D SORRY WE MISSED YOU Unversöhnlicher denn je D MILES DAVIS – BIRTH OF THE COOL Musik und Stil D DIE WÜTENDEN Auf dünnem Eis D BROTHERS Pakt des Schweigens D DAS VORSPIEL Darstellerische Finesse D 1917 Atemberaubende Kamera D MILCHKRIEG IN DALSMYNNI Korrupte Kooperative D INTRIGE Dilemma D QUEEN & SLIM Polit-Pop D LITTLE JOE Schleichendes Unbehagen D WEATHERING WITH YOU Es regnet ständig D LINDENBERG! MACH DEIN DING Die Furcht wegsaufen D FREIES LAND Schurkereien im Oderbruch D VARDA PAR AGNÈS Das Leben und die Bilder D JUDY Träume? Die hatte ich mal D DAS FREIWILLIGE JAHR Ohne große Worte
Magazin FÜR unabhängigeS BERLINER KINO
D 66 D JANUAR/FEBRUAR 2020
indiekinoBERL
LITTLE JOE – START AM 9.1.2020
SIXTEEN FILMS UND WHY NOT PRODUCTIONS P R ÄS E N T I E R E N
Herausragendes politisches Kino! SPIEGEL ONLINE
Ergreifend gespielt und mit dem Herz am richtigen Fleck. BERLINER MORGENPOST
Ein packendes Werk. Großes Kino. LA CROIX
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SORRY WE MISSED YOU DREHBUCH
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AB 30. JANUAR IM KINO
INDIEKINO BERLIN WIRD UNTERSTÜTZT VON DEN INDIEKINOS D ACUD KINO D B-WARE!LADENKINO D BALI KINO D B rotfabrik Kino D BUNDES PLATZ KINO D City Kino Wedding D EVA-LICHTSPIELE D FILMRAUSCHPALAST D FSK-KINO AM ORANIENPLATZ D IL KINO D KROKODIL D SPUTNIK KINO AM SÜDSTERN D TILSITER LICHTSPIELE D UNION FILMTHEATER D XENON KINO D WOLF KINO D Z-INEMA D ZUKUNFT D B-WARE! OPEN AIR D FLB Weissensee D FLK FRIEDRICHSHAGEN D FLK HASENHEIDE D FLK INSEL D FLK POMPEJI D FLK „UMSONST & DRAUSSEN“ IM FILMRAUSCHPALAST
Editorial Das neue Jahr beginnen wir mit einer extra-dicken Ausgabe. Das hat zwei Gründe. Zum einen ist im Kino im Januar immer viel los, und zum anderen hat die Berlinale ihren Termin verschoben und findet jetzt erst Ende Februar (20.2.–1.3.) statt. Dieses Jahr gibt es deshalb ein Januar/ Februar-Heft, das alle Filme bis Mitte Februar vorstellt, und ein Februar/ März-Heft, das dann Mitte Februar mit der Berlinale-Vorberichterstattung einsetzt. Und was ist so los im Januar? Es wird politisch und musikalisch, und sehr unterschiedliche neue Arbeiten von Veteranen des Arthouse Kinos – Ken Loach (83), Terrence Malick (77), Abel Ferrara (69), Roman Polanski (86) und Rosa von Praunheim (77) – zeigen, dass man nicht alle alten weißen Männer über einen Kamm scheren sollte. Begeistert hat uns vor allem SORRY WE MISSED YOU von Ken Loach, der ganz nah am Alltag der Leute ist, die nicht so oft auf der Leinwand zu sehen sind, weil sie weder glamourös noch gefährlich noch kreativ sind, sondern sich mit ihren Familien gerade so am Existenzminimum durchhangeln. Mitreißendes Kino, bei dem die Frage, ob der selbständige Paketbote Ricky das Päckchen rechtzeitig zustellen kann, weitaus spannender ist als die, ob Luke Skywalker das Universum rettet. Am meisten Kopfzerbrechen hat uns die Frage gemacht, wie wir mit Roman Polanski und seinem neuen Film INTRIGE umgehen sollen, der in Venedig mit dem silbernen Löwen ausgezeichnet wurde. Unmittelbar vor Kinostart des Films in Frankreich hat eine weitere Frau Polanski der Vergewaltigung beschuldigt. Der Fall liegt viele Jahre zurück, und das Verbrechen, wenn es denn stattgefunden hat, ist verjährt. Aber es ist bei weitem nicht die einzige Anschuldigung, und in den USA läuft seit 1977 ein Verfahren gegen den Regisseur. In Frankreich haben Frauen die Premiere gesprengt und zum Boykott des Films aufgerufen. Wir haben uns für eine Besprechung entschieden (Seite 22). Geben wir damit möglicherweise einem mehrfachen Vergewaltiger Raum? Wäre Nicht-Beachtung Zensur? Wo verläuft die Grenze, wo sollte sie verlaufen? Lassen sich Werk und Leben trennen? Was tun mit Künstler*innen, deren Ästhetik man liebt, oder deren Politik man schätzt, deren Handlungen man aber verwerflich findet? Diese Fragen beschäftigen uns. Die Antworten sind im Fluss. Wir wünschen euch ein gutes Jahr 2020! Eure INDIEKINO Redaktion Die Februar/März-Ausgabe von INDIEKINO erscheint am 18.2.
INDIEINHALT
50 „GENREFILME NEIGEN DAZU, AM ENDE ALLE PROBLEME ZU LÖSEN“ INTERVIEW MIT JESSICA HAUSNER ZU LITTLE JOE
06 Magazin 10 „MAN MUSS RAUS UND SICH EINMISCHEN, NICHT NUR DASITZEN UND JAMMERN“ INTERVIEW MIT KEN LOACH ZU SORRY WE MISSED YOU 14 MUSIK UND STIL MILES DAVIS – BIRTH OF THE COOL
52 Weiter im KINO 53 Kinderfilme 54 Kinohighlights 61 Kinoadressen, Impressum, Abo
16 AUF DÜNNEM EIS DIE WÜTENDEN
62 Nachbild
Neu im JANUAR/FEBRUAR
49 38 50 48 18 44 37 19 14 49 21 20 26 30 26
29 48 28 49 49 48 18 20 47 28 38
1917 Albrecht Schnider – Was bleibt Alkohol – Der globale Rausch Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Best of Genrenale Vol. 1 Bombshell – Das Ende des Schweigens Brothers Butenland Character One: Susan Congo Murder Crescendo – #makemusicnotwar
Starts der Woche 49 Als Hitler das rosa Kaninchen stahl 20 Gundermann Revier
2.1. 49 40 27 14 26
Best of Genrenale Nol. 1 Judy Knives Out – Mord ist Familiensache Miles Davis – Birth of the Cool Una Primavera
28 18 42 50 19
Alkohol – Der globale Rausch Brothers Freies Land Little Joe Milchkrieg in Dalsmynni
9.1.
D4
D JANUAR/FEBRUAR 2020
42 47 42 23 20 35 20 22 39 40 48 20 27
Darkroom – Tödliche Tropfen Enkel für Anfänger Freies Land Das Freiwillige Jahr Das geheime Leben der Bäume La Gomera Gundermann Revier Intrige Jojo Rabbit Judy Just Mercy Klavierstunden Knives Out – Mord ist Familiensache
30 Queen & Slim 34 Swans – Where Does A Body End
16.1. 29 48 47 38 20 38 37 49 46 32 30
1917 Albrecht Schnider – Was bleibt Character One: Susan Crescendo – #makemusicnotwar Klavierstunden Lindenberg! Mach dein Ding Der Marktgerechte Mensch My Life is a Gunshot: Joke Lanz Vom Gießen des Zitronenbaums Weathering With You Why Don’t You Just Die
Die Kunst der Nächstenliebe Lindenberg! Mach dein Ding Little Joe Little Women The Lodge Looking at the Stars Der Marktgerechte Mensch Milchkrieg in Dalsmynni Miles Davis – Birth of the Cool My Life is a Gunshot: Joke Lanz Mystify: Michael Hutchence Nachlass – Passagen Una Primavera Queen & Slim Romys Salon
10 43 34 37 24 36 46 19 32 34 30 16
Sorry We Missed You Spuren Swans – Where Does A Body End Tommaso Varda par Agnès Ein verborgenes Leben Vom Gießen des Zitronenbaums Das Vorspiel Weathering With You Weisser, weisser Tag Why Don’t You Just Die Die Wütenden
23.1.
6.2.
20 39 20 19 16
20 28 47 23 22 18 37 24
Butenland Congo Murder Enkel für Anfänger Das Freiwillige Jahr Intrige The Lodge Tommaso Varda par Agnès
48 35 44 43 34
Bombshell – Das Ende des Schweigens La Gomera Looking at the Stars Spuren Weisser, weisser Tag
Das geheime Leben der Bäume Jojo Rabbit Nachlass – Passagen Das Vorspiel Die Wütenden
30.1. 42 48 49 48 21 26 10 36
Darkroom – Tödliche Tropfen Just Mercy Die Kunst der Nächstenliebe Little Women Mystify: Michael Hutchence Romys Salon Sorry We Missed You Ein verborgenes Leben
13.2.
Starts ab 20.2. in unserer Februar/März-Ausgabe
INDIEMAGAZiN
BERLINALE WARM UP Eine Woche vor Beginn der Berlinale, am 13.2. gibt es eine Warm-Up-Veranstaltung im Brotfabrik Kino, bei der man die neue Leiterin der Sektion Berlinale Shorts, Anna Henckel-Donnersmarck kennenlernen kann. Gezeigt werden Kurzfilme der Autorin Gabriele Stötzer, die zur Opposition in der DDR gehörte. Stötzer drehte in den 80er Jahren zahlreiche Super-8-Kurzfilme im Rahmen ihrer Arbeit in der Erfurter „Galerie im Flur“ und mit der Künstlerinnengruppe Erfurt. Nach dem Filmprogramm gibt ein Gespräch zwischen Gabriele Stötzer, Anna Henkel-Donnersmarck und Dr. Claus Löser (Programmleiter Brotfabrik).
FILM & BUCH: WEDDING BÜCHER Die Reihe Wedding-Bücher rechnet mit der häufig zu hörenden Behauptung, der Stadtteil sei „im Kommen“, ab. Natürlich stimmt das, aber der Wedding „kommt“ schon seit über 100 Jahren, mal mehr, mal weniger. Der 1929 von der linken „Prometheus“-Filmgesellschaft produzierte MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK porträtierte an Originalschauplätzen des Arbeiterbezirks die, die nicht vom Aufschwung profitierten, und stattdessen von den Veränderungen ihrer bereits prekären Existenz beraubt wurden. Am 24.1. um 19 Uhr zeigt das City Kino Wedding Phil Jutzis Zille-inspirierten Stummfilmklassiker mit einer Einführung durch Walter Frey, der in diesem Rahmen auch seine Artikelsammlung über den Film („Wedding-Bücher Nr.5“) vorstellt.
Jenseits des Sichtbaren
10 JAHRE FFF Seit 2011 zeigt das Favourites Film Festival jährlich viel geliebtes internationales Kino. Das Programm setzt sich aus ausgewählten aktuellen Filmen zusammen, die auf Festivals in aller Welt mit einem Publikumspreis ausgezeichnet wurden. Anlässlich des im September bevorstehenden 10. Jubiläums zeigt das City Kino Wedding jeden Monat ein Highlight aus den vergangenen Festivalprogrammen. Los geht es am 29.1. um 21 Uhr mit HERMANO/BROTHER (Venezuela 2010), mit dem das erste FFF eröffnet wurde.
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D JANUAR/FEBRUAR 2020
PLANET ART
Das Kino im Zeiss Großplanetarium bezeichnet seine dreimonatigen thematischen Filmreihen netterweise als Planeten. Im Januar beginnt „Planet Art“ seine Umlaufbahn und streift dabei M.C. Escher (M. C. ESCHER – REISE IN DIE UNENDLICHKEIT), Van Gogh (VAN GOGH – AN DER SCHWELLE ZUR EWIGKEIT), Anthony Goldsworthy (RIVERS AND TIDES), die naive Künstlerin Maud Dowley (MAUDIE), Claude Monet (EXHIBITION ON SCREEN: ICH, CLAUDE MONET) und die frühe abstrakte Malerin Hilma af Klint (JENSEITS DES SICHTBAREN – HILMA AF KLINT), bevor er sich im April auf eine neue Reise begibt. planetarium.berlin
OPEN SCREENING & CROSSING BORDERS Das erste Open Screening des Jahres im Sputnik Kino findet ausnahmsweise schon am 20.1. um 20.30 Uhr statt. Filme jeden Genres von bis zu 25 Minuten Länge können hier ohne Vorauswahl dem Publikum gezeigt und anschließend diskutiert werden. Zusätzlich werden im Januar die Ergebnisse des „Crossing Borders“-Workshops des British Shorts Festivals gezeigt, bei dem Teilnehmer*innen innerhalb von 48 Stunden Kurzfilme drehen, die sich mit Grenzen und ihrer Überwindung befassen. britishshorts.com, openscreening.de
INDIEMAGAZIN
ENTSCHIEDEN PSYCHOLOGISCH Der Psychologe und Philosoph Wilhelm Salber gilt als Begründer der psychologischen Morphologie, die Goethes Morphologie mit Freuds Psychoanalyse zusammendachte. „Von Anfang an war sein Konzept davon bestimmt, im Seelischen „ästhetische“ Gesetze wirksam zu sehen und nicht logische Determinationen. Das Seelische entwickelt sich nach einer „Logik der Bilder“, wie sie sich auch in den Werken der Kunst, des Films und Literatur entfaltet.“ In ihrem Dokumentarfilm ENTSCHIEDEN PSYCHOLOGISCH, der am 19.1. um 15.30 Uhr im fsk-Kino zu sehen ist, stellt Regisseurin Christiane Büchner Salber und sein Werk vor. Anschließend Fachgespräch mit Regisseurin und Psycholog*innen.
Changing the Game
BLN FILMTAG: TRANS* + INTER* AUFBRUCH INS JETZT: Kurz vor der Berlinale, am Sonntag, den 16.2. zeigt das Berlin Lesbian DER NEUE DEUTSCHE FILM Vom and Non-Binary Filmfest an einen kompletten Sonntag im Sputnik Kino von früh bis spät aktuelle Filme und Festivalperlen mit trans* und inter* Thematiken. Auf dem Programm stehen unter anderem CHANGING THE GAME über drei Transsportler*innen an der Highschool, Flavio Alves’ THE GARDEN LEFT BEHIND, in dem Tina und ihre Großmutter als Einwanderer ohne Dokumente versuchen, sich ein neues Leben in New York aufzubauen, und die Dokus TRANSMILITARY über vier Soldat*innen der US-Armee, die sich als trans geoutet haben, und ICH BIN ANASTASIA über die deutsche Oberstleutnantin Anastasia Biefang, die zum Gespräch anwesend sein wird.
AUGUST
VALERIE
DIEHL PACHNER
MATTHIAS
SCHOENAERTS
BRUNO
GANZ
MARIA
SIMON
14.2.-22.3. ist im Willy Brandt-Haus die Ausstellung „Aufbruch ins Jetzt“ des Schweizer Fotografen Beat Presser zu sehen. Presser hat sich in liebevoller Arbeit neun Jahre lang intensiv mit dem „Neuen deutschen Film“ beschäftigt und 56 seiner Protagonist*innen fotografiert und interviewt. Aus dem Material ist eine umfangreiche Hommage entstanden mit Fotografien, Kurzfilmen, Zitaten, Kurzbiografien, Filmausschnitten und Filmplakaten. Die begleitende Filmreihe findet vom 16.2.-29.3. immer sonntags um 15.30 Uhr im Bundesplatz-Kino statt.
»Terrence Malicks bester Film seit ‘The Tree of Life’.« INDIEWIRE.COM
»Kino in seiner mächtigsten und heiligsten Form.« VARIETY
EIN
VERBORGENES LEBEN EIN FI LM VON
TERRENCE MALICK www.ein–verborgenes–leben.de
AB 30. JANUAR 2020 IM KINO
»Stilistisch und intellektuell überwältigend.« PROGRAMMKINO.DE
INDIEMAGAZiN
KALENDER: PREMIEREN, PREVIEWS UND GÄSTE NUR DIE FÜSSE TUN MIR LEID Wandern auf dem Jakobsweg. Zu Gast: Regisseurin & Protagonistin Gabi Röhrl 3.1. um 15.30 Uhr, Union Kino
AG DOK präsentiert: Unentdeckte Dokfilmperlen Jeden 1. Montag im Monat 6.1., Acud Kino
Immer am letzten Mittwoch des Monats zeigt das Visionär Festival junges und experimentelles Kino. 29.1., Acud Kino
EINMALIGE VORFÜHRUNG: LÄNGER LEBEN – 50 BLICKE AUFS ALTER
FILM AUS PAPIER
50 Interviewpartner erzählen von ihren Erfahrungen mit dem Altwerden. 29.1. um 10.15 Uhr, Union Kino
Studierende der dffb lesen aus ihren Drehbüchern vor 8.1. um 20.30 Uhr, Sputnik Kino
An der Bruchkante: Imker in Mecklenburg
SLOWLANDS – WHISKY UND SPIRITS BAR Langsame Getränke und passende Musik in der Kinobar. 10.1. ab 21 Uhr, Sputnik Kino
MEIN VATER, MEIN SOHN UND DER KILIMANDSCHARO In Erinnerung an den Vater wandert Achill Moser auf den Kilimandscharo. Zu Gast: Protagonisten Achill Moser und Sohn Aaron 13.1. um 18 Uhr, Union Kino
Shorts Attack: POWER FRAUEN 15.1., Acud Kino
NEUES IRANISCHES KINO Immer am 3. Donnerstag des Monats 16.1. um 20 Uhr, Acud Kino
My Life is a Gunshot: Joke Lanz Der Schweizer Noise- und TurntableKünstler Joke Lanz und der Filmemacher Marcel Derek Ramsay sind seit langem befreundet. Ramsays Film ist eine schwarzweiße Collage aus Versatzstücken, die Ramsay über mehrere Jahre gedreht haben. Zu Gast: Joke Lanz und Marcel Derek Ramsay 16.1., Wolf Kino 17.1. um 20 Uhr Brotfabrik Kino
FILMRAUSCH SNEAK 19.1. um 19.30 Uhr, Filmrauschpalast
SIN NOMBRE Drama von Cary Fukunaga aus dem Jahr 2009. Tapachula, Mexiko: Die Jungen El Casper und Smiley kämpfen um einen Platz in der Gang. Das Mädchen Sayra will die gefährliche Zugfahrt in die USA wagen. Zu Gast: Einführung durch Studierende der Romanistik 21.1. um 19 Uhr, City Kino Wedding
VINYLRAUSCH Gemeinsam Platten hören in der Sputnik Kinobar. 23.1. um 19.30 Uhr, Sputnik Kino
ÜBER GRENZEN Mit 64 mit dem Motorrad durch Kleinasien. Zu Gast: Protagonistin Margot Flügel-Anhalt 26. 1. um 17.30 Uhr, Union Kino
D8
VISIONÄR FESTIVAL
D JANUAR/FEBRUAR 2020
WELTWEITE VORFÜHRUNG VON SHOAH Claude Lanzmann arbeitete elf Jahre lang, von 1974 bis 1985, an SHOAH, einem 9½-stündigen Interview-Film, in dem Opfer und Täter der systematisch betriebenen Ermordung von Juden durch das Deutsche Reich zu Wort kommen. Der Film gilt als »epochales Meisterwerk der Erinnerungskultur« und ist dennoch nur selten in ganzer Länge im Kino zu sehen. Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz am 27.1.2020 hat das internationale literaturfestival berlin [ilb] zu einer weltweiten Filmvorführung von SHOAH aufgerufen. Das Brotfabrik Kino zeigt SHOAH ab 14 Uhr. literaturfestival.com
Die Mecklenburger Filmemacherin Anne Andersen hat für ihren Film mehrere Jahre lang Imker begleitet. Zu Gast: Regisseurin Anne Anderson 31.1.–5.2. um 19.30 Uhr, Brotfabrik Kino
AG DOK präsentiert: Unentdeckte Dokfilmperlen Jeden 1. Montag im Monat 3.2., Acud Kino
VERRAT – FÖRRÄDERI Dokumentarfilm von Björn Cederberg und Fredrik von Krusenstjerna über Sascha Anderson. Als Vorfilm läuft der im DDR-UNDERGROUND gedrehte BERLIN DDR HINTERGRUND. Zu Gast: Björn Cederberg 7.2. Brotfabrik Kino
LA DRÔLESSE/EIN KLEINES LUDER Der 20-jährige François kindnapped die 11-jährige Mado. Sie werden Freunde. Frankreich 1979, Regie Jacques Doillon. Präsentiert von Thomas Arslan 11.2. um 19 Uhr, Wolf Kino
FILM AUS PAPIER Studierende der dffb lesen aus ihren Drehbüchern vor 12.2. um 20.30 Uhr, Sputnik Kino
THOMAS MANN: LOTTE IN WEIMAR Der Berliner Ortsverein der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft zeigt Egon Günthers Film, der 1975 aus Anlaß von Manns 100stem uraufgeführt wurde. 16.2. um 11 Uhr, Bundesplatz-Kino
OPEN SCREENING:TESTBILD Mutige Regisseur*innen präsentieren aktuelle Arbeiten. 19.2. um 20.30 Uhr, Sputnik Kino
FILM + DVD-RELEASE: BERLINER BALLADE Alltag in der Trümmerstadt Berlin. Der junge Gert Fröbe als „Otto Normalverbraucher“. Wiederaufführung der restaurierten Fassung von Robert A. Stemmles Nachkriegsklassiker aus dem Jahr 1948. 19.2. um 19 Uhr, City Kino Wedding
VON WEGEN „SCHICKSAL“ MIT WERKEINFÜHRUNG Am 14.1. um 19 Uhr lädt LACINETEK gemeinsam mit der Deutschen Kinemathek zu einem Blick auf die Retrospektive der letzten Berlinale ins Wolf Kino ein. Gezeigt wird Helga Reidemeisters aufrüttelnder Dokumentarfilm VON WEGEN „SCHICKSAL“ (1978) über die Hausfrau und Mutter Irene Rakowitz, der nach seiner Premiere im Jahr 1978 heftige Diskussionen auslöste. 1979 wurde die Regisseurin für VON WEGEN „SCHICKSAL“ mit dem Deutschen Filmpreis in Gold für die Beste Nachwuchsregie ausgezeichnet. Zu Beginn der Veranstaltung wird es eine Einführung zu Film und Restau rierung geben.
Tomorrow
INDIEMAGAZiN
FILME FÜR EINE BESSERE LANDWIRTSCHAFT Der Verein plantAge setzt sich für regionale, saisonale, ökologische und tierleidfreie Landwirtschaft ein und beackert unter anderem einen Stadtgarten in Neukölln. Im Acud Kino zeigt plantAge unregelmäßig Filme mit Gespräch. Am 16.1. läuft der Dokumentarfilm TOMORROW – DIE WELT IST VOLLER LÖSUNGEN, in dem Projekte und Initiativen vorgestellt werden, die alternative ökologische, wirtschaftliche und demokratische Ideen verfolgen. Am 22.1. zeigt plantAge den Film Der marktgerechte Mensch (Besprechung auf Seite 37). Vorführung jeweils um 19 Uhr.
VERLOSUNG: MEIN LEBEN MIT AMANDA Als die siebenjährige Amanda bei einem Terroranschlag ihre Mutter verliert, muss ihr Onkel, der 24-jährige David mitten in der eigenen Trauer für sie da sein. MEIN LEBEN MIT AMANDA erzählt sehr zart davon, wie Amanda und David zusammenwachsen und findet die emotionalsten Momente nicht in der großen Geste oder in den hilflosen Ritualen, mit denen die Gesellschaft den Schock zu mildern versucht, sondern in kleinen Details und Alltagsmomenten. Im Kino war Mikhaël Hers schöner Film leider nur kurz zu sehen, jetzt gibt es die Gelegenheit, dies wenigstens zu Hause nachzuholen. Bei Interesse schreibt uns bis zum 15.1. eine Mail an info@indiekino.de
Ein Film von
KONZERT ZUM FILM: KRISTOF HAHN Kristof Hahn ist in der Berliner Musikszene seit langem als einer der besten Gitarristen der Stadt bekannt. Seit 1991 ist Hahn immer wieder Swans-Mitglied gewesen, und auch in der aktuellen Besetzung der Band ist er dabei. Außerdem hat er u.a. mit Tav Falco, Alex Chilton, Chris Spedding und Jochen Arbeit gespielt und in Berlin seit den frühen 80er Jahren in Bands wie The Legendary Golden Vampires, Nirvana Devils, Les Hommes Sauvages und Sultans of Gedankenbrain. Am 9.1. spielt Kristof Hahn um 20 Uhr im Sputnik Kino und ist danach im Film SWANS – WHERE DOES A BODY END (Besprechung auf Seite 34) zu sehen.
arsenalfilm.de
H . PÁ L M A S O N
WEISSER WEISSER TAG Ab 13. Februar im Kino
INDIEFEATURE
„Man muss raus und sich einmischen, nicht nur dasitzen und jammern“ Interview mit Ken Loach zu SORRY WE MISSED YOU
D 10
D JANUAR/FEBRUAR 2020
INDIEFEATURE Ken Loach muss man eigentlich nicht vorstellen. Zum Oeuvre des Regisseurs gehören Klassiker wie KES (1969), RIFF RAFF (1991), LADYBIRD, LADYBIRD (1994), LAND AND FREEDOM (1995), THE NAVIGATORS (2001), JUST A KISS (2004), LOOKING FOR ERIC (2009), JIMMY’S HALL (2014) und Cannes-Gewinner I, DANIEL BLAKE (2016). In seinen Filmen, die mal mehr Komödie, mal mehr Drama, und meist irgendwo dazwischen angesiedelt sind, ist Loach immer fest auf der Seite der Underdogs, seien es Bauarbeiter, Putzfrauen, Sozialist*innen im Spanischen Bürgerkrieg oder irische Wiederstandkämpfer*innen. Einen O.B.E (das britische Equivalent zum Bundesverdienstkreuz) lehnte er ab: „…it’s not a club you want to join when you look at the villains who’ve got it.“ Bereits mehrfach hat der mittlerweile 82-Jährige seinen Rückzug aus dem Filmgeschäft angekündigt, aber es dann im Ruhestand – zum Glück! – nicht ausgehalten. Das Interview führte Thomas Abeltshauser mit Ken Loach im September auf dem Filmfest in San Sebastián.
