Eugenia who has an international warrant of arrest and their son.
D 20
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Italien 2020 D 100 min D R: Giorgio Verdelli D K: Federico Annicchiarico D S: Matteo Bugliarello, Emiliano Portone D V: Prokino
Paolo Conte – Via Con Me Denkmal für den „Fürsten“
Es ist schwer, als Außenstehender die Größe Paolo Contes in seiner Heimat Italien zu bemessen. Seine Lieder gurren die Tauben auf dem Markusplatz, sein Schlager „Azzurro“ ist die inoffizielle Hymne des Landes. Aufgewachsen im piemontesischen Asti als Sohn eines wohlhabenden Notars, studierte Paolo zunächst Jura, schrieb aber schon während der Vorlesungen Musikstücke. Er kaufte sich heimlich ein Vibraphon und gründete mit seinem Bruder eine Jazzband, mit der er erste Erfolge feierte. Der Durchbruch kam als Komponist und Autor für bekannte Sänger wie Enzo Jannacci und Adriano Celentano, bevor er schließlich selbst die Reibeisenstimme erhob und zum Cantaautore – einem schreibenden Sänger – wurde. Contes Texte verbinden Romantik mit Ironie und treffen in ihren Alltagsbeschreibungen einen Nerv. Seine Musik speist sich aus der Jazztradition, gepaart mit französischen Chansons. Seine Erscheinung, sein kauziges Auftreten, das zerknautschte Gesicht, die prominente Nase, verliehen ihm Profil. Fernsehregisseur Giorgio Verdelli setzt ihm mit VIA CON ME ein Denkmal. Künstler wie Patrice Leconte, Roberto Begnini, Jane Birkin oder Isabella Rossellini huldigen dem Großmeister. Jeder Satz endet darauf, wie feinfühlig der „Fürst“ ist, welch großer Autor, eine Lichtgestalt, ein Gott unter uns Sterblichen. Der Dokumentarfilm bleibt gänzlich bei der Musik Contes. Der Meister gewährt keinen Einblick in Privates. Es scheint vermessen, danach zu fragen. So bleibt ein Film für Fans, angereichert mit einigem Archivmaterial, vielen Ausschnitten seines Auftritts in Paris 2020 und einigen wenigen Anekdoten, wie etwa wenn Begnini in seiner überschwänglichen Art von der ersten Begegnung mit Contes Frau erzählt. Dazu fährt ein Fiat Topolino durch die malerische Landschaft. Wer Conte liebt, steigt ein. Der Rest bleibt außen vor. D Lars Tunçay ¢ Start am 16.9.2021 Paolo Conte composed Italy’s unofficial anthem “Azzurro” for Adriano Celentano and sang in his raspy voice himself later on. In VIA CON ME director Giorgio Verdelli gives him a tribute.
Termine unter www.indiekino.de
Originaltitel: Nabarvené Ptace D Tschechische Republik/Ukraine/Slowakische Republik 2019 D 169 min D R: Václav Marhoul D B: Václav Marhoul D K: Vladimir Smutný D S: Ludek Hudec D D: Petr Kotlár, Udo Kier, Stellan Skarsgård, Harvey Keitel, Barry Pepper, Julian Sands D V: drop-out Cinema
The Painted Bird Schonungslos und poetisch
In seinem Roman THE PAINTED BIRD von 1965 beschrieb Jerzy Kosiński seine Erlebnisse als jüdisches Kind im von den Nazis besetzten Polen. Jedoch häuften sich bald Vorwürfe, die nicht nur den Realitätsgehalt von Kosińskis vermeintlich autobiografischer Erzählung, sondern auch seine Autorschaft anzweifelten. In Václav Marhouls gleichnamiger Verfilmung von Kosińskis umstrittenem Roman ist es der Sohn deportierter tschechischer Juden, der als Ausgestoßener und Verfolgter schon als Kind ums Überleben kämpft. Der schweigsame Protagonist (mit stoischer Präsenz gespielt von Petr Kotlár) wird durch die systematische Judenverfolgung der deutschen Besatzer und den folkloristischen, ebenfalls tödlichen Antisemitismus der einheimischen Landbevölkerung immer weiter übers Land getrieben und immer wieder in das Hetzbild des ortlosen Juden gezwungen. Mit der an die Odyssee gemahnenden Irrfahrt gelingt dem Regisseur Marhoul eine luzide Analyse der Verflechtung verschiedener Elemente und Ausformungen des Antisemitismus. Gegliedert ist der Film durch die Begegnungen, die der Junge macht, mit Menschen die ihm helfen, die ihn ausbeuten oder ihn mental und körperlich misshandeln. Doch ist nicht alle Gewalt, die ihm entgegenschlägt, religiös oder politisch motiviert. THE PAINTED BIRD erzählt auch Geschichten der blanken Machtgier, der Eifersucht und der Lust an der Gewalt (sowie der Gewalt in der Lust). So schonungslos diese Erzählung ist, so poetisch ist ihre Ausgestaltung: THE PAINTED BIRD ist ebenso schön wie quälend. Das Schwarz-Weiß erzeugt herbe Kontraste in Gesichtern und Landschaften und über dem Film liegt eine Atmosphäre des Übernatürlichen, die sich gelegentlich in der märchenhaften Symbolik einzelner Szenen und Figuren manifestiert. D Yorick Berta ¢ Start am 9.9.2021
Literary adaptation describing the odyssey of a jewish boy during World War II. Lost in the polish countryside he is forever changed by the cruelty and violence he encounters.
Termine unter www.indiekino.de
„Berührend, einfühlsam, inspirierend“ SUN THIS WEEK
MITGEFÜHL PFLEGE NEU DENKEN
A B 23. S E P T E M B E R I M K I N O
INDIEKRITIKEN
Träum weiter! Sehnsucht nach Veränderung
Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war
Valentin Thurn (TASTE THE WASTE) porträtiert Menschen, die sich für unkonventionelle Wege entschieden haben. Die Bandbreite reicht vom Künstler Joy Lohmann, der von schwimmenden Inseln träumt, über Line Fuks, die nach Portugal gezogen ist, damit die Kinder ohne Schule aufwachsen können, bis hin zu Cargolifter-Gründer Carl von Gablenz, der gerade einen neuen Anlauf wagt. Und dann ist da noch Musikproduzent Günther Golob, der sich für das Projekt „Mars One“ beworben hat, das einen Trupp Kolonist*innen auf eine No-Return-Mission ins All senden möchte.
Der Filmemacher Franco Maresco besucht ein Musikfestival in Sizilien, das die vor 25 Jahren getöteten Anti-Mafia-Richter Falcone und Borsellino ehren soll. Nur ist der Organisator des Festivals den „Idealen“ der ehrenwerten Gesellschaft gar nicht so abgeneigt, zumindest den alten, traditionellen. Und auch die anderen Menschen, die Maresco interviewt, haben eher gemischte Sympathien, wenn sie an das Thema und früher denken. Da verschwimmt die Grenze zwischen Rechtfertigung und Satire auch mal.
¢ Start am 30.9.2021
¢ Start am 26.8.2021
Deutschland 2020 D 97 min D R: Valentin Thurn
Originaltitel: La mafia non e piu quella di una volta D Italien 2019 D 105 min D R: Franco Maresco
Fantastische Pilze
Lionhearted – Aus der Deckung
Wer eine gemütliche Naturdoku erwartet, sollte sich warm anziehen: Mit psychedelischer Geschwindigkeit rast FANTASTISCHE PILZE durch die wunderbare Welt der uralten und sehr seltsamen Spezies zwischen Fauna und Flora. Im Stakkato erzählen Expert*innen hochinteressante Dinge zu Geschichte und Biochemie der Art, während die Pilze im Zeitraffer aus dem Boden sprießen und sich unterirdisch computeranimierte Rhizome in wilder Fahrt verzweigen. Zwischendrin kommen die Pilze auch selbst zu Wort: „Ihr könnt uns nicht sehen, aber wir florieren.“
Woche für Woche treffen sich Raschad, Saskia, Burak und Abu in einer kleinen Halle des TSV 1860 München. Ihr Boxtrainer Ali Cukur ist eine beeindruckende Persönlichkeit und für sie Vaterfigur Lebensretter und Vorbild in Sachen Leben und Boxen. Das alljährliche Boxcamp organisiert er in einem Partnerverein in Ghana. Regisseuren Antje Drinnenberg begleitet die Jungs und ihren Trainer auf der Reise und fängt ein, wie das Zusammentreffen mit den ghanaischen Boxern, die sich durch einen noch härteren Alltag kämpfen, auch den Blick auf das eigene Leben verändert.
¢ Start am 9.9.2021
¢ Start am 23.9.2021 USA 2019 D 81 min D R: Louie Schwartzberg
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D SEPTEMBER 2021
Deutschland 2019 D 93 min D R: Antje Drinnenberg
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKRITIKEN
Atomkraft Forever
Lost in Face
Sechs Atomkraftwerke sind aktuell in Deutschland in Betrieb, Anfang 2011 waren es noch 17. Das letzte deutsche Atomkraftwerk geht 2022 vom Netz, beschloss die Bundesregierung nach Fukushima. Dass es damit nicht getan ist und der Rückbau eines Atomkraftwerks Jahrzehnte dauert, zeigt der Dokumentarfilmer Carsten Rau in seinem Film ATOMKRAFT FOREVER, für den er Menschen getroffen hat, die auf verschiedene Art mit der Kernkraft verbunden sind, darunter sowohl Gegner*innen wie Befürworter*innen der Kernenergie.
Carlotta hat eine spezielle Art der Gesichtsblindheit, die sie nicht einmal ihr eigenes Gesicht erkennen lässt. Der als Gehirnforscher ausgebildete Valentin Riedl begleitet sie in LOST IN FACE und lässt sie von den kleinen Tricks erzählen, mit denen sie schwierige soziale Interaktionen meistert. Darüber hinaus zeigt der Film mittels Animationen, wie Carlottas Gehirn zwar alle Details eines Gesichts scharf sieht, diese aber ganz eigen verbindet und zusammensetzt, und wie dies sie beim Zeichnen inspiriert. ¢ Start am 30.9.2021
¢ Start am 16.9.2021
Deutschland 2020 D 94 min D R: Carsten Rau
Deutschland 2020 D 81 min D R: Valentin Riedl
Mein Name ist Klitoris
A Symphony of Noise
Lisa Billuart-Monet und Daphné Leblond befragen zwölf Frauen zwischen 20 und 25 zu intimen Themen, aus denen sich immer auch gesellschaftliche Missstände und strukturelle Probleme ableiten lassen. In ihren privaten Räumen erzählen die jungen Frauen mit verschiedenen Hintergründen und sexuellen Orientierungen sehr offen von teils ernüchternden ersten sexuellen Erfahrungen, vom auf heterosexuelle Männer ausgerichteten Aufklärungsunterricht, von rückständigen Körpernormen, vom Neinsagen, von misogynen Pornos und von toxischen Frauenbildern.
