INDIEKINO MAGAZIN #04, Dezember 2019

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D DER LEUCHTTURM Einsame Männer D THE FAREWELL Ehrlich & zärtlich D CUNNINGHAM Improvisation & Zufall D DIE SEHNSUCHT DER SCHWESTERN GUSMÃO Jahrzehntelange Suche D BRUDERLIEBE Sehr behutsam D SCHÖNHEIT & VERGÄNGLICHKEIT Katzen der Nacht D ALLES AUSSER GEWÖHNLICH Plädoyer für Menschlichkeit D JEANNETTE – DIE KINDHEIT DER JEANNE D’ARC Junge Revolte D DIE WACHE Prägnante Absurditäten D AQUARELA Blau, Grün und Schwarz D THE PEANUT BUTTER FALCON Zwei Männer und ein Floß D ARETHA FRANKLIN: AMAZING GRACE Zeit­dokument D JAM Rasantes Knirschen D DIE GLITZERNDEN GARNELEN Freundschaft, Solidarität, Glamour

Magazin FÜR unabhängigeS KINO

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indiekinoMAG

DER LEUCHTTURM – Start am 28.11.2019


„Dieser Film vereint New York und Woody Allen in Bestform.“ Timothée Chalamet Elle Fanning Selena Gomez Jude Law Diego Luna Liev Schreiber

A Rainy Day in New York Drehbuch und Regie

Woody Allen

Ab 5. Dezember im Kino

LES FICHES DU CINÉMA


Editorial Im Januar haben wir an dieser Stelle einen Ausblick auf das Filmjahr 2019 unternommen und die Prognose gewagt: „Dem Feminismus geht es gut!“ Und tatsächlich sind in diesem Jahr fantastische und sehr vielfältige Filme von Regisseurinnen ins Kino gekommen, angefangen bei CAPERNAUM von Nadine Labaki im Januar über Susanne Heinrichs DAS MELANCHOLISCHE MÄDCHEN bis hin zu Lulu Wangs THE FAREWELL. Céline Sciammas DAS PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN war in unserer Redaktion der absolute Favorit des Jahres 2019 (alle unsere Lieblingsfilme 2019 findet ihr auf den Seiten 40–42). Wenn man allerdings auf die nackten Zahlen schaut – offenbar ist es doch noch nicht an der Zeit, mit dem Zählen aufzuhören - relativiert sich das Bild. Wir haben uns angeschaut, wie viele der Filme, über die wir in diesem Jahr berichtet haben, von Frauen und wie viele von Männern gedreht wurden, und wir haben uns angesehen, aus welcher Perspektive sie erzählt sind, und wer im Fokus steht. Das erfreuliche Ergebnis: Fast so viele Filme handeln von Frauen oder einer weiblichen Perspektive, wie von einer männlichen Sicht der Dinge. Es war also auf jeden Fall ein ausgezeichnetes Jahr für Schauspielerinnen, die nicht nur große, sondern auch sehr komplexe Rollen aller Altersklassen spielen konnten. Olivia Colman in THE FAVOURITE, Corinna Harfouch in LARA, Juliette Binoche in WIE DU MICH WILLST – alles drei Filme von Männern übrigens. Mit 10% lag auch die Anzahl der queeren Geschichten im vermuteten Bevölkerungsschnitt. Der Downer: Der Anteil der Regisseure lag mit 77% bei über Dreiviertel, der von Regisseurinnen lediglich bei 23%, und der offen queerer Regieführender sogar nur bei 4%. Unser Fazit: Weibliche und queere Geschichten sind im Weltkino angekommen – weibliche und queere Filmschaffende noch nicht. Mal sehen, was 2020 bringt. Alles Gute für die Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr! Eure INDIEKINO-Redaktion Die Januar/Februar-Ausgabe von INDIEKINO erscheint als Doppelheft am 27.12.

GIULIANO MONTALDO

ANDREA CARPENZANO

ARTURO BRUNI

ANTONIO GERARDI

DONATELLA FINOCCHIARO

Ein Film von

Francesco Bruni (Scialla!)

www.kairosfilm.de

Ab 5. Dezember im Kino


INDIEINHALT

06 Magazin 10 „ICH WÜRDE SAGEN, DASS ICH EINE GEWISSE INNERE UNGEMÜTLICHKEIT ANSTREBE“ INTERVIEW MIT ROBERT EGGERS ZU DER LEUCHTTURM

30 JUNGE REVOLTE JEANNETTE: DIE KINDHEIT DER JEANNE D’ARC & JEANNE D’ARC

14 Ehrlich & Zärtlich THE FAREWELL

36 Kinderfilme

16 IMPROVISATION & ZUFALL CUNNINGHAM

38 Kinohighlights 45 Kinoadressen, Impressum, Abo 46 Nachbild

Neu im DEZEMber 34 29 23 33 39 38 32

7500 All I Never Wanted Alles außer gewöhnlich Alles was du willst Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Als ich mal gross war Das alte Böse

33 26 27 34 20 29 39 16

Alva Aquarela Aretha Franklin: Amazing Grace Auerhaus Bruderliebe Buñuel im Labyrinth der Schildkröten Cats Cunningham

32 14 20 22 27 20 38 28 30 28

Einsam Zweisam The Farewell Das Forum Der geheime Roman des Monsieur Pick Die glitzernden Garnelen Havelland. Fontane Holy Spirit Jam Jeannette – Die Kindheit der Jeanne d‘Arc The Kindness of Strangers

10 21 34 39 18 21 26 18 22 19 24 35 19 35

Der Leuchtturm Madame Motherless Brooklyn Nome di donna Ordinary Time Pavarotti The Peanut Butter Falcon A Rainy Day in New York Schönheit & Vergänglichkeit Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão Die Wache Wild Nights With Emily Wild Rose Die zwei Päpste

Starts der Woche 28.11.

5.12.

12.12.

25.12.

38 32 27 20 10 35

23 33 34 20 27 20 39 18 18 22 35

29 33 26 28 21 34 24 19

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Als ich mal gross war Das alte Böse Aretha Franklin: Amazing Grace Bruderliebe Der Leuchtturm Wild Nights With Emily

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Alles außer gewöhnlich Alles was du willst Auerhaus Das Forum Die glitzernden Garnelen Havelland. Fontane Nome di donna Ordinary Time A Rainy Day in New York Schönheit & Vergänglichkeit Die zwei Päpste

All I Never Wanted Alva Aquarela The Kindness of Strangers Madame Motherless Brooklyn Die Wache Wild Rose

7500 Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Cats Jeannette – Die Kindheit der Jeanne d‘Arc

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26.12.

16 32 14 38 26

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Cunningham Einsam Zweisam The Farewell Holy Spirit The Peanut Butter Falcon

Buñuel im Labyrinth der Schildkröten Der geheime Roman des Monsieur Pick Jam Pavarotti Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão



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Troppa Grazia

CINEMA! ITALIA! Jedes Jahr holt die Cinema!-Italia!-Tournee sechs aktuelle italienische Produktionen nach Deutschland. UN GIORNO ALL’IMPROVVISO erzählt im Geist des Neorealismus von einem 17 Jahre alten Fußball-Nachwuchsstar, der sich um seine psychisch labile Mutter kümmern muss. In UNA QUESTIONE PRIVATA erzählen die Brüder Paolo und Vittorio Taviani zum letzten Mal gemeinsam (Vittorio ist im April 2018 gestorben) von Widerstand, Freundschaft und Liebe in Kriegszeiten. MA COSA CI DICE IL CERVELLO ist eine überdrehte Spionage-Komödie und UNA STORIA SENZA NOME ein Mystery-Thriller um den Raub des Gemäldes „Natività“ von Caravaggio. In TROPPA GRAZIA erscheint der Landvermesserin Lucia (Alba Rohwacher) die Heilige Maria, und in OVUNQUE PROTEGGIMI versucht ein abgewrackter sardischer Folk-Sänger, einer Frau zu helfen, die das Sorgerecht für ihr Kind zurück will. Noch zu sehen in Frankfurt, Nürnberg, Marburg, Saarbrücken, Freiburg, Leipzig, Heidelberg und Berlin. cinema-italia.net

AKTIONSTAG: MENSCHSEIN Am 3.12., dem „Tag der Menschen mit Behinderung“ zeigen bundesweit nahezu 100 Kinos den Dokumentarfilm MENSCHSEIN von Dennis Klein und Oliver Stritzke, in dem die Regisseure um die Welt reisen und mit Menschen mit und ohne Behinderungen ins Gespräch kommen. Wie sind die Lebensbedingungen? Wie die Erfahrungen? Wie kann sich Zusammenleben gestalten? In vielen Kinos wird die Vorführung von Gesprächen begleitet: menschsein-film.de

VERLOSUNG II: DER KLEINE MAULWURF Weltweit

VERLOSUNG II: A TALE OF TWO SISTERS Der koreanische Horrorklassiker von Kim Jee-woon (I SAW THE

kicherte der kleine Maulwurf in über 80 Ländern, im Osten Deutschlands im Sandmännchen, im Westen in der Sendung mit der Maus. Zwischen 1957 und 2002 entstanden 63 Folgen, in denen „Krtek“ seine neugierige kleine Nase in die oberirdische Waldwelt streckt, Abenteuer mit seinen Freunden Hase, Maus und Fröschen erlebt und pfiffige Ideen umsetzt Die ersten 49, vom Erfinder Zdenêk Miler selbst gezeichneten Folgen gibt es nun erstmals als DVD-Box. Wir verlosen drei Boxen unter allen, die uns bis zum 15.12. eine Mail an info@indiekino.de schreiben. Stichwort: Maulwurf

DEVIL, A BITTERSWEET LIFE) ist von der ruhigen, verstörenden Sorte. Nach dem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik kehrt Su-mi mit ihrer jüngeren Schwester Su-yeon in ihr abgelegenes Haus auf dem Land zurück. Dort erwarten sie der stille, hilflose Vater, eine kalte Stiefmutter und die Geister der Vergangenheit. A TALE OF TWO SISTERS folgt einer mäandernden, manchmal auch ziemlich verwirrenden Geschichte, die Gegenwart und Vergangenheit, imaginierte und reale Geister verwebt und dabei schleichend eine intensive Atmosphäre des Unbehagens entwickelt. Ein paar gut getimte Schock­ effekte gibt’s auch. Wir verlosen das frisch erschienene Mediabook als DVD und Bluray. Bei Interesse schreibt uns bis zum 15.12. an info@indiekino.de, Stichwort: Two Sisters

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KURZFILMTAG

Überall in Deutschland werden am 21.12., dem kürzesten Tag des Jahres, Kurzfilme gemacht und gezeigt. Wer einen Raum zur Verfügung hat und zum Filmeschauen einladen möchte, kann dabei mitmachen, vom Kino über Kita und Schule bis zum WG-Wohnzimmer. Die Organisator*innen von der Dresdner AG Kurzfilm bieten ein umfangreiches Repertoire an Filmen an, aus denen sich die Veranstalter*innen selbst ein eigenes Programm zusammenstellen können. Dabei stehen Inklusion und Vielfalt hoch im Kurs: So gibt es ein „KitaKino“-Programm für die Kleinen und Kleinsten, die vielleicht zum allerersten Mal ein Filmfestival besuchen, eines für Filmfans Ü65 sowie Filme in leichter Sprache, mit Audiodeskription und Untertiteln. Thematischer Schwerpunkt sind in diesem Jahr „Gedankenspiele“ um Umweltschutz, Technologie, Digitales und Gesellschaft. Wer mitmachen oder mitgucken will, findet weitere Infos unter: kurzfilmtag.com

ALFRED HITCHCOCK IM FILMMUSEUM MÜNCHEN Das Filmmuseum München zeigt derzeit ALLE (!!!) Filme Alfred Hitchcocks (1899–1980) in Originalsprache. „Der Meisterregisseur“, wie der Titel der Retro heißt, wäre in diesem Jahr 120 Jahre alt geworden – zu diesem Anlass blickt das Münchner Filmmuseum auf sein umfangreiches Oeuvre zurück. Insgesamt 53 Filme drehte Hitchock zwischen 1925 (IRRGARTEN DER LEIDENSCHAFT) und 1976 (FAMILIENGRAB). Hier wird fündig, wer seine größten Erfolge wie PSYCHO oder DAS FENSTER ZUM HOF im Kino erleben oder sich in die obskureren Ecken seines Oeuvres vorwagen will. Los ging es bereits im September; bis zum 26. Februar 2020 werden Filme aus allen Schaffensphasen zu sehen sein, darunter DIE VÖGEL (1963) oder DER MANN, DER ZU VIEL WUSSTE (1934).

Jetzt auch zum Verschenken auf LaCinetek.de

EUROPÄISCHER FILMPREIS Zum 32. Mal vergibt die Europäische Filmakademie (EFA) am 7.12. den Europäischen Filmpreis. Zum ersten Mal bekommen auch Serienschaffende einen Preis, den „New European Achievement in Fiction Series Award“, mit dem die Macher der Serie BABYLON BERLIN geehrt werden. Den Preis fürs Lebenswerk erhält 2019 Werner Herzog, für die Beste europäische Leistung im Weltkino wird Juliette Binoche ausgezeichnet. Vierfach nominiert, etwa in den Kategorien Bester europäischer Film und Beste Regie, sind unter anderem THE FAVOURITE (Regie Giorgos Lanthimos) und – zu Redaktionsschluss jedenfalls noch – Roman Polanskis J’ACCUSE. Online-Live-Übertragung auf: europeanfilmawards.eu


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Ausstellung: Syd Mead – Future Cities Die Galerie O&O Depot in Berlin zeigt noch bis zum 16.1.2020 die erste deutsche Soloausstellung mit Werken des Zeichners und Designers Syd Mead. Syd Mead hat die Bilder der Zukunft entworfen, die das Kino bis heute bestimmen. Seine retro-futuristischen Entwürfe waren die Inspiration – oder gleich Teil des Set-Designs – für BLADE RUNNER und BLADE RUNNER 2049, Aliens, Tron, 2010, Mission to Mars und Elysium. Die Ausstellung SYD MEAD – FUTURE CITIES konzentriert sich auf Stadtansichten von Mead, vor allem aus seinem Band „Sentinel“ von 1979. „Sentinel“ bestimmte das Design von Downtown Los Angeles in BLADE RUNNER, aber in Meads Zeichnungen ist die Stimmung deutlich optimistischer. Seine Zukunft ist eine Welt aus Stahl und Licht, in der elegante Menschen entspannt den Luxus genießen. Meads Visionen stammen aus einer Zeit, als die Zukunft noch Stoff zum Träumen lieferte.

Future Urban Architecture © Syd Mead, 1979

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INDIEFEATURE

„Ich würde sagen, dass ich eine gewisse innere Ungemütlichkeit anstrebe“ Interview mit Robert Eggers zu DER LEUCHTTURM

INDIEKINO: Mr. Eggers, Sie konnten mit Willem Dafoe und Robert Pattinson für DER LEUCHTTURM zwei aktuell schwer gefragte Hauptdarsteller gewinnen. Brauchte es dafür viel Überzeugungsarbeit? Robert Eggers: Lustigerweise gar nicht. Ich kann noch immer nicht glauben, was ich für ein Glückspilz bin. Dass mein erster Spielfilm THE WITCH überhaupt ein Publikum finden würde, und dass dann zu diesem Publikum sogar Pattinson und Dafoe gehören würden, lag jenseits meiner D 10

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Vorstellungskraft. Aber so war es. Erst meldete sich Dafoes Manager bei mir, weil Willem mich zum Lunch treffen wollte. Und dann hörte ich von Pattinsons Agent, dass auch Robert mich kennen lernen will. Natürlich habe ich beide Male umgehend zugesagt! Als dann von den verschiedenen Projekten, die ich parallel in der Pipeline hatte, DER LEUCHTTURM der Film zu werden schien, der als erster grünes Licht bekommt, war es eigentlich klar, dass außer den beiden niemand für diese Rollen in Frage kommt.


INDIEFEATURE

Robert Eggers Debütfilm THE WITCH (2015) war einer der originellsten Horrorfilme der letzten Jahre. Einer amerikanischen Siedlerfamilie, die abgeschieden im Wald lebt, wird das Baby gestohlen. Der Wahnsinn der Mutter versteigt sich zum Glauben, ihre älteste Tochter sei mit dem Teufel im Bunde. Für seinen neuen Film THE LIGHT­ HOUSE (dt. Der Leuchtturm) hat Eggers zwei der renommiertesten Hollywood-Stars gewinnen können. Eggers schickt Willem Dafoe und Robert Pattinson in einen ähnlichen Wahnsinnstrip auf einer einsamen, sturmumtosten Leuchtturminsel.

Aber ein wenig Eigeninitiative oder eine Einladung zum Mittagessen machen doch noch niemanden zur Idealbesetzung, oder?

von Leuchtturmwärtern im Ruhestand, die immer noch alle 30 Sekunden innehielten, weil sie so gewohnt waren an den Rhythmus des Nebelhorns.

Die beiden passten in diesem Fall aus verschiedensten Gründen, von den Motiven dieser Geschichte angefangen bis hin zu einigen optischen Ähnlichkeiten. Die Wangenknochen, die Nasen, die Zähne – das passte sehr gut in diese Story. Außerdem gefiel mir einfach, dass sie beide an einem Punkt angekommen sind, wo sie immer auch auf der Suche nach dem spannendsten Material sind, das man als Schauspieler finden kann. Beide scheuen starken Tobak nicht und geben immer 120.000 %. Selbst wenn ich sie für meinen Film aus nächster Nähe mit einem Feuerwehrschlauch abspritze.

Was erhoffen Sie sich, wie man als Zuschauer*in aus DER LEUCHTTURM oder überhaupt aus Ihren Filmen herauskommt?