INDIEKINO: Nach I, DANIEL BLAKE, der 2016 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, haben Sie angekündigt, das sei wahrscheinlich Ihr letzter Film. Nun sind Sie inzwischen 80 und machen fleißig weiter. Ihr neues Sozialdrama SORRY WE MISSED YOU handelt von einer Familie, die unter den Folgen der Finanzkrise von 2008 leidet. Was treibt Sie an?
Das ist die Herausforderung. Aber man muss es auf ein individuelles Drama herunterbrechen, sonst ist es bloße Propaganda. Wir wollten eine einfache, kleine Geschichte erzählen, bei der deutlich wird, es ist nur die Spitze des Eisbergs, und durch die eine wirtschaftliche Struktur sichtbar wird. Wir haben unzählige solcher Geschichten gehört.
Ken Loach: Es passiert einfach zu viel Schlimmes! Jedes Mal, wenn ich die Nachrichten einschalte, denke ich: Darüber müssten wir was machen. Ich bin ständig mit Paul Laverty, meinem Drehbuchautor, in Kontakt und wir reden über alles Mögliche. So kam es auch zu SORRY WE MISSED YOU. Wir sprachen lange über die sich rasant verändernde Arbeitswelt. Noch vor einer Generation hatten viele Menschen das ganze Leben denselben Arbeitsplatz, der die Sicherheit brachte, um eine Familie zu gründen, ein Haus zu bauen und sein Leben zu planen. Das verschwindet gerade.
Wie gewinnen Sie das Vertrauen der Betroffenen, sich Ihnen zu öffnen?
Können Sie das erläutern?
Sie haben die beiden Hauptrollen mit Laien besetzt, die aus ähnlichen Verhältnissen kommen. Um es glaubwürdiger zu machen?
Zwei Drittel aller neuen Jobs sind prekär und ohne jede Sicherheit. Viele sind mittlerweile vermeintlich selbständig, und alles Risiko ist auf den einzelnen Arbeiter abgewälzt, weil er nun ein unabhängiger Anbieter einer Leistung ist und kein Festangestellter. So hat er keinen Lohnausgleich bei Krankheit, keinen bezahlten Urlaub und im Falle des Lieferdienstfahrers in meinem Film auch keine Versicherung für sein eigenes Fahrzeug. Wenn da irgendwas schiefläuft, ist er dran. Das war die Grundidee, Paul fing dann an zu recherchieren, sprach mit Betroffenen, die ihm ihre Erfahrungen schilderten. Paul wollte das auch als Familiengeschichte erzählen, denn dort wird der Stress sichtbar, dem die Menschen mehr und mehr ausgesetzt sind. SORRY WE MISSED YOU setzt damit auf gewisse Weise fort, was Sie bereits in I, DANIEL BLAKE thematisiert hatten. Und beide sind in Newcastle angesiedelt. Daniel Blake ist Opfer bürokratischer Sanktionen und um die Ecke wohnt eine Familie, in der beide Eltern prekäre Arbeiter sind, die ums Überleben kämpfen. Es sind zwei Seiten derselben Situation. Wie schwierig ist es, ein soziales oder politisches Thema in einen Spielfilm zu verwandeln?
Paul Laverty ist sehr gut darin. Er versuchte es zunächst über die Gewerkschaften, aber alle hatten Angst. Also ging er frühmorgens zu Fuhrparks und kam mit den Fahrern ins Gespräch. Er sagte von Anfang an, dass es um einen Film geht und sicherte ihnen Anonymität zu. Mit einigen Fahrern verbrachte er dann einen ganzen Tag im Wagen und erlebte ihren Arbeitsalltag.
Unbedingt! Ricky ist eigentlich selbständiger Klempner, Debby gibt Nachhilfe für Schüler. Beide wollten schon lange schauspielern, und es wirkt sehr authentisch, weil sie diese Welt sehr genau kennen. Die bittere Ironie ist, dass die Mutter als Heimpflegerin arbeitet, um so ihre eigene Familie zu ernähren, aber dadurch keine Zeit mehr hat, sich um sie zu kümmern. Wir haben viel mit Frauen in diesem Beruf gesprochen. Viele haben 20 Minuten pro Klienten und erhalten dafür nur ein Drittel des Mindeststundenlohns, der bei 8,50 Pfund liegt. Also bekommen sie weniger als drei Pfund, brauchen aber oft eine halbe Stunde und mehr, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Leuten zu kommen, die Anfahrt wird nicht vergütet. Das sind Armutstarife! Die Auseinandersetzungen innerhalb der Familie verlaufen immer ähnlich. Wollen Sie damit zeigen, dass wir Menschen Gewohnheitstiere sind? Sind wir das etwa nicht? Der Vater versucht, eine Art Autorität aufrechtzuerhalten, die traditionelle patriarchale Struktur. Die Rolle der Mutter ist auszugleichen, für Frieden zu sorgen. Und der Sohn ist der Gefangene in JANUAR/FEBRUAR 2020 D
11 D
INDIEFEATURE diesem Szenario. Sie sind festgefahren in dieser Dynamik, das wollte ich durch den immer gleichen Ablauf verdeutlichen. Die Körpersprache, wie sich jemand bewegt und im Raum positioniert, sagt sehr viel über einen Menschen aus. Sie kämpfen seit Jahrzehnten für soziale Gerechtigkeit und prangern mit Ihren Filmen die Ausbeutung und den Sozialabbau in Großbritannien an. Die Rechtspopulisten sind dort wie in großen Teilen Europas auf dem Vormarsch, die Linke scheint dem wenig entgegensetzen zu können. Sind Sie von ihren alten Mitstreitern enttäuscht? Die Fronten, was rechts und was links ist, sind heute klarer als je zuvor. Die Rechten glauben an einen freien Markt, eine kapitalistische Wirtschaft und eine globalisierte Produktion, in der sich die Bourgeoisie die billigsten Arbeiter suchen kann, um sie auszubeuten. Das ist für mich die Rechte. Die Linke steht für gemeinsame Güter und Planwirtschaft, um den Planeten zu retten und Gerechtigkeit am Arbeitsplatz herzustellen. Die Grenzen sind eindeutig, es gibt da keinen Mittelweg. Die Verzweiflung über die Linke kenne ich, seit ich denken kann – es ist die einfache Ausflucht für Leute, die sich nicht einmischen wollen. Gehen Sie zu irgendeinem Gewerkschaftstreffen und sie werden Leute finden, die bereit sind zu kämpfen. Ich bin nicht verzweifelt, sondern im Gegenteil sehr hoffnungsvoll. Weite Teile der Arbeiterklasse wählen heute populistische und nationalistische Parteien. Wie erklären Sie sich diesen Rechtsruck? Geschichte wiederholt sich. Hitler und Mussolini wurden auch gewählt. Es gibt natürlich ein großes reaktionäres Element innerhalb der Arbeiterklasse, das können wir nicht leugnen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sie durch die herrschende Klasse für deren Profitmaximierung ausgebeutet wird. Doch die Versprechen des Kapitalismus sind sehr stark und werden durch die Medien und ihre Vergötterung von Unternehmern gefüttert, auch wenn es den meisten immer schlechter geht und wir unsere Umwelt zerstören. Aber viele glauben diese Lügen. In ihren Augen sind nicht die Verantwortlichen schuld, sondern die anderen, die auch arm sind, oft eine andere Hautfarbe haben. Sie nehmen ihnen vermeintlich die Arbeitsplätze und Wohnungen weg. Es ist immer einfacher, nach unten zu treten. Das ist eine Denkweise, die wir bekämpfen müssen. Aber ich habe auch Hoffnungen, vor allem in die Jugend, die gerade für das Klima auf die Straße geht. Wir müssen ihnen zuhören! Sonst droht es zu verpuffen, weil sie sehen, dass sich nichts ändert. Jetzt geht es darum, diese Proteste und Forderungen in eine kohärente politische Bewegung zu überführen. Hier ist vor allem die Linke gefordert. Wieso sind Sie trotz allem optimistisch? Wenn es um Veränderung geht, gibt es natürlich immer Meinungsverschiedenheiten. Aber bei allem was schief läuft in Großbritannien, haben wir mit Jeremy Corbyns Labour Party zumindest eine starke linke Oppositionspartei, mit einem Programm, das Punkte fordert wie einen radikalen Wandel zu ökologischer Produktion, erhöhte Investitionen in den öffentlichen Dienst, Gewerkschaftsrechte für alle, um die Ausbeutung durch prekäre Arbeitsverhältnisse und die Privatisierung des Gesundheitssystems zu beenden, und vieles mehr. Und die Chancen stehen gut, dass wir mit diesem Programm die Wahlen gewinnen könnten, wir sind die stärkste D 12
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sozialistische Partei in ganz Europa. Wo ist da Enttäuschung? Dieses Gerede ist kontraproduktiv. Ich bin voller Hoffnung. Aber man muss raus und sich einmischen, nicht nur dasitzen und jammern. Zugleich wird die Kritik lauter, die Linke habe die klassische Arbeiter familie vergessen. Wer sagt das? Der freie Markt beutet die Menschen aus und darunter leiden vor allem die Familien. Alleine der mentale Stress, davon handelt ja auch mein Film. Die Leute schuften 12, 14 Stunden und lassen sich am Arbeitsplatz, ob als Krankenschwester oder als Fahrer eines Lieferservices, nichts anmerken. Und wenn sie nach Hause kommen, sind sie völlig erschöpft, ungeduldig und gereizt. Und darunter leiden die Kinder. Das ist doch offensichtlich. Im Kino gibt außer Ihnen diesen Menschen kaum noch jemand eine Stimme. Weil die Investoren und Finanziers nicht daran interessiert sind. Es lässt sich damit kein Geld verdienen. Und sie entscheiden, was produziert wird. Also nicht wir Filmemacher haben diese Menschen vergessen, es gibt schlicht immer weniger Möglichkeiten, ihre Geschichten zu erzählen. Wir hatten früher mehr Freiheiten. Ist Ihr Anspruch dabei, auf bestimmte Situationen und soziale Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen, oder verstehen Sie Ihr Kino auch als Medium, um Dinge zu verändern? Zuallererst geht es darum zu zeigen, dass es passiert, auf eine Art, die glaubwürdig ist. Ich halte es mit Bertold Brecht: „Und ich dachte immer: die allereinfachsten Worte müssen genügen. Wenn ich sage, was ist, muss jedem das Herz zerfleischt sein.“ Es ist wichtig, Missstände klar zu benennen, und alleine das sollte uns wütend machen. Und wenn es mir gelingt, dadurch Leute aufzurütteln und es eine Bewegung oder politische Organisation oder Gewerkschaft gibt, die sich für diese Belange einsetzt, liegt es am Zuschauer, ob er nach dem Kinobesuch einfach nach Hause geht oder sich informiert und engagiert. Aber nehmt es zumindest wahr, ignoriert es nicht! Mehr kann ein Film nicht leisten. Trotz allem gibt es in SORRY WE MISSED YOU kleine Hoffnungsschimmer … Mein Ansatz ist, mit Empathie zu beobachten. Ich will nicht nur die Umstände erklären, sondern auch die Solidarität feiern, die Unterstützung, Zuneigung und den Humor, die ich auch bei den am meisten Ausgebeuteten noch immer entdecken kann. Erreichen Sie mit Ihren Filmen, die Leute, die es konkret betrifft? Viele gehen sonst gar nicht ins Kino, vor allem ins Arthousekino. Aber wir hatten über 700 Filmvorführungen bei Gewerkschaftsgruppen, Selbsthilfeorganisationen, Fußballvereinen und Pubs, oft in den ärmsten Gegenden des Landes. Bei vielen waren Paul und ich selbst dabei und redeten mit den Menschen. Es war deutlich, dass wir mit der Geschichte einen Nerv treffen. D Das Gespräch führte Thomas Abeltshauser
Großbritannien 2019 D 100 min D R: Ken Loach D B: Paul Laverty D S: Jonathan Morris D M: George Fenton D D: Kris Hitchen, Debbie Honeywood, Rhys Stone, Katie Proctor D V: NFP marketing & distribution
Sorry We Missed You Unversöhnlicher denn je
Ken Loach ist wütend. Sehr wütend. Während Pedro Almodóvar und Martin Scorsese selbstreflexiv zurückblicken, Woody Allen sich in nostalgischen Träumereien verliert und Clint Eastwood sich mit Senioren-Gangstern amüsiert, ist Ken Loach gegenwärtiger und unversöhnlicher denn je. Sein neuer Film SORRY WE MISSED YOU knöpft sich die Ich-AG vor. Ricky Turner aus Newcastle macht sich als Paketbote selbstständig. Wenn alles gut läuft, werden er und seine Frau Abbie, die als ambulante Altenpflegerin arbeitet, das Häuschen abbezahlen können. In der Hoffnung auf ein Leben, das wenigstens ein bisschen komfortabler ist, verkaufen die Turners Abbies Kleinwagen und schaffen sich einen Lieferwagen an. Womit sie nicht gerechnet haben, ist der erbarmungslose Druck. Für den Fall, das eben mal nicht alles gut läuft, gibt es keinen Puffer: Jede Verspätung wird mit Sanktionen bestraft, und wenn Ricky ausfällt, muss er einen Ersatzfahrer bezahlen. Das erste, was ein Kollege ihm gibt, ist eine Plastikflasche – in die kann er pinkeln, wenn keine Zeit zum Aussteigen ist. Während zuhause Sohn Seb die Schule schwänzt und dringend Aufmerksamkeit bräuchte, rast Ricky durch die Stadt, die Katastrophe immer dicht auf den Fersen. Auch wenn hier und da, im Privaten, noch Orte der Wärme und Geborgenheit zu finden sind, wird erschreckend deutlich, dass es für die Turners keinen Plan B gibt. Wie zu Beginn der Industrialisierung haben die kleinsten Rädchen im globalen Getriebe – auch in Europa – so gut wie keinerlei Absicherung und kaum Perspektiven mehr. Ken Loach und sein langjähriger Drehbuchautor Paul Laverty inszenieren das mit einer Dringlichkeit und Energie, die 60 Jahre jüngere Filmemacher*innen gesetzt und müde wirken lässt. Diese politische Zwei-Mann-Bewegung hat offenbar nicht vor, die Klappe zu halten, solange es Missstände gibt, die benannt werden müssen. Und das ist sehr gut so. D Hendrike Bake
Start am 30.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Ken Loach takes the ‘I Incorporated’ world to task: Ricky Turner from Newcastle becomes a self-employed parcel carrier. If everything goes well, he and his wife Abbie, an outpatient geriatric nurse, can pay off their little house….
AB 23. JANUAR IM KINO
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“Ich möchte mich so fühlen, wie Miles Davis spielt” sagt die Autorin Farah Griffin in Stanley Nelsons exzellentem Dokumentarfilm MILES DAVIS – BIRTH OF THE COOL. Wer würde das nicht gern? Kaum ein anderer Musiker ist so unmittelbar identifizierbar. Es reicht einer dieser klaren, entweder gedämpften, oft vibrationslosen Töne, die immer klingen als würden sie direkt über einem Abgrund schweben, als wären sie immer kurz davor zu zersplittern oder zu implodieren, oder einer der messerscharfen ungedämpften Töne, die in die Stille schneiden: Das kann nur Miles sein, mit all seiner Eleganz, Präzision, unsentimentaler Romantik und Wut. Regisseur Stanley Nelson hat vor MILES DAVIS – BIRTH OF THE COOL zahlreiche politische Dokumentarfilme gemacht, darunter den mit zwei Emmys ausgezeichneten FREEDOM RIDERS, über Bürgerrechtsaktivist*innen, die in den 60er Jahren die Rassentrennung durch gemeinsame Bus- und Zugfahrten bekämpften, aber auch Filme über die Black Panthers und über den Mord an Emmett Till. Sein Film über Miles Davis ist eine der besseren Musikerbiografien der letzten Jahre, ohne dass sie sich formal unbedingt von anderen unterscheidet. Es gibt Fotocollagen, die historische Ereignisse und Zeitkolorit vermitteln, viele Fotoporträts und Filmaufnahmen von Miles Davis, eine Off-Erzählung mit Texten aus D 14
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Miles Davis’ Autobiografie und viele Talking Heads. Die Musik selbst könnte mehr Raum bekommen, Nelson legt stets nach wenigen Sekunden Text über die Stücke und schiebt Davis’ eigentliche Kunst in den Hintergrund, aber immerhin lässt Nelson die richtigen Leute reden, und alle haben tatsächlich etwas zu sagen. Und so klappert der Film nicht nur die wichtigsten künstlerischen und biografischen Stationen in Davis’ Leben ab, sondern zeigt auch die kulturelle Relevanz von Davis’ Musik und Stil: die Ablehnung jeder Spur von „Minstrelsy“ im Bebop, also allem, was an die rassistischen „Blackface“-Shows des 19. Jahrhunderts erinnerte, in denen das Stereotyp der immer fröhlichen, tanzenden und singenden, naiv-tumben Schwarzen vermittelt wurde. Dann die Entstehung einer neuen, eleganten, selbstbewussten Schwarzen Männlichkeit im Rassengrenzen überschreitenden Cool-Jazz, die sich in den totschicken und sündhaft teuren Brooks-Brothers-Anzügen, die Davis trug, ebenso spiegelte wie in den urbanen, soundorientierten Arrangements seit den Aufnahmen zu „Birth of the Cool“ von 1949. „Birth of the Cool“ war auch die erste der epochalen Kooperationen von Davis mit dem Arrangeur Gil Evans, die klassische Musik und Jazz zu neuen Klangwelten verbanden. Miles Davis erste Ehefrau, die Tänzerin Frances Taylor, weckte bei Davis die Begeisterung für Flamenco, die zu „Sketches of Spain“ (1960) führen
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Miles Davis – Birth of the Cool Musik und Stil
sollte, seine zweite Ehefrau, die feministische Funk-Musikerin Betty Davis, die mit Sly Stone und Jimi Hendrix befreundet war, inspirierte Davis zu den Jazz-Rock-Funk-Experimenten seit „Bitches Brew“ (1970). Nelsons Film verschweigt nicht die dunklen Seiten von Davis’ Geschichte, die Alkohol- und Kokainsucht oder die Arroganz, mit denen er Musikerkollegen behandelte (Archie Shepp: „He said: Who are you? Shepp? Fuck you! You can’t sit in with me!“). Aber er zeigt auch den alltäglichen Rassismus, dem Davis in den USA ausgesetzt war. Weniger deutlich wird der Film, wenn es um Davis’ Gewalttätigkeiten gegenüber Frauen geht. Frances Taylor berichtet zwar von einem Schlag ins Gesicht, nachdem sie bei einem Clubbesuch angemerkt hatte, dass Quincy Jones ein attraktiver Mann sei. „Das war der erste, aber unglücklicherweise nicht der letzte“, sagt Taylor. Aber Nelson lässt die Interviews mit Davis’ Partnerinnen auf einem versöhnlichen Schlussakkord enden. „Ich bereue nicht, ich vergebe nicht, aber ich liebe“ sagt Frances Taylor, die Davis auch gezwungen hatte, ihr Engagement bei der ersten Broadway-Produktion von „West Side Story“ aufzugeben. Angesichts der zahlreichen Geschichten über Davis Gewalt gegen Frauen, die im Film nicht erwähnt werden, wirkt das im Film wie eine Absolution.
Miles Davis war eine komplexe Persönlichkeit und eine kulturelle Ikone. Wenn der Schlagzeuger Lenny White sagt: „Wir wollten nicht nur spielen wie Miles Davis, wir wollen Miles Davis sein“, sieht das von heute aus betrachtet vielleicht ein wenig anders aus. Aber der Wunsch, sich so fühlen, wie Miles Davis gespielt hat, das lässt sich kaum vermeiden. Ein paar Töne aus „Sketches of Spain“ oder „Kind of Blue“ und jeder Widerstand schmilzt. D Tom Dorow
USA 2019 D 113 min D R: Stanley Nelson D S: Lewis Erskine, Natasha Livia Mottola, Yusuf Kapadia D M: Miles Davis D V: Piece of Magic Entertainment
Start am 2.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Stanley Nelson’s film about Miles Davis is one of the better musician’s biographies in recent years, without being formally different from the others.
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Die Wütenden Auf dünnem Eis
Schon die Eröffnungssequenz macht die Parallele deutlich: Eine Menschenmenge vor dem Arc de Triomphe in Paris. Die Tricolore weht vielfach im Wind. Der Nationalstolz wird gefeiert. Eine Momentaufnahme wie aus der Französischen Revolution. Aber die Bilder sind aktuell, von der vergangenen WM 2018. Darüber liegt in übergroßen Lettern der Titel: LES MISÉRABLES. Doch die Parallelen in Ladj Lys Sozialdrama zu Victor Hugos Klassiker gehen tiefer. Da wäre zunächst der Stadtteil Montfermeil vor den Toren der Hauptstadt, in weiten Teilen der Handlungsort von Hugos Werk. Auch 150 Jahre später herrscht dort bittere Armut und soziale Ungerechtigkeit. Regisseur Ly weiß, wovon er erzählt, wuchs er doch selbst in Montfermeil auf und war mittendrin in den blutigen Ausschreitungen von 2005, die auch seinen Film inspirierten. Hier ist es der junge Polizist Stéphane (Damien Bonnard), der aus der Provinz in den sozialen Brennpunkt kommt, um dort Dienst zu schieben. An seinem ersten Arbeitstag erlebt er die Spannungen in dem Viertel zunächst vom Rücksitz des Peugeots aus, während ihn seine neuen Kollegen in die D 16
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Fronten und Verhaltensweisen einführen. Gwada (Djibril Zonga) ist der ruhige Pol, Chris (Alexis Manenti) der Psycho, der überzeugt davon ist, mit harter Hand mehr zu erreichen. Es gibt den selbsternannten Bürgermeister, einen Gangsterboss, der als Sprachrohr für die Gemeinde dient, die Muslimbruderschaft, die im Hintergrund die Strippen zieht. Und dann gibt es die Jungen, Gewaltbereiten, die sich nichts sagen lassen. Solange hier niemand die Nerven verliert, bleibt es ruhig. Doch am Rande des Viertels haben die Roma ihr Lager aufgeschlagen, ein Wanderzirkus. Der junge Issa kommt auf die Idee, ein Löwenjunges zu entführen und entfesselt damit einen Krieg, zwischen dessen Fronten Stéphane und seine Kollegen geraten. Regisseur Ladj Ly versteht seinen Film als Warnung an die Politik. 15 Jahre nach den schweren Ausschreitungen in den Banlieues hat sich nichts geändert. Eine neue Generation ist herangewachsen. Es ist an der Politik, sich um sie zu kümmern. Ly gelingt ein lebensnaher Einblick in eine Welt abseits des Systems. Ein Mikrokosmos mit eigenen Regeln und Gesetzen,
„Roman Polanskis bester Film seit DER PIANIST“ Filmstarts.de
filmfestspiele venedig 2019
silberner löwe großer preis der jury
EIN FILM VON
ROMAN POLANSKI
in dem eine Handvoll Polizisten versucht, für Ordnung zu sorgen. Ein täglicher Eierlauf, der einen hochspannenden Film ergibt, den Kameramann Julien Poupard in vibrierende Bilder umsetzt. Ein intensiver Film, der unter die Haut geht und Hugos Worte im letzten Akt schmerzhaft ins Gedächtnis ruft: „Merkt Euch, Freunde! Es gibt weder Unkraut noch schlechte Menschen. Es gibt bloß schlechte Gärtner.“ D Lars Tunçay
INTRIGE Ab 6. Februar im Kino
Originaltitel: Les Misérables D Frankreich 2019 D 103 min D R: Ladj Ly D B: Ladj Ly, Giordano Gederlini, Alexis Manenti D K: Julien Poupard D S: Flora Volpelière D D: Damien Bonnard, Alexis Manenti, Djebril Zonga D V: Wild Bunch/Alamode/Central Film
Director Ladj Ly found Victor Hugo’s “Les Misérables“ in the Parisian Banlieues of today.