„You feel somewhere between Stephen Hawking, Jesus and Jimi Hendrix. The world of noise you have unleashed!“ Dieses Zitat ist weniger Ausdruck von Matthew Herberts Größenwahn als eine präzise Umschreibung seiner Kunstpraxis als Soundkünstler, der mit Alltagsgeräuschen – vom Schwein bis zur Fritöse – arbeitet. Herberts Kunstpraxis ermöglicht eine neue, sinnliche Art des Verständnisses. Sie bedeutet eine neue Aufmerksamkeit und Wertschätzung der alltäglichen Umwelt. Und sie hat politische Sprengkraft.
¢ Start am 16.9.2021
¢ Start am 2.9.2021
Originaltitel: Mon Nom est Clitoris D Frankreich 2019 D 79 min D R: Lisa Billuart Monet, Daphné Leblond
Deutschland 2021 D 95 min D R: Enrique Sánchez Lansch
Termine unter www.indiekino.de
SEPTEMBER 2021 D
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INDIEFEATURE
Ein Film wie ein Adventskalender, hinter jedem Tor eine andere, wundersame Welt. So ungefähr kann man sich Natalija Yefimkinas Dokumentarfilm vielleicht am besten vorstellen, der das zeigt, was er verspricht: Garagen und ihre Bewohner. Es ist ein Film über die Träume der russischen Männer (und ihrer Frauen), über ihre Leidenschaften ebenso wie über ihre Sorgen und Nöte. In den vier heiligen Wänden ihrer Abstellräume lassen sich von Hobby-Gyms über Metall- und Schnitzwerkstätten bis hin zu dem Probestudio einer Punkband alle möglichen Orte der privaten Selbstverwirklichung finden. Aber nicht die Räume sind die eigentlichen Helden hier. Es sind die Menschen, die Yefimkina aus nächster Nähe beobachtet, denen sie tief in ihre gebrochenen russischen Seelen schaut. Besonders berührt ist man von Sergej, der an Parkinson leidet, und akribisch an ein paar Hanteln für seine Tochter bastelt. Oder von Viktor, der seine Garage in jahrzehntelanger mühsamer Bauarbeit um vier unterirdische Stockwerke ergänzt hat. Einfach so, weil er graben wollte. Jetzt ist er zu alt und sein Enkel macht für ihn weiter. Aber auch skurrile Typen befinden sich unter ihnen, wie zwei Soldaten, die sich in der Umgebung als Gebirgsjäger probieren. Sie alle werkeln, bauen und beschäftigen sich. „Das Leben“, sagt der Wachtelzüchter Pavel einmal, ist so lang, wie man Pläne hat.“ Nicht alle von ihnen haben die Fertigstellung des Films überlebt. Die Verhältnisse in der kleinen Industriestadt in russischen Norden sind hart. Armut, Krankheiten, zu viel Wodka und die langen, harten Winter haben ihre Spuren hinterlassen. Aus den Garagen heraus entwirft die 1983 in der Ukraine geborene Berlinerin Yefimkina ein Mosaik der Befindlichkeiten einer Nation am Abgrund. Dafür hat sie Menschen gefunden, die uns daran teilhaben lassen, wie sie in ihren bescheidenen Lebenswelten Zuflucht, eine Bestimmung und manchmal sogar die große Liebe finden. D Pamela Jahn ¢ Start am 16.9.2021
Garagenvolk So lang man Pläne hat
Deutschland 2020 D 95 min D R: Natalija Yefimkina D B: Natalija Yefimkina D K: Axel Schneppat D S: Markus Schmidt, Barbara Toennieshen, Nicole Fischer D V: missingFILMs
D 24
D SEPTEMBER 2021
Natalija Yefimkina‘s documentary is about Russian men who live out their private passions in garages. According to quail breeder Pavel “life is as long as the plans that you make.“
INDIEFEATURE
SEPTEMBER 2021 D
25 D
INDIEKRITIKEN Deutschland 2021 D 90 min D R: Daniel Sager D B: Daniel Sager, Marc Bauder D K: Börres Weiffenbach, Daniel Sager, Anne Misselwitz, Frank Marten Pfeiffer D S: Hannes Bruun D V: Real Fiction
Über Deutschland Die 17jährige Russin Marina Zwetajewa verbringt den Sommer 1910 im Sanatoriumsort Loschwitz bei Dresden. Im Russland des Kriegskommunismus erinnert sie sich 1919 an diese Zeit und überblendet sie in ihrem Text „Über Deutschland“ mit einem Lobpreis der deutschen Kultur. Sie ist auf dem Sprung, eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts zu werden. Bernhard Sallmann verbindet, ergänzt und kontrastiert in seinem Essayfilm ihre Worte mit Bildern künstlerischer Artefakte und Aufnahmen aus einem gegenwärtigen Deutschland im Stillstand (gedreht wurde im März 2020). ¢ Start am 2.9.2021 Deutschland 2021 D 80 min D R: Bernhard Sallmann D D: Judica Albrecht
Freistaat Mittelpunkt Ernst Otto Karl Grassmé war ein norddeutscher Eigenbrötler, ein Sammler und Tüftler, und, laut eigenem Stempel, „Altonaer Bürgermeister im Exil“. Der Exzentriker, der abgeschieden auf einem zugemüllten Moorgrundstück lebte, war während der Nazizeit zwangssterilisiert worden. Bis zu seinem Lebensende 1992 kämpfte um unangepasste Souveränität. In Konflikt mit den Nachbarn brachten ihn dabei nicht nur die langen Briefe an junge Mädchen der Umgebung. FREISTAAT MITTELPUNKT erzählt über Grassmés Briefe aus seinem Leben und zeigt, was übrig geblieben ist von seinem kleinen Reich.
Hinter den Schlagzeilen Investigativ-Journalist*innen bei der Arbeit
Die Wahrheit ist ein verschlüsseltes Video. Wer das Video gesehen hat, kennt die Wahrheit. Die Journalisten Bastian Obermayer und Frederik Obermaier wissen etwas über Österreichs (heute Ex-)Vizekanzler Heinz-Christian Strache, das keiner weiß und sie keinem sagen dürfen. Noch nicht. Erst müssen die beiden Kollegen aus dem Ressort Investigative Recherche der Süddeutschen Zeitung die Aufnahme in der Redaktion vorliegen haben. Vorher geht gar nichts. Aber auch danach ist der Weg bis zum dem Leitartikel, der im Mai 2019 die „Ibiza-Affäre“ publik macht, noch weit. Gemeinsam mit der Chefredaktion und der Rechtsabteilung muss die hochbrisante Story diskutiert, doppelt und dreifach geprüft sowie eine Veröffentlichung unter Berücksichtigung aller möglichen Risiken und Konsequenzen abgewogen werden. Daniel Andreas Sagers Dokumentarfilm ist nüchtern und zugleich packend wie ein Thriller inszeniert. Zwei Jahre lang hat der Regisseur die Menschen „hinter den Schlagzeilen“ begleitet, fliegt mit ihnen zum Interview mit Edward Snowden nach Moskau und ist dabei, als sie auf Malta den Mord der Bloggerin Daphne Caruana Galizia recherchieren, die wie Obermaier und Obermayer an der Enthüllung der Panama Papers beteiligt war. Aber auch vor dem weniger attraktiven Büroalltag der Investigativ-Journalisten macht Sager nicht halt, der viel mit Warten zu tun hat und mit Geduld. Sparsam kommentiert wird das Geschehen von den beiden Hauptakteuren selbst, die in ihrer Professionalität und Menschlichkeit ein überzeugendes Plädoyer für seriöse Medienberichterstattung liefern. Am Tag nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos sitzen sie routiniert im Morgenmeeting, der Chefredakteur bittet um Sachlichkeit. Weiter geht’s mit der Aufklärung von Fakten und den vielen Geschichten, die noch im Dunkeln liegen. D Pamela Jahn ¢ Start am 16.9.2021 The documentary portrays the daily job routines of investigative journalists.
¢ Start am 9.9.2021 Deutschland 2019 D 79 min D R: Kai Ehlers D 26
D SEPTEMBER 2021
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKRITIKEN
Walter Kaufmann – Welch ein Leben
Deutschland 2021 D 101 min D R: Karin Kaper, Dirk Szuszies D K: Tobias Rahm, Dirk Szuszies D M: Benedikt Schiefer D V: Karin Kaper Film
Ein Jahrhundert Zeitzeugenschaft
Ein Leben wie das des Schriftstellers Walter Kaufmann ist in unserer Zeit der minutiösen Lebensplanungen kaum noch vorstellbar: Geboren 1924 in Berlin als Kind einer alleinstehenden jüdischen Verkäuferin, adoptiert von einem gutbürgerlichen jüdischen Ehepaar in Duisburg, mit dem Kindertransport nach England entkommen, durch einen Zufall in Australien interniert. Durch die schriftstellerische Tätigkeit Kontakt zur DDR, dort mit Frau und Kindern ansässig geworden. Sein australischer Pass ermöglicht Kaufmann ein für dieses Land höchst ungewöhnliches Leben: das eines Reiseschriftstellers. Von Hiroshima in die USA der schwarzen Bürgerrechtsbewegung um Angela Davis, von der jungen Revolution in Kuba ins vermeintlich „gelobte Land“ Israel
Walter Kaufmann, born in 1924, escaped to England with the Kindertransport and became a travel writer in the GDR thanks to his Australian passport: his journeys took him from Hiroshima to the US civil rights movement, the Cuban revolution, and Israel.