Das Drehbuch haben Sie gemeinsam mit Ihrem Bruder Max geschrieben. Hat die Dynamik zwischen den beiden Figuren der Geschichte irgendwie auf Ihre Arbeit zu zweit abgefärbt? Ein bisschen vielleicht tatsächlich (lacht). Ich war vermutlich für ihn das, was Willem Dafoe im Film für Robert Pattinson ist. Fand Max natürlich gar nicht gut. Aber ich bin nun einmal der Ältere, was also hat er erwartet. Wobei ich insgesamt doch hoffe, dass ich nicht ganz so schwer erträglich war. Und die sexuelle Spannung zwischen uns war auf jeden Fall auch geringer. Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre ja doch wenig freundlich-erbaulichen Filme? Vielleicht fragen Sie am besten meinen Therapeuten! Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich immer schon fasziniert war von der Dunkelheit, auch im übertragenen Sinne. Schon als kleines Kind mochte ich Darth Vader lieber als Luke Skywalker. Die Gründe dafür finden wirklich besser andere. Aber vielleicht ist es für mich einfach ein guter Weg, all diese finsteren Themen irgendwie zu verarbeiten, damit ich irgendwann ein halbwegs glücklicher, ausgeglichener Mensch werde, der in Ruhe Windeln wechselt und den Rasen mäht. DER LEUCHTTURM ist kein Film, in dem es zwingend um Realismus geht. Aber haben Sie sich damit auseinandergesetzt, welche Erfahrungen man als Leuchtturmwärter so macht? Selbstverständlich haben mein Bruder und ich auch recherchiert und uns mit diesem Beruf auseinandergesetzt. Dass man womöglich leichter dem Wahnsinn anheim fällt, wenn man so gut wie allein und vor allem von der Außenwelt abgeschnitten ist, hatte ich mir natürlich auch vorher schon gedacht. Aber wir begegneten dann auch vielen Geschichten von Männern, die das Geräusch des Windes irgendwann verrückt machte. Oder

Ich würde sagen, dass ich eine gewisse innere Ungemütlichkeit anstrebe. Zumindest in diesem Fall. Bei THE WITCH wollte ich schon, dass es dem Publikum beschissen geht. Am Ende gibt es zwar so eine Art Happy End, aber davor sollten alle dieses innere Unbehagen fühlen, dass ich als Kind immer hatte, wenn ich wusste, dass mein Zeugnis vor schlechten Noten nur so strotzt, aber es keinen Weg gibt, das irgendwie vor meinen Eltern zu verstecken. So eine Anspannung, die finde ich schon gut. Wobei es ehrlich gesagt auch nicht vollkommen verkehrt wäre, wenn ich hier den Klischee-Möchtegern-Auteur geben und sagen würde: ich möchte lieber Fragen heraufbeschwören als Antworten geben. Stimmt nämlich irgendwie auch. Und wie steht es mit Lachen? In Der Leuchtturm gibt es durchaus Momente, die mehr als nur ein bisschen komisch sind... Unbedingt wollte ich, dass hier gelacht wird. Ich glaube, das hat auch einige Zuschauer irritiert, die den Film womöglich nicht mochten, weil sie eine Art Fortsetzung von The Witch erwarteten. Der Film damals nahm sich unglaublich ernst, und das war auch wichtig, sonst hätte er nicht funktioniert. Doch Der Leuchtturm ist eben ganz anders gelagert. Wenn Willem Dafoe das erste Mal furzt, gibt es sicher etliche im Kinosaal, die sich wundern, was es damit auf sich hat. Was hat es denn damit auf sich? Soll das etwas aussagen über den Gesundheitszustand seiner Figur? Im Drehbuch schrieben wir über den ersten Furz, er sei eine „bewusste Machtdemonstration“. Wie schwierig war es, Ihre Vision umzusetzen, die Geschichte in Schwarzweiß zu erzählen? Ich habe wirklich großes Glück, dass mich meine Finanziers, Produzenten und Verleiher alle enorm unterstützen. Dass ich den Film überhaupt drehen konnte, grenzt für mich immer noch an ein Wunder, vom Schwarzweiß ganz zu schweigen. Natürlich kam am Anfang mal die Nachfrage, ob ich den Film nicht vielleicht digital und in Farbe drehen könne. Oder sonst zwar auf Film, aber eben in Farbe. Als ich klar machte, dass beides nicht in Frage kommt, gab es dann noch einen dritten Versuch: Vielleicht könnte DEZEMBER 2019 D

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ich wenigstens Farb-Negative verwenden, damit es eine Alternativ-Version in Farbe gibt, für Länder, in die sich Schwarzweiß-Filme einfach nicht verkaufen lassen? Aber ich habe auf meine Vision gepocht – und am Ende alle überzeugen können. Warum überhaupt Schwarzweiß? Zunächst einmal gefiel mir oberflächlich betrachtet einfach der Gedanke, eine in jener Zeit angesiedelte Geschichte in Schwarzweiß zu erzählen. Eigentlich natürlich Quatsch, denn nicht jeder Film, der 1890 spielt, wird automatisch besser, wenn er nicht in Farbe ist. Aber in diesem Fall hatte ich einfach den Eindruck, dass sich die karge, raue Welt dieser Leuchtturmwärter in Schwarzweiß einfach stimmiger einfangen lässt. Ich habe lange drüber nachgedacht, an welchen Stellen und warum die Geschichte oder mein Film von Farbe profitieren würden. Aber mir fiel nichts ein. Haben Sie die visuelle Sprache Ihrer Filme immer schon beim Schreiben im Kopf? Nicht komplett, denn das ist natürlich ein Prozess, zu dem verschiedene Faktoren und Beteiligte gehören, weswegen sich vieles erst im Verlauf des Filmemachens herausbildet. Manche Sequenzen habe ich beim Schreiben schon zu 100% so im Kopf, wie ich sie am Ende auf der Leinwand sehen will, und dann halte ich das auch im Skript fest. Aber vieles konnte ich mir noch gar nicht so genau ausmalen, bevor ich mit meinem Kameramann Jarin Blaschke in Nova Scotia den Dreh und die Locations vorbereitete. In diesem Fall entwickelte sich vieles, während wir die Storyboards für den Film fertigstellten und uns präzise auf Bilder und Einstellungen festlegen mussten: Da es aufgrund der Location so viele Einheiten im Filmteam gab, die für Sicherheit, Wasser, Tiere und Ähnliches zuständig waren und exakt wissen mussten, was sie erwartet, waren spontane Entscheidungen kaum möglich. Eine letzte Frage noch, weil ja gerade alle Welt darüber diskutiert, ob Comicverfilmungen echtes Kino sind. Dass ältere Herren wie Scorsese oder Coppola mit solchen CGI-Spektakeln wenig anfangen können, ist fast erwartbar. Wie sehen Sie die Sache als junger Regisseur, der so ganz andere Filme macht? Ich habe gar kein Problem mit Superhelden-Filmen, schließlich gibt es dafür ein riesiges Publikum. Für viele Fans ist das wie ein Religionsersatz, für die ist das Marvel-Universum fast ein heidnisches Pantheon und STAR WARS das neue Christentum. Sind diese Blockbuster große Kinokunst? Vielleicht nicht. Aber sie sind Filme und auch nicht per se schlecht. Tim Burtons BATMAN-Filme waren für mich echtes Kino, und die von Christopher Nolan auch. Also widersprechen Sie Scorsese? Wer wäre ich denn, dass ich Scorsese oder Coppola widerspreche? Die verstehen was von Kino und sind nicht dumm... Natürlich spricht mich die Art und Weise nicht an, wie diese Superhelden-Filme entstehen, die kommerzielle Maschinerie dahinter. Aber als Kind habe ich STAR WARS auch geliebt, schließlich entdeckt nicht schon jeder Sechsjährige David Lynch und Ingmar Bergman für sich. Sagen wir es mal so: irgendwann inspirierte mich Albrecht Dürer mehr als Stan Lee. D Das Gespräch führte Patrick Heidmann, Mitarbeit: Joanna Ozdobinska

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Originaltitel: The Lighthouse D USA 2019 D 110 min D R: Robert Eggers D B: Max Eggers, Robert Eggers D K: Jarin Blaschke D S: Louise Ford D M: Mark Korven D D: Willem Dafoe, Robert Pattinson D V: Universal Pictures

Der Leuchtturm Einsame Männer

Robert Eggers interessiert sich für den Wahnsinn, der aus Einsamkeit, Drogen, Aberglaube, Hunger und Isolation entsteht. Sein erster Film THE WITCH erzählte von einer amerikanischen Siedlerfamilie im 18. Jahrhundert, in der nach dem rätselhaften Verschwinden eines Babys Hexenglauben und Paranoia ausbrechen. THE LIGHTHOUSE erzählt von zwei Männern, deren Einsatz als Leuchtturmwärter auf einer einsamen Felseninsel länger dauert als geplant, bis die Nahrung und der Alkohol knapp werden. Eggers Film kreuzt den realistischen Horror von Jack London – vor allem dessen Kurzgeschichte “In a Far Country“, in der zwei Männer den dunklen Polarwinter am Yukon zu überleben versuchen – mit den fantastischen und ironischen Meereshorrorgeschichten von H.P. Lovecraft und den existentialistischen, wortgewaltigen Seemannsgeschichten von Herman Melville und hat es tatsächlich geschafft, daraus ein faszinierendes, spannendes, komisches und sehr bedrohliches Monstrum von einem Film zu produzieren. Das erste Bild sieht aus wie eine der „Seascapes“-Fotografien des japanischen Fotographen Hiroshi Sugimoto, der die Grenze zwischen Meer und Himmel mal als klare Trennung zwischen zwei Grautönen zeigt, mal als einen nebligen Verlauf. Es sind Bilder, die so ruhig wie bedrohlich wirken können, aber immer eine Dimension besitzen, die über ihre Materialität hinaus zu weisen scheint. In Eggers Film ist der Horizont über dem nebligen Meer nicht auszumachen. Aus dem sanften Grau, das die Leinwand ausfüllt, bildet sich erst allmählich die Silhouette eines Schiffs heraus. An seinem Bug stehen die beiden Männer, von denen der Film erzählen wird, und schon dieses erste Bild deutet an, dass sie in einem gleichgültigen Nichts verschwinden werden. Das Meer, das sie überqueren, ist real und zugleich der das Totenreich umschließende Acheron. Zwischen den beiden Männern, dem knorrigen Leuchtturmwärter Wake (Willem Dafoe) und dessen mysteriösem neuen Assistenten Winslow (Robert Pattinson) beginnt sofort ein Machtkampf. Wake ist Hüter der heiligen Leuchtturmflamme, Winslow hat den Dreck beiseite zu schaffen, die Nachtöpfe zu leeren, die Fürze des Älteren zu ertragen. Wake trinkt, Winslow nicht. Wake betet und flucht in Originalzitaten aus Melville-Texten, Winslow schlägt sich mit bösartigen Möwen herum und beginnt allmählich, unheimliche Dinge wahrzunehmen. Die Lage eskaliert, als auch Winslow zu saufen beginnt. Die Bilder kippen von einem gerade noch realistischen Stil in den Expressionismus, und der Wahnsinn rührt die große Trommel, unterstützt von den komplexen Soundscapes, die Eggers über die Bilder legt: Die Geräusche von Sturm, Regen, Wind, das Nebelhorn, die Möwenschreie, das Knirschen und Knacken der Maschinerie werden von Mark Korvens brillantem Orchestersoundtrack wieder aufgenommen und sorgen für permanente Anspannung. Was genau passiert, soll besser nicht verraten werden. Dafoe und Pattinson geben alles und haben sichtlich großen Spaß daran, sich vollkommen auszutoben. DER LEUCHTTURM ist wildes, originelles, bild- und sprachgewaltiges Genrekino mit einer großen Liebe zu älteren Formen des Films, vor allem denen der 20er bis 40er Jahre. D Tom Dorow

Start am 28.11.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

THE LIGHTHOUSE, a film about two men whose assignment as lighthouse keepers on a lonely rock island takes longer than planned, till food and alcohol becomes scarce, pulls you into a sense of impending doom and doesn’t let up.


» Ein furioser, tief bewegender Film. « SCREEN DAILY

INDIEFEATURE » Ein schillerndes Familien-Melodram, herzzerreißendes, großes Kino! «

YORCKER

JUliA StocKler CArol DuarTe

BRAZIL‘S OSCAR® ENTRY

BESTER AUSLÄNDISCHER FILM 92TH ACADEMY AWARDS 2020

DiE

SeHNsuChT DeR SChWESTeRN GusMÃO

Ein tropiSChes melodRaM von KarIM AÏnouZ

Ab 26. Dezember im Kino

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INDIEFEATURE

THE FAREWELL ist eine nahezu perfekt erzählte Familiengeschichte, ehrlich und zärtlich, nachfühlbar und berührend, und durchzogen von Momenten eines schrägen Alltags-Humors, wie er sich aus widersprüchlichen Gefühlen und Situationen ergibt. Lulu Wang beginnt ihr Debüt, dessen Oscar-Nominierung in den USA fast sicher scheint, mit der Ankündigung „Based on an actual lie“ – „Nach einer tatsächlichen Lüge“. Tatsächlich ziehen sich viele kleine Gelegenheitslügen durch den Film, das geht schon in der allerersten Szene los: Die dreißigjährige New Yorkerin Billi (wunderbar muffelig: Akwafina) läuft durch die Stadt und telefoniert mit ihrer Großmutter Nai Nai (liebevoll und taff: Zhao Shuzhen) in China, und dass die beiden sich sehr lieb haben, merkt man gleich. Nai Nai sitzt während des Telefonats in einem Krankenhausflur und wartet auf ihre Ergebnisse, aber als Billi fragt, wo sie gerade ist, sagt sie „Ich bin bei deiner Tante.“ „Das war nur eine Freundin“ antwortet Billi, als eine Frau sie auf der Straße anspricht und die Großmutter wissen will, mit wem sie da eben geredet hat. Die große Lüge kommt ins Spiel, als Billi wenig später bei ihren Eltern vorbeischaut und deren gedrückte Stimmung bemerkt. Zur Rede gestellt, erzählen sie: Nai Nai hat Krebs und die Ärzte haben ihr nur noch wenige Monate gegeben. Die Familie hat beschlossen, es ihr nicht zu sagen, aber damit alle die geliebte Nai Nai noch einmal sehen können, werden sie die Hochzeit von Billis Cousin feiern. Es wäre allerdings besser, wenn Billi nicht mit nach China kommt – sie kann ihre Gefühle zu schlecht verbergen. Natürlich fährt Billi dann doch. Lulu Wang fängt den teils traurigen, teils schrägen, teils unerwartet heiteren, teils auch ganz banalen Verlauf dieses Familientreffens präzise ein. In den Familiengesprächen am Rande vieler, vieler Mahlzeiten werden alte Trennlinien herausgekramt und wieder beiseitegeschoben, ost-westliche Vorstellungen von Familie verhandelt, Gefühle versteckt und gezeigt. Und immer wieder fängt ein großes Familienfoto die Temperatur des absurden, von Liebe getragenen Festes ein. D Hendrike Bake

The Farewell Ehrlich und zärtlich

USA 2019 D 98 min D R: Lulu Wang D B: Lulu Wang D K: Anna Franquesa Solano D S: Matt Friedman, Michael Taylor D M: Alex Weston D D: Awkwafina, Tzi Ma, Jim Liu, Gil Perez-Abraham, Ines Laimins D V: DCM Film

Start am 19.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Termine unter www.indiekino.de

Termine unter www.indiekino.de

Billi is a young New Yorker who loves her grandmother in China very much. When Nai Nai gets cancer, the family doesn‘t want to tell her anything and hastily organize a wedding instead so that everyone can see Nai Nai again.

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Cunningham Improvisation & Zufall

Die 1940er Jahre zementierten nicht nur die politische Hegemonie der Vereinigten Staaten, sondern auch ein neues kulturelles Selbstbewusstsein, das die amerikanische Kunst erstmals aus dem langen Schatten der europäischen Avantgarden treten lässt. Künstler*innen wie Janet Sobel, die viele Innovationen des großen Jackson Pollock vorwegnahm, John Cage und Merce Cunningham formulierten Vorstellungen von Kunst, die an die Stelle von menschlicher Intention und abgeschlossenem Werk den Zufall, die Improvisation und den Prozess setzten. Janet Sobel ließ Farbe auf Leinwände tropfen und beteiligte die Materialien an ihrer Formgebung. John Cage implementierte den Zufall, indem er seine Kompositionen durch Münzwürfe D 16

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bestimmen ließ, und hob den Unterschied zwischen Musik und Klang auf – bei seinem legendären Stück 4’33“ beispielsweise ließ er für die Länge von vier Minuten und 33 Sekunden keinen einzigen Ton spielen und erhob so die Stille, die feinen Geräusche der Atmosphäre, das Knacken und Husten aus dem Zuschauerraum zu Musik. Ähnlich versuchte der Tänzer und Choreograf Merce Cunningham, das Repertoire an tänzerischen Bewegungen zu erweitern und damit die Grenze zwischen Hochkunst und Alltag aufzubrechen. Cunninghams Einfluss auf die Kunst der Nachkriegszeit ist nach wie vor unterschätzt, und es ist schön, dass der Film CUNNINGHAM von Alla Kovgan ihn und seine Zusammenarbeit mit prominenten Künstlern


INDIEFEATURE

John Cage und Robert Rauschenberg nun in den Fokus rückt. CUNNINGHAM verzichtet auf biografische Herleitung und zeitgeschichtliche Einordnung. Stattdessen besteht ein großer Teil des Films aus Neuinterpretationen von Merce Cunninghams Choreografien, wobei die 3D-Fassung auch die räumliche Tiefe des Tanzes erfahrbar macht. So ahmt der Film nicht nur die Erfahrung einer echten Tanzaufführung nach, sondern bleibt auch dem performativen Charakter von Cunninghams Kunstform treu, die keine Geschichten erzählt, sondern den Zuschauern die Assoziation von abstrakten Bewegungen überlässt. CUNNINGHAM zeigt nicht, wer der Choreograf war, sondern was er tat. D Yorick Berta

Deutschland/Frankreich/USA 2019 D 87 min D R: Alla Kovgan D B: Alla Kovgan D V: Camino

Start am 19.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

A large portion of the film about groundbreaking choreographer Merce Cunningham is a reinterpretation of Cunningham‘s choreographies whereby 3D technology makes the spatial depth of dance accessible.