/Intrige.DerFilm PHOTO GUY FERRANDIS / ALL RIGHTS RESERVED
Start am 23.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
INDIEKRITIKEN Originaltitel: Kardeşler D Türkei/Deutschland/Bulgarien 2017 D 103 min D R: Ömür Atay D B: Ömür Atay D D: Yiğit Ege Yazar, Caner Şahin, Gözde Mutluer D V: Filmdisposition Wessel
Brothers
Großbritannien 2019 D 100 min D R: Veronika Franz, Severin Fiala D K: Thimios Bakatakis D S: Michael Palm D M: Danny Bensi, Saunder Jurriaans D D: Richard Armitage, Riley Keough, Jaeden Martell, Lia McHugh, Alicia Silverstone D V: SquareOne
The Lodge
Pakt des Schweigens
Slowburn-Horror
Wie fremdgesteuert funktioniert Yusuf (Ege Yazar) in der Jugendstrafanstalt. Seit vier Jahren besteht sein Leben aus der täglichen Routine aus Aufstehen, Bett Machen, Arbeiten, Hofgang. Besuch hatte er in all den Jahren nie. Dann taucht plötzlich sein Bruder Ramazan (Caner Sahin) auf. Yusufs Entlassung steht kurz bevor, und Ramazan begleitet ihn in sein neues Leben, der Arbeit in der familiären Raststätte. Der 17-Jährige will aber eigentlich nur seine Mutter endlich wiedersehen, ihr gegenüber treten und sagen, dass er unschuldig hinter Gittern saß. Doch die Begegnung wird seine Erwartungen nicht erfüllen, und in dem stillen, verschlossenen Yusuf reift eine Wut gegen jene, die seine Zeit im Gefängnis zu verantworten haben, gebremst nur von der eigenen Schuld, die er auf sich geladen hat. Ömür Atays BROTHERS beginnt fast schon etwas zu langsam. Am Anfang wirkt der Debütfilm wie ein undurchdringliches Geflecht von Andeutungen. Die Gründe für Yusufs Haft lässt Atay lange im Dunkeln. Doch es lohnt sich, Geduld zu haben, die Gesten und Blicke der Brüder genau zu studieren, ihre Worte aufzunehmen. Denn mit dem Auftauchen einer weiteren Figur verdichtet sich die Handlung in der zweiten Hälfte des Films zu einem starken Finale: Yasemin (Gözde Mutluer) ist in dem Motel der Brüder gestrandet. Ihr Verlobter ist mit uneingelösten Versprechen abgezogen. Ihre Figur und die der Mutter auf der einen, die Brüder und der Onkel auf der anderen verbinden sich am Ende zu einem kraftvollen Porträt der türkischen Gesellschaft – das Patriarchat, die Blutsbande, die bedingungslose Hörigkeit gegenüber den Älteren. Im Zentrum steht Yusuf, ein Kind, das zum Mann werden musste, um für die Familie einzustehen, still aber stark verkörpert von Ege Yazar. D Lars Tunçay
Dass den österreichischen Filmemacher*innen Severin Fiala und Veronika Franz nach dem Erfolg ihres elegant konstruierten Horrorfilms ICH SEH, ICH SEH die österreichische Filmproduktionslandschaft zu eng würde, war abzusehen. Ihr neuer Film THE LODGE ist eine britisch-französisch-amerikanische Koproduktion, die unter dem Hammer Films Label erscheint. Wäre THE LODGE ein paar Wochen früher erschienen, wäre der Film das perfekte Weihnachtsgegengift gewesen. Zwei Kinder, der Teenager Aidan und seine acht Jahre alte kleine Schwester Mia trauern um ihre vor einem halben Jahr plötzlich verstorbene Mutter. Ihr Vater Richard lässt sie kurz vor den Weihnachtsfeiertagen mit seiner neuen Verlobten Grace (Riley Keough) für ein paar Tage auf einer eingeschneiten, aber gut ausgestatteten Jagdhütte allein. Die Hütte spielt offenbar eine große Rolle im Leben der Familie, denn die Kinder besitzen ein großes Puppenhaus, das der Originalhütte detailgetreu nachempfunden ist, und in dem Puppen symbolträchtige Stellungen einnehmen. Das erinnert stark an die Modelle, die Tony Colette in Ari Asters HEREDITARY baut, was vermutlich Zufall ist, zumal Fiala/Franz und Aster ähnliche Themen umkreisen. Die Kinder finden schnell heraus, dass Grace die einzige Überlebende einer christlichen Selbstmordsekte ist, und bemerken, dass ihr die Madonnenbilder und Kruzifixe in der Hütte Unbehagen bereiten. Bald geschehen seltsame Dinge, und wie schon in ICH SEH, ICH SEH bleibt oft unklar, was Realität und was Halluzination ist. THE LODGE ist ein psychologischer Slowburn-Horrorfilm, der mehr mit Atmosphäre als mit Schocks arbeitet und mehrere Wendungen nimmt, die weniger überraschend sind, als dass sie ständig als Möglichkeiten über der Geschichte schweben. Der antireligiöse und morbide Stil von Fiala und Franz wirkt trotz der internationalen Produktion mindestens so österreichisch wie die Filme von Ulrich Seidl. D Tom Dorow
Start am 9.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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After four years in juvenile detention, Yusuf gets out of jail and is just 17. His big brother wants to drag him into crime again, but Yusuf flees from the family and the memories of his crime.
Start am 6.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
The first US film from Austrian directing duo Severin Fiala and Veronika Franz (GOODNIGHT MOMMY). Two children drive to a mountain cabin with their soon-to-be stepmother. Mysterious things happen.
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKRITIKEN Deutschland 2019 D 99 min D R: Ina Weisse D B: Ina Weisse, Daphne Charizani D K: Judith Kaufmann D S: Hansjörg Weißbrich D D: Nina Hoss, Ilja Monti, Simon Abkarian, Sophie Rois D V: Port-au-Prince
Das Vorspiel
Milchkrieg in Dalsmynni
Darstellerische Finesse
Korrupte Kooperative
Zuweilen korrespondieren Filme auf so stupende, wenn auch nicht intendierte Art miteinander, dass es verlockend ist, sie in Relation zueinander zu setzen. DAS VORSPIEL, Regie Ina Weisse, ist ein Film über Enttäuschung, Verhärtung, über eine Frau ohne Mitte. Ein Film über Musik-Besessenheit, ein Film über eine Frau (Nina Hoss) zwischen fünf Männern (Sohn, Vater, Mann, Liebhaber, Geigen-Schüler). Ihrer Mitte ist auch Lara, Protagonistin in Jan-Ole Gersters im November gestarteten gleichnamigen Film verlustig gegangen. Beide, Pianistin Lara und Violinistin Anna, haben auf eine Karriere als Musikerin verzichten müssen. Bei Lara war es das vernichtende Urteil eines Professors, bei Anna eine Angststörung. Einmal fliegt Anna ob ihrer Nervosität bei einem Konzert der Violinbogen weg. Voller Wut fokussiert sie sich auf den Geigen-Unterricht. In beiden Filmen kommt es zu Übergriffigkeiten Musikschülern gegenüber, in beiden entlädt sich die Frustration der Hauptfiguren. Andere müssen büßen fürs eigene Versäumnis. Die sich sukzessive verhärmenden Gesichtszüge Annas machen sie zu einer Art Leidensgenossin Laras. Ganz so niederdrückend wie Jan-Ole Gersters Zweitling ist das mit Humor-Momenten gespickte VORSPIEL aber nicht. So wie LARA ohne das kühl kontrollierte Spiel Corinna Harfouchs kaum denkbar ist, prägt auch Hoss ihren Film. Beeindruckend die Sequenz, in der ihr Eleve wider Erwarten doch zum Jahrgangs-Konzert erscheint: Was sich während des Auftritts auf Hoss’ Gesicht abspielt, wie sich stückweise Erleichterung, Freude breit macht, wie sich schließlich Hoss’ Augen langsam mit Tränen füllen, zeugt von darstellerischer Finesse und einem Sinn für Ökonomie. Beide, LARA und DAS VORSPIEL, sind Berlin-Filme. Während man im streng durchkomponierten LARA BVG-Stationen und andere Orte erkennt, versinkt Ina Weisses Berlin in einer die Unentschlossenheit ihrer Hauptfigur spiegelnden Unschärfe. D Matthias von Viereck
Start am 23.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Termine unter www.indiekino.de
Originaltitel: Héraðið D Island 2019 D 90 min D R: Grímur Hákonarson D B: Grímur Hákonarson D K: Mart Taniel D D: Arndís Hrönn Egilsdóttir, Hinrik Ólafsson, Sigurður Sigurjónsson, Hannes Óli Ágústsson D V: Alamode Filmdistribution
DAS VORSPIEL is a film about disappointment, about music obsessiveness, about a women without a center amongst five men (son, father, husband, lover, violin student).
Nahe der isländischen Kleinstadt Dalsmynni betreiben Inga und Reynir einen Milchhof, der schon lange in seiner Familie ist. Zu zweit schaffen sie die Arbeit kaum, und es wäre einfacher, die Schulden abzuzahlen, wenn sie nicht verpflichtet wären, nur mit der örtlichen Genossenschaft Handel zu treiben. Als Reynir bei einem Unfall stirbt, ist es eine Erleichterung für Inga, dass die Genossenschaft den Hof führt, während sie trauert, und sie kaum noch gebraucht wird. Aber dann erzählt ihr ein Arbeiter, dass Reynir abtrünnige Bauern an die Genossenschaft verraten und so in den Ruin getrieben hat. Voller Wut schreibt Inga auf Facebook über die mafiösen Methoden der Genossenschaft und findet kurz darauf heraus, wie richtig sie mit den Anschuldigungen liegt. Wenn Inga in Dalsmynni bleiben und den Hof behalten will, soll sie den Mund halten. Das Fernsehen interessiert sich für ihre Geschichte. Von den anderen Milchbauern ist dagegen keine Hilfe zu erwarten. Dafür sind sie zu träge und passiv und scheuen die Aufregung. Inga aber ist ganz die störrische Bäuerin und hat keine Angst vor dramatischen Aktionen und einer Nacht hinter Gittern. Doch alleine kann sie nicht gegen die Genossenschaft siegen. Grímur Hákonarsons (STURE BÖCKE) MILCHKRIEG funktioniert auf verschiedenen Ebenen, die sich erst im Nachhinein voll erschließen. Nicht nur geht es um Ingas innerliche Abrechnung mit einem Ehemann, der sie belogen hat, und ihre Anstrengung, sich von seinem Andenken zu befreien und als Bäuerin ernstgenommen zu werden. Im Kampf gegen den AgrarDon im Strickpulli wird auch die Frage angeschnitten, wie sich Vereinigungen, die einmal die Interessen der Mitglieder verteidigt haben, so entwickeln, dass sie nur noch die eigenen Interessen – auch zum Nachteil der Mitglieder – verfolgen, und ab wann es ganz allgemein im Leben an der Zeit ist, eigene Wege zu gehen. D Christian Klose
Start am 9.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
After the death of her husband and shortly before filing for bankrupcy, Icelandic dairy famer Inga goes against the local cooperative, accusing them of operating a mafia scheme.
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INDIEKRITIKEN
Gundermann Revier
Das geheime Leben der Bäume
„Wo nischt ist, ist alles möglich.“ Anhand seiner Songs führt Grit Lemkes schöner und persönlicher Film lose durch Gerhard Gundermanns Karriere von den Anfängen mit der Brigade Feuerstein, über die Soloerfolge bis hin zu den Nachwendeauftritten. Auch, dass Gundermann für die Stasi arbeitete, kommt vor. Aber Lemkes Blick ist wesentlich weiter, schweifender und fängt in Beobachtungen, die in ihrer Knappheit und Präzision etwas von einem Gedicht haben, einen Landstrich und eine Generation ein, die in den letzten 30 Jahren komplett umgekrempelt wurden.
Das Buch „Das geheime Leben der Bäume“ des Forstwirtschaftlers und Försters Peter Wohlleben stand seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2015 monatelang auf den Sachbuch-Bestsellerlisten. Wohlleben verband enormes Fachwissen und eine Fülle von „Fun Facts“ – wie etwa die Tatsache dass paarungswillige Bäume miteinander kommunizieren und hungernde Bäume einander aushelfen – mit der Vorstellung vom Wald als einem nahezu utopischen Gesellschaftssystem. Jetzt erklärt Wohlleben in der Filmfassung das Leben der Waldbewohner noch einmal persönlich.
Start am 12.12.2020
D 2019 D 98 min D R: Grit Lemke
Start am 23.1.2020
Deutschland 2020 D R: Jörg Adolph
Klavierstunden
Nachlass – Passagen
Beim Klavierunterricht in Irland gibt es acht Prüfungen in unterschiedlichen Leistungsklassen. Jedes Jahr bereiten sich 30.000 Klavierschüler*innen auf die Prüfungen vor. Der charmante und rührende Dokumentarfilm von Ken Wadrop porträtiert einige von ihnen und ihre Lehrer*innen, von dem unbefangenen kleinen Jungen, der bei seiner ersten Stunde einfach in die Tasten haut, über eine achtjährige Überfliegerin, ein junges Mädchen mit Muskelschwäche, bis zu einer Frau, die nach tragischen Erlebnissen wieder mit dem Klavierspielen begonnen hat.
Im Dokumentarfilm NACHLASS beschäftigten Christoph Hübner und Gabriele Voss sich mit den Hinterlassenschaften nach der Nazizeit. Sie porträtierten Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren sind, Kinder und Enkel der Täter- und Opfergeneration. NACHLASS – PASSAGEN entstand im gleichen Zeitraum. Aus einer weiteren Perspektive geht es um Beobachtungen und Gespräche mit Historikern, Kuratoren, Therapeuten, Juristen. Diese zusätzlichen Episoden wurden zu neun kurzen Einzel-Filmen montiert.
Start am 16.1.2020
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Originaltitel: Making the Grade D Irland 2017 D 85 min D R: Ken Wardrop
Start am 23.1.2020
Deutschland 2017 D R: Christoph Hübner, Gabriele Voss D D: Barbara Brix, Ulrich Gantz, Jürgen Grislawski, Adi Kantor, Erda Siebert
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKRITIKEN
Mystify: Michael Hutchence
Butenland
Videoclipregisseur Richard Lowenstein zeichnet das Leben und die Karriere des 1997 verstorbenen INXS-Frontmanns Michael Hutchence nach, mit einer Masse an Archiv- und Privataufnahmen des Sängers. Kommentare von Freunden wie Bono und Kylie Minogue, Verwandten und INXS-Bandmitgliedern ermöglichen einen Blick hinter die Fassade, die er der Klatschpresse zeigte, und erzählen von einem zerrissenen Menschen, der depressive Phasen, aggressive Schübe und Drogenprobleme hatte, seine Familie und Freunde aber auch intensiv liebte.
Seit 2007 führen Karin und Jan Gerdes den elterlichen Hof von Jan als ein Altersheim für Kühe. Um das Projekt zu finanzieren, nehmen sie Feriengäste auf und haben die Tierschutzstiftung Hof Butenland gegründet. Filmemacher Marc Pierschel hat die beiden auf Hof Butenland über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren mit der Kamera begleitet. Sein Film schildert den Alltag auf einem Hof, auf dem es keine Nutztiere mehr gibt, und hinterfragt den gegenwärtigen Status von Nutztieren in unserer Gesellschaft.
Start am 30.1.2020
Australien 2019 D 102 min D R: Richard Lowenstein
Start am 6.2.2020
Deutschland 2020 D 82 min D R: Marc Pierschel
GOLDEN GLOBE NOMINIERUNGEN BESTER FILM DRAMA
BESTE REGIE SAM MENDES VOM REGISSEUR VON
SKYFALL
ZEIT IST DER FEIND A B 16. J A N U A R I M K I N O
BESTE FILMMUSIK
INDIEKRITIKEN
Intrige Subtile Verweise
Kann man den Künstler und sein Kunstwerk unabhängig voneinander betrachten? Diese Frage stellt sich in diesen Tagen besonders oft. Darf man noch Woody-Allen-Filme sehen? Darf man sich über den Literaturnobelpreis für Peter Handke freuen? Und was macht eigentlich Roman Polanski? Der macht es Freunden wie Feinden mit seinem neuen Film INTRIGE besonders schwer, einen Text über ein neues Werk zu schreiben, ohne auf die Vergangenheit des Künstlers einzugehen. Das ist in diesem Fall umso bedauerlicher, als die gleichermaßen fast dokumentarische, aber auch enorm spannend inszenierte Nachzeichnung der Dreyfus-Affäre ein Film ist, der zwar Ende des 19. Jahrhunderts spielt, aber auch viel über das 21. Jahrhundert erzählt. Basierend auf einem Tatsachen-Roman von Robert Harris zeichnet Polanski mit größter Genauigkeit den Justiz-Skandal nach, der ab 1894 die Dritte Französische Republik erschütterte. Gleich in der ersten Szene sieht man, wie der jüdische Hauptmann Albert Dreyfus (Louis Garrell) öffentlich degradiert und vor den Augen von tausenden, meist antisemitischen Parisern gedemütigt wird. Er wurde für schuldig befunden, militärische Geheimnisse an den Erbfeind, das Deutsche Reich, verraten zu haben. Verbannt auf die vor der Küste Südamerikas gelegene Teufelsinsel hätte Dreyfus wohl nie wieder seine Heimat erblickt, wenn nicht der Zufall einen Mann an die Spitze des Nachrichtendienstes gebracht hätte, der zwar selbst Antisemit, aber auch eine durch und durch rechtsgläubige Person war: Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin). Schon nach kurzer Amtszeit findet Picquart deutliche Hinweise, die auf Dreyfus’ Unschuld hindeuten, doch in den Führungsspitzen von Militär und Regierung will davon niemand etwas wissen: Im Gegenteil. Bald sieht sich Picquart selbst einer weitreichenden Intrige gegenüber, die die vorangegangenen Lügen und Täuschungen vertuschen soll. Konservativ und klassisch inszeniert Polanski das, verlässt sich ganz auf die hyperrealistische Ausstattung, die das Paris der Jahrhundertwende lebendig macht, seine exquisiten Darsteller und die unglaublich präzisen Bilder seines polnischen Kameramanns Pawel Edelman. Verweise auf den zunehmenden Antisemitismus der Gegenwart, auf Fake-News und eine D 22
D JANUAR/FEBRUAR 2020
Originaltitel: J’accuse D Frankreich/Italien 2019 D 126 min D R: Roman Polanski D B: Robert Harris, Roman Polanski D K: Pawel Edelman D S: Hervé de Luze D M: Alexandre Desplat D D: Emmanuelle Seigner, Jean Dujardin, Louis Garrel, Mathieu Amalric D V: Weltkino
Mobkultur, die ihre Opfer sucht, ohne sich um die Fakten zu kümmern, bleiben subtil; jeder, der in den letzten Jahren auch nur sporadisch die Entwicklungen, die Krisen der Demokratie verfolgt hat, wird nicht anders können, als Parallelen zu sehen. Ob man allerdings auch Parallelen zwischen dem Schicksal Dreyfus’ und dem von Polanski gesehen hätte? Wohl kaum, doch genau solche Parallelen versuchte Polanski in einem weitreichenden Interview, das vor der Weltpremiere von INTRIGE beim Filmfestival von Venedig erschien, anzudeuten. Ja, Polanski wurde von der Presse übel mitgespielt, vor allem als er nach dem Mord an seiner damaligen Frau Sharon Tate einige Zeit als Verdächtiger galt. Und ja, er hat wie Dreyfus Exil erlebt: 1977 wurde er wegen Vergewaltigung einer damals 13-Jährigen angeklagt – eine Tat, die er nicht abstreitet. Der Fall sollte in einem Vergleich beigelegt werden, und als der Richter sich dennoch zu einem Strafverfahren entschloss, floh Polanski aus den USA und hat seine Wahlheimat seither nicht mehr betreten können. Aber sich als Opfer einer antisemitischen Verschwörung hinzustellen mutet angesichts der Umstände reichlich absurd an, eigentlich sogar obszön. Mit diesem Vergleich beschädigt Polanski seinen eigenen Film, missbraucht in gewisser Weise die Dreyfus-Affäre für seine eigenen Zwecke. Umso bedauerlicher ist das, da INTRIGE ein bemerkenswerter Film ist, der in Venedig zu Recht mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, aber eben leider auch ein Film, der nicht isoliert von seinem Autor betrachtet und gewürdigt werden kann. D Michael Meyns
Start am 6.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Roman Polanski’s new, controversial film is about the antisemitic Dreyfus affair of 1894. The original title of the film was J’ACCUSE, based on Emile Zola’s famous article in which he accused the military court of convicting Dreyfus without evidence.
Termine unter www.indiekino.de
Deutschland 2019 D 86 min D R: Ulrich Köhler, Henner Winckler D B: Ulrich Köhler, Henner Winckler D K: Patrick Orth D S: Laura Lauzemis D D: Maj-Britt Klenke, Sebastian Rudolph, Thomas Schubert D V: Grandfilm
Das freiwillige Jahr Ohne große Worte
„EIN HOCHSPANNENDES PORTR ÄT: INTENSIV, FORSCHEND, TR AURIG, ROMANTISCH, TRIUMPHAL, TR AGISCH, BER AUSCHEND UND UNFASSBAR EHRLICH.“ VARIETY
MILES DAVIS
Eine große Reise soll es werden: ein Jahr Costa Rica, im Freiwilligendienst eines Krankenhauses. Jettes Gepäck ist schon im Auto, als sie sich noch vom Pferd in ihrem Garten verabschiedet und ihr Vater Urs sie zur Eile ruft. Auf dem Weg zum Flughafen möchte er noch bei seinem Bruder halten, um Jettes Fotoapparat abzuholen. Als dieser die Tür nicht aufmacht, PIECEOFMAGIC.COM/MILESDAVIS was öfters vorzukommen scheint, beginnt Urs, sich Sorgen zu machen und verschafft sich gewaltvoll Zutritt zu der Wohnung. Während Urs im ersten Stock des Gebäudes immer hektischer wird – seine Tochter muss J A N B ÜL OW IST schließlich ihren Flug erwischen – wartet Jette unten auf ihn, verwirrt, MILESDAVIS_82x122mm_INDIEKINO_2.indd 1 aber weniger gestresst, als plötzlich ihr Freund Mario (Thomas Schubert) vorbeikommt, der sie spontan zum Flughafen fährt. Ulrich Köhlers und Henner Wincklers DAS FREIWILLIGE JAHR entspinnt sich an den kleinen Momenten, den Zufällen, den Blicken und schreibt durch diese, von Patrick Orths Kamera aufmerksam beobachtet, seine Geschichte. Es wird dann nicht die Geschichte einer großen Reise. Wirklich begeistert schien Jette (Maj-Britt Klenke) von Anfang an nicht, ihr Vater (Sebastian Rudolph) dafür umso mehr. Am Flughafen machen sie und Mario kehrt, drehen um und fahren ins Grüne, übernachten im Auto, schalten die Handys aus, um von den besorgten Eltern nichts mitzubekommen. Jettes Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Reise steht im Kontrast zu der Verschmitztheit, die sie zwischen Schlafsäcken im Auto auslebt. Doch lange währt die Zeit ohne Verpflichtung nicht; nach einem Streit tauchen die Eltern auf. Was zu Beginn des Films nach liebevoller Zuwendung des Vaters aussah, ist bald als ungesunde Erwartung zu erkennen: Die Tochter soll die weite Welt sehen, die er in seinem Dorf nicht mitbekommt. Ein wie beiläufig daherkommendes Familiendrama, dessen Figuren ohne viele Worte tief blicken lassen. Und eine kleine Reise in Richtung Veränderung tritt Jette vielleicht doch noch an. D Lili Hering
BIRTH OF THE COOL
AB 2. JANUAR IM KINO
Start am 6.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Father Urs convinces daughter Jette to do a voluntary social year in South America – but she doesn’t really want to leave the province.
DIE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE VON UDO LINDENBERG EIN FILM VON HERMINE HUNTGEBURTH
AB 16.01.2020 NUR IM KINO!
Termine unter www.indiekino.de
09/12/2019 09:37:20
INDIEFEATURE
D 24
D JANUAR/FEBRUAR 2020
INDIEFEATURE
Agnès Varda sitzt auf einer Theaterbühne, zeigt Ausschnitte aus ihren Arbeiten und erzählt. Die zu dem Zeitpunkt 90-jährige, 2019 verstorbene Regisseurin gibt eine persönliche Filmgeschichtsstunde, so subjektiv und uneitel wie in ihren Filmen, offen für Zufälle und hochinteressiert an Details, Randständigem, scheinbar Unwichtigem. Sie gibt keine Anleitung, sondern erzählt von ihren Erfahrungen, Erlebnissen und Veränderungen im Verhältnis zum Finden, Inszenieren und Filmen von Bildern. Vardas Name ist ein großer in der Filmgeschichte. 1954 drehte sie mit LA POINTE-COURTE de facto den ersten Nouvelle Vague-Film, Jahre bevor die männlichen Kollegen unter diesem Label berühmt wurden. Doch Ruhm und Ranglisten scheinen nie treibende Motivation für ihr Schaffen gewesen zu sein. Völlig selbstverständlich ist Varda immer ihren subjektiven Interessen und Wahrnehmungen gefolgt. Ein Film über die Kindheit ihres Mannes Jacques Demy, ein fiktives Biopic über ihre Freundin Jane Birkin und ein erotischer Kurzfilm mit der islamischen Architektur in den Hauptrollen als Antwort auf die langweiligen Stereotypen des erotischen Kinos – ihre Themen sind das eigene Leben, geliebte Menschen, Merkwürdigkeiten und Widersprüche, der Feminismus. Sie war Fotografin, drehte Kinospielfilme und ließ sich von der Digitaltechnik zu direkten, unaufwändigen Dokumentarfilmen inspirieren. Zuletzt entdeckte sie die Installationskunst für sich und recycelte das in Zeiten digitaler Projektion überflüssig gewordene analoge Material ihrer Kinoerfolge unter anderem als Tapete. Immer neue Themen, neue Methoden – „Das Material führt einen“ ist eine ihrer wenigen generellen Aussagen. Dieses Arbeits- und Selbstporträt inspiriert zur Kreativität, bietet Hintergrundwissen für Kenner*innen ihrer Filme und lädt ein, ihr Werk kennen zu lernen. D Susanne Stern
Varda par Agnès Das Leben und die Bilder
Start am 6.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
The exuberant French documentarian Agnès Varda passed away last year. In VARDA PAR AGNÈS, arriving in cinemas posthumously, she assembled director talks, lectures, and anecdotes and made a charming self-portrait.
Originaltitel: Varda par Agnès D Frankreich 2019 D 115 min D R: Agnès Varda D D: Agnès Varda D V: Film Kino Text
JANUAR/FEBRUAR 2020 D
25 D
INDIEKRITIKEN Originaltitel: Kapsalon Romy D Niederlande/Deutschland 2019 D 90 min D R: Mischa Kamp D B: Tamara Bos D K: Melle van Essen D S: Sander Vos D M: Jacob Meijer, Alexander Reumers D D: Vita Heijmen, Beppie Melissen, Noortje Herlaar, Guido Pollemans D V: farbfilm
Romys Salon
Una Primavera
Oma-Enkelin-Team
Privat & politisch
Romys Oma Stina ist eine sehr bestimmte und selbstständige Frau, die sich in nichts reinreden lässt, vor allem nicht, wenn es um den Betrieb ihres Friseursalons geht. Deshalb ist Romy auch alles andere als begeistert, dass sie nun jeden Nachmittag nach der Schule bei ihrer Oma verbringen soll. Sie würde ja gerne helfen, doch ihre Oma schickt sie ja doch nur sofort nach oben in die Wohnung und überlässt Romy sich selbst. Als Romy jedoch eines Nachmittags in den Salon kommt, bittet ihre Oma ihr zu helfen, denn trotz neuer Kasse, kommt sie mit all den Zahlen nicht zurecht. Und überhaupt, irgendetwas scheint mit Oma nicht zu stimmen. Romys wacher Blick beobachtet erstaunt, wie ihre sonst so selbstbewusste Oma immer zerstreuter wird und hektisch versucht zu verbergen, dass sie die einfachsten Rechnungen nicht mehr bewältigen kann. „Mal fühlt es sich an als wäre mein Kopf voll und dann ist er leer.“, vertraut Stina ihrer Enkeltochter an. Der Film erzählt nicht allein von einer stolzen, älteren Frau, die an Alzheimer erkrankt, sondern vor allem Romys Geschichte. Durch ihre Augen erleben wir, wie die Krankheit ihrer Oma immer weiter fortschreitet, aber auch wie frei und unbeschwert das Leben immer noch sein kann. Sowohl Romy als auch ihre Oma können nur schwer akzeptieren, dass es ihre kleine Welt rund um den Salon bald nicht mehr gibt. Romy sieht, wie unglücklich ihre Oma in ihrem neuen Leben ist und hat das Gefühl, dass das allen anderen völlig egal ist. Und so trifft sie einen Entschluss: Sie will mit ihrer Oma nach Dänemark fahren. An den Ort, von dem sie so viel erzählt und an dem sie so glücklich war. Durch die Sicht dieses jungen, starken Mädchens, wird einem wieder bewusst, was wirklich zählt. Denn für Romy ist nur eins wichtig: aufeinander aufzupassen und dafür zu sorgen, dass es jedem gut geht. D Karla Kabot
Start am 30.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 26
D JANUAR/FEBRUAR 2020
Österreich/Deutschland/Italien 2018 D 80 min D R: Valentina Primavera D B: Federico Neri, Valentina Primavera D K: Valentina Primavera D M: Macarena Solervicens D V: Fugu Filmverleih
Romy and her grandma are a good team in grandma’s hair salon, but the usually confident grandma becomes more and more scatterbrained.