führen seine Wege, und seine Romane und Reportagen berichten aus allen Teilen der Welt von ähnlichen Kämpfen um Frieden und Freiheit, seine Loyalität gehört stets den Unterdrückten. Der Film von Karin Kaper und Dirk Szuszies ist verfilmte Oral History, die Erzählungen des 97-jährigen Kaufmann werden nur durch Archivmaterial und Zitate aus seinen Werken illustriert. Man erlebt einen wachen Beobachter zeitgeschichtlicher Umwälzungen, der immer das Glück und Überlebensgeschick hatte, sich den Freiraum zum Schreiben zu erhalten. Interessant auch die Wechselwirkungen von Zeitgeschichte und persönlichem Leben, so die Entscheidung für die DDR nach einem ernüchternden Versuch der Spurensuche nach den ermordeten Eltern im verdrängenden Westdeutschland. Die Filmemacher*innen wählen die Rolle der respektvollen Chronisten, erzählt wird, was Kaufmann erzählen will, so scheint es. Nur nebenbei erwähnt wird z.B. sein Arrangement einer Ehe zu dritt. Vielleicht wäre es manchmal ergiebig gewesen, dem Protagonisten als herausfordernde Gesprächspartner zu begegnen. D Susanne Stern ¢ Start am 30.9.2021
Termine unter www.indiekino.de
SEPTEMBER 2021 D
27 D
INDIEKRITIKEN Norwegen/Deutschland 2021 D 108 min D R: Thomas Robsahm D K: Aslaug Holm D S: Hilde Bjørnstad D V: Edition Salzgeber
a-ha – The Movie Selten ehrlich
Originaltitel: Notes of Berlin: Der Film D Deutschland 2019 D 105 min D R: Mariejosephin Schneider D B: Mariejosephin Schneider, Thomas Gerhold D K: Carmen Treichl D S: Inge Schneider D D: Paul Boche, Anne Müller, Katja Sallay D V: Nico Kupferberg Films
Notes of Berlin Zettelbotschaften
Biografische Dokumentarfilme über noch lebende Künstler geraten schnell zu Lobhudeleien, kein Wunder, welcher Regisseur will schon Jahre mit einem Menschen verbringen, den er doof findet? Doch es geht auch anders, wie Thomas Robsahm und Aslaug Holm mit A-HA – THE MOVIE zeigen, einem Dokumentarfilm über die berühmteste Bands Norwegens, die gleich mit ihrer ersten Single „Take on Me“ einen Welthit landeten, der zu den ikonischsten 80er Jahre Songs zählt. Hier erzählen Magne Furuholmen, Morten Harket und Pål Waaktaar-Savoy ihre Geschichte und lassen dabei wenig aus. Schon, dass sie meist allein zu sehen sind und fast nie als Trio, als Band, deutet die tiefen Risse und Animositäten an, die längst zu Tage getreten sind. Magne etwa ist immer noch sauer, weil zwar er das legendäre Riff zu „Take on Me“ geschrieben hat, aber Pål als hauptsächlicher Komponist gilt. Pål würde wiederum gerne als ernstzunehmender Musiker Anerkennung finden und nicht „nur“ als Autor von Popsongs und der schöne Morten hadert mit dem Leben als unendlich oft fotografierter Posterboy der Band. Irgendwann, als Teenager, Anfang der 80er Jahre in Oslo scheinen die drei Freunde gewesen zu sein, doch das ist lange vorbei. Wie eine Zweckgemeinschaft mutet das Trio inzwischen an, doch auch wenn es anfangs so wirkt: Allein des Geldes wegen stehen sie nicht immer noch und trotz allem gemeinsam auf der Bühne. Ein tiefer Respekt vor den Fähigkeiten der Anderen scheint die Band am Leben zu erhalten, vor allem aber das Wissen, dass bei allem Streit und allen Konflikten eins klar ist: Nur als Trio, nur als „a-ha“ sind sie die Weltstars, die sie als Solo-Künstler nicht sind. A-HA – THE MOVIE ist selten ehrlich in Bezug auf Freud und Leid des Ruhms. D Michael Meyns
„Hallo Rawad, melde dich, du wirst Vater“ – eine Zettelbotschaft vor dem nächtlichen Späti irgendwo in Berlin, ohne Telefonnummer oder Abreißoption. Entdeckt vom Kioskbesitzer, der gleich weiß, dass einer seiner Stammkunden damit gemeint ist, und dessen wilder Nacht ganz beiläufig ein jähes Ende bereitet. Das ist nur eine der 14 Episoden in NOTES OF BERLIN, der absurd bis lebensklug die Botschaften der Hauptstadt seziert. Als Quelle dient dabei der gleichnamige Blog des Wahlberliners Joab Nist, der seit 10 Jahren dokumentiert und auf seinen sozialen Kanälen teilt, was die Stadt auf Straßenlaternen, Windschutzscheiben oder Briefkästen zu sagen hat, von verzweifelter Romantik bis zu nüchternem Realismus („Habt ihr schon mal dran gedacht, euch zu trennen?!“). In jüngster Vergangenheit waren Fans nicht nur dazu aufgerufen, gesichtete Fundstücke einzureichen und in den Kommentarspalten zu diskutieren, sondern auch die Geschichten dahinter: Grundlage für den ersten Spielfilm des Blogprojekts ist die interaktive Website „Notes of Berlin Film Lab“, die bereits seit 2014 zum Mitmachen aufruft. Denn: Städtische Episodenfilme wie JE T’AIME PARIS sind beliebt – außer sie verärgern die Fans der porträtierten Stadt so wie BERLIN I LOVE YOU. Das kann bei NOTES OF BERLIN durch die Mitmachphilosophie kaum passieren, auch weil sich der Film viel Zeit lässt, die Charaktere in all ihrer Alltagsweisheit und Verschrobenheit zu zeigen. Andrea Sawatzki hat einen anrührenden Auftritt, aber Hauptdarstellerin ist eindeutig Berlin selbst. So ist der Film am Ende nicht mehr und nicht weniger als ein Spaziergang durch semi-fiktive 24 Stunden der Hauptstadt. Für alle, die es lieben, unbekannten Straßenecken und kleinen Momenten auf die Spur zu gehen. D Anna Hantelmann
¢ Start am 14.9.2021
¢ Start am 9.9.2021
Norwegian pop band a-ha had a worldwide hit with their first single “Take on Me”. But there are deep cracks and animosities between the band members.
D 28
D SEPTEMBER 2021
Joab Nist’s blog NOTES OF BERLIN, which posted the notes found on Berlin street lamps, windscreens, and post boxes was turned into the interactive website “Notes of Berlin Lab” in 2014, where the stories behind the notes are told: which is the source this anthology.
Termine unter www.indiekino.de
EIN FILM VON
Deutschland/Österreich 2020 D 111 min D R: Philipp Stölzl D B: Eldar Grigorian D K: Thomas W. Kiennast D D: Oliver Masucci, Albrecht Schuch, Birgit Minichmayr, Rolf Laasgård D V: STUDIOCANAL
VA L E N T I N T H U R N ( TA S T E T H E WA S T E )
T R ÄU M W E I T E R ! S E H N S U C H T N AC H V E R Ä N D E R U N G
Schachnovelle Psychogramm eines Unbeugsamen
Das beindruckende, das teils erschütternde Psychogramm eines Unbeugsamen. Die Neuverfilmung der „Schachnovelle“. Jenem Text, der zu einer Art Abschiedsbrief Stefan Zweigs werden sollte: Nur Monate nach Fertigstellung des kaum 90 Seiten langen Werks wählte der Humanist und Pazifist im brasilianischen Exil den Freitod. Ähnlich wie das literarische Vorbild beginnt auch die Adaption von Philipp Stölzl (NORDWAND) damit, dass sich der Protagonist zur Nazizeit ins südamerikanische Exil begibt (O-Ton Stefan Zweig: „Auf dem großen Passagierdampfer, der um Mitternacht von New York nach Buenos Aires abgehen sollte …“). Der bald einsetzende Rückblick offenbart all die Torturen, die er zuvor hat erleiden müssen. Darunter vor allem die monatelange „Sonderbehandlung“ im Hotel Métropole durch die Nazis – im Film vor allem repräsentiert durch einen ebenso fies höflichen wie zutiefst diabolischen Albrecht Schuch. Wie Bartok (in der Text-Vorlage: „Dr. B.“) mittels nachgespielter Schachpartien der geistigen Deprivation in der Isolationshaft zu trotzen sucht: dafür findet der Film zutiefst bewegende Bilder. Das Herz des Film freilich, ist unbestreitbar Oliver Masucci (WERK OHNE AUTOR), der sich in den letzten Jahren zu einem der spannendsten hiesigen Kinodarsteller entwickelt hat. Viel mehr als etwa an Ingmar Bergmans Klassiker des Schach-Kinos, DAS SIEBENTE SIEGEL muss man an Terrence Malicks famosen, wenn auch viel zu wenig beachteten Film A HIDDEN LIFE denken. Dort gibt August Diehl einen Geistesverwandten Bartoks – einen dem Nazi-Terror gegenüber ähnlich Standhaften. „Alles, was ich zu geben fähig war“, so heißt es in einem Brief Stefan Zweigs, „verdanke ich einer gewissen Begeisterung; ich verstand es, andere mitzureißen …“. Wie wahr.
AB 30.9. IM KINO!
PETR KOTLÁR ALS JUNGE UDO KIER LECH DYBLIK
EIN FILM VON
VÁCLAV MARHOUL
JÚLIA VALENTOVÁ ALEKSEI KRAWTSCHENKO BARRY PEPPER PETR VANĚK
JITKA ČVANČAROVÁ STELLAN SKARSGÅRD HARVEY KEITEL JULIAN SANDS
Maske: IVO STRANGMÜLLER · Kostüme: HELENA ROVNÁ · Tongestaltung: PAVEL REJHOLEC · Schnitt: LUDĚK HUDEC · Szenenbild: JAN VLASÁK · Kamera: VLADIMÍR SMUTNÝ Basierend auf dem Roman THE PAINTED BIRD von JERZY KOSIŃSKI · Buch, Produktion und Regie: VÁCLAV MARHOUL
D Matthias von Viereck ¢ Start am 23.9.2021
The impressive, partially shocking psychological portrait of an indomitable character. Philip Stölzl adapted Stefan Zweig’s last text, “The Royal Game”.