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INDIEKRITIKEN USA 2019 D 92 min D R: Woody Allen D B: Woody Allen D K: Vittorio Storaro D S: Alisa Lepselter D D: Elle Fanning, Timothée Chalamet, Jude Law, Selena Gomez, Diego Luna, Liev Schreiber D V: NFP

A Rainy Day in New York Städteliebeskomödie

A RAINY DAY IN NEW YORK ist ein weiterer Beitrag aus Woody Allens Komödien-Manufaktur– eloquente Leute schlendern durch New York und liefern sich geistreiche Wortgefechte in einem Tempo, das einem kaum Luft zum Atmen lässt. Die gute Nachricht: RAINY DAY ist Allens lustigster Film seit MIDNIGHT IN PARIS, mit einem außergewöhnlich starken Ensemble, das mit einem der besseren Drehbücher der letzten Jahre arbeiten kann. Dieses Mal spielt die Geschichte innerhalb von etwa 24 Stunden zwischen zwei verliebten College-Studenten, Ashleigh (Elle Fanning) und Gatsby (Timothée Chalamet), die für ein paar Tage Spaß und Arbeit in der Stadt sind. Ashleigh hat die aufregende Gelegenheit, einen berühmten Filmregisseur zu interviewen und Gatsby brennt darauf, seine jüngsten Poker-Gewinne auf den Kopf zu hauen. Obwohl sie eigentlich ein romantisches Wochenende geplant hatten, werden die beiden bald getrennt und in ihre eigenen Turbulenzen verwickelt, die ihre Beziehung ebenso wie ihr Selbstverständnis in Frage stellen. Die weiblichen Hautfiguren leuchten in Allens Filmen oft am hellsten und RAINY DAY setzt diese Tradition fort. Während Chalamet in einer beeindruckenden Leistung eine Variation des bekannten Allen-Charakters (der Typ der lieber im Jazz-Zeitalter leben würde) mit Leben erfüllt, ist es Fanning, die die Show stiehlt. Sie ist ein absolutes Wunder und verströmt den gleichen elektrisierend schrägen Zauber, mit dem Diane Keaton einst Woody Allens Filme bereicherte. Deshalb ist es schade, dass die Auflösung ihrer Geschichte etwas enttäuschend ausfällt. Abgesehen davon liefert A RAINY DAY IN NEW YORK aber den gewohnten Charme und Witz und setzt darüber hinaus die Zusammenarbeit zwischen dem 83-jährigen Allen und dem legendären 79-jährigen Kameramann Vittorio Storaro fort, dessen Arbeit jede Szene zu einem opulenten optischen Vergnügen macht. D Sean Erickson, Übersetzung: H. Bake

Start am 5.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 18

D DEZEMBER 2019

A RAINY DAY IN NEW YORK is another entry in Woody Allen’s list of light urban romantic comedies, following MIDNIGHT IN PARIS, TO ROME WITH LOVE, and VICKY CRISTINA BARCELONA.

Originaltitel: Tempo Comum D Portugal/Frankreich 2018 D 64 min D R: Susana Nobre D B: Susana Nobre D K: Paulo Menezes D S: João Rosas D V: Steppenwolf

Ordinary Time Zurechtfinden im neuen Leben

Die Stille nach dem Sturm. Ein frisch gebackenes Elternpaar kommt nach der Geburt ihrer Tochter mit dem Neugeborenen nach Hause und irgendwie ist alles wie zuvor und doch alles anders. In Susana Nobres Film ORDINARY TIME wird die junge Familie bei ihrem Ankommen und Zurechtfinden mit der neuen Lebenssituation gezeigt. Wie sie alten Routinen nachgehen, manche aufgeben, aber auch neue entwickeln. Es kommen viele Besucher: Freunde, Familie, Eltern. Man redet über das Kind, die Geburt, aber auch über die Arbeit und neue Projekte. Das Neugeborene weckt Erinnerungen an die eigene Kindheit und Mutter- oder Vaterschaft. Da ist die Großmutter, die zwar viele Ratschläge für das Paar hat, was man wann am besten machen sollte, doch selbst direkt sagt, dass sie kaum Zeit haben wird, um auf die Kleine aufzupassen. Da ist eine ältere Verwandte vom Land, die erzählt, wie hart es vor 50 Jahren im Vergleich zu heute noch war, ein Kind zu gebären und großzuziehen. Da ist ein Freund, der mit dem Vater teilt, wie seine sexuellen Bedürfnisse mit der Geburt seines Kindes zurückgegangen sind. Da ist ganz viel Liebe, ganz viel Zärtlichkeit, aber auch Angst und viele offene Fragen: Was ist gut für das Kind und was nicht? Wer sollte, wann, wie viel arbeiten? Darf man sich Zeit für einen selbst nehmen? Und wie wird dieses neue Leben zu dritt letztlich aussehen? Es ist still. Vater und Tochter schlafen. Marta sitzt in der Küche und trinkt den ersten Kaffee des Tages. Sie könnte jetzt endlich ohne Unterbrechung einmal arbeiten, die Wäsche machen und noch so vieles mehr. In diesem Moment, in dieser Ruhe des Morgens scheint es ganz klar zu sein, was nun wirklich zählt. Sie legt sich zurück ins Bett, zu ihrem Mann und ihrem Kind und schließt die Augen. D Karla Kabot

Start am 5.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Brand new parents come back home after the birth of their newborn daughter and somehow everything is like it was before yet everything has also changed. A documentary.

Termine unter www.indiekino.de


INDIEKRITIKEN Großbritannien 2018 D 101 min D R: Tom Harper D B: Nicole Taylor D K: George Steel D S: Mark Eckersley D M: Jack Arnold D D: Jessie Buckley, Sophie Okonedo, Julie Walters, Gemma McElhinney, Jamie Sives D V: eOne

Wild Rose

Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão

Traum von Nashville

WILD ROSE ist der Film zum in Großbritannien sehr erfolgreichen Comeback der irischen Schauspielerin Jessie Buckley als Countrysängerin. Buckleys Karriere begann vor 11 Jahren bei einer BBC-Talentshow, wo sie den zweiten Platz belegte. Mittlerweile hat Buckley eine Karriere zunächst auf Musical- und Theaterbühnen, aber auch als Schauspielerin in TV-Serien wie „Taboo“, „Fargo“ und „Czernobyl“ und in einigen Kinofilmen hinter sich. Aber erst seit sie klassische Country-Songs covert, hat Buckley auch als Sängerin wieder Erfolg. Die Irin Jessie Buckley spielt hier die Sängerin Roselynn Harlan aus Glasgow, die gerade aus dem Gefängnis entlassen wird. Sie träumt von einem Auftritt in der Grand Ole Opry in Nashville, der offiziellen Welt-Country-Zentrale, versucht aber zunächst, wenigstens ihren alten Job als Sängerin in der Glasgower Ole Opry wieder zu bekommen, obwohl ihre Fußfessel sie zwingt, jeden Abend um neun Uhr zu Haus zu sein und ihre beiden Kinder nicht auf Dauer bei der Großmutter (Julie Waters) bleiben können. Die Familienszenen, in denen Roselynn gegen innere und äußere Zwänge wütet und versucht, mit ihren Kindern und ihrer Mutter klar zu kommen, sind die überzeugendsten Teile des Films. Die Geschichte von Roselynns Freundschaft zu ihrer Arbeitgeberin, der reichen Ehefrau eines Gartenarchitekten, die ihr den Kontakt zu einem wichtigen Country-DJ verschafft, wirkt dagegen reichlich ausgedacht. Dafür sind die Dialoge präzise, Jessie Buckley hat Präsenz und Drive und singt so ordentlich, wie man das von einer europäischen Ex-Musical-Sängerin erwarten kann: mit Herz, aber sehr auf Effekt gebürstet, ohne die gelassenere Intensität der Originale von Emmylou Harris oder Wynona Judd zu erreichen. Wie viele andere britische Filme über Medien-Pop-Phänomene ist WILD ROSE ganz nett, aber das T-Shirt braucht man dann vielleicht doch nicht. D Tom Dorow

Start am 12.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Termine unter www.indiekino.de

Originaltitel: A vida invisível de Eurídice Gusmão D Brasilien 2019 D 139 min D R: Karim Ainouz D B: Murilo Hauser D K: Hélène Louvart D M: Benedikt Schiefer D D: Fernanda Montenegro, Carol Duarte, Gregorio Duvivier, Flavio Bauraqui D V: Piffl Medien

Irish actress and singer Jessie Buckley plays singer Roselynn Harlan, who dreams of performing in Nashville but has to stand on her feet again after being in prison in her hometown Glasgow.

Ein Wald an der Steilküste außerhalb von Rio de Janeiro. Euridice (Carol Duarte) folgt Guida (Julia Stockler) den Hang hinauf, verliert sie aus den Augen. Der Ruf nach der Schwester wird Sinnbild für die Geschichte, die sich in den folgenden, mitreißenden zwei Stunden entfaltet. Es sind die 1950er in Rio. Die Schwestern sind grundverschieden, aber dennoch eng verbunden. Die 18-jährige Euridice träumt von einer Karriere als Pianistin in Europa, während ihre zwei Jahre ältere Schwester Guida den Männern hinterherschaut. Als sie mit einem griechischen Matrosen durchbrennt, kommt es zu einem Zerwürfnis zwischen ihr und den Eltern. Für die Geschwister beginnt eine Suche nach einander, die viele Jahrzehnte umspannen wird. In sinnlichen Bildern adaptierte der in Berlin lebende Regisseur Karim Aïnouz (ZENTRALFLUGHAFEN THF) den Roman „Das unsichtbare Leben der Euridice Gusmão“ von Martha Batalha. Geschickt führt er durch die Epochen seiner Heimat. Die politischen Veränderungen spiegeln sich in dem Melodram einer verpassten Liebe zwischen zwei Freigeistern, die sich von den Fesseln des Patriarchats lösen und ihre Träume verwirklichen wollen. Aïnouz erlaubte sich einige Freiheiten gegenüber der Vorlage, verdichtete die Geschichte für die Leinwand und fuhr den schwarzen Humor zurück, zugunsten der Melodramatik. So fiebert und leidet man 140 Minuten lang mit den Schwestern Gusmão und schwelgt in den sinnlichen Bildern von Hélène Louvart (GLÜCKLICH WIE LAZZARO). Bei den Filmfestspielen in Cannes gewann Regisseur Karim Aïnouz für DIE SEHNSUCHT DER SCHWESTERN GUSMÃO in diesem Jahr den „Prix Un Certain Regard“, den wichtigsten Preis der Nebensektion, und kann sich nun Hoffnungen auf einen Oscar machen. D Lars Tunçay

Start am 26.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Rio de Janeiro in the 1950s. 18 year old Euridice Gusmão dreams of a career as a pianist, while her older sister Guida runs off with a sailor. The sisters begin a search for each other which will span over many decades.

DEZEMBER 2019 D

19 D


INDIEKRITIKEN Deutschland 2019 D 106 min D R: Julia Horn D B: Julia Horn D K: Timm Lange, Arne Wolter D S: Alexandra Karaoulis, Johannes Hiroshi Nakajima D M: Jörg Follert, SunSunPark D V: HornFilm

Havelland Fontane

Bruderliebe Sehr behutsam

Bruderliebe hat für Michael Becker viele Bedeutungen: „wenn man sich verstanden fühlt“, „wenn man sich teilt“, „wenn so, wie man ist, ok ist“, „Zuhausesein“, das alles versteht er darunter. Dass sich sein Bruder Markus bei ihm erkannt, verstanden fühlt, das wünscht er sich. Er pflegt seinen geistig und körperlich schwer beeinträchtigten Bruder bei sich zuhause, ein einsamer Mann einen einsamen Mann, beide zwischen vierzig und fünfzig. Nach einem Autounfall lag Markus im Koma, die Ärzte sagten ihm nur wenige Tage Leben voraus, ihr Vater plante die Beerdigung. Michael aber hatte sich vorgenommen, seinen Bruder zurück in die Gesellschaft zu holen. Er filmte die Familie und Nachbarn, das Einkaufszentrum, die Haferflocken, die sie beide zum Frühstück essen und spielte die Lebensschnipsel seinem Bruder im Krankenhaus vor. So begleitet Michael die Entwicklung seines Bruders mit der Kamera, und die Regisseurin Julia Horn mit ihrem Team die Entwicklung von deren Beziehung über mehrere Jahre: Die Bilder der Außenstehenden fließen in vom Protagonisten Selbstgefilmtes; Landschaften, Außenblicke und Videotagebuch wechseln sich ab. Michael hält Zustände, Launen, Anekdoten und den Blick von einer Schaukel in den Himmel fest. Horns Film BRUDERLIEBE ist sehr behutsam, die Kamera tastet die Körper und Gesichter ab, zeigt zwar Details, wirkt aber nie aufdringlich. Die Pflege sei „ein lebensgefährlicher Job“, weil man seinen eigenen Rhythmus verlasse und nur noch in jenem des anderen lebe, erzählt Michael. „Mein Leben findet gar nicht mehr statt“, so simpel formuliert er das Ergebnis seiner Entscheidung, seinen Bruder selbst zu pflegen anstatt ihn, wie es der überforderte Vater getan hätte, in ein Heim einzuweisen. Seine bedingungslose Zuneigung ist jeden Moment spürbar: Er glaubt an Liebe als Methodik zur Heilung. Und rät seinem Bruder Markus, aus seinen Gefühlen ein Schwimmbecken zu machen – damit er reinspringen und mehr davon haben könne. D Lili Hering Start am 28.11.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 20

D DEZEMBER 2019

After a serious accident the doctors prognose just a few more days for Markus, but his brother Michael believes Markus will wake up from his coma and brings pieces from his old life to the hospital every day. A documentary.

Seit 2016 ist der Dokumentarfilmer Bernhard Sallmann mit Theodor Fontanes „Wanderungen in der Mark Brandenburg“ unterwegs. Während im Off Auszüge aus Fontanes Texten zu hören sind, zeigt eine sehr stille, aufmerksame Kamera Bilder aus der Gegenwart, die so alltäglich wie bezaubernd sind. Nach ODERLAND. FONTANE, RHINLAND. FONTANE und SPREELAND. FONTANE erkundet der vierte und letzte Teil der Wanderungen HAVELLAND. FONTANE nun „die Verschmelzung einer Flusslandschaft mit dem Großraum Berlin-Potsdam“. Start am 5.12.2019

Deutschland 2019 D 109 min D R: Bernhard Sallmann D D: Judica Albrecht

Das Forum Drei Jahre lang hat das Team um Marcus Vetter (DER TUNNEL) vor und hinter die Kulissen des World Economic Forum im Schweizer Davos geblickt. Klaus Schwab hatte die Konferenz 1971 gegründet, um den Spitzen der globalen Politik und Wirtschaft einen Ort zu Austausch und Weiterbildung zu geben. Aber laufen die Fäden der Macht hier nur zu einer abgehobenen Parallelwelt zusammen, oder auch wieder zu einer tatsächlichen Verbesserung der Welt auseinander? Vetter lässt auch Kritiker*innen der Konferenz zu Wort kommen. Start am 5.12.2019

D 2019 D 115 min D R: Marcus Vetter

Termine unter www.indiekino.de


Madame

Pavarotti

Stéphane Riethauser erzählt in seinem Dokumentarfilm das Leben seiner Großmutter Caroline – und damit auch sein eigenes. Caroline hat ein schwieriges Verhältnis zu Männern und Stéphane zu Frauen, so stellt er gleich zu Beginn fest. Zusammen sind sie ein starkes Paar im Geschlechterkampf: Sie bleibt bis zu ihrem Lebensende lieber Single, als ihre finanzielle Unabhängigkeit für einen Mann aufzugeben. Stéphane bricht spät aus der heteronormativen Gutbürgerlichkeit aus und hat dann aber ein umso heftigeres Coming out als fernsehpubliker LGBTQ-Aktivist.

Luciano Pavarotti hat auf allen großen Bühnen und mit Popstars wie Bono und Elton John gesungen. Ron Howard (EIGHT DAYS A WEEK) interviewt Pavarottis Weggefährt*innen, und beschreibt den Lebensweg des Mannes mit dem Taschentuch von seiner Jugend als Sohn eines singenden Bäckers, über den Auftritt der „Three Tenors“ bei der Fußballweltmeisterschaft 1990, der sie auch jenseits der Opernwelt bekannt machte, bis zu Pavarottis Tod 2007.