Valentina Primavera hat einen sehr privaten und zugleich außerordentlich politischen Film über ihre Familie gedreht. Sie hat damit angefangen, als ihre Mutter Fiorella aus der italienischen Kleinstadt, in der sie seit ihrer Kindheit lebt und drei Kinder großgezogen hat, zu Valentina nach Berlin geflüchtet ist. Nach über 40 Ehejahren hat Fiorella ihren Mann verlassen. Valentina möchte diesen Umbruch, sie nennt es „einen Moment der Tapferkeit“, festhalten. Nach einigen Wochen reist Fiorella zurück und reicht die Scheidung ein. Valentina begleitet sie zum Gericht, in die neue Wohnung und ins alte Haus, um dort Sachen abzuholen, und Fiorella gestattet es, dass ihre Tochter dabei auch Momente der Schwäche, der Verzweiflung und des Zauderns filmt. Zunächst ist da vor allem Wut. Unter Tränen erzählt Fiorella im Auto auf dem Weg zum Gericht, wie sie mit 19 geheiratet hat und dann schwanger und vom Ehemann verprügelt bei ihren Eltern saß, wie die sie immer wieder zu ihm zurück geschickt haben, wie es dann so weiter ging mit drei Kindern und keinem Ausweg. Wieder und wieder verwünscht sie Bruno. Doch später kommen Bedenken hinzu. Hätte sie wirklich das Haus, in dem sie Jahrzehnte gelebt, das sie selbst entworfen hat, aufgeben sollen? Was macht sie nun einsam in der neuen Wohnung? In das alte Leben will sie nicht zurück, aber ein neues zeichnet sich nicht ab. Vor allem deshalb nicht, weil ihr ganzes Umfeld sie zurück in die alte Rolle zu drängen scheint. Es ist ihre Entscheidung, heißt es bei den Frauen – aber nun soll sie sich auch nicht beschweren. Das eigentliche Opfer ist hier doch Bruno, sagen die Männer der Familie. Es wird bedrückend klar, dass ein Moment der Tapferkeit nicht ausreicht, um das zähe patriarchale Familiengefüge umzuformen, das wie ein Gummiball immer wieder in seine alte Form zurück will. Es bräuchte Tausende Momente – und die Bereitschaft auch der anderen Familienmitglieder für eine Veränderung. D Hendrike Bake Start am 2.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Valentina Primavera has made a very private yet incredibly political film about her family: after 40 years of marriage her mother Fiorella leaves her husband, but the path towards a new life is difficult.
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Originaltitel: Knives Out D USA 2019 D 130 min D R: Rian Johnson D B: Rian Johnson D K: Steve Yedlin D M: Nathan Johnson D D: Daniel Craig, Lakeith Stanfield, Chris Evans, Ana de Armas, Michael Shannon, Jamie Lee Curtis, Toni Collette, Katherine Langford, Christopher Plummer, Don Johnson, Jaeden Lieberher D V: Universum
»Voller temperamentvoller weiblicher Energie.« variety
Knives Out – Mord ist Familiensache Whodunnit
Harlan Thrombey ist tot. Am Abend seines 85. Geburtstags hat der weltberühmte Krimiautor sich in seinem Dachzimmer, das niemand unbemerkt betreten kann, selbst die Kehle aufgeschnitten. Dieses für den Toten AB 9. JANUAR IM KINO angemessen komplizierte Ableben schockiert die versammelte Familie, www.MilchkriegInDalsmynni.de /MilchkriegInDalsmynni.Film aber als der Verdacht aufkommt, es könnte Mord gewesen sein, können alle möglichen Erb*innen von Harlans beachtlichem Vermögen sofort auf eine Person mit Motiv zeigen. Daher wurde Meisterdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig als Südstaaten-Columbo) engagiert, um Licht in die unzähligen familiären Verbindungen und Konflikte zu bringen, und, so es denn Mord war, die Schuldigen zu finden. Unterstützt wird er von Harlans südamerikanischer Pflegerin Marta (Ana de Armas), vor der die Familie kaum Geheimnisse hat, und die auf Grund einer allergischen Reaktion auf Lügen vor Blanc nichts verbergen kann. Nachdem Rian Johnsons erster Film BRICK den Hardboiled-Krimi ins moderne High-School-Milieu transplantierte, inszeniert er hier einen Whodunnit, der immer haarscharf auf der Schneide zwischen Krimi und Satire balanciert. KNIVES OUT übt sich in Exzess: von einem All-Star-Ensemble AB (unter anderem Jamie Lee Curtis, Don Johnson und Toni Collette), das 16. JANUAR eine reiche weiße Familie des 21. Jahrhunderts in allen ihren Facetten IM KINO darstellt, über ein Haus, das bis in jede verwinkelte Ecke durchdekoriert ist –„Er lebte auf einem Cluedo-Spielbrett“, wie es eine Figur sagt – bis hin zu einem Plot, der zuerst sehr amüsant Erinnerungen und Aussagen mit der Wahrheit kontrastiert, und dann plötzlich in eine ganz andere, verworrenere Richtung abbiegt. Einige der Spuren und Hinweise laufen Buch und Regie:Buch Rita Ziegler und Regie: Rita Ziegler BuchBuch und undRegie: Regie: Rita RitaZiegler Ziegler Buch und Regie: Rita Ziegler Kamera: IsabelleKamera: Casez Kamera: Isabelle Casez Kamera: Isabelle Isabelle Casez Buch und Regie: Casez Rita Ziegler Kamera: Isabelle Casez Montage: ValérieMontage: Smith Montage: Valérie Montage: Valérie Valérie Smith SmithSmith Kamera: Isabelle Casez dabei natürlich ins Leere, aber der Film hat bis zum letzten „Sir, ein Frage Montage: Valérie Smith Produzent: Reinhard Manz Produzent: Reinhard Produzent: Produzent: Reinhard Reinhard Manz Manz Manz Montage: Valérie Smith Produzent: Reinhard Manz Produzent: Reinhard Manz noch …“ ein so großes Arsenal im Ärmel, dass die Frage, wer Harlan EIN EINDOKUMENTARFILM DOKUMENTARFILM EIN DOKUMENTARFILM EIN DOKUMENTARFILM EIN DOKUMENTARFILM Thrombey getötet hat, bald die Unwichtigste ist. D Christian Klose EIN VON VONDOKUMENTARFILM RITA RITA ZIEGLER ZIEGLER VON RITA ZIEGLER VON RITA ZIEGLER MitUnterstützung Unterstützung von: von: Mit Unterstützung von: Mit Unterstützung von:Mit Mit Unterstützung von: Kanton Kanton Luzern, Luzern, Kulturförderung Kulturförderung Swisslos Swisslos Kanton Luzern, Kanton Luzern, Kulturförderung Swisslos Kanton Luzern, Kulturförderung Swisslos Swisslos Mit Unterstützung von: Kulturförderung ErnstGöhner Göhner Stiftung StiftungStiftung Ernst Göhner Ernst Göhner Stiftung Ernst Ernst Göhner Stiftung Kanton Luzern, Kulturförderung Swisslos SRG SRGSuccès Succès passage antenne antenne SRG passage Succès SRG Succès passage antenne SRG passage antenne antenne Ernst Succès Göhner Stiftungpassage Galerie GalerieGalerie Thomas Thomas Schulte Schulte Thomas Schulte Thomas Schulte SRG Succès passage antenne Galerie Thomas SchulteGalerie ©© 2019 2019point pointduduvue vueDOC, DOC,Rita RitaZiegler Ziegler © 2019 point vue DOC, Rita Ziegler Galerie Schulte ©Thomas 2019dupoint du vue DOC, Rita Ziegler © 2019 point du vue DOC, Rita Ziegler © 2019 point du vue DOC, Rita Ziegler
Start am 2.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
VON RITA ZIEGLER
A homage to good old-fashioned whodunnits including a famous victim, a dysfunctional family, and a flamboyant master detective (Daniel Craig) with the nice name of Benoit Blanc.
www.mindjazz-pictures.de AlbrechtSchniderWasBleibt Termine unter www.indiekino.de
VON RITA ZIEGLER
INDIEKRITIKEN Originaltitel: Mordene i Kongo D Norwegen 2018 D 164 min D R: Marius Holst D B: Stephen Uhlander D K: John Andreas Andersen D S: Olivier Bugge, Coutté Søren, B. Ebbe, Vidar Flataukan, Sverrir Kristjánsson D M: Johannes Ringen Johan Söderqvist D D: Aksel Hennie, Tobias Santelmann, Ine F. Jansen, Dennis Storhøi D V: Real Fiction Filmverleih
Congo Murder Einfaltspinsel in Afrika
Deutschland 2020 D 99 min D R: Andreas Pichler D B: Andreas Pichler D K: Martin Rattini D S: Florian Miosge D V: Tiberius Film
Alkohol – Der globale Rausch Doku zur Droge
Als Joshua French (Aksel Hennie) 2009 im Kongo landet, wartet Tjostolv Moland (Tobias Santelmann) schon auf ihn. Die beiden Ex-Soldaten kennen Afrika. Gemeinsam haben sie als Söldner in Uganda gekämpft. Nun ist Joshua zurück aus ihrer Heimat Norwegen, wo seine Frau wartet. Tjostolv ist anders. Er kann nicht zurück in ein normales Leben. Er ist süchtig nach Afrika, ein Thrill-Junkie, immer auf der Suche nach dem nächsten Fix. Joshua lässt sich davon anstecken. Nur auf dem Schlachtfeld fühlen sich die beiden ausgebildeten Kämpfer wirklich lebendig. Da sind sie im viertgrößten Staat Afrikas genau richtig. Im Kongokrieg führt das Militär eine blutige Schlacht gegen die Rebellen unter der Führung des Tutsi Laurent Nkunda. Tjostolv hat ein Treffen mit ihm arrangiert. In seinem Auftrag sollen sie in die feindlichen Linien vordringen und die gestohlenen Schätze zurückholen. Begeistert stürzen sich Tjostolv und Joshua ins Abenteuer. Doch die Reise endet gleich bei der ersten Station und die beiden Weißen rennen um ihr Leben. „Es gehört zur menschlichen Natur, Krieg zu führen.“ Die Stimme von Joshua, der die Geschichte aus dem Knast heraus erzählt, macht von vornherein klar, womit wir es zu tun haben: Mit zwei moralisch höchst fragwürdigen Figuren, die sich mit einer Mischung aus Naivität und Einfältigkeit ins Abenteuer stürzen. Das macht es allerdings äußerst schwer, jedwede Form von Empathie für sie aufzubringen. Wenn Joshua Rechtfertigungen absondert wie „Tjostolv war kein Mörder. Er war ein Killer. Das sind zwei unterschiedliche Dinge“ – dann wird man das Gefühl nicht los, die Filmemacher wollen Zustimmung provozieren, ernten aber nur Kopfschütteln. Wenn über das Schicksal der selbsternannten „Schwachköpfe“ in der zweiten Hälfte des Films im Gerichtssaal entschieden wird, fährt der Film endgültig gegen die Wand. D Lars Tunçay
Start am 6.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 28
D JANUAR/FEBRUAR 2020
Congo, 2009. Two Norwegians are hunted by the military. They’re accused of murder, theft, illegal possession of firearms, and espionage.
ALKOHOL – DER GLOBALE RAUSCH thematisiert die so einfache wie provokante Tatsache, dass Alkohol eine Droge ist. Und zwar die gefährlichste aller Drogen: Jährlich sterben drei Millionen Menschen an den Folgen von Alkohol, das sind mehr als durch kriminalisierte Drogen, Verkehrsunfälle und (nüchterne) Gewaltverbrechen zusammen. Diese und ähnliche Fakten präsentiert Andreas Pichlers solider Dokumentarfilm im Gespräch mit Suchtexpert*innen, Wissenschaftler*innen und ehemaligen Alkoholsüchtigen. Dabei stehen zum einen die neurophysiologischen Tatsachen, die Alkohol zur Droge machen, im Vordergrund. Zum anderen thematisiert ALKOHOL die nicht anders als kriminell zu nennenden Machenschaften der drei großen Alkoholkonzerne Anheuser-Busch (Beck’s, Budweiser, Stella Artois), Heineken (Desperados, Paulaner), Diageo (Guinness, Bailey’s, Smirnoff), deren Hauptaugenmerk neben Lobbyarbeit in Europa die Erschließung der wachsenden Märkte in den prekarisierten Ländern Afrikas ist. So informativ und schockierend diese Machenschaften und die wissenschaftlichen Fakten rund um Alkohol sind, so sehr beschränken sie das Phänomen Alkohol auf die Aspekte Suchtmittel und Ware. Dadurch verschwindet die kulturhistorische Seite des Themas Alkohol und mit ihr weitere wichtige Fragen: Zu welchem Zeitpunkt wurde die künstliche Trennung zwischen Alkohol und anderen, nunmehr illegalisierten Drogen eingeführt? Und warum ist Alkohol als soziales Schmiermittel in unserer Gesellschaft so allgegenwärtig? Diesen Fragen nachzugehen würde helfen, das Phänomen in seiner gesamten Bandbreite zu beleuchten. Damit wären die Verdrängungsmechanismen ausgeschaltet, die den Drogenstatus von Alkohol von der Konsumart abhängig machen und ihn damit immerzu den Anderen – den Alleine-Trinkenden, den Nicht-Genießenden, den Säufer*innen – zuschieben. D Yorick Berta Start am 9.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
The documentary illuminates the neurophysiological facts that make alcohol into a dangerous drug and thematises the manipulations of alcohol corporations.
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKRITIKEN
1917
Großbritannien/USA 2019 D 119 min D R: Sam Mendes D B: Sam Mendes, Krysty WilsonCairns D K: Roger Deakins D S: Lee Smith D M: Thomas Newman D D: Andrew Scott, Benedict Cumberbatch, Richard Madden D V: Universal Pictures
Atemberaubende Kamera
Der Oscar für die beste Kamera dürfte in diesem Jahr wieder an Roger Deakins gehen. Es hat seit Alfred Hitchcocks THE ROPE schon viele „One Take“-Filme gegeben, also Filme, die wirken, als gäbe es in ihnen keinen Schnitt, zuletzt etwa den Holocaust-Film SON OF SAUL (2015) von László Nemes, den Berlin-Thriller VICTORIA (2015) von Sebastian Schipper oder das Schauspieler-Drama BIRDMAN (2014) von Alejandro Iñárritu. Aber das, was Regisseur Sam Mendes und Roger Deakins in 1917 zeigen, hat man so noch nie gesehen. 1917 ist schlichtweg atemberaubend. 1917 erzählt die Geschichte von zwei britischen Soldaten im ersten Weltkrieg, die sich durch das Niemandsland schlagen müssen, um eine wichtige Nachricht an das Kommando eines Bataillons zu überbringen, das am nächsten Morgen einen Angriff auf die offenbar im Rückzug befindlichen deutschen Stellungen plant. Die Deutschen haben sich aber nur zum Schein auf eine tiefer gelegene Stellung zurückgezogen, wo Verstärkung und gewaltige Artillerie das britische Bataillon erwarten – eine historisch verbürgte deutsche Militärstrategie, die auch bei den Rückzugsgefechten gegen die sowjetischen Armee im 2. Weltkrieg angewendet wurde. Sollten die Briten angreifen, wäre das Bataillon verloren. Einer der beiden Soldaten, Lance Corporal Blake (Dean-Charles Chapman, der in „Game of Thrones“ den naiven Teenager-König Tommen spielte), hat einen Bruder unter den 1.600 bedrohten Briten, deshalb hat das Oberkommando gerade ihn für den gefährlichen Einsatz ausgewählt. Der andere, Lance Corporal Schofield (George MacKay) ist zufällig in der Nähe, als der Auftrag erteilt wird.
Start am 16.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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Director Sam Mendes and cinematographer Roger Deakins filmed the story of two British soldiers in World War I who had to go through no man’s land to deliver an important message in one breathtaking take.
1917 wirkt oft wie ein Horrorfilm. Das Terrain, durch das die beiden Männer schleichen, rennen und kriechen, ist ein einziger Alptraum aus Ratten, Ruinen, Bombenkratern, verwesenden Leichen und zerfetzten Körperteilen. Wenn etwas passiert, dann so plötzlich wie ein Jump-Scare im Horrorfilm: eine Explosion, ein Schuss, Schocks ohne Vorwarnung. Die Kamera, die stets bei den Soldaten bleibt, zieht einen in die Handlung hinein, lenkt die Aufmerksamkeit, rückt Details im Vorübergehen ins Bild, wiegt in prekärer Sicherheit, verweigert aber meist den Überblick und die Orientierung. Dem Film ist die minutiöse Planung der Szenen und Kamerabewegungen jederzeit anzusehen, aber sie überlagert nie die Handlung. Selbst in Szenen, die ungläubiges Staunen über die technische Finesse des Films hervorrufen, bleibt der Aufwand der Erzählung verpflichtet und verstärkt ihren Effekt. Wie Roger Deakins eine lange Sequenz gefilmt hat, die vor einem brennenden Haus beginnt, und dann zur Verfolgungsjagd durch eine von Leuchtgranaten erhellte, zerstörte Stadt wird, und schließlich von der Dämmerung des Morgens zum vollen Tageslicht übergeht, ist mir ein Rätsel. Wie schafft man es, so viele völlig unterschiedliche Lichtstimmungen ohne einen Schnitt in die Kamera zu bannen? Natürlich weist der Abspann ein gigantisches technisches Personal aus. Vermutlich war ein CGI-Team monatelang allein damit beschäftigt, die Schienen, auf denen sich die Kamera bewegt, aus dem Bild zu retouchieren. Aber wie schafft man den nahtlosen Übergang von offenbar mit der Steadycam gedrehten Szenen, also solchen, bei denen die Kamera mitsamt einem stabilisierenden Apparat getragen wird, zu solchen, die aussehen, als seien sie Dolly-Fahrten, bei denen die Kamera auf einen Wagen montiert ist? Ich werde nur selten zum totalen Technik-Junkie, aber 1917 hat mich tatsächlich fasziniert und unglaublich staunend auf der Sitzkante erwischt. 1917 ist ein Kriegsfilm, der Erfahrungen von Soldaten zeigen will. Es gibt durchaus heroisches Verhalten in diesem Film, das aber weder belohnt wird, noch aus irgendwelchen Idealen erwächst, und schon gar nicht national verklärt wird. Kriegsfilme stehen Deutschland immer unter dem Verdacht der Gewaltverherrlichung, oft nicht zu Unrecht. Sam Mendes’ Film ist da eher unverdächtig. D Tom Dorow JANUAR/FEBRUAR 2020 D
29 D
INDIEKRITIKEN Originaltitel: Papa, sdokhni D Russland 2018 D 95 min D R: Kirill Sokolov D K: Dmitriy Ulyukaev D S: Kirill Sokolov D D: Aleksandr Kuznetsov, Vitaliy Khaev, Evgeniya Kregzhde, Mikhail Gorevoy, Elena Shevchenko D V: Drop-Out Cinema
Why Don’t You Just Die? Eklige Situationen
Matvey klopft bei den Eltern seiner neuen Freundin. Am Esstisch beäugt Papa Andrey den jungen Mann argwöhnisch, und das Misstrauen des bulligen Kriminalkommissars ist gerechtfertigt: Statt Blumen hat Matvey einen Hammer mitgebracht, und die Absicht, Papa für das, was er seiner Tochter angetan hat, zu bestrafen. Was das sein soll, weiß Andrey nicht, aber wie man mit einem untalentiertem Mörder umgeht, schon. Weitere Fragen kann man auch klären, wenn der junge Mann im Badezimmer angekettet hängt. Nur hat Matvey auch ein paar Tricks auf Lager und die Situation eskaliert sehr schnell und blutig, in einem Patt mit schlechten Überlebenschancen für alle Anwesenden. Vielleicht kann ein Anruf bei Tochter Olya die Situation aufklären. Oder Mutti macht erstmal Tee für alle. Kirill Sokolovs erster Langfilm hat keine Botschaft und ein Minimum an Subtext, aber auch nur, wenn man die russische Gesellschaft als korrupten, gewalttätigen Moloch sieht. Dafür hat der Film einen Heidenspaß an cartoonartiger Gewalt in Zeitlupe, ekligen Situationen in extremer Großaufnahme und dem Verschütten von sehr viel Kunstblut. Die bürgerliche Wohnung wird im Laufe des Films zusammen mit ihren Bewohner*innen zerlegt und jede Einstellung ist liebevoll in satten Farben nach Comic-Art arrangiert. Immer wieder halten die Kämpfenden ein und versuchen, den häuslichen Frieden wiederherzustellen und eine vernünftige Lösung zu finden. Aber Dreck am Stecken haben alle, und eine Tasche voller Geld ist auch im Spiel. Der Kampf eskaliert Runde um Runde, bis sich zeigt, wer von ihnen am längsten nicht sterben kann, und wer schon frühzeitig die kitschige Tapete aus tiefstem Herzen dekoriert. Aber bis dahin knabbert Andrey noch ein paar Mal an seiner Beruhigungssalami. Ein großer Spaß über die ganze Familie, aber nicht für die ganze Familie D Bernhard Lommel
Start am 16.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 30
D JANUAR/FEBRUAR 2020
A garishly violent chamber piece in a small russian flat where nobody has a clear conscience or gets out unbloodied.
USA 2019 D 132 min D R: Melina Matsoukas D B: James Frey, Lena Waithe D S: Pete Beaudreau D D: Daniel Kaluuya, Jodie Turner-Smith, Chloë Sevigny, Sturgill Simpson D V: Universal Pictures
Queen & Slim Polit-Pop
Der Debütspielfilm der Video-Regisseurin Melina Matsoukas, die unter anderem Beyoncés „Formation“ und „Lemonade“ gedreht hat, ist eine Schwarze Bonnie & Clyde-Geschichte, die furios beginnt, dann zum Roadmovie wird, und am Ende das Gefühl hinterlässt, man hätte gerade ein Video zum Entwurf eines Pop-Albums gesehen, das noch nicht existiert. Der Film beginnt in einem realistischen Stil: Queen & Slim treffen sich zu einem Tinder-Date. Sie ist eine erfolgreiche Menschenrechts-Anwältin, er ein netter, ambitionsloser Kirchengänger, dessen Nummernschild TRUSTGOD lautet. Es funkt nicht, und das Restaurant gefällt Queen auch nicht: „Findest du das hier wirklich gut?“, fragt sie. „It’s Black owned“ – Die Eigentümer sind Schwarz. Das stiftet dann doch eine gewisse Verbundenheit zwischen beiden, aber nicht genug für ein zweites Date. Auf dem Heimweg führt ein kurzes Gefrickel auf dem Telefon dazu, dass Slims Auto in der Spur schwankt. Die folgende Polizeikontrolle eskaliert nach einem einfachen Satz: „Können Sie sich bitte beeilen? Mir ist kalt“ sagt Slim, und schon ist die Waffe draußen. Als der Polizist auf Queen schießt, kommt es zu einem Gerangel und Slim erschießt den Polizisten. Diese Szenen sind unglaublich präzise geschrieben und inszeniert. Hier der Satz, der eine plötzliche Wende einleitet, da Queens angedeutete Bewegung, die sofort die Polizeigewalt auslöst. Dem Film gelingen immer wieder genaue Szenen und brillante Dialoge. Aber wenn Melina Matsoukas die realistische Geschichte in ein politisches Pop-Melodrama überführt, geht nicht nur die Glaubwürdigkeit der Figuren und der Handlung verloren. Der Realismus des Anfangs schwächt auch den Effekt der übergroßen Pop-Gesten, mit denen der Film endet und die zwischendurch wirken wie flüchtig hingeworfene Ideen und überdeutliche Botschaften. QUEEN & SLIM ist ein Debütfilm, der sich viel vornimmt und vielleicht den Keim eines völlig neuen Stils enthält. D Tom Dorow
Start am 9.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
QUEEN & SLIM is a black Bonnie & Clyde story that begins in a fury, turns into a road movie, and leaves you feeling like you just saw a video draft for a pop album that doesn’t exist yet.
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D 32
D JANUAR/FEBRUAR 2020
INDIEFEATURE
Einer der hellsten Sterne am Anime-Himmel ist derzeit Makoto Shinkai, nach dem 2018 ein Asteroid benannt wurde, und dessen Meisterwerk YOUR NAME – HEUTE, GESTERN UND FÜR IMMER als erster seiner Filme überhaupt im vorletzten Jahr bei uns ins Kino kam. YOUR NAME erzählte eine komplexe, herzzerreißende Geschichte um einen Jungen und ein Mädchen, die sich eines Tages im Körper des anderen wiederfinden und erst in der Zeit vor und zurück reisen und eine Katastrophe verhindern müssen, bevor sie einander finden und die Welt wieder im Lot ist. Shinkais jüngster Film WEATHERING WITH YOU ist weder ganz so rührend noch ganz so spannend wie der Vorgänger, aber das war auch kaum zu erwarten. Dafür bietet WEATHERING ein wahres Fest an Meister-Animationen, denn es regnet nahezu ständig im Tokio einer nahen Zukunft, in der der Klimawandel bereits eingetreten zu sein scheint. Dort versucht der 16-jährige Hodaka, der von der Insel seiner Eltern abgehauen ist, sich alleine und ohne Ausweis durchzuschlagen, bis er als Mädchen-für-Alles und Juniorschreiber im schäbigen Souterrain-Büro von Keisuke Suga landet, der ein Okkultismus-Magazin herausgibt. Bei seinen Recherchen trifft Hodaka auf Hina, die eine besondere Gabe hat: Sie kann für einen kurzen Moment die Sonne scheinen lassen. Hodaka und Hina starten ein Online-Business, und Hina bringt die Welt zum Leuchten – für eine Hochzeit, für ein Kinderfest, für ein Feuerwerk oder eine Totenfeier. Allerdings scheint sich mit jedem Mal ein wenig mehr von ihr in Wasser aufzulösen, und am Ende stellt sich für die beiden angesichts einer Welt, die immer tiefer im Wasser zu versinken scheint, eine sehr zeitgenössische Frage nach persönlichem Glück und gesellschaftlicher Verantwortung. D Hendrike Bake
Weathering with You Es regnet ständig
Originaltitel: Tenki no ko D Japan 2019 D 111 min D R: Makoto Shinkai D B: Makoto Shinkai D K: Ryôsuke Tsuda D M: Radwimps D V: Universum Film
Start am 16.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
There’s constant rain in Tokyo of the near future where climate change seems to have come into effect. 16 year old Hodaka tries to make it on her own and meets Hina, who has a special gift: she can let the sun shine for a short moment.