EDUARD & MILADA KUČERA
Termine unter www.indiekino.de
RICHARD KAUCKÝ
ALEXANDER KUSHAEV
INDIEKRITIKEN
Curveball
Deutscher Spionage-Skandal „Da sitzt der Fischer! Warum sagt der nichts?“ brüllt Doktor Wolf (Sebastian Blomberg) den Fernseher an. Tatsächlich ist das die Frage, die sich nach diesem Film über die folgenschwerste Spionage-Katastrophe und einen der größten politischen Skandale des 21. Jahrhunderts stellt. Die Rechtfertigung des Irakkriegs beruhte auf einem bereits als Lügengeschichte enthüllten Bericht einer BND-Quelle, der aber als wahrer, überprüfbarer Augenzeugenbericht vom US-Außenminister Colin Powell vor der UN-Vollversammlung präsentiert wurde. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Außenminister und damals Vorsitzender der UN-Vollversammlung Joseph Fischer und Schröders Kanzleramtsminister Walter Steinmeier wussten, dass die Zeugenaussagen erlogen waren und schwiegen. Johannes Naber macht aus der Affäre um den irakischen Asylbewerber Rafid Alwan, der sich dem Bundesnachrichtendienst als Chemieingenieur in einer Waffenfabrik von Saddam Hussein präsentiert, eine politische Farce, die oft an Helmut Dietls SCHTONK erinnert und nicht vor Albernheit zurückschreckt, aber bei den Fakten absolut seriös bleibt. Der Biowaffen-Experte Wolf, unter Kollegen „Wüstenfuchs“ genannt, glaubt, dass trotz der UN-Kontollen, an denen er beteiligt war, im Irak Anthrax-Viren hergestellt werden. Vor allem aber hat er ein erotisches Interesse an einer US-Kollegin. Sein Vorgesetzter Schatz (Thorsten Merten) setzt ihn als Führungsoffizier auf Rafid Alwan an. Der Iraker will vor allem einen deutschen Pass für sich und seine Familie und erzählt Wolf genau, was der hören will – und in einem Bericht geschrieben hatte, den Alwan aus dem Internet heruntergeladen hat: Im Irak befinden sich die Waffenfabriken auf LKWs, D 30
D SEPTEMBER 2021
Originaltitel: Curveball D Deutschland 2020 D 108 min D R: Johannes Naber D B: Oliver Keidel D K: Sten Mende D D: Sebastian Blomberg, Dar Salim, Virginia Kull, Michael Wittenborn, Franziska Brandmeier D V: Filmwelt
die nördlich von Bagdad regelmäßig entladen werden. Alwans Enthüllung erscheint dem BND als großer Coup, man feiert mit Sekt und lässt sich von der Bundesregierung und ausländischen Geheimdiensten gratulieren. Dann wird allerdings schnell klar, dass Alwan eine Lügengeschichte aufgetischt hat, die er sich nur aufgrund der Schlampereien des BND so ausdenken konnte. Um die Blamage zu vertuschen, wird die „Burn-Notice“ nicht an den CIA weitergeleitet, und der US-Geheimdienst entführt Rafid Alwan, die vermeintlich grandiose, geheimnisvolle Quelle, die sie „Curveball“ getauft haben. Es gab das tatsächlich alles, selbst die bizarre Entführung von Rafid Alwan. Die deutsche Regierung kannte die Fakten im Februar 2003, als Powell vor der UN sprach. Die eigentliche Frage bleibt: „Warum sagt der Fischer nichts?“ Warum sagten Schröder und Steinmeier nichts? Und warum sind sie nie zur Verantwortung gezogen worden, obwohl sie einen Krieg mitzuverantworten haben, der hunderttausende Opfer forderte und den Terror des IS erst ermöglichte? Weder diese Politiker, noch ihre Parteien haben sich zu der Affäre geäußert. Bundespräsident Steinmeier könnte Antworten geben. D Tom Dorow ¢ Start am 9.9.2021
In his passionate political satire, Johannes Naber dramatizes one of the largest spy scandals in recent decades: the involvement of the BND in the falsified information about bioweapons experiments in Iraq that served to justify the Iraq War.
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Originaltitel: El viaje extraordinario de Celeste Garcia D Kuba/Deutschland 2018 D 92 min D R: Arturo Infante D B: Arturo Infante D K: Javier Labrador Deulofeu D S: Joanna Montero D M: Magda Rosa Galbán, Juan Antonio Leyva D D: María Isabel Díaz, Omar Franco, Néstor Jiménez, Yerlín Pérez D V: Kairos
Die auSSergewöhnliche Reise der Celeste Garcia Witwe im All
Celeste Garcia (Maria Isabel Diaz) ist 60 Jahre alt, verwitwet und hat einen komfortablen Job im Planetarium in Havanna, Kuba. Ihre Nachbarschaft ist arm, aber freundlich, ihr Sohn lieb, aber ein Hallodri, der nicht zum Abendessen kommt. Celeste ist nicht unglücklich, aber … glücklich halt auch nicht. Eines Tages wird für sie alles durcheinandergewirbelt: Die Regierung gibt bekannt, dass es Außerirdische gibt – und Celeste ist eine der Glücklichen, die sie auf ihrem Planeten besuchen dürfen. Den ersten Kontakt mit Aliens zeigt Autor und Regisseur Arturo Infante auf eine sehr eigene Weise, die viel mit der originär südamerikanischen Tradition des Magischen Realismus gemein hat. Fantastische Elemente werden dabei wie Konfetti in die realistisch gezeichnete Welt gesprenkelt und eröffnen viele Möglichkeiten zum satirischen Kommentar realer Verhältnisse. So wird die Sensationsmeldung den kubanischen Bürger*innen in einer knochentrockenen Fernsehansprache übermittelt und umgehend ein Zentralbüro für interplanetarische Reisen eingeführt, um bloß alles schnell in geregelte Bahnen zu leiten. Die Menschen reagieren mit Verwirrung, Entsetzen, Ärger und sogar Gleichgültigkeit auf die neuen Entwicklungen – aber auch mit Neugier und Hoffnung auf eine bessere Welt da oben in den Sternen. „Viele würden sterben, um auf diesen Planeten zu kommen“, sagt die Arbeitskollegin. Für Celeste ist es das Abenteuer ihres Lebens, und man gönnt es ihr aus tiefstem Herzen. Zugleich beobachten wir die Sache mit gemischten Gefühlen, und auch bei den Figuren häufen sich bald die Zweifel: Gibt es den Planeten überhaupt? Und wann kommt denn endlich das Raumschiff? Die Reise, die sich zunehmend wie eine Flucht anfühlt, gestaltet sich ebenfalls kräftezehrender als gedacht. D Eva Szulkowski ¢ Start am 23.9.2021 People disappear under mysterious circumstances. The government says it was aliens that have now returned home and are also inviting some Cubans to follow them to the planet of Gryok. Widow Celeste enthusiastically signs up for the trip.
Termine unter www.indiekino.de
EMIL VON SCHÖNFELS
MEKYAS MULUGETA
INDIEKRITIKEN Originaltitel: Koirat eivät käytä housuja D Finnland 2019 D 105 min D R: J-P Valkeapää D B: J-P Valkeapää, Juhana Lumme D K: Pietari Peltola D S: Mervi Junkkonen D M: Michal Nejtek D D: Krista Kosonen, Pekka Strang, Oona Airola, Jani Volanen D V: drop-out Cinema
Dogs Don’t Wear Pants Spielball der Todessehnsucht
USA 2020 D 120min D R: Nia DaCosta D B: Jordan Peele, Win Rosenfeld D K: John Guleserian D M: Robert A.A. Lowe D D: Yahya Abdul-Mateen II, Teyonah Parris, Nathan Stewart-Jarrett, Colman Domingo, Vanessa Williams, Tony Todd D V: Universal Pictures
Candyman
Text nicht vor dem Spiegel lesen
Obwohl schon einige Jahre seit dem tragischen Unfalltod seiner Frau vergangen sind, ist der Chirurg Juha noch immer in seiner Trauer gefangen. Wie ein Zombie bewegt er sich durch die Welt und allein die Sorge um Tochter Elli scheint ihn am Leben zu halten. Als die, inzwischen ein Teenager, sich in einem trendigen Untergrundclub ein Zungen-Piercing stechen lässt, verliert sich Juha beim Warten auf den Sprössling in den neon-beleuchtenden Gängen, um sich in den Händen einer Domina wiederzufinden. Ihr Würgegriff und die verbundene Asphyxie lösen bei Juha tröstende Gefühle und Halluzinationen aus, in denen er seiner verstorbenen Frau wieder nahe ist. Bald gehört er zum festen Kundenstamm Monas. Die kleinen Fluchten werden immer mehr zur Sucht und nicht nur Elli gleitet aus Juhas Blick. Auch Domina Mona beginnt, sich Sorgen um ihr „böses Hündchen“ zu machen und wird für Juha immer mehr zum Spielball seiner Todessehnsucht. Was erstmal nach großem Drama klingt, hat der finnische Regisseur Jukka-Pekka Valkeapää beschwingt verpackt. Immer wieder brechen Humor und die kunstvolle Bildsprache das psychische und physische Leiden Juhas. Pekka Strang, bekannt aus TOM OF FINLAND, trägt dabei die selbstzerstörerische Sehnsucht Juhas im Kostüm eines Biedermanns mittleren Alters, was schon allein für launige Entlastung sorgt. Statt plumper BDSM-Romantisierung á la 50 SHADES OF GREY erforscht DOGS DON’T WEAR PANTS die Praktiken als Ritual der Ermächtigung über den Schmerz und findet in der Beziehung zu Domina Mona (Krista Kosonen aus BLADE RUNNER 2049) authentische Zugewandtheit. Ein überraschender Film mit einem starken und aufhellenden Ende, der aber dem Thema bedingt den Zuschauenden auch ein gewisses Maß an Resistenz abfordert. D Clarissa Lempp
Bernard Roses CANDYMAN von 1992 handelte von einer Weißen Studentin, die während ihrer Feldforschung die „Urban Legend“ über einen Geist mit Hakenhand hört, der diejenigen tötet, die seinen Namen fünfmal in einen Spiegel sagen. Dabei wird sie mit den Lebensrealitäten der zum Großteil Schwarzen Bewohner*innen des Chicagoer Viertels Cabrini Green konfrontiert. Obwohl der Film im Bezug auf Schwarze Sichtbarkeit fortschrittlich war, ist seine Sichtweise immer noch eine absolut Weiße. Nia Da Costas 2020er-Fortsetzung gleichen Namens korrigiert dies. Hier zieht ein Schwarzes Kunstschaffendenpaar in das inzwischen vollständig gentrifizierte Cabrini Green. Auf der Suche nach Inspiration hört Maler Anthony den Candyman-Mythos, wobei die Handlung des 1992er-Filmes nur eine unter vielen Geschichten über ihn geworden ist. Der Candyman symbolisiert inzwischen etwas viel Universelleres, das Anthony nicht loslässt. Der Film nutzt Anthonys Suche, um das Horrorgenre, aber auch soziale Entwicklungen in den USA zu analysieren und dekonstruieren. Da ein Horrorfilm aber nicht gänzlich ohne dumme Entscheidungen funktioniert, gibt es immer noch genug anderweitig popkulturell Abgeklärte, die der Mutprobe vor dem Spiegel nicht widerstehen können und es schnell bereuen. Hier brilliert der Film mit ein paar wunderbar einfallsreichen Sequenzen, die mehr auf surreales Grauen als auf plötzliche Schockmomente setzen, den Satz aus dem ersten Film „What is blood for, if not for shedding?“ aber voll beherzigen. Mit weiteren visuellen und musikalischen Anspielungen auf Bernard Roses Film ist der neue CANDYMAN gleichzeitig eine Fortsetzung und eine Art Spiegelbild des Vorgängers und beleuchtet Details, die vorher im Hintergrund versteckt waren. Sich beide Versionen anzuschauen ist daher empfehlenswert. D Christian Klose
¢ Start am 23.9.2021
¢ Start am 26.8.2021
A year after his wife’s death, surgeon Juha is still trapped in his grief. When a dominatrix confuses him for a client, a stranglehold triggers comforting hallucinations in him.