Start am 12.12.2019

Schweiz 2019 D 94 min D R: Stéphane Riethauser D D: Stephane Riethauser, Caroline Della Beffa

Start am 26.12.2019

USA D 114 min D R: Ron Howard


INDIEKRITIKEN Originaltitel: Le mystère Henri Pick D Frankreich 2019 D 100 min D R: Rémi Bezançon D B: Rémi Bezançon, Vanessa Portal D K: Antoine Monod D S: Valérie Deseine D M: Laurent Perez del Mar D D: Fabrice Luchini, Camille Cottin, Alice Isaaz, Hanna Schygulla D V: Neue Visionen

Der geheime Roman des Monsieur Pick Literaturkritiker als Detektiv

Die ehrgeizige junge Verlegerin Daphné Despero (Alice Isaaz) lebt mit dem erfolglosen Schriftsteller Frédéric Koska (Bastien Bouillon) in Paris. Als sie gemeinsam Daphnés Vater im beschaulich-pittoresken Crozon im Département Finistère in der Bretagne besuchen, erzählt dieser von der ortsansässigen Bibliothek der abgelehnten Bücher. Zwischen den dort gelagerten, von Verlagen abgelehnten Manuskripten entdeckt Daphné eines, das sie begeistert: „Die letzten Stunden einer großen Liebe“. Der Pariser Verlag, für den Daphné arbeitet, veröffentlicht den Roman, der schnell ein Riesenerfolg wird – vor allem wegen der Umstände seiner Entstehung. Der verstorbene Crozoner Pizzabäcker Henri Pick soll den Roman heimlich im Hinterzimmer seiner Pizzeria verfasst haben. Doch während einer TV-Literatursendung äußert der berühmte Literaturkritiker Jean-Michel Rouche (Fabrice Luchini) Zweifel an der Autorschaft des Pizzeriabetreibers. Der zynische Kritiker hält das Ganze für eine geniale Inszenierung des Verlags, was er vor laufender Kamera kundtut. Daraufhin verliert er nicht nur seine Frau, die sich – durch den Roman inspiriert – mit schönen Worten von ihm trennt, sondern auch seinen Job. Verständlich, dass Jean-Michel nun Detektiv spielt, um herauszufinden, wer der wahre Autor des Romans ist. Nach anfänglichen Differenzen unterstützt Henri Picks Tochter, die literaturbegeisterte Joséphine (Camille Cottin), ihn bei seinen Recherchen. Mit DER GEHEIME ROMAN DES MONSIEUR PICK verfilmt Regisseur und Co-Drehbuchautor Rémi Bezançon (C’EST LA VIE – SO SIND WIR, SO IST DAS LEBEN) mit Witz und Leichtigkeit den gleichnamigen Roman von David Foenkinos, in dem der französische Autor seine eigene Branche und deren Marketingstrategien kritisch in den Blick nimmt. D Stefanie Borowsky

Start am 26.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 22

D DEZEMBER 2019

Cynical literary critic Jean-Michel is sceptical of the origin tale of the successful novel “The Last Hours of a Great Love“ – a Breton pizza chef Henri Pick is said to have written it in the back room of his pizzeria – and begins to investigate.

Deutschland 2019 D 79 min D R: Annekatrin Hendel D B: Annekatrin Hendel D K: Martin Farkas, Johann Feindt, Thomas Plenert D S: Gudrun Steinbrück D M: Robert Lippok D D: Sven Marquardt, Dominique „Dome“ Hollenstein, Robert Paris D V: Real Fiction Filmverleih

Schönheit & Vergänglichkeit Katzen der Nacht

Wie kommt man eigentlich zu so einem Job? Bei Sven Marquardt eine berechtigte Frage: Heute ist er als gefürchteter Türsteher des Berliner Technotempels Berghain bekannt; angefangen hat er mit einer Fotografie-Ausbildung in der DDR, wo er mit seinem punkigen Aussehen ordentlich aneckte und bald lieber Clubgänger*innen als Architektur fotografierte. Diesen Lebenslauf zeichnet der auf der Berlinale prämierte Dokumentarfilm SCHÖNHEIT UND VERGÄNGLICHKEIT von Annekatrin Hendel. Etwas beiläufig begleitet er außerdem Marquardts Jugendfreundin und Dauermuse Dominique „Dome“ Hollenstein und den ehemaligen Fotografiekollegen Robert Paris. Sie alle erzählen bereitwillig von den alten Zeiten als ikonisches Trio. Die eingeblendeten Schwarzweiß-Fotografien von Ost-Berlin und seinen hedonistischen Nachtschwärmer*innen sind ein Faszinationsgarant. Und auch die Videoaufnahmen sogenannter Modeschauen der 80er Jahre – „heute würde man dazu Performances sagen“ – sind aufregend. Die von ungekürzten Interviews nur lose strukturierte Erzählung plätschert vor sich: Mal berichtet Robert von seiner persönlichen und fotografischen Reise nach Indien, dann plaudert Dome über ihren Hauptverdienst, Rosenschmuck für bayerische Damen, und Sven erwähnt ihr gegenüber mehrmals seine Vorlieben für „angenehm emanzipierte Frauen“. Letztendlich bleibt es eine Hommage an Sven Marquardt, der mit seiner Berliner Schnauze bereits zu etlichen Interviews gebeten wurde. Wer tiefe Einblicke in sein Türsteher-Image erwartet, der hat sich in der falschen Schlange angestellt. Denn in SCHÖNHEIT & VERGÄNGLICHKEIT geht es vor allem darum, wie die Katzen der Nacht bei Tag und im Alter aussehen. Die Tür zum Seelenleben eines Türstehers öffnet hingegen die ebenfalls 2019 auf der Berlinale prämierte Doku BERLIN BOUNCER. D Anna Hantelmann

Start am 5.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Annekathrin Hendel portrays the East Berlin bouncer and photographer Sven Marquardt and his circle of friends.

Termine unter www.indiekino.de


Originaltitel: Hors Normes D Frankreich 2019 D 114 min D R: Eric Toledano Olivier Nakache D B: Olivier Nakache, Eric Toledano D K: Antoine Sanier D S: Dorian Rigal-Ansous D D: Vincent Cassel, Reda Kateb, Aloïse Sauvage, Mirabela Vian D V: Prokino

Alles ausser gewöhnlich Plädoyer für die Menschlichkeit

Mit unermüdlichem Einsatz arbeiten Bruno Haroche (Vincent Cassel) und seine Mitarbeiter daran, die Welt jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Sie engagieren sich für Heranwachsende, die von den Behörden als hoffnungslose Fälle abgestempelt werden. Rund 40 Jugendliche betreut die Gruppe aktuell, die meisten leben mit einer besonders schweren Form von Autismus und passen nicht in die gesellschaftliche Norm. Das Team von „Das Schweigen der Gerechten“ kümmert sich voll Liebe und Verständnis um sie, während ihnen das Gesundheitssystem Steine in den Weg legt, die sich nur durch Improvisation lösen lassen. Ihre Arbeit bewegt sich ständig im Grenzbereich der Legalität. Brunos Handy klingelt Tag und Nacht. An ein Privatleben ist da schon lange nicht mehr zu denken. Doch Kürzertreten oder gar Aufhören wäre keine Option, denn ein ganzes Netzwerk aus Ärzten und Eltern verlässt sich auf sie. Die Innenansicht, die Olivier Nakache und Éric Toledano hier liefern, basiert auf eigenen Erfahrungen. Die Regisseure arbeiteten selbst in der Einrichtung von Stephane Benhamou, wie Bruno im wahren Leben heißt. Sie erlebten die unhaltbaren Umstände, die den Alltag der Sozialarbeiter prägen, am eigenen Leib mit. Ihr Film ist entlarvend ehrlich und einnehmend. Auf einzigartige Weise verbinden Nakache und Toledano immer wieder sozialkritische Themen mit Humor, der auf einen breiten Geschmack trifft. Ihr soziales Engagement und die Leidenschaft, mit der sie wichtige Themen ansprechen, hat sich auch seit ihrem Durchbruch mit ZIEMLICH BESTE FREUNDE nicht geändert. Akribisch recherchieren sie ihre Themen und verfassen gemeinsam die Drehbücher. Knapp zwei Jahre nach DAS LEBEN IST EIN FEST legen sie mit ALLES AUSSER GEWÖHNLICH ein weiteres flammendes Plädoyer für die Menschlichkeit vor. Ein berührender, beglückender Film nah am Leben, der lange nachhallt. D Lars Tunçay

Start am 5.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Termine unter www.indiekino.de

Bruno Haroche and his colleagues support teenagers who are labeled as hopeless cases by the authorities. Olivier Nakache und Éric Toledano’s (THE INTOUCHABLES) new film.


INDIEFEATURE

Kurzweilig und kurios erzählt DIE WACHE eine nächtliche Episode auf der Polizeistation. Kommissar Buron (großartig: Benoît Poelvoorde) verhört seinen Hauptverdächtigen Fugain (ebenso großartig: Grégoire Ludig) auf jedes noch so banale Detail, um einen Mord aufzuklären. Wie von dem belgischen Kult-Regisseur, Musiker und Künstler Quentin Dupieux (RUBBER) zu erwarten, wird das Ganze von Minute zu Minute absurder und endet in einem fulminanten Finale. Was für alle Dupieux-Fans ein Muss sein wird, ist für Neueinsteiger ein sanfter Einstieg. Nach seinen schrilleren US-Produktionen, ist DIE WACHE Dupieux’ Rückkehr nach Frankreich und kommt um einiges klassischer daher: vom eleganten Set über den verhaltenen Soundtrack bis hin zu der minutiösen Sezierung französischer Gepflogenheiten. Produktionsdesign und Set stammen von Dupieux’ Frau Joan Le Boru und die Detailverliebtheit lässt sich sehen: Mit sanften Beigetönen und an die 70er Jahre angelehnten Frisuren hat eine Polizeistation nie ikonischer ausgesehen. Banalitäten und Alltagsgeschichten werden auf die Spitze getrieben. Es entfaltet sich ein Kammerspiel, das allein durch den

Die Wache

Prägnante Absurditäten Originaltitel: Au poste! D Frankreich 2018 D 73 min D R: Quentin Dupieux D B: Quentin Dupieux D K: Quentin Dupieux D S: Quentin Dupieux D M: David Sztanke D D: Benoît Poelvoorde, Grégoire Ludig, Anaïs Demoustier, Marc Fraize D V: Little Dream

Start am 12.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 24

D DEZEMBER 2019

KEEP AN EYE OUT tells a curious tale of a nightly episode at a police station in a curious way, where a very arduous investigation gets more absurd by the minute, so to speak.

Dialog und die fantasievollen Gedankenspiele von Kommissar und Verdächtigtem unterhält. Immerhin begann Dupieux seine Karriere beim französischen Wunderkind Michel Gondry. Mit ihm teilt er die hyperstilisierte Bildsprache und die damit verbundenen Seitensprünge in die Musikvideound Werbefilmwelt. Und Dupieux ist ebenso wie Gondry ein großer Träumer. Der Belgier kommt dabei aber weniger verspielt daher, sondern lebt von prägnanten Absurditäten in einem scheinbar langweiligen Alltag. In nur 73 Minuten entführt er sein Publikum mit DIE WACHE in eine Nacht, die in ihren Zwielichtigkeiten fast real erscheint. D Anna Hantelmann


INDIEFEATURE

DEZEMBER 2019 D

25 D


INDIEKRITIKEN Großbritannien/Deutschland/Dänemark 2018 D 89 min D R: Victor Kossakovsky D B: Victor Kossakovsky, Aimara Reques D K: Victor Kossakovsky, Ben Bernhard D S: Victor Kossakovsky, Molly Malene Stensgaard, Ainara Vera D M: Eicca Toppinen D V: Neue Visionen

Aquarela

The Peanut Butter Falcon

Blau, Grün und Schwarz

Zwei Männer und ein Floß

90 Minuten Wasser. In flüssiger und fester Form. Als Eis und Dampf. Das ist der Inhalt des neuen dokumentarischen Essayfilms von Victor Kossakovsky, bekannt für VIVAN LAS ANTIPODAS!, der geografische Antipoden beschrieb. Und auch AQUARELA lebt von Gegensätzen, beschreibt das lebensschaffende, lebenswichtige Element Wasser in seiner Schönheit und seiner Zerstörungskraft, zeigt, wie Menschen es zu beherrschen, zu bezwingen suchen und manchmal auch in ihm verenden. Gleich zu Beginn, in einer Sequenz, die auf dem sibirischen Baikalsee gefilmt wurde, sieht man Menschen und ihre Autos, die trotz brüchigem Eis versuchen, den See zu überqueren – und manchmal im Eis einbrechen. Von hier geht es weiter, nach Grönland, auf den Atlantik, nach Schottland und Miami, Mexiko und Venezuela, auf eine Reise um den Globus, die jedoch in keinem Moment etwa den lehrreichen BBC-Dokumentationen ähnelt, in denen die markante Stimme David Attenboroughs Halt verleiht und die Natur und Tierwelt immer vor allem malerisch erscheint. Was beide Ansätze verbindet: Sie sind bildgewaltig, Kossakovskys Film zusätzlich durch das Aufnahmeverfahren. Er drehte mit 96 Bildern pro Sekunde, die für die Kinoauswertung zwar auf 48 reduziert wurden, aber immer noch unfassbar scharfe, unwirklich klare Bilder erzeugen. Die Bilder aus den unterschiedlichen Regionen sind impressionistisch montiert, keine Texteinblendungen oder Kommentare bieten Orientierung, man muss, man sollte sich ganz dem Fluss der Bilder hingeben, der archaischen Kraft von Eisbergen, die abbrechen und unheilverkündend knacken, aber auch der Schönheit der Farben des Wassers, die AQUARELA oft wie ein Gemälde wirken lassen, eben wie ein Aquarell. So reines Blau, Grün, aber auch Schwarz hat man selten auf der Leinwand gesehen. Menschen kommen zwar auch gelegentlich vor, aber immer nur am Rand, quasi zum Größenvergleich, denn der unbestreitbare Star dieses überwältigenden Films ist eindeutig das Wasser. D Michael Meyns Start am 12.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 26

D DEZEMBER 2019

USA 2019 D 93 min D R: Tyler Nilson, Michael Schwartz D B: Tyler Nilson, Michael Schwartz D K: Nigel Bluck D M: Zachary Dawes, Noam Pikelny, Jonathan Sadoff, Gabe Witcher D D: Zack Gottsagen, Shia LaBeouf, Dakota Johnson, John Hawkes, Thomas Haden Church, Jon Bernthal, Bruce Dern D V: Tobis Film

90 minutes of water. In liquid and solid form. As ice and steam. The visually stunning essay film shows the element of water in its beauty and in its destructive power.

Zaks (Zackary Gottsagen ) erster Fluchtversuch kostet ihn einen Pudding und bringt ihn nur bis kurz vor das Altenheim, in dem er untergebracht ist. Da passt der 22-Jährige mit Down-Syndrom zwar nicht rein, aber niemand hat eine bessere Idee. Für die zweite Flucht muss er niemanden bestechen und läuft Stunden später in nichts als einer weißen Unterhose am eingeseiften Körper in die Freiheit, bis er auf einem Boot einschläft. Das gehört Tyler (Shia LaBeouf), und auch er ist auf der Flucht, vor seiner Vergangenheit und rachsüchtigen Fischern. Ballast kann er als einsamer Wolf nicht gebrauchen, und er will den blinden Passagier möglichst bald loswerden, aber so ein herzloser Knochen ist er gar nicht. Zak will in Florida bei seinem Lieblingswrestler Salt Water Redneck das Handwerk lernen, und Florida liegt auch auf dem Weg für Tyler. Auf ein Floß umgestiegen, schippern sie den Fluss hinab, mit wenig Gepäck, vielen Träumen und einem Glas Erdnussbutter. Über das Kämpfen weiß Tyler einiges, das er Zak beibringen kann, und sie reden über Familie und den Unterschied zwischen guten und bösen Herzen. Aber die Fischer sind noch hinter ihnen her, und die Pflegerin Eleanor (Dakota Johnson), die Zak sicher zurück ins Heim bringen soll, auch wenn es ihr schwerfällt, als sie ihn in seiner neuen Freiheit sieht. Das Langfilmdebüt von Michael Schwartz und Tyler Nilson konstruiert gekonnt eine humorvolle Geschichte, bei der verlorene Familienbande, Aussichtslosigkeit und drohende Gewalt überwunden und Freundschaften geknüpft werden, ohne dass auch nur eine Messerspitze Zynismus oder Kitsch darin steckt. Die Hauptrolle wurde für Zackary Gottsagen geschrieben, und er treibt mit seinem naiv-ehrlichem Enthusiasmus den Film an, liefert eine den anderen Darsteller*innen ebenbürtige Leistung ab und braucht als Charakter manchmal Hilfe, aber nie Mitleid. Idyllische Naturbilder und Folk-Musik runden das Ganze zu einer unterhaltsamen Reise à la Mark Twain ab. D Christian Klose

Start am 19.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Two men on the lam: 22 year old Zak with down syndrome and outsider Tyler sail towards Florida on a raft and become friends.

Termine unter www.indiekino.de


INDIEKRITIKEN Originaltitel: Les crevettes pailletées D Frankreich 2019 D 103 min D R: Maxime Govare, Cédric Le Gallo D B: Romain Choay, Maxime Govare, Cédric Le Gallo D K: Jérôme Alméras D S: Samuel Danési D M: Thomas Couzinier, Frédéric Kooshmanian D D: Nicolas Gob, Alban Lenoir, Michaël Abiteboul, David Baïot D V: Edition Salzgeber

Die glitzernden Garnelen Freundschaft, Solidarität, Glamour und Party

Eine Menge PRISCILLA – QUEEN OF THE DESERT, ein bisschen SWIMMING WITH MEN, ein bisschen FOUR WEDDINGS AND A FUNERAL und eine rundum sympathische Angelegenheit: DIE GLITZERNDEN GARNELEN erzählt eine fröhliche fiktionale Geschichte rund um das queere Wasserballteam „Les crevettes pailletées“, das es wirklich gibt und in dem Regisseur Cédric Le Gallo selbst trainiert hat. Aufhänger ist ein kleiner medialer Skandal. Der Profischwimmer Matthias Le Goff (Nicolas Gob) hat einen aufdringlichen Journalisten als schwul beschimpft und wird vom Verband mit gemeinnütziger Arbeit gestraft: Er soll die Garnelen für die anstehenden Gay Games in Kroatien trainieren. Unwillig stellt er sich beim Team vor und stößt dort auch nicht auf viel Gegenliebe – vor allem der aktivistische Joël (Romain Lancry) ist wenig begeistert von der Idee, einem homophoben Hetero einen Persilschein auszustellen. Beim Training stellt sich dann allerdings sehr schnell heraus, dass die sexuelle Orientierung gar nicht der größte Unterschied zwischen Matthias und den Garnelen ist: Während es Matthias vor allem ums Ziel, ums Gewinnen geht, geht es den Garnelen um Freundschaft, Solidarität, Glamour und Party. Im Zweifel ist ihnen der Preis für die beste Performance wichtiger als der Titel, und ihre größte Sorge ist neben der Qualifikation, für die sie das brachiale lesbische Team „Die Aufräumerinnen“ besiegen müssen, eine gute Abschlusschoreo hinzulegen. Bei der Qualifikation immerhin kann Matthias helfen. Die Choreo übernimmt Transfrau Fred. Und so macht sich die ganze Bagage – Matthias und seine Tochter, der heimlich kranke Teamchef Jean, sein unglücklicher Exfreund Alex, Baby Vincent, Fred, Joël, Partymaus Xavier und Familienmann Cédric – dann eines Tages im Sightseeing Bus (siehe PRISCILLA) auf den Weg von Paris nach Kroatien. D Hendrike Bake

Start am 5.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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Professional swimmer Matthias Le Goff calls an intrusive journalist gay and the association punishes him by making him do non-profit work: he has to train the gay water polo team “The Shiny Shrimps” for the upcoming Gay Games in Croatia.

