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I n memoriam Prof. Ludwig v. Ficker Geniale Denker sind in allen Ländern spärlich vertreten. Tirol besaß in Prof. Ludwig v. Ficker einen solchen, beinahe von einmaliger Artung. Gütig und bescheiden, kaum übermäßig mit irdischen Gütern gesegnet, wählte er den steilen und einsamen Pfad eines Kulturphilosophen. Allmählich fanden sich Geistesfreunde, wenige, aber treue, wie Dallago, Leitgeb und Sander. Die Gründung des Brenner-Verlages war ein Wagnis, die Zeitschrift „Der Brenner" galt nur für einen engen Kreis. Doch das Licht auf dem Scheme'l wurde Heller und Heller. Fickers Name und Werk gewannen an Ansehen und Geltung in allen mitteleuropäischen Kulturstaaten trotz aller Ungunst der Zeiten. Ehrungen und Auszeichnungen verklärten seinen Lebensabend. Ms zu Ende in geistiger Regsamkeit schaffend, erreichte er schmerzlos jenes ferne Ziel, das er gesucht und dem er unentwegt gedient. Als Ficker am Karfreitag Zur letzten Ruhe gebettet wurde, war an ihm der Vers aus dem Gedichte „Karfreitag" seines Freundes Leitgeb wahr geworden! „Frei ist das Herz des Fremdlings dieser Welt." Prof. Ludwig v. Ficker wurde im Friedhof von Mühlau neben dem von ihm so verehrten Dichter Georg Trakl beigesetzt. Zur Verabschiedung hatte sich nicht allein die gesamte Prominenz der Landesregierung und Stadtverwaltung, der Kirche und Universität eingefunden, sondern auch Vertreter des Vundesministeriums für Unterricht, der Salzburger Landesregierung wie der Wiener Kulturwelt. Dem Wunsche des Verewigten entsprechend, hielt einzig Prof. Doktor Ignaz Zangerle alö langjähriger Freund und Mitarbeiter Ludwig v. Fickers folgende Gedenkrede: Verehrte Trauergemeinde! Bald ist es 42 Jahre her, daß Ludwig von Ficker genau an dieser SteNe zum zweiten Male tiefbewcgien Abschied nahm vom Dichter Georg Tratl. dessen Gebeine er von Kratau nach Innsbruck überführen hatte lassen. Und schon sind wieder 15 Jahre vergangen, daß er — dort drüben — dem Dichter Josef Leitgeb die Grabrede hielt — ebenfalls an einem Karfreitag und zur selben Stunde. Nun sind fiir uno. seine Freunde, Zeit und Stunde gekommen, dein bereits ins Sprachlose Entrückten einen Abfchiedögllch nachzurufen. Weil es der erklärte Wille des Verstorbenen war. bei aller Dankbarkeit für die ihm in seiner letzten Lebenszeit erwiesenen Ehrungen von offiziellen Grabreden abzusehen, möchte ich, der durch viele Jahre das einzigartige Glück seiner Freundschaft genießen durfte, versuchen, das unwiederbringlich Einmalige dieser Geisteser-
scheinung Ihnen allen, die ihn gekannt haben, herauszurufen. Wer war dieser stille Mann, den erst nach Vollendung seines 70. Lebensjahres ein später Ruhm einzuholen begann? — Schlicht, unauffällig hat er hier in Mühlau gelebt, aufopfernd unterstützt von seiner Frau — sie war ihm im Tode vorausgegangen — und mit all seinen Lieben unter dem hilfreichen Schutz von drei Generationen der Familie Rauch. Als er nach dem ersten Weltkrieg in der Inflation den Rest seines Vermögens verloren hatte, fand er sich ohne Murren mit der Notwendigkeit ab, sein und seiner Familie Brot als Korrektor zuerst bei verschiedenen Innsbrukker Zeitungen, dann bei der Verlagsanstalt Tyrolia verdienen zu müssen. I n den dreißiger Jahren blieb auch Ludwig von Ficker das Los einer längeren Arbeitslosigkeit nicht erspart. Daß er von seinen damaligen Arbeitskollegen innerlich angenommen wurde, hat er noch in späten Jahren dankbar anerkannt. Die einfachen Menschen, in denen er ,das Volk' im Sinne Doftojewskys wiedererkannte, haben ihn, wie wir aus vielen Zeugnissen wissen, immer geachtet und geliebt. Er war von mitleidender Liebe erfüllt für die I m für die von Verzweiflung Angefochtenen, für die von geistiger Verftörung Bedrohten, überhaupt für alle ausgesetzten Existenzen. Ohne Voreingenommenheit nahm er in jedem Menschen das Ernstgemeinte selber ernst. Fragen wir ein zweites M a l ! Welche Bestimmung trat im Wirken dieses außerordentlichen Mannes zutage? Zeit seines Lebens war Ludwig von Ficker zutiefst davon überzeugt, daß die Dichtung imstande sei, nicht nur das Existenzgefühl einer Epoche zu artikulieren, sondern joden Menschen, der sich das innere Ohr und das innere Auge für deren eigentümliche Offenbarungstraft bewahrt hatte, in Kommunitation zu bringen mit verschlüsselten Botschaften aus einer tieferen Wirklichkeit. Als unverrückbarer Maßstab für die Echtheit eines dichterischen Wertes galt ihm die Ausdrnck^innchtigkcit der Sprache. Noch im hohen Alter war dieser sonst so überaus gütige Mann in Dingen der Sprache von unbeugsamer Strenge. Dazu kam eine untrügliche Witterung für Menschen von dichterischen und denkerischen Geistesgaben. Er hat diesen seinen Wahrblick nicht nur an Dichtern wie Georg Trall, Anton Santer. Josef Leitgeb, Josef Georg Oberkofler, Daniel Sailer, Friedrich Punt, nicht nur an Denkern wie Ferdinand Ebner, Theodor Haecker, Hans Kestranek, Carl Dallago bewährt, son-