D 32
D SEPTEMBER 2021
Nia DaCosta’s CANDYMAN is both a sequel and a revision of Bernard Rose’s horror classic CANDYMAN from 1992, which was progressive in terms of Black visibility in horror, but was told from a White perspective.
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INDIEKRITIKEN
Räuberhände Jungsroutine
Deutschland 2020 D 89 min D R: Ilker Çatak D B: Finn-Ole Heinrich, Gabriele Simon D K: Judith Kaufmann D S: Sascha Gerlach, Jan Ruschke D D: Godehard Giese, Nicole Marischka, Emil von Schönfels, Ogulcan Arman Uslu, Isabella Bartdorff D V: Edition Salzgeber
Samuel und Janik sind beste Freunde, ein verschworenes Team, quasi Brüder. Ihr Reich ist die Gartenlaube von Janiks Eltern, in der sie ihren Heimathafen eingerichtet haben. Freundinnen, Familie – bürgerlich und gutsortiert in Janiks Fall, und ziemlich dicht am Abgrund bei Samuel – und berufliche Zukunftspläne kommen hier nur ganz am Rand vor. Erstmal Abi und dann den langgehegten Plan umsetzen: Eine Reise nach Istanbul, auf der Samuel auch hofft, seinem Vater, den er nie gekannt hat, zu begegnen. Vor der Abreise allerdings passiert eine alkoholisierte, möglicherweise nie wiedergutzumachende Dummheit. Ohne den Riss zu kitten, fliegen die beiden trotzdem.
Samuel and Janik are best friends and are planning a long trip to Istanbul after high school graduation. Then something stupid happens involving alcohol, but the two of them still go without patching up their deep divide.
Nach dem Jugendroman von Finn-Ole Heinrich erzählt RÄUBERHÄNDE von dieser Reise, auf der gar nicht so viel Spektakuläres passiert, sich aber natürlich doch etwas bewegt. Die Verletzung ist real und groß, und die Stimmung pendelt zwischen schlechter Luft, So-tun-als-ob-gar-nichts-wäre und gelegentlichen Ausbrüchen hin und her. Samuel ist demonstrativ auf eigenen Bahnen unterwegs, von denen er Janik nur gelegentlich etwas mitteilt, und findet schnell neue Bekannte. Janik, der kein Türkisch versteht, sitzt zunehmend missmutig daneben. Regisseur Ilker Çatak (ES GILT DAS GESPROCHENE WORT) inszeniert schnell und flüssig und fängt dabei unterschiedlichste Stimmungen präzise ein. Das Abendessen bei Janiks wohlmeinenden Eltern, die Abi-Party, Samuels Versuche, die Mutter aus seiner Welt fernzuhalten, das schweigende Frühstück auf einer billigen Pensionsterrasse, ein Istanbul, in dem Janik Tourist ist und Samuel ein bisschen zu Hause. Die Jungsroutine aus Sprüchemachen und bedingungsloser Loyalität macht eine direkte Aussprache schwierig, und so müssen sich Samuel und Janik wohl oder übel über idiotische Aktionen, halbe Streits und gemeinsames Schweigen ihre Beziehung zurückerobern. D Hendrike Bake ¢ Start am 2.9.2021
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SEPTEMBER 2021 D
33 D
INDIEKRITIKEN Deutschland/Norwegen 2019 D 106 min D R: David Wnendt D B: Rebecca Dinerstein, David Wnendt D K: Martin Ahlgren D S: Andreas Wodraschke D M: Enis Rotthoff D D: Jenny Slate, Alex Sharp, Zach Galifianakis, Gillian Anderson D V: W-Film
The Sunlit Night Wohnwagen mit Ziege
Deutschland 2020 D 102 min D R: Frauke Sandig, Eric Black D K: Eric Black D S: Rune Schweitzer, Franziska von Berlepsch D V: Piffl Medien
Aware – Reise in das Bewusstsein Kosmisches Rätsel
Für die junge New Yorkerin Frances (Jenny Slate), genannt Fran, läuft es nicht gut. Die Künstlerin kommt mit ihren Malereien auf keinen grünen Zweig, ihr Freund Robert, für den sie ihr Kunststipendium in Norwegen abgesagt hat, serviert sie am gemeinsamen Wochenende ab, und ihr Vater Levi eröffnet der Familie beim Abendessen, Frans Mutter Mirela und er würden sich trennen. Als die verzweifelte Fran die Möglichkeit bekommt, mit Künstler Nils (Fridtjov Såheim) über den Sommer dessen Scheune auf den Lofoten nach vorgegebenem Muster gelb zu streichen, nimmt sie das ungewöhnliche Angebot dankbar an – nur weg aus New York! So atemberaubend Fran die raue Landschaft auch findet, so schwierig gestaltet sich ihr Anfang im hohen Norden. Der schroffe Nils wirkt wenig begeistert von Frans Anwesenheit, nachts kann Fran nicht schlafen, weil die Sonne immer scheint, und ihren kargen Wohnwagen teilt sie sich mit einer Ziege. Doch als der ebenfalls in New York aufgewachsene Russe Yasha (Alex Sharp) im benachbarten Wikingermuseum auftaucht, um seinem Vater den letzten Wunsch zu erfüllen und ihn nach Wikingerart zu beerdigen, ändern sich die Dinge. Die romantisch-schräge Komödie THE SUNLIT NIGHT beruht auf dem gleichnamigen Roman von Rebecca Dinerstein, die auch das Drehbuch zum Film verfasste. Regie führte David Wnendt (ER IST WIEDER DA, FEUCHTGEBIETE), der Zach Galifianakis (HANGOVER) für die Rolle eines überdrehten Möchtegern-Wikingerhäuptlings gewinnen konnte. THE SUNLIT NIGHT lebt von den schräg-warmherzigen Charakteren, der fantasievollen Ausstattung und der faszinierenden Landschaft der Lofoten, die den größtmöglichen Gegensatz zu Frans hektischem Leben in Manhattan bildet. D Stefanie Borowsky ¢ Start am 23.9.2021 When artist Fran gets the opportunity to paint artist Nils’ shed in Lofoten over the summer, she is thankful for the unusual offer – anything to get away from New York! The romantic comedy thrives on weird and warm characters, imaginative decor, and the Lofoten landscape.
D 34
D SEPTEMBER 2021
Warum ist uns bewusst, dass wir ein Bewusstsein haben? Das ist das Rätsel, das den Hirnforscher Christof Koch umtreibt. Er nähert sich ihm auf wissenschaftliche Weise und erforscht die Verbindungen in unserem Gehirn in immer winzigeren Einheiten. Aber am Ende sieht man dann eben Millionen von Verbindungen, man sieht aber noch nicht, warum diese Verbindungen dazu führen, dass wir Dinge denken und Gefühle haben. Und sind wir überhaupt die einzigen, die ein Bewusstsein haben? Die Biologie-Professorin Monica Gagliano macht in ihrem BI-Labor (Biological Intelligence – ein Seitenhieb auf die AI-Fraktion) Verhaltensforschung mit Pflanzen und hat dabei herausgefunden, dass diese sowohl Töne erkennen als auch, ähnlich wie Pavlovs Hund, ihr Verhalten anpassen können. Das ist für die Maya-Heilerin Josefa Kirvin Kulix, die davon berichtet, dass Pflanzen sich bewegen, wenn sie geschnitten werden sollen, keine Überraschung und ebenso wenig für den Ex-Wissenschaftler Mathieu Ricard, der als buddhistischer Mönch seine Meditationspraxis darauf ausrichtet, den Zugang zu einem universalen Bewusstsein zu finden. Eine Abkürzung dorthin nutzt der Direktor des Zentrums für Bewusstseins- und psychedelische Forschung der Johns-Hopkins-Universität Roland R. Griffiths in kontrollierten Forschungsreihen mit Magic Mushrooms. Nach dem Trip müssen die Versuchspersonen angeben, wie sehr sie eine Einheit mit dem Universum verspürt haben, auf einer Skala von eins bis zehn. Interessant an Eric Black und Frauke Sandigs kinotauglich gefilmtem Dokumentarfilm sind vor allem die wissenschaftlichen Zugänge zum Thema Bewusstsein. Gerade die Leidenschaft der Expert*innen und die Grenzen, an die sie mit ihrer Forschung stoßen, vermitteln ein Gefühl für die Größe des Rätsels, mit dem wir es hier zu tun haben. D Hendrike Bake ¢ Start am 2.9.2021 The documentary follows six researchers who deal with the topic of awareness from different perspectives – among them are brain researcher Christof Kock, psychedelics researcher Robert Griffith, and biologist Monica Gagliano.