Originaltitel: Amazing Grace D USA 2019 D 120 min D R: Sydney Pollack, Alan Elliott D S: Jeff Buchanan D D: Aretha Franklin D V: Weltkino

Aretha Franklin: Amazing Grace Schillerndes Zeitdokument

1972 erhielt Sidney Pollack, einer der profiliertesten New-Hollywood-Regisseure, den Auftrag, einen Film zu den Aufnahmesessions von Aretha Franklins Gospel-Album „Amazing Grace“ zu drehen. Die Aufnahmen fanden in der „New Temple Missionary Baptist Church“ in Los Angeles statt, vor einem Live-Publikum. Es sollte ein Baptistengottesdienst so „authentisch“ wie möglich simuliert werden. Das Album wurde zu einem gigantischen Erfolg, aber Sidney Pollacks Filmaufnahmen verschwanden für Jahrzehnte im Archiv, angeblich wegen technischer Schwierigkeiten bei der Ton-Bild-Synchronisation. Wenn man den im letzten Jahr von Allan Elliot fertiggestellten Film heute sieht, 47 Jahre nach der Entstehung der Aufnahmen, schleicht sich ein anderer Verdacht ein. Pollacks Film ist zu gut und komplex für das Geschäft – und zu wenig glamourös. AMAZING GRACE ist gerade kein immersiver Konzertfilm, in dem man versinken kann, sondern ein Film über eine Simulation. Pollack zeigt die Betriebsamkeit und die Schwierigkeiten der Technik, er zeigt die Probleme, die technische Verzögerungen mit der Stimmung im Publikum verursachen, die Animationsversuche des Reverend James Cleveland, die etwas gezwungene Ekstase des Southern California Community Choirs. In einem Baptisten-Gottesdienst wird der heilige Geist beschworen, hier wird er herbei inszeniert. Dabei steht die musikalische Qualität der Aufnahmen außer Frage. Aretha Franklin singt erd- und himmelerschütternd. Aber sie ist hier nicht die charismatische, kraftstrotzende, tanzende Soulkönigin, sondern eine schweigsame, tief konzentrierte – und tief religiöse – Künstlerin, die zwischen den einzelnen Songs wie eine lebende Statue auf der Bühne steht, während um sie herum die Produktion tost. In einer hinteren Ecke stehen Mick Jagger und Keith Richards an der Wand, knallwach und aufmerksam, als wollten sie keinen Moment verpassen. Das sollte man auch heute nicht. D Tom Dorow Start am 28.11.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

ARETHA FRANKLIN: AMAZING GRACE is a fascinating, dazzling historic document about a career highlight of one of the greatest singers of the 20th century, and about the production of one of her most successful albums.

DEZEMBER 2019 D

27 D


INDIEKRITIKEN Dänemark/Kanada 2019 D 112 min D R: Lone Scherfig D B: Lone Scherfig D K: Sebastian Blenkov D S: Cam McLauchlin D M: Andrew Lockington D D: Zoe Kazan, Tahar Rahim, Andrea Riseborough, Caleb Landry Jones, Jay Baruchel, Bill Nighy D V: Alamode

The Kindness of Strangers

Japan/Deutschland 2018 D 102 min D R: Sabu D B: Sabu D D: Shintarô Akiyama, Sho Aoyagi, Keita Machida, Hayato Onozuka D V: rapid eye movies

Jam

Rasantes Knirschen

Nicer than life

Lone Scherfig hat ein Weihnachtsmärchen gedreht: THE KINDNESS OF STRANGERS spielt in New York im Winter in einer Zeit, die möglicherweise die Gegenwart ist, vielleicht aber auch nicht. Die Frisuren sehen nach heute aus, die Autos und Hemden älter, das Macbook, das irgendwann groß im Bild ist, stammt definitiv aus diesem Jahrzehnt, aber niemand hat ein Handy. Vielleicht benutzt es auch nur keiner. In dieser Epoche, die der unseren sehr ähnlich sieht, aber irgendwie auch nicht, treffen einsame Seelen aufeinander, die ebenfalls etwas Unscharfes haben. Sie sehen den Leuten, die man so auf der Straße trifft, ähnlich, aber so ganz von dieser Welt sind sie nicht. Clara, die Zoe Kazan mit großen Augen und der Jahreszeit völlig unangemessenen Kleidchen spielt, ist mit ihren zwei kleinen Jungen vor einem gewalttätigen Ehemann nach New York geflüchtet. Da dieser Polizist ist, können die drei nirgendwo um Hilfe bitten. Jeff (Caleb Landry Jones) fliegt aus einem Job nach dem anderen. Einer der Bosse fragt ihn „Nenne mir eine Sache, in der du gut bist, eine einzige.“ Jeff fällt nichts. Er landet schließlich in der Suppenküche, in der die einsame Krankenschwester Alice (Andrea Riseborough) arbeitet. Die betreibt außerdem noch einen Gesprächskreis zum Thema Vergebung, den wiederum der schüchterne Anwalt John Peter und sein ehemaliger Klient, der misanthropische Marc regelmäßig besuchen. Und dann ist da noch ein runtergewirtschaftetes russisches Restaurant, das dem alten Timofey (Bill Nighy) gehört, der dort nur Kaviar serviert, weil die Küche so schlecht ist, und der über Geschäftliches nur sehr ungern redet. THE KINDNESS OF STRANGERS hat etwas von einem Kinder- oder Jugendbuch, alles ist etwas „nicer than life“, etwas skurril, und niemand auch nur das allerallerkleinstebisschen ambivalent, und natürlich findet sich, ganz weihnachtsgerecht, für alle Kümmernisse eine Lösung. D Hendrike Bake

Start am 12.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 28

D DEZEMBER 2019

A group of lonely souls find each other in a Christmassy, snowy New York.

Drei Geschichten, die auf komplexe Weise mit einander verknüpft sind: Der junge Takeru will seine im Koma liegende Freundin retten, indem er durch gute Taten gutes Karma erzeugt. Der Schlagersänger Hiroshi wird von einem weiblichen Superfan entführt und soll in einer Nacht einen Song für sie schreiben. Der aus dem Gefängnis entlassene Tetsuo will sich an seiner alten Gang rächen und wird nun von immer neuen Gangmitgliedern verfolgt, während er seine Großmutter im Rollstuhl durch die Stadt schiebt. Derweil planen die Gangster, auf die Tetsuo es abgesehen hat, einen Überfall auf Hiroshis Fan. Anders als in den ähnlich konstruierten Filmen von Alejandro G. Iñárritu (AMORES PERROS, BABEL) aus den Nuller Jahren, in denen die Erzähllogik den Anschein erweckte, dass ein geheimnisvolles Schicksal die Fäden unsichtbar zusammenhält, knirscht es ganz bewusst ganz gewaltig in der rasanten Erzählmaschine, die der japanische Regisseur Sabu zusammengebastelt hat. Sabus Filme sind Desillusionserzählungen. Hier geht nichts vollkommen auf, und wenn sich Erzählstränge berühren, dreht sich nicht gleich das Universum mit. Aber Sabu meint es auch besser mit seinen Figuren. So hysterisch überdreht, komisch und gewalttätig JAM teilweise auch sein mag, hat Sabu ein Herz für die aufrichtige Verzweiflung Takerus, und Hiroshi wird möglicherweise sogar von seinem Zynismus geheilt. Wenn Hiroshis Geschichte an Stephen Kings MISERY erinnert, oder die von Tetsuo an die „Lone Wolf and Cub“-Serie, dann verleiht Sabu diesen berühmten Erzählungen über den Wahn von Fans und die Unerbittlichkeit der Rache einen seltsamen, romantischen, absurden, aber sehr menschlichen Dreh. Dadurch wird nicht alles gut, aber manches anders und vieles ehrlicher. JAM ist mit leichter Hand gedreht und macht auf jeden Fall großen Spaß. D Hannes Stein

Start am 26.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Sabu tells three fast-paced stories that are tied to each other, even though nothing fully connects. JAM is shot with a light tone and is definitely very fun.

Termine unter www.indiekino.de


INDIEKRITIKEN Deutschland 2019 D 90 min D R: Leonie Stade, Annika Blendl D D: Marielle Blendl, Lida Freudenreich, Annika Blendl, Leonie Stade, Jochen Strodthoff D V: Cine Global

All I Never Wanted Media-Mockumentary

Originaltitel: Buñuel en el laberinto de las tortugas D Spanien/Niederlande 2018 D 80 min D R: Salvador Simó D B: Eligio Montero, Salvador Simó D S: José Manuel Jiménez D M: Arturo Cardelús D V: Arsenal Filmverleih

BuÑuel Im Labyrinth der Schildkröten Anarchie und Eitelkeit

Blitzlichtgewitter. Armin Rohde spannt den Bizeps, Bussis fliegen durch die Luft, Klaus Lemke hält ein Schild mit eindeutiger Botschaft an die staatliche Filmförderung ins Bild. Szenen eines deutschen Filmfests. Mittendrin: Annika Blendl und Leonie Stade, zwei junge Regisseurinnen auf Finanzierungssuche. „Wer sind die denn?“, raunt es und schon steht ein Veranstaltungsmitarbeiter da und schickt sie vom Teppich, der Platz werde schließlich für echte Promis gebraucht. Blendl und Stade brachten 2015 den Dokumentarfilm MOLLATH – UND PLÖTZLICH BIST DU VERRÜCKT in die Kinos. Was nun in ALL I NEVER WANTED folgt, ist ein Film im Film, ein Mockumentary, ein Gemisch aus dokumentarischer Methode und Spiel. Ein Nadelstich in die Glamourblase. Die Filmemacherinnen folgen für ihre fiktive Doku Frauen auf dem Weg zum Erfolg. Namentlich Mareile (Mareile Blendl), Schauspielerin Anfang 40, und dem minderjährigen Model Nina (Lida Freudenreich), die ihr Glück in Mailand versucht. Mareile steckt ihren eigenen TV-Serien-Tod und die folgende Karriereumgestaltung nicht gut weg. Vom landesweiten Abendprogramm geht es ans Provinztheater. Die junge Nina zerbricht derweil unter dem Casting- und Konkurrenzdruck. Die Super-Frauen drohen zu scheitern. Neben den beiden Protagonistinnen geht es auch um die Filmemacherinnen, die sich selbst schmierigen Investoren und anderen Hindernissen ausgesetzt sehen – und doch Teil der Maschinerie sind. Ohne Protagonistinnen gibt es keinen Film und ohne Film will der Investor das Geld zurück, daher greifen sie auch zu unorthodoxen Methoden, um Mareile und Nina am Ball zu halten. Tragisch-komisch inszeniert die Fake-Doku das alte Lied von Sein und Schein. Das wirkt mal plakativ, mal köstlich überspitzt und funktioniert in den situativen Momenten am besten. D Clarissa Lempp

Start am 12.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Termine unter www.indiekino.de

A film within a film, a mockumentary, a mixture of documentary methods and acting. ALL I NEVER WANTED follows several women on the path paved with compromises on their way to success in the media industry.

Paris 1933: Luis Buñuel, der surrealistische Skandalregisseur, hat ein neues Projekt – ausgerechnet einen Dokumentarfilm. Mit dem befreundeten Anarchisten Ramón Ancín und einer Crew macht sich der Künstler auf in die spanische Bergregion Las Hurdes, um das ärmliche Leben der dortigen Bevölkerung aufzunehmen. Das Ergebnis, der halbstündige Film LAS HURDES, TIERRA SIN PAN (Land ohne Brot, ESP 1933), wird dann aber doch keine „richtige“ Doku, weil der Regisseur das Inszenieren nicht lassen kann und der surrealistische Impuls ihn zur Verfremdung drängt. Der biografische Animationsfilm BUÑUEL IM LABYRINTH DER SCHILDKRÖTEN von Salvador Simó, basierend auf einer Graphic Novel von Fermín Solís, zeigt die kuriose Entstehungsgeschichte des Films (und nimmt sich dabei selbst künstlerische Freiheiten heraus). Seinen größten Reiz bezieht der Film aus dem Wechsel zwischen Zeichentrick und den Originalaufnahmen: Das scheinbar Dokumentarische wird als gestellt entlarvt, während das Gezeichnete vorgibt, „wirklich“ zu sein. Die Welt besser machen, Menschen helfen, die Revolution anzetteln – nicht weniger als das ist die Motivation hinter Buñuels und Ancíns Projekt. Demgegenüber stehen der Geltungsdrang und die Eitelkeit des Künstlers, derer sich Luis selbst im Angesicht des Elends, das er in den Bergen vorfindet, nicht ganz entledigen kann. Auch wenn der Animationsfilm sich Mühe gibt, uns Buñuel nahe zu bringen als fehlbaren, aber dennoch sympathischen Typen, bleibt der Regisseur einem doch vor allem als Arsch in Erinnerung – nicht nur im Umgang mit den Tieren, die für die Entstehung von LAS HURDES ihr Leben lassen mussten. Schlussendlich drängt BUÑUEL zu sehr auf eine harmonische Auflösung seiner Konflikte und scheint sich nicht so recht zu trauen, den unangenehmen Ambivalenzen der Wirklichkeit konsequent ins Auge zu blicken. D Eva Szulkowski

Start am 26.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

The biographical animated film BUÑUEL IN THE LABYRINTH OF TURTLES shows the strange origin story of the Buñuel’s film LAS HURDES.

DEZEMBER 2019 D

29 D


INDIEFEATURE

Die Wahrheit liegt im Schrägen Bruno Dumont hat vier Texte von Charles Peguy für zwei Filme über Jeanne d‘Arc bearbeitet. Wie die Figur der Johanna von Orléans selbst ist auch Charles Peguy eine politisch umstrittene Figur, auf die sich rechte Nationalisten und katholische Extremisten ebenso berufen wie linke Philosophen, etwa Alain Badiou. Peguy stammte aus einer Bauernfamilie und war Sozialist, bevor er sich dem Katholizismus zuwendete, den Modernismus ablehnte und über die Aufwertung der Tradition bei nationalistischen Begriffen landete. Als einer der ersten französischen Freiwilligen wurde er 1914 im Krieg erschossen. Bruno Dumont hat in Interviews gesagt, er verstehe sich selbst als einen „Primitiven“, der sich außerhalb der realen Politik sieht. An Peguy scheint ihn vor allem das Wüten gegen die Welt zu interessieren.

JEANNETTE – DIE KINDHEIT DER JEANNE D’ARC JEANNETTE hätte man wohl früher als „Rockoper“ bezeichnet. Hier tanzen und headbangen die Darsteller*innen, die zum Großteil Laien sind, zur Musik des französischen Elektro-Metallers Igorrr. Die achtjährige Lise Leplat Prudhomme als Jeannette und später die ältere Jeanne Voisin stehen in irgendwelchen Dünen und singen mit voller Inbrunst Peguys fast liturgische, sich oft wiederholende Verse – Peguy verstand seine Werke über Jeanne D‘Arc als eine Art mittelalterliches Mysterienspiel. Eine Handlung im eigentlichen Sinne gibt es nicht. In drei Monologen und drei Dialogen – mit einer gleichaltrigen Freundin, einer von Zwillingen gespielten Nonne, und einem täppischen Onkel – klagt Jeanne über die Abwesenheit des Königreichs Gottes und hadert damit, handeln zu dürfen, zu können und zu wollen und die Eltern belügen zu müssen. Der innere Aufruhr ist groß, aber selbst die Musik wird immer wieder von gleichgültigem Schafsblöken unterbrochen. „Das Risiko der Ernsthaftigkeit ist, dass sie zu Schwulst wird, weshalb man sie (…) mit der Komödie und dem Schwank ausbalancieren muss. Die Wahrheit liegt notwendigerweise im Schrägen“, sagt Dumont im Interview in Le Monde. Und so mögen die in Jeannes Vision in Bäumen schwebenden Heiligen so albern wirken wie die headbangende Doppel-Nonne und der schlecht rappende Onkel, dennoch hat das alles etwas Berührendes. Vor allem, wenn Jeanne über das Elend der Welt klagt – „Immer nur nichts, nichts, niemals nichts“ – und dabei ihr Kindergesicht in Großaufnahme keine Spur von Zweifel zeigt, ist das erstaunlich erschütternd. Die schwebenden Heiligen im Baum tauchen allerdings auch schon in der wohl frühesten Filmversion der Jeanne d’Arc von George Méliès um 1900 auf. Vielleicht will Dumont auch zurück zu einer naiveren, direkteren Form des Kinos.

Originaltitel: Jeannette, l’enfance de Jeanne d’Arc D Frankreich 2017 D 115 min D R: Bruno Dumont D B: Bruno Dumont D K: Guillaume Deffontaines D S: Basile Belkhiri, Bruno Dumont D M: Gautier Serre D D: Lisa Leplat Prudhomme, Jeanne Voisin, Lucile Gauthier, Victoria Lefebvre D V: Grandfilm

Start am 25.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 30

D DEZEMBER 2019

Bruno Dumont‘s extremely odd rock opera about Jeanne d‘Arc‘s childhood is a about the ecstatic decision to revolt.