JANUAR/FEBRUAR 2020 D
33 D
INDIEKRITIKEN Kanada 2019 D 124 min D R: Marco Porsia D K: Marco Porsia D S: Marco Porsia D D: Michael Gira, Jarboe, Amanda Palmer, Blixa Bargeld, Kid Congo Powers, Thurston Moore D V: Edition Salzgeber
Swans – Where Does a Body End?
Originaltitel: Hvítur, Hvítur Dagur D Island/Dänemark/Schweden 2019 D 109 min D R: Hlynur Pálmason D B: Hlynur Pálmason D K: Maria von Hausswolff D S: Julius Krebs Damsbo D M: Edmund Finnis D D: Ingvar E. Sigurðsson, Ída Mekkín Hlynsdóttir, Hilmir Snær Guðnason, Björn Ingi Hilmarsson D V: Arsenal Filmverleih
Weisser, weisser Tag Island im Nebel
Extrem körperlich
Ein Körper endet nicht, meint Michael Gira. Sich selbst sieht der Gründer und Kern der Band Swans auch nur als temporäre Ansammlung von Molekülen, die dennoch mit der ganzen sie umgebenden Welt in Kontakt steht. Ähnlich kosmisch geht Gira auch an seine Band heran. Swans entstanden Anfang der 1980er aus der New Yorker No-Wave Szene und haben seitdem immer wieder ihren Stil und mehrfach auch ihre gesamte Besetzung außer Gira ausgetauscht. Konstant geblieben sind der langsame, schwere Sound und die extrem lauten Livekonzerte, bei denen Gira seine Band eher wie ein Dirigent führt als ihr als Sänger/Gitarrist voranzustehen, und sich einzelne Lieder im Laufe der Tour auf die doppelte Länge entwickeln können. Marco Borsia konzentriert sich in seinem Dokumentarfilm auf die Person Giras, seine Entwicklung und die Einflüsse aus TV-Religion und bildender Kunst, die er in den Stil der Band hat einfließen lassen. Zusätzlich zu den Interviews mit Gira, Konzert- und Backstageaufnahmen, die teilweise auf körnigem 16mm-Format gedreht zum dreckigen Sound der Band passen, sprechen (Ex-)Swans wie Jarboe, Mitstreiter wie Blixa Bargeld, und Fans wie Amanda Palmer und Devendra Banhart über die Band und den Mann in ihrem Zentrum. Dabei sind auch Widersprüche erlaubt: Swans-Musik ist extrem körperlich, speist sich aber aus Giras sensiblen und komplizierten Überlegungen. Auch spricht er offen über sein stetes Gefühl des Scheiterns und seine Alkoholprobleme. Borsia zeigt auch Giras zuweilen diktatorische Züge bei der Arbeit, während alle Interviewten die enge Bindung betonen, die Gira zu den Musikern und seinen Fans spürt. WHERE DOES A BODY END gibt einen umfassenden und mitreißenden Einblick in die gesamte Bandgeschichte, und macht Lust darauf, sich im Erlebnis Swans so vollständig wie nur möglich aufzulösen. D Christian Klose
Start am 9.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 34
D JANUAR/FEBRUAR 2020
In his documentary about the industrial-noise-rock band Swans, director Marco Borsia chooses to focus on band founder Michael Gira.
Vor lauter Nebel ist alles ein einziges großes Weiß an dem Tag, als Ingimundurs Frau mit dem Auto von der Straße abkommt und stirbt. An weißen Tagen, wenn Himmel und Erde verschmelzen, sprechen die Toten mit den Lebenden, heißt es in Island. In langen Einstellungen aus der gleichen Perspektive fängt die Kamera aus der Ferne ein, wie sich Ingimundurs einsam gelegenes Haus im Lauf der zwei Jahre nach dem Unfall verändert. Erst danach nähert sie sich Ingimundur. Der ehemalige isländische Polizist hat den Tod seiner Frau noch nicht überwunden. Seine Tochter Elín, seine Enkelin Salka, um die er sich liebevoll kümmert, und sein Schwiegersohn sollen bald in sein Haus einziehen. Als seine Tochter ihm einen Karton mit Habseligkeiten der Mutter bringt, entdeckt Ingimundur, dass seine Frau Kontakt zu einem Mann namens Olgeir hatte. Der Gedanke daran lässt ihn nicht mehr los. Wie Ingvar Eggert Sigurðsson diesen wortkargen, von tiefer Trauer angetriebenen Ingimundur mit all seiner Liebe, aber auch seiner immer stärkeren Besessenheit spielt, ist großartig – und brachte ihm neben einer Nominierung als bester Darsteller bei den European Film Awards 2019 bei der Semaine de la Critique in Cannes den „Louis Roederer Foundation Rising Star Award“ ein. Auch Sigurðssons Zusammenspiel mit seiner talentierten Filmenkelin Ída Mekkín Hlynsdóttir berührt. Regisseur Hlynur Pálmason, bekannt für den vielfach prämierten WINTER BROTHERS, erzählt in seinem zweiten Langfilm WEISSER, WEISSER TAG in langsamem Tempo und setzt wie schon bei WINTER BROTHERS auf die grandiose Kameraarbeit von Maria von Hausswolff. Die Bildsprache bietet Raum für Interpretationen und schafft zusätzliche Ebenen, die das Geschehen reflektieren: ein Stein, der ein Kliff herabrollt, oder der weiße Nebel, in dem Ingimundur gefangen scheint wie in seiner Trauer. D Stefanie Borowsky
Start am 13.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
An ex-policeman and widower renovates a house for his children’s family, but gets more and more obsessed with the idea that his wife had an affair before she died. An Icelandic film without any frills.
Termine unter www.indiekino.de
Originaltitel: La Gomera D Rumänien/Frankreich 2019 D 97 min D R: Corneliu Porumboiu D B: Corneliu Porumboiu D K: Tudor Mircea D S: Roxana Szel D D: Vlad Ivanov, Catrinel Marlon, Rodica Lazar, Agusti Villaronga D V: Alamode Film
La Gomera Trockener Humor
Corneliu Porumboiu ist einer der wichtigsten Vertreter der rumänischen Neuen Welle und ist mittlerweile einer der internationalen Regiestars auf Filmfestivals, aber in Deutschland sind seine Filme bisher knapp unter dem Radar geblieben, zumindest beim Publikum. Das könnte sich mit LA GOMERA ändern. In der verwickelten Noir-Geschichte, die Porumboiu hier erzählt, spielt die berühmte Pfeifsprache Silbo, die auf La Gomera einst zur Kommunikation in der bergigen Landschaft benutzt wurde und heute vor allem als Kulturgut gepflegt wird, eine wichtige Rolle. Der korrupte Bukarester Polizist Christi ist im Begriff aufzufliegen, seine Wohnung ist komplett verwanzt und mit Überwachungskameras ausgestattet, die Christi allerdings allesamt bereits entdeckt hat. Die schöne und gewitzte Gilda will aber nun mal ihren Freund Zsolt aus dem Gefängnis befreien, und dafür braucht sie Christi. Gilda gibt sich als Luxus-Prostituierte aus, um Christi die notwendigen Anweisungen zu übermitteln. Sie schläft mit ihm vor den Überwachungskamera, und Christi ist verliebt. Der absurde Plan für Zsolts Befreiung erfordert, dass Christi die Pfeifsprache erlernt, weil die von Außenstehenden nicht einmal als Sprache, sondern als Vogelgesang gedeutet werde. Dafür fährt Christi ins Hauptquartier der Gangster nach La Gomera. LA GOMERA hat Witz und überraschende Pointen und folgt, anders als Porumboius frühere Filme, klassischen Genre-Konventionen. Das macht LA GOMERA zugänglicher, aber doch weniger originell als die Vorgänger, zumal auch die Gender-Konventionen des Noir-Films übernommen werden. Das konsequente, spröde Understatement in Poromboius Inszenierung, die Trockenheit des Humors und eine entzückende Schlusswendung machen den Film aber zu einem äußerst charmanten Kinovergnügen. Dass Porumboiu noch nicht in Hollywood ist, bleibt eines der großen Mysterien des europäischen Kinos. D Tom Dorow Start am 13.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Corneliu Porumboiu has made a funny, intricate crime thriller about a prison escape that involves a policeman having to learn the whistling language of the residents of La Gomera.
„Lustig und herzergreifend“ Trouw
Ein Film von
Nach dem Roman von
www.romyssalon.de
Ab 30. Januar im Kino
INDIEKRITIKEN
Ein verborgenes Leben Das Ewige und das Menschliche
In seinem neunten Spielfilm EIN VERBORGENES LEBEN erzählt Regisseur Terrence Malick erneut ein von einem Paar, das eng mit der Natur verbunden ist und von der Dunkelheit, die die Menschen in die Welt gebracht haben, auseinandergerissen wird. Wie bei seinem allerersten Film, dem lyrischen BADLANDS von 1973, der lose auf den Charles StarkweatherMorden basierte, ist das Vorbild auch hier eine wahre Geschichte. Franz Jägerstätter war ein österreichischer Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg. Als er zum Militärdienst in der deutschen Armee eingezogen wird, erschüttert das seine spirituelle aber auch seine reale Welt. Er hat nie Kampfhandlungen erlebt, aber von Grausamkeiten gehört, die im Namen von Nazideutschland begangen werden. Er verweigert Hitler den Treueschwur. Ausgehend von Jägerstätters Entschluss verhandelt der Film Fragen nach dem Glauben an das Gute im Menschen, Bedeutungen von Liebe und Opfer, und schließlich die Rolle der Kirche in Kriegszeiten. Die Natur spielt in EIN VERBORGENES LEBEN eine entscheidende Rolle, und der Kontrast der widerstreitenden Kräfte – hier das Ewige, dort die fragile, flüchtige Menschlichkeit des Paares – bildet den Kern des Films. Was das Ewige angeht, hat Franz Jägerstätter (August Diehl) keine Zweifel. Er ist eine treue Seele und ein gläubiger Christ. Wir sehen ihn als Ehemann seiner Frau Franziska, genannt Fani (Valerie Pachner), als Vater seiner drei Mädchen, als treusorgenden Sohn seiner alten, alleinstehenden Mutter (den Vater verlor er im vorhergehenden Krieg), als loyalen Bürger, Bauern, guten Freund. Nach Franz’ Verhaftung bleibt Fani im Dorf zurück und muss sich um die drei Mädchen kümmern – voller Groll, dass Franz es gewagt hat, nach seinem eigenen Gewissen zu entscheiden. Er schafft es nicht, wegzusehen und zu tun was von ihm verlangt wird, sie muss gegen die eigene Natur ankämpfen, um ihn zu verstehen und ihm schließlich zu vergeben. Franz wird seine Entscheidung durchziehen, aber er braucht dazu ihre „Einwilligung“. Die erteilt ihm Fani bei ihrem letzten Besuch im Gefängnis, bei dem sie ihn eigentlich gemeinsam mit dem örtlichen Pfarrerkollegen D 36
D JANUAR/FEBRUAR 2020
Originaltitel: A Hidden Life D USA 2019 D 173 min D R: Terrence Malick D B: Terrence Malick D K: Jörg Widmer D S: Rehman Nizar Ali, Sebastian Jones D M: James Newton Howard D D: Matthias Schoenaerts, August Diehl, Bruno Ganz, Michael Nyqvist, Martin Wuttke, Tobias Moretti D V: Pandora Film
und dem Pflichtverteidiger davon überzeugen wollte, die Widerrufserklärung zu unterzeichnen. Fanis erneuter Glauben an ihren Ehemann ist das ultimative Zeichen ihrer Liebe, und indem sie Franz versichert, dass sie auf seiner Seite ist, wie auch immer er sich entscheidet, erkennt sie den Kampf an, den er über den größten Teil des Films mit sich ausgefochten hat. Er wird mit ihren Wünschen für Glück und Liebe in den Tod gehen. So seltsam das scheinen mag, ist das für Malick der tiefste vorstellbare Akt der Liebe zwischen zwei Menschen. Die Erzählung aus dem Off, die die Geschichte bestimmt, beginnt als Korrespondenz zwischen Franz und Fani und wird nach und nach von Fanny übernommen. Der Film nimmt sich Zeit, um zu veranschaulichen, was für beide auf dem Spiel steht, und beleuchtet dabei vor allem die elende Position der katholischen Kirche im Zweiten Weltkrieg, auf die Jean Renoirs Worte aus LA RÈGLE DU JEU zutreffen: „Das Schreckliche an diesem Leben ist, dass jeder seine Gründe hat.“ Sogar die Geistlichen haben Gründe, sich gegen christliche Ideale zu wenden und wegzuschauen. In dem er das Richtige tut, wird Franz Leid und Abweisung erfahren, schließlich wird er getötet werden und später von der gleichen Kirche, die für ihn weder Kraft noch Verständnis aufbrachte, selig gesprochen werden. Für Terrence Malick ist das „verborgene Leben“, mit dem Franz belohnt wird, jedoch nicht die nachträgliche Fast-Heiligsprechung, sondern das Wissen darum, dass seine ergebene Frau an seiner Seite geblieben ist und ihn genug geliebt hat, um ihn zu verlieren. D Tanja Bresan, Übersetzung: Hendrike Bake
Start am 30.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Like in his very first film, the lyrical BADLANDS (1973), A HIDDEN LIFE is also modeled after a true story. Franz Jägerstettet was an Austrian conscientious objector in World War II. When he was drafted, he refused the oath of allegiance to Hitler.
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKRITIKEN Deutschland 2019 D 99 min D R: Leslie Franke D B: Herdolor Lorenz D K: Hermann Lorenz, Stefan Corinth, Felix Nasser, Severin Renke, Christophe Orcand, Edie Laconie, Carmine Grimaldi D S: Herdolor Lorenz, Leslie Franke D V: Edition Salzgeber
Der marktgerechte Mensch Ausbeutungs-Eldorado
Es gibt zu wenig Filme und andere Medien, die darauf hinweisen, dass auch in Deutschland Millionen Menschen bei minimalem Einkommen ohne Krankengeld, Recht auf Urlaub oder Hoffnung auf Rente arbeiten. Der crowdfinanzierte Film DER MARKTGERECHTE MENSCH von Leslie Franke und Herdolor Lorenz beginnt als Reportage über prekäre Arbeitsbedingungen im Lieferdienst, Bekleidungseinzelhandel, im akademischen Mittelbau und auf „Crowdworking-Plattformen“. Später weitet sich der Blick auf die gesundheitlichen und sozialen Folgen der neoliberalen Politik seit den 80er Jahren. Der Film macht aber auch deutlich, dass der Prozess der Auflösung aller gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten für Unternehmen sich mit der globalen Digitalisierung noch einmal beschleunigt hat und noch lange nicht abgeschlossen ist. DER MARKTGERECHTE MENSCH ist immer dann ein aufregender und relevanter Film, wenn er die Situation von Arbeitenden direkt in Augenschein nimmt, ob in Deutschland, Osteuropa oder, gegen Ende, in Äthiopien, wo aktuell die Textilindustrie ein neues Ausbeutungs-Eldorado gefunden hat. Dort beträgt der Monatslohn gerade um die 30 Euro. Die Crowdworker, die in postindustriellen Ländern pro Auftrag bezahlt werden, wissen dagegen nie, wieviel sie am nächsten Tag verdienen. Das hängt von ihrer Auftragslage ab, die abhängt von ihren Bewertungen und ihrem Punktestand, den die Unternehmen auch durch vollkommene Überwachung der Computer ermitteln – per Webcamzugriff, Tastenanschlagszählungen und Screenshots. Weniger überzeugend sind die „positiven“ Beispiele, mit denen die Filmemacher*innen Leslie Franke und Herdolor Lorenz Alternativen aufzeigen wollen. Unternehmen, die sich der „Gemeinwohl-Ökonomie“ verschrieben haben, sind sicher lobenswert. Aber solange das Gemeinwohl nicht im Zentrum allen Wirtschaftens steht, helfen kleine Paradiese nicht weiter. D Hannes Stein
Start am 16.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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The crowd-funded film by Leslie Franke and Herdolor Lorenz is a report on the precarious working conditions and the health and social consequences of neo-liberal politics since the 1980s.
Originaltitel: Tommaso D Italien 2019 D 115 min D R: Abel Ferrara D B: Abel Ferrara D K: Peter Zeitlinger D S: Fabio Nunziata D M: Joe Delia D D: Willem Dafoe, Cristina Chiriac, Anna Ferrara D V: Neue Visionen
Tommaso und der Tanz der Geister Ferrara, metatextuell
Seit Jahren lebt der amerikanische Regisseur Abel Ferrara in Rom, ist mit der Schauspielerin Cristina Chiriac verheiratet. Das Paar hat eine Tochter Namens Anna und arbeitet immer wieder an einem aufwändigen Filmprojekt, das in Sibirien spielen soll. In TOMMASO UND DER TANZ DER GEISTER, dem neuen Film von Abel Ferrara spielt Willem Dafoe den amerikanischen Regisseur Tommaso, der in Rom mit seiner Frau Nikki und der Tochter Deedee lebt (gespielt von Chiriac und Anna Ferrara) und angesichts der Probleme, einen aufwändigen Film, der in Sibirien spielen soll, zu drehen, zunehmend verzweifelt und in Wahnvorstellungen abdriftet. Das auch noch ein großer Teil des Films in Ferraras ausladendem römischen Appartement gedreht wurde, muss man kaum erwähnen. Ein filmisches Selbstporträt also oder doch ein fiktiver Film über einen Filmregisseur? Ganz sicher kann man sich da nicht sein, zumal Dafoe auch noch ein guter Freund Ferraras ist und seine Figur deutlich an die Macken und Abgründe des New Yorkers anlehnt. Allerdings auch an sich selbst, etwa wenn er als Tommaso einen Schauspielworkshop leitet, in dem er seinen Schülern Ratschläge gibt, die ziemlich genau den Ansatz spiegeln, den Dafoe immer wieder beschrieben hat. Mit Bildern von Werner Herzogs Stammkameramann Peter Zeitlinger, ist TOMMASO ein improvisierter, schnell gedrehter Film, mal authentisch, wenn reale Orte und Personen eingebunden werden, mal artifiziell, wenn etwa Tommaso seine Kreuzigung imaginiert, was wiederum deutlich auf eine von Dafoes bekanntesten Rollen als Christus verweist. Doch all die Metatextualität sollte nicht übersehen lassen, dass Ferrara und Dafoe hier einen faszinierenden, auch ernüchternden Blick auf den kreativen Prozess werfen, der meist wenig glamourös und statt dessen voller Hindernisse abläuft, Hindernisse, die zum Teil von außen kommen, vor allem aber von innen, im Kampf mit den eigenen Dämonen. D Michael Meyns Start am 6.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Tommaso (Willem Dafoe) has decided to leave art behind and dedicates his time to being a house husband, but secretly the yearning for his old life keeps getting greater.
JANUAR/FEBRUAR 2020 D
37 D
INDIEKRITIKEN Italien 2019 D 102 min D R: Dror Zahavi D K: Gero Steffen D S: Fritz Busse D M: Martin Stock D D: Peter Simonischek, Daniel Donskoy, Sabrina Amali D V: Camino
Crescendo #makemusicnotwar Young Adult Drama
Peter Simonischek spielt den Dirigenten Eduard Sporck als Respektsperson mit Vergangenheit. Als Sporck gefragt wird, ob er ein israelisch-palästinensisches Jugendorchester zusammenstellen möchte, das als symbolträchtiges kulturelles Rahmenprogramm bei der nächsten Nahost-Konferenz in Österreich auftreten soll, lehnt er zunächst ab, lässt sich dann aber doch breitschlagen. Schon beim Vorspielen wird klar, dass die Musiker*innen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen zusammen kommen – während die Israelis gut ausgebildet, pünktlich und in Überzahl erscheinen, haben ihre palästinensischen Kolleg*innen bereits Schwierigkeiten, die Checkposten zu durchqueren. Nach kürzester Zeit bricht Streit aus, vor allem die beiden Violinen – der Israeli Ron (eitel und dominant: Daniel Donskoy) und die Palästinenserin Layla (aufbrausend und misstrauisch: Sabrina Amali) haben es aufeinander abgesehen. Sporck beschließt, das Unterfangen in ein Südtiroler Kloster zu verlegen, um Ruhe in die Sache zu bringen. Die Musik stellt er erstmal hintan. Das Orchesterprojekt mutiert zu einer Art Schullandheim-Aufenthalt, und in dieser eher spannungsarmen Mittelphase des Films funktioniert CRESCENDO am besten. In Stuhlkreisen und Gruppenübungen lernen die Jugendlichen einander kennen und miteinander sprechen, und es wird deutlich dass Regisseur Dror Zahavi, der in Israel und Deutschland zuhause ist, sehr genau um die Befindlichkeiten weiß und nichts beschönigen will. Dass ein Vorzeige-Konzert die Gräben überwinden und Verletzungen heilen kann, glauben die wenigsten der Teilnehmer*innen – aber einige wären wenigstens bereit, es zu versuchen. Mit dem Näherrücken des Konzertes zieht die Dramatik des Films an, die Glaubwürdigkeit nimmt ab und der Film wandelt noch einmal seine Form – zum Young Adult-Drama mit Liebe, Gefahr und klassischer Musik. D Toni Ohms
Start am 16.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 38
D JANUAR/FEBRUAR 2020
Conductor Eduard Sporck is meant to assemble an Israeli-Palestinian youth orchestra as a symbolic cultural supporting program at the next Middle East conference in Austria.
Deutschland 2019 D 139 min D R: Hermine Huntgeburth D B: Alexander M. Rümelin, Christian Lyra, Sebastian Wehlings D K: Sebastian Edschmid D D: Jan Bülow, Claude Albert Heinrich, Charly Hübner, Julia Jentsch, Martin Brambach, Detlev Buck, Ruby O. Fee, Albecht Ganskopf, Jeanette Hain D V: DCM Filmdistribution
Lindenberg! Mach Dein Ding Die Furcht wegsaufen
Lindenberg war ein erfolgreicher Session-Schlagzeuger in Hamburg, der mit der Band City Preachers, Klaus Doldinger und Peter Herbolzheimer zusammengespielt hat. Mit „Hoch im Norden“, der B-Seite seiner ersten Solo-Single, hatte Lindenberg sofort Erfolg. Hermine Huntgeburths Rockbiografie erzählt die Geschichte eines Jungen, dessen Vater Alkoholiker ist, und der wegen eines Kindheitstraumas zwar im Rampenlicht stehen will, aber tatsächlich „Panik“ hat. Der Udo Lindenberg, den Jan Bülow in ihrem Film sehr überzeugend spielt, ist nicht unbedingt sympathisch. Lindenberg ist hier jemand, der mit seinem Gepäck eigentlich nicht durchkommen sollte, es aber trotzdem irgendwie schafft. Das geht nicht ohne Widersprüche ab. Ein bisschen Ranmachen hier, ein bisschen Vertrauen brechen da, Leute benutzen, Leute verraten, sich bei den gleichen Leuten wieder einschleimen, die Furcht wegsaufen, jede Beziehung als Material betrachten, die Selbstinszenierung als authentisch verkaufen, die Inszenierung anderer als hohl beschimpfen („Leider nur ein Vakuum“), zwischendurch mal eben rassistisches Zeug quasseln: „ … dann geh ich in den Busch und mach Musik mit den (N-Wort)“. Wenn LINDENBERG ein Gefühl hinterlässt, ist es das eines andauernden Taumels. Huntgeburth zeigt Lindenbergs Hamburg als eine Welt, in der Beziehungen selten viel länger halten, als der Song, den sie inspirieren, etwa wenn Udo „Paula aus St. Pauli, die sich immer auszieht“ oder das „Mädchen aus Ost-Berlin“ trifft. LINDENBERG schmeckt nach Herrengedeck am Tresen und zeigt sehr deutlich, wie schwierig und neu es in den 70er Jahren war, einen abweichenden Lebensstil zu pflegen. Udo fällt dabei immer wieder auf die Fresse, steht aber wieder auf, bis zum Triumph mit „Andrea Doria“, einem Song, der vom Untergang erzählt. D Hannes Stein
Start am 16.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
More than a film about a musical career, LINDENBERG is about how someone with a lot of baggage shouldn’t find success but somehow does, though it does not happen without conflict.