Termine unter www.indiekino.de
Schweiz/Deutschland/Großbritannien 2019 D 105 min D R: Samir D B: Samir, Furat al Jamil D K: Alfredo de Juan, The Chau Ngo D S: Jann Anderegg D M: Tom Linden, Walter Mair D D: Waseem Abbas, Haitham Abdel-Razzaq, Daniel Adegboyega D V: Arsenal
Baghdad in My Shadow Kommunisten im Café
Am Ende von Samirs Tragikomödie BAGHDAD IN MY SHADOW steht ein Traum der irakischen Architektin Amal: „Niemand wird uns für das verurteilen, was wir sind.“ Wir, das sind die Betreiber und Gäste des Londoner Cafés Abu Nawas, einem Treffpunkt kommunistischer Exiliraker. Einer von ihnen, der Schriftsteller Taufiq, der in London als Wächter im Britischen Museum arbeitet, wird von der Polizei und dem Geheimdienst verhört, denn im Umfeld des Cafés ist es zu einem Mord am irakischen Kulturattaché gekommen. In die Affäre um Amal, Taufiq und den toten Attaché sind eine radikalislamische Moschee und ihr fanatischer Imam verwickelt, der auch Taufiqs Neffen Nassir in seine Kreise gezogen hat. Samirs Film verhandelt finstere Themen: Es geht um Folter und Verrat im Irak unter Saddam Hussein, um die Kollaboration des neuen Regimes mit Islamisten und um die Anziehungskraft faschistischer Ideologien für die junge Exil-Generation. Aber es gibt auch Solidarität und Humor. Samir hat eine eher entspannte Haltung gegenüber Vorurteilen und den sogenannten Mikro-Aggressionen. Weil Amal an der Baustelle des Innenministeriums vorbeijoggt, wird sie von Wachleuten verdächtigt. Aus der Konfrontation mit dem Bauleiter Martin entsteht aus den üblichen Fettnäpfchen („Wo kommen Sie her?“ „Sie sehen nicht irakisch aus!“) erst ein Flirt, dann eine Beziehung, die zwar nicht konfliktfrei ist, aber in entscheidenden Momenten zur Rettungslinie wird. Die besten Pointen hat die ältere Ex-Guerilla Samira, die mit ausgezeichneten Deko-Ideen glänzt (Sowjetstern auf dem Weihnachtsbaum) und Islamisten mit der zerkloppten Bierflasche aufmischt, obwohl sie dafür lieber ein Sturmgewehr benutzen würde. Ein freundlicher, humorvoller und trauriger Film, in dem auch Ex-Punk-Göttin Hazel O’Connor (BREAKING GLASS, 1980) einen Auftritt hat. D Hannes Stein ¢ Start am 30.9.2021 The London Café Abu Nawas is a meeting point for leftwing Iraquis. When a the cultural attachè is murdered the author Taufiq it interrogated by the British authorities.
in die kino cLUB
Musterperson
Geburtsdatum: 10.10.1980
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.6.2022
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IndIekIno ClubCard Name: Kim
INDIEKRITIKEN Deutschland 2020 D 103 min D R: Damir Lukacevic D B: Damir Lukacevic D K: Sten Mende D S: Christoph Strothjohann D M: Boris Bojadzhiev D D: Doguhan Kabadayi, Mohammad Eliraqui, Derya Dilber, Christoph Letkowski, Dorka Gryllus D V: Warner Bros.
Beckenrand Sheriff
Ein nasser Hund Jüdisch im Wedding
Als Soheil (Doƒüuhan Kabadayƒ±) in den Wedding zieht, ist seine Religion eigentlich kein Thema für ihn. In seinem iranischen Elternhaus wird der jüdische Glaube nicht praktiziert. Die Eltern führen eine Schneiderei, haben sich angepasst. Sie lassen dem 16-Jährigen alle Freiheiten, sich einzuleben. So lernt Soheil bald die Gang von Husseyn (Mohammad Eliraqui) kennen, eine Gruppe muslimischer Türken. Mit ihnen zieht er um die Häuser, legt sich mit einer rivalisierenden Gang an und verliebt sich in das türkische Mädchen Selma (Derya Dilber) aus der Parallelklasse. Seine Guerilla-Aktionen als Sprayer „King Star“ bringen ihm Respekt unter den neuen Freunden. Bis er ihnen gesteht, dass er kein Moslem ist, sondern Jude. Basierend auf dem 2010 veröffentlichten autobiografischen Roman „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“ von Arye Sharuz Shalicar erzählt Damir Lukaƒçeviƒá (TRANSFER) vom alltäglichen Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen. Sein Film kann mit einigen bemerkenswerten jungen Darstellern aufwarten. Viele von ihnen stehen zum ersten Mal vor einer Kamera. Besonders von Hauptdarsteller Doguhan Kabadayi, der hier sein Schauspieldebüt gibt, wird man mit Sicherheit noch mehr sehen. Die Welt der Jugendlichen fängt die Kamera von Sten Mende (DARK) gelungen ein, die Generation der Eltern spielt eine untergeordnete Rolle. Einzig Kida Khodr Ramadan als Vater hat Einfluss auf Soheil. Aber auch er kann nur zusehen, wie sich sein Sohn verändert. Die Konsequenz aus dem Erlebten, die Shalicar in seinem Buch schildert, erschließt sich dagegen im Film nicht. Zu groß ist die Geste, mit der Lukacevic, der auch das Drehbuch verfasste, den Wandel von Soheil vom Opfer zum Kämpfer inszeniert. D Lars Tunçay ¢ Start am 9.9.2021
Der Bademeister, pardon: „Schwimmmeister“ Kruse hat so seine Regeln: Auf Bahn Sechs wird nicht gekrault, der Sprungturm ist kein Stehturm, um Punkt 9 Uhr wird das Bad eröffnet, um Punkt 19 Uhr werden die Liegen geradegerückt. Er hat außerdem ein Problem: Das renovierungsbedürftige Bad soll geschlossen werden. Gemeinsam mit dem nigerianischen Geflüchteten Sali, dem die Abschiebung droht, der Dopingsünderin Lisa und dem Wasserballteam unter der Leitung von Frau Wilhelm nimmt er den Kampf gegen die Schließung auf. ¢ Start am 9.9.2021 Deutschland 2020 D R: Marcus H. Rosenmüller D D: Milan Peschel, Sebastian Bezzel, Gisela Schneeberger, Rick Kavanian, Johanna Wokalek, Dimitri Abold
Der Rosengarten von Madame Vernet Eve Vernet (Catherine Frot) war einst eine der angesehensten Rosenzüchterinnen Frankreichs, doch inzwischen verkaufen sich nach Popstars benannte Kreuzungen viel besser als ihre liebevoll ausgegrübelten Kreationen. Um ihre Gärtnerei vor dem Ruin oder noch schlimmer, einer Übernahme durch den Konkurrenten zu retten, muss Eve neue Wege gehen. Da kommt ein zur Resozialisierung geschicktes Trio an jungen Mitarbeiter*innen ganz gelegen. Von Botanik verstehen sie wenig, aber viel von (Ein-)Brüchen. ¢ Start am 9.9.2021
When Soheil (Doƒüuhan Kabadayƒ±) moves to Wedding, his religion isn‘t really important to him. In his secular Iranian home, they don‘t practice Judaism . This changes when his Muslim friends find out that he‘s Jewish.
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Originaltitel: La fine fleur D Frankreich 2020 D 95 min D R: Pierre Pinaud D D: Catherine Frot, Melan Omerta, Fatsah Bouyahmed
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKRITIKEN
Ein bisschen bleiben wir noch
1986 – Der Film
Nur mit einer Packung Bonbons in der Tasche flüchten Oskar und Lilli aus ihrer Wohnung. Die Polizei war gekommen, um sie abzuschieben – nach einem Suizidversuch ihrer Mutter wird das Verfahren jedoch ausgesetzt. Die Geschwister werden getrennt und kommen in Pflegefamilien, eine problematischer als die andere, und setzen alles daran, wieder zueinander zu kommen. Arash T. Rihai, der selbst als Kind mit seiner Familie vom Iran nach Österreich emigrierte, inszeniert ihre Gefühlswelt mit wagemutiger Kamera und monumentaler Bildsprache. ¢ Start am 2.9.2021
„Das ist 1986“ sagt ein Schmuggler und zeigt auf einen gefällten Baumstamm, deren Ringe alle ab einer bestimmten Linie die Farbe wechseln. „Nach Tschernobyl hat sich der Wald plötzlich rot gefärbt.“ Lothar Herzogs kühles Regiedebut spielt im weißrussischen Teil der „Zone“ und erzählt von der Studentin Elena, deren Vater wegen Rohstoff-Schmuggelei im Gefängnis sitzt, deren Mutter apathisch zu Hause hockt, und die selbst zunehmend mit einem Gefühl von Sinnlosigkeit angesichts ihres Studiums zu kämpfen hat und schließlich des Schmuggeljob des Vaters übernimmt. ¢ Start am 9.9.2021
Österreich 2020 D 102 min D R: Arash T. Riahi D D: Leopold Pallua, Rosa Zant, Anna Fenderl,Christine Ostermayer, Rainer Wöss
Deutschland/Belarus 2019 D 77 min D R: Lothar Herzog D D: Daria Mureeva, Evgeni Sangadzhiev, Vitali Kotovitski, Helga Filippova, Aleksei Filimonov
INDIEKRITIKEN Deutschland 2021 D 125 min D R: Lisa Bierwirth D B: Hannes Held, Lisa Bierwirth D K: Jenny Lou Ziegel D S: Bettina Böhler D D: Ursula Strauss, Passi Balende, Nsumbo Tango Samuel, Victoria Trauttmansdorff, Alex Brendemühl D V: Port-Au-Prince
Le Prince
Liebe, Rassismus und postkoloniale Befindlichkeiten
Deutschland 2021 D 114 min D R: Detlev Buck D B: Daniel Kehlmann D K: Marc Achenbach D S: Peter R. Adam D D: Jannis Niewöhner, Liv Lisa Fries, David Kross, Joachim Król, Maria Furtwängler, Désirée Nosbusch, Nicholas Ofczarek, Anian Zollner D V: Warner Bros.
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull Prekär und schön
LE PRINCE erzählt von der Frankfurter Kuratorin Monika (Ursula Strauss), die in eine afrikanische Bar stolpert und während einer Razzia Joseph (Passi) begegnet. Joseph ist höflich, gutaussehend, im „Import/Export“-Geschäft tätig und sucht Investoren für eine Diamantenmine. Er führt Monika in eine andere Bar, in der er sie am Tresen zurücklässt, um Geschäfte mit Russen zu machen. Monika geht, hinterlässt ihm aber ihre Telefonnummer. So beginnt eine Beziehung. Lisa Bierwirths Debüt-Film verhandelt vor allem die Frage des Vertrauens zwischen den Liebenden, inspiriert von der Geschichte der Mutter der Regisseurin. Joseph ist immer wieder verschwunden, dann braucht er Geld. Monikas Umfeld, die hochkulturelle, institutionelle Bildungsbourgeoisie, warnt Monika mit rassistischen Obertönen: „Ich kann die Faszination ja verstehen …“ Der Film wahrt Distanz zu seinen Hauptfiguren und interessiert sich wenig für die Grundlage ihrer Beziehung. Es gibt zärtliche Momente und Sex, manchmal lachen beide am Anfang einer Szene, worüber bleibt unklar. Einmal sagt Joseph: „Die Männer haben Angst vor dir. Ich habe keine Angst.“ Joseph bleibt geheimnisvoll und erratisch, Monika ist komplexer gezeichnet. Sie beherrscht den Herrenreiterton der Kulturelite: „Sie sollen das nicht überprüfen, Sie sollen das korrigieren!“ Auf Vernissagen wirkt sie dagegen unsicher und linkisch: „Ich kann keinen Smalltalk“. Sie hilft Joseph immer wieder, der verschwindet immer wieder, oder gibt sich stolz: „Mein Vater wurde kolonialisiert, ich werde das nicht.“ LE PRINCE will eine komplexe Geschichte über Liebe, Rassismus und postkoloniale Befindlichkeiten erzählen, lässt aber so vieles offen, dass der Film eher als warnendes Beispiel und Mutter-Bashing erscheint. D Tom Dorow ¢ Start am 30.9.2021 One day Frankfurt curator Monika stumbles into an African bar and meets the mysterious Joseph during a raid. A complex love story begins.