Ohne die Choreografien und die Musik wären Peguys Texte kaum zu ertragen, dazu ist dessen Weltentwurf doch etwas zu streng, zu nationalistisch („Frankreich den Franzosen“) und zu katholisch. Andererseits zeigt der keinerlei Religiosität verdächtige Dumont eben keine Heldin, die notwendigerweise für das Richtige kämpft, sondern einen kindlichen emotionalen Aufruhr. Der Aufruhr sieht sich immer auf der Seite der Gerechtigkeit, egal auf welches Weltkonstrukt er sich bezieht, und sei es die idiotische Idee, das Oberhaupt des Hauses Valois sei gottgewollter als das Oberhaupt des Hauses Lancaster. JEANNETTE meint vermutlich nicht nur Greta Thunberg, sondern auch die jungen Faschisten.

JEANNE D’ARC JEANNE beginnt am Vorabend von Jeanne d’Arcs letzter Schlacht und Gefangennahme und erzählt von ihrem Prozess. Gesungen wir nur noch selten. Wenn JEANNETTE ein Film über die innere Ekstase des Aufruhrs ist, ist JEANNE ein Film über die Melancholie des Scheiterns an der Welt und über den Sophismus der Macht. Der harte Sound aus JEANNETTE ist einem sanfteren, melancholischen Pop gewichen, geschrieben vom 74 Jahre alten Sänger Christophe. Jeannes innere Monologe singt Augustin Charnet von der französischen Indieband Kid Wise, später tritt Christophe selbst als Jeannes letzter Ankläger auf und singt in der gleichen, hohen Tonlage, nur mit etwas brüchigerer Stimme, über eine furchtbare Höllenvision. Zunächst aber geht JEANNE so weiter wie JEANNETTE. Die Darsteller stehen in irgendwelchen Dünen, angeblich ist irgendwo in der Nähe Paris, hinter der Baumgruppe da hinten. Jeanne steht vor der endgültigen Niederlage. Gilles de Rais, ihr Marschall und später einer der grausamsten


INDIEFEATURE Verbrecher der Geschichte, spricht am Morgen vor der Schlacht über ein Massaker, bei dem Franzosen eines der reichen Dörfer in der Nähe geplündert, Männer, Frauen und Kinder verbrannt haben. Er bereut, es verpasst zu haben, zu schade, so ein Spaß. Jeanne glaubt, es wären die Engländer gewesen. Die Engländer seien nicht so dumm, Frauen zuerst zu verbrennen, tot wären sie ja zu nichts nutze. Man könne sie zwar auch tot noch benutzen, aber... Das sei Hexerei, sagt ein Kardinal, sind sie ein Hexer, Monsieur de Rais? Noch nicht, sagt de Rais. Nach diesen Reden mag sie die Kriegsmaschine nicht mehr anschmeißen. Für die Schlacht selbst steht die Reitertruppe vom Elysee-Palast ein, die um Jeanne herum ein paar Figuren reitet, oft aus der Perspektive Gottes

selbst gefilmt, von ganz oben. Dann wird Jeanne gefangen, und der Prozess beginnt. Den filmt Dumont in einer echten Kathedrale, wenn auch der von Amiens, nicht der von Rouen, wo der historische Prozess stattfand. Jeannes Ankläger, die im Auftrag der mit den Engländern verbündeten Burgunder ein politisch kommodes Urteil fällen müssen und zugleich eine „Wahrheit“ produzieren müssen, die im Propagandakrieg funktioniert, sind Karikaturen, deren Grimassen und Selbstinszenierung an Schurkenund Idiotenrollen von Monty Python bis zu STAR WARS-Filmen denken lassen. Jeanne, wieder von der inzwischen zehn Jahre alten Lise Leplat Prudhomme gespielt, steht in vollendeter, mysteriös geheimnisloser Unschuld vor ihren Anklägern. Es ist ein zäher Prozess, und auch der Film zieht sich dahin, während die Schurkerei ihren Lauf nimmt. Dumont zeigt auch die Hilfs- und Unterschurken, die notwendig sind, um die Welt so zu erhalten, wie Jeannes Rebellion sie nicht wollte: die drögen Soldaten, die halb professionellen, halb verblödeten Folterer, die ihr Metier nur als einen Beruf unter vielen sehen. Das hat einen gewissen Witz, aber an den Furor von JEANNETTE reicht JEANNE nicht heran. Nur wenn Christophe von der Hölle singt, entwickelt der Film ganz unmittelbare Wucht. D Tom Dorow Originatitel: Jeanne d‘Arc D Frankreich 2019 D 13 min D R: Bruno Duont D B: Bruno dumont D K: David Chambille, M: Christophe D D: Lise Leplat Prudhomme , Annick Lavieville , Justine Herbez , Benoît Robail Alain Desjacques , Serge Holvoet, Julien Manier D V: Grandfilm

Start am 2.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

The second part of Bruno Dumont‘s strange biopic of Jeanne d‘Arc begins on the eve of Jeanne‘s final battle and recounts her trial.

«EINE HERRLICH SKURRILE KOMÖDIE» ROLLING STONE fr

«POINTIERTE INSZENIERUNG» KINO-ZEIT.DE

EIN VERHÖR VON BENOÎT POELVOORDE AB 12. DEZEMBER IM KINO, SOZUSAGEN


INDIEKRITIKEN Originaltitel: Deux Moi D Frankreich 2019 D 110 min D R: Cédric Klapisch D B: Cédric Klapisch D S: Valentin Féron D D: François Civil, Ana Girardot, François Berléand, Camille Cottin D V: STUDIOCANAL

Einsam zweisam Eher schüchterne Leute

Mit EINSAM ZWEISAM (DEUX MOI) kehrt Cédric Klapisch ein wenig zu seinen Anfängen von CHACUN CHERCHE SON CHAT (1996) zurück, in dem die junge Chloë ihr multikulturelles Pariser Viertel an der Bastille kennenlernt und vielleicht die Liebe findet, als sie ihr verloren gegangenes Kätzchen Gris-Gris sucht. Auch diesmal spielt ein Kätzchen eine Rolle, und auch diesmal nimmt eine Ecke von Paris eine Art dritte Hauptrolle ein, diesmal ist es die Gegend zwischen Gare du Nord und der Metrostation Stalingrad. Hier wohnen Mélanie (Ana Girardot) und Rémy (François Civil) Haus an Haus – sie in einer pittoresken Pariser Altbau-Dachwohnung, er im grau-blauen Beton-Neualtbau – ohne voneinander zu wissen. Immer wieder begegnen sie sich, in Mansours (Simon Abkarians) NachbarschaftsLaden, in der Metro, auf der Straße, ohne einander als Nachbarn wahrzunehmen. Er sieht vor sich hin, sie checkt ihr Handy, wie das eben so ist. Dabei sind sie sich sehr ähnlich. Beide sind um die Dreißig, ruhig, freundlich, und eher schüchterne Leute. Mélanie knapst noch an einer Trennung und ist sehr nervös, weil sie im Job eine Präsentation halten soll. Rémy macht die Entlassung seiner Kollegen im Versandlager zu schaffen und der neue Callcenter-Job ist auch eine Herausforderung. Nachdem er in der U-Bahn eine Panikattacke hat, schickt ihn der Arzt zu einem freundlichen Kassentherapeuten (François Berléand) der seine Klienten auf billigen blauen Bürostühlen empfängt. Mélanie liegt derweil bei ihrer Analytikerin (Camille Cottin) auf der mondänen Couch und lässt den Blick über William Morris-Tapeten schweifen. Klapisch erzählt ihre parallel verlaufenden Leben zum freundlichen Elektro-Soundtrack mit einer Art gechillter Eleganz. Es passiert auf den ersten Blick recht wenig – die beiden treffen ihre Familie, gehen zur Therapie, probieren es mit Sozialen Medien – aber es verändert sich doch etwas. D Toni Ohms

Start am 19.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 32

D DEZEMBER 2019

Two unlucky singles around 30 who could be destined for one another live in the same quarter in Paris and pass each other by.

Originaltitel: The Good Liar D USA 2019 D 109 min D R: Bill Condon D B: Jeffrey Hatcher D K: Tobias A. Schliessler D S: Virginia Katz D M: Carter Burwell D D: Ian McKellen, Helen Mirren, Russell Tovey, Mark Lewis Jones D V: Warner Bros.

Das alte Böse McKellen vs Mirren

Roy Courtney (Ian McKellen) ist kein netter Mensch, aber sehr gut darin, wie einer zu wirken. Für seine Arbeit als Trickbetrüger ist das unerlässlich. Wenn er auf Datingportalen wohlhabende ältere Damen anschreibt und sich beim ersten Treffen als von der Welt gebeutelter und trotzdem unbedingt optimistisch bleiben wollender Witwer präsentiert, ist er auch sehr charmant. Aber natürlich ist seine gesamte Geschichte erlogen, inklusive des Namens. Und wenn es darum geht, seine Opfer um ihr Geld zu erleichtern, kennt Roy keine Zurückhaltung oder Mitgefühl. Sein letzter und größter Coup sollen knapp drei Millionen Pfund sein, die die pensionierte Professorin Betty McLeish (Helen Mirren) angespart hat. Bald hat er Bettys Vertrauen erobert und leitet den nächsten Schritt seines Plans ein. Aber auch wenn Betty seine Absichten nicht kennt, bekommt sie allmählich kleine Einblicke in Teile von Roys Vergangenheit. DAS ALTE BÖSE ist Ians McKellens dritte Zusammenarbeit mit Bill Condon nach GODS AND MONSTERS und MR. HOLMES, und es ist eine Freude, ihn als Roy dabei zu beobachten, wie er seinen Plan vorantreibt und einmal sogar vor der Kamera vom intriganten Gauner zum verliebten Rentner „umschaltet“. Das Publikum hat immer wieder Einblick hinter die Kulissen seines Plans, während von Betty nur das naive Verhalten gezeigt wird, das Roy sieht und von ihr erwartet. Dass Betty aber auch Geheimnisse hat und wahrscheinlich nicht arm und übertölpelt enden wird, ist schon daran zu erkennen, dass sie von Helen Mirren gespielt wird und in der allerersten Szene ebenfalls lügt. So beobachtet man fasziniert Roys Fortschritte und sucht gleichzeitig nach Hinweisen darauf, was sich hinter Bettys Maske versteckt, bis sich die ganze Geschichte in mehreren Etappen entfaltet hat. D Christian Klose

Start am 28.11.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Ian McKellen plays con man Roy, who meets recently widowed Betty, played by Helen Mirren.

Termine unter www.indiekino.de


INDIEKRITIKEN Posrtugal/Frankreich/Argentinien 2019 D 98 min D R: Ico Costa D D: Henrique Bonacho D V: Steppenwolf

Alva

Alles was Du willst.

Kreatürliches Überleben

Zwei Planlose

In ALVA fällt ein Mann durch die Netze der Zivilisation, um im Wald ein kreatürliches Dasein zu fristen. Der Film illustriert einen sozialen und individuellen Prozess, der aus einem prekarisierten und zunehmend verzweifelten Menschen einen Mörder, einen Ausgestoßenen und schließlich einen Vogelfreien macht. Dieser Mensch heißt Henrique und ist ein portugiesischer Ziegenhirte. Seine Vorgeschichte ist unbekannt, doch scheint sie ihn das Sorgerecht für seine Töchter gekostet und ihn an den Rand des Existenzminimums gebracht zu haben. Eines Tages begibt sich Henrique von seiner Hütte in die Stadt, um für das verlorene Sorgerecht Rache zu nehmen und flüchtet nach diesem Gewaltakt in die Wildnis. Die Flucht endet in einem Fluss namens Alva, in dem sich Henrique schließlich entscheidet, in die Zivilisation zurückzukehren und sein Schicksal anzunehmen. ALVA ergeht sich jedoch weder in religiöser Symbolik, noch erlaubt er eine emotionale Einfühlung in die Hauptfigur. Ebenso wenig ermöglicht der Regisseur Ico Costa eine psychologische Profilierung von Henrique oder überhaupt jede Form von kohärenter Deutung. Stattdessen scheint die Kamera sich an ihren wortkargen Protagonisten anzupassen und folgt ihm stumm durch die Straßen, in die Büsche, auf der Flucht. Doch blitzt in dieser unzugänglichen Reise schließlich doch eine Erkenntnis auf: Das Zigarettendrehen, das Henrique Halt und Sinn zu geben scheint, wird in der Wildnis durch das unablässige Sammeln von Beeren ersetzt. Erst in dieser Reduktion seiner Existenz auf das kreatürliche Überleben zeigt sich das Ausmaß schon des vorherigen Elends – ein Leben, das durch die Monotonie des Lohnerwerbs und den Entzug an sinnstiftenden Beziehungen schon lange zu einem Überleben degradiert worden ist. D Yorick Berta

Start am 12.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Termine unter www.indiekino.de

Originaltitel: Tutto quello che vuoi D Italien 2017 D 106 min D R: Francesco Bruni D B: Francesco Bruni D K: Arnaldo Catinari D S: Cecilia Zanuso D M: Carlo Virzì D D: Andrea Carpenzano, Giuliano Montaldo, Arturo Bruni, Propizio Emanuele, Donatella Finocchiaro D V: Kairos Filmverleih

One day goatherd Henrique leaves his hut to go to the city to exact his revenge because of his lost custody and flees into the wildness after this act of violence.

Alessandro hat keine großen Ambitionen. Ohne Job und mit einem abgebrochenen Studium hängt er am liebsten mit seinen Freunden in Cafés, schaut Frauen hinterher und fabuliert, was er kaufen würde, wenn er mal reich wäre, ohne irgendetwas dafür zu tun. Um das bisschen Geld, das er aber doch braucht, und um etwas von zuhause wegzukommen, übernimmt er die Betreuung des alten Dichters Giorgio. Die Welt hat Giorgio vergessen und der Mittachtziger ist dabei, es auch zu tun. Äußerlich auch im Alter noch Klasse und Bildung ausstrahlend, ist sein Inneres chaotisch. Manchmal hat er „gestern“ noch Fußball gespielt, und manchmal hält er beim Kartenspiel Alessandros Freunde für G.I.s. Passend dazu ist sein letztes Werk, bevor er das Schreiben aufgab, eine in die Bürowände geritzte Ode an die letzten Kriegstage, die er als Teenager erlebte, an seine verlorenen amerikanischen Freunde – und an ein Geschenk, das sie ihm hinterlassen haben. Die Aussicht auf dieses sicher sehr wertvolle Geschenk motiviert Allessandro genug, um in der Bibliothek zu recherchieren und mit dem alten Dichter eine Exkursion in Giorgios Jugend zu unternehmen. Seine eigenen Freunde will er eigentlich nicht mitnehmen, aber die sind zu sehr Männer der Tat, um ein Nein zu akzeptieren, und bei einer Bergtour sicher auch nützlich. Mit mehr Leuten ist es ja auch netter, meint Giorgio. Zwischen Giorgio, der manchmal vergisst, dass er kein Jugendlicher mehr ist und einen Überschuss an Liebe als den Kern jeder Poesie betrachtet, und Alessandro, der weder weiß, was er mal werden will, wenn er „groß“ ist, noch, was er machen soll, falls er sich einmal verliebt, entsteht eine merkwürdige Freundschaft. Und während Giorgio mit den jungen Männern einige seiner Erinnerungen noch einmal aufsucht, wächst in Alessandros das Vertrauen, dass es in seinem Leben doch Dinge geben könnte, für die es sich einzusetzen lohnt. Angefangen mit einer alten Liebe. D Chrsitian Klose

Start am 21.11.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

23 year old slacker Alessandro is ordered by his father to help Alzheimer‘s afflicted Giorgio and befriends the old man.

DEZEMBER 2019 D

33 D


INDIEKRITIKEN Deutschland 2019 D 104 min D R: Neele Leana Vollmar D B: Lars Hubrich, Neele Leana Vollmar D K: Frank Lamm D S: Ana de Mier y Ortuño, Hansjörg Weißbrich D M: Oliver Thiede D D: Damian Hardung, Max von der Groeben, Luna Wedler, Milan Peschel, Hans Löw D V: Warner Bros.

7500

Auerhaus Ahnung von Freiheit

AUERHAUS ist ein Weihnachtsfilm. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. AUERHAUS ist ein Anti-Weihnachtsfilm. Neele Leana Vollmers Verfilmung des Bestseller-Romans von Bov Bjerg fängt die ganze Tristesse des Kleinstadtlebens Anfang der 1980er Jahre ein. Das italienische Kleinstadt-Eiscafé, die seelenlosen Verschalungen der Kleinstadt-Häuser, die gelangweilte Kleinstadt-Dorfjugend. Der lakonische 18-jährige Ich-Erzähler Höppner fasst es so zusammen: „Die anderen Gymnasien hießen Schiller-Gymnasium und Albert-Einstein-Gymnasium. Unseres hieß Gymnasium am Stadtrand“. Zu Hause hängt der Stiefvater die Decken in den ohnehin schon erstickend engen Räumen ab. Als sich Höppner die Gelegenheit wenigstens für einen kleinen Ausbruch bietet, greift er mit beiden Händen zu. Sein Freund Frieder ist nach einem Selbstmordversuch in die Psychiatrie eingeliefert worden. Die Ärzte empfehlen, dass er bei seinen Eltern auszieht, aber nicht alleine wohnt. Also ziehen Frieder und Höppner und Höppners Freundin Vera, die er dazu überredet hat, und Cäcilia, die mitkommen soll, damit Vera nicht das einzige Mädchen ist, in das leerstehende Haus von Frieders Opa. Später gesellen sich noch die Pyromanin Pauline, die Frieder in der Psychiatrie kennengelernt hat, und der schwule Elektriker Harry dazu. AUERHAUS erzählt von diesem Zusammenleben als Aufeinanderfolgen nicht so sehr von Ereignissen, als von Stimmungen, die sich fast alle im grau-blauen Bereich bewegen. Frieder ist schon ganz schön irre und die Angst, er könnte sich etwas antun, wohnt mit. Auch die anderen sind, wie in dem Alter üblich, alle primär mit sich selbst beschäftigt. Höppner ist vor allem verwirrt. Vom Zauber einer schrägen Freiheit, der den Roman durchweht, ist weniger zu spüren, dafür vermittelt das Zusammenhausen aber eine erste Ahnung davon, dass es diese Freiheit geben könnte, und dass man dafür vor allem eins muss: bloß weg! D Toni Ohms

Start am 5.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 34

D DEZEMBER 2019

Neele Leana Vollmer’s adaptation of the bestelling novel by Bov Bjerg captures all of the dreariness of small town life in the early 1980s.

7500 ist der Notfallcode für eine Flugzeugentführung. Auf einem Routineflug nach Paris muss der Ko-Pilot Tobias Ellis das Ruder übernehmen, als Terroristen das Flugzeug kapern und den Piloten schwer verletzen. Selbst verwundet, kann Ellis die Kidnapper und Geiseln, inklusive seiner Freundin, vom Cockpit aus nur über die Monitore sehen, und muss von dort aus verhandeln, um eine Katastrophe zu verhindern. Die deutsch-österreichische Ko-Produktion ist der erste Langfilm von Patrick Vollrath, dessen Kurzfilm ALLES IST GUT 2015 für den Oscar nominiert war. Start am 26.12.2019

Deutschland 2019 D 92 min D R: Patrick Vollrath D D: Joseph Gordon-Levitt, Carlo Kitzlinger, Max Schimmelpfennig, Aylin Tezel, Murathan Muslu

Motherless Brooklyn Jonathan Lethems Roman MOTHERLESS BROOKLYN war 1999 eine literarische Sensation: ein aktueller Hardboiled-Krimi mit einem zwangsgestörten Detektiv, dessen Arbeit immer zugleich ein Kampf mit seinem Tourette-Syndrom und anderen Ticks und Zwangsstörungen ist. Der eigentliche Thrill im Thriller war es, den Kampf im Kopf des Heldens zu verfolgen. Edward Norton, der auch selbst die Hauptrolle spielt, hat den eigentlich nicht verfilmbaren (und kaum übersetzbaren) Roman verfilmt und in die fünfziger Jahre verlegt. Ausführliche Kritik im nächsten Heft.

Start am 12.12.2019

USA 2019 D 144 min D R: Edward Norton D D: Edward Norton, Bruce Willis, Bobby Cannavale, Willem Dafoe, Leslie Mann, Gugu Mbatha-Raw, Alec Baldwin

Termine unter www.indiekino.de


Die zwei Päpste Der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio (Jonathan Pryce) bittet, von seiner Arbeit frustriert, Papst Benedikt XVI. (Anthony Hopkins) im Jahr 2012 darum, in den Ruhestand gehen zu dürfen. Benedikt lehnt ab und lädt seinen früheren Konkurrenten um das Papstamt nach Rom ein. Dort unterhalten sich die beiden Geistlichen über ihre Werdegänge, den Umgang mit den Diktaturen, unter denen sie aufwuchsen und ihre daraus entstandenen sehr unterschiedlichen Haltungen. Und nach einem gemeinsamen Fußballabend hat Benedikt einen Vorschlag. Start am 5.12.2019

USA 2019 D 109 min D R: Fernando Meirelles D D: Jonathan Pryce, Anthony Hopkins

KINOSTART 05.12.2019

Wild Nights with Emily

Start am 28.11.2019

USA 2018 D 84 min D R: Madeleine Olnek D D: Molly Shannon, Susan Ziegler, Amy Seimetz

SCHÖNHEIT & V ERGÄ NGL ICHK EI T EIN FILM VON ANNEKATRIN HENDEL

SVEN MARQUARDT INTERNATIONALE FILMFESTSPIELE Berlinale Panorama

DOMINIQUE HOLLENSTEIN

HEINER CAROW-PREIS

HOT DOCS TORONTO

Berlinale Panorama

Competition

ROBERT PARIS

FESTIVAL OF GERMAN FILMS

HELSINKI INTERNATIONAL

Mexiko

Film Festival

FREEZONE BELGRADE Competition

Cinematografie MARTIN FARKAS | JOHANN FEINDT | THOMAS PLENERT | Montage GUDRUN STEINBRÜCK | Ton NIC NAGEL | MORITZ SPRINGER | Komposition ROBERT LIPPOK | Herstellungsleitung HEIKE GÜNTHER | Produktionskoordination HEIKE HETMANCZYK | Postproduktion Supervisor RENÉ HENDEL Color Grading TILL BECKMANN | Titeldesign, Animation, Trailer MARIA LISSEL | Mischung MICHAEL KACZMAREK | Sounddesign TOBIAS ADAM | Tonschnitt ANDREAS VORWERK | Musik BLEIBEIL | Redaktion (RBB) JENS STUBENRAUCH | Produktionsleitung (RBB) RAINER BAUMERT Zusätzliche Kamera HEIKE HETMANCZYK | HOLLY TISCHMAN | JAN BEHREND | gefördert von Medienboard Berlin-Brandenburg | Bundesbeauftragte für Kultur und Medien | Kulturelle Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern | Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein - Filmwerkstatt Kiel | German Films eine Produktion von IT WORKS! Medien GmbH | in Koproduktion mit Rundfunk Berlin-Brandenburg | im Verleih von REAL FICTION | Buch, Regie, Produktion ANNEKATRIN HENDEL

©2018

Termine unter www.indiekino.de

grafik MARIA LISSEL

Die Dichterin Emily Dickinson (1830-1886) galt lange als verschrobene Einsiedlerin. In den letzten Jahren hat die literaturwissenschaftliche Forschung mit Hi-Tech-Methoden nachgewiesen, dass die Dichterin eine leidenschaftliche Beziehung zu ihrer Nachbarin, Jugendfreundin und Schwägerin Susan Gilbert hatte. Madeleine Olnek nahm das zum Anlass, eine queere Komödie zu drehen, in der Emily und Susan eine wilde Liebesgeschichte durchleben, über Männer gespottet wird, und Dickinsons düster-romantisches Gedicht „Because I could not stop for Death“ zur Polka-Melodie von „I wish I was in Dixie“ gesungen wird.


INDIEKINDER

Der kleine Rabe Socke ist beleidigt. Die Tiere sollten vor dem großen Fest den Wald sauber machen und Frau Dachs hat das Oberkommando nicht etwa ihm erteilt, der dafür selbstverständlich am ober-geeignetsten gewesen wäre, sondern dem Hasen Löffel. Ausgerechnet. Und dann musste Socke auch noch mit dem kleinen Dachs ein Team bilden, um die Bäume aufzuräumen. Und dann ist der super Plan, den sie ausgeheckt hatten, um den faulen Apfel am obersten Ast aufzuräumen, schiefgelaufen, und Socke hat die Festtagstorte kaputt gemacht. Und jetzt muss er statt zu feiern den Dachboden aufräumen, und das ist wirklich die ungerechtigste Ungerechtigkeit. Dann aber findet Socke beim Aufräumen eine Schatzkarte, die der Opa vom kleinen Dachs gezeichnet hat, bevor er verschwunden ist, und prompt hat er einen neuen super Plan. Zusammen mit dem Bären Eddie und dem kleinen Dachs macht sich Socke auf den Weg in die Berge, um den Schatz zu finden. Dann wird er nämlich König, bitte danke, und alle müssen machen, was er sagt. Auf dem Weg zum Schatzberg erleben Socke, Eddie und der kleine Dachs eine Menge Abenteuer. Sie treffen das Bibermädchen Fritzi und ihre nervigen kleinen Biber-Brüder Arthur und Henry wieder. Sie müssen Gefahren überstehen und jede Menge Rätsel lösen. Dabei ist es gut, dass Socke so mutig ist, Eddie so stark, Fritzi so geschickt und der kleine Dachs, den Socke erst gar nicht dabei haben wollte, so klug. D Toni Ohms

Deutschland 2019 D FSK: oA D R: Verena Fels, Sandor Jesse D B: Katja Grübel D M: Alex Komlew D D: Jan Delay, Dieter Hallervorden, Anna Thalbach, Nelie Thalbach D V: Universum Film Start am 12.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 36

D DEZEMBER 2019

Together with Eddie the bear and the small badger, small raven Socke makes his way to the mountains to find treasure. He will then become King and everyone will have to do what he says.


INDIEKINDER

Der kleine Rabe Socke 3 – Suche nach dem verlorenen Schatz Einmal König, bittedanke

DEZEMBER 2019 D

37 D


INDIEKRITIKEN Deutschland 2019 D 94 min D R: Mike Baran D B: Mike Baran D S: Oli Weiss D D: Tom Schuster, Michael ­Foerster, Stefanie Mendoni, Matthias Kostya, Franz Westner D V: Don’t tell Mama e.V.

Holy Spirit

Als ich mal gross war

Surreale Erlösungskampagne

Träume verfolgen

Bayrischer Whisky läge im Trend, würde er richtig beworben. Zum Glück findet der schnöselige Werbefuzzi Harry Sandmann in einem niederbayrischen Kaff die perfekte Galionsfigur für das Image der Verwandlung von klarem bayrischen Quellwasser in edlen „Trinity Malt“: Wallendes Haupthaar, bestechende Augen, ein ebenmäßiges Antlitz – Gustl Wanninger ist der perfekte Jesus für die messianische Erlösungskampagne, die Sandmann plant. Die sozialradikalen Reden dieser Erlöserfigur boosten sogar den Umsatz, doch dann geschieht ein Mord. Und vielleicht hat der Gustl was damit zu tun? HOLY SPIRIT ist eine tatsächlich unabhängige Produktion. Don’t Tell Mama e.V., so heißt der Münchner Verein zur Förderung junger Kunst, der hinter dem Projekt steckt: Ein Film, der zwischen Comedy und Mystery schillert, der auch mal zur Werbespot-Sketchshow wird, zum Musikclip oder zur Musicalperformance, bei dem mittendrin in den Nachrichten ein Genrewechsel angekündigt wird, der von Kalauern bis zu surrealen Traumsequenzen alles enthält, was die Realität mehr und mehr entrücken lässt… Die Schauspielerführung – nun, da gibt’s bei derartigen Independent-Produktionen häufig Luft nach oben; doch tatsächlich ist HOLY SPIRIT visuell bestechend, voll kleiner Gags, voll von kleinen irrealen Abweichungen, und hat dazu noch einen ziemlich guten Krimiplot, eingebunden in Satire-, Comedy-, Psycho- und Fantasythriller-Elemente. Dramaturgisch geschickt changiert Regisseur Mike Baran zwischen den Polen, legt eine surreale Ebene an, um dann wiederum Whodunit-Spannung einzubauen, verteilt Seitenhiebe auf Werbebranche und Medien, Kirche und Staatsregierung. Dass er dabei übertreibt, dass er überdreht und sich niemals zurückhält, ist eine Tugend: Die Tugend der souveränen Skurrilität, die dieser ideenund facettenreiche Film reichhaltig bereithält. D Harald Mühlbeyer

Start am 19.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 38

D DEZEMBER 2019

Deutschland 2019 D 82 min D R: Lilly Engel, Philipp Fleischmann D K: Peter Nix D D: Constantin von Jascheroff, Isabell Polak, Sebastian Schwarz D V: Pandora Film Verleih

A Jesus campaign for a Bavarian whiskey brand is meant to help an ailing ad agency get back on its feet…

Wie hat man sich als Kind das Leben als Erwachsener vorgestellt? Und was passiert mit unseren alten Träumen? Die beiden Freunde Lukas und Marius sind 9 Jahre alt und wollen beide später einmal bei der Feuerwehr arbeiten. Sie träumen davon, starke und heldenhafte Feuerwehrmänner zu werden, die als Team jedes Problem, sei es die strenge Ausbilderin, ein großes Feuer oder auch Liebeskummer, meistern. Renee ist Lukas Freundin und auch sie weiß ganz genau, was sie vom Leben erwartet. Sie und Lukas kennen sich seitdem sie 2 Jahre alt sind, und trotzdem sie Kilometer voneinander entfernt wohnen, sind die beiden unzertrennlich. Zusammen stellen sie sich vor, wie ihre Beziehung in 20 Jahren wohl sein wird. Wie soll ihr Haus aussehen? Wie gehen sie mit Eifersucht um? Und wie wird Lukas nach einem Streit Renees Herz zurückerobern? Herrlich dramatisch und zugleich treffend realistisch. In ALS ICH MAL GROSS WAR werden die drei Kinder von 2014 an über vier Jahre mit der Kamera begleitet und nach ihren Vorstellungen von ihrer eigenen Zukunft befragt. Und wie das dann genau aussähe, zeigen uns die drei zwanzig Jahre älteren Schauspieler, die jede Regieanweisung im zukünftigen Leben der Kinder in Bilder umsetzen. Die Kombination aus Dokumentar- und Spielfilm ist so spielerisch und liebevoll inszeniert, dass es einem das Herz erwärmt. Denn neben all den bunten und lebendigen Bildern, die uns an unsere eigenen Kindheitswünsche erinnern, lassen uns Renee, Lukas und Marius auch die Ernüchterung des Erwachsenwerdens spüren. „Wir sind älter geworden.“, sagt Lukas bedrückt. Es ist 2018 und vieles im Leben der drei hat sich verändert. Die alten Träume sind neuen gewichen, Beziehungen haben sich verändert und vor allem eins ist Renee, Lukas und Marius klar geworden: Träume können sich immer noch weiter verändern. Lukas bringt es noch einmal auf den Punkt: „Kurz und knapp gesagt: Keiner weiß, was kommt.“ D Karla Kabot

Start am 28.11.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

ALS ICH MAL GROSS WAR accompanies three children from ages 9 to 15 and tracks the way their ideas about life changes in that time.

Termine unter www.indiekino.de


INDIEKRITIKEN Italien 2018 D 98 min D R: Marco Tullio Giordana D B: Cristiana Mainardi, Marco Tullio Giordana D K: Vincenzo Carpineta D S: Lionello Cerri, Hengameh Panahi D M: Dario Marianelli D D: Cristiana Capotondi, Bebo Storti, Valerio Binasco, Michela Cescon D V: Arsenal Filmverleih

Cats

Nome di Donna Zähe Gegenwehr

Die Restauratorin Tina (Cristiana Capotondi) versucht mit ihrer zehnjährigen Tochter Caterina einen Neuanfang auf dem Land und fängt einen Job als Pflegehelferin in einem gehobenen Seniorenheim in der Lombardei an. Während Landschaft und Licht und die schlossartige Residenz in warmen, freundlichen Farben strahlen, verbreiten einige Details bereits am Anfang Missstimmung. Die Fragen des Pfarrers nach ihrem Familienstand beispielsweise sind doch etwas zu persönlich. Und als Tina die Tochter einige Wochen später zur Schule bringt und bemerkt „Du musst das Fahrrad anschließen, sonst wird es gestohlen“, fragt Caterina zurück „Von den Fremdlingen?“. Aber im Großen und Ganzen gefällt es Tina in ihrer neuen Heimat, und sie kommt mit den Senioren gut aus. Dann bestellt der Direktor des Heims, „Dottore“ Torri (Valerio Binasco), sie eines Abends nach dem Dienst zu sich und bittet sie ausdrücklich, die Schwesterntracht anzulassen. Er bedrängt sie, psychologisch „Ich weiß, was du für eine bist“ und sexuell, und Tina flüchtet. Am meisten verstört sie an dem Vorfall, dass die Kolleginnen alle Bescheid zu wissen scheinen, aber keine von ihnen solidarisiert sich mit Tina. Als Tina mit Unterstützung der Gewerkschaft Anzeige erstattet, ist sie alleine. NOME DI DONNA ist sehr glaubhaft, aber nicht übermäßig spannend. Regisseur Marco Tullio Giordana erzählt sehr behutsam und präzise und mit einem Naturalismus, der auf dramatische Zuspitzungen verzichtet. Er interessiert sich weniger für das skandalöse Verhalten der Männer als für den unglaublichen Angang, den es für eine einzelne Frau bedeutet, sich gegen deren Verhalten zur Wehr zu setzen. Das Schweigen ist eisern, die Gegenwehr massiv, und der Männerbund schließt sich umso enger zusammen, umso mehr er in Bedrängnis gerät. D Hendrike Bake

Start am 5.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Termine unter www.indiekino.de

At first, Nina is happy at her new job as a caregiver in a chic retirement home. Then it turns out that the boss demands “favors“ – and not just from her.