Termine unter www.indiekino.de
USA 2019 D 108 min D R: Taika Waititi D B: Taika Waititi D K: Mihai Malaimare Jr. D S: Tom Eagles D M: Michael Giacchino D D: Roman Griffin Davis, Scarlett Johansson, Taika Waititi, Sam Rockwell, Thomasin McKenzie, Rebel Wilson, Stephen Merchant
„EIN WILDER TRIP!“ FILMSTARTS.DE
Jojo Rabbit Witze salvenweise
1944: Der zehnjährige Johannes Betzler bereitet sich auf die Aufnahmeprüfung für das Jungvolk vor. Dabei geht allerdings etwas schief, er hat den Namen „Jojo Hasenfuss“ weg und muss verletzt zuhause bleiben. Bei seiner Mutter (Scarlett Johansson) ist es schön, aber seit sie allein sind, muss er sich genauso um sie kümmern, wie sie um ihn. Und sie ist auch viel außer Haus. Für alle Fragen und Probleme hat Jojo einen imaginären Freund: den sehr kindischen Hitler (Regisseur Taika Waititi). Der kann Jojo aber kaum helfen, als der das jüdische Mädchen Elsa entdeckt, die sich im Haus versteckt. Als guter Nazi hasst Jojo alle Juden natürlich, doch etwas an Elsa fasziniert ihn, und außerdem kann sie ihm alle Juden-Geheimnisse erzählen, wenn er sie nicht verpetzt. Mit denen macht man ihn bestimmt zum Pimpf. JOJO RABBIT könnte kein europäischer Film sein. In Levys MEIN FÜHRER war die Nazi-Elite zwar auch schon zu albernen Witzfiguren geworden. Die Shoah war hier aber so präsent, dass jedes Lachen schnell verstummte. JOJO umgeht das Grauen, indem er alles aus einer rein kindlichen Perspektive zeigt. Die Bedrohung, der Elsa ausgesetzt ist, wird nur sehr kurz erwähnt, und die Nazis sind Klamauktruppen, die an ihre Kameraden bei Mel Brooks und Ernst Lubitsch erinnern. Der eine echte emotionale Tiefschlag, den der Film austeilt, ist schlau konstruiert, und spricht, unabhängig vom historischen Kontext, eine kindliche Urangst an. Vor allem weist sich der Film als klar künstlisch aus, indem ungewohnt farbenfrohe wenn auch historisch verbriefte Kleidung verwendet wurde, und andererseits die Handlung von zwei anachronistischen Rocksongs eingerahmt wird, die Jojos Gefühle zu Anfang und Ende seiner Entwicklung spiegeln. Wenn man diese Verfremdung akzeptiert, und Witze salvenweise verträgt, findet sich darin eine emotional ehrlich bewegende Geschichte. D Christian Klose
Start am 23.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Ten-year-old Jojo discovers that his mother is hiding a Jewish girl. Not even his imaginary friend Hitler knows what to do. Taika Waititi’s garish comedy offers jokes in volleys, but it also contains an emotionally moving story.
AB 13. FEBRUAR IM KINO www.LaGomera-film.de
/LaGomera.film
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Termine unter www.indiekino.de
INDIEFEATURE
Judy JUDY erzählt von den letzten Tagen Judy Garlands. Garland (Renée Zellwegger) tingelt mit ihren zwei Kindern im Grundschulalter über drittklassige Bühnen und wohnt in erstklassigen Hotels, in denen sie dann die Zeche prellt. Niemand will sie mehr, zu schwierig, zu fertig, zu unzuverlässig, zu alkoholkrank. „Träume? Die hatte ich mal, sie haben mir fürchterliche Kopfschmerzen gemacht!“ Judys Existenz hängt an einem seidenen Faden und sie weiß das, kann aber nicht aus ihrer Haut. Wenn ihr jemand blöd kommt, teilt sie aus, sonst auch. Renée Zellwegger spielt die Frau, die am Ende ihrer Weisheit ums Überleben und ums Sorgerecht kämpft, mit vollem Einsatz auf dem schmalen Grad zwischen hochgradiger Anspannung und totalem Kontrollverlust. Sie ist das absolute lebendige Zentrum eines ansonsten sehr vorhersehbar erzählten Films. Ob man JUDY mag, hängt sehr davon ab, wie gerne man zwei Stunden mit Renée Zellwegger unter Hochspannung verbringen möchte. Auf einer Party lernt Judy den jungen Engländer Mickey kennen, der ihr ein Engagement in London vermittelt. Drei Monate lang soll sie als Headlinerin den Club füllen. Garland sagt widerstrebend zu und lässt ihre Kinder beim Exmann zurück. Bereits am ersten Abend findet ihre Assistentin sie betrunken im Hotel und schleift sie auf die Bühne. So geht es weiter. Während sich in der Gegenwart das Desaster immer mehr verdichtet, erzählen Musical-bunte Rückblenden vom Kind Judy Garland, dem singenden Superstar von THE WIZARD OF OZ. Wann immer die kleine Judy aus der drakonischen Routine ausbrechen möchte, pfeift das Studio sie zurück. In der Öffentlichkeit ist sie das Mädchen von nebenan, das auch mal Burger isst. Hinter den Kulissen darf sie vom Burger nicht mal abbeissen. Pillen zum Aufwachen, Pillen zum Einschlafen und Pillen zum Dünnbleiben nimmt sie auch als Erwachsene noch. JUDY zeichnet eine direkte Abwärtskurve vom Kinderstar zum Drogenwrack. D Toni Ohms D 40
D JANUAR/FEBRUAR 2020
Träume? Die hatte ich mal.
INDIEFEATURE
Start am 2.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Renée Zellweger plays Judy Garland at the end of her career with full commitment walking the fine line between high tension and losing control.
Großbritannien 2019 D 118 min D R: Rupert Goold D B: Tom Edge D K: Ole Bratt Birkeland D S: Melanie Oliver D M: Gabriel Yared D D: Renée Zellweger, Bella Ramsey, Rufus Sewell, Michael Gambon D V: eOne
JANUAR/FEBRUAR 2020 D
41 D
INDIEKRITIKEN Deutschland 2018/2019 D 128 min D R: Christian Alvart D B: Christian Alvart D K: Christian Alvart D S: Marc Hofmeister D D: Trystan Pütter, Felix Kramer, Nora von Waldstätten, Marius Marx, Leonhard Kunz, Marc Limbach D V: Telepool
Freies Land
Deutschland 2019 D 89 min D R: Rosa von Praunheim D B: Ute Eisenhardt, Nico Woche, Rosa von Praunheim D K: Lorenz Haarmann D S: Mike Shephard, Rosa von Praunheim D M: Andreas M. Wolter, Heiner Bomhard D D: Bozidar Kocevski, Heiner Bomhard, Katy Karrenbauer D V: missingFILMs
Darkroom – Tödliche Tropfen
Schurkereien im Oderbruch
Böse Schwule Christian Alvarts FREIES LAND ist ein Remake des spanischen Thrillers LA ISLA MINIMA (2014) von Alberto Rodríguez Librero, der vor fünf Jahren den Goya als bester spanischer Film gewann und für den Auslands-Oscar nominiert wurde. Das Original spielt in den Sumpflandschaften des Guadalquivir-Deltas südlich von Sevilla kurz nach Ende des Franco-Faschismus und vor dem Putschversuch der Guardia Civil. Alvart (ANTIKÖRPER, DOGS OF BERLIN) verpflanzt die Geschichte in den Oderbruch 1992. Alvarts Film übernimmt dabei selbst Einstellungsfolgen des Originals, etwa die beeindruckenden Kamerafahrten über die Sumpflandschaften und eine Verfolgungsfahrt über Marschwiesen und Binnendeiche. Aber die Idee, die spanische Situation von 1980 mit der in Ostdeutschland 1992 gleichzusetzen, führt hier zu größerem Unfug. So hängen hier in den Hotelzimmern und in Telefonzellen Parolen in Frakturschrift, die eher aus der Nazizeit stammen. „Fasse dich kurz!“, „Die Arbeiterklasse ist uns teuer!“. Die SED benutzte weder Frakturfonts, noch imaginierte sie eine Trennung zwischen sich selbst und der Arbeiterklasse. Teuer umworben wurden die Arbeiter dagegen von den Nazis. Man könnte das Detail für einen Fauxpas der Ausstattung halten, wenn der Film nicht auch eine Geschichte aus dem Faschismus erzählen würde, aber so tut, als sei die Stasi-Praxis mit der Gestapo- oder Guardia Civil-Praxis identisch, was mindestens problematisch ist. Auch die katholisch-strengen Moralvorstellungen der postfaschistischen spanischen Gesellschaft scheinen in der sexuell freizügigen DDR fehl am Platz. Wer da nicht so pingelig ist, der findet eine deftige Genre-Story vor, in der sich ein West-Kommissar (sensibel, still, kann nicht schießen, hat aber viel Sex) und ein Ost-Kommissar (brutal, Wurst, Bier, finstere Vergangenheit, krank) in der winterlichen Ödnis des Oderbruchs treffen, um eine Mordserie an jungen Mädchen aufzuklären. D Tom Dorow Start am 9.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 42
D JANUAR/FEBRUAR 2020
Christian Alvart’s remake of the Spanish thriller LA ISLA MINIMA (2014) is set in the Oderbruch in 1992. A West German inspector and an East German inspector meet in order to investigate a series of murders targeting young girls.
In seinem Regiestatement bemerkt Rosa von Praunheim: „Ich glaube, dass man heute auch böse Schwule zeigen kann, nachdem die Schwulenbewegung viel Positives verändert hat.“ Lars, den von Praunheim dem schwulen Serienmörder Dirk P. nachempfunden hat, der im Jahr 2012 in Berlin in wenigen Monaten drei Männer mit K.O.-Tropfen ermordete und es bei zwei weiteren versuchte, wirkt auf den ersten Blick völlig harmlos. Der Anfang-Dreißigjährige mit Geheimratsecken ist gerade erst mit seinem Freund Roland aus Saarbrücken nach Berlin gezogen und scheint eher häuslich. Während Roland sich mit anderen Männern trifft, verwandelt Lars lieber die neue gemeinsame Wohnung in einen (Alp)traum aus Blumenmotiven. Die ziehen sich auch durch die Montage, die zwischen vielen verschiedenen Zeitebenen – Kennenlernen in Saarbrücken, Umzug nach Berlin, die Morde in der Szene, Erinnerung an die Kindheit bei der Oma und schließlich, in der Gegenwart, Gerichtsverhandlung und Zwangsverwahrung – hin und her springt. Rolands Band (Triangel, Ukulele, singende Säge) trägt Blumen im Haar, das neue Sofa ist ein florales Gedicht und dann ist da noch dieses Unheil verkündende Bild der tiefdunklen Rosen vor Omas Neubauwohnung in Saarbrücken. Wie fast immer bei von Praunheim sieht der Film auf den ersten Blick schlichter aus als er ist, was vor allem an der lakonischen Ausstattung und dem Anti-Method-Acting der Darsteller*innen liegt. Auf den zweiten Blick ist DARKROOM eine souverän verschachtelte Geschichte über schwules Leben mit vereinzelten, gut platzierten poetischen Momenten. Es soll nicht Rosa von Praunheims letzter Film über böse Schwule bleiben: „Mein übernächster Film wird über die homoerotische Freundschaft von Hitler zu seinem Jugendfreund in Linz und Wien sein – hoffentlich ein Skandal, der zu meinem 80. Geburtstag 2022 ins Kino kommen soll.“ D Eva Wildte
Start am 30.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
In a few months of 2012 Dirk P. killed three men with roofies in Berlin. The case served as inspiration for Rosa von Praunheim’s story of a gay serial killer
Termine unter www.indiekino.de
Deutschland 2019 D 81 min D R: Aysun Bademsoy D B: Aysun Bademsoy D K: Ute Freund, Isabelle Casez D S: Maja Tennstedt D V: Edition Salzgeber
Spuren
Gedenken und Mahnung
Neun Männer mit Migrationshintergrund wurden zwischen 2000 und 2007 von rechten Terroristen, dem sogenannten NSU, ermordet. Sie lebten in Hamburg, München, Rostock, Dortmund, waren Friseure, Kioskbetreiber, Restaurantbesitzer, Blumenhändler; Väter, Söhne, Ehemänner, Brüder und Freunde. Der Dokumentarfilm SPUREN unternimmt eine Reise quer durch dieses Deutschland, in die dunkelsten Ecken unserer jüngsten Vergangenheit. Regisseurin Aysun Bademsoy besuchte Orte der Verwundung und der Heilung, begleitete und interviewte die Angehörigen dreier Mordopfer, Mehmet Kubasik, Süleyman Tasköprü und Enver Simsek. In der Berichterstattung um den NSU fanden sie selten so wirklich statt, die Mütter, Töchter, Brüder, Freund*innen, denen die Nazis dieses Leid angetan hatten. Viele wollten nicht sprechen – zu groß das Misstrauen gegenüber den Medien und der Justiz, von der sie sich im Stich gelassen fühlen. Umso berührender ist es zu sehen, wie zwischen Bademsoy und ihren Gesprächspartner*innen Vertrautheit entsteht. Dem Dokumentarfilm gelingt es, sowohl einfühlsam die sehr ähnlichen und doch so unterschiedlichen Einzelschicksale zu schildern als auch die Systematik und die Tragweite der Mordserie schmerzhaft deutlich werden zu lassen: Alle Opfer waren Kleinunternehmer, hart arbeitende Bürger auf dem Weg in den Mittelstand, die Deutschland zur Heimat gemacht hatten für sich und ihre Familien. „Es [hätte] auch meinen Vater oder meine Brüder treffen können“, beschreibt Aysun Bademsoy, was die Taten des NSU auch für sie und viele andere Deutsche mit Migrationshintergrund bedeuten. SPUREN erzählt nicht in erster Linie vom Sterben, sondern vom Leben dieser Männer und derer, die sie lieb hatten. Er ist ein stilles Gedenken und zugleich eine laute Mahnung an unseren Staat, der den Leidtragenden seines Rassismus noch immer nicht gerecht geworden ist. D Eva Szulkowski
Start am 13.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Termine unter www.indiekino.de
Nine men with a migrant background were murdered by right-wing terrorists, the so-called NSU, between 2000 and 2007. In this empathetic documentary, director Aysun Bademsoy accompanies and interviews the loved ones of three murder victims.
AB 23. JANUAR IM KINO
INDIEFEATURE
Ballett und Kino, das ist eine beliebte Kombination – ob romantisch-vorhersehbar wie in SAVE THE LAST DANCE, düster wie in BLACK SWAN oder bewegend wie in GIRL oder BILLY ELLIOT. Man glaubt, die Ballettwelt zu kennen: eine harte Ausbildung, ständiger Konkurrenzdruck und ein frühes Karriereende, weil der Körper erschöpft aufgibt. Doch in São Paulo gibt es eine besondere Ballettschule, die der Dokumentarfilmregisseur Alexandre Peralta in LOOKING AT THE STARS porträtiert. In der brasilianischen Megacity hat Fernanda Bianchini 1995 die weltweit einzige professionelle Ballettakademie für Menschen mit Sehbeeinträchtigung D 44
D JANUAR/FEBRUAR 2020
gegründet, die Fernanda Bianchini Association of Ballet and Arts for the Blind (AFB). Peralta gibt berührende Einblicke in die Ausbildung und die Lebenswege einzelner Tänzer*innen und Lehrer*innen an der AFB. Geyza, die mit neun Jahren ihre Sehkraft verlor, tanzt seit 17 Jahren Ballett. Das Tanzen veränderte ihr Leben. Heute ist sie nicht nur die Primaballerina der AFB-Ballettkompanie, sondern unterrichtet auch dort. Der einfühlsame und engagierte Ballettlehrer Cesar beschreibt Ballett als eine sehr visuelle Kunst – Ballettschüler*innen lernen durch Zuschauen. An der AFB
INDIEFEATURE
Looking at the Stars Tanzen nach Gefühl
lernen sie, indem sich Lehrende und Lernende anfassen, während sie die Arm- oder Beinbewegungen ausführen. Pirouetten etwa, die schon für sehende Tänzer*innen nicht leicht zu lernen sind, stellen die sehbeeinträchtigten Tanzeleven vor die zusätzliche Herausforderung, mit den Augen keinen Punkt fixieren zu können, um das Gleichgewicht zu halten. Doch die Balletttänzer*innen lassen sich durch nichts vom Tanzen abhalten. Mit großer Disziplin trainieren sie auf tänzerisch hohem Niveau – und treten längst auch auf renommierten internationalen Bühnen auf.
Originaltitel: Olhando para as Estrelas D Brasilien/USA 2016 D 90 min D R: Alexandre Peralta D B: Alexandre Peralta, Melissa Rebelio Kerezsi D K: Alejandro Ernesto, Guan Xi D S: Alexandre Peralta D M: Samuel Jones, Alexis Marsh D V: W-Film
Start am 13.2.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
In the Brazilian mega city of São Paulo, Fernanda Bianchini founded the only professional ballet academy for people with visual impairments in the world. A documentary.
D Stefanie Borowsky
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INDIEKRITIKEN
Bombshell – Das Ende des Schweigens Der private US-TV-Sender „Fox News“ des Medienmoguls Richard Murdoch ist für seine erzreaktionäre Propaganda bekannt. Ein Jahr vor den Missbrauchs-Vorwürfen gegen Harvey Weinstein hätte der Skandal um sexuelle Belästigungen durch den Fox-CEO Roger Ailes eine Initialzündung zur #metoo-Bewegung sein können. War er aber nicht, wohl auch, weil die Anklägerinnen zuvor stramm rechte und antifeministische Positionen vertreten hatten. Mit Nicole Kidman, Margot Robbie und Charlize Theron. Start am 13.2.2020
Originaltitel: Bombshell D USa 2019 D 108 min D R: Jay Roach D D: Nicole Kidman, Charlize Theron, Margot Robbie, John Lithgow, Kate McKinnon, Allison Janney, Malcolm McDowell, Mark Duplass, Ashley Greene, Connie Britton
Just Mercy Verfilmung des autobiografischen Buches von Bryan Stevenson, der die „Equal Justice Initiative“ gründete, die sich für die Verteidigung von zu Unrecht und von zum Tode Verurteilten einsetzt. Michael B. Jordan spielt Stevenson als jungen, idealistischen Anwalt, der gerade erst Harvard abgeschlossen hat. In Alabama gerät er an den Fall von Walter McMillian (Jamie Foxx), der einen grausamen Mord begangen haben soll. Es gibt hinreichend Beweise für seine Unschuld, aber auch einen zwiespältigen Zeugen, der McMillan schwer belastet … Start am 30.1.2020
USA 2019 D 136 min D R: Destin Daniel Cretton D D: Michael B. Jordan, Brie Larson, Jamie Foxx, O’Shea Jackson Jr., Rafe Spall, Tim Blake Nelson
Little Women
Die Kunst der Nächstenliebe
Die Romane „Little Women“ und „Good Wifes” von Louisa May Alcott zählen zu den meistverfilmten Stoffen der Filmgeschichte. Liz Taylor, Joan Bennett, Katherine Hepburn, Janet Leigh und Wynona Ryder haben bereits in LITTLE WOMEN-Versionen gespielt. Nun hat Greta Gerwig als Regisseurin die fetteste mögliche Besetzung aufgebracht. Wer soll denn da widerstehen, wenn Saoirse Ronan dem verwuschelten Timothée Chalamet auf einer frischen Wiese einen Korb gibt? Außerdem mit dabei: Emma Watson, Laura Dern und Meryl Streep.
Isabelle (Agnès Jaoui) ist das personifizierte Helfersyndrom: Sie bringt Flüchtlingen Französisch bei, hetzt von der Klamottenspende zur Suppenküche und nervt ihre Familie beim Shopping. Sie ist die grob geschnittene Schablone, um die LES BONNES INTENTIONS seine recht haarsträubende Handlung entfaltet: Als die neue Sprachlehrerin junge Sofie auftaucht und sich sofort super mit den Jugendlichen versteht, bricht ein Konkurrenzkampf aus, und Isabelle beschließt, ihre Schüler*innen zu beeindrucken, indem sie ihnen zum Führerschein verhilft …
Start am 30.1.2020
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USA 2019 D 134 min D R: Greta Gerwig D D: Saoirse Ronan, Florence Pugh, Emma Watson, Meryl Streep, Laura Dern, Timothée Chalamet, Louis Garrel, Bob Odenkirk, Chris Cooper
Start am 30.1.2020
Originaltitel: Les bonnes intentions D Frankreich 2018 D 103 min D R: Gilles Legrand D D: Agnès Jaoui, Tim Seyfi, Alban Ivanov
Termine unter www.indiekino.de
NINA HOSS
SIMON ABKARIAN JENS ALBINUS
SOPHIE ROIS
Enkel für Anfänger Rentnerin Karin (Maren Kroymann) will im fortgeschrittenen Alter noch Großmutter werden. Zum Glück ist es für diesen Wunsch nie zu spät – selbst wenn man nie Kinder bekommen hat. Denn heute gibt es ganze Datenbanken mit Leih-Omas und -Opas. Diese Entdeckung macht Karin dank ihrer Schwägerin Philippa (Barbara Sukowa), die Paten-Oma für die kleine Leonie ist und mit ihrem unkonventionellen Hippie-Lebensstil die Freiheit schlechthin verkörpert. Unfreiwillig ist der gemeinsame Schulfreund und gealterte Dandy Gerhard (Heiner Lauterbach) auch mit von der Partie. Start am 6.2.2020
Deutschland 2019 D R: Wolfgang Groos D D: Maren Kroymann, Heiner Lauterbach, Barbara Sukowa, Dominic Raacke, Günther Maria Halmer, Lavinia Wilson, Palina Rojinski
»Ein Film Noir, gespannt wie eine Geigensaite kurz vor dem Zerreißen« LE MONDE
DAS VORSPIEL SILBERNE MUSCHEL FÜR DIE BESTE DARSTELLERIN
Character One: Susan Susan ist Anfang 50, und hat alles schon erlebt. Sie hat die schönsten Ecken der ganzen Welt gesehen und war die Königin der Berliner Technoszene. Aber sie kämpfte auch mit einer bipolaren Störung, den Folgen sexuellen Missbrauchs in ihrer Kindheit, und einer aktuellen Lebenssituation, in der sie auf Sozialhilfe und eine Betreuerin angewiesen ist. Dass Missbrauchte sich nicht trauen, darüber zu reden, regt Susan auf. Deswegen redet sie selbst, ganz Berliner Darstellerin, von dem, was sie erlebt hat und versprüht Energie wie eine, deren Geschichte noch lange nicht auserzählt ist.
Start am 16.1.2020
EIN FILM VON
INA WEISSE
BERLIN-PREMIERE
AM 22. JANUAR 2020 20:30 UHR KINO IN DER KULTURBRAUEREI IN ANWESENHEIT VON REGISSEURIN INA WEISSE UND HAUPTDARSTELLERIN NINA HOSS
Deutschland 2019 D 80 min D R: Tim Lienhard
Berlin Branderburg
WWW.DASVORSPIEL-FILM.DE
AB 23. JANUAR IM KINO
INDIEKRITIKEN Originaltitel: It Must Be Heaven D Frankreich 2019 D 97 min D R: Elia Suleiman D B: Elia Suleiman D K: Sofian El Fani D S: Véronique Lange D D: Elia Suleiman, Gael Garcia Bernal, Ali Suleiman, Gregoire Colin D V: Neue Visionen
Vom Giessen des Zitronenbaums Absurde Odyssee
In VOM GIESSEN DES ZITRONENBAUMS spielt sich der Filmemacher selbst und erlebt während seiner Odyssee von Nazareth nach Paris und New York allerlei Absurdes. Die große Polizei- und Waffenpräsenz gepaart mit politischer Verdrossenheit erinnert ihn auf Schritt und Tritt an zuhause. Und das obwohl er doch eigentlich nur weg von Palästina wollte, wo er einfach keine Ruhe bekommt und selbst das Gießen seines Zitronenbaums ihm von einem übergriffigen Nachbarn nicht vergönnt wird. Berühmt wurde Suleiman vor fast 20 Jahren mit dem Film GÖTTLICHEN INTERVENTIONEN über den Alltag von Palästinensern und Israelis, der unter anderem den Jurypreis in Cannes 2002 gewann. Und auch bei seinem lang erwarteten Nachfolger, der im Originaltitel IT MUST BE HEAVEN heißt und ebenfalls in Cannes Premiere feierte, handelt es sich um eine Tragikomödie voller absurder Episoden und stummer Beobachtungen. Nicht zu Unrecht wird Elia Suleiman mit Jacques Tati, Jim Jarmusch und Buster Keaton verglichen: Gesprochen wird nicht viel, im Mimikspiel und in den Details des Alltags liegen dagegen allerhand Botschaften. Nicht immer sind die treffsicher, und so lässt sich bei der Eingangsszene in Paris fragen, ob es sich hier um puren Voyeurismus eines männlichen Blickes auf vorbeigehende Frauen in kurzen Röcken handelt – oder etwas anderes. Und der kleine Vogel, den Suleiman in sein Zimmer lässt und der ihm ständig über die Tasten fliegen will – kann er Überbringer einer Nachricht sein, oder ist er nur eine niedliche Nebenfigur? Den besten Kurzauftritt hat definitiv Gaël Garcia Bernal als mexikanischer Filmemacher, der mit seiner Thematik der mexikanischen Eroberung beliebter bei den internationalen Filmemachern zu sein scheint als Suleiman selbst, dessen Filmprojekt als nicht palästinensisch genug bewertet wird. Bei so viel Selbstironie ist der Grad zur Selbstbeweihräucherung schmal, doch mit fantastisch fotografischen Einstellungen, die auch mal an Wes Anderson denken lassen, bleibt Suleiman verspielt und unantastbar. D Anna Hantelmann Start am 16.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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Elia Suleiman plays himself as an Palestinian in exile who encounters the same absurdities everywhere he travels to.
Schweiz 2019 D 75 min D R: Rita Ziegler D K: Isabel Casez, Martina Radwan, Rita Ziegler D S: Valérie Smith D M: Terry Riley, Colin Vallon D V: mindjazz pictures
Albrecht Schnider – Was bleibt Eine Form stellt sich ein
Rita Zieglers Film über den Schweizer Maler Albrecht Schnider ist ein Film, der beobachtet, wie Kunst entsteht. Ein sehr ruhiger, konzentrierter und ungemein sinnlicher Film, der, ähnlich wie Henri-Georges Clouzots Film PICASSO (1956) den Prozess des Malens und Übermalens zeigt, aus dem sich das endgültige Werk entwickelt. Schnider bereitet eine Ausstellung in New York vor, in der er seine zeichnerische Methode auf Ölgemälde übertragen will. Zuvor war Schnider vor allem durch seine großformatigen, abstrakten Acrylbilder bekannt geworden, die minutiös geplant sind, aber aus einer an die écriture automatique der Surrealisten erinnernde Zeichentechnik entstanden sind. Die Bilder für die neue Ausstellung werden klein, ungefähr 60x30cm. Seit 14 Tagen malt Schnider eine schwarze Linie auf weißem Hintergrund. Wiederholung und Zufall, sagt der Maler, sind der Kern seiner Arbeit. Es ginge nicht um einen inneren Ausdruck, sondern darum, „Ja“ zu sagen, wenn sich eine Form einstellt. Das Malen des Bildes dauert zehn bis fünfzehn Sekunden. Der Pinsel setzt am unteren Rand der Leinwand auf, fährt, mit einigen Schlenkern und Kringeln in die Höhe, wo eine freie Form das Gebilde krönt, bevor der Strich abfällt. Er warte darauf, dass das Bild ihn anblickt, sagt Schnider. Er malt und wischt das Gemalte wieder fort, malt erneut, wischt. Auf der Leinwand beginnt sich eine graue Spur in der Mitte des Bildes abzuzeichnen, die Schnider so lange stehen lässt, bis er sich entschließt, sie auch wieder weiß zu übermalen. Plötzlich ist der Moment da, und die Form stimmt. Als hätte das Beobachten der Arbeit gelehrt, mit nach ihr zu suchen, wird sofort offensichtlich, dass hier etwas gelungen ist. Nicht nur etwas „verführerisch Hübsches“, nichts, was Schnider mit den Worten „das hier ist nur Geschwätz“ abtun wird. „Es ist wie eine Versöhnung mit der ganzen Welt“, sagt Schnider. „Zumindest für heute.“ D Tom Dorow
Start am 16.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
A documentary about the measured Swiss painter of abstract forms and landscapes.