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Den Felix Krull in Detlev Bucks Verfilmung des Thomas-Mann-Romans als „Hochstapler“ zu bezeichnen, ist eigentlich ungerecht. Erst im letzten Akt des Films gibt er sich als jemand aus, der er nicht ist. Davor nutzt er zwar seinen ganzen Charme und Einfallsreichtum, um seine gesellschaftliche Stellung zu verbessern, ist aber viel zu selbstverliebt in seine Schönheit, um jemand anderes zu sein. Seine traumatische Jugend in Armut, in der dieser Aufstiegswillen begründet ist, wird kurz abgehandelt, und zu dieser Zeit trifft Felix (Jannis Niewöhner) schon seine große Liebe, die Prostituierte Zaza (Liv Lisa Fries), die sich kurz nach ihm in die ausbeuterische Welt des Pariser Grand Hotels begibt, wo für Geld alles möglich ist, und die prekär Angestellten von allem Zuverdienst, sei es durch Diebstahl oder Sex, die Hälfte an Stanko, den Herrn der inoffiziellen Wirtschaft, abzugeben haben. Trotzdem kann Felix von dem, was er der reichen Madame Houpflé (Maria Furtwängler) im Rahmen von beidseitigen Dominanz-und-Erniedrigunsspielen „stiehlt“, genug ansparen, um einen anderen Gast, dem naiven Marquis De Venosta (David Kross), fast glauben zu lassen, sie wären finanziell ebenbürtig genug, um Freunde zu sein. Mit diesem Schritt ist Felix` Weg zum Hochstapler angetreten, und Venosta schlägt einen verlockenden Rollentausch vor, der ihn reich machen würde. Nur müsste Felix dafür Zaza aufgeben. Felix wird mehrfach gefragt, ob er Sozialist ist. Er verneint jedesmal, denn er will die Welt nicht verändern. Sie gefällt ihm wie sie ist, und solange er nur das Geld für alles, was er möchte, hat, ist es ihm auch egal, als wer er gesehen wird. Der Film unterstützt ihm darin, denn seine Welt ist schön anzusehen und lässt auch traurige Situationen so scheinen, als könnten sie über kurz oder lang nur ein gutes Ende nehmen. D Christian Klose ¢ Start am 2.9.2021 Adaption of the novel by Thomas Mann of the same title.
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKInder
Madison Rasant downhill
Madison ist gerade erst zwölf, aber manchmal meint man, eine kleine Erwachsene vor sich zu haben. Denn Madison ist auf dem Weg zur Profisportlerin. Wie ihr Vater möchte sie Radrennfahrerin werden, und sie ist bereits so gut, dass sie im Sommer ins renommierte BDR Trainingscamp darf, in dem die anderen Jugendlichen alle zwei Jahre älter sind als sie. Wenn sie dort zu den zehn besten gehört, wird sie in den Jugendkader der Nationalmannschaft aufgenommen! Für Madison und ihren Vater Timo gibt es kein größeres Ziel. Die beiden sind ein eingespieltes Team, und Mutter Katharina, der das alles zu ambitioniert ist und die eigentlich lieber mal ein Eis mit ihrer Tochter essen würde, wird von den beiden links liegen gelassen. Im Trainingslager läuft es
12 year old Madison is on her way to becoming one of the youngest cycle racing professionals of Germany. When she is kicked out of summer training camp after a fight and an accident shes dicovers that life doesn’t have to be a competition.
Termine unter www.indiekino.de
Originaltitel: Madison D Deutschland/Österreich 2020 D 87 min D R: Kim Strobl D B: Milan Dor, Kim Strobl D S: Britta Nahler D D: Felice Ahrens, Caroline Fabre, Pauline Grabosch, Florian Lukas D V: farbfilm Verleih
für Madison allerdings nicht gut: Sie ist langsamer als gedacht, fängt Streit an und hat einen Unfall. Der Trainer beschließt, dass sie doch noch zu jung ist, und Madison muss das Camp verlassen und – fast noch schlimmer – drei Wochen mit ihrer Mutter in Tirol verbringen, die dort Urlaub macht und Yoga-Unterricht gibt. Madison ist so enttäuscht, dass sie kaum merkt, dass die anderen Jugendlichen auf dem Dorf eigentlich ziemlich nett zu ihr sind. Ihre Gastbrüder Jo und Sammy nehmen sie herzlich auf, und die 13-jährige Vicky schleppt sie zum Mountainbiken mit. Und ganz langsam, nach und nach, entdeckt Madison, dass Radfahren einfach so zum Spaß in den Bergen mit Freundinnen auch ganz schön viel Freude machen kann … MADISON erzählt von schwierigen Entscheidungen, die der Traum vom Profisport mit sich bringt, feiert aber auch das Radfahren. Das Renntraining von Madison am Anfang des Films ist ebenso rasant gefilmt wie die Mountainbiketouren der Downhiller durch den Wald und über den Trainingsparkour. Ob Madison Profisportlerin wird, bleibt offen, radverliebt bleibt sie auf jeden Fall. D Hendrike Bake ¢ Start am 16.9.2021 SEPTEMBER 2021 D
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Die Spree – Sinfonie eines Flusses
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INDIEKINOHIGHLIGHTS
Cinéma Vérité: Defining the Moment
LET’S DOK – BUNDESWEITE DOKUMENTARFILMTAGE LETsDOK, das Dokumentarfilmfest zum Mitmachen, geht in die zweite Runde: Erneut können alle Interessierten, seien es Organisationen oder Privatpersonen, selbst Veranstaltungen anbieten. 2020 war das Festival noch eintägig, in diesem Jahr findet es eine Woche lang statt. Vom 13.–19.9. werden überall in Deutschland Dokumentarfilme gezeigt – im Kino, in Kulturzentren oder auf der improvisierten Leinwand im Hinterhof. Hinter der Initiative steht die AG DOK, Verband der Dokumentarfilmschaffenden in Deutschland, die so eine Grassroots-Bewegung für das Genre ins Leben rufen möchte. Sie unterstützt die Veranstalter*innen bei
der Filmauswahl und Kontaktaufnahme zu Rechteinhabern und Filmschaffenden. Informationen zum Teilnehmen und das bundesweite Programm gibt es unter: www.letsdok.de
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INDIEFEATURE
INDIEKINO: Herr Naber, die Schauspielerin Sandra Hüller bekam unlängst das Bundesverdienstkreuz aus der Hand des Bundespräsidenten. Sie erheben im Film heftige Vorwürfe gegen Herrn Steinmeier, würden Sie eine Auszeichnung von ihm annehmen? Johannes Naber: Mir geht es mit CURVEBALL nicht darum, Herrn Steinmeier in die Pfanne zu hauen. Der Film möchte aufzeigen, dass Institutionen uns Antworten schuldig sind. Es wurden Dinge unter den Teppich gekehrt, ohne dass es Konsequenzen gab. In anderen Ländern, etwa den USA, sind einige Politiker-Karrieren im Zusammenhang der Machenschaften mit dem Irak-Krieg beendet worden. In Deutschland ist das alles einfach so durchgelaufen. Der damalige Leiter des Kanzleramts und Koordinator der Geheimdienste ist heute Bundespräsident, was bezeichnend ist. Darum geht es mir, aber ich habe kein Mütchen zu kühlen mit Herrn Steinmeier. Der Film nennt klar die Namen von Politikern, die in die Sache verwickelt sind: Neben Steinmeier auch den damaligen Außenminister Fischer und Kanzler Schröder ... Es wurde damals von vielen gemutmaßt, dass die Begründung der Amerikaner für den Irak-Krieg eine glatte Lüge ist. Und es gab Leute, die dafür Beweise in der Hand hatten, aber dies für sich behielten. Ich möchte zumindest einmal die Frage stellen: Warum habt ihr das getan? Das war für mich der Grund für diesen Film. Mich interessiert die Verstrickung unseres Geheimdienstes und der Bundesregierung in dieser Sache.
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Warum hat das die Medien damals kaum interessiert? Es gab Artikel im „Spiegel“ und anderswo, aber eben keine große Titelgeschichte. Die öffentliche Aufregung hat sich in Grenzen gehalten, für die Protagonisten bestand nie ein Druck, sich zu den Dingen äußern. Was sicher damit zu tun hat, dass die Wahrheit nur scheibchenweise und zudem mit großen Zeitabständen ans Tageslicht kam. Hatten Sie bei der Vorbereitung und den Dreharbeiten bisweilen ein Knacken im Telefon gehört? Mit dem Knacken in Telefonen hatte ich gerechnet, erstaunlicherweise gab es jedoch nichts dergleichen. (Lacht) Die Tatsache, dass wir diesen Film machen konnten, hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass wir in Deutschland leben. Ich weiß nicht, ob solch ein Film in Russland möglich gewesen wäre. Wobei der Film ausschließlich Informationen benutzt, die öffentlich bekannt sind. Wir enthüllen keine Geheimnisse. Zu Beginn des Films gibt es den Hinweis „Dies ist eine wahre Geschichte. Leider.“ - Würde man diese absurde Story sonst als Märchen abtun? Wir versuchen mit CURVEBALL die Balance zwischen grotesker Komödie und investigativer Dokumentation. Dabei den richtigen Ton zu finden, hat uns lange beschäftigt. Die Hinweis-Tafel zu Beginn soll dem Publikum ein Gefühl vermitteln, dass wir Dinge auch ironisieren. Und es darum geht, das Groteske an dem Vorgang darzustellen.