Die Aufregung um den Trailer für Tom Hoopers Verfilmung des Lloyd-Webber-Musicals war groß. Zu verstörend die Kombination aus Katzenkörpern und Menschengesichtern, zu künstlich alles, und Old Deutoronomy trägt einen Pelzmantel. Sicher wären fotorealistische Katzen, die in komplexen Choreografien über ihre Arbeit als Schauspieler, Schaffner und Erzschurke singen viel angenehmer gewesen. Aber vielleicht wird es ein großes Spektakel mit gediegener Besetzung und Ohrwurmgarantie. Das wird sich kurz vor Weihnachten zeigen. Start am 25.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

USA/Großbritannien 2019 D R: Tom Hooper D D: Idris Elba, Taylor Swift, Judi Dench, Ian McKellen, James Corden, Ray Winstone, Jennifer Hudson

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Basierend auf dem autobiografischen Kinderbuchklassikers von Judith Kerr. Die neunjährige Anna muss mit ihrer Familie aus Berlin nach Zürich fliehen, nachdem 1933 die NSDAP die Macht in Deutschland übernommen hat. In der Schweiz fängt die Familie ein neues Leben an, für das sie aber fast alles, was sie liebhatten, zurücklassen müssen. Besonders ihr rosa Stoffkaninchen vermisst Anna sehr. Nicht, dass es alleine in Berlin sitzt und Hitler ihm etwas antut. Dessen Einfluss erreicht die Familie auch noch im Ausland. Start am 25.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Deutschland 2019 D R: Caroline Link D D: Riva Krymalowski, Marinus Hohmann, Carla Juri, Oliver Masucci

DEZEMBER 2019 D

39 D


INDIEDEATURE

Joker Der goldene Handschuh Systemsprenger

Wir haben unsere Autor*innen nach ihren Lieblingsfilmen, die 2019 im deutschen Kino gestartet sind, gefragt. Die Ergebnisse sind erstaunlich unterschiedlich und einige haben uns überrascht. Klarer Favorit mit drei Nennungen ist Céline Sciammas PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN, gefolgt von Lee Chang-dongs BURNING. Durch eine Mehrfachnennung hat sich auch noch der JOKER in die Liste der mehr als einmal genannten Filme hereingetrickst.

Lieblingsfilme 2019 Yorick Berta JOKER (Todd Phillips)

Susanne Stern LEID UND HERRLICHKEIT

Dass Joaquin Phoenix es schafft, die durch Heath Ledger mythisierte Rolle des Jokers so selbstbewusst neu zu besetzen, ist an und für sich schon eine Leistung. Dass der Film komplett auf den Heros Batman verzichtet, um seinen Gegenspieler so komisch wie einfühlsam zu konturieren, eine weitere. Das Schwanken zwischen comichafter Überzeichnung und psychologischem Realismus macht JOKER dabei eher interessant als unglaubwürdig.

(Pedro Almodóvar)

Jan Künemund MESSER IM HERZ

Künstlernabelschau und Allgemeinmenschliches, Selbstmitleid und echter Schmerz, Geschichten über Liebe, Freundschaft, Kindheitsglück und Erwachseneneinsamkeit. Gelacht, geweint, gedacht, gefühlt und am Ende am liebsten alles nochmal sehen wollen - Kinoglück, gemacht aus vielen Jahren Leben mit dem Kino, gefilmt mit alten Freunden.

Zahnlückenküsse, Messerdildos, Zauberwälder und leere Gräber. Yann Gonzalez feiert das Kino als heißen Giallo-Körper - die Polizei ermittelt nicht mehr, das Monster weint, der Protokollant fickt die Schreibmaschine, die Leinwand legt sich auf die Haut. Aus der Trauer um eine totgesagte Kunst entsteht etwas ganz Neues. Kein Film hat mir 2019 mehr Angebote gemacht.

Katharina Franck PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN

Karla Kabot THE FAVOURITE

Harald Mühlbeyer DER GOLDENE HANDSCHUH

Giorgos Lanthimos hat uns nach THE LOBSTER und THE KILLING OF A SACRED DEER ein weiteres Meistwerk, sowohl ästhetischer, abstruser und urkomischer Inszenierung geschenkt. Das Schauspiel von Olivia Colman, Rachel Weisz und auch Emma Stone ist beeindruckend und intensiv. Der unersättliche Prunk, die nie endende Heimtücke,... all das könnte übertrieben wirken, doch THE FAVOURITE schafft es dennoch, oder vermutlich doch gerade deswegen, ein greifbares und realistisches Abbild des englischen Hofes im 18. Jahrhundert darzustellen. Ein Film, der verstört und begeistert.

ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD ist auf so vielen Ebenen grandios, dass er auf zu vielen Jahresbestenlisten stehen wird, weshalb ich auf den Jahresanfang blicken und zunächst den GOLDENEN HANDSCHUH in den Ring werfen möchte, bei dem die Wohnung von Killer Honka so stinkend versifft von der Leinwand trieft, wobei die Fotos im Abspann freilich bezeugen, dass Fatih Akin nicht übertrieben hat, um sodann als Vize-Besterfilm VICE zu nominieren, mit seinem Happy End mittendrin, das den Film allerdings nicht beendet, weil Cheney noch weiter und weiter die US-Verfassung unterhöhlen muss.

(Céline Sciamma)

Allein über die Blicke, die in Céline Sciammas jüngstem Werk fallen, möchte man am liebsten tausend Worte verlieren. Aber selbst die würden nicht ausreichen, einen Film zu beschreiben, der so berührend, elektrisierend und aufregend ist, so grandios gespielt und in Szene gesetzt und von universeller Schönheit und Dramatik wie PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN. Also am besten weder weitere Worte noch Zeit verschwenden und einfach noch(mal) anschauen gehen! D 40

D DEZEMBER 2019

(Giorgos Lanthimos)

(Yann Gonzalez)

(Fatih Akin)


INDIEDEATURE

Leid und Herrlichkeit Porträt einer jungen Frau in Flammen

Lara Us

Eva Szulkowski US (Jordan Peele) So ein origineller, gut gespielter, furchteinflößender und erstaunlicher Film. Lupita Nyong’o als doppelte Ada ist großartig, Winston Duke (ebenfalls aus BLACK PANTHER bekannt) als Ehemann sehr süß und lustig. Die Atmosphäre, die Bilder, der Plot, die Auflösung – für mich passte hier alles. Die verstörende Szene mit den Fremden in der Einfahrt wird sicher bald in filmwissenschaftlichen Seminaren zerredet werden, und das ist auch gut so.

Stefanie Borowsky UNDER THE TREE

(Hafsteinn Gunnar Sigurðsson) In einer beschaulichen Reykjavíker Vorortsiedlung eskaliert ein Nachbarschaftsstreit um einen Baum – spöttische Gartenzwerge, verschollene Haustiere und bedrohliche Kettensägen inklusive. Mit präzisem Blick legt Regisseur Hafsteinn Gunnar Sigurðsson immer tiefere Schichten des Konflikts frei. Was als bitterböse Komödie mit bissigem Dialogwitz beginnt, entwickelt sich zu einem beklemmenden Drama, ohne je den schwarzen Humor zu verlieren.

Susanne Kim SUPA MODO (Likarion Wainaina)

Tom Dorow BURNING (Lee Chang-dong)

„Ich sehne mich nach guten Geschichten, die mit ganz einfachen Mitteln erzählt werden und trotzdem lustig und ergreifend sind.“ Das erzählte mir Likarion Wainaina während unseres Gesprächs über seinen Kinderfilm SUPA MODO. Ich teile diese Sehnsucht. Und Wainaina hat es für mich geschafft, so eine Geschichte auf die Leinwand zu bringen. So entstand ein Superheldenfilm mit handgemachten „Spezialeffekten“. Das Schöne ist auch, dass Stycie Waweru, die die neunjährige Jo spielt, eine SuperHELDIN aus Afrika und einfach bezaubernd ist.

Vor Lee Chang-dongs BURNING ist es noch keiner Verfilmung eines Haruki-Murakami-Romans gelungen, deren ganz eigene Atmosphäre zwischen schmuddeligem Realismus, hemmungsloser Romantik, Thriller, Pop und Fantastik einzufangen. Die Szene, in der die drei Darsteller in BURNING vor einer heruntergekommenen Datsche an der Grenze zu Nordkorea in den Sonnenuntergang blicken, während blecherne Lautsprecher nordkoreanische Propaganda über die Grenze schallen lassen, war für mich das schönste Kinobild vom Glück in diesem Jahr.

Michael Meyns WINTERMÄRCHEN (Jan Bonny) Mit Abstand der beste deutsche Film des Jahres, vielleicht seit Jahren, ein radikales, konsequentes Werk über das Binnenleben einer Terrorgruppe. Jan Bonny und seine Schauspieler schaffen es, die sexuellen und Gewaltexzesse so intensiv zu zeigen, dass man gleichermaßen fasziniert und angeekelt ist.

Hendrike Bake PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN (Céline Sciamma)

Kennt ihr das, wenn man sich im Kino schon nach wenigen Sekunden in guten Händen fühlt? In einen Film versinkt in dem sicheren Gefühl, dass die Macher*innen genau wissen, was sie wollen und wie sie das umsetzen? Beruhigt, dass keine Hektik, keine Selbstverliebtheit, keine Abkürzung, keine Zugeständnisse an den Publikumsgeschmack querfunken werden? Und wie man sich dann erinnert, wie gut Kino eigentlich sein kann?

DEZEMBER 2019 D

41 D


INDIEDEATURE

Wintermärchen Burning

Matthias von Viereck LARA (Jan-Ole Gerster) JOKER (Todd Phillips)

Supa Modo Messer im Herz

Lars Tunçay BURNING (Lee Chang-dong)

Lili Hering SYSTEMSPRENGER

Lee Chang-Dong entwickelt ein schleichendes Drama aus dem Werk des japanischen Meisters des Mysteriösen, Haruki Murakami, das mit jeder Szene überrascht. Das Gespann zweier Meister ihres Fachs, eine nahezu perfekte Kombination, die mal wieder unterstreicht, dass Südkorea eines der spannendsten Filmländer unserer Zeit ist.

(Nora Fingscheidt)

Meine Goldmedaille muss ich leider zersägen, sorry: Eine Hälfte geht an LARA für das tolle Spiel Corinna Harfouchs; die andere Hälfte an JOKER für Joaquin Phoenix‘ nie mehr zu vergessendes Lachen und die famose Filmmusik der Isländerin Hildur Guðnadóttir.

Christian Klose DIE SCHÖNSTE ZEIT UNSERES LEBENS (Nicolas Bedos)

Patrick Heidmann PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN

Michael Schmitz

Den meisten anderen Regisseur*innen wäre die Liebesgeschichte zwischen einer Malerin und ihrem Model im 18. Jahrhundert vermutlich wahlweise zu triefendem Erotikkitsch oder einem spröd-konventionellen Kostümfilm verkommen. Céline Sciamma dagegen zeichnet (gemeinsam mit ihren tollen Hauptdarstellerinnen) gleichermaßen zart wie leidenschaftlich das Bild zweier eigenwilliger Frauen – und erzählt nebenbei von weiblicher Künstlerschaft, queerer Emanzipation und schwesterlicher Solidarität.

(Angela Schanelec) Dokfilme:

BIRDS OF PASSAGE erzählt eine epische Tragödie über Liebe und Familie in großen Bildern und Tönen. Für solche umfassenden Erlebnisse geht man ins Kino. Aber ein anderer Film zaubert fast genau so groß, und zeigt, wie der Trick geht, ohne an Magie einzubüßen. Und weil es in der stressigen Vorweihnachtszeit mehr Geschichten über Zusammenhalt und Zuneigung braucht, ist DIE SCHÖNSTE ZEIT UNSERES LEBENS mein Film des Jahres.

D 42

D DEZEMBER 2019

(Céline Sciamma)

An SYSTEMSPRENGER zurückzudenken löst immer noch Beklemmung aus, Begeisterung auch, und vor allem Wut über die Ungerechtigkeit ebenjenes Systems. Ein rasendes Mädchen, ein pinker Schatten auf der Flucht vor der Kamera und allen anderen: Ohne Helena Zengel hätte dieser Film nicht entstehen können. Zum Glück gibt es ihn.

Spielfilme:

SHOPLIFTERS (Hirokazu Kore-eda) ICH WAR ZUHAUSE, ABER ... EX LIBRIS – THE PUBLIC LIBRARY VON NEW YORK (Frederick Wiseman)

HEIMAT IST EIN RAUM AUS ZEIT (Thomas Heise) Vielleicht nicht meine Favoriten dieser Autoren, aber immer noch meine Lieblingsfilme von diesem Jahr. Was sagt das aus über diese Regisseur*innen, oder über die Filmlandschaft dieses Jahrgangs, oder gar über meinen Geschmack?


Jan Delay

An na T hal bach

Nellie Thalbach

Dieter Hallervorden

Suche nach dem verlorenen Schatz EINE AKKORD FILM PRODUKTION IN KOPRODUKTION MIT UNIVERSUM FILM, TATAMI FILMS und NDR, SWR, HR UNTERSTÜTZT VON MFG FILMFÖRDERUNG BADEN-WÜRTTEMBERG, HESSENFILM UND MEDIEN, MEDIENBOARD BERLIN-BRANDENBURG, MITTELDEUTSCHE MEDIENFÖRDERUNG, NORDMEDIA, DEUTSCHER FILMFÖRDERFONDS, FILMFÖRDERUNGSANSTALT, DIE BEAUFTRAGTE DER BUNDESREGIERUNG FÜR KULTUR UND MEDIEN MIT DEN STIMMEN VON JAN DELAY, ANNA THALBACH, NELLIE THALBACH, ULRICH SMANDEK, RANJA BONALANA und DIETER HALLERVORDEN MUSIK ALEX KOMLEW ANIMATION DIRECTOR LUTZ STÜTZNER ANIMATION SUPERVISORS KATRIN INZINGER, JOAH JENSEN SOUNDDESIGN CHRISTIAN HECK REDAKTION HOLGER HERMESMEYER, BIRGIT PONTEN, Film GmbH BENJAMIN MANNS, PATRICIA VASAPOLLO KOPRODUZENT FLORIAN SCHMIDT-PRANGE EXECUTIVE PRODUCER SEBASTIAN RUNSCHKE, VALENTIN GREULICH DREHBUCH KATJA GRÜBEL BASIEREND AUF BÜCHERN VON NELE MOOST UND ANNET RUDOLPH PRODUZENT DIRK BEINHOLD REGIE VERENA FELS & SANDOR JESSE ©DERUniversum KLEINE RABE SOCKE © AKKORD FILM & THIENEMANN-ESSLINGER VERLAG

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Geschäftsführung: Hendrike Bake Redaktion: Hendrike Bake, Thomas Dorow redaktion@indiekino.de Filmtexte: Hendrike Bake, Yorick Berta, Stefanie Borowsky, Tom Dorow, Katharina Franck, Anna Hantelmann, Patrick Heidmann, Lili Hering, Karla Kabot, Christian Klose, Clarissa Lempp, Elinor Lewy, Michael Meyns, Harald Mühlbeyer, Toni Ohms, Hannes Stein, Susanne Stern, Eva Szulkowski, Lars Tunçay Texte Kinohighlights: INDIEKINO MAGAZIN und Kinos Grafik: Michael Zettler, Nora Wiesner (Zett Media) Akquise/Marketing: Verleih: Hendrike Bake, info@indiekino.de Online: Michael Spiegel, spiegel@indiekino.de Firmen/Festivals: Eva Schulze, eva@indiekino.de Druck: Bonifatius Druck, Paderborn

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D DEZEMBER 2019

Bildnachweis: Filmbilder/Plakatmotive: Filmverleiher/Filmfestivals Verlosung A TALE OF TWO SISTERS (S. 6): capelight pictures Verlosung DER KLEINE MAULWURF (S. 6): Release Company / WDR mediagroup Alfred Hitchcock Retrospektive (S. 7): Filmmuseum München Kurzfilmtag (S. 7): Kurzfilmtag Ausstellung Syd Mead (S. 8/9): Future Urban Architecture © Syd Mead, 1979 Eine Gewähr für die Richtigkeit der Termine kann nicht übernommen werden. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Ein Nachdruck ist nur mit Genehmigung von Redaktion und Autor und mit Quellenangabe gestattet. Für unverlangt eingesandtes Textmaterial wird keine Haftung übernommen.



Nachbild

Get Carter

Zurück zum Beton. Seit einiger Zeit sind die einst verhassten brutalistischen (von brut = roh) Betontempel der 1970er Jahre wieder schwer in Mode. Als Filmkulisse waren sie allerdings schon immer sehr beliebt. Eines der berühmtesten Beispiele ist das mittlerweile abgerissene Trinity Square Parkhaus, in dem GET CARTER (1971) mit Michael Caine spielte. In A CLOCKWORK ORANGE (1971) nutzte Stanley Kubrick – angeblich auch aus Budgetgründen – Londons futuristischste Neubauten als Hintergrund für die seelische Ödnis der Droogs. Für HIGH RISE (2015) baute Ben ­Wheatley seinen eigenen architektonischen Alptraum, der Hybris, Seelenkälte und Glamour der Bewohner*innen verkörperte. Umso lustiger ist es, dass nun DIE WACHE von Quentin Dupieux feinste brutalistische Architektur für ein intimes und albernes Kammerspiel nutzt, in dem sich weniger dystopische Abgründe offenbaren, als die zähen Mühlen des Alltags. Die Wache

D LINDENBERG! MACH DEIN DING Deutschrock D SORRY WE MISSED YOU Prekär arbeiten D LA GOMERA Pfeifsprachenkrimi D Milchkrieg in Dalsmynni Korrupte Co-op D UNA PRIMAVERA Trennung nach 40 Jahren D FREIES LAND Im wilden Osten D JOJO RABBIT Freund Hitler D Little Joe Glückspflanze D DER MARKTGERECHTE MENSCH Nach der Deregulierung D JUDY Garlands Ende D DAS GEHEIME LEBEN DER BÄUME Film zum Baum D DIE WÜTENDEN Vorstadtzorn D LITTLE WOMEN Gerwig-Remake D 1917 One-Take-WWI D A HIDDEN LIFE Liebesopfer D DAS FREIWILLIGE JAHR Nur noch weg D INTRIGE Geht Polanski noch? D VARDA PAR AGNÉS Von Agnès Varda lernen D DARKROOM – ­TÖDLICHE TROPFEN Praunheim-Krimi D EIN WEISSER WEISSER TAG Witwer in Island D THE LODGE Ösi-Hammer-Horror D Miles Davis – Birth of the Cool Miles never smiles D DARK WATERS Politthriller von Todd Haynes D WEATHERING WITH YOU Liebe und Sonnenschein

vorschau INDIEKINO im JANUAR & FEBRUAR

D 46

D DEZEMBER 2019


AB 26. DEZEMBER IM KINO



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