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKRITIKEN Deutschland 2019 D R: Caroline Link D B: Caroline Link, Anna Brüggemann D K: Bella Halben D S: Patricia Rommel D M: Volker Bertelmann D D: Riva Krymalowski, Marinus Hohmann, Carla Juri, Oliver Masucci D V: Warner Bros.
My Life is a Gunshot: Joke Lanz
Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Kindheit im Exil
Alfred Kerr war der einflussreichste Theaterkritiker der Weimarer Republik, berühmt für seine Schärfe und offener Nazigegner. Kurz vor den Reichstagswahlen im März 1933 erreichte ihn eine anonyme Warnung: Sein Name stehe an zweiter Stelle einer Feindesliste der Nazis, im Falle eines Wahlsiegs drohe ihm Übles. Kerr verließ das Land, seine Familie folgte und erlebte die Machtübernahme Hitlers in der Schweiz. Die folgende jahrelange Odyssee über die Schweiz nach Paris und schließlich London hat die damals neunjährige Tochter Judith (in Buch und Film Anna) in einer Reihe weltberühmt gewordener Jugendbücher beschrieben. Den ersten Roman hat Caroline Link nun verfilmt und angenehm genau den unsentimentalen Ton der Vorlage getroffen. Fast durchweg aus der Sicht der sensiblen und eigenwilligen Anna erzählt, hält der Film die Balance zwischen Traurigkeit über den Verlust der Heimat und den interessanten Seiten einer Kindheit, in der es ständig gilt, sich in neuen Kulturen zurecht zu finden. Riva Krymalowski ist als Anna wunderbar. Neugierig tastet sie sich vor, versteht erst vieles nicht, eckt als Berliner Intellektuellenkind in der Schweizer Hinterwäldlerschule an und sucht doch immer das Schöne in den neuen Welten. Oliver Masucci spielt Alfred Kerr leise, fast zurückhaltend und gibt dem Film sein zweites Zentrum. Seinen Kindern lebt er eine intelligente, sanfte Variante des Nicht-Aufgebens vor und schafft eine Atmosphäre, in der nie das Gefühl aufkommt, es ginge der Familie richtig schlecht. Man glaubt ihm, wenn er auf Annas Frage „Macht es Dir nichts aus, ein Flüchtling zu sein?“ antwortet: „Doch. Aber ich finde es auch ganz interessant.“ Obwohl die Umstände dagegen sprechen: Caroline Link erzählt die in Kriegs- und Friedenszeiten gar nicht so häufige Geschichte einer gelingenden Kindheit. D Susanne Stern
Start am 25.12.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Termine unter www.indiekino.de
In the adaptation of the young adult classic by Judith Kerr, Caroline Link has struck the unsentimental tone of the source.
Der Schweizer Noise- und Turntable-Künstler Joke Lanz und der Filmemacher Marcel Derek Ramsay sind seit langem befreundet. Ramsays Film MY LIFE IS A GUNSHOT: JOKE LANZ ist eine schwarzweiße Collage aus Versatzstücken, die Ramsay und Lanz über mehrere Jahre gedreht haben. Im Stil des Films spiegelt sich die Arbeitsweise von Lanz, der Geräusche, Klänge, Lärm zu eigenen Klangwelten montiert. Zum Filmstart sind Ramsay und sein Protagonist im Brotfabrik Kino (16.1.) und Wolf Kino (17.1.) zu Gast. Start am 16.1.2020
Schweiz 2019 D 91 min D R: Marcel Derek Ramsay
Best of Genrenale, Vol. 1 Das Genrenale-Filmfestival hat sich den Genres verschrieben, die es im deutschen Kino schwerer haben. Hier stürmen nun neun Kurzfilme aus dem letztjährigen Festivalprogramm die Leinwand, in denen es absurd, schwarzhumorig und etwas blutig wird. Ein Familienstreit und eine Warteschlange auf einem Selbstmörderdach sind da noch die profansten Situationen. Aliens, Dämonen, mörderisches Nasenbluten, ein Vopo-Kommissar mit speziellen Fähigkeiten, und ein Selfie sind schon ein anderes Kaliber. Vom LASERPOPE ganz zu schweigen.
Start am 2.1.2020
Deutschland 2019 D 120 min D R: Lukas Rinker, Erdal Ceylan, Julius Grimm, Daniel Rübesam, Pascal Glatz, Nik Sentenza, Johannes Kizler, Paul Philipp, Niklas Coskan, Thomas Zeug
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INDIEFEATURE
„Genrefilme neigen dazu, am Ende alle Probleme zu lösen“ Interview mit Jessica Hausner zu LITTLE JOE
INDIEKINO: Ein Lied in Ihrem Film heißt «Happiness Business». Ist das ewige Streben nach Glück das, was unsere moderne Gesellschaft vorantreibt?
dass sie gleich zwei Monster schafft, von denen eines ihr eigenes Kind ist. Und über beide diese Monster verliert sie, langsam aber sicher, die Kontrolle.
Jessica Hausner: Ich denke schon. Die Sehnsucht nach Glück ist allgegenwärtig und so intensiv. Das merkt man bei jedem Small Talk. Allein schon, wenn jemand fragt, wie es einem geht, traut sich ja kein Mensch mehr zu sagen: „Schlecht.“ Stattdessen sagt jeder automatisch sofort: „Gut. Mir geht’s so gut. Ich bin so erfolgreich. Alles ist so wunderbar.“ Ich persönlich empfinde das als Bedrohung, weil es unnatürlich ist. Einerseits ist der Wunsch, glücklich zu sein, natürlich sehr generell, und er ist tief in uns verwurzelt. Er war schon immer da. Aber vielleicht ist dadurch, dass unsere Sehnsucht kommerzialisiert wurde, auch der Druck auf uns gestiegen, dem nachzukommen. Und das ist das Gefährliche daran.
Will man LITTLE JOE einem Genre zuordnen, denkt man zunächst an Science Fiction. Würden Sie dem zustimmen?
Was hat Sie daran gereizt, eine Pflanzenzüchterin in den Mittelpunkt Ihrer Geschichte zu stellen? Mir ging es von vornherein darum, dass die Hauptfigur eine Wissenschaftlerin sein sollte. Mich interessiert die Rolle von Wissenschaftler*innen in unserer heutigen Gesellschaft sehr. Ich denke, sie gewinnen immer mehr an Bedeutung, denn wir glauben ihnen immer mehr, was sie sagen. Außerdem kam mir in dem Zusammenhang diese FRANKENSTEIN-Idee in den Sinn, und die Geschichte ist in gewisser Weise eine Variation davon: Eine Wissenschaftlerin kreiert ein Monster. Das Besondere ist hier jedoch,
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Meine Filme stehen oft mit herkömmlichen Genrebezeichnungen in Widerspruch, weil ich versuche, sie so wahr wie möglich zu gestalten. Und in dem Fall habe ich versucht, eine mögliche wissenschaftliche Erklärung zu finden. Deshalb war ein Neurologe in unserem Team, ein Pflanzen-Gentechniker und einer, der auf Menschen spezialisiert ist. Gemeinsam haben wir versucht, eine Brücke zu finden, eine Erklärung, wie eine Pflanze in den menschlichen Körper eindringen kann. Und dann hatte einer der Wissenschaftler die Idee, dass ein Virus, der von der Pflanze ausgeht, zu einem menschlichen, krankheitserregenden Virus mutiert, mehr wie in einem realen Horrorfilm. Und das ist tatsächlich möglich? Ja, ist es. Es ist eine Theorie, die funktioniert. Aber wie in allen meinen Filmen, ist nicht nur die Realität möglich, auch Wunder sind es. Man kann sich auf nichts wirklich verlassen. Vielleicht ist es unwahrscheinlich. Aber ich habe bewusst nach einer Theorie gesucht, bei der man denkt: Kann das wirklich so sein? Soll ich das glauben, oder nicht?
INDIEKRITIKEN Gibt es filmische Referenzen, die Sie im Hinterkopf hatten, wie etwa INVASION OF THE BODY SNATCHERS?
Originaltitel: Little Joe D Österreich/Großbritannien/Deutschland 2019 D 105 min D R: Jessica Hausner D B: Jessica Hausner, Géraldine Bajard D K: Martin Gschlacht D S: Karina Ressler D D: Emily Beecham, Ben Whishaw, Kerry Fox, Kit Connor D V: X-Verleih
Ich denke eher, dass Filme wie INVASION OF THE BODY SNATCHERS genau die Art von Genreklassikern sind, die ich mit LITTLE JOE zu untergraben versucht habe. Der Film spielt mit dem Genre, ist aber deshalb nicht automatisch auch ein Genrefilm. Genrefilme neigen eher dazu, am Ende alle Probleme zu lösen, wohingegen ich versuche, in meinen Filmen die Verstörung zu thematisieren, die dabei entsteht, wenn es auf alle Fragen immer mehr als eine Antwort gibt. Man muss die Ironie verstehen, die darin liegt, um seine wahre Freude an dem Film zu haben. Wer auf Zombies hofft, die plötzlich um die Ecke kommen, der wird enttäuscht werden. Wie wichtig war Ihnen das Design der Pflanze, um die es im Film geht? Ihr Äußeres ist ja sehr speziell. Die Pflanze ist ein Hilfsmittel, um die Geschichte zu erzählen. Sie ist eine Art Symbol. Und ich wollte, dass sie diesen ikonischen Charakter hat. Zunächst dachte ich, es könnte auch ein Apfel ohne Kerne sein, etwas, das durch Gentechnologie kreiert wurde. Aber mit Nahrung ist das so eine Sache, weil man sie bereitwillig essen muss, um eine Veränderung hervorzurufen. Eine Pflanze, die ihren Duft verstreut, erschien mir besser und treffender für die Geschichte. Davon abgesehen ist sie allgemeingültiger. Zum Beispiel könnte man sich das Ganze auch als Märchen denken, dann ginge es nicht um eine Gentechnikerin und eine Pflanze, sondern um eine Hexe, die eine schöne rote Blume herzaubert, die die Menschen glücklich macht. Sind Sie selbst eine Pflanzenfreundin? Überhaupt nicht. Ich weiß nichts über Pflanzen. Jetzt zwar schon ein bisschen mehr, aber als wir mit der Arbeit am Film begannen, hatte ich nicht die leiseste Ahnung. D Das Gespräch führte Pamela Jahn
Little Joe
Schleichendes Unbehagen Während sich Genrefilmer*innen, gerade im Horrorbereich, gerne damit beschäftigen, die Grenzen des Zeigbaren auszuweiten und die emotionalen Schrauben fester anzudrehen, ist Jessica Hausner seit Jahren in der entgegen gesetzten Richtung unterwegs. Ihr „Horrorfilm“ HOTEL (2004) zeigte dunkle Flure in einem ominösen Hotel am Wald und reduzierte Schockeffekte und Spannungsbogen derart, dass am Ende ein vages, aber auch irgendwie interessantes Unbehagen zurückblieb. In ihrem „Melodrama“ AMOUR FOU inszenierte sie den Doppelselbstmord von Heinrich von Kleist und Henriette Vogel als Ergebnis grüblerischer Entscheidungen und langer Verhandlungen. Mit LITTLE JOE erhält nun das Sci-Fi-HorrorMotiv von den Körperfressern – in diesem Fall sind es Geistfresser – ein ähnliches Treatment: Alice und ihr Team von Biotechnolog*innen haben eine rote Blume entwickelt, deren Duft glücklich machen soll, und die Alice nach ihrem Sohn „Little Joe“ getauft hat. „Little Joe“ gedeiht prächtig, und scheint sein Versprechen einzulösen. Seltsam sind allerdings die Unmengen von Pollen, die die eigentlich sterile Pflanze produziert. Kollegin Bella, die allerdings, wie alle wissen, psychische Probleme hat, behauptet sogar, dass der Kontakt mit den Pollen die Leute seltsam mache … Hausner inszeniert wie immer extrem undramatisch, nahezu emotionslos, und in hübschen, farblich fast schon manisch präzise durchgestalteten Szenen. Die Veränderungen, die Little Joe bewirkt – wenn er sie denn bewirkt – sind so minimal, dass sie sich kaum benennen, geschweige denn beweisen lassen. So entsteht, wie ein letzter Gedanke kurz vor der Narkose, wieder dieses Gefühl eines schleichenden Unbehagens – so als ob etwas schief läge in der Welt, als ob alle nicht ganz sie selbst wären, als ob nicht ganz klar wäre, was hier eigentlich die Entscheidungen trifft und wo die Bedürfnisse, die man für die eigenen hält, eigentlich herkommen. D Hendrike Bake
Start am 9.1.2020 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Alice and her team of biotechnologists have developed a red flower with a smell that causes happiness. “Little Joe“ flourishes well, but the vast amounts of pollen that the supposedly sterile plant produces is strange….
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weiterINDIEKINO
Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão
Jam
In sinnlichen Bildern adaptierte der in Berlin lebende Regisseur Karim Aïnouz den Roman „Das unsichtbare Leben der Euridice Gusmão“ von Martha Batalha. Es sind die 1950er in Rio. Die Schwestern Euridice und Guida sind grundverschieden, aber dennoch eng verbunden. Die 18-jährige Euridice träumt von einer Karriere als Pianistin in Europa, während ihre zwei Jahre ältere Schwester Guida den Männern hinterherschaut. Als sie mit einem griechischen Matrosen durchbrennt, beginnt für die Geschwister eine Suche nach einander, die viele Jahrzehnte umspannen wird.
Drei Geschichten, die auf komplexe Weise mit einander verknüpft sind: Der junge Takeru will seine im Koma liegende Freundin retten, indem er durch gute Taten gutes Karma erzeugt. Der Schlagersänger Hiroshi wird von einem weiblichen Superfan entführt und soll in einer Nacht einen Song für sie schreiben. Der aus dem Gefängnis entlassene Tetsuo will sich an seiner alten Gang rächen und wird nun von immer neuen Gangmitgliedern verfolgt, während er seine Großmutter im Rollstuhl durch die Stadt schiebt. Mit leichter Hand gedreht macht JAM großen Spaß.
¢ Bali-Kino, fsk-Kino am Oranienplatz, Il Kino, Filmrauschpalast
Alles auSSer gewöhnlich ¢ Bali-Kino, Bundesplatz-Kino
Aretha Franklin: Amazing Grace ¢ Bundesplatz-Kino
Becoming Animal ¢ Bali-Kino
Bis dann, mein Sohn ¢ Bali-Kino, Krokodil
Buñuel im Labyrinth der Schildkröte ¢ Bali-Kino, Brotfabrik Kino
But Beautiful ¢ Bali-Kino, Brotfabrik Kino
Dicktatorship ¢ Bali-Kino
Ein Licht zwischen den Wolken ¢ Bali-Kino
Originaltitel: A vida invisível de Eurídice Gusmão D Brasilien 2019 D 139 min D R: Karim Ainouz D D: Fernanda Montenegro, Carol Duarte, Gregorio Duvivier, Flavio Bauraqui
¢ Brotfabrik Kino, fsk-Kino am Oranienplatz, Filmrauschpalast
The Farewell
Lara
¢ Bali-Kino, Il Kino
¢ Brotfabrik Kino, Bundesplatz-Kino, Union Kino
Der geheime Roman des Monsieur Pick ¢ Bali-Kino. Eva-Lichtspiele, Union Kino
Das gröSSte Geschenk ¢ Union Kino, nur am 19.1.
Havelland. Fontane ¢ Krokodil
Heimat ist ein Raum aus Zeit ¢ Bali-Kino, Krokodil
Idioten der Familie ¢ Bali-Kino
Jeanne d’Arc ¢ Brotfabrik Kino
Jeannette – Die Kindheit der Jeanne d’Arc ¢ Brotfabrik Kino
Marianne & Leonard: Words of Love ¢ Brotfabrik Kino, Bundesplatz-Kino
Mein Ende. Dein Anfang. ¢ Brotfabrik Kino
Nur die FüSSe tun mir leid ¢ Union Kino
Parasite ¢ Il Kino
Pavarotti
¢ Bali-Kino
Systemsprenger ¢ Il Kino, Union Kino
Über Grenzen ¢ Union Kino
Vor dem Regen ¢ Bali-Kino, nur am 30.1. um 18 Uhr
Zwingli – Der Reformator ¢ Bali-Kino
PJ Harvey – A Dog Called Money ¢ Brotfabrik Kino
¢ Union Kino
¢ Bundesplatz-Kino
Exhibition on Screen: Leonardo
Land des Honigs
Schönheit & Vergänglichkeit
D JANUAR/FEBRUAR 2020
Synonymes
¢ Bali-Kino
¢ Bundesplatz-Kino
D 52
¢ Bali-Kino
Pferde stehlen
Einsam Zweisam
¢ Bali-Kino
Die schönste Zeit unseres Lebens
¢ Bali-Kino, Eva-Lichtspiele, Union Kino
Der Junge muss an die frische Luft
¢ Bali-Kino, Krokodil
Japan/Deutschland 2018 D 102 min D R: Sabu D D: Shintarô Akiyama, Sho Aoyagi, Keita Machida, Hayato Onozuka
A Rainy Day in new York
¢ Krokodil
Termine unter www.indiekino.de
INDIEKINDER
KinderfilmE A–Z Abenteuer im Wald: Kurzfilmrolle für die ganz Kleinen ¢ Brotfabrik Kino
ANIMAL FARM ¢ Sputnik Kino
Auerhaus ¢ Union Kino
Kinderfilm des Monats Februar: Die kleinen Hexenjäger ¢ Bali Kino, Bundesplatz Kino. Eva Lichtspiele, Kino Intimes, Sputnik Kino, Union Filmtheater, Xenon Kino Alle Termine unter kinderkinobuero.de Vorbestellungen unter 030/235 562 51
Der kleine Maulwurf ¢ b-ware!ladenkino
Bobo und die Hasenbande ¢ Brotfabrik Kino
Checker Toby ¢ Acud Kino
CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND
Der kleine Rabe Socke – Suche nach dem verlorenen Schatz ¢ Acud Kino, Bali-Kino
KOMMISSAR GORDON & BUFFY ¢ Sputnik Kino
¢ Sputnik Kino
Dora und die goldene Stadt
Spatzenkino im Januar und Februar: Schneegestöber & Maskenball Das Spatzenkino macht Kino für Kinder von 4 bis 8 Jahren. Die Filme sind kürzer als für die Großen und machen keine Angst. Im Januar geht es um Schneegestöber: Pingu und sein Freund wollen sich Iglus bauen wollen, haben aber nur genug Eis für eines. Und hoch im Norden schlafen die Mumins in ihren Muminbetten, aber der kleine Mumin wacht auf und erlebt ein Schneeabenteuer. Im Februar ist Karneval und es gibt Maskenball im Spatzenkino, mit Verkleidungen und Zaubereien. Der Spatz ist natürlich immer dabei und sagt: „Licht aus, Film ab!“ ¢ Bali Kino, Eva Lichtspiele, Kino Intimes, Union Filmtheater, Xenon Kino, alle Termine unter spatzenkino.de, Vorbestellungen unter 030/449 47 50
¢ Bali-Kino
DIE Eiskönigin ¢ Eva-Lichtspiele, Union Kino
Latte Igel und der Wasserstein ¢ Bali-Kino, Union Kino
Mister Link – Ein fellig verrücktes Abenteuer ¢ Bali-Kino
Frech wie Krümel ¢ Brotfabrik Kino
Fritzi – Eine Wendewundergeschichte ¢ Acud Kino, Bali-Kino
Jumanji: Next Level ¢ Union Kino
Petersson und Findus ¢ Union Kino
Pokémon – Meisterdetektiv Pikachu ¢ Bali-Kino
Spione Undercover ¢ Union Kino
Thomas und seine Freunde ¢ Union Kino, Bali-Kino, Sputnik Kino
Kinderfilm des Monats Januar: Pettersson und Findus – Findus zieht um ¢ Bali Kino, Bundesplatz Kino. Eva Lichtspiele, Kino Intimes, Sputnik Kino, Union Filmtheater, Xenon Kino Alle Termine unter kinderkinobuero.de Vorbestellungen unter 030/235 562 51
Charlie und Louise – Das doppelte Lottchen Auf einer Sprachreise stehen sich Charlie Palfy und Louise Kröger plötzlich gegenüber und sind völlig baff: Die beiden sehen genau gleich aus. Beide sind gleich alt und am gleichen Tag geboren. Sie finden heraus, dass sie Zwillinge sind, und ihre Eltern sich kurz vor ihrer Geburt getrennt haben. Aber Charlie und Louise wollen zusammenbleiben und fassen einen Plan. Sie tauschen die Rollen und Charlie fährt nach Hamburg zu ihrer Mutter, bei der eigentlich Louise fährt, die zum Vater nach Berlin reist. Irgendwie muss man die Eltern doch wieder zusammenbringen können – Nach dem Kinderbuch von Erich Kästner erzählt. ¢ Acud Kino, Union
Unheimlich perfekte Freunde
Deutschland 2019 D R: Verena Fels, Sandor Jesse D FSK: oA
¢ Bali-Kino
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INDIEKINOHIGHLIGHTS
CITY KINO WEDDING FINAL GIRLS
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Seit fünf Jahren holt das Final Girls Berlin Film Festival von Frauen* und nicht-binären Filmemacher*innen verfilmten, geschriebenen oder auch produzierten Horror auf die Leinwand. Die diesjährige Sause eröffnet Mary Harrons (AMERICAN PSYCHO) neuste Arbeit CHARLIE SAYS, ein mitreißender Thriller, der die Geschichte der “Manson Girls“ erzählt. In Carlo Mirabella-Davis’ preisgekröntem SWALLOW beginnt eine wohlhabende Hausfrau die bizarrsten Objekte scheinbar
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Swallow
grundlos herunterzuschlucken. Zwei südamerikanische Filme feiern ihre Berlin-Premiere: Macarena García Lenzis und Martín Bloussons ROCK PAPER SCISSORS handelt von isolierten, dysfunktionalen Geschwistern, die ihre sehr eigene Art haben, nach dem Tod ihres Vaters mit Erbschaftsstreitigkeiten umzugehen. THE FATHER’S SHADOW von Gabriela Amaral Almeida ist ein düsteres Porträt eines jungen Mädchens, das sich nach dem tragischen Tod ihrer Mutter der Magie zuwendet. In der
Retrospektive ist Amy Holden Jones’ gewitzter Slasher THE SLUMBER PARTY MASSACRE (1982) zu sehen, außerdem gibt es Kurzfilme, Vorträge von Horror-Expert*innen, zum Beispiel über „Made-for-TV Horror“ oder „Die schlechte Mutter im mexikanischen Horrorfilm“, eine Party und einen Selbstverteidigungskurs. finalgirlsberlin.com 6.–9.2.
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ACUD KINO, CITY KINO WEDDING, HAU, SPUTNIK KINO, ZUKUNFT BRITISH SHORTS FILM FESTIVAL WEIRD BRITAIN und BEST OF ANIMATION, die Midnight-Movies (ab 18) und THE VISUAL WORLDS OF WEIRDCORE: In der Kuppelhalle des Silent Green Kulturquartiers wird das Festival die markant flackernden audiovisuellen Werke – seinen Stil nennt der Künstler: „extreme AV whatever-ness“ – des Grafikdesigners Weirdcore, der unter anderem für Aphex Twin, M.I.A., Mos Def, Gwen Stefani, Overmono und Louis Vuitton gearbeitet hat, mit einer Auswahl von einflussreichen Musikvideos, Werbespots und experimenteller Clips präsentieren. Drumherum, wie immer, Konzerte (Nichtseattle, Glassberg & the Disasters, Johnny Zabala u.a.), Party, Talks und der kostenlose Film-Workshop „Crossing Borders“, in dem Filmteams innerhalb von 48 Stunden einen Short zum Thema produzieren. britishshorts.de
Vom 16.–22.1. ist es wieder so weit: Mit 222 Filmen an sieben Tagen wird das aktuelle britische und irische Kino im Kurzformat präsentiert. Jedes Genre ist vertreten, von Comedy, Drama, Animation, Thriller, Dokumentarfilm, Experimental, Musikvideo bis hin zu Horror. International bekannte Namen – in diesem Jahr zum Beispiel Timothy Spall (aus MR. TURNER – MEISTER DES LICHTS), Stephen Graham (THIS IS ENGLAND), Julian Barrett (THE MIGHTY BOOSH), Alice Lowe (SIGHTSEERS) – treffen auf Newcomer*innen und Filmstudierende. Big Budget trifft auf Low Budget trifft auf No Budget. Am Ende werden sowohl ein Jurypreis als auch ein Publikumspreis vergeben. Zu den diesjährigen Highlights gehören ein Hommage-Screening für die schottische Ausnahmeschauspielerin Kate Dickie (THE WITCH, GAME OF THRONES, RED ROAD), die vielversprechenden Festival-Retrospektiven
16.–22.1.
ACUD KINO, SPUTNIK KINO RUSSISCH DOK: SIBIRIEN IM BILD
BROTFABRIK KINO UKRAINISCHER FILMCLUB: DELTA
Die filmische Wochenschau als Nachrichtenmedium hat in Sibirien eine lange Tradition, die bis in die Kindertage des Kinos zurückreicht. Noch im Jahr 2016 wurde dieses Format wiederbelebt, wenn auch nur für wenige Ausgaben. „Russisch Dok“ zeigt im Januar einige historische Ausgaben aus den Jahren 1955-91, sowie den Dokumentarfilm SIBIRIEN IM BILD – MYTHEN UND REALITÄT (2001), über die Gründe, aus denen die Wochenschauen immer wieder mit der Zensur in Konflikt gerieten. Im Februar steht ein Dokumentarfilm des 2017 verstorbenen Valerij Solomin auf dem Programm.
Der Ukrainische Filmclub zeigt am 23.1. um 20 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs Oleksandr Techinsky dessen Film DELTA (UA/D 2017, 82 min, OmU). Techinsky drehte vom Spätherbst bis zum Vorfrühling in der Bukowina, der teils rumänischen, teils ukrainischen Region, die vom Donaudelta geprägt ist. In dieser Zeit ist das Leben im Delta besonders hart. Der Film beginnt mit der letzten Ernte und den letzten Fischzügen, bevor der Fluss zufriert und es schwierig wird, an frische Nahrungsmittel zu kommen. Fast ohne Dialoge und ohne Musik vermittelt DELTA ein fast körperliches Gefühl vom Leben in der winterlichen, bäuerlich geprägten Region. Der Ukrainische Filmclub im Februar findet am 6.2. statt.
SIBIRIEN IM BILD: Acud Kino am 8.1. um 20 Uhr Valeriy Solomin: Acud Kino am 12.2. um 20 Uhr Sputnik Kino am 17.2. um 19 Uhr
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23.1. um 20 Uhr , mit Oleksandr Techinsky
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Eva -Lichtspiele Nachtrag Bruno Ganz
UNION FILMTHEATER EXPERIMENT SOZIALISMUS
Quasi als Nachtrag zu ihrer Bruno Ganz Werkschau zeigen die Eva-Lichtspiele DER SANFTE LAUF (1967) von Haro Senft, in dem Ganz den jungen Bernhard Kral spielt, der von der TU fliegt, nachdem er in einer Kneipe einen Neonazi verprügelt hat. DER SANFTE LAUF war einer der ersten Filme, die infolge des Oberhausener Manifestes gefördert wurden, und Ganz’ erste Hauptrolle – nach der er angeblich nie wieder einen Film machen wollte… 12.1. um 15.30 Uhr
Die Berliner Filmemacherin Jana Kaesdorf bezeichnet ihren Film EXPERIMENT SOZIALISMUS als Doku-Fiktion. Ein Exilkubaner kehrt in sein Heimatland zurück und spricht mit verschiedenen Menschen über ihr persönliches Verhältnis zur Revolution und zum Sozialismus, und über die Folgen der „Lineamientos“, der Reformen der Regierung nach dem Tod Fidel Castros. Zur Vorführung im Union ist die Regisseurin zu Gast.
Swimmingpool am Golan
The Gumball Rally
5.1. um 17.45 Uhr, mit Regisseurin Jana Kaesdorf
BUNDESPLATZ-KINO JÜDISCHE LEBENSWELTEN
FILMRAUSCHPALAST BAHNHOFSKINO 35: CANNONBALL
Das Matinee-Programm im Januar und Februar ist jüdischen Erfahrungen gewidmet. In ihrem Dokumentarfilm DIE AUFSEHERIN – DER FALL JOHANNA LANGEFELD (D/PL 2018, 19.1.) beschäftigen sich Władek Jurkow und Gerburg Rohde-Dahl, die zur Vorführung anwesend sein wird, mit der ambivalenten Figur Johanna Langefelds, die SS-Oberaufseherin in den KZs Auschwitz und Ravensbrück war. Am 26.2. präsentieren Regisseurin Esther Zimmering und zwei ihrer Protagonisten – ihre Tante Moni Zimmering und ihr Vater Klaus Zimmering – den autobiografischen Dokumentarfilm SWIMMINGPOOL AM GOLAN (D 2019), in dem sich die in der DDR aufgewachsene Regisseurin auf den Weg zu ihrer isaraelischen Familie macht. In WIR SIND JUDEN AUS BRESLAU (D 2018, 2.2.) erzählen Zeitzeugen ihre Geschichten und unternehmen eine Reise in die einstige Heimat. Andrea Simons ANGEL WAGENSTEIN: ART IS A WEAPON (USA/Bulgarien 2017), der am 9.2. zu sehen ist, porträtiert den jüdisch-bulgarischen Filmautor und Romancier und überzeugten Kommunisten Angel Wagenstein. immer sonntags um 11 Uhr
Erst vor ein paar Wochen wurde mal wieder der sogenannte „Cannonball-Rekord“ gebrochen – der Rekord für die schnellste Autofahrt quer durch die USA, von New York bis Los Angeles. In den 70er Jahren wurden auf dieser Strecke regelmäßig illegale Rennen veranstaltet, die schließlich mehrere Filme inspirierten. THE GUMBALL RALLY (1976) von Stunt-Profi Chuck Bail setzt auf einen großen Cast verschiedener Rennteams, alle mit verschiedenen Macken und verschiedenen Fahrzeugen. Düsterer wird es mit DEATH RACE 2000 (1975): In einer dystopischen Zukunft veranstaltet ein faschistischer Diktator das Rennen als Fernseh-Opium fürs Volk. David Carradine und Sylvester Stallone kämpfen nicht nur um die beste Zeit, sondern erhalten auch Bonuspunkte fürs Überfahren von Passanten, und eine Widerstandsbewegung will das Rennen für einen Anschlag auf den Präsidenten nutzen. Der schlicht CANNONBALL betitelte letzte Film der Nacht ist weniger blutig als sein Vorgänger, aber umso trashiger und explosiver. 10.1. ab 22 Uhr JANUAR/FEBRUAR 2020 D
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ARSENAL KINO, WOLF UNKNOWN PLEASURES #11 – AMERICAN INDEPENDENT FILM FEST Ham on Rye
Das Unknown Pleasures Festival zeigt vom 1. bis 16. Januar im Kino Arsenal und im Wolf Kino US-amerikanische Independent-Produktionen, die noch nicht in Deutschland im Kino zu sehen waren. Eines der Highlights dürfte Alex Ross Perrys Film HER SMELL mit Elizabeth Moss in der Hauptrolle als Punk-Sängerin im Absturz sein. Speziell scheint auch HAM ON RYE (R: Tyler Taormina) zu sein. Wie in Charles Bukowskis gleichnamigem Coming-of-Age-Roman geht es um Teenager. Hier reden sie darüber, wie großartig es ist, älter zu werden, und vollziehen ein seltsames Ritual in einem Feinkostladen, das zu einem Musical überleitet. Das sieht alles sehr, sehr merkwürdig aus. EMPTY METAL von Bayley Sweitzer und Adam Khalil ist eine Mischung aus Spielfilm, Mockumentary und Kunstinstallation über radikalen, gewalttätigen Extremismus an verschiedenen Enden
des politischen Spektrums, mit einer beigefügten Literaturliste von Marcus Garvey bis William S. Burroughs. Außerdem gibt es eine Retrospektive der vier Filme, die Elaine May als Regisseurin in den 70er und 80er Jahren drehen konnte. May hatte in den 60er Jahren mit Mike Nichols (THE GRADUATE) ein rasend erfolgreiches Comedy-Duo gebildet, und war seit Ida Lupino die erste Frau, die einen festen Vertrag als Regisseurin bei einem Major-Studio unterzeichnen konnte. Sie war als Drehbuchautorin mehrmals für den Oscar nominiert, konnte aber nach dem Flopp ihrer 55 Millionen Dollar teuren Wüstenkomödie ISHTAR (1987) mit Warren Beatty und Dustin Hoffmann in den Hauptrollen nie wieder einen Film realisieren. unknownpleasures.de 1.–16.1.
Foto: Beat Presser
Berlin Ballade
BUNDESPLATZ-KINO HOMMAGE BERNHARD SINKEL
EVA-LICHTSPIELE DER ALTE DEUTSCHE FILM
Anlässlich des 80sten Geburtstages des Regisseurs, Autors und Produzenten Bernhard Sinkel zeigt das Bundesplatz-Kino in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek drei seiner Filme: In seinem Debüt LINA BRAAKE ODER DIE INTERESSEN DER BANK KÖNNEN NICHT DIE INTERESSEN SEIN, DIE LINA BRAAKE HAT (1974) rächt sich Lina Braake (Lina Carstens) an der Bank, die sie aus ihrer Mietwohnung geworfen hat. DER MÄDCHENKRIEG (1977) nach dem Roman von Manfred Bieler erzählt die Geschichte der 30er und 40er Jahre aus der Sicht dreier tschechischer Schwestern. DER KINOERZÄHLER (1992) sieht mit dem Aufkommen des Tonfilms sein Berufsbild bedroht. Er hofft, dass die Nazis am Stummfilm festhalten … Zu Vorführung von LINA BRAAKE wird Bernhard Sinkel zu Gast sein.
Der aufregendste Film der Reihe „Der alte deutsche Film“ im Januar und Februar ist zweifellos am 19.1. die Aufführung der restaurierten Fassung des Trümmerfilms BERLINER BALLADE von Robert A. Stemmle mit Gert Fröbe in der Hauptrolle. Das satirische Porträt des Alltagslebens im zerstörten Berlin brachte die Stimmung im Nachkriegsdeutschland auf den Punkt, machte Gert Fröbe zum Star und führte seinen Rollennamen „Otto Normalverbraucher“ in den Sprachgebrauch ein. Außerdem in der Filmreihe: am 8.1. OPERETTE (1940) von Willi Forst, am 15.1. der Schwank SCHNEIDER WIBBEL (1939), am 22.1. der Film DER STROM (1942), in dem zwischen zwei Brüdern, einem „traditionell“ denkenden und einem „modernen“ Ingenieur, ein Konflikt um Flussbegradigungen und Deichverstärkungen eskaliert. Am 29.1. fogt die Liebesgeschichte AM ABEND NACH DER OPER (1944) und am 5.2. der Revuefilm ES LEUCHTEN DIE STERNE (1938). Immer mittwochs um 15.45 Uhr
Immer sonntags um 15.30 Uhr: 26.1. LINA BRAAKE, zu Gast: Bernhard Sinkel 2.2. DER MÄDCHENKRIEG 9.2. DER KINOERZÄHLER, zu Gast: Harry Baer
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BROTFABRIK KINO, BUNDESPLATZ KINO PSYCHE & FILM & GESPRÄCH Im Bundesplatz-Kino setzt sich die Psychoanalytische-Reihe zum Jahresanfang mit Kunst & Spiritualität auseinander. Am 28.1. läuft ENGEL ÜBER EUROPA – RILKE ALS GOTTSUCHER (D 2018), von Rüdiger Sünner, der sich mit Rainer Maria Rilkes lebenslanger Suche nach dem Göttlichen in den spirituellen und mythologischen Traditionen der Welt beschäftigt. Nach dem Film Gespräch mit Donat Keusch von der C. G.-Jung-Gesellschaft. Im Brotfabrik Kino erklären Phillip Denzin und Michael Over in einem Vortrag Alex Garlands Sci-Fi AUSLÖSCHUNG (USA, UK 2018), in dem sich eine Biologin in die Sperrzone AREA X vorwagt, in deren eigenartigem Schimmer Menschen verschwinden. 26.1. um 18 Uhr AUSLÖSCHUNG mit Vortrag, Brotfabrik Kino 28.1. um 20.30 Uhr ENGEL ÜBER EUROPA mit Filmgespräch, Bundesplatz-Kino
Engel über Europa – Rilke als Gottsucher
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XENON KINO QUEERE DOKUS Das Xenon Kino hat im Januar aktuelle queere Dokumentarfilme im Programm: RETTET DAS FEUER (D 2019) von Jasco Viefhues ist ein Porträt des deutschen Künstlers und Fotografen Jürgen Baldiga, der in den 1990er Jahren, selbst von HIV betroffen, seine Freunde und ihr Leben mit der Kamera festhält. „Bis zum letzten Tag arbeitet Jürgen Baldiga an der Dokumentation eines Exodus, der auch ihn erfasst. Der Dokumentarfilm RETTET DES FEUER richtet den Blick auf ein Stück Westberliner Geschichte und die Stimmen des kollektiven Gedächtnisses.“ In JONATHAN AGASSI SAVED MY LIFE (Israel 2019) begleitet Regisseur Tomer Heyman den Israeli Yonatan, der unter dem Künstlernamen Jonathan Agassi als Hardcore-Pornostar berühmt wurde, später nach Berlin umzog und hier in Live-Sexshows und als Escort arbeitet. Über acht Jahre hinweg fängt Heyman private und berufliche Momente ein. Termine auf: xenon-kino.de Jonathan Agassi Saved My Life
Suspiria (2018)
BALI-KINO, BROTFABRIK KINO MEHR BUÑUEL WAGEN
FILMRAUSCHPALAST SUSPIRIA-DOUBLE FEATURE
Als Ergänzung zur Aufführung des Animationsfilms Buñuel im Labyrinth der Schildkröten über die Produktionsgeschichte von Luis Buñuels Film LAS HURDES zeigt das Brotfabrik Kino an zwei Terminen die berühmten surrealistischen Kurzfilme von Buñuel aus den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren, in deren Zusammenhang der Dokumentar- und Agitprop-Film LAS HURDES entstanden ist: UN CHIEN ANDALOU, L’âge d’or und LAS HURDES. Im Bali-Kino läuft Buñuels L’âge d’or am 27.2. um 20.30 Uhr im Anschluss an den Animationsfilm.
Ob es eine gute Idee von Luca Guadagnino war, Dario Argentos SUSPIRIA von 1977 neu zu verfilmen, kann man am 12. und 26. Januar im Filmrauschpalast im direkten Vergleich beurteilen. Jeweils um 19 Uhr beginnt ein Double Feature, in dem zweimal die junge amerikanische Tänzerin Susi Bannion an einer Freiburger bzw. Berliner Tanzschule aufgenommen wird, aus der Mitschülerinnen verschwinden, und der Verdacht aufkommt, es könnten Hexen am Werk sein. Für Susie wird es jedes Mal gefährlich und psychedelisch, das fällt in Stimmung, Farbgebung und Soundtrack aber sehr unterschiedlich aus. Das Original läuft in der DF und von 35mm-Film, die Neuverfilmung digital und in OmU. 12. & 26.1. um 19 Uhr und 21 Uhr
Buñuel im Labyrinth der Schildkröten: Brotfabrik Kino 2.–8.1. um 18 Uhr Bali Kino: 27.2–4.3. um 20.30 Uhr Un chien andalou L’âge d’or Las Hurdes: Brotfabrik 3.1. und 4.1. um 21.30 Uhr L’âge d’or: Bali Kino am 27.2. um 20.30 Uhr:
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BROTFABRIK-KINO BERLIN-FILM-KATALOG: MOTIVSUCHE & NACHTSCHICHTEN Motivsuche
In den letzten Monaten der SED-Herrschaft drehte Dietmar Hochmuth mit MOTIVSUCHE (DDR 1989/90) eine Tragikomödie über das Filmemachen, das Kunstschaffen generell und die ewige Frage, wie weit Dokumentarfilmer auf das Gezeigte Einfluss nehmen dürfen: Der Ost-Berliner Regisseur Rüdiger Stein will endlich seinen ersten großen Dokumentarfilm drehen, über ein minderjähriges Paar aus „schwierigen“ sozialen Verhältnissen, das sein Kind diversen Widerständen zum Trotz bekommen will. Doch dann überlegt es sich die werdende Mutter anders. Motivsuche vermittelt auch einen Eindruck davon, wie es im Ost-Berlin der späten Achtziger aussah und wie es sich dort lebte. Am 13.1. läuft MOTIVSUCHE in Anwesenheit von Dietmar Hochmuth und ergänzt um die halbstündige Dokumentation MOTIVSUCHE – SCHLUSSKLAPPE ‚95, die Hochmuth fünf Jahre später
über den Film und seine Darsteller*innen drehte. NACHTSCHICHTEN von Ivette Löckers ist im kalten Februar 2010 gedreht, ausschließlich in der Nacht. Ein Förster, Obdachlose, Sozialhelfer, DJs und Graffiti-Sprayer sind unterwegs. Ivette Löckers über ihren Film: „Manche arbeiten und leben freiwillig nachts, andere hat das Schicksal dazu gezwungen; wieder andere nutzen die Dunkelheit, um im Geheimen zu operieren, manche finden in ihr ein neues Zuhause. (…) Der Film ist eine Liebeserklärung an die Nacht, doch es ist keine ungetrübte, gefahrlose Liebe, denn Gefahr ist ein fester Bestandteil der Nacht.“
Holop
Mandy
13.–15.1. um 18 Uhr: MOTIVSUCHE, am 13.1. mit Regisseur Dietmar Hochmut 10.–12.2. um 18 Uhr: NACHTSCHICHTEN, am 10.2. mit Regisseurin Ivette Löcker und Kameramann Frank Amann
Kino KrokoDIL JANUAR-HIGHLIGHTS
Z-INEMA FILME, DIE SONNE VERBREITEN
Am 5.1. um 17 Uhr startet das Kinojahr im Krokodil mit einer brandneuen russischen Komödie. Um dem verzogenen Grischa eine Lektion zu erteilen, organisiert sein Vater ein aufwändiges Schauspiel, das dem goldenen Jungen vorgaukelt, er sei im 19. Jahrhundert gelandet, und müsste als HOLOP – DIENER (OV, ohne UT!) leben. Am 20.1. um 19 Uhr läuft als Preview ALS WIR TANZTEN (OV, deutsche und englische UT.) mit Gästen: Merab wird in seinen Bemühungen, im Georgischen Nationalballett zu tanzen, von einem neuen Mitschüler abgelenkt. Doch selbst in diesem Umfeld ist Homophobie noch allgegenwärtig. kino-krokodil-berlin.de
Wir haben keinen Film der unermüdlichen Kurz-und-Kleinfilmerin Dagie Brundert gesehen, aber wenn ihre Filme nur halb so schräg und bunt sind wie ihre Website, wird das ein vergnüglicher Abend. Am 28.1. zeigt sie im Programm MENDOCINO & BERLINO nur Filme aus ihrem Repertoire, die Sommersonne verbreiten, teilweise entwickelt mit Meerwasser und Baumrinde. Am 14.1. tobt eine wilde Jagd durch exotische Orte, unter anderem: Berlin-Treptow. GUITAR MEN (2007, OmU) ist eine Hommage an das Grindhousekino, in der sich echte und fiktive deutsche Geschichte vermischen. Dazu gibt es neuen und klassischen filmischen Irrsinn wie MANDY (11.2.), SANTA SANGRE (4.2.) und am 18.2. eine Doku über gelebte soziale Wärme in einer Hartz-4-WG, NICHT BÖSE SEIN, gedreht von einem Team, das selbst Transferleistungen bezieht. immer dienstags um 20 Uhr
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INDIESERVICE
Die INDIEKINOS
ACUD Kino Mitte
1
Veteranenstr. 21, 10119 Berlin www.acudkino.de 030/44 35 94 98
City Kino Wedding Filmrauschpalast im Centre Français Moabit 8 Lehrter Str. 35, 10557 Berlin Wedding 6 www.filmrausch.de 030/394 43 44
Müllerstraße 74, 13349 Berlin www.citykinowedding.de 01525/968 79 21
b-ware! ladenkino Friedrichshain 2 Gaertnerstr. 19, 10245 Berlin ladenkino.de, 030/63 41 31 15
Sputnik Kino am Südstern Kreuzberg 12 Hasenheide 54, 10967 Berlin www.sputnik-kino.com 030/694 11 47
11
Greifenhagener Str. 32, 10437 Berlin www.kino-krokodil.de 030/44 04 92 98
Segitzdamm 2, 10969 Berlin www.fsk-kino.de 030/614 24 64
Blissestr. 18, 10713 Berlin www.eva-lichtspiele.de, 030/92 25 53 05
10
Nansenstr. 22, 12047 Berlin www.ilkino.de 030/81 89 88 99
Kino Krokodil Prenzlauer berg
fsk-Kino am Oranienplatz Kreuzberg 9
Eva-Lichtspiele Berlin Wilmersdorf 7
IL KINO NEUKÖLLN
Union Filmtheater Friedrichshagen Bölschestr. 69, 12587 Berlin 14 www.kino-union.de 030/65 01 31 41
Wolf Kino Tilsiter Lichtspiele NEUKÖLLN 15 Friedrichshain 13 Weserstraße 59, 12045, Berlin wolfberlin.org 030/921 03 93 33
R.-Sorge-Str. 25a, 10249 Berlin www.tilsiter-lichtspiele.de 030/426 81 29
Bali Kino Zehlendorf 3 Teltower Damm 33, 14169 Berlin www.balikino-berlin.de 030/811 46 78
REINICKENDORF
Xenon Kino Schöneberg
PANKOW
16 Kolonnenstr. 5, 10827 Berlin www.xenon-kino.de 030/78 00 15 30
C 6 11 8 H 17 1
SPANDAU
MITTE
7
Caligariplatz 1, 13086 Berlin www.brotfabrik-berlin.de 030/471 40 01
13
A 9 16
5
LICHTENBERG
MARZAHNHELLERSDORF
B 2 Friedrichshain-
CHARLOTTENBURGWILMERSDORF
Brotfabrikkino Weissensee 4
4
12 E
TEMPELHOFSCHÖNEBERG
STEGLITZZEHLENDORF
kreuzberg
F 18 10 G 15 14 D
NEUKÖLLN
Z-inema MITTE
17
Bergstr. 2, 10115 Berlin www.z-bar.de 030/28 38 91 21
TREPTOWKÖPENICK
3
Bundesplatz-Kino Wilmersdorf 5 Bundesplatz 14, 10715 Berlin www.bundesplatz-kino.de 030/85 40 60 85
B-ware! Open Air IN DEN PRINZESSINNENGÄRTEN NEUKÖLLN A im FMP1 Friedrichshain B ladenkino.de
Freilichtbühne WeiSSensee Weissensee
C
freilichtbuehne-weissensee.de
Freiluftkino D Friedrichshagen Friedrichshagen
www.freiluftkino-friedrichshagen.de
Freiluftkino Hasenheide KreuzberG E
Freiluftkino Pompeji Friedrichshain
Freiluftkino Insel zu Gast im Cassiopeia Friedrichshain F
Windlicht im Filmrausch palast: „Umsonst & DrauSSen“ Moabit H
www.freiluftkino-hasenheide.de
www.freiluftkino-insel.de
G
freiluftkino-pompeji.de
Zukunft Friedrichshain
18
Laskerstr. 5, 10245 Berlin kino-zukunft.de 0176/57861079
www.filmrauschpalast.de
Impressum Herausgeber: INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) Rudolfstr. 11, 10245 Berlin Telefon: 030 – 209 897 24, info@indiekino.de, www.indiekino.de Geschäftsführung: Hendrike Bake
Bildnachweis: Filmbilder/Plakatmotive: Filmverleiher/Filmfestivals Verlosung MEIN LEBEN MIT AMANDA (S. 9): MFA+ Open Screening (S. 6): Sputnik Kino Aufbruch ins Jetzt (S. 7): Beat Presser Hommage Bernhard Sinkel (S. 58): Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen Berlin-Film-Katalog MOTIVSUCHE (S. 60): DEFA-Stiftung
Redaktion: Hendrike Bake, Thomas Dorow redaktion@indiekino.de Filmtexte: Hendrike Bake, Tanja Bersan, Yorick Berta, Stefanie Borowsky, Tom Dorow, Anna Hantelmann, Lili Hering, Karla Kabot, Christian Klose, Elinor Lewy, Bernhard Lommel, Michael Meyns, Harald Mühlbeyer, Toni Ohms, Hannes Stein, Susanne Stern, Eva Szulkowski, Lars Tunçay, Matthias von Viereck, Eva Wildte Texte Kinohighlights: INDIEKINO BERLIN und Kinos Grafik: Michael Zettler, Nora Wiesner (Zett Media) Akquise/Marketing: Verleih: Hendrike Bake, info@indiekino.de Online: Michael Spiegel, spiegel@indiekino.de Firmen/Festivals: Eva Schulze, eva@indiekino.de Druck: Bonifatius Druck, Paderborn
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Nachbild
Minutenlang bleibt die Kamera zu Beginn von WEISSER, WEISSER TAG auf dieser Einstellung eines sehr gewöhnlichen, vermutlich agrarindustriellen Container-Gebäudes aus Blech und Kunststoff vor der isländischen Berglandschaft. Nur die Jahreszeiten ändern sich. Es wird Frühling, ein paar Island-Pferde grasen, es wird Sommer. Der Nebel kommt und lässt selbst das Gebäude fast verschwinden. Manchmal regnet es, und manchmal leuchten die Berggipfel im Hintergrund in der Sonne. Der wiederkehrende Wechsel der Jahreszeiten lässt erkennen, dass mehrere Jahre vergehen. Die Szene erinnert an James Bennings Experimentalfilme wie 10 SKIES oder 13 LAKES, die nur die Bewegung des Lichts und des Windes über Landschaften zeigen, und eine seltsam entspannte Aufmerksamkeit wecken. Aber WEISSER, WEISSER TAG ist ein Spielfilm, und irgendwann beginnt die Handlung. Das wirkt beinahe wie ein Verlust.
vorschau INDIEKINO im Februar/März
D ÜBER DIE UNENDLICHKEIT Roy Andersson is back D PELIKANBLUT Mutterhorror D Die Känguru-Chroniken Ich bin Kommunist D FÜR SAMA Brief an die Tochter D THE INVISIBLE MAN Gaslighting D CHICHINETTE Beeindruckende Antifaschistin D LA VERITÉ Kore-eda international D KRAUTROCK 1 Avantgardepop D RICHARD JEWELL Verdächtigter Held D SCHLINGENSIEF Lieblingsprovokateur D NARZISS UND GOLDMUND Hesse-Film D DIE PERFEKTE KANDIDATIN Saudische Ärztin D BERLIN, BERLIN Lolle, mittelalt D Against all Enemies CIA gegen Jean Seberg D Jean Paul Gaultier: Freak & Chic Modemaniac D UNDINE Aus dem Wasser D SUICIDE TOURIST Selbstmordhotel D Jenseits des Sichtbaren – Hilma af Klint Abstrakte Pionierin D MOM+MOM Familie werden D NEW YORK – DIE WELT VOR DEINEN FÜSSEN Spazierengehen D EMMA Poppige Neuverfilmung D ALS WIR TANZTEN Rivalen D PAUSE Ehefrau im Wahn?
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קרשנדו