INDIEFEATURE
Bereits mit seinem Debüt DER ALBANER (2010) gewann Johannes Naber den Max-Ophüls-Preis. Mit seiner Habgier-Komödie ZEIT DER KANNIBALEN (2014) gelang ihm dann vor sieben Jahren der Durchbruch: beste Presse, reichlich Publikum und der Deutsche Filmpreis. Nach der Verfilmung des Hauff-Märchens DAS KALTE HERZ (2016) hat Naber nun eine furiose Polit-Satire um gefälschte Informationen des BND über biologische Waffen im Irak gedreht, die dazu dienten, den Irak Krieg zu rechtfertigen. Die Hautrolle spielt Nabers Lieblingsdarsteller Sebastian Blomberg. Unser Autor Dieter Oßwald hat sich mit Johannes Naber unterhalten.
„Ich hoffe, dass Herr Steinmeier sich CURVEBALL im Kino anschaut“ Interview mit Regisseur Johannes Naber zu CURVEBALL
Politisches Kino gilt als ausgestorben. Fühlen Sie sich ein bisschen als Saurier in der Filmlandschaft? Ich wundere mich tatsächlich schon, weshalb diese Art von Kino so wenig stattfindet und so unmodern geworden ist. Zum Glück bekomme ich von Leuten immer wieder zu hören, wie wichtig sie meine Arbeit finden. Wie ein Saurier fühle ich mich jedenfalls nicht. Drehbuch-Ikone Wolfgang Kohlhaase ist an CURVEBALL beteiligt. Wie sah die Zusammenarbeit aus? Kohlhaase war in der sehr frühen Phase der Stoffentwicklung mit an Bord. Er hat sich sehr für die Geschichte interessiert und wir haben uns oft getroffen. Am Ende entschied er sich allerdings dagegen, das Drehbuch selbst zu schreiben. Gleichwohl stand er mir dann als dramaturgischer Berater zur Verfügung. Zum Beispiel bei der Frage, wie man mit Humor umgeht. Was war dabei die Erkenntnis? Man muss nicht versuchen, lustig zu sein. Sondern man sollte besser das Groteske in der Realität finden und herausschälen das haben wir jedenfalls versucht! Einmal mehr setzen Sie dabei auf Sebastian Blomberg. Was macht seine Qualitäten aus? Sebastian zählt für mich zu den besten deutschen Schauspielern. Er ist unglaublich mutig, wirklich zu spielen, statt sich hinter einer
mimischen Reduktion zu verstecken. Blomberg hat große Lust auf ein expressives Spiel, was viel risikoreicher ist als einfach nichts zu machen. Zudem besitzt er einen Humor, der sehr unterschwellig funktioniert. Weshalb haben Sie darauf verzichtet, die reale Schlüsselfigur der Geschichte Rafid Alwan zu treffen? Er hat seine Geschichte schon oft und vor vielen Kameras erzählt. Wir entschieden uns gegen einen Kontakt mit Alwan, weil wir uns durch ihn nicht instrumentalisieren lassen wollten. Er sollte nicht behaupten können, dass wir die Dinge so darstellen, wie er es uns erzählt hat. Und es soll uns auch niemand vorwerfen können, wir hätten vor allem seine verdrehte Sichtweise der Dinge reproduziert. Zudem muss man einfach sehen, dass er eine massiv unglaubwürdige Quelle ist. Darauf wollten wir uns nicht stützen. Der Bundespräsident gibt sich gern als leidenschaftlicher Kinogänger. Wie wird er wohl auf Ihren Film reagieren, falls er ihn denn anschaut? Ich hoffe, dass Herr Steinmeier sich CURVEBALL im Kino anschaut. Vermutlich wird er wütend sein und sagen, das wäre doch alles ganz anders gewesen. Oder er fühlt sich missverstanden. Ich würde mir wünschen, dass Herr Steinmeier seiner Wut dann Luft macht, indem er sich endlich einmal dazu äußert. Hier geht es schließlich nicht um Nichts! D Das Gespräch führte Dieter Oßwald SEPTEMBER 2021 D
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INDIESERVICE
Über uns Das INDIEKINO MAGAZIN erscheint alle ein bis zwei Monate und bietet einen Überblick über Neustarts, Festivals und Wiederaufführungen. Unser Herz gehört dem unabhängigen Film und dem unabhängigen Kino.
KINOS Das INDIEKINO MAGAZIN ist bundesweit in folgenden Kinos erhältlich: Alpirsbach: Subiaco Kino Bamberg: Lichtspiel, Odeon Berlin: Acud Kino, b-ware!ladenkino, Bali Kino, Brotfabrik Kino, Bundesplatz-Kino, City Kino Wedding, Eva-Lichtspiele, filmkunst66, Filmrauschpalast, FLB Weissensee, FLK Friedrichshagen, FLK Hasenheide, FLK Insel, fsk-Kino, Hackesche Höfe Kino, Hofkino, Il Kino, Kino Krokodil, Mobile Kino, Sputnik Kino, Tilsiter Lichtspiele, Union Filmtheater, Wolf Kino, Xenon Kino, Z-inema, Zukunft Bielefeld: Lichtwerk im Ravensberger Park, Kamera Filmkunsttheater Bonn: Kino in der Brotfabrik, Neue Filmbühne, Rex Filmtheater Bremen: Atlantis Filmtheater, Gondel Filmtheater, Schauburg Chemnitz: Kino Metropol Dießen am Ammersee: Kinowelt am Ammersee Dresden: Filmgalerie Phase IV Enkenbach-Alsenborn: Provinz Programmkino Erfurt: Kinoclub Erfurt Essen: Essener Filmkunsttheater Fellbach: Orfeo-Programmkino Frankfurt: Mal Seh’n Kino Freudenstadt: Subiaco Kino im Kurhaus Fürstenfeldbruck: Lichtspielhaus Fürstenfeldbruck Göttingen: Lumière Halle: Luchs Kino am Zoo, Puschkino Hamburg: Studio-Kino, Blankeneser Kino, Die Koralle, Elbe Theater
Heilbronn: Kinostar-Arthaus Hillesheim: Eifel Filmbühne Kaiserslautern: Union-Studio für Filmkunst Kassel: Bali, Gloria, Filmladen Kiel: Traumkino Köln: Filmpalette, Lichtspiele Kalk, Odeon Kino, OFF Broadway, Weisshaus Kino Lich: Kino Traumstern Ludwigsburg: Caligari Kino, Luna Lüneburg: Scala Programmkino München: Arena, Monopol Münster: Cinema Münster Nürnberg: Casablanca Filmkunsttheater Oberhausen: Kino im Walzenlager Ochsenfurt: Casablanca Kino Oldenburg: Cine k Pforzheim: Cineplex Pforzheim, Kommunales Kino, Rex Filmpalast Rendsburg: Kommunales Kino e.V., Schauburg Schneverdingen: LichtSpiel Schneverdingen Schramberg: Subiaco Kino Templin: Multikulturelles Centrum Weimar: Kommunales Kino mon ami Sie möchten das INDIEKINO MAGAZIN in Ihrem Kino auslegen? Wir beliefern Sie gerne kostenfrei. Sprechen Sie uns an: Telefon 030-209 89724, Mail: info@indiekino.de
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Impressum Herausgeber: INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) Rudolfstr. 11, 10245 Berlin Telefon: 030 – 209 897 24, info@indiekino.de, www.indiekino.de
Bildnachweis: Filmbilder/Plakatmotive: Filmverleiher/Filmfestivals
Geschäftsführung: Hendrike Bake Redaktion: Hendrike Bake, Thomas Dorow redaktion@indiekino.de Filmtexte: Hendrike Bake, Yorick Berta, Stefanie Borowsky, Tom Dorow, Christian Klose, Clarissa Lempp, Elinor Lewy, Michael Meyns, Pamela Jahn, Toni Ohms, Hannes Stein, Susanne Stern, Eva Szulkowski, Lars Tunçay Texte Kinohighlights: INDIEKINO MAGAZIN und Kinos Grafik: Michael Zettler, Nora Wiesner (Zett Media) Akquise/Marketing: Hendrike Bake, info@indiekino.de Druck: Bonifatius Druck, Paderborn Auflage: 25.000
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D SEPTEMBER 2021
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Nachbild In den letzten Monaten kündigte sich die Rückkehr des Expressionismus schon in Burhan Qurbanis BERLIN ALEXANDERPLATZ und in den Montagesequenzen von Dominik Grafs FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE an. In beiden Filmen wurden Stilmittel wie Hinterland das auf Ausdruck ausgerichtete Spiel von Albrecht Schuch oder an George Grosz angelehnte Bar- und Kabarettszenen aber eher als Zitat verwendet. Der österreichische Filmemacher Stefan Ruzowitzky (DIE FÄLSCHER, NARZISS UND GOLDMUND) hat nun mit HINTERLAND, der im Oktober ins Kino kommt, einen Film gedreht, dessen kompletter Look eine moderne Version des expressionistischen Stils von DAS KABINETT DES DR. CALIGARI zu sein scheint. Statt in gemalten Kulissen einer verzerrten, bedrückende Stadt wie in CALIGARI wird bei Ruzowitzky vor einem Bluescreen gespielt, dem später die von Digital Art Director Oleg Prodeus entworfenen Hintergründe hinzugefügt wurden. Ob das mehr als ein spektakulärer Effekt ist, werden wir im nächsten Monat sehen. Und überhaupt: Wer sagt, dass die spektakulären Effekte von heute nicht die Kunststile von morgen sind? Das Cabinett des Dr. Caligari
vorschau INDIEKINO im OKTOBER
D TITANE Genderhorror D CRY MACHO Eastwood philosophiert D Der Wilde Wald Nationalpark D HINTERLAND Neo-Expressionismus D DEAR EVAN HANSEN Teenage-Außenseiter-Musical D THE FRENCH DISPATCH Zeitung in Paris D KLASSENKAMPF Soziale Herkunft D NOWHERE SPECIAL Arbeitertragödie D THE SPARKS BROTHERS Avantgarde-Pop D TÖCHTER Eigene Pläne D Who‘s Afraid of Alice Miller? Drama des eigenen Kindes D LOBSTER SOUP Fischercafé D AUF ALLES, WAS UNS GLÜCKLICH MACHT Freundschaft, episch D DEAR FUTURE CHILDREN Protestbewegungen A DARK SONG Rituale D GENDERATION Gendernauts revisited D ONLINE FÜR ANFÄNGER Löschen im Netz D DIE LETZTE STADT Architektur und Philosophie D DIE GESCHICHTE MEINER FRAU Opulent
D 46
D SEPTEMBER 2021
RAPID EYE MOVIES PRÄSENTIERT
The story of Dinosaur